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Der Anfang (Mk ,) Bevor wir uns der Auslegung unsres Textes zuwenden, wollen wir uns kurz mit seiner Gliederung befassen. Die Einleitungsfragen vertagen wir auf das Ende dieser Vorlesung. 1 Die Gliederung des Evangeliums Ich stelle Ihnen zunächst eine Gliederung unseres Evangeliums vor. Wenn Sie die Markuskommentare durchmustern, so stellen Sie fest, daß „eine Reihe unterschiedlicher Entwürfe miteinander [konkurrieren], die sich jedoch auf zwei klar unterscheidbare Gliederungsprinzipien zurückführen lassen, auf eine rein geographische Einteilung und eine (mehr oder minder) rein inhaltliche bzw. thematische.“ 2 Ich schlage Ihnen eine Gliederung vor, die versucht, beide Gesichtspunkte zu berücksichtigen und zwei Hauptteile für das Markusevangelium annimmt, Galiläa (,,) und Jerusalem (,,). Im einzelnen sieht diese Gliederung folgendermaßen aus: Der Anfang , Teil A Jesus in Galiläa ,, I Jesu ξουσα in Wunder und Lehre ,, II Unverständnis und Unglaube ,,a III Weitere Taten und Worte Jesu ,b–, Teil B Jesus in Jerusalem ,, I Der Weg Jesu nach Jerusalem ,, II Auseinandersetzungen in Jerusalem ,, III Die eschatologische Schlußrede , IV Passionsgeschichte ,, V Ostern , 1 Wer sich darüber schon jetzt orientieren möchte, sei einstweilen auf Peter Pilhofer: Das Neue Testament und seine Welt. Eine Einführung, UTB , Tübingen , S. , verwiesen. 2 Dietrich-Alex Koch: Inhaltliche Gliederung und geographischer Aufriß im Markusevangelium, NTS (), S. ; Zitat S. .

Der Anfang (Mk 1 13 - Neutestamentliches Repetitorium · a) Das Problem des v. 1 3 a) Das Problem des v. 1 Der Anfang des Anfangs steht in v. 1 und lautet: ‡ρχŸ τοÜ ε˛αγγελ—ου

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Der Anfang (Mk ,)

Bevor wir uns der Auslegung unsres Textes zuwenden, wollen wir uns kurzmit seiner Gliederung befassen. Die Einleitungsfragen vertagen wir auf dasEnde dieser Vorlesung.1

Die Gliederung des Evangeliums

Ich stelle Ihnen zunchst eine Gliederung unseres Evangeliums vor. WennSie die Markuskommentare durchmustern, so stellen Sie fest, da eineReihe unterschiedlicher Entwrfe miteinander [konkurrieren], die sichjedoch auf zwei klar unterscheidbare Gliederungsprinzipien zurckfhrenlassen, auf eine rein geographische Einteilung und eine (mehr oder minder)rein inhaltliche bzw. thematische.2 Ich schlage Ihnen eine Gliederung vor,die versucht, beide Gesichtspunkte zu bercksichtigen und zwei Hauptteilefr das Markusevangelium annimmt, Galila (,,) und Jerusalem(,,). Im einzelnen sieht diese Gliederung folgendermaen aus:

Der Anfang ,

Teil A Jesus in Galila ,,

I Jesu in Wunder und Lehre ,,

II Unverstndnis und Unglaube ,,a

III Weitere Taten und Worte Jesu ,b,

Teil B Jesus in Jerusalem , ,

I Der Weg Jesu nach Jerusalem ,,

II Auseinandersetzungen in Jerusalem ,,

III Die eschatologische Schlurede ,

IV Passionsgeschichte ,,

V Ostern ,

1 Wer sich darber schon jetzt orientieren mchte, sei einstweilen auf Peter Pilhofer: Das NeueTestament und seine Welt. Eine Einfhrung, UTB , Tbingen , S. , verwiesen.

2 Dietrich-Alex Koch: Inhaltliche Gliederung und geographischer Aufri im Markusevangelium,NTS (), S. ; Zitat S. .

Der Anfang (Mk ,)

Ich empfehle Ihnen, sich diese Gliederung genau einzuprgen und auch beiIhrer Lektre des Evangeliums zu benutzen. Auf diese Weise gelingt es, sichdie Stoffe besser einzuprgen und die Lektre selbst zu strukturieren.

* * *Nachdem wir uns die Gliederung des gesamten Evangeliums vor Augengestellt haben, wenden wir uns nun dem Text des Anfangs zu, das ist derAbschnitt ,.

Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes. Wie geschrieben steht im Propheten Jesaja: Siehe, ich sende

meinen Boten vor dir her, der dir den Weg bereiten soll. Eine Stim-me ruft in der Wste: Bahnt dem Herrn die Strae, macht ihm dieWege grade!3

Johannes der Tufer trat auf in der Wste und predigte die Taufeder Bue zur Vergebung der Snden. Und das ganze jdische Landund alle Jerusalemer gingen zu ihm hinaus und lieen sich von ihmtaufen im Flu Jordan und bekannten ihre Snden. Und Johan-nes hatte ein Kamelfell um und a Heuschrecken und wilden Honig. Und er verkndete: Mir folgt ein Strkerer, dessen Schuhriemengebckt zu lsen ich nicht wert bin. Ich taufe euch mit Wasser, eraber wird euch mit heiligem Geist taufen.

Und es geschah in jenen Tagen, da kam Jesus aus Nazareth inGalila, und er wurde von Johannes im Jordan getauft. Und so-gleich4, als er aus dem Wasser heraufstieg, sah er, wie der Himmel sichspaltete und der Geist wie eine Taube auf ihn herabkam. Und eineStimme erklang vom Himmel: Du bist mein geliebter Sohn, an dirhabe ich Gefallen.

Und sogleich trieb ihn der Geist hinaus in die Wste. Under war vierzig Tage in der Wste, versucht vom Satan, und er war beiden Tieren, und die Engel dienten ihm.5

3 Die Syntax hngt hier aufs engste mit der Zeichensetzung zusammen, die textkritisch umstrittenist. Dies kann ich im Rahmen dieser Vorlesung im einzelnen jedoch nicht diskutieren; zur strittigenUrsprnglichkeit der Versgruppe vgl. die Bemerkungen unten, Seite mit Anm. .

4 Das bei M[ar]c[us] so beliebte erscheint hier zum ersten Male (Julius Wellhausen: DasEvangelium Marci, bersetzt und erklrt von J.W., Berlin , wieder abgedruckt in: ders.: Evange-lienkommentare. Mit einer Einleitung von Martin Hengel, Berlin/New York , S. [im Nachdr.S. ]).

5 Diese und alle folgenden bersetzungen in der Regel nach dem Kommentar von Julius Well-hausen (vgl. die vorige Anmerkung). Das wird im folgenden dann nicht mehr eigens angemerkt.

a) Das Problem des v.

a) Das Problem des v.

Der Anfang des Anfangs steht in v. und lautet:

arche. tou. euangeli.ou Iesou. Christou. hyiou. theou.

Anfang des Evangeliums Jesu Christi, des Sohnes Gottes.

Die erste Frage, die sich stellt, heit: Ist das eine berschrift? Und wennja: berschrift wovon von dem ersten Abschnitt , oder von demgesamten Markusevangelium?

Bevor wir uns dieser Frage zuwenden, mchte ich Sie darauf aufmerksammachen, da Markus nicht der erste und auch nicht der letzte ist, der seinBuch in dieser Weise beginnt. Denken Sie an das Buch Genesis, wo es in ,heit: (en arche. epoi. esen hotheo. s to. n ourano. n kai. te. n ge. n). Oder an den Prolog des Johannesevangeliums,wo es in , heit: , , (en arche. e. n ho lo. gos, kai. ho lo. gos e. n pro. s to. n theo. n, kai.theo. s e. n ho lo. gos). Irgendwo zwischen diesen beiden Extremen, zwischenGen , auf der einen und Joh , auf der andern Seite, mssen wir auchMk , ansiedeln. Aber wie und in welcher Weise? Ernst Lohmeyer siehtin , die berschrift fr den ersten Abschnitt, berschrift fr den

ersten Abschnitt

der ihm zufolge von , bis, reicht und mit Der Anfang des Evangeliums zu berschreiben ist.6

Dem schliet sich Dieter Lhrmann an, der allerdings den ersten Abschnitt(Der Beginn des Evangeliums) bis v. reichen lt.7

Eine andere Auffassung vertritt Bas van Iersel. Ihm zufolge bezieht sichMk , auf das ganze Buch und keinesfalls nur auf die erste Seite.8 SeineBegrndung erscheint mir jedoch allzu scharfsinnig, und so schliee ichmich Lohmeyer an und sehe in Mk , die berschrift fr ,.

6 Ernst Lohmeyer: Das Evangelium des Markus, KEK I , Gttingen , S. : Die ber-schrift bezieht sich also nicht auf das Buch eines Evangelisten, sondern auf das Geschehen des Evan-geliums. Wie bei jedem geschichtlichen Anfang lt sich nicht sagen, wie weit er reicht und wo seineFortsetzung anhebt; denn eben in der Einheit von Anfang und Fortsetzung vollzieht sich das Evange-lium. Mk hat dann auch im Fortgang seines Berichtes keinen weiteren Einschnitt gemacht . . . .

7 ist . . . als zusammenfassende berschrift zu anzusehen; und f sind syntaktisch nicht zu zu ziehen, sondern entsprechend der Interpunktion in allen neuen Ausgaben mit zu verbinden(Dieter Lhrmann: Das Markusevangelium, HNT , Tbingen , S. ). hnlich sieht es auchJoachim Gnilka in seinem Kommentar.

8 Bas van Iersel: Markus. Kommentar, Dsseldorf (die niederlndische Originalausgabe er-schien unter dem Titel Marcus in Boxtel; die bersetzung ins Deutsche besorgte Alfred Suhl),S. : Das ergibt sich daraus, da die Frohe Botschaft des Buches offenbar erst auf der letzten Seitedes Buches formuliert wird, und zwar dadurch, da der junge Mann im offenen Grabe den Frauen Je-su Auferweckung verkndigt. Alles, was vor der letzten Seite steht, ist denn auch Teil dieses Anfangs.

Der Anfang (Mk ,)

Die (arche. ) des (euange. lion) finden wir also in ,.Soviel haben wir geklrt. Damit kommen wir zum zweiten Problem, dasunsre berschrift uns stellt. Was ist (euange. lionIesou. Christou. )? Haben wir es hier grammatisch gesprochen mit einemgenitivus subiectivus oder mit einem genitivus obiectivus zu tun? D.h. aufDeutsch: Ist hier von dem Evangelium die Rede, welches Jesus Christusverkndigt, oder von dem Evangelium, das von Jesus Christus handelt?

Willi Marxsen formuliert unsre Frage folgendermaen: So ist es einevielverhandelte Frage, ob Jesus Christus in das Evangelium hineingehrt,oder ob er es bringt. Nah verwandt damit ist die andere, ob im Begriff - [euange. lion Iesou. Christou. ] ein objektiver oder einsubjektiver Genitiv vorliegt.9 Zur Beantwortung dieser Frage blicken wirzunchst auf Mk ,f.: Aber nachdem Johannes gefangen genommen war,kam Jesus nach Galila und verkndete das Evangelium Gottes. Er sagte:Die Zeit ist erfllt und das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen; kehrtum und glaubt an das Evangelium. Von dieser Stelle her sind zunchstdrei mgliche Bedeutungen ins Auge zu fassen: (euange. lion)10

bezeichnet

erstens den Gegenstand der Verkndigung Jesu (so eindeutig in ,und ,)

zweitens den Gegenstand der Verkndigung der Kirche (so vielleicht in,; gewi in ,: [eis pa. nta ta. e. thne pro. ton dei. kerychthe.nai to. euange. lion] und in ,: [ho. pou ea. n kerychthe. to. euange. lion])

drittens das Buch im Sinne einer neuen Gattungsbezeichnung: - (euange. lion kata. Ma. rkon) lautet die berschrift unseres

Wegen dieser engen Beziehung zum Schlu des Buches betrachte ich die erste Zeile als den Titel desganzen Buches, der den Leser von Anfang an auf die rechte Spur setzen soll.

9 Willi Marxsen: Der Evangelist Markus. Studien zur Redaktionsgeschichte des Evangeliums,FRLANT , Gttingen , S. .

10 InteressantDer synoptischeKonkordanzbefund

ist der synoptische Konkordanzbefund fr : Bei Markus begegnet dasWort neben den genannten Stellen , und ,f. in ,; ,; ,; , (ohne die Stelle im deutero-markinischen Schlu [,] also Belege fr Markus).

Bei Matthus sind es insgesamt nur Belege (Mt ,; ,; ,; ,) das ist sehr wenig,wenn man bedenkt, da dieses Evangelium doch sehr viel lnger ist als Markus! (In der Ausgabe vonNestle/Aland umfat das Matthusevangelium / Seiten, das Markusevangelium hingegen nurknapp Seiten. D.h. Matthus ist mehr als ein Drittel lnger als Markus.)

Fehlanzeige schlielich ist bei Lukas zu konstatieren (er verwendet das Wort nur an zwei Stellen inder Apostelgeschichte (Apg , und ,). Schon aus diesem Grund ist daher der Titel des Buches mindestens so deplaziert wie fr die Apostelgeschichte!Dieses Thema kann im Zusammenhang dieser Markusvorlesung freilich nicht weiter vertieft werden.

b) Johannes der Tufer (,)

Buches, die der eigenen berschrift des Markus in , vorangestellt wordenist.11

Im Prinzip kommen fr unsere Stelle alle drei Mglichkeiten in Betracht:Legen wir die Bedeutung zugrunde, so htten wir es mit einem genitivussubiectivus zu tun, und es wre die Rede von der Verkndigung Jesu. Legenwir die Bedeutung zugrunde, so wre der genitivus ein obiectivus undJesus selbst Gegenstand dieses Evangeliums. Bei Bedeutung schlielichwre dies die berschrift eines ersten Buchteils und Evangelium demnachGattungsbezeichnung.

Zieht man das markinische Material als Ganzes in Betracht12, so kommtman zu dem Ergebnis, da Markus beides nicht unterscheidet, d.h. derGenitiv darf weder als ein objektiver noch als ein subjektiver betrachtetwerden: In seinem Sinne trifft vielmehr beides zugleich zu. In unserm Vers wird (euange. lion) gleichsam als berschrift . . . ber dasganze Werk gesetzt. . . . das ganze Werk wird als [euange. lion]charakterisiert und qualifiziert. Es ist ein Evangelium.13

b) Johannes der Tufer (,)

Das Evangelium beginnt mit Johannes dem Tufer. Er steht am Anfangdes Evangeliums. Bei Markus haben wir es mit einer klaren Abfolge zutun: Wir haben zunchst Johannes den Tufer und seine Wirksamkeit. ImRahmen dieser Wirksamkeit wird sodann auch von der Taufe Jesu berichtet.Schlielich folgt, und zwar ausdrcklich nach der Gefangensetzung des Tu-fers (,), die eigene Wirksamkeit Jesu. Diese lst also die des Tufers ab.Am Rande sei bemerkt: hnlich verhlt es sich bei Matthus und bei Lukas,wohingegen Johannes in seinem Evangelium ein ganz anderes Bild entwirft.Bei ihm berschneidet sich die Ttigkeit Jesu mit der des Tufers (Joh ,;,), beide wirken nebeneinander.

11 Die beiden anderen Belege bei Markus , und , haben jeweils und gehren in die Rubrik .

Was die berschrift des Buches angeht, so ist natrlich sekundr; zweiberschriften hintereinander sind zwar nicht unmglich, wren aber doch sehr ungewhnlich . . .Zur berschrift des Lukasevangeliums vgl. den Befund oben in Anm. .

Zu den Evangelienberschriften im allgemeinen vgl. Martin Hengel: Die Evangelienberschriften,SHAW.PH , .

12 Vgl. dazu die Analyse bei Willi Marxsen, a.a.O., S. , insbesondere S. .13 Willi Marxsen, a.a.O., S. . Er fhrt fort: Das aber heit von Anfang an: das Werk ist als Ver-

kndigung zu lesen, ist als solches Anrede, nicht aber Bericht von Jesus. Da hier auch Berichtetesauftaucht, ist unter diesem Aspekt fast zufllig. Es ist jedenfalls nur Material. Paulus kann auf diesesMaterial weitgehend verzichten. Allerdings ist es, wie wir spter noch sehen werden, keinesfalls gleich-gltig, da dieses Material und gerade dieses aufgenommen worden ist.

Der Anfang (Mk ,)

Der Anfang des Evangeliums von Jesus Christus beginnt also mit Jo-hannes dem Tufer. Dieser ist in der christlichen Tradition zum Vorluferschlechthin geworden. Noch heute heit in Griechenland jeder dritte Berg (Ioha. nnes pro. dromos) Johannes der Vorlufer.

Bevor wir aber zu Johannes kommen, hat Markus noch ein Zitat ausdem Alten Testament vorgeschaltet. Zutreffend bemerkt Wellhausen: Dasvorangeschickte und gemischte Citat befremdet. M[ar]c[us] fhrt sonstniemals von sich aus eine Alttestamentliche Weissagung an . . . 14 Angeblichhandelt es sich um ein Zitat aus dem Propheten Jesaja (Wie geschriebensteht beim Propheten Jesaja, heit es ja einleitend in v. ). Dies trifftjedoch nicht zu. Vielmehr handelt es sich um eine Kombination ver-schiedener a[lt]t[estament]l[icher] Stellen, von denen keine ganz wrtlichwiedergegeben ist:

v. Mal , ,

.

Ex , ,

.

v. Jes , ,

.

Wer sich fr die Einzelheiten interessiert, sei auf die Studie von AlfredSuhl verwiesen, die die Funktion der alttestamentlichen Zitate im Markus-evangelium untersucht.15

Der Tufer gehrt also in das Evangelium hinein, als der Anfang desEvangeliums. Mit seinem Zitat will Markus zeigen, da auch dieser Anfang

14 Julius Wellhausen, S. (entspricht im Nachdr. S. ). Er lst das Problem, indem er mit Lach-mann, Weie . . . und Ewald die zwei Verse [,] als zugesetzt betrachtet, obwohl sie ganz fest be-zeugt und alt sind (S. = S. ).

Dieser Vorschlag ist im Jahr in modifizierter Weise aufgenommen worden von J.K. Elliott:Mark . A Later Addition to the Gospel?, NTS (), S. . Elliott pldiert dafr, dadie ersten drei Verse eine sekundre Zufgung zum Markusevangelium seien, die erforderlich wurde,nachdem der ursprngliche Anfang ebenso verlorengegangen war wie auch der Schlu. Beides sei beieiner berlieferung in Form eines codex wegen der starken Beanspruchung der ersten und der letztenSeiten durchaus denkbar.

An Argumenten nennt Elliott im einzelnen: Die unsichere und schwierige Zeichensetzung in denersten drei Versen; den vllig unmarkinischen Sprachgebrauch, der in bezug auf zentrale Wrter zukonstatieren sei: , , , um nur das Wichtigste zu nennen.

15 Alfred Suhl: Die Funktion der alttestamentlichen Zitate und Anspielungen im Markusevange-

b) Johannes der Tufer (,)

des Evangeliums . . . schriftgem ist.16 Wir werden auf diese Frage nachJohannes als dem (pro. dromos) bei der Auslegung von Kapitel noch einmal zurckkommen.

* * *In den folgenden Versen wird Johannes charakterisiert. Es ist hier nichtder Ort, auf die Frage nach dem historischen Tufer einzugehen, berden in den letzten Jahren zahllose Aufstze und etliche Bcher geschriebenworden sind. Ich will hier nur auf eine einzige Arbeit hinweisen, die stellver-tretend fr all die andern genannt werden soll, ich meine den Aufsatz ausder Feder Philipp Vielhauers unter dem Titel Tracht und Speise Johannesdes Tufers.17

Zunchst wird in v. konstatiert, da Johannes in der Wste auftritt.In v. erfahren wir, da er im Jordan tauft. Die gemeinte Wste ist dieAraba am Jordanflu; zur Taufe gehrt flieendes, nicht abgeschnittenesWasser. Der Tufling wird nicht untergetaucht, sondern taucht sich selberunter . . . 18 In v. schlielich wird um Vielhauers Ausdruck aufzuneh-men Tracht und Speise des Tufers geschildert. Die Notiz ber Trachtund Speise des Tufers ist von jeher aufgefallen. Denn sie ist in der altenEvangelienberlieferung, die kein biographisches Interesse kennt, singu-lr. . . . Vor allem in der Notiz v. findet sich kein christliches Element; siedrfte eine historisch zuverlssige Nachricht sein.19

Ist dies richtig, so erhebt sich sogleich die Frage: Welchen Sinn verbandder Tufer mit dieser Kleidung und Nahrung? Der Hinweis auf Askese undKulturfeindschaft lt die Frage offen, warum er gerade diese Form gewhlthat. Und sollte der hrene Mantel zur Drapierung der sptjdischenPropheten gehrt haben [, wie Wellhausen sagt], so bleibt immer nochunklar, warum er aus Kamelhaaren gefertigt war und was der Ledergrtelund die seltsame Nahrung bedeuten sollten, die nicht als prophetischeRequisiten bezeugt sind.20 Dieser Frage ist Vielhauer in dem genanntenAufsatz nachgegangen. Er kommt dabei zu dem folgenden Ergebnis:

lium, Gtersloh , S. . (Das obige Zitat sowie die Tabelle entstammen dem Buch von AlfredSuhl.)

16 Alfred Suhl, a.a.O., S. .17 Philipp Vielhauer: Tracht und Speise Johannes des Tufers, in: ders.: Aufstze zum Neuen Testa-

ment [I], TB , Mnchen , S. .18 Julius Wellhausen, S. = S. .19 Philipp Vielhauer, a.a.O., S. .20 Philipp Vielhauer, a.a.O., S. . Das Zitat aus Wellhausen steht Vielhauer zufolge auf S.

der . Aufl. des Wellhausenschen Kommentars. Diese ist mir hier nicht zur Hand. In der . Aufl.findet sich die Formulierung jedenfalls nicht (auch keine hnliche!).

Der Anfang (Mk ,)

Seine Kleidung Obergewand oder Mantel war aus Kamelhaaren ge-fertigt . . . . Sie bestand aus demselben Material, aus dem die Beduinen ihreMntel und Zelte herstellten. Der Ledergurt ist ebenfalls ein beduinischesRequisit, wohl ein langer Riemen aus Gazellenleder, den die Beduinen zumSchutz . . . trugen. Die Heuschrecken und der wilde Honig . . . gehren zuder kargen Nahrung der Beduinen.21

Dazu pat gut das Auftreten des Tufers in der Wste (vgl. auch Mt,). Ort und Art seines Auftretens bilden einen einheitlichen Motiv-zusammenhang und gliedern sich in einen breiten Strom der jdischenEschatologie ein: in die Wstentypologie, die die jdische Enderwartungweitgehend bestimmt. Sie besagt: wie Gott sich in der Urzeit des Volkes inder Wste geoffenbart hat, so wird er sich in der Endzeit ebenfalls in derWste offenbaren. . . . Aus dieser [alten Wstentypologie] erklrt sich dieSeltsamkeit seiner Kleidung und Nahrung besser und einheitlicher als ausAskese oder Kulturfeindschaft. Seine Kleidung und Nahrung haben ihrenSinn als eschatologische Demonstration.22

Die beiden folgenden Verse, v. , kennzeichnen Johannes als denVorlufer des Messias. Dies ist merkwrdig. Bei Mc motiviert Johannesseine Aufforderung zur Bue nicht durch den bevorstehenden Tag desZorns. Er weist auch nicht auf den einer ungewissen Zukunft angehrigenMessias hin, der das Strafgericht abhalten werde, sondern lediglich auf denhistorischen Jesus als seinen berlegenen Nachfolger, der nicht mit Wassertaufen werde, sondern mit heiligem Geiste.23

c) Die Taufe Jesu (,)

Unter dieser berschrift fasse ich zwei kleinere Einheiten zusammen, nm-lich v. ber die Taufe einerseits und v. ber den Aufenthalt Jesuin der Wste.

21 Philipp Vielhauer, a.a.O., S. . Heuschrecken werden als Nahrung auch bei Plinius, N.H. VII erwhnt, eine Stelle, die Vielhauer in seinem Aufsatz allerdings nicht bercksichtigt: [Plinius be-richtet ber den Stamm der Makrobier Macrobii , deren Frauen nur einmal gebren.] idque etAgatharchides tradit, praeterea locustis eos ali et esse pernices, Das gleiche berichtet auch Agatharchides,auerdem, da sie von Heuschrecken lebten und sehr behend seien.

22 Philipp Vielhauer, a.a.O., S. .23 Julius Wellhausen, S. = S. . Wellhausen fhrt fort: Die Taufe mit Geist ist eine Taufe ohne

Wasser, d.h. gar keine wirkliche Taufe, sondern ein Ersatz derselben durch etwas Besseres, durchdie Verleihung des Geistes, welche als das Eigentmliche der Wirksamkeit Jesu erscheint. Wasserund Geist stehn hier in ausschlieendem Gegensatze. Spter wurde dieser so ausgeglichen, da einechristliche Taufe mit Wasser und Geist entstand. In Wahrheit hat die christliche Gemeinde die Taufeerst nach des Meisters Tode von den Johannesjngern bernommen.

c) Die Taufe Jesu (,)

Die Taufe Jesu durch Johannes stellt die Verbindung her zwischen demAbschnitt ber den Vorlufer (v. ) und dem Bericht ber die Wirksam-keit Jesu ab ,.

Die Taufe Jesu durch Johannes den Tufer gehrt zu den sichersten Fak-ten, die wir in bezug auf das Leben des historischen Jesus besitzen. An stelleder Salbung, die zum Begriff des Messias gehrt, tritt bei Jesus die Taufe.Mit ihr beginnt seine Messianitt. Indessen ist dieselbe bei Mc vorlufignur latent, nur ihm [Jesus] selbst bewut bis zum Petrusbekenntnis [Mk,] und zur Verklrungsgeschichte [Mk ,]. Denn in bezeichnen-dem Unterschiede zur Verklrungsgeschichte sieht bei der Taufe nur Jesusden Geist auf sich herabkommen, und nur er hrt die Stimme, die ihnanredet und nicht wie , zu Anderen ber ihn zeugt.24 Auf die Frage derSalbung des Messias werden wir dann bei der Auslegung von Mk ,noch des genaueren zurckkommen.25

Damit kommen wir zu den beiden letzten Versen unsres einleitenden Ab-schnitts, v. , wo von dem Aufenthalt in der Wste die Rede ist. Sie allekennen die Langfassung dieser Geschichte, wie sie uns die berlieferung derSpruchquelle Q bietet (Luk ,//Mt ,). Leider fehlt uns die Zeit, ineinen ausfhrlichen Vergleich der beiden Versionen einzutreten. Immerhinist es doch sehr bemerkenswert, da der Anfang des Markusevangeliumsund der Anfang der Spruchquelle Q weitestgehend analog gestaltet ist: Wiehier in unserm Evangelium haben wir auch bei Q die Reihenfolge: Johannesund sein Wirken die Taufe Jesu der Aufenthalt in der Wste.26 Dieslegt die Frage nahe, ob es eine Beziehung zwischen der Spruchquelle Qeinerseits und dem Markusevangelium andrerseits gibt, und welcher Arteine solche Beziehung sein knnte. Dies will ich hier wenigstens am Randerwhnen.

24 Julius Wellhausen, S. = S. .25 Vgl. dazu Peter Pilhofer: Wer salbt den Messias? Zum Streit um die Christologie im ersten Jahr-

hundert des jdisch-christlichen Dialogs, in: Begegnungen zwischen Christentum und Judentum inAntike und Mittelalter (FS Heinz Schreckenberg), Gttingen , S. .

26 Vgl. der Einfachheit halber Athanasias Polag: Fragmenta Q. Textheft zur Logienquelle, Neukir-chen-Vluyn , S. ...

A Jesu Wirken in Galila (,,)

I Die (exousi.a) Jesu in Wunder und Lehre (,,)

Damit kommen wir nun zum ersten Hauptteil unsres Evangeliums, dessenerster Abschnitt von , bis , reicht.1 Zweckmigerweise zerlegen wirdiesen Abschnitt seinerseits in zwei Unterabschnitte, und zwar:

. Erste Heilungen (,) und. Erste Streitgesprche (,,).In der heutigen Sitzung sollten wir den ersten Unterabschnitt schaffen,

wir werden sehen!

. Erste Heilungen (,)

Ich zerlege diesen Unterabschnitt seinerseits in drei Teile, nmlicha) Die ersten Jnger (,)b) Die beiden ersten Wunder (,)c) bergang und drittes Wunder (,).

a) Die ersten Jnger (,)

Aber nachdem Johannes gefangen genommen worden war, kam Je-sus nach Galila2 und verkndete das Evangelium Gottes. Er sagte:Die Zeit ist erfllt und das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen;kehrt um und glaubt an das Evangelium.

Und als er am galilischen Meer entlangging, sah er Simon undAndreas, den Bruder des Simon, ihre Netze im Meer auswerfen3. Siewaren nmlich Fischer. Und Jesus sprach zu ihnen: Kommt mirnach, ich will euch zu Menschenfischern machen. Und sogleichlieen sie ihre Netze liegen und folgten ihm nach.

Und als er ein wenig weiterging, sah er Jakobus, den Sohn desZebedus, und Johannes, seinen Bruder, ebenfalls in einem Boot, die

1 Zur Gliederung des gesamten Evangeliums vgl. die oben auf Seite gegebene bersicht.2 war schon zuvor in , als Heimat Jesu erwhnt worden. Nach der Taufe kehrt er nun

in diese Heimat zurck und beginnt sein Werk.3 Das griechische Verbum ist im Neuen Testament ein Hapaxlegomenon; bei den

Seitenreferenten Lukas und Matthus findet es sich nicht. Bauer/Aland geben im Wrterbuch (Sp.

A Jesu Wirken in Galila (,,)

Netze in Stand setzend. Und sogleich rief er sie. Und sie lieenihren Vater Zebedus zurck in dem Boot mit den Angestellten undgingen weg, ihm nach.

Ich habe vorhin schon darauf hingewiesen, da Markus und seine Syn-optikerkollegen im Unterschied zu Johannes die Wirksamkeit Jesu erstnach der Gefangennahme des Tufers beginnen lassen. Diese wird hier inv. ausdrcklich erwhnt: (meta.de. to. paradothe. nai to. n Ioa. nnen). Das hier von Markus verwendete Verbum (paradi.domi) ist ein Fachausdruck aus der Sprache von Polizeiund Gericht und meint zwangsweise vorfhren, gefangen einliefern.4

Von dem Ort der Taufe Jesu fhrt uns v. zu dem ersten Schauplatzder Wirksamkeit Jesu, nach Galila. Von Kapitel bis Kapitel befindenwir uns fast ausschlielich in Galila, ab , dann in Jerusalem. Galila istfr die Theologie des Markusevangeliums von ganz besonderer Bedeutung.Darauf hat einst schon Lohmeyer in seinem berhmten Buch ber Galilaund Jerusalem aufmerksam gemacht.5

Bemerkenswert ist, wie sehr diese Aussage ber die Verkndigung Jesudem oben in , von Johannes dem Tufer Berichteten gleicht. Zu Rechtbemerkt Wellhausen zu unsrer Stelle: Jesus tritt erst auf, als Johannesnicht mehr wirken kann. Und zwar geradeso wie dieser, nmlich nicht alsMessias und Bringer des Gottesreiches, sondern als Prediger der Bue imHinblick auf das bevorstehende Gottesreich. Das Wort [meta. noia]ist unjdisch, obgleich es sich ein paarmal bei Sirach findet; das aramischequivalent ist t b = hebr. s c h b. S c h b ist der Ruf schon der lterenPropheten; auf griechisch aber fordert Jonas nach Mt , zur [meta. noia] auf. Wie die Propheten, so haben auch Johannes und Jesus eineUmkehr des Volkes im Auge, nicht blo einzelner Individuen, am wenigstenauch solcher, die nicht zum jdischen Volk gehren. Denn fr das ReichGottes ist nur Israel bestimmt.6

Ein Unterschied zur Verkndigung des Tufers in , ist das Stichwort (euange. lion). Wir haben darber schon im Zusammenhang mitder Auslegung der berschrift in , gesprochen.7

) als Bedeutung t.[erminus] t.[echnicus] v.[om] Auswerfen d.[es] runden Wurfnetzes an. ZurIllustration vgl. unten die Abbildung auf Seite .

4 Vgl. das Bauersche Wrterbuch, s.v. , Sp. (bei b). Bauer fhrt als Belege meh-rere Papyrustexte an.

5 Ernst Lohmeyer: Galila und Jerusalem, FRLANT , Gttingen . Vgl. dazu auch die obenauf Seite in Anm. zitierte Marxsensche Arbeit Der Evangelist Markus.

6 Julius Wellhausen, S. = S. .7 Das Wort bezeichnet hier wie in v. , wie wir gesehen haben, den Gegenstand der

I Die (exousi.a) Jesu in Wunder und Lehre (,,)

Abbildung : Fischfang mit Netz

In v. werden die ersten Jnger Jesu berufen. Hier folgt ein Zu-satz zu Tiberia.s und

dem Fehlen dieser

Stadt im Markusevan-

gelium, der dann in

der nchsten Auflage

auch publiziert werden

wird.

Es handelt sich um diebeiden Brderpaare Simon und Andreas und Jakobus und Johannes, dieShne des Zebedus.

b) Die beiden ersten Wunder (,) Und sie gingen nach Kapernaum hinein. Und sogleich am Sabbatging er in die Synagoge und lehrte. Und sie waren entsetzt berseine Lehre, denn er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, und nichtwie die Schriftgelehrten. Und sogleich war in ihrer Synagoge einMensch mit einem unreinen Geist, der schrie und sagte: Washaben wir mit dir zu schaffen, Jesus von Nazareth? Kommst du, umuns zu verderben? Ich wei, wer du bist, der Heilige Gottes. UndJesus schalt ihn und sagte: Halt den Mund und fahr aus von ihm. Und indem der unsaubere Geist ihn zerrte und schrie, fuhr er ausihm aus. Und sie staunten alle, so da sie untereinander redetenund sagten: Was ist das? Eine neue Lehre mit Vollmacht! Sogar denunreinen Geistern gebietet er, und sie gehorchen ihm. Und seinRuf ging aus sogleich berall hin in die ganze Umgegend von Galila.

Unsere erste Wundergeschichte ist von Mk in den Zusammenhang desAbschnittes ,, der offenbar paradigmatisch Jesu Wirksamkeit illustrie-ren soll, eingefgt. Von V. drfte etwa der Anfang, . [kai. eisporeu. ontai eis Kaph.] Bildung des Mk sein und ebenso der

Verkndigung Jesu, vgl. dazu oben S. .

A Jesu Wirken in Galila (,,)

Schlu V. . Auerdem stammen von ihm V. und in V. die Worte [didache. kaine. kat exousi.an; kai.], Stcke,die die Pointe stren . . . . 8

Nimmt man diese redaktionellen Zufgungen aus der Feder des Markusweg, so bleibt eine stilechte Wundergeschichte, nherhin ein Exorzismus,brig: . Der Dmon wittert den Beschwrer und strubt sich, . Be-drohung und Gebot des Beschwrers, . Ausfahren des Dmons unterDemonstration, . Eindruck auf die Zuschauer.9

Diese Wundergeschichte hat Markus aus der mndlichen Tradition ber-nommen und mit neuen Motiven angereichert. Die (didache. kaine. kat exousi.an) ist ihm besonders wichtig. Jesus lehrtals (exousi.an e. chon kai. ouch hos hoigrammatei.s). Schon bei der ersten Gelegenheit macht Markus mit diesenWorten darauf aufmerksam, was ihm wichtig ist: Die neue Lehre Jesu, diesich deutlich von der der Schriftgelehrten abhebt. Was damit gemeint ist,werden wir in Kapitel erfahren.

Gut fat Wellhausen den Sinn unsrer Perikope zusammen: Daran, daJesus in der Tat nicht blo gelehrt, sondern in engem Zusammenhangdamit auch geheilt hat, lt sich nicht zweifeln. Gelernt hat er weder dasLehren noch das Heilen, es ist beides bei ihm keine Kunst, sondern Bega-bung. Die Begabung ist universell; zu wem man berhaupt das Zutrauender Autoritt oder der Vollmacht hat, dem traut man Alles zu und wendetsich in allen Angelegenheiten an ihn. ber die Art der Krankheitsflle,die Jesus behandelt, lt sich nichts Sicheres sagen; wir wrden auch dieBesessenheit als Krankheit auffassen. Der Glaube an Dmonen, die in denMenschen wohnen und wirken, war damals allgemein; er tritt in der Neu-testamentlichen Literatur weit strker hervor als in der Alttestamentlichen;zum teil deshalb, weil jene aus weniger vornehmen Kreisen stammt alsdiese, aber nicht ausschlielich aus diesem Grunde.10

* * * Und sogleich gingen sie aus der Synagoge heraus und gingen indas Haus des Simon und Andreas mit Jakobus und Johannes. DieSchwiegermutter des Simon aber lag darnieder mit Fieber, und so-gleich berichteten sie ihm von ihr. Und er ging zu ihr und liesie aufstehn, indem er sie bei der Hand fate. Und das Fieber verliesie, und sie diente ihnen.

8 Rudolf Bultmann, GST .9 Rudolf Bultmann, GST .

10 Julius Wellhausen, S. = S. .

I Die (exousi.a) Jesu in Wunder und Lehre (,,)

Dies ist die zweite Wundergeschichte, die Heilung der Schwiegermutterdes Petrus, der hier noch Simon heit.11 Durch die Eingangswendungist das Stck in den Zusammenhang verflochten. Erzhlt ist sehr einfach;die heilende Geste ( [krate. sas te. s cheiro. s]) und dieDemonstration der erfolgten Heilung ( [dieko. nei autoi.s])sind stilgeme Zge.12

Nach dem markinischen Zusammenhang befinden wir uns hier im Hausdes Petrus in Kapernaum. Dieses hat ein frommer katholischer Archologein den sechziger Jahren angeblich in Kapernaum ausgegraben.13

c) bergang und drittes Wunder (,)

Am Abend aber, als die Sonne untergegangen war, brachten sie alleKranken und Besessenen zu ihm, und die ganze Stadt war vor derTr versammelt. Und er heilte viele, die an mancherlei Krankhei-ten litten, und trieb vielen Dmonen aus, und lie die Dmonen nichtreden, denn sie kannten ihn.

Hier haben wir ein erstes markinisches Summarium vor uns. Kennzeichendieser markinischen Summarien ist, da sie ausfhrlich Jesu Heilttigkeitschildern.14

11 Da Petrus verheiratet war, bezeugt unabhngig von unserer Tradition auch Paulus in Kor ,.An der Schwiegermutter ist daher nichts auszusetzen . . .

12 Rudolf Bultmann, GST .13 Father Virgilio Corbo, O.F.M.: The House of St. Peter at Capharnaum. A Preliminary Report

of the First Two Campaigns of Excavations, April June , Sept. Nov. , , Publicationsof the Studium Biblicum Franciscanum, Collectio minor , Jerusalem . Unter einer Kirche ausbyzantinischer Zeit fanden sich wesentlich ltere Strukturen: various habitations of extreme povertyhave been found; they, together with the archaeological finds, suggest a date in the first century of ourera (S. ). The archaeological excavation beneath the pavements of the Byzantine church has notonly brought to light a network of habitations of the first century of our era, but has demonstratedwith the same evidence also the evolution of a cultic character which made itself known in thesehabitations around the largest room of the complex (S. ). Among the very numerous graffiti . . .there are fragments in Greek, in Syriac and in Hebrew . . . . On some fragments there areexpressions which were certainly parts of prayers, such as the words . . . and . . . . Onanother fragment there are the names of () . . . and () . . . . Another fragment hasan invocation addressed to Christ, the Lord: () () () . . . (S. f.)

Vgl. dazu des weiteren: Stanislao Loffreda/Vassilios Tzaferis: Art. Capernaum, The New Encyclope-dia of Archaeological Excavations in the Holy Land () (), S. . In diesem Artikeluert sich der erstgenannte Vf. auch ber das House of Saint Peter (S. ): Phasen: I (. Jh. n.Chr.): private houses, among which was the traditional house of Saint Peter; II (. Jh. n. Chr.): domusecclesia; III (. Jh. n. Chr.): Oktogon-Kirche.

14 Rudolf Bultmann, GST . Bultmann zhlt drei solche Summarien auf: ,; , und,. Ob auch die folgenden von Bultmann genannten Stellen in diese Rubrik gehren? (So hatMk auch der Darstellung des Wirkens Jesu eine zusammenfassende Schilderung seiner Bupredigt . . .vorangeschickt ,f. Endlich gehrt dazu ,, die Bestellung der Zwlf, durch die Mk sowohl die

A Jesu Wirken in Galila (,,)

Spezifisch markinisch ist daran, da ausdrcklich die Dmonenaustrei-bungen genannt werden. Im Evangelium des Johannes kommen solcheberhaupt nicht vor.

Ich mchte Sie hier noch aufmerksam machen auf die Formulierung (ho. le he po. lis) in v. die ganze Stadt versammelt sich ander Tr (vgl. ,). Die Frage ist: Wo war denn bisher von einer Stadtdie Rede?15 Erinnern wir uns: In , kam Jesus (eiste. n Galilai.an), in , ging er (para. te. ntha. lassan te. s Galilai.as). Die erste und bisher einzige konkrete Ortsangabefand sich in ,: (kai. eisporeu. ontai eisKapharnaou. m), wo die in als Handlungsort fungierende Synagoge zusuchen ist. Jede Leserin und jeder Leser des Evangeliums wird daher das inv. erwhnte Haus des Simon ebenfalls in Kapernaum vermuten. Somitergibt sich, da Markus mit (ho. le he po. lis) in v. offenbarKapernaum meint. Dies ist ein bemerkenswertes Phnomen, das in denKommentaren leider berhaupt nicht gewrdigt wird.16

Ein normaler griechisch schreibender Mensch kme gewi nicht aufdie Idee, Kapernaum als (po. lis) zu bezeichnen. Dies besttigt aucheine Stelle in der Vita des Josephus, wo unser Kapernaum als (ko. me)bezeichnet wird, als Dorf also: Ich htte an jenem Tage einen schnenErfolg zu verzeichnen gehabt, wenn mir nicht ein Unfall zugestossen wre.Das Pferd nmlich, welches ich ritt, sank an einer sumpfigen Stelle ein undwarf mich zu Boden; mit einer Quetschung an der Handwurzel wurde ichin das Dorf Kapernaum gebracht.17

bestndige Begleitung der Zwlf ( ), wie auch ihre Aussendung ( .) motiviert.)

15 Alle Belege aus Mk: ,.; ,; ,.; ,; ,.. Unspezifisch ist die Verwendung inKapitel , wo Jerusalem gemeint ist, eine (po. lis) auch nach griechischem Empfinden; ebensoverhlt es sich mit ,. An den andern Stellen sind (po. leis) im griechischen Sinn nicht in Sicht.

16 Julius Wellhausen, S. : Fehlanzeige.Ernst Lohmeyer, S. : Fehlanzeige.C.F.D. Moule, S. : Fehlanzeige.Eduard Schweizer, S. : Fehlanzeige.Bei Joachim Gnilka, S. , findet sich immerhin die Bemerkung: Vor Simons Tr versammelt sich

die ganze Stadt. Kafarnaum gilt Markus als bedeutender Ort.Abwegig Walter Schmithals, S. f.: Die doppelte Zeitangabe weist darauf hin, da der Sabbat . . .

zu Ende ist; der jdische Tag whrte von Abend zu Abend. Nun kann das Leben in der Stadt wiederpulsieren, und jedermann drngt vor das Haus, in dem Jesus sich aufhlt, voran die Kranken undBesessenen, die man zu ihm bringt. Das trfe vielleicht fr Berlin zu, aber doch nicht fr das KaffKapernaum.

Dieter Lhrmann, S. : Fehlanzeige.17 Josephus: Vita f. (bersetzung nach: Flavius Josephus: Kleinere Schriften: Selbstbiographie.

Gegen Apion. ber die Makkaber, bersetzt und mit Einleitung und Anmerkungen versehen vonDr. Heinrich Clementz, Nachdr. , S. ).

I Die (exousi.a) Jesu in Wunder und Lehre (,,)

Die Stelle bei Josephus zeigt: Nach griechischem Sprachgebrauch warKapernaum keine Stadt, sondern ein Dorf, nach unsern Mastben wohleher ein Kaff. Schon Markus beginnt damit, die Schaupltze des LebensJesu in einem respektableren Licht erscheinen zu lassen, wie man an dieserKleinigkeit sehen kann. Andere Evangelisten insbesondere Lukas sindihm da gefolgt und haben die Methode ausgebaut und verfeinert.

* * * Und ganz frh am Morgen, als es noch vllig Nacht war, stand erauf und ging weg an einen einsamen Ort und betete dort. Und Si-mon eilte ihm nach mit seinen Genossen. Und sie fanden ihn undsagten zu ihm: Alle suchen dich. Und er sagte zu ihnen: Latuns anderswohin in die benachbarten Ortschaften18 gehen, damit ichauch dort verkndige; denn dazu bin ich ausgegangen.

Hier stehen wir am Ende des ersten Tages in Kapernaum, der, wie Wellhau-sen richtig formuliert, paradigmatische Bedeutung hat: Zu den Angabenber die Jngerwahl, das Lehren in der Synagoge, die Dmonenaustreibungund die Krankenheilung, den gewaltigen Zulauf und den weiten Ruf kom-men zwei weitere bedeutsame erste Beispiele dauernder Gewohnheit hinzu.Zunchst das einsame Beten in der Nacht oder am frhen Morgen, nichtim Kmmerlein, sondern unter freiem Himmel, auf einem Berge oder einerabgelegenen Sttte. Sodann das Wanderpredigen. Kaum hat Jesus seinenFu in Kapernaum gesetzt, so treibt es ihn schon wieder fort und allesuchen ihn!19

Wenigstens als Kuriositt will ich zu v. die Entdeckung des (e. remos to. pos) durch Bargil Pixner erwhnen.20 Unter Hinweis aufseinen Herausgeber Rainer Riesner behauptet Pixner, da

18 Das hier von Mk benutzte Wort ist Hapaxlegomenon im Neuen Testament. Es hatschon die ersten Abschreiber irritiert: statt liest D ex latt , womit das Problem aus der Welt geschafft wre. Die Lesart ist deutlich sekundr.

Auch hier lassen einen die Kommentare im Stich: Ernst Lohmeyer wei nichts zu zu sa-gen (S. f.), auch C.F.D. Moule nicht (S. ), auch Eduard Schweizer nicht (S. f.). Bei JoachimGnilka findet sich (S. ) immerhin die Bemerkung: Das seltene nur hier im NeuenTestament bezeichnet neben der in der Regel ummauerten Stadt und dem offenen Wohnplatz desDorfes ein Mittelding, ein stadthnliches Dorf oder eine Stadt, die verfassungsmig nur die Stellungeines Dorfes hat. Zum Beleg verweist Gnilka in Anm. auf Billerbeck II, f; Schrer II, (ebd.).

Die Suche auf der CD-ROM #D ergibt Belege, darunter nur vier, die chronologisch vor Markuseinzuordnen sind (alle bei Strabon: Geographica XII ..; XIII ). Damit ist erwiesen, da es sichhier um ein auerordentlich seltenes Wort handelt.

19 Julius Wellhausen, S. = S. .20 Bargil Pixner: Wege des Messias und Sttten der Urkirche. Jesus und das Judenchristentum im

Licht neuer archologischer Erkenntnisse, hg.v. Rainer Riesner, Gieen , S. : Tabgha,der Eremos des Herrn.

A Jesu Wirken in Galila (,,)

Abbildung : Die Karte von Bargil Pixner

(e. remos to. pos) hier wie anderwrts den einsamen Platz nahe den SiebenQuellen nur km sdwestlich von Kafarnaum meine, an den sich Jesuszurckzuziehen liebte.21 Diese phantasievolle Darstellung reichert Pixnermit einer Karte der Gegend an (Abb. auf S. ), auf welcher man dieEremos-Hhle verzeichnet findet, aber auch den Hafen des Petrus imSden dieser Hhle.22 Zur Lage vgl. auch die Photographie Tafel a (aufS. ): Blick von der Eremos-Hhle (Tabgha) ber den See Genezarethnach Sdwesten in Richtung des neutestamentlichen Tiberias sowie meineeigenen Dias, die wir an dieser Stelle rasch einschieben knnen.

* * *

21 Bargil Pixner, a.a.O., S. , mit Hinweis auf Rainer Riesner: Jesus als Lehrer, WUNT II ,Tbingen , S. .

Die andern markinischen Stellen, an denen (e. remos to. pos) begegnet, sind: ,; ,;,. Von diesen mu , jedoch m.E. ausscheiden ( ), da hier ganzsicher nicht der spezifische Pixnersche gemeint sein kann. Auch , ist kein besonders guterBeleg, mithin verbleibt im Buch des Markus neben unserer Stelle , lediglich , eine doch rechtschmale Basis fr dergleichen weitgehende Behauptungen . . .

22 Vgl. dazu auch a.a.O., S. : Ein weiterer Hafen bei Tabgha; die Stelle soll Pixner zufolgedie schwierige Formulierung Mk , erklren helfen.

I Die (exousi.a) Jesu in Wunder und Lehre (,,)

Und er ging und verkndigte in ihren Synagogen in ganz Galilaund trieb die Dmonen aus.

Und es kam zu ihm ein Ausstziger, der bat ihn, fiel vor ihmauf die Knie und sagte zu ihm: Wenn du willst, kannst du mich reini-gen. Da drehte sich ihm der Magen um,23 und er streckte seineHand aus, berhrte ihn und sagte: Ich will, sei gereinigt. Undsogleich ging der Aussatz von ihm weg, und er wurde rein. Under fuhr ihn an und sogleich trieb er ihn aus und sagte zu demGeheilten: Hte dich, jemandem etwas zu sagen! Sondern geh, zeigdich dem Priester und bring fr die Reinigung das Opfer, das Mosevorgeschrieben hat, ihnen zum Zeugnis. Als er aber drauen war,begann er die Geschichte viel zu verknden und unter die Leute zubringen, so da Jesus nicht mehr ffentlich in die Stadt gehen konnte,sondern er hielt sich drauen auf an einsamen Orten, und von berallher kamen sie zu ihm.

Dies ist das dritte Wunder in Galila. Hatten wir es beim ersten Wunder miteiner Dmonenaustreibung zu tun, so liegt hier ein Heilungswunder vor.Nach der Analyse Rudolf Bultmanns sind in dem [embrimesa. menos auto. euthy. s exe.balen auto. n] V. ,in den Worten [ho. ra medeni. mede.n ei.pes alla. ]von V. und in V. . . . Zustze des Mk zu sehen. Im brigen sind dieheilende Geste ( [ektei.nas te. n chei.ra autou.he. psato]) und das Gebot [heauto. n dei.xon to. hierei.ktl.] als Demonstration der erfolgten Heilung . . . stilgeme Zge.24

Das Programm, das in v. formuliert worden war (vgl. dazu schon v. ),wird sogleich in v. durchgefhrt und am Schlu des Kapitels in v. noch einmal unterstrichen: Der Ruhm Jesu geht zwar von Kapernaumaus, verbreitet sich jedoch in Windeseile auf ganz Galila. Von berallher() (pa. ntothen) kommen die Menschen zu Jesus, heit es am Schlu.Dazu steht in Spannung der charakteristische Schweigebefehl in v. , anden sich der Geheilte jedoch nicht hlt, wie v. zeigt. Dies ist bezeichnendfr Markus; wir kommen darauf zurck.

23 Das ist natrlich Pilhofer, nicht Wellhausen. Oben war vermerkt worden, da ich die berset-zungen im wesentlichen aus dem Kommentar von Wellhausen bernehme (oben Seite , Anm. ) hier liegt eine Abweichung von dieser Praxis vor!

24 Rudolf Bultmann, GST .