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| Depression – Eine Krankheit mit vielen Gesichtern 5. April 2017 Düsseldorf Dr. med. Frank Bergmann

Depression – Eine Krankheit mit vielen Gesichtern · PDF file2 Häufigkeit psychischer Erkrankungen Ratgeber Gesundheit - Depression | 05.04.2017 Rund ein Drittel der Bevölkerung

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Depression – Eine Krankheit mit vielen Gesichtern

5. April 2017 Düsseldorf

Dr. med. Frank Bergmann

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Häufigkeit psychischer Erkrankungen

Ratgeber Gesundheit - Depression | 05.04.2017

Rund ein Drittel der Bevölkerung weist aufs Jahr gerechnet eine oder mehrere klinisch bedeutsame Störungen auf (Quelle: DEGS / TU Dresden) - Demenz, ADHD und Schlafstörungen nicht mitgerechnet

Höchste Prävalenzen bei jungen Menschen, Frauen sind geringfügig mehr betroffen als Männer

Keine Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland Psychische Störungen treten häufig zusammen auf oder gehen

mit anderen Erkrankungen einher Niedrige Behandlungsrate: Nur 43 Prozent der Betroffenen hatten

jemals Kontakt zum Medizinsystem, in den letzten zwölf Monaten behandelt wurde von den Betroffenen sogar nur knapp ein Drittel.

Gründe sind vielfältig – auch das Versorgungsangebot scheint nicht ausreichend zu sein

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Was sind die häufigsten psychischen Störungen?

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Morbidität ist bei psychischen Störungen ungleich verteilt

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Höchste Prävalenzen bei jungen Menschen, Frauen sind beim den meisten Diagnosen geringfügig mehr betroffen als Männer, vor allem bei den Jüngeren

Erhöhte Morbidität bei…. 18 bis 34-Jährigen Personen ohne festen Partner bzw. Geschiedenen Personen mit niedrigem „sozioökonomischem Status“

Keine statistischen Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland

Geringe Unterschiede zwischen Stadt und Land sowie zwischen kleineren und größeren Städten (Ausnahme: Psychosen und affektive Störungen)

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Depression versus „Burnout“

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Zu hinterfragende Thesen: „Burnout trifft die Starken und Engagierten“ „An Depression erkranken die Labilen“

DGES sieht soziökonomischen Zusammenhang

(Burnout ist anders als die Depression eine Störung sozial gehobener Kreise!)

Wichtig ist die Unterscheidung: Im Gegensatz zur Depression ist Burnout keine Erkrankung, sondern ein Risikozustand für körperliche und psychische Erkrankungen

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Erschöpfung als „Krankheit“ ist kein neues Phänomen

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Vor 1860 Kaum Studien zu Fatigue

1860er Neurasthenie durch Georg Miller Beard (NY) , als Modediagnose (Beard´s Krankheit)

Ab 1950 Myalgische Enzephalomyelitis (ME)/ Chronic

Fatigue Syndrom (CFS), später auch Fibromyalgie

ca. 1970er Begriff Burnout durch New Yorker Psychotherapeuten Herbert Freudenberger

Zustand, den er bei Beschäftigten in sozialen Berufen beobachtete, die sich in ihrer Arbeit überengagiert hatten. Die „Ausgebrannten“ fühlten sich u.a. müde, überfordert, lustlos und durch körperliche Beschwerden beeinträchtigt.

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Fatigue – Assoziierte Begriffe

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Fatigue

Chronisches Müdigkeitssyndrom

(Chronic Fatigue Syndrome)

Burnout

Erschöpfung

Neurasthenie Müdigkeit

Ermüdungssyndrom

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Neurasthenie im Zeitalter beginnender Industrialisierung

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Leitsymptom: anhaltende Erschöpfung bei geringfügiger Anstrengung

„allgemeines Krankheitsgefühl, Schwäche aller Körperfunktionen, schlechter Appetit, anhaltende Kraftlosigkeit , Schlaflosigkeit, Hypochondrie, Abneigung gegen regelmäßige und anhaltende geistige Tätigkeit, starke, kräftezehrende Kopfschmerzattacken und andere ähnliche Symptome...“

Betroffene Angehörige der städtischen amerikanischen Mittel- und Oberschicht

Therapie Erholung, Gespräche, Medikamente (z.B. Cola),

Elektrotherapie (Auffüllen der Energiereserven mit Strom...)

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Erschöpfungsdepression: Überforderung in der Nachkriegszeit

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Erschöpfungsdepression in

drei Phasen:

• Erste Phase:

Überempfindlichkeit, reizbare

Schwäche

• Zweite Phase:

Psychosomatische

Reaktionen

• Dritte Phase: Depression

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Fatigue

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Konzept Anhaltendes Erschöpfungsgefühl mit Tagesmüdigkeit und

folgenden Merkmalen: keine wesentliche Verbesserung durch Ruhe/Erholung unverhältnismäßige Erschöpfung nach auch geringfügigen Anstrengungen Verwandte/ähnliche Konzepte: Anhaltender Energiemangel (körperlich und psychische)

Abulie/Apathie Zu differenzieren von: Schläfrigkeit, erhöhte Schlafneigung

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Burnout, Depression, sonstige psychische Erkrankung?

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Von Burnout wird meist gesprochen, wenn

die Veränderungen vor allem im Arbeitskontext auffallen

es sehr engagierte Menschen trifft

man die Veränderungen für eine Reaktion auf andauernden Stress hält

man betonen will, dass sich jemand übernommen hat

man das Wort „Depression“ vermeiden möchte

In mehr als 50 Prozent der Fälle liegt eine depressive Erkrankung vor!

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Rangordnung der

Krankheits-

belastung

(1990 - 2020)

gemessen

nach

behinderungs-

bedingten

Lebensjahren

(DALYs = Disability

Adjusted Life

Years)

"The Global Burden of Disease" Harvard School of Public Health, 1998

Koronare Herzkrankheit

Depression

Verkehrsunfälle

Hirndurchblutungsstörungen

Atemwegsinfektionen

Tuberkulose

Kriegsfolgen

Diarrhoe

HIV

Perinatalschäden

Gewaltverbrechen

Geburtsfehler

Selbstverletzungen

Krebs der Atemwegsorgane

1990 2020

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Chronisch obstruktive Lungenerkrankung

Chronisch obstruktive Lungenerkrankung

Atemwegsinfektion

Diarrhoe

Perinatalschäden

Depression

Koronare Herzkrankheit

Hirndurchblutungsstörungen

Tuberkulose

Masern

Verkehrsunfälle

Geburtsfehler

Malaria

Anfälle

Anämie (Eisenmangel)

Eiweißmangelernährung

Depression wird zur immer größeren Last

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Häufigkeit und Prävalenz depressiver Erkrankungen

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Das Risiko, im Laufe des Lebens an einer Depression (alle Formen) zu erkranken (Lebenszeitprävalenz), liegt national wie international bei 16 bis 20 Prozent.

Innerhalb eines Jahres erkrankt mehr als jeder Zehnte depressiv (elf Prozent der Bevölkerung), dabei erkranken Frauen in etwa doppelt so häufig wie Männer. Eine Depression tritt häufig zum ersten Mal im Alter von 25 bis 35 Jahren auf.

Eine Depression ist mit einem erhöhten Risiko verbunden, an weiteren psychischen Störungen zu erkranken. Drei von vier Menschen, die depressiv erkrankten, leiden im Laufe ihres Lebens auch noch an einer anderen psychischen Störung, am häufigsten an einer Angststörung.

Pro Jahr versterben ca. 10.000 Menschen in Deutschland durch Suizid – in vielen Fällen vor dem Hintergrund einer depressiven Erkrankung.

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Psychische und biologische Ursachen

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Bei jeder Depression gibt es zwei Seiten „einer“ Medaille

Psychosoziale Aspekte z. B. negative Lebens-erfahrungen, Kindheit, Persönlichkeit Akute Belastungen, Stress, Beförderung, Neue Aufgaben, Mobbing Depressive Symptomatik Im Erleben und Verhalten

Neurobiologische Aspekte

Genetische Faktoren (Hinweis durch Zwillings-

und Adoptionsstudien)

z. B. Überaktivität der Stresshormonachse

z. B. Dysfunktionen der Neurotransmitter

Serotonin / Noradrenalin

Vulnerabilität

Auslöser

Depressiver Zustand

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Depression – Symptome

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Depression – Diagnose

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Ausführliches („differenzialdiagnostisches“) Gespräch Beurteilung der aktuellen Beschwerden und Belastungen Erfassung aller (psychischen) Beschwerden des Patienten über

die Lebenszeit (inkl. Lebens- und Familiengeschichte). Der Schweregrad einer Depression bemisst sich an der Zahl,

Intensität und Qualität der depressiven Symptome. Klinisch-diagnostische Interviews fragen die diagnostischen Kriterien nach der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation ab (ICD-10). Standardisierte Fragebögen und Fremdeinschätzungsskalen helfen dabei, die Schwere der Erkrankung abzuschätzen.

Sorgfältige internistische und neurologische Untersuchung zum Ausschluss körperlicher Ursachen, da Stoffwechselerkrankungen (z. B. Diabetes) oder Arzneimittel (z. B. Blutdrucksenker, Steroidhormone) Ursachen depressiver Symptome sein können.

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Depression – Therapie

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Psychiatrische/psychotherapeutische Behandlung

Einzelgespräche, Gruppentherapie

Medikamentöse Therapie (Antidepressiva)

Psychoedukation

Supportive Therapie, Entspannungsverfahren, Ergotherapie, …

Spezielle Therapieformen (Wachtherapie, Lichttherapie,

Elektrokrampftherapie)

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Depression – Heilungschancen

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Die Dauer einer depressiven Erkrankung kann durch eine

Behandlung deutlich verkürzt werden. Effektive Behandlungen senken die Rückfallrate erheblich. Patienten mit einem erhöhten Rückfallrisiko, z. B. wenn eine

Depression nicht vollständig abklingt, wird eine längerfristige stabilisierende Psychotherapie empfohlen.

Antidepressiva – die kein (!) Abhängigkeitsrisiko haben – vermindern das Rückfallrisiko. Sie sollten auch nach vollständigem Verschwinden der depressiven Symptome weiter eingenommen werden. Die Dauer der Einnahme richtet sich dabei insbesondere nach dem spezifischen Rückfallrisiko des Patienten.

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!