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Der eifersüchtige Schuster von Leopold Huber

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Der eifersüchtige Schuster von Leopold Huber

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DER EIFERSÜCHTIGE SCHUSTER

Ein Lustspiel in 3 Aufzügen

Von Leopold Huber

1791

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PERSONEN.

LIEBENTHAL, Feldwebel auf Werbung.

BLUMHAIM, dessen Freund und Marthens Bruder.

SOPHIE, Geliebte des Blumhaims.

KASPER KNIERIEM, Schuhmachermeister.

MARTHE, dessen Weib.

RÖSCHEN, deren Zieh-Tochter.

THADDÄUS FEDERKIEL, Schulmeister.

JOHANN, Fourierschütz1.

MAXL, Schusterjunge.

LORENZ.

Ein Wirth.

MIERL, eine alte Bäurin.

Ein Schlosserjunge.

Ein Müllerjunge.

Ein Landbothe.

Bauern und Bäuerinnen.

Korporal.

Tambour.

Soldaten.

Die Handlung geht in einem Dorfe vor, worinn Werbung liegt.

1 Four ier schütz| Fourier – Soldat, der dem Fourier (der für die Verpflegung und Unterkunft zuständige Unteroffizier) zugeteilt ist (OE).

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ERSTER AUFZUG.

Erster Auftritt.

(Wirthshaus-Gaststube.)

FELDWEBEL. LIEBENTHAL, und BLUMHAIM, sitzen an einem gedeckten Tisch, worauf noch verschiedene Ueberbleibseln von Spiesen und Trank zu sehen sind.)

BLUMHAIM. Aber aufrichtig, liebster Freund! O ja – nicht wahr? du wirst – du willst es sein.

LIEBENT[HAL]. War ich’s etwa bisher nicht? Setzest du Mißtrauen in meine Rechtschaffenheit?

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Oder hast du wirklich gegründete Beschwerden wider mein Herz?

BLUMH[AIM]. Nein, Bruder! bisher hab’ ich zwar keine; aber – aber in die Zukunft? – wenn ich auch nur in die Folgezeit hinaus deiner Freundschaft versichert wäre –

LIEBENT[HAL]. Bruder, bey Gott! dafür steh’ ich dir mit Leib und Seele! du weißt, daß ich gegen dich keine Geheimniße kenne; daß ich all mein Vertrauen in deinen Busen verschliesse; daß du mein Einziger bist; und du kannst noch für die Zukunft zweifeln?

BLUMH[AIM]. Gut. Vergieb mir also, und beantworte mir zugleich diejenige Frage, welche ich dir vorle-gen werde.

LIEBENT[HAL]. Und die wäre also?

BLUMH[AIM]. Aufrichtig: du liebst das Mädchen, welches meine Schwester zu sich genommen hat, und von der man nichts Gewißes weiß, wer ihre Aeltern waren? Nicht wahr, du liebst sie?

LIEBENT[HAL]. Ja freilich: wie oft hab’ ich dir’s nicht gesagt? Wie oft soll ich dir diese Versicherung nicht noch wiederholen?

BLUMH[AIM]. Sind aber deine Absichten auf Sie redlich? wirst du wohl das Mädchen heurathen?

LIEBENT[HAL]. Wozu dein aber? all diese deine Fragen? Du machst dadurch meiner militärischen Entschlossenheit herrliche Lobsprüche. Meinst du etwan, ich habe mich seit gestern eines andern besonnen?

BLUMH[AIM]. Das eben nicht; aber weißt du auch schon, daß der Gimpel von einem Schulmeister Sie ins Joch der Ehe spannen will. ’s Mädchen weiß zwar nichts davon; aber ich glaube, das gute Kind wird bey der ersten Nachricht einer solchen Absicht gewiß den jungfräulichen Krampf bekom-

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men. Du kennest doch wohl Kaspers eigensinnigen Kopf?

LIEBENT[HAL]. O ja, sehr wohl! Als ich heute früh ausgieng, begegnete mir der Steinesel von einem Schulmeister. Nach einem schiefen Bückling sagte er mir hönisch ins Gesicht, daß ich ihm die Ehre geben möchte, ihn bei seiner Hochzeit-Feyer zu besuchen, damit ich noch zu guter letzt das süsse Minnenglück haben könnte, mit Jungfrau Röschen zu tanzen. Wie wirbelte da mein Soldatenblut in meinen Adern! Thor, der ich war, daß ich den Schwerenoths-Kerl nicht an der Stelle eine Kugel durch den Kopf jagte, so könnte ich doch –

BLUMH[AIM]. So könntest du doch auch mit schönster Gelegenheit deinen Athem verlieren, nicht wahr? – Pfui, Bruder! sey Held über den Schwall deiner Leidenschaften. Für einen Mann von deines Gleichen ziemt sich kein frostiges Wertherfieber!

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LIEBENT[HAL]. Du hast leicht zu moralisiren, hast nie geliebt, folglich bist du auch mit dem reissenden Strom dieser Neigung ganz unbekannt. Du weißt alles mit gleichgültigen Augen zu betrachten; deine Gedanken sind nicht die meinigen. Ich liebe Röschen, und bin um ihres Besitzes Willen im Stande Mord und Tod zu unternehmen – ob ich auf der Waide oder auf dem Schlachtfelde sterbe.

BLUMH[AIM]. Ich habe nie geliebt, sagst du? Hast du sie denn schon vergessen meine Liebesgeschichte, wie inniglich, wie treu, mit welcher Zärtlichkeit ich Sophien liebte; wie ich so innig an ihr hieng wie die Rose an dem Pappelbäumchen. Dennoch mußt ich sie vergeßen. Noch, Freund! möcht’ ich blutige Tropen weinen, wenn ich an jenem seli-

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gen Zeitpunkt zurück denke. Ach, ich war so unglücklich sie zu verlieren, und wenn mir sie das Verhängniß nicht durch einen außerordentlichen Zufall wieder in meine Arme wirft, so ist sie für mich, auf ewig dahin!

LIEBENT[HAL]. Verzeih mir, Herzensfreund! Ich erinnere mich deiner Geschichte freilich noch sehr wohl; allein du weißt auch um meinen Kummer, der mich so kleinmüthig zu Boden drückt.

BLUMH[AIM]. Ach, bey dir ist’s doch noch eine andere Sache: du hast noch Aussicht, Hilfe und Trost vor dir: aber ich armer Mann bin vielleicht bald ein reifes Opfer des Schicksals –

LIEBENT[HAL]. (mit wonniger Geberde) Wie? Bruder! für mich wäre noch Aussicht, Hilfe und Trost vorhanden? Aber sage mir nur: auf welche Weise?

BLUMH[AIM]. Höre, mein Liebenthal. Heute war ich ganz alleine beym Fourierschütz, welcher mich ganz traulich versicherte, daß, wenn er die Vollmacht hätte, in Betref deiner Liebessache zu handeln, wie er wollte, derselbe eine Wette einzugehn sich getraute, daß er dir dein Röschen in zweymal vier und zwanzig Stunden als Eigenthum verschaffen würde; und überdieß noch müßte Meister Knieriem von seiner rasenden Eifersucht auch gänzlich geheilt seyn. Was sagst du dazu?

LIEBENT[HAL]. Daß der Mensch wahrlich kein Narr ist, wenn er sich so einen Plan auszuführen getrauete.

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Zweyter Auftritt.

Fourierschütz. JOHANN. Vorige.

JOHANN. (welcher hinter der Schenke die beiden schon eine Weile behorcht hatte, springt mit einer Boutelle Wein in der Hand, plötzlich hervor) Ei, schönen Dank, Herr Feldwebel! Ich finde das alte Sprichwort: Kinder und Narren reden meistens die Wahrheit! hier sehr anpassend.

LIEBENT[HAL]. Verschon er mich mit seinen Alletagspossereien; ich bin heute gar nicht geneigt, seine Narrheiten anzuhören.

JOHANN. Sie haben erst gesagt, daß ich kein Narr sey. – Mit dem Fach der närrischen Liebe Scherz zu treiben, ist gar meine Sache nicht. Sie befehlen, daß ich schweige – und meine Zunge ist gelähmt. Jedoch wärs mir sehr lieb gewesen, wenn Sie meinen Vorschlägen ein geneigtes Gehör gegeben haben würden.

BLUMH[AIM]. Ich glaube, es könnte doch wohl eine kleine Probe dieses klugen Einfalls versucht werden. Sollte auch der Versuch in etwas mißlingen, so haben wir doch den Vortheil, daß wir den Hochzeitstag weiter hinaus verschoben und Zeit gewonen haben, neue Maßregeln zu ergreifen.

LIEBENT[HAL]. Und mit diesem Versuch können wir’s etwa so weit bringen, daß mir sogar der Zutritt im Hause versagt wird.

BLUMH[AIM]. Eija verlaß dich nur auf mich, Bruder! – Knieriem ist ja mein Schwager und zu dem hast du ja sein Weib, meine Schwester, im Sacke.

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LIEBENT[HAL]. Basta, so sey’s. Frisch gewagt ist halb gewonnen. Schlägt die Probe fehl so ist

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die Hoffnung eitel Dunst – und der Besitz meines geliebten Röschens Pulferdampf –

BLUMH[AIM]. (reicht ihm die Hand) Schlag ein, Bruder! daß du alles thun willst was wir von dir verlangen.

LIEBENT[HAL]. (schlägt ein) Hier ist meine Hand, macht mit mir, was ihr wollt; ich bin’s zufrieden.

JOHANN. (vor Freude springend) Fallitera! Trallitera! Nun bin ich ganz wieder neugebohren Nicht, dem die Braut vermeint ist, sondern der sie bekömmt, führt sie zum – Tanz. Ich gelobe es Ihnen bei dem rothen Katter meiner Großmutter, mich soll der allerschönste Leopoldstädter Teufel holen, ich will nicht mehr Johann der berühmte Eisenfresser heissen, wenn sie nicht in zweymal vier und zwanzig Stunden Röschen zur Frau Gemahlin haben. Amen!

LIEBENT[HAL]. Johann! ist er im Stande dieses zu bewirken; so soll eine vollgespickte Börse seine Bemühung krönen.

JOHANN. Amen! Es ist wirklich so viel, als ob ich sie schon in meiner Tasche hätte.

BLUMH[AIM]. Nur nicht zu rasch. Kennt er alle Schwierigkeiten unsers Plans, alle die Hindernisse welche der Ausführung im Wege stehen?

JOHANN. Ich kenne sie allzugut; aber List und Vorsicht werden mir jede Schwierigkeit überwinden helfen. Monsieur Knieriem muß so zahm werden, wie der erste Vorsteher der Simonibruderschaft von Krems1. Amen!

LIEBENT[HAL]. Aber wie und auf welche Art soll die Sache angezettelt werden?

JOHANN. Fi, ich würde mit der Erzählung dessen wohl dreissig Jahre zu thun haben; das hieß die Zeit muthwilliger Weise zersplittern.

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Verlassen sie sich pünktlich auf mich, und kommen Sie; wir wollen itzt in die Behausung des tollen Schusters gehn. Unterwegs werd’ ich Sie von dem Nöthigsten meiner Absichten unterrichten; das Weitere wird sich von selbst geben. Amen!

LIEBENT[HAL]. (zum Blumhaim) O Freund! – Sie, die Holdeste ihres Geschlechts zu besitzen, sie in meinen Armen mein, auf ewig mein zu nennen, – ist ein Meer von Seligkeit, worüber mein trunkener Geist mit heisser Sehnsucht schwebet. – (alle gehen ab.)

Dritter Auftritt.

Der WIRTH. LORENZ.

WIRTH. (rasch und unwillig) Werden doch wohl sagen können, was Sie haben wollen –

LORENZ. Ihr – der Wirth?

WIRTH. Zu dienen. Was haben Sie denn zu befehlen?

LORENZ. Warum?

WIRTH. Eine wunderbare Frage! Da es ausgemacht und erwiesen ist, daß ich wirklich der Wirth, und kein Gast, bin, ergo brauchts da nicht viel: Warum? Meine Pflicht ists, die Leut zu fragen, was sie wollen, die Ihrige zu antworten. Ich bin nicht Narr umsonst hier: was steht zu Ihren Diensten?

LORENZ. Nichts. 1 S imonibruderschaft von Krems| auch: Simandlbruderschaft; Siemanndeln: Pantoffelhelden; Glaubt man der volkstümlichen Überlieferung, so soll die Bruderschaft ihren Sitz im niederösterreichischen Krems haben und jedem neuverheirateten Bruder einen Codex überreichen, in dem in 17 Paragraphen die Verhaltensmaßregeln der Ehefrau gegenüber festgelegt sind. (Vgl. http://www.operone.de/stw/z.php?search=&operator=&page=25 Stand: 2008-06-13.)

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WIRTH. So müßen Sie sichs in diesem Falle gefallen lassen, wenn man Ihnen zeigt, wo der Zimmermann s’ Loch gemacht hat, und –

LORENZ. Mich ’naus wirft.

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WIRTH. Das just eben nicht. (für sich) Aber Hals und Kragen brechen.

LORENZ. Also? – was ich haben will?

WIRTH. Ja, das bin ich neugierig zu wissen.

LORENZ. Wärmen will ich mich hier.

WIRTH. Hi, kreuzfikerment! damit ist mir nicht geholfen: der Herr muß auch einige Batzen verzehren.

LORENZ. Meinetwegen.

WIRTH. Ja so belieben Sie zu sagen, was Sie zu befehlen haben.

LORENZ. Habe nichts zu befehlen.

WIRTH. (für sich) Kommt der aus’m runden Thurm1? (laut) Je nu, was soll ich bringen?

LORENZ. Was der Herr will.

WIRTH. Haben Sie auch Blech, das, was ich bringen will, zu bezahlen?

LORENZ. Wer läßt fragen?

WIRTH. Seine Herrlichkeit der Herr Wirth lassen fragen. Wenn ich Ihnen zum Beispiel Pastetten und Sauerkraut, Burgunder und Aepfelmost bringe, wer ist mir Bürge, daß Sie dies alles im stande sind zu bezahlen?

LORENZ. Warum nicht?

WIRTH. Weil der Herr zu lumpig aussieht. Und hier bekommt man nichts umsonst, nichts auf Borg; Hier muß klingende Müntze in der Ficke2 seyn –

LORENZ. So laßt’s bleiben.

WIRTH. (für sich) So einen närischen Sonderling habe ich in meinem Leben nicht gesehen. Wart’ ich will dich schnüren; will dier eine Speise bringen, die dier gewiß nichts kosten wird. Will nur um die Werber gehn; die werden dich schon gescheid machen. (laut) Nur ein wenig Geduld Herr Kumpan! sollen gleich mit Rostböff und La

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xenburger bedient werden. (geht mir verätherischen Grimassen ab)

Vierter Auftritt.

LORENZ, (allein)

LORENZ. Bring du Erdäpfel, oder Austern, Wein oder Wasser, mir gilt es gleich. Deine Bezahlung kannst du auf der Amsterdamer-Börse oder in der Ewigkeit suchen; von mir bekommst du kein Geld. Eh! ich diese Baarschaft von meiner Schwester angreife, eh laß’ ich meinen Magen verschrumpfen und vergehn hinter einen Zaun. Gott bewahre mich! Find’ ich sie, so werd’ ich Ihr gewiß mit diesem Säckel willkommen seyn; wo aber nicht und ich vielleicht sterbe; so wird’s meinem lieben Bruder auch wohl behagen. Der arme Teufel muß sich mit seiner zahlreichen

1 runden Thurm| Gemeint ist der sogenannte Narrenturm, eine Abteilung des Bürgerspitals in Wien, dessen Grundriss kreisförmig war. 2 F icke| ‹niedersächs.› Hosentasche (OE)

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Familie so kümmerlich ernähren, und dennoch will er ihr die ganze Summe baar übermachen. – Aber wo soll ich sie finden, die liebste Schwester? Das arme Kind dauert mich tief in der Seele – muß so verlassen in der Welt herum irren, so Vater- Mutter- Schwester- und Bruderlos! – Was doch Menschenschicksal für ein Räthsel ist. –

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Fünfter Auftritt.

Voriger. KORPORAL. Der WIRTH, mit einer Boutelle Wein.

WIRTH. (zum Korporal) Ich glaube, Herr Korporal! der Fuchs wird sich wohl balgen1 lassen –

KORPORAL. Ho Schwerenoth! da lasset ihr mich machen.

WIRTH. Aber auf mich nicht zu vergessen, das ist ’n gesunder Reichspraten!

KORPORAL. Bene: sobald die Kuh im Stalle ist, sollet ihr fünf Kronenthaler haben.

WIRTH. In Gottes Namen: nur wacker zu getrunken! Ich will indessen den Insulaner in Boutellien abzuziehen gehn. Verstanden?

Sechster Auftritt.

Korporal. LORENZ.

LORENZ. (für sich) Was mich der Maulaffe da so heißhungrig angafft, als ob ich der Stiefel des Ritter Bayard2 wäre.

KORPORAL. Bei meiner Ehre, daß wäre ein königlicher Schmaus! (zu Lorenzen) Glück zu, Herr Landsmann! (reicht ihm die Hand) Willkommen, Landsmann!

LORENZ. (welcher die Hand ausschlägt) Ich? Ihr Landsmann? das ist nicht wahr!

KORPORAL. Warum nicht? – Sind wir nicht alle Landsleute in diesem Thal der Erde?

LORENZ. Was weiß ich.

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KORPORAL. Aber ich weiß; kann ihm’s beweisen.

LORENZ. Brauch keinen Beweiß.

KORPORAL. Ist der Landsmann hungrig?

LORENZ. Ja.

KORPORAL. Und auch durstig?

LORENZ. Nein.

KORPORAL. (für sich) Das polnische Donnerwetter steckt in des Kerls seinen Kopf. So kurz angebunden, mit Worten so karg wie ein Karthäuser; wahrlich der Vogel muß mit List gefangen werden.

LORENZ. (will gehen)

KORPORAL. He, Landsmann, wohin?

1 ba lgen| bälgen – häuten (DWB) 2 Ri t te r Bayard| Seigneur de Pierre du Terrail (1476 Schloss Bayard/Grenoble – 30. 4. 1524 (Gattinara, Italien); galt als der vorbildliche Ritter und erhielt den Ehrentitel „Chevalier sans peur et sans reproche“ („Ritter ohne Furcht und Tadel“). (MLO)

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LORENZ. Warum.

KORPORAL. Ich will’s wissen: wohin?

LORENZ. In die Welt.

KORPORAL. Dümmling, die Welt ist ein weiter Raum, ha! ha! ha!

LORENZ. So recht.

KORPORAL. Reis’ er lieber mit uns: wir sind auch zum Abmarsch bereit.

LORENZ. Will nicht.

KORPORAL. Warum nicht?

LORENZ. Reise mit keinem Soldaten.

KORPORAL. Fürchtet er das Militair?

LORENZ. Nein.

KORPORAL. Ein sonderbarer Heiliger! Hier trink er eins. –

LORENZ. Mag nicht.

KORPORAL. Warum nicht trinken?

LORENZ. Weil ich noch nichts gegessen habe.

KORPORAL. So quällt ihn der Hunger?

LORENZ. Versteht sich.

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KORPORAL. So komm’ er also; wir wollen den Magen mit einigen Achtzehnpfündern befriedigen.

LORENZ. Ich esse mit keinem Soldaten.

KORPORAL. I, Kreuzbataillon! sey er nicht so scheu: geh’ er nur, närrischer Narr! wir werden zusammen schon besser bekannt, und uns in einander gewöhnen. (zieht ihn mit Gewalt fort.)

Siebenter Auftritt.

(Zimmer im Hause des Schusters.)

(MARTHE steht mit SOPHIEN, welche als Schuhknecht verkleidet ist, zur Seite; beide sprechen mitsammen. MAXL sizt arbeitend an der Werkstatt; KASPER trollt zur Thüre herein.)

KASPER. Ei, ei, ei, ei! Sickertibix! Schuflekl1 und kein End! steht halt ’s Lumpenpack schon wieder beisammen! Den saubern Lindwurm da hab’ ich gestern erst eingebracht, und heut ist er mit der Meisterinn schon so gut bekannt, nicht anders, weiß Gott, als wären sie miteinander unter einem Herzerl gelegen. He, Racker, hab’ ich ihn deswegen in die Arbeit genommen, daß er mir vielleicht? – Nu, Strick, wie ist’s, keine Antwort? – Da steht der Pechstock2, und hat’s Maul zugepopt; aber bei der Meisterin hat er ’s offen. – Schau, schau: nicht, da liegt der Hund begraben? – Bist ’n saubrer Herr von einen Schuhknecht: Andre haben doch ’s schwarze Mauserl gesungen, oder sonst ’n

1 Schuf lek l| Schuhflicker (GKWB) – Zum Flicken eines Schuhs; das Reparieren von Schuhen gehörte an sich nicht zu den Aufgaben eines Schusters, dies besorgte ein Refler oder Schuflicker. (Vgl. Sanford, Wörterbuch von Berufsbezeichnungen aus dem siebzehnten Jahrhundert, S. 122.) 2 Pechstock| Pech, das u.a. aus Kieferstöcken (OE) gewonnen wird, verwendet der Schuster zum Färben der Sohlen bzw. Nähte der Schuhe (OE).

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schöns Schuster-Gesangel: der aber hängt den Rissel1 grad nicht anders, als hätt ihm die Katz das Fleisch vom Brod weggestohlen. –

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MAXL. Ja freilich, Meister, hat der Rübl izt keine Groschen zum reden; aber in’s Meisters seiner Abwesenheit hat er mit der saubern Meisterin so schmachlig gelullt und gelallt, als wann eine ganze Garnison Sesseltrager2 in Sechskreuzer Keller geheime Konferenz hielten –

MARTHE. Halt deine Schnautze, und sag’s lieber ’n Herrn Pfarrer, oder ich nehm den Laist3 und dresche dir deinen diken Plutzerschädel zu Sand und Staub! –

KASPER. Laß du mir mein Maxl nur beichten. Gelt, daß ist halt Ihr Durchlaucht nicht recht, wann der Spitzl auf alles Acht hat, und seinen Hauspatron deine Kanaristückel erzählt. – (zu Sophien) Nu, Blutwurst! geht er heut nimmer zur Arbeit?

SOPHIE. (setzt sich zur Arbeit)

MARTHE. Aber sag mir nur, du Widhopf! mußt denn den ganzen Tag nichts als brummen und knausen; früh Morgens hebt’s Liedel an, und dauert, bis dir deine Bocksaugen zu pappen; sogar bei der Nacht murrt der Tanzbär noch –

KASPER. Schau, schau, Prunzessin [!] von China, wann man eng Mähren die Wahrheit sagt, so geht der Schnabel auf. Willst mir etwan ein Leichtpredigt machen, und thut’s Herzenweiberl kitzeln, wenn ich den Schuhknecht ’n wenig hunz4? Aber ich weiß, d’ Mirl wird’s noch so weit bringen, daß ich’s ins Speckkammerl werd einsperren müssen, ’s ist mit dir eine rechte Schand und Spott keinen sichern Schritt kann ich aus den Haus machen. Kommt kein Fremder, so hast du mit dem jungen Lecker da deinen Techtlmechtl. – Ja, ja, mit dem hab’ ich mir nicht wenig blaubuklichte Kollonisten in den Pelz gesetzt. O heuriger Februari, Marzi und Aprill! – –

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MARTHE. Aber – hm! du toller Schöps! ich will nur sehen, wen du einmal aufhören wirst, dir mit deiner närrischen Eifersucht selbst den Balg abzuschinden.

KASPER. So bald Madam das thun wird, was Unsereiner befohlen hat. Auf deinen Zimmer sollst du hübsch hocken bleiben, und da will ich haben, daß kein fremdes Ungeziefer über die Hausschwelle glitschen5 soll.

MARTHE. Schäme dich doch, du unchristlicher Bärnhäuter! in deinen rothen Judasbart hinein. Du – du kannst von einem Weib so was fordern? Darüber müßte sich selbst der Hanswurst die Lungel aus dem Leib heraus lachen.

KASPER. I, du Burgthorgöttin! Ich – ich – ich als Mann und Oberhaupt über deine weibliche Ganzheit habe zu befehlen, und ’s Weib muß gehorchen. Mein oberherrliches Patent lautet also: daß sich Marthel bei schwerer Leibesstrafe mit der Reitpeutsche nicht untersteht, ohne meiner allerhöchsten Erlaubniß, einen Fuß über die Schwelle zu setzen: und damit Punktum!

MARTHE. Aber daß Ihre Hochheit Höchstderoselben Befehle so oft wiederholen können!

KASPER. Leider Gott! euch Weibsbildern muß man alles so vorkäuen, wie den Kindern ’s Koch. Steht man nicht beständig hinter euch mit der Hetzpeitsche, so ist man alle Augenblick betrogen und belogen.

MARTHE. Ja freilich, du hast Ursach über uns arme Everln so barbarisch zu schimpfen.

1 Risse l| ‹ugs.› Rüssel – Mund 2 Sesse l trager| Sänftenträger (VAS 611) 3 La is t| Leiste, Schusterleiste (Fußform; DWB) 4 hunz| hunzen – schinden, plagen (DWB) 5 g l i t schen| gleiten (DWB)

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KASPER. Etwan nicht? Und zu dem hat ’d Schlumpel den großen weiblichen Naturfehler: wann ich Ja sag, sagst du Nein, und sag ich Nein, so bellst du Ja, und so hallt in unsrer Ehekruft das ewige Einerlei und die alte Leier fort.

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Zum Lexempel: ich darf nur izt sagen, Röserl soll und muß den Schulmeister heuraspeln, weil ich ihm schon mein Wort gegeben hab, und –

MARTHE. Nein, nein, absolute nicht; sie soll den dummen Schulmeister nicht heurathen. Ich wills absolute nicht haben; ich weiß ganz einen andern Mann für sie –

KASPER. Hab’ ichs nicht zum Voraus gesagt! Ja, ja, so, so – – Ihr Weiber! ihr Weiber! der Satan hat den bösen Geist des Widerspruchs in eure seelenlose Larven gehaucht. – Ihr seyd wahrlich unsern falschen Barometern und Thermometern, wie ein Tropfen Wasser dem andern, zu vergleichen, die oft mitten im Julius Schneegestöber prophezeihen, und wenn es donnert, hagelt und wittert, Sonnenschein zeigen. – Wenn du so eine große Weisheitspixen seyn willst, so laß hören was du für einen Mann für sie weißt?

MARTHE. Sie soll absolute keinen andern haben, als den großen Feldwebel mit den weissen Beinkleidern; das ist ein auserlesener Mann für sie.

KASPER. Auserlesen? Wie? Was? Ein Soldat soll’s Röserl Heiraspeln? Nein, Frau Gemahlin! da wird nichts draus. Sie soll und muß den Schulmeister Heiraspeln; ja und das morgen – morgen schon: denn er hat von mir mein Hochdeutsches Ehrenworth. - G’sell und Maxl! auf! macht’s Feyerabend, freßt’s und sauft’s, wenn’s was habt’s, alles auf d’Gesundheit des Hochgelahrten Herrn Schulmeisters!

MAXL. (ein Rundsprung machend) Sassassassa! Jujujuju! Master Schwiegervater und Schwiegersohn sollen leben, wenn sie nicht sterben wollen und unser schön’s Reßerl halt auch daneben! – nicht wahr G’sell?

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SOPHIE. (nickt mit dem Kopfe Ja.)

MAXL. Hm! so machen’s alle Leut, die an der Faulheit krank liegen – D’ Kuntschaft daugt nach1 Wien ins Taubstummenhaus; dort nicken’s und fingerln’s just auch so.

MARTHE. (aufgebracht.) Das wär mir der rechte Hannsdampf, und kein Schwiegerson –

KASPER. (toll) Weib! sag mir das nicht noch einmal, oder – oder – oder ich kasteie deinen Leib mit dem Knieriemen hier! (er bedrohet sie damit.)

MARTHE. Ei, du boshaftes Krautmanderl! du willst mich kasteien – mich? Ich kratze dir mit allen meinen neun Fingern deine eifersichtigen Kalbsgucken aus dem Schädel –

KASPER. Was? du Regenwurm! mit deiner Herlichkeit so zu parlieren! (er prügelt Marthen wacker ab; sie versetzt ihm eine derbe Ohrfeige, rauft die Perücke von Kopf, und lauft schreiend ab.) Was? meine Proken? meine Proken die Zirde meines Haupts; – (er erhascht Maxeln und gerbt ihn ebenfalls tüchtig herum:)

MAXL. (weinend) Das ist kostbar! Warum streicht denn der mich, mich? ein so unschuldiges Kindl! –

KASPER. Bist du’s? – Wo ist denn die Wetterhex hingekommen? Wann ich das Vieh ertapp, so brich ich ihr Arm und Bein und stoß ihr s’ Brustblatt ein –

1 daugt nach| ‹ugs.› taugen für

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Achter Auftritt.

Vorige, RÖSCHEN,

kommt athemlos hereingelaufen.

RÖSCHEN. Aber, Gott im Himmel! was ist das für ein Lerm! Just so als ob die Türken hierin hausten. Bist auch du sogar murrig, lieber Maxl! wer hat denn dir was gethan? Hier hast’n Stück Zukerkantle1, und weine nicht; ich kann’s nicht leiden, wenn so grosse Buben wie Kinder rozzen2.

MAXEL. Sehr schönen Dank! Mamsel Jungfrau Röserlein, was ich halt ihrer Tugend zu lieb thu, das thu ich keiner andern –

RÖSCHEN. Aber warum sieht denn der Vater so sauer aus? Es steht doch keine üble Witterung im Kalender, und Arbeit gibt’s, Gott sey Dank! überflüßig.

KASPER. Eija, mein Mauserl, im Kalender scheint freilich die Sonn’, aber im Haus gibt’s nachtliche Donnerwolken. Deine Mutter der Schweisdarm, ist an allem Schuld, ja, die versalzt mir den Kaffee!

RÖSCHEN. Aber warum hat auch der Vater immer zu eifern und zu geifern?

KASPER. Mein Liebs Kind! ich eifere ja nicht Ich kann nur nicht leiden wenn sie ein Mannsbild berührt oder freundlich graunzt3. Ein verheuratetes Weib muß sich von keinen Mansteufel anblinzeln laßen; die Türken lassen ja ihre Rapunseln gar nicht in die Welt. – Zu dem widerspricht sie mir auch beständig mit ihrem Schlangenzüngel, und will ewig das lezte Wort haben. – Erst vor ein paar Minute hat sie mir d’Katherl vom Kopf gerißen, das ist, für die

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ganze Prokerlmacherzunft4 der größte Schimpf, den ich mit Mord und Tod rächen muß.

RÖSCHEN. Lieber Vater, verzeiht ihrs, sie hat’s ja so bös nicht gemeint.

KASPER. Ja Freylich, sie hat mir wollen gar den Kopf abreißen – – Aber izt auf dein schöpferisches Kapitel zu komen, so sag mir: du weißt doch noch, daß du weder deinen Vater, noch deine Mutter gekannt hast?

RÖSCHEN. Leider! ists mir noch im frischen Andenken –

KASPER. Und daß ich dich als meinen eigenen Fratzen auf- und angenohmen hab; und dich als mein zuckersüßes Töchterlein halte?

RÖSCHEN. Alles das weiß ich nur zu wohl: auch werd ich so eine Wohlthat in meinem Leben nie vergeßen.

KASPER. Du erkennst mich also für deinen autorisirten Vater Papa?

RÖSCHEN. Nicht minder. Ich schäze und erkenne Sie als meinen zärtlichsten Vater –

KASPER. Sag also: was bist du deinen bevollmächtigten Vater für Pflichten schuldig?

RÖSCHEN. Liebe, Treue, Gehorsam und kindliche Ergebenheit –

KASPER. Gallant! Das heist also so viel, daß du thun willst, was Unsereiner zu thun befehlen wird? –

RÖSCHEN. Nein – aber wozu solche katechetische Fragen?

1 Zuckerkant le| auch: Zuckerkand, K(C)andiszucker (OE) 2 rozzn| heftig weinen (WMa 592) 3 graunzt| graunzen – grunzen, knurren (DWB) 4 Proker lmacherzunf t| Perückenmacher, -hersteller

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KASPER. Höre, Wanzen1: magst Heurathen?

RÖSCHEN. (schlägt die Augen nieder, und spilt mit ihrem Schurz lächlend) Hihihi! was hat der Vater gesagt?

KASPER. Larifari2, Darfst dich ja nicht schämen: zu was seyd ihr Frischlinge sonst wohl auf

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der Welt als zur Weiberei, und Spielerei? – Beicht mir: wen möchtest du gern heurathen

RÖSCHEN. (geberdet sich wie oben) Wen? – wen? ich gern heurathen möcht? fragt der Vater –

KASPER. So red, Hündin?

RÖSCHEN. Nun – nun – ich – ich – denk halt den – den – (für sich) Soll ich ihn nennen? Doch nein; er schlägt mir ihn vielleicht selbst vor – (laut) Den ich halt von der Hand meines zärtlichen Vaters erhalten werde –

KASPER. So recht. Wenn du den Willen deines Herrn Vaters befolgst, so regnet’s dir lauter Kremnitzer-Dukaten3 vom Himmel herunter. – Jetzt geh’ in dein Kammerl, und studir, wie du den Bräutigam empfangen wirst. Ich bin dein Papa und will dein Glück –

RÖSCHEN. (schüchtern) Aber, Vater! dürft ich nicht – wißen

KASPER. Was will’s Madel wißen?

RÖSCHEN. (vorschnell) Wer mein Bräutigam ist – damit ich mich –

KASPER. Wirst ihn schon sehen, wenn er dir seine verzweifelte Aufwartung machen wird. Hör, mein Zoberl4: ich mag dir einen tauben, stummen, krummen, lahmen, blinden, bucklichten, reichen oder armen, jungen oder alten, schönen oder häßlichen Mann geben; alles hängt von mir ab; den ich dir gebe, den must du lieben, bei Gott ist Gnad!

RÖSCH[EN]. Nein, Vater! das kann ich nicht.

KASPER. Was kannst nicht, Flitscherl5? Hast du nicht erst selbst gesagt, du nimmst den, den du von meiner Hand bekommst.

RÖSCH[EN]. Ja, wenn Gewalt vor Recht geht: ich werd’ ihn zwar nehmen – aber nicht lieben können!

[24]

KASPER. Also wirst du den Feldwebel nicht lieben können?

RÖSCH[EN]. (wonnig) O ja, Vater! o ja, Vater! den will ich lieben, so sehr ich mein Leben liebe.

KASPER. Schau, schau, wie dir das Ja und Nein so schmächlich zugleich aus einer Gurgel trillert! – Glaub, mein Rösserl, das wär just kein guter Mann für dich; aber unser Herr Schulmeister, das ist ’n hochgelahrter Mann Gottes, der redt Schlapperteinisch wie unser runder Pfarrer, und Französisch wie unsre Farkeln im Stall: wie das so höflich klingen wird – gnädige Frau Schulmeisterinn!

RÖSCH[EN]. O Vater! es mag klingen, wie es will; ich kann ihn in alle Ewigkeit nicht lieben. –

KASPER. Du sollst und mußt ihn lieben, oder du mußt ins Gassenkehrerklösterl in der Stadt; Geh und studire, wie du deinen künftigen Gemahl empfangen wirst.

RÖSCH[EN]. (für sich) Empfangen? Ja gewiß, daß ihm der Kopf sausen wird. (ab)

1 Wanzen| hier: lästige Person (WMa 706) 2 la r i fa r i| nichts da! Unsinn (WMa 518) 3 Kremni tzer-Duka ten| ungarische Ducaten – benannt nach dem Ort, an dem sie geschlagen werden; besonders schön gefertigte und damit als wertvoll erachtete Geldstücke (OE) 4 Zober l| Mädchen, Weib (DWB) 5 F l i tscher l| Flittchen, leichtes Mädchen (SWb 121)

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Neunter Auftritt.

KASPER. MAXL. SOPHIE, (welche noch arbeitet.)

KASPER. Hm, hm, jezt will ihr der Nigl auch denn [!] Kropf aufsezen, und Nein sagen. Aber Geduld; ich will euch bald allen beiden zeigen, wer Regimentskomandant im Haus ist. – Wart, du mußt den Schulmeister heurathen, und wenn du auch ihm versauren solltest. – (nachsinnend.) Ja, zuerst muß ich in die Schenke gehn, um mein

[25]

armes zappelndes Herzerl ein wenig zu stärken – (ruft) Maxl! Maxl! Hörst nicht? hast deine Ohren im Sack? soll ich dir zehntausendmal rufen? hm? –

MAXL. Was schaft der Master? Bin ja schon da.

KASPER. Holl Hut, Mantel, Stok, Degen, Prokl1, Orden und Verstand!

MAXL. Will der Master ausfahren?

KASPER. Bring mir mein Equipaschi, Hundsknecht! oder – oder – oder ich haue dich zu lauter Pfundsohlenleder

MAXL. (läuft ab, kommt wieder mit dem Hut, welchen er Kaspern aufsetzt.)

KASPER. Und wo logirt der Mantel?

MAXL. Hm! draussen ist er halt.

KASPER. So sag’ ihm, er möcht herein spaziren.

MAXL. (reißt ihm den Hut vom Kopf, trägt ihn fort, und bringt dafür den Mantel, welchen er ihm umhängt.)

KASPER. Hm, wo ist der Hut?

MAXL. Er steht draussen Schildwach: will n’ gleich bringen. (er will ihm den Mantel nehmen.)

KASPER. Was geschieht?

MAXL. Der Mantel soll den Hut ablösen.

KASPER. Laß die nur, und bring die andre auf Ordonanz2 zu mir.

MAXL. Ja Master, gleich Master, (lauft nud [!] bringt ihn.) Da ist der Ordonanz, Master.

KASPER. So, so, Maxlbübl; – (zu Sophien) Ja, jetzt da ich befohlen hab Feyerabend zu machen, rakert der Büffel, als wann er die ganze Türkey erobern wollt. Das sind mir schon die Rechten, die da anfangen, wo sie aufhören sollen.

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SOPHIE. (entfernt sich von der Arbeit, und Maxl beginnt wegzuräumen.)

KASPER. Recht so Maxerl, Bist mir halt der Liebste im Haus. Sag mir aber nur, wo denn Masterinn steckt? Die laßt gewiß wieder einen Nachbars Nachbarn bei ihr löffeln3, ’s ist doch ’n zentnerschweres Kreuz um einen verheuratheten Limmel

1 Prok l| ‹ugs.› Perücke 2 Ordonanz| Auf Ordonanz zu sein, bedeutet „einen Befehl habenden Officier zu begleiten, um auf dessen Befehle zu warten. In manchen Gegenden hat man auch dergleichen Civilbediente, welche, wenn sie beritten sind, und zu Pferde verschickt werden, Ordinanzreiter heissen.“ (OE) 3 löf fe ln| Löffeln, Läffeln – auf verbothene Art lieben (OE)

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MAXL. Aber Master, ich glaub, es ist halt doch nicht recht christlich, daß der Master d’Masterinn so kalabrisch knieremmelt1 hat; ich denk, sie hät’s viel beßer verdient. –

KASPER. Was will das sagen auf deutsch?

MAXL. I halt d’Masterinn für a brave, ehrliche, rechtschaffene, treue, Frau.

KASPER. Halt’s auch dafür. Aber es schadt nicht, wenn man den Weibern auf die Kappen geht, und ihnen den Wurm nimmt2. – Ich geh jetzt zu unsern Nachbarn, wann du so was siehst oder hörst, so renn zu mir und holl mich, ’s wird gewiß dein Schaden nicht seyn; ich schlag dir dafür den Buckel ein paarmal blau, und laß dich sechzig Jahr in der Lehr. –

MAXL. Ja Master, Weiberhüten ist ’n verdrüßliches Amtl; Ich will lieber zweitausend Flöh an ein Harlhaar binden und hüten oder in einen Federkühl hinein fangen.

KASPER. Verrichtest du dein Spitzelamtel gut, so will ich dich um zwey oder drei Tag eher freysprechen. –

MAXL. (freudig) Master, Master! wann der Master Wort von Mann3 seyn will, so versprech’ ich dem Master auf alles genau Obacht zu haben und dem Master alles haarklein recht umständlich vorzulügen. Wann nur unser schwarzer Kater bei der Thür herein guckt, oder auf d’ Masterinn

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springt, will ich’s n’ Master getreulich hinterbrinnen.[!] –

KASPER. So Maxl, ich verlaß mich auf dich; du bist mein Spizl, erwischen wir den Hausmader bei der Gans, so soll der Ranzen4 wieder einen dichtigen5 Kirchtag haben. Ade. (ab)

MAXL. Itzt will ich gleich die erste Spionsprob ablegen, denn der Master wird kaum beim Tempel draus seyn, so wird d’Masterin herein purzeln. (tanzt ab)

Zehnter Auftritt.

MARTHE. SOPHIE.

MARTHE. Mein Gott, ich bin wohl recht froh, das der alte Poltergeist einmal wieder fort ist. Denn ist er zu Haus, so hör ich nichts als lärmen, stürmen, brummen, kneifen, und das dauert beständig so fort.

SOPHIE. Ich bedaure Sie meine beste Frau, von ganzem Herzen; sie verdiente wahrlich einen bessern Mann. O die Männer, die Männer! daß sie doch eine Frau, welche sie liebt, nicht zu behandeln wissen.

MARTHE. O die wilden Teufeln’ in Mannsgestalt; wenn sie einem das Blut bei den Nägeln heraussaugen könnten, so würden sie es gewiß thun. Ach, der Meinige ist da Muster aller Grobiane, der Spiegel aller Flegeln.

1 knieremmel t| Mit dem Knieriemen befestigt der Schuster den Schuh an seinem Knie, um ihn bearbeiten zu können; diente aber auch zur Züchtigung (DWB); das Knieriemel hingegen ist ein ledernes Strumpfband mit Schnalle (VAS 314). Für den Kontext weniger glaubhaft ist die bewusste Verwendung der Verben remmeln – begatten (WMa 583) bzw. rempeln – stoßen, wegdrängen (WMa 584). 2 ihnen den Wurm nimmt| jmd. den Wurm nehmen: einen von einer Thorheit heilen (LSR 5, 1748 f.) 3 Wor t von Mann| Verdrehung des sprichwörtlichen „Mann von Wort“ 4 Ranzen| Magen, Bauch (WMa 576) 5 d icht igen| ‹ugs.› tüchtigen

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Eilfter Auftritt.

Vorige. RÖSCHEN. LIEBENTHAL. JOHANN. BLUMHEIM,

(welcher Röschen am Arm herein führt.)

RÖSCH[EN]. Nur herein da, mein Vater ist nicht mehr zu Haus ist schon ausgegangen.

BLUMH[AIM]. Und wenn er auch zu Hause wäre.

JOHANN. So würde er uns doch nicht hinaus bläuen; das hoff’ ich doch nicht.

SOPHIE. (da sie Blumhaimen ansichtig wird, sinkt auf einen Sessel) Gott das ist mein Karl.

BLUMH[AIM]. (eilt auf sie zu) O Himmel, seh ich recht? – Sophie in Mannskleidern? Sophie, Sophie, Sophie, lächeln Sie doch auf.

MARTHE. Unterstützen Sie: – sie stirbt unter meinen Händen.

RÖSCH[EN]. Welch ein bizarrer Zufall. – Ein Mädchen in Mannskleidern.

SOPHIE. (erhollet sich, athmet, und beumt sich auf; Blumheim starr ins Gesicht sehend) Mein Karl, mußte ich sie darum finden, um ein leidender Augenzeuge Ihrer Untreue zu werden.

BLUMH[AIM]. Ich verstehe Sie nicht. Gilt dieser Vorwurf mir, meine Sophie?

SOPSIE. [!] Sollt’ ich’s Ihnen noch deutlicher sagen: Röschen ist ein schönes liebenswürdiges Mädchen; und diese schöne Liebenswürdige sollte keinen Eindruck auf einen Maun [!] von Ihrer Gattung machen?

MARTHE. Da ist wahrlich nichts zu besorgen. Karl ist mein Bruder, und kann also Röschen nicht heurathen –

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RÖSCH[EN]. (auf Liebenthal deutend) Und hier steht mein Geliebter; dieser allein ists!

LIEBENTHAL. Wollte der Himmel, ich wär’ es allein!

SOPHIE. So vergeben Sie mir meinen mißtrauischen Irrthum, Karl! Ich liebe Sie, und nur meine Liebe für Sie kann mich dessen entschuldigen.

JOHANN. (für sich) Da sieht’s, bei meiner Seele! ganz Romanenhaft aus.

SOPHIE. Ist wahre Liebe nicht aller Unternehmungen fähig? Verdient dieser Mann nicht, daß man ihn ewig liebt, wenn man ihn einmal zu lieben angefangen hat? Sind nicht alle Gefahren denen man sich um seinetwillen aussetzt, zu unbedrückend für den Besitz dessen, den man sein Herz geweiht hat – Karl! O mein Karl! (sie fällt ihm in die Arme.)

BLUMH[AIM]. (zum Liebenthal) Sieh, Freund! dies ist das Mädchen, der ich Liebe – ewige Treue vor Gottes Antlitz schwur.

LIEBENT[HAL]. O Bruder! so sey glücklich, du verdienst es zu seyn. Höre nun auf wider die göttliche Vorsicht zu murren!

BLUMH[AIM]. Aber man berichtete mir, Sie wären mit Herrn Oront bereits vermählt worden.

SOPHIE. Beynahe dem Anscheine nach. Dazu fehlte sonst nichts, als mein einziges Jawort, welches ich nicht geben konnte. Ich weigerte mich also. Er bath, er drohte, er beschwur mich mit Zähren1 um Gegenliebe. Inniglich überzeugt, daß er der Mann meines Herzens nicht sey, schlug ich seine Hand,

1 Zähren| Tränen (DWB)

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seine albernen Forderungen aus, verhöhnte seine Drohungen, und – er sperrte mich ein. Da er aber sah, daß ich unerschüttert bey meinen Entschluß beharrte, entließ er mich aus

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meinem Kerker, gab mir mehr Freyheit; aber doch so, daß ich nie aus seinen Augen, noch von seiner Seite weichen konnte.

BLUMH[AIM]. Armes, gutes Mädchen!

SOPHIE. Eines Tages schlug mir der Unhold einen Spaziergang vor, den ich mit erzwungener Heiterkeit annahm. Als wir so aus dem Hause giengen, begegnete ihm einer seiner Freunde und verfiel mit ihm in eine lange Unterredung, welche von grosser Wichtigkeit seyn mußte, weil er meiner gänzlich vergaß. Ich ersah meinen Vortheil, schlich mich heimlich davon, und lief gerade zu meiner Freundin, in der Absicht, meinen Karl dort zu finden. – Aber, leider vernahm ich; daß derselbe schon eine geraume Zeit abwesend war. Ich entfloh in meiner Raserey, ohne zu wißen wohin, kam von ohngefähr in dieses Dorf, und kehrte gegenüber in dem Gasthof ein, wo ich meinen Karl öfters aus und eingehen gesehen habe. –

BLUMH[AIM]. Holdes Mädchen! welch ein glückseliges Ohngefähr, das Sie hieher führte! –

SOPHIE. Ich gerieth also auf den Gedanken, mich unbekannt hier aufzuhalten, kaufte diese Kleidung von einem reisenden Handwerksburschen, zog sie an, und gab mich für einen Schuhknecht aus. In dem Augenblick; als Sie eintraten, überfiel mich ein plötzlicher Schauder, der mich beynahe aller meiner Sinne beraubt. –

LIEBENT[HAL]. Welch ein Zufall für so ein reizendes Mädchen!

RÖSCH[EN]. Nicht wahr? ein Mädchen ist um eines Mannes willen so vieles im Stande zu unternehmen, und ihr Undankbaren seyd oft so grausam, uns statt des Dankes, mit Meineid, Untreue und Tyranei zu lohnen.

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BLUM[HAIM]. Nun mag der fühllose Orant allen seinen Kräften aufbieten, sie noch einmal zu überlisten; es soll ihm gewiß nicht wieder gelingen, diese Theure meiner Brust zu entreissen. – Liebe Schwester! trage doch Sorge für sie, daß sie andere Kleider bekömmt.

MARTHE. Ja, von Herzen gern. Kommen sie nur mit mir.

JOHANN. Haben sie nur noch ein wenig Geduld. Diesen Zufall könnten wir, wie ich glaube, reichlich benutzen.

LIEBENT[HAL]. Aber auf welche Weise?

JOHANN. Ich dächte, wir könnten Meister-Knieriemen eine derbe Nase drehn.

MARTHE. (aufgebracht) Wie? Was sagt er? was will er meinen Mann thun? Nein; da ist’s aus. Wer meinen Mann was thut, hat mit mir zu thun: obwohl er mich mit seiner barbarischen Eifersucht Tag und Nacht quällt, so bin ich doch überzeugt, daß er mich liebt –

JOHANN. Nur nicht so hitzig, so hitzig ’s ist ja nicht so böse gemeint.

BLUMH[AIM]. Laß dich doch berichten, liebe Schwester! Ich stehe dir gut dafür, daß deinem Mann kein Härrchen gekrümmt werden soll.

LIEBENT[HAL]. Nur ruhig, meine Beste, es soll ihm nichts geschehen.

JOHANN. Wir wollen ihn ja nur von seiner tollen Eifersucht heilen, und jene Operationen, die wir mit ihm vornehmen werden sind ja lauter Spaß.

MARTHE. Eija, wenn’s so ist, so können sie den alten brummenden Bären tanzend machen, wie sie wollen; nur nichts zu leide.

JOHANN. Es soll ihm gewiß nichts geschehen. Nun, Sie reizender Schuhknecht. (zu Sophien)

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[32]

haben schon die Gewogenheit, ihr Liebhaberröllchen fortzuspielen, und sich in die Frau Meisterin verliebt zu stellen; er wird es alsogleich bemerken, und so nach unsern Wunsche in die Falle gehen. Armen!

BLUMH[AIM]. (zu Sophien) Werden Sie es wohl auf sich nehmen, zum Behuf der Ausführung unseres Spaßes etwas beyzutragen? Sie können auch dadurch das Wohl Ihres Freundes, und die Ruhe Ihrer Schwester befördern.

SOPHIE. Sie können noch fragen, ob ich will? Sie wünschen, daß ich meine Rolle noch weiter spiele, und ich erbiete mich gänzlich zu ihren Diensten. Ob ich aber die Rolle eines Liebhabers, so wie sie, zu spielen wißen werde, darüber sollen sie entscheiden. –

JOHANN. Was ist ein Frauenzimmer, das Wiz und Verstand besitzt, nicht alles im Stande, besonders, wenn sie von dem Liebling ihrer Seele aufgefordert und unterrichtet wird. Doch mich däucht, ich höre Jemanden. Lüstig fort in dies Nebenzimmer hinein; es darf Niemand hier bleiben, als die Frau und der Schuhknecht.

MAXL. (tanzt zur Thüre herein, trollt aber gleich wieder ab, nachdem er folgendes zu sich selbst gesprochen hat.) Aha aha! Hab mir’s gleich knödeln lassen, daß das saubre Bandl beisammen seyn wird. Der Schuhknecht halt auch wieder dabei! Sehen alle miteinander aus, als ob man einen Galgen abgeraumt hätte. – Jetzt ist’s die höchste Zeit, daß ich als Kurier den Master die Nachricht bring, sonst wird das verdächtige Komplot noch größer. Der wird eine süße, saure Milchpapen1 machen, wann ich mit meiner Erzählung anfang. (tanzt ab)

JOHANN. Was der dumme Schlingel daher lullt, daß er dem Meister die Nachricht von unser

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Versammlung bringen will; wart Galgenvogel dir sollen die Flügel gestutzt werden. – Itzt nur geschwind aus dem Staub, daß wir nicht beysammen getroffen werden.

LIEBENT[HAL]. Allons, so gehn wir. Wir sind einmal im Werk, und müssens vollenden – (Liebenthal mit Blumhaim und Röschen ab.)

JOHANN. (zu Sophien und Marthen) Nur recht brühsiedheiß verliebt, wie ein Auerhaan in einer Sulz! Sie müßen sich ganze Seen von Liebesflammen ins Gesicht speien. – Denn je feuriger Sie sich stellen, desto besser wird unser Plan gelingen. (lachend) Hahaha! der Meister wird sich kreuzen und segnen, wenn er so ein süßes Buttergesicht zum Schwägerlein zu bekommen wähnen wird. (ab)

Zwölfter Auftritt.

MARTHE. SOPHIE. KASPER und MAXL,

(behorchen beide)

MAXL. (für sich) Ja, ja; wann die Katz aus dem Haus ist, so haben die Mäuß ihren heiligen Tag; da gehts just auch so. Wo denn die andern hingepurzelt seyn müssen? Zuletzt glaubt’s der Meister nicht einmal, das zwey Regimenter hier im Quartier waren.

SOPHIE. (umarmt Marthen) So, geliebteste Meisterin! können wir’s ungestört treiben; können uns alle Süßigkeiten zu Gute thun. Die Abwesenheit des närrischen eifersüchtigen Meisters hat tausendfache Herzenslust für uns; denn ist er zu

[34]

Haus, so geht ohnehin die ganze Welt für uns in der tieffsten Trauer –

1 Mi lchpapen| ‹phon. Bappm› – Mund, Maul, Gesicht (WMa 117)

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MARTHE. Mein Gott! das ist wirklich wahr. Der alte eifersüchtige Scheißer hat alle Teufeln im Leib: er poltert und lärmt und schreit und murrt und pfnurt1 und rumort den ganzen Tag ohne End und Ziel.

MAXL. (leise zu Kasper) Hessa! hat’s der Master g’hört? die Lob- und Ehrenred geht’n Master an.

KASPER. (für sich) O die verdammte Bogaschi2! So geht’s, wenn das gekrönnte Haupt vom Haus abwesend ist!

SOPHIE. Hier ist meine Hand! sie soll beschließen den ewigen Bund unsrer heimlichen Liebe –

MARTHE. Und hier diese Lippen sollen ihn mit einem Kuß versiegeln! (sie wollen sich küßen; Kasper springt entzwischen.)

KASPER. (mit einer Donnerstimme) Wer da? – Aha? – Küßt euch jetzt, ihr schwirrenden Lerchen! – Ist’s um die Zeit? – (zu Marthen) Gleich aus meinen Augen, du! – du! – Marsch ins Zimmer hinein! (stößt sie in ein Zimmer hinein) Wollen uns heut schon noch küßen? Ich will dir deine Hitz schon dämpfen, du Feuerteufel! – (zu Sophien) Und er, Weiberschnüpfer3! pakt alsogleich seine sieben Sachen zusamm, und nimmt die Flucht aus meinem Haus, oder ich schreib ihm die Kundschaft auf’m Rükken, daß er sich zehn Jahr nicht bewegen kann. (Sophie geht ab) Weiß der Schinder, was in den Purschen steckt? In meiner Gegenwart kann er’s Züngerl nicht bewegen, und in meiner Abwesenheit geht ihm die Goschen4, wie ein Karfreytagsratschen.

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MAXL. Recht hat der Master. Aber der Master hätt alle zwey lebendig braten, oder heißabsieden sollen.

KASPER. So, Bübel, weil du dein Amterl so gut versehen hast, so laß hier den Kreutzer wechseln, und kauf dir eine Augsburger-Wurst, und’n paar Laibl Kletzenbrod5, und thue dir zur Belohnung einen guten Tag an. Aber mußt mir von den Kreutzer drei Pfennig herausbringen.

MAXL. Eija wohl, lieber Master! Es könnt mir der Bauch davon aufspringen, oder zerplatzen. Hab so erst gestern um’n Zweyer Linsen gessen –

KASPER. So geh mit mir. Mir wurmt’s, mir wurmt’s, sie seynd gewiß jetzt alle auf einen Häuserl beisammen, denn ich hör ja im ganzen Haus Niemanden.

MAXL. Glaubt’s Master! ich weiß, wo’s alle stecken? Geh der Master nur mit mir; wann’s da drinn nicht seynd, so seyn’s gewiß wo anderst. (beide ab.)

Dreizehnter Auftritt.

(Nebenzimmer des Schusters.)

LIEBENT. BLUMH. MARTHE. RÖSCHEN. JOHANN.

BLUMH[AIM]. Ja, liebste Schwester! alle Mitel wollen wir anwenden, zu bewirken, daß er einmal seinen eifersichtigen Kopf sich brechen läßt.

MARTHE. Gott geb’ es, daß es möglich wird: aber ich zweifle!

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JOHANN. Und darf der Hr. Feldwebel sich Hoffnung machen, daß er alsdann Röschen bekommen wird?

1 pfnur t| ‹phon. bfnuarn› pfnurren, fauchen (WMa 149) 2 Bogaschi| Bagage; Gesindel (SWb 34) 3 Weiber schnüpfer| vermutlich analoge Bildung zu (Tabaks-)Schnupfer (DWB) 4 Goschen| ‹phon. Goschschn› Mund (WMa 405) 5 Kle tzenbrod| mit Nüssen und Mandeln gefülltes Brot, v.a. zu den Weihnachtstagen gebacken (VAS 311)

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MARTHE. O! wenn’s auf mich ankämme, er sollte sie noch diesen Augenblick haben. Ich wünsche beiden Glück: denn ich liebe sie wie meine eigene Tochter.

JOHANN. Sehr wohl, liebe Frau! Hier haben sie meine Hand. Ihr Mann soll so zahm werden, wie ein junges Milchlamm. Die Lust zur Eifersucht soll ihn gewiß nicht mehr anwandeln, und hab er auch dreimalhunderttausend Teufeln im Leibe.

LIEBENT[HAL]. Und Sie, zärtliches Röschen! werden mir doch auch Ihre Hand nicht versagen?

RÖSCH[EN]. Gewiß nicht: aber dennoch nur unter der Bedingung, daß meine Zieh-Eltern ihre Einwilligung geben.

JOHANN. Dafür hat Niemand zu sorgen. Folgen Sie nur meiner Lenkung, und alles geht nach Wunsch.

RÖSCH[EN]. Wir verlassen uns pünktlich auf seine Leitung. Gelingt ihm sein Vorschlag, so kann er von mir auf eine namhafte Erkenntlichkeit Rechnung machen.

JOHANN. Schönen Dank zum Voraus, Mamsel Röschen! Ich werde Sie auch gewiß beym Wort nehmen. – Nun Eins mit der Frau Meisterin. Beiläufig in einer Stunde werd’ ich hier im Haus anklopfen; Sie müssen aber nicht darüber erschrecken, wenn Sie mich als Brandtweinhändlerin verkappt vor Ihnen erblicken, und nicht anstehn, mich alsogleich zu Monsieur Knieriem zu lassen. In dieser Verkappung, werd’ ich ihm eins zutrinken, daß er genug haben wird; dann laß ich ihn mit der Erlaubniß des Herrn Feldwebels

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auf sein Zimmer bringen, wo das Werk angegriffen werden wird.

LIEBENT[HAL]. Aber wozu auf mein Zimmer?

JOHANN. Daß lassen Sie mich besorgen; zu Haus werd’ ich Ihnen den ganzen Knoten auflösen. (ab.)

Vierzehnter Auftritt.

Die Vorigen. SOPHIE,

(mit einem Bündel.)

SOPHIE. (zu Blumhaimen) Nun, liebster Karl, hab ich meinen Abschied bekommen; der Meister hat mich aus der Arbeit gejagt. Nun kann ich hin wandern, wo ich hin will. Bedürfen Sie eines Schuhknechts, so erbiete ich mich zu Ihren Diensten; an guter Arbeit soll’s gewiß nicht fehlen.

BLUMH[AIM]. Sie sind mit dem Bedüngniß aufgenohmen, daß Sie mir versprechen –

LIEBENT[HAL]. Ohne Bedüngniße, Bruder; ich stehe dir für alles.

Fünfzehnter Auftritt.

Vorige. KASPER. MAXL.

MAXL. Nur herein da, Master, ich weiß gewiß, daß er da seyn muß. Ja ja, ha ha; da steht er schon: jetzt ist das ganze Bandel beisammen.

KASPER. (zu Marthen) Hab ich dir nicht gesagt, du Raabenaas! du sollst im Zimmer deine

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Fehler abschwitzen, Hm? – (er prügelt sie wacker herum) Wer seines Herrn Willen weiß, und nicht thut, muß mit vielen Streichen geschlagen werden, ich wir1 dir schon einen Merks auf dreihundert Jahr

1 wir| ‹ugs.› werde

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geben. (er zieht sie mit Gewalt mit sich fort) Wart Weiberl, jetzt will ich dich erst in die Zucht nehmen. (die Uibrigen schleichen auf den Zähen ab.)

Sechzehnter Auftritt.

MAXL allein.

MAXL. (nachdenkend) Heut ist Feyerabend, morgen Kirchtag, dazu ist kleins Geld vonnöthen, aber woher nehmen, und nicht lange Finger machen? – Hm! im Kammerl stehen schon sechshundert Jahr ein paar Schuh, worauf der Master gewiß nicht mehr denkt, sonst wärens gewiß schon längst pritsch1. Diese – diese will ich zu Silber machen; oder lassen sie sich nicht versilbern doch wenigstens Kupfer draus schmelzen. Hab ja in meinem ganzen Leben sagen gehört, neunzehn Kupferkreutzer machen auch n’ silbernes Weisfischl aus, und folglich drei solche Weisfischl machen einen grossen Weisfisch aus – oder – auf deutsch einen Gulden: Hu, wenn ich einmal so viel Blech beisammen hätt, da – da wär’ ich ’n reicher Kerl, hu da könnt ich mir einen grossen Sturmhut und Modeschnallen kaufen; hu, da könnt ich meine breitschulterrigte, starkleibige, schwarzbärtige, großköpfite Viktorl zum Tanz führen, hu, da könnt ich mit dem Trampl jucken und springen, hu! da könnt’ ich die Stalldirn herum wälzen, wie ein ungarisches Rebhündl, wann’s der Lackel2 beim Waschel3. hat –

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Ja so! denn ganz ehrlich in der Welt seyn, ist Narrheit: halb Christ halb Schelm, sonst ist kein Fortkommen. Und will man in der Lehrzeit einen blutigen Pfennig sehen, so heißts halb recht, halb schlecht. Also mach’ ich ins Himmels Namen einen Schelm. (sieht sich bänglich herum) Da kann mich kein Teufel bemerken. Also Maxl gescheidt gescheidt, gib acht, daß du das Kindlein nicht sammt dem Bade ausschüttest, daß mit den Knieriem keine Schlacht auf deinen Buckel geliefert wird. – Hu, hu, hu! (er schleicht sich auf eine komische Art in die Kammer ab.)

Siebenzehnter Auftritt.

(Eine Gasse, wo man Kaspers Wohnung zum Gegenstand hat.)

JOHANN, (tritt auf einer Seite Gedankenvoll auf.)

JOHANN. Verdammter Streich, gerade ein Strich durch die Rechnung. Wo denn der alte Sündensack stecken mag? Eben heute muß sie nicht zu Hause seyn. – Nun weiß ich mir weder zu helfen, noch zu rathen; wenn ich nur Kleider herzunehmen wüßte. Sonst bekomm ich nirgends solche Fetzen zu leihen. – Nun ist’s um den guten Feldwebel auch geschehen; denn ich weiß ihm auf keine andre Art zu helfen. Schade, wenn er durch diesen Zufall die Hand des Mädchens verliehren soll; denn beide sind wirklich für einander geschaffen. – Unaussprechliche Freude, wenn ich sagen könnte, Johann! du hast dir durch ihre Verbindung

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einen Stafel4 im Himmel gebaut, und hast einen fast tollen, wüthigen Ehemann von der schweren Krankheit der Eifersucht geheilt. Amen! (sieht sich herum.) O Herzensköniginn, seh’ ich recht? Mir ist’s als säh’ ich den alten Bombenkessel daher trollen. – (er schreit ihr entgegen) I, grüß dich der Himmel zu tausendmal, liebe Mirl, Schwerenoth, ich bin so voller Freuden, daß sie der Satanas endlich daher führt. –

1 pr i t sch| ‹phon. britsch› fort, weg (WMa 185) 2 Lacke l| ‹phon. Lackl› großer Hund (WMa 515) 3 Wasche l| ‹phon. Waschschl› Ohrmuschel (WMa 707) 4 S tafe l| Staffel – Stufe (DWB)

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Achtzehnter Auftritt.

JOHANN. MIRL, (kömmt mit einer Butte, welche sie auf einen Eckstein stellt.)

MIRL. Grüß’n Herrn, warum ist der Herr so voller Freuden, daß ich da bin? – was gibt’s?

JOHANN. Sage sie mir doch bevor, wo sie das pohlische Donnerwetter so lange verweilte?

MIRL. Hm, bin halt wo gewesen. Rath der Herr, er erraths gewiß nicht. – War in der Stadt auf Gradulation. Morgen ist ja meinen gewesten Amanten sein Namenstag. Wir leben schon 50 Jahr in guten Einvernehmen unter einander. Alle Jahr sehn wir uns einmal. Wir haben einander gewiß recht gern, So so.

JOHANN. (für sich) Daß das eingeschrumpfte Bärnfell auch noch auf die Mannsleute denken muß. (laut) Izt liebe Mirl, haben wir einen kleinen kleinen [!] Prozeß mitsammen auszumachen.

MIRL. Was soll’s seyn?

JOHANN. Eine Kleinigkeit Schazerl, Ich brauche nur ein paar Lumpen von einem Weibs-Ge-

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wand, damit ich mich in so eine alte Hexe, wie sie ist, um zu schaffen im Stande wäre. Da ich sonst keine vertraute Bekannte, als sie habe, und ihr der Bettel gut bezahlt wird, so muß sie schon die verfluchte Gefälligkeit haben, mir so ein Hexengewandel zu leihen.

MIRL. Was will der Herr? Ich hab keins; weiß keins;

JOHANN. Wie? hat sie denn sonst kein Gewand mehr?

MIRL. Noch so ein Gewand; Dank Gott, daß ich nur Eins hab. Die Landleut haben keine Garderob.

JOHANN. Und sollte sie auch sonst keines mehr haben, so muß sie mir mit dem, was sie an hat, aus der Noth helfen. Ich brauch’s sehr nothwendig: wollte sie’s aber nicht gutwillig hergeben, so bin ich mit Gewalt ihr Kammerdiener. Sie kann sich indessen auf dem Heuboden legen. – Ich geh’ ihr nicht von der Stelle, bis sie mir verspricht, diese Gefälligkeit zu erweisen. Amen.

MIRL. Tausendsakr! um alles in der Welt! Was verlangt der Herr von mir? – Kann ja nicht ohne Kleider herum laufen. –

JOHANN. Weiß d’Mirl was? Mir fällt was bei: zu Haus hab’ ich alte Hosen und Kamisol1. Das werd’ ich ihr schicken; sie legt das meinige an, und schickt mir dafür das ihrige – In einer halben Stund soll sie es wieder erhalten, und zur Belohnung zwey Gulden bekommen; meine Hosen schenk’ ich ihr –

MIRL. Zwei Gulden seynd recht; aber –

JOHANN. Hi, närrische Bestie! kann sichs ja leicht verdienen.

MIRL. Nu, meinetwegen; kanns haben. – Was will er aber mit’m G’wand machen? Unfug

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treiben? Bauernmadeln anschmiern? – Hab’s nicht errathen? Gelt Schelm?

JOHANN. Gott behüte und bewahre! Hier in der Nachbarschaft möcht’ ich gerne Kinder schrecken –

MIRL. Zum Kuku! Versteh’s schon. Das große Kind, die Jungfrau Räserl – oder die Masterin! Nicht?

JOHANN. Getroffen! getroffen! – Also geh sie auf’m Mist, und zieh sich sich aus; ich schicke um das Gewand. – (ab)

MIRL. Schick der Herr nur. – – O! du liebe Zeit! Was gibt’s jezt für Menschen! Die Spitzbuben wißen nicht mehr, was sie treiben sollen, um die armen Weibsbilder in’s Gey2 zu locken! –

1 Kamisol| Unterhemd (OE) 2 Gey| keine Entsprechung in den Wörterbüchern; entweder veraltete dialektale Form oder Verschreibung: Heu

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Neunzehnter Auftritt.

MIRL. MAXL.

MAXL. (kommt mit einem Paar Schuhe zur Thüre heraus) Grüß Gott! Sau Nachbarin! Bravo, daß die Trut da ist!

MIRL. Was willst?

MAXL. Sieht sie Larven, was ich da hab?

MIRL. Bin nicht blind.

MAXL. Schaus’s – die waren zu verpaschen1 um’n kleins Geld.

MIRL. G’stohlns Gut; mags nicht!

MAXL. Ei, du Wildfang! die Schuh hab ich ehrlich genohmen. Was fällt ihr ein? Unter uns g’sagt, s’seynd von der Frau Masterin, sie braucht’s Geld heimlich auf’n Kaffee – d’Nachbarin versteht mich schon; so eine Frau will auch’n

[43]

extra Glasl Wein; – und d’ Weiber naschen ja alle gern!

MIRL. Wenn’s nur nicht erlogen ist.

MAXL. Meiner Seel! – Werd wohl wegen so einen schundigen2 Schund von Schuhen keinen schlechten Mann machen?

MIRL. Was willst dafür?

MAXL. Achtzehn Groschen, glaub’ ich, ist nicht zu viel, hm!

MIRL. Vierzig Kreutzer, mehr nicht.

MAXL. (für sich) Zwey Weisfischl? Basta! (laut) Hm! meinetwegen; Münz Her! (während Mirl das Geld hergeben will, hört man

Kaspern (laut aufrufen:) Maxl! Maxl! Maxl! Wo hat dann der Teufel den Buben wieder hingeführt?

MAXL. Um Gotteswillen, alte Metten3! der Master, der Master kommt! Was fang’ ich an? was soll ich thun wo soll ich hin? (sieht sich ängstlich herum) Hopsassa! weiß schon – in die Butten hinein! (er springt hastig in die auf dem Eckstein stehende Butte; Mirl deckt ihn mit ihren Schurze zu)

Zwanzigster Auftritt.

Vorigen, KASPER.

KASPER. Das weiß der schwarze Bascha von Belgrad, wo der Schundian4 wieder stekt? Ha, die Frau Nachbarin da? – Habt’s mein Maxerl nicht fliegen gesehen?

MIRL. Nein – ja – nein – ja – nein – ja – Was weiß ich? Gib der Herr auf sein Taxl besser Acht. (sie sucht die Schuh in ihren Rocke zu verbergen.)

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KASPER. Hm, Keppelzan5! Deswegen darf sie sich nicht so aufpatzen! (er bemerkt die Schuhe) Schau schau, ei, ei! was habt’s denn da für Christkindlwaar?

1 verpaschen| gestohlenes Gut verkaufen (GZD 91) 2 schund igen| schäbig, abgenützt (WMa 669) 3 Met ten| eine lärmende Gesellschaft (SWb 270); heiteres Gelage (WMa 546) 4 Schundian| Knicker, Geizhals (WMa 669) 5 Keppelzan| ‹phon. Kheppedsån› Tratschbase, zänkische Frauensperson (WMa 504)

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MIRL. Geth’n Herrn nichts an. Habs in der Stadt ehrlich kauft.

KASPER. (reißt ihr die Schuhe aus der Hand) Schau, schau, ei, ei! In der Stadt kauft? – Ich müßt das Gwand von meinen eignen Kindern nicht kennen – Ehrlich hast mirs g’stohlen, du schlechte Beutelschneiderin1.

MIRL. Der Herr ist der schlechteste Schuhfliker auf Erden, wann er sagt, daß ich sie gestohlen hab. Das will und muß ich weiter suchen. Unser Verwalter kennt mich schon achzig Jahr als ein ehrliches Weib. Habs, von Herrn seinen Taxl kaufen wollen; d’Frau Mastrin hat ihms zu verschachern2 g’schafft. Jezt geh’ ich zum Sephl Richter, und will dir die Diebinn austreiben, du hundsfüttischer Schusternechel3! (sie will die Butte nehmen.)

KASPER. Geh, geh, du alte Rakalir4, und und [!] such’s beim Teufel und seiner Großmama, (für sich) Aber wer weiß, was sie da drin noch für Kontrabant5 hat? – (er geht hin; und nimmt ihr die Butte weg) He, laß sehn. hast gewiß eine Kirchen ausgeraubt? Was hast du da für gestohlnes Gut drin? Das zeig ich jetzt bei Gericht an!

MIRL. Mein’ Butten! mein’ Butten! mein’ Butten! mein’ Butten.

KASPER. (nimmt sie auf den Rücken und trägt sie weg) Unterstehe dich, du altes Raubthier, und und [!] komm mir etwan nach. (er wackelt in sein Haus mit der Butte ab.)

Ende des ersten Aufzugs.

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ZWEYTER AUFZUG.

Erster Auftritt.

(Zimmer in Liebenthals Hause.)

LIEBENT. JOHANN, (mit einem Bündl.)

JOHANN. So geht’s, so machen wirs, ich will verdammt seyn und nicht mehr Johann heissen, wenn uns der Streich auf diese Art nicht gelingt.

LIEBENT[HAL]. Ich besorge nur, daß die gute Frau noch zuletzt das Bad wird müssen ausgiessen.

JOHANN. All Ihre Sorgen sind ungegründet. In der Meinung, er habe sich selbst angeworben, wird er demüthig um seine Loslassung bitten, und in Zukunft mit seiner Frau gut zu leben versprechen. Die Furcht, wiederum Soldat werden zu müssen, wird ihn abhalten, seine eifersüchtige Rolle fortzuspielen. Alles soll und muß nach Wunsche gehen.

LIEBENT[HAL]. Meinetwegen: mach er mit mir, was er will. Wenn nur der Spaß nicht übel ausfällt.

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JOHANN. Pah, verschonen sie mich mit der gleichen Bedenklichkeiten, und ängstlichen Gesichtern. – Sie lieben ja, und sind vom Militär: wahre Liebe und Soldaten sind nicht forchtsam – kühn, wie der Kämpfer im Gewitter der Schlacht.

LIEBENT[HAL]. Was hat er denn hier in diesem Bündel? 1 Beute lschne ider in| Taschendiebin (DWB) 2 verschachern| verkaufen, verstecken (GZD 91) 3 Schusterneche l| Schusternigel ist ein Schimpfname (SWb 291) 4 Raka l i r| eventuell Abl. aus dem frz. Raccaille – niedriger Pöbel; im dt. Rekel (GKWB) 5 Kontrabant| Güter, deren Einfuhr verboten ist (OE)

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JOHANN. Maskeraden, welche fast kaum mit Gold zu bezahlen sind; ohne welchen wir nicht im Stande seyn würden etwas auszuführen. (er macht den Bündel auf) Sehen Sie – das sind Kleinodien, welche mich in einem Nu zur alten Fettel umschaffen werden –

LIEBENT[HAL]. Und darinn soll er ihn nicht kennen?

JOHANN. So wenig, als er den Kaiser von Maroko kennen würde, wenn er ihn in diesen Fetzen vor sich sähe – (er zieht sie hastig an) Das muß allerliebst laßen! Besonders die Würste hier! sind so bequem, wie meines Ur-Ur-Großvaters Lehnstuhl.

LIEBENT[HAL]. (für sich) O wie mir das Herz schlägt, wie die Trommel zur Parade: – ist das weissagende Ahndung der Freude – oder der Traurigkeit?

JOHANN. (indem er angekleidet ist) Herr Feldwebel, glauben Sie, wenn ich so, wie ich da bin, unsre Kaserne vorbey gienge, ich wurde manchen von unsern Kameraden einen unkeuschen Gedanken erregen?

LIEBENT[HAL]. Treib’ er nur jetzt keine Possen, und denk’ er vielmehr auf die Ausführung seiner Unternehmung.

JOHANN. Nicht wahr? so unkennbar! Eine Dirne zum fressen. – Haloch, izt will ich gehn, und den famösen Meister Knieriem auf gut österreichisch zu trinken. (er nimmt ein Körbchen, worin-

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nen etwelche Rosolio1-Boutellen liegen, und geht damit ab.)

LIEBENT[HAL]. (ihm nachrufend) He, sey er behutsam, gebrauch er Vorsicht, daß er nur nicht verrathen wird! Ich gehe, ihm diejenigen Leute, deren er benöthigt ist, nachzuschicken, und die übrigen Anstalten zu treffen. (geht ebenfalls ab.)

Zweyter Auftritt.

Zimmer in des Schusters Hause.

KASPER. (kömmt mit der Butten auf den Rükken worinn Maxl steckt) Auweh, auweh, In meinem Leben hab’ ich nicht so schwer geschleppt; so schwer als wenn die ganze Stadt Wien in dieser Butten begraben wär. – (er sezt sie ab) Muß doch sehen, was das alte Rabenaas hineingepfiffen hat. – (er erblickt Maxl, welcher schüchtern heraus guckt.) I, du Generalmajor von allen Spitzbuben. Was Teufel machst du da in dem Quartierl? – bist du da? bist du da? Wart, ich will dich heraus kizzeln. – (reißt ihn bey den Ohren heraus.)

MAXL. Master, Master, o himmlischer Brustfleck, Nur gescheidt; ’s ist ja lauter Kinderei.

KASPER. Wart, ich will dir’s Weisbanderl2 umhenken, du Erztagdieb? Du – du willst meine meisterische Herrlichkeit vexieren?

MAXL. I hab mit’n Master nur blinde Mäuserl spielen wollen –

KASPER. Warum bist du vor meiner in d’Butten krochen? Wo hast die Trittling hergenohmen, die du der alten Mähren hast verkaufen wollen?

MAXL. Der Master is’n Esel, wann er glaubt daß ich’s hab verkaufen wollen; mein Vorsatz war,

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die Schuh ’n bißerl in die freie Luft zu führen, damit sie ’n wenig auslüftern, und nicht verderben sollen.

KASPER. Das alte Rostpratl hat gesagt, du hast sie verkaufen wollen?

1 Rosol io| Rossolio – italienischer Kräuterlikör (OE) 2 Weisbander l| Band, an dem die Kinder geführt werden (DWB)

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MAXL. Ei, du Rindfleisch. Kein Gedanken, Master, ich hab’ ihr’s nur sehen lassen.

KASPER. Ich hätte guten Appetit, mit dir’n Deutschen herum zu walzen1.

MAXL. Pfui Teufel, Master, das wär ’n Freßen in ’n Samstag. (man hört an der Thüre pochen)

KASPER. Spring’ naus, schau wer ’s ist –

MAXL. Gleich Master. (geht ab, und bringt JOHANN in vorbesagten Weibskleidern herein)

Dritter Auftritt.

Vorigen, JOHANN, (mit einem Körbchen am Arm.)

MAXL. (den Johann beym Schurz hereinzehrend) So geh nur herein G’stätten. Der Master gibt dir schon ’n Geld zu lösen; denn ’s Brandweinl ist seine Leib-Speiß.

KASPER. Was Teufel, bringst da für eine alte Figur?

JOHANN. (mit verstellter weiblicher Stimme) Wer ist ’n alte Figur? bin alt in Ehren, daß ’s der Herr weiß; darf mich nicht schimpfen; bin ’n ehrliches Weib; bin mit Fürsten und Grafen umgangen, weil ich jünger war; und hat mir noch kein Mensch so eine Stichred geben.

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MAXL. Nu, nu, mein liebes Frauerl ’n Wort ist ja keine Maultaschen – muß sich nicht aufhalten; der Master hat’s schon so im Brauch mit jeder Fürstin und Gräfin, in diesen seinen Ton zu reden!

KASPER. Was will denn das liebe Frauerl haben, hm?

MAXL. O englischer2 Master! ’n goldenes, goldenes Brandweinl hat’s bracht.

KASPER. Halt’s Maul? Auf einen Lehrjung schickt sich’s nicht wenn er in alles drein kauscht3, sollst nur anworten, wenn du gefragt wirst –

JOHANN. Lieber Master, da hätt’ ich ’n paarl Schuh die sollten halt gefleckelt und gedoppelt werden. Kein Geld hab’ ich aber nicht; dafür will ich aber ein paar Glaßl Schlikowizer4 zu trinken geben – (schnupft Toback, Maxl will in die Dose greiffen) Pfui, für ’n Lehrjung g’hört ’n Pfifferling5, und kein Tabak!

KASPER. Wird wohl ’n saubers Gesäuff seyn, daß man’s Gedärmreissen kriegt, und ’s Beuschel6 abbricht?

JOHANN. Nein, mein lieber Herr! mit einer solchen Waar getraut ich mir nicht von Dorf zu Dorf herum zu hausiren; ich hab den Richter, alle G’schwornen und die ganze Gemeinde zu versehen. Manche gnädige Frau in der Stadt, wär froh, wenn sie einen solchen zu bekommen wüßte.

KASPER. Da, Maxl, pfusch’ ihr’s zusamm, kurz und gut.

MAXL. Ja – –

JOHANN. Ja, ja, Staxl! er bekommt schon ’n Glas Brandwein!

MAXL. Huhu! da will ich Cavaliermäßig arbeiten. –

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KASPER. Gebt’s nur ’n Fingerhut voll zum Kosten her. 1 e inen Deutschen herum zu wa lzen| einen Walzer nannte man Deutscher (OE) 2 engl ischer| engelshafter (DWB) 3 dre in kauscht| ‹phon. khauschschn› kauschen – herumstreiten, im Gezänk Torheiten sprechen, plaudern (WMa 500) 4 Sch l ikowizer| ‹phon. Schligowitss› Slibowitz, Zwetschkenbranntwein (WMa 651); schlickowi bedeutet hinunterschlucken (WMa 651 Schlickówi – Schluck-hinunter, Schnaps) 5 Pf i f fer l ing| etwas unbedeutendes, wertloses (DWB) 6 Beusche l| ‹phon. Beischschl› Lunge (WMa 138)

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JOHANN. (schenkt ein) So! versucht der Herr’ n mal, zu getrunken!

KASPER. (nachdem er getrunken hat) Ah! – O Himmel, thu dich auf, und laß Dukaten regnen, Köstliche Kostbarkeit. – Hm! schenkt’s mir noch ’n mal ein!

MAXL. Ja, Masterl! mir komt’s auch, möcht auch gern anziehen! (er erhascht rücklings eine Boutelle, und trinkt wakker zu.)

KASPER. Halts Maul Schlangel, – mußt von jeden Fleck naschen? trink Wasser, daß giebt Verstand.

MAXL. Hu, ’s Wasser ist in Schuhen nicht gut, geschweigen in meinen delikaten Magerl.

KASPER. Geh, Maxerl, geh’ zum Schulmeister, und sag ihm, er soll gleich zu mir auf ’n Glasl Brandwein kommen, wenn er anderst ’s Röserl zum Weibel haben will. Heb ’d Läufeln1 auf, daß bald da bist!

MAXL. Ja, Master; ich nimm die Post. (tanzt ab.)

Vierter Auftritt.

KASPER. JOHANN.

KASPER. (schläfrig) O himmlische Magenessenz! wie bist du so köstlich! (er macht einen Schluk nach dem andern) Ah! jetzt lieg’ ich auf Rosen! – (gähnend) Ah – h – h weiß nicht, bin so schläfrig just so, als wenn ich drei Nachtl keinen Schnarcher gethan hätt – Ah – h – h.

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JOHANN. (für sich) Wohl bekomm’s dir, Dumkopf! Gute Wirkung; guten Erfolg!

KASPER. Ah – h – h was – was – sagt – d’ Frau? Ah – h – h, jetzt fliegen mir pratne Vögerl ins Maul!

JOHANN. Trink der Herr die Vögerlein nur hinunter.

KASPER. (immer fort gähnend und trinkend) Ah – h – h! izt thut sich’s ganze Himmelreich auf.

JOHANN. (für sich) Ich will dir schon das Himmelreich geben.

KASPER. (immer schläfriger, beständig mit dem Kopfe nikkend) Ah – h – h, izt tanzen d’Engerl kosakisch2! – Izt dreht sich der Himmel um und um izt macht die Sonn ’n Purzelbaum, und der Mondschein steht auf den Kopf, ah – h – h – h!

JOHANN. Und was mach’ ich?

KASPER. Ah – h – h, du – machst – a Schwein –

JOHANN. Schon recht; nur fleißig zu getrunken!

KASPER. Ah – h – h! o himmlischer Brandweingeist! erleichte mich –

JOHANN. Der Herr ist schon ein wenig illuminirt3, Gut –

KASPER. Bin kein Jud, Ah – h – h (immer schläfriger; sinkt beinahe)

JOHANN. Glücklich alle, die so im Herrn entschlafen.

KASPER. (giebt mit den Händen ein Sterbezeichen) Ah – h – h, es ist vollbracht. (er sinkt dem Fonrierschütz [!] in die Arme.)

1 Läufe ln| ‹ugs.› Läufer – Füße 2 kosak isch| Tanz, Kosakischer – „In dem Kosakenpa s wird das eine Bein stark gebogen und das andere ausgestreckt, so daß der Absatz den Boden berührt. Uebrigens lassen diese Tänze viele willkührliche Sprünge und Wendungen zu, die sich schwer beschreiben lassen, und die man sehen muß.“ (OE) 3 i l lumin ir t| betrunken (DWB)

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Fünfter Auftritt.

Vorigen. RÖSCHEN. Zween Soldaten.

JOHANN. So, Mamsel Röschen, nun ist eine Arbeit vollendet, Nur noch einen zweyten Generalsturm, und Sie sind Frau Feldmarschallin – halt Feldweblin, wollt’ ich sagen.

RÖSCH[EN]. O mein guter Freund, bis dahin wird’s wohl noch eine halbe Ewigkeit seyn.

JOHANN. Geduld macht das saure Kraut süß, und bringt Rosen. (zu den Soldaten) Allons, frisch angepakt und den Ranzen an das bestimmte Ort getragen. (sie nehmen Kaspern, und schleppen ihn ab.)

RÖSCHEN. O, wenn die Komödie gut ausgeht, so weiß ich wirklich nicht, wie ich ihn belohnen soll.

JOHANN. Mein holdseliges Jungferchen, ich verlange keine Belohnung. Ich bin belohnt genug wenn Sie mir nach gewonnenen Spiel sagen, daß Sie mit meinem Diensten zufrieden sind. Sie wissen doch noch, was Sie weiter zu thun haben.

RÖSCH[EN]. Wie? sollt’ ich dasjenige vergessen, wovon meine künftige Ruhe, mein Glück, meine Zufriedenheit abhängt.

JOHANN. Mit dem allerheilisten Vorsatze, keinen andern, als einen Soldaten ihre geweihte Hand zu geben, gehen Sie unterdessen auf das andere Zimmer, und verharren so lange, bis Sie glauben, daß der Hochweise Hr. Schulmeister, nach welchem Ihr Zieh-Vater geschickt hat, da seyn wird.

RÖSCH[EN]. Sehr wohl. (sie springt hurtig ab)

JOHANN. (zieht sich aus, und läßt das Gewand sammt den Körbchen mit Brandwein mitten im Zim-

[53]

mer liegen) Verdammte Arbeit, Was man auf dieser Welt alles unternehmen muß, um die menschlichen Sinne zu überflügeln. (lauft eilig ab)

Sechster Auftritt.

MAXL. Eine Weile darnach der SCHULMEISTER.

MAXL. (welcher hastig zur Thüre herein springt) Master, er kommt gleich – wird – gleich – da (staunend) Poz, Hosenknopf, wo steckt der Master? Ist ja erst da gewesen; ’s Brandweinweib auch beim Luzifer? (erblickt das Gewand und das Körbchen auf der Erde.) Verflucht, – was ist das? das ganze Weib liegt da am Boden. – Wer da? wer da? – bist verschwunden? Das muß eine Fellspergerhexe1 gewesen seyn, oder vielleicht der Teufel, der den Master mit Haut und Haar gehollt hat. – Ha, bravo daß der alte Schöps in die andre Welt desertert ist. – Holla, mir fallt ’n spaßiger Spaß ein, will das Gewand anlegen – ob mich der Schulmeister kennen wird? (er kleidet sich an) Hahahaha, raxtaxtaxtax. So könnt ich mir bey den Werbern schon ’n paar Siebner verdienen – (nachdem er ganz angezogen ist.) Sikerloth mir kruselt und ist’s, als hört ich Jemand kommen; kommt der Master, so wird er mich schon raxtataxtagen. (er verstekt sich)

SCHULM[EISTER]. (ohne Maxln zu erblicken) Ergo ich sage: Herr Knieriem ist halt doch ein wakrer Biedermann; wann er nur die kleinste Kleinigkeit in einem Mausloch hat, so kann er sie ohne meiner nicht verzehren. Gott vergelt’ es ihm. (da er Maxeln hervor kriechen sieht.) Spectaculo, spectacu-

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lus, Deus Apollo! was ist das für eine heidnische Figuram? – Was will die Canallie?

1 Fe l l spergerhexe| vermutl. Abl. von Teufelsberg (biblische Berg nach Matth. IV, 8) bzw. geographisch in der Nähe des Tafegebirges anzusiedeln; GKWB).

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MAXL. (mit verstellter Weibsstimme) Kaufts Brandwein, kaufts Brandwein; – Schaft der Herr Gevatter n’ Schlikerwitzer? Der Herr sauft n’ gern; weiß schon. Hm? lös’ ich ’n kleins Geld?

SCHULM[EISTER]. Ad primo pack’ sie sich gleich zum Henker; ad secunda bekomm’ ich solch Bettelgesäuf von meinem künftigen Schwiegervater genug; ad tertius will ich mit keiner Fratschlerinn1 nichts zu thun haben. Sie untersteht sich noch, in ein Zimmer zu tretten, wo Niemand zugegen ist: Ergo pack sie sich gleich zur Thüre hinaus, oder ich erdroßle sie.

MAXL. (lachend) Hahahaha! kennt mich denn der Herr Schulfux nicht? bin ja der traurige Maxerl, ’s Lehrbubel vom Herr Schwiegerpapa?

SCHULM[EISTER]. O tempores, o moram! sagen wir Lateiner, er ist Maximilianus der Schusterjunge! Bei allen Frakturfedern unserer Gelahrtheit! ist das wohl möglich? Ergo wie bist du dann zu diesem Gewand gekommen?

MAXL. Der Herr ist ’n Ochs; da hab’ ich’s halt auf der Erden g’funden, und hab wollen eine kleine Spaßlerei machen. Jetzt geh’ ich damit hausiren herum; vielleicht laßt’s sich ’n paar Grundeln2 fangen. (tanzt auf eine lächerliche Art ab.)

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Siebenter Auftritt.

SCHULMEISTER, RÖSCHEN. (welche singend zur Thür herein hüpft.)

RÖSCH[EN]. Holla, da ist er schon, der Hochstudirte Brautwerber.

SCHULM[EISTER]. Bei allen Grazien, und Musen! Meine einzige, englische, beste, theureste, zärtlichste, allerschönste, hochgelobteste, hochgeprißneste, auf der ganzen großen, weiten, runden Welt Hochgeehrteste, allersüßeste Jungfrau Braut! Ich habe die unverdiente Ehre, Ihnen zu hohen Gnaden meine mittelbare Person in forma vor Ihrem Himmelsgesicht zu prodiciren, um Sie vor Amors Richterstuhl zu citiren, und in Formam zu zeigen, daß ich Ihr allerunterthänigster Brautknecht bin.

RÖSCH[EN]. (ihr Gelächter verhaltend) ’S freut mich.

SCHULM[EISTER]. O Venus Aphrodita! Lassen Sie mich kein Sententium in Contumaciam3 ergehen: alle vier Welttheile sind Zeugen, wie sehr ich in Sie, als meine englische Braut, verbrennt bin. –

RÖSCH[EN]. Ich versteh Sie nicht: Sie winseln da von einer Braut?

SCHULM[EISTER]. O Hymen Hymenæus! Sie sollten nicht mit beiden Ohren gehört haben, daß ich höchstdenenselben die Ehre erweise, Sie zu meiner Frau zu incaminiren?

RÖSCH[EN]. Hahahaha, zur Frau? – Eine Ehre, die ich jeder Dame gönne, und wovon ich keine Sylbe weiß, – ’s ist doch nicht Ihr lateinischer Ernst?

SCHULM[EISTER]. Ja ja; lachen Sie nur, schöne Lukrezia! ’s ist mein ernstlicher Ernst. Lassen Sie

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mich nicht länger supliciren4: Ihr hochansehnlicher Herr Vater hat mir schon das Wort gegeben. –

RÖSCH[EN]. Behalten Sie das Jawort meines Vaters, und ich sage – Nein!

SCHULM[EISTER]. O meine Amora! betrachten Sie meine Personam, und sagen mir alsdann, ob Sie denn gar keinen Funken Liebe mir in’s Gesicht speien könnten?

1 Frat schler inn| ‹phon. Fradschlarin› Standlerin, auch: schwatzhafte Frau (WMa 364) 2 Grundeln| Jungfrauen (DWB) 3 Sentenium in Contumaciam| ‹lat.› Entschluss aus Widerspenstigkeit heraus 4 supl ic i ren| supplizieren – bitten, flehen (DWB)

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RÖSCH[EN]. Das könnte möglich werden, aber euch Mannsleuten soll man oft etwas zu Gefallen thun, und ihr thut uns nichts. –

SCHULM[EISTER]. Für meine Person alles, was Sie nur befehlen.

RÖSCH[EN]. Lieben Sie mich?

SCHULM[EISTER]. O mit einem ganzen Meer von Flammen; Ergo aus der tieffsten Tiefe meines Herzens!

RÖSCH[EN]. Also wollten Sie mir auch was zu Liebe thun?

SCHULM[EISTER]. Ohne Exceptionis, was Sie nur verlangen und wollen und befehlen und schaffen und denken. –

RÖSCH[EN]. Bedenken Sie sich dieser Zusicherung wohl!

SCHULM[EISTER]. Und sey es: malus, pejor, pesimo Status; ich verschwöre mich zu Ihren Diensten!

RÖSCH[EN]. Also hören Sie mich; Ich habe schon unter dem Herzen meiner Mutter ein Gelübde abgelegt, in meinem Leben keinen andern als einen Soldaten zu nehmen. Ist ihre Liebe also aufrichtig und beständig, so werden Sie Soldat, sonst ist all Ihre Bemühung, um mich umsonst. (sie eilt lachend ab)

SCHULM[EISTER]. Ergo ich Soldat werden um eines Mädchens Willen: daß würde mir weder Pal-

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las, noch Minerva verzeihen. Es gibt ja der Nymphen noch viele in diesem Narrenhaus der Welt. – Ist’s diese nicht; so ist’s eine andere, die sich eine Ehre daraus machen wird, den erhabenen pulpitum1 des Herrn Magisters zu bekommen. Pro primo muß ich mit Dominem Kasper darüber consultiren, damit ich seine Meinung referiren kann. (trollt gedankenvoll ab)

Achter Auftritt.

MAXL. Ein SCHLOSSERJUNGE. Ein MILLERBURSCH.

(Leztere Zween bringen einen hölzernen Esel herein, wie solcher auf dem Lande gebräuchlich ist. Ein andrer Bube kommt mit einer Geige hinten drein.)

MAXL. So so, lieben Brüderln! Bringt’s ihn nur daher, laßt’s ihn ein wenig stehen, und du bleibst beim Esel, du da nimmst das Tüchl, und wann ich sie heraus bring, so verbindtst ihr gleich die Goschen, daß der Renozerus nicht schrein kann, – verstehst mich? – Jezt geh ich hinein, und bring sie. –

SCHLOSSERJ[UNGE]. Sag nur, warum du ihr den Streich spielst? was hat sie dir denn zu Leid gethan?

MILLERJ[UNGE]. Aber daß du so einfältig fragen magst? Laß’n Maxl nur gehn; denn was der Maxl nur thut, ist gewiß ala Maxl recht gethan!

SCHLOSSERJ[UNGE]. O du talketer Mehlwurm! Glaubst weil du’n Esel bist; soll Unsereiner auch einer seyn?

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MILLERJ[UNGE]. O du infamer Kohlstaub! meinst a schon, daß du’n Zunftmeister seyn Bruder bist –

MAXL. Halt’s, halt’s die Zung’ auf! Laßt’s kein Wörtl mehr aus’m Rachen; will euch das Rathsel gleich aufklären: – Schaut’s, hab’n paar Trittling2 krampelt3, und hab’s wollen der alten Schmalzteßen4

1 pu lp i tum| Bühne, Katheder (WL 394) 2 Tr i t t l ing| ‹ugs.› Schuhe 3 krampel t|‹ugs.› gestohlen 4 Schmalzteßen| ‹ugs.› Schmalztasse

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verschachern! da hat sie mich beim Master verrathen, die grauhaarige Schnattergans und dafür will ich ihr den Streich thun –

SCHLOSSERJ[UNGE]. Wann’s aber der Richter Knollfink erfahrt und uns erwischt?

MAXL. Larifari; wegen dem hast dich nicht zu sorgen; der Knollfink ist ja mein Vetter; der beißt uns kein Aug aus’m Hindern1 – Habt’s nur’n klein wenig Geduld; ich bin im Augenblick mit dem Kamelthier da – (er springt eilends in das Haus, und schleppt die alte Mirl in Manskleidern heraus.)

Neunter Auftritt.

Vorigen. MIRL.

MIRL. Ach, lieber Herr! was will er den mit mir haben. Laß er mich aus; oder ich schrei’ aus vollem Hals!

MAXL. Wart, Spenfarkl! wart wir wollen dirs gleich vertreiben.

MILLERJ[UNGE]. (welcher sie mit einem Tuch um den Mund und über die Ohren fest verbindet) Jetzt sing Stigliz!

MAXL. Geh, Brüderl, hilf mir die wilde Nastel auf ihren grauen Bruder hinauf setzen! – So – so – so prozeßioniren wir die alte Kelchpletschen2 im ganzen Dorf herum, damit die ganze

[59]

Gemeinde das Vergnügen haben kann, die alte Plausch-Mirl3 auf’m Esel reiten zu sehn – Jedermann wird sagen: der Vettel geschicht recht – recht so! – (Mirl wird von allen mit lautem Gelächter auf den Esel gehoben, und dreymal auf der Bühne mit Gespötte herum geführt, dann weiter auf die Gasse fortgezogen.)

MAXL. He, du gehst voraus, und machst einen Eipeltauer Marsch4 auf! (der Bube geht voraus, und spielt auf der Geige einen alten Marsch; die Uebrigen folgen, und geht der Zug ab.)

Zehnter Auftritt.

LIEBENTHAL. JOHANN. (mit einer Boutele.)

JOHANN. Hahaha, schwerenoth! Das ist doch ein ausgelaßner Schlingel von einem Schusterbuben! Führt der Kujon5 die alte Murken auf dem Esel herum!

LIEBENT[HAL]. Aus welcher Ursache? was hat sie ihm denn gethan?

JOHANN. Sie hat’s seinem Meister verrathen, das er ihr ein paar gestohlne Schuh habe verkaufen wollen: die wird sich wohl den Spaß merken.

LIEBENT[HAL]. Aber, mein Johann, wenn wir nur den Schulmeister schon aus dem Weg geräumt hätten –

JOHANN. Machen Sie sich nur keine Glossen darüber: er muß in die Falle prellen. Besorgen Sie nur das Weitere, was sie noch zu thun haben.

[60]

LIEBENT[HAL]. Gut also; ich werde das Aeusserste thun (geht ab.)

1 der be iß t uns ke in Aug aus ’m Hindern| vgl. die RA hinten keine Augen haben – nicht alles bemerken (können) bzw. jmd. unabsichtlich treten, der hinter einem steht (LSR). 2 Kelchple t schen| ‹phon. Bledschn› großer Kelch (WMa 164) 3 P lausch-Mir l| ‹phon. Blauschmiarl› Plaudertasche (WMa 163) 4 E ipe l tauer Marsch| Eipeldau ist einer der historischen Namen des heutigen 21. Wiener Bezirkes Leopoldstadt (vgl. Online: URL: http://www.leopoldau.at/?sekt=0&txt=5&lng=de&d=5 [Stand: 2008-07-04] 5 Kujon| ‹phon. Khujón› Schurke, Gauner (WMa 513)

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Eilfter Auftritt.

JOHANN. SCHULMEISTER. (welcher aus dem Hause kömmt.)

JOHANN. (die Boutelle in der Hand schwingend) Jujujuhuhuhu! welch ein lustiges Leben auf dieser besten Welt! – Aber zum Teufel und seiner Höllischen Mutter! wakkelt denn der Herr Schulmeister so trüb und traurig daher, als ob ihm Meister Satanas beide Ohren abgerüttelt hätte? – Prosit! hier trink er eins mit mir –

SCHULM[EISTER]. Bedank mich gar schön: quid quid agis prudenter agis etc.1 heißts! den mit Soldaten ist’s so wenig rathsam zu trinken, als mit großen Herrn Kirschen zu essen, diese werfen euch den Stingel oft ins Gesicht, und ihr Militairischen Herrn bringt einem oft die Muskete auf die Achseln.

JOHANN. Ja so, fehlt’s da? Also fürchtet er sich vor uns Soldaten? – Der Schulmeister ist’n Narr; wer wird ihn mit Gewalt zwingen können, wenn er sich nicht freiwillig anwerben laßt?

SCHULM[EISTER]. Ergo warum ist denn er Soldat geworden? er hätt‘ ja auch so in Civilum leben können? –

JOHANN. Freilich hätt’ ich’s: aber was thut man nicht alles um eines holden Mädchen Willen?

SCHULM[EISTER]. Ergo ist er um eines Mädchens Willen Soldat geworden?

[61]

JOHANN. Das versteht sich: es war aber auch die allerreizendste Himmelsblüthe von einem Engel fast so schön, und so hold, und so mild, als Röschen, die Zieh-Tochter Kaspers allhier ist – Sie wollte keinen andern, als einen Soldaten heurathen; auch war sie es werth. Je nu, was wollt’ ich also thun? Ich entschloß mich also, um ihre Hand zu erhalten, und hätte mich um ihrentwillen auf die Galleeren schmieden laßen –

SCHULM[EISTER]. Ergo muß er Soldat bleiben?

JOHANN. Was denn sonst anders? Ich werde wohl nicht gleich den ersten Tag meinen Abschied nehmen –

SCHULM[EISTER]. O meus Deus! wegen einem Mädchen Soldat werden? Nein! Gott bewahre! da wird nichts daraus!

JOHANN. Ja, der Herr Schulmeister lieben halt nicht; haben Sie nur einmal ein Mädchen, Sie thun dasjenige gewiß, was Ihnen aus ihrem schönen Munde befohlen und gebothen wird.

SCHULM[EISTER]. Ich habe wohl so ein Mädchen: aber –

JOHANN. Sie haben keine Neigung zu ihr, nicht wahr?

SCHULM[EISTER]. O ja; mein Herz brennt lichterloh für sie; alle meine Sinnen stehen in hellen Flammen für sie; aber sum Homo versutus2 – denn sie will auch haben, daß ich Soldat werden soll.

JOHANN. Wie? – Und Sie befolgen ihre Befehle nicht?

SCHULM[EISTER]. Soldat werden wäre wohl recht, wenn ich nur nicht bleiben dürfte, und Ergo nach der Trauung mit dem Mädchen wieder im Publicam erscheinen könnte.

[62]

JOHANN. Ja, sobald Sie Röschen im Besitz haben?

SCHULM[EISTER]. Certissimum; so mein ich’s Ja.

1 qu id quid agi s prudenter agi s e tc .| ‹lat. Quidquid agis, prudenter agas et respice finem› – Was du tust, tue es klug und bedenke den Ausgang (Sentenz aus den Gesta Romanorum, vgl. Latein im Alltag, S. 101.) 2 sum Homo ver su tus| ‹lat.› aber ich bin ein kluger Mann

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JOHANN. Holla; mir fällt was ein: auf diese Art könnten sie Ihr Liebchen erhaschen, und wären doch kein Soldat.

SCHULM[EISTER]. Benum, Aber wie könnte das geschehen? Fünfzig Gulden baares Geld soll er aus meiner Hand bekommen, wenn er dies zu bewirken im Stande ist.

JOHANN. Sie schreiben einen Werbschein, bezeugen daß sie sich zum Soldaten haben anwerben lassen, ich überbringe den Schein, und sie haben das Mädchen erhalten, ohne Soldat zu seyn nach der Hochzeit kann Sie es immerhin wissen, daß Sie es nicht sind – dann ist’s zu spät, wieder umzusatteln.

SCHULM[EISTER]. Beym Olympos, das ist ein herrlicher Plan! Ergo wollen wir den Versuch machen; wenn sie’s aber nur nicht erfährt.

JOHANN. Pah, sie mag’ es erfahren, wie sie will; wenn wir sie nur einmal im Nez haben.

SCHULM[EISTER]. Richtig, getroffen! Ergo so soll’s geschehen! – Aber wie sollt ich schreiben?

JOHANN. Kommen sie nur mit mir, wir gehen hier gleich in das nächste beste Wirthshaus, um das einfältige Mädel zu über vortheilen. sie soll uns gewiß nicht zu gescheidt werden.

SCHULM[EISTER]. Meinetwegen, aber – prudentur1.

JOHANN. Nur auf mich verlassen, dann – geht alles gut! (beide ab)

[63]

Zwölfter Auftritt.

Vorige. (Gaststube)

Der KORPORAL. LORENZ, etwas betrunken. Der WIRTH mit Wein.

KORPORAL. (zum Wirth) Hier, Mann, hat er die versprochenen fünf Thaler, das ist ein wakeres Pürschgen!

WIRTH. Bedank mich. Ich wünschte, alle Tag‘ ein par hundert solcher Gimpeln auf dem Leim zu bringen.

LORENZ. (mit einem Säbel umgürtet, einen Soldatenhut auf den Kopf, lehnt sich in seiner Trunkenheit an einem Tisch.) He juhuhu, vivat! ’s ist doch ’n lustiges Leben unter den Herrn Soldaten.

KORPORAL. Das glaub’ ich, Kriegskamerad! es darf dich auch gar nicht reuen, Soldat geworden zu seyn.

LORENZ. Reuen! Jujuhe, reuen? (er fuchtelt mit dem Säbel herum) Stünd’ ich in diesen Augenblick vor dem Feind, Sie sollten Mordthaten von mir sehen – Kopf weg! Arm weg, Bein weg, und so weiter. – Heissa; ich bin zum Soldaten gebohren, und hat mich in meinen Leben noch nicht gereut, Soldat zu seyn!

WIRTH. So recht, mein tapfrer Freund! was einmal beschlossen ist, muß für die Ewigkeit beschlossen bleiben.

LORENZ. Holla, richtig! getroffen! Holla! was da, was da.

KORPORAL. Pum, pum, Herr Kriegskamerad, noch eins, dann wollen wir auf ein halb Stündchen zu Bette gehn und ausruhen, was meinst du?

[64]

LORENZ. Nur zu, ich mach’ alles mit. Ich rauf mit dem Teufel oder geh zu Bette – alles eins. Hab ohnehin die vorige Nacht nicht viel geschlafen.

1 prudentur| ‹lat.› mit Verstand

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KORPORAL. So komm mit, mein Sohn! (beide ab.)

WIRTH. Herassa. Um fünf Thaler verkauf’ ich Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Weib und Kinder; meine ganze Freundschaft, – Mit Geld ist mir geholfen; Geld ist die Seele der Welt. Mit diesem ist man Durchlauchtig, Hochgebohren, geschäzt, geliebt und geehrt; ohne diesem niedrig, elend und verachtet. Ich will lieber ein Unmensch, als ein armer Teufel seyn. Was ist Tugend und Rechtschaffenheit?

Dreizehnter Auftritt.

JOHANN. Der SCHULMEISTER. Der WIRTH.

JOHANN. He, Wirth, bring er uns zu sauffen, einen guten Peterstorfer.

WIRTH. Gleich, meine Herrn, sollen auf’s beste bedient werden; nur ein klein wenig Geduld.

JOHANN. Wie gesagt, nur auf mich verlassen, dann geht alles gut. Das thörichte Mädel wird in der Meinung seyn, Sie betrügen zu wollen, indessen wird Sie von Ihnen betrogen. So geschieht’s ihr Recht.

SCHULM[EISTER]. Contra scientiam will mir die ganze Sache nicht recht in meine Philosophia einschlafen.

JOHANN. Ha, kreuztausendschwerenoth! wenn er das Mädel lieb hat und heurathen will, so muß ihm auch keine Unternehmung gereuen.

[65]

WIRTH. (welcher mit dem Wein kommt) So so, meine Herren, hier haben Sie ein gutes Glas Wein, Gott gesegne, Gott gesegne.

JOHANN. Bedanken uns gar schön. Jetzt, Wirth, bringt Feder, Dinte und Papier.

WIRTH. Werd gleich damit hier seyn (der Wirth geht, und bringt das verlangte.)

JOHANN. So. – Jetzt wollen wir aber allein seyn!

WIRTH. Auf alle Weise; Sie haben zu befehlen. – (er geht mit verschmizten Geberden ab.)

Vierzehnter Auftritt.

Vorigen, MAXL. (welcher heimlich bey der Thüre stehen bleibt.)

JOHANN. Also zu schreiben angefangen.

SCHULM[EISTER]. Ich getraue mich nicht.

JOHANN. So ist Röschen verlohren.

SCHULM[EISTER]. Ja, mein Dominus! was sollt ich den schreiben?

JOHANN. He, nur mein Worte nachgeschrieben, und herzhaft angefangen. – „Ich Endesgefertigter –

SCHULM[EISTER]. (schreibend) Endesgefertigter!

JOHANN. Bezeuge der Wahrheit zur Steuer,

SCHULM[EISTER]. – Steuer!

JOHANN. Daß ich mich gut- und freiwillig zum Soldaten –

SCHULM[EISTER]. – Soldaten!

JOHANN. Habe anwerben lassen, – Koma“

SCHULM[EISTER]. Anwerben – lassen – Koma: aber Notabeni nur im Spaß.

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[66]

JOHANN. Daß muß er aber nicht schreiben, sonst ist der ganze Spaß verdorben!

MAXL. (für sich) Was der lateinische Schulfux wird Soldat?

SCHULM[EISTER]. Ergo ist’s nur Spaß?

JOHANN. Versteht sich; lauter Scherz und Spaß! – Nur weiter geschrieben: „und das aus purer Liebe“ –

SCHULM[EISTER]. – purer Liebe!

JOHANN. Wie heißt das Mädchen?

SCHULM[EISTER]. Rosalia, glaub ich – Zunamen weiß ich nicht!

JOHANN. Zur Rosalia, N: N:

SCHULM[EISTER]. – N: N:

MAXL. (für sich) Ja wohl aus purer Lieb, sag lieber, ungepuzter Saukopf, aus Narrerei, aus Gift und Gall.

JOHANN. „Welches ich hiermit bescheinige – Punktum.“

SCHULM[EISTER]. Punctum fatis.

JOHANN. Halt – Urkund dessen meine eigenhändige Fertigung;

SCHULM[EISTER]. Fertigung.

JOHANN. Signatum Dorf Winterthal, den 8ten Jenner 791.“

SCHULM[EISTER]. 791.

JOHANN. Izt unterzeichnet: Tauf- und Zunamen.

SCHULM[EISTER]. Thaddäus Federkiel – Nomen proprius! Finis Coram topis!

JOHANN. Aber nur sollten wir auch einen Zeugen haben.

MAXL. (welcher sich anstellt, als ob er erst zur Thüre herein käme) He, Herr Schulmeister, vier- und zwanzig Batzen hab’ ich für das Brandweinl gelößt.

[67]

JOHANN. Sehr gut, Kerl, das du da bist: du mußt uns einen Mann bringen, der uns einen Zeugen abgiebt.

MAXL. Hm! zu was braucht’s denn einen Zeugen?

JOHANN. Weil der Schulmeister Soldat geworden ist, nicht wahr Herr Kamerad?

SCHULM[EISTER]. Ja – nein – ja – nein!

JOHANN. (bedeutend zum Schulmeister ins Ohr) Er muß keklich1 Ja sagen; sonst verdirbt uns dieser da den ganzen Spaß!

SCHULM[EISTER]. Ja, ich bin Soldat worden.

MAXL. Was? – Ei, tausend Fikerment, der Herr Schulfux macht mir selber Lust, so ein Menschenwürger zu werden. – Braucht mir gar nicht viel zu machen. – Aber, Herr Fux, was wird denn’s Röserl dazu sagen?

SCHULM[EISTER]. Sie hat’s so haben wollen; erge bin ich ein Soldat geworden.

MAXL. Hol mich der Fuchs, ich möcht auch einer werden.

JOHANN. Das kann schon seyn, lieber Junge. – Was geht einem Soldaten ab? – Sind wir nicht die gallantesten Leute?

1 kekl ich| kecklich – frisch, kräftig, zuversichtlich (DWB)

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MAXL. Alles recht. Aber ich hab mir sagen lassen, daß bei die Fünfkreutzer-Offizier mit der Kost entsetzlich schmal hergeht – und hernach die Pastonade1. –

JOHANN. Sey kein Narr, und glaub das nicht. Beim Militär gibt’s mehr Geld, als bey euch; an Essen und Trinken fehlt es uns gar nie. Kommst du in ein Dorf, Marktflecken oder Städchen ins Quartier, da gibt’s die schönsten Mädeln, welche gerne ihre ganze Baarschaft aufopfern, wenn sie nur einen Soldaten zum Munkeln2 haben können.

[68]

MAXL. Alles recht, aber der Master hat mir versprochen, mich in einem halben Jahrl frey zu prügeln.

JOHANN. Wenn’s bei dir kein andere Nisi3 hat, und du Soldat werden willst, so muß dich der Meister gleich freysprechen; kannst dein Glück machen, kannst noch Regiments-Schuhmacher werden.

SCHULM[EISTER]. (für sich) O du armer Teufel! da sitzt du auch im Pfeffer.

MAXL. Meiner Seel, Herr Soldat. Hier ist meine Pfoten: aber mit dem Bedingniß, daß mich der Master alsogleich frey sagt. – (für sich) So – so kann mich die alte Eselreiterin auch nicht verklagen; kann mir dann in die Laterne guken.

JOHANN. Ja doch; das versteht sich ohnehin; Also nur Herzhaft eingeschlagen, und dann Eins ausgestürzt auf die Gesundheit des Königs. Hoch auf! Es lebe der König. (schenkt ein, und reicht jeden ein Glas.)

SCHULM[EISTER]. MAXL. Juhu, es lebe der König!

JOHANN. (zum Schulmeister) Herr Kamerad hier ist mein Hut. (zu Maxeln) Und hier ist mein Säbel.

MAXL. (welcher den Säbel lachend umgürtet) G’wehr aus! Ich darf den Sarazener nur berühren, so hab ich tausendmal mehr Guraschi4, als die ganze Schusterzunft. Da wird der Master laufen; da wird mein Viktorl springen, hu hu hu!

[69]

Fünfzehnter Auftritt.

LIEBENTHAL. Vorigen.

JOHANN. Sie kommen, wie gerufen, Herr Feldwebel. Hier hab ich zwo Pursche angeworben, die sehr viel Talent zum Kriegsdienst versprechen, und die, wie ich hoffe, bald avanziren5 werden.

LIEBENT[HAL]. Ihr seyd mir sehr willkommen, meine Kinder. Habt euch also beide freywillig engagiren lassen?

MAXL. O ja, ohne Zwang; an dem Hindersten meines Herzens.

SCHULM[EISTER]. Ego non; nur per Spaß.

JOHANN. (welcher den Schulmeister winkt) Nur heraus mit der Farbe6; sonst ist der ganze Plunder verdorben.

SCHULM[EISTER]. Ergo ja, wir werden freiwillig Soldaten.

JOHANN. (welcher auf den Schulmeister zeigt) Von diesem hier ist der Werbschein schon ausgefertigt.

SCHULM[EISTER]. (zum Johann heimlich) Der Schein gehört ja für mein Röschen Salvaveniam. 1 Pas tonade| ‹phon. Basdóni› Schläge, Stockschläge (WMa 121) 2 Munke ln| leise, heimlich reden (WMa 556) 3 Nis i| Einwand, Schwierigkeit (WMa 565) 4 Guraschi| ‹phon. Guarásch› Courage (WMa 436) 5 avanz iren| avancieren, in eine höher Position aufrücken 6 nur heraus mit der Farbe| vgl. die RA mit der Farbe herausrücken – seine wahre Gesinnung zu erkennen geben (LSR 2, 416)

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JOHANN. Ich werd’ es ihm schon sagen für wem er gehört. (lispelt den Liebenthal etwas leise ins Ohr. Zum Schulmeister) Röschen wird den Schein also richtig erhalten, verstanden?

LIEBENT[HAL]. Laß er diesen guten Leuten an nichts mangeln, Eßen und Trinken geben; ich werde Zahler seyn. (ab.)

MAXL. Schönsten Dank, ’R Gnaden Herr Feldmarschall.

[70]

Sechzehnter Auftritt.

Vorigen. MIRL, (noch in Mannskleider.)

MIRL. (für sich) Weiß nicht mehr, wohin ich mich verstecken soll? – auf der Gassen lauft mir das ganze Dorf und die ganze Gemeinde nach, und wirft mit Koth und Steinen auf mich.

MAXL. Holla, herein! da ist das saubere Musterl. Also Frau Eselreiterinn, jezt kann’s mich verklagen: ich bin Soldat, und in wirklicher Diensten unsers Maurachen. Jezt kann mir der alte Haubenstock in die Latern blassen, Hahehu!

MIRL. Ich möcht ihm d’Ohren abbeißen, und d’Augen aus ’m Schädel krazen: warum hat er mich aus dem Häusel so spitzbübisch herausgefopt?

MAXL. Warum, alter Rechenzahn, hast du’s dem Master g’sagt, daß ich hab die Tritling verkaufen wollen?

SCHULM[EISTER]. Fi, was Teufel, fœmininum [!] et masculinum! Sie wird doch keinen Faschings-Narren machen? Fi, welch ein schrekliches Tirangulum1!

JOHANN. Ja, meine lieben Freunde, ich muß jetzt gehn, um den Spaß zu vergrößern, und meinen übrigen Schülern Unterricht zu geben. –

[71]

Siebenzehnter Auftritt.

Vorigen. KORPORAL. TAMBOUR, (welcher trommelt MAXEL springt ängstlich herum und will sich verstecken)

JOHANN. (im Abgehen zum Korporal) Herr Korporal, es soll und muß auch der Dritte mitgenohmen werden, er mag sich Geberden wie er will; kurz um ich stehe für alles gut. (geht ab)

KORPORAL. (mit rascher Stimme) Den Hut herunter! (der Tambor rührt zum zweytenmal die Trommel der Korporal liest) Auf Befehl Seiner Exzellenz des kommandierenden Herr Generals wird hiermit dem Taddäus Federkiel, und Maximilian Stepfel anbefohlen, daß sich beide alsogleich auf dem Werbplaz zu stellen haben, damit dieselben nach den vorgeschriebenen Regeln der Kriegskunst wohl exerziert, und beim ersten Transport mit den übrigen Rekruten abgeliefert werden können; widrigenfalls aber dieselben nach den militairischen Gesetzen als Deserteur und auf das strengste behandelt werden sollen! (der Tambour rührt abermahl die Trommel)

MAXL. (krazt sich im Kopf) Bedank mich für die goldene Nachricht.

SCHULM[EISTER]. Ergo was soll das heissen?

KORPORAL. Habt ihr den Befehl nicht verstanden?

SCHULM[EISTER]. Was geht der Befehl mich an?

1 Tirangulum| vermutl. Abl. aus Tyrannei

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KORPORAL. Das will ich euch schon weisen mit dem Haslinger1, ihr Hundsseelen! Marsch – nicht lange gesträubt – marsch fort!

SCHULM[EISTER]. Ich gehe nicht von der Stelle. Hier habt ihr euren groben Hut! – Sum pius

[72]

Domino Federkiel, der Schullehrer – und kein Soldat.

KORPORAL. Koz General-Feld-Kreuzbataillon! für was seht ihr mich an? Bin ich nicht euer Vorgesezter? oder glaubt ihr daß ich betrunken sey? – Was wollt ihr also? – Euer Werbschein ist in unser Händen.

SCHULM[EISTER]. Beim Parnasus, das, was ich gethan habe, war nur Spaß.

MAXL. Nein, Herr General ’s war mein Seel kein Spaß: hab’s selber mit vier Augen gesehn, wie ’n der Einfaltspinsel geschrieben hat. Er ist richtig Soldat.

SCHULM[EISTER]. Non verum est; ’s war nur feiner Scherz, um Röschen –

KORPORAL. Der Scherz soll euch theuer zu stehn kommen. Ein Soldat läßt mit sich nicht spassen: also marsch fort, sonst geb’ ich euch als Deserteur beim Rapport ein. –

MAXL. Huhu, kein Deserteur mag ich nicht sehn [!]. Geh lieber mit Zwang gutwillig, sonst sezt einen Schilling ab.

KORPORAL. (zur Thüre hinaus rufend) Heda! Wache herein, und beide fortgeführt. (die Wache kommt, und führt sie fort; ein Tambor, welcher vorausgeht, und die Trommel rührt; nach einer Pause zur Wache.) Hier nehmt den alten Tornister2 nur auch mit.

MIRL. Kreutzspinnerin, was soll denn ich dabei machen?

KORPORAL. Das werdet ihr auf der Wache schon sehen.

MAXL. O vergelt’s Gott, daß das alte Nest auch mit muß. (die Wache stößt alle drei mit Gewalt ab.)

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Achtzehnter Auftritt.

(Zimmer in Werbhaus.)

KASPER. (welcher auf der Erde liegt, um den eine Reihe Soldaten herum sitzen.) Wie wach’ ich? oder Träum’ ich noch? hab’ ich Augen? oder bin ich blind? leb ich? oder bin ich todt? – Bin ich’s selber in höchst eigener Person, der so wie ein walachisches Schwein auf der blosen Erde liegt? Was gilt’s, mein Weibl hat mir den Possen gespielt? – Marthel Marthel! – mach mich nicht murrig, – Was gilt’s, sie hat wieder Gesellschaft, (er besieht sich um und um) Hm was ist das? Bin worden ein Leibwachter? – wie Teufel bin ich zu der einträglichen Charge kommen? – was soll das alles bedeuten? – Bin ich ein verdammter? lauter Höllengespenster um mich. (sehr kläglich komisch:) Marthl Marthl! – wo hat dich denn der Teufel? – bin ich verhext? – Maxl Maxl! – vermaledeuter Spitzbub! bist in der Luft erstickt? O Jerime! (er singt) O Jerime!

Neunzehnter Auftritt.

KORPORAL. Vorigen.

KORPORAL. Donnerwetter, was gibt’s für ein Lärmen und Getöß. Ist das nicht ein Getümmel, als ob uns der Feind im Lager überflügelt hätte. Und ihr Schwernöther seyd noch nicht ganz angezogen; he gebt ihm seinen Rock her.

1 Has l inger| Stock von der Hasel (DWB) 2 Torni ste r| eigentl. der beim Militär benutzte Reisesack, hier umgedeutet als Schimpfwort (OE)

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KASPER. Zu was? Laßt’s stehn, – bin ja kein Soldat; bin der renovirte Schustermaster v. Knieriem.

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KORPORAL. Der Teufel seyd ihr! – Allons hurtig angezogen und dann auf den Exerzierplaz mit euch.

KASPER. (mit weinerlichen Geberden) Aber, ihr närrischen Eseln, mit wem redt ihr dann? – Bin ja kein Soldat, und bin auch im Mutterleib keiner gewesen.

KORPORAL. Kerl! macht mich nicht toll, oder wenn ich mit den Stock über euren Buckel komme, sollt ihr die schwere Noth kriegen! – Habt ihr euren Nahmen vergeßen? heißt ihr nicht Rauber?

KASPER. Wie? was? – Rauber? Ei, du Hundsfuth! das ist neun und neunzigmal erlogen. Wart, Martherl, den Schabernak hast du mir gethan: ich will dir’s schon einbringen. Freu dich nur; denn wann ich dich bei den Haaren erwisch, so laß ich dich sechs Wochen nicht aus.

KORPORAL. Was murrt er da im Bart hinein? – Macht’s nur kurz und zieht euch hurtig an! – (zu einem Soldaten) Geht und helft ihm: der Kerl stellt sich so dumm und ungeschickt, als ob er sich in seinem Leben nicht angezogen hätte.

Zwanzigster Auftritt.

Vorige. SCHULMEISTER, MAXL und MIRL. (werden von Soldaten hereingeführt)

MAXL. (der auf den Kasper zueilt) Liebs Mastrl! liebs Masterl! (er küßt ihn) was macht denn’ Mastrl da? O du alter Schöps1 v. Schöpsenshausen! bist auch Soldat worden? Das ist braf Jetzt wollen wir die Türken beim Schopf kriegen – und Beute machen –

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SCHULM[EISTER]. Aber, Domino Schwiegervater! was macht denn er da? welcher böse Spirito hat ihn hieher geführt?

KASPER. Das weis der Teufel! – Soll da Soldat seyn, und, was das ärgste ist, Rauber heißen – den – den ehrlichen Namen soll ich auch noch tragen! – Aber, was Plunder, was für’n Unglückswind hat denn den Herrn Schwiegersohn hieher getrieben?

SCHULM[EISTER]. Ergo wie ich hieher gekommen bin? – Mit List und Betrug, und auf Veranlaßung des Herrn seiner saubern Filia. – Daß das Gespenst an allem Schuld ist, unterliegt keinen Zweifel. Bei meinen Heurathsantrag, gab sie mir zu verstehn, daß sie sich verlobt habe, keinem andern als einen Soldaten ihre Hand zu geben. Ich entschloß mich, aus Spaß, einen Werbschein zu schreiben, welchen aber der Hr. Feldwebel im Ernst aufnahm, und der Befehl kamm, daß ich Soldat bleiben müße. – Auch sagt man mir, daß mich des Herrn seine Zieh-Tochter nichts mehr angienge.

KORPORAL. Mord schwerenoth! wird das Geplauder noch lange dauern? Da nimm ein jeder seine Montierung2 und zieh sich hurtig an.

KASPER. O gnädiger Herr General! laß mich der Herr zum Weibl nach Haus rennen, daß ich das arme Thier ein wenig streichen kann; auch thut mir’s Baucherl schon weh.

MAXL. Guter Master, laß’t a so gut seyn! Der Masterin wird die Zeit gewiß nicht lang werden; der neue G’sell wird sie schon hudeln – die Morastgöttin wird auf’n Master gar keinen übeln Gedanken haben.

1 Schöps| einfältiger Mensch, ein älterer, verliebter Mann (SWb 381) 2 Montie rung| Montur, Uniform (OE)

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KASPER. Lieber Maxrl, jetzt merk ich erst den Unflath: glaubst, sie haben mich mit Fleiß anwerben laßen, damit sie’s ala Kosarara1 recht treiben

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können. Ich muß fort, und wann ich zehntausend Prügel auf’s Loch kriegen soll – (er will fort.)

KORPORAL. Halt, Ketzer! oder –

Ein und zwanzigster Auftritt.

Vorigen. LIEBENTHAL.

LIEBENT[HAL]. Ha, was gibts? was ist das für ein Lärm?

KORPORAL. Dieser Pursche da! will nicht Soldat seyn – Er läugnet seinen Namen, und gibt vor, er heiße nicht – Rauber!

KASPER. O großer Herr Feldwebel, ein Glück, daß Sie da seynd! Mein Weib, der tolle Feuerdrach, hat mir diesen Streich gespielt. – Helfen Sie mir aus dieser sauern Kriegssuppen, sonst bin ich ein ewiges Kind des Elends!

LIEBENT[HAL]. Für was gibt sich der Bube denn aus?

KORPORAL. Für einen Suster [!] hier im Dorfe – Meister Knieriem nennt er sich!

LIEBENT[HAL]. Hahahha, der eifersüchtige Narr sizt zu Hause, und bewacht seine reitzende Hälfte, Korporal, gebt ihm nur gleich etwas Unterricht wie er das Gewehr tragen soll, dann soll er auf dem bewußten Plaz Schildwache stehen.

KORPORAL. Sehr wohl, Herr Feldwebel!

MIRL. (welche dem Feldwebel zu Füssen fällt:) Ums Himmelswillen! ’R Gnaden bitt unterthänig, laßen’s mich wieder nach Hause gehn

LIEBENT[HAL]. Was wollt ihr denn?

MIRL. Ach, bin ja ein Weibsbild Der schlechte Fourirschütz hat mein Gewand zu leihen genoh-

[77]

men, und hat mir unterdessen das seinige anzulegen befohlen – Ach

LIEBENT[HAL]. Hahaha, saubere Figur! – Pakt euch zum Teufel! Wir brauchen keine alten Vetteln zu Soldaten (Mirl und der Feldwebel gehen ab.)

Zwey und zwanzigster Aufritt.

Vorigen.

KASPER. (welcher nachgehen will) Herr Feldmarschall! Ho! He! Um Gottes Willen, bei der Pelz Müzzen meiner Marthel, bitt’ ich Sie – O Jerum! o Jemine!

MAXL. Gusch dich! gusch dich! – Sey der Master kein Fratz: bin ja auch so’n Tagdieb!

KASPER.(voller Verzweiflung) Red mir nichts ein du Hundsknecht, oder ich schlag dir’s Kreuz beim Wadel ab! –

1 Kosarara| Anspielung auf die im 18. Jahrhundert ungemein erfolgreiche Opera buffa La Cosa Rara von Vicente Martín y Soler und Lorenzo da Ponte (UA Wien, 4.12.1786) (vlg. URL: http://www.oper-um-1800.uni-koeln.de/einzeldarstel-lung_werk.php?id_werke=456&herkunft=&id_scan=227 [Stand: 2008-07-04])

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MAXL. Darf ich’n Master mit Reden nicht trösten, so tröst’ ich ihn mit ein paar Ohrfeigen. Bin jetzt so gut Herr Soldat, als der Master; und der Master ist jezt um kein Laus mehr als ich – und wann er Burgermeister von Amsterdam wäre –

KASPER. Was, Taxel? du willst deinen Vorgesezten noch foppen? du? – (beyde fangen gewaltig zu rauffen an)

SCHULM[EISTER]. Ergo ermordet den Lumpenkerl: er ist an allem meinem Unglück Schuld! –

KORPORAL. Erden, Feuer, Hagel, Donner und Bliz! Wollt ihr Bärenhäuter auseinander gehn? (zu den Soldaten) He, führt den Rauber

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auf’m Exerzierplatz, und lernt ihm Mores; – (Kasper, welcher bitterlich weint wird von den Soldaten fortgeschleppt ab)

KORPORAL (zum Schulmeister) Wollt ihr euch anlegen, oder nicht? Da – hier ist die Montur!

SCHULLM[EISTER]. [!] (wirft sie ihm vor die Füsse) Da!

KORPORAL. So? – Nur noch einmal so! – Dieser Haslinger hier soll euch alsdann Subordination einprängen [!], Kerl! (er schwingt den Stock zur Höhe und faßt den Schulmeister beim Kragen.)

SCHULM[EISTER]. (welcher die Hände zum Himmel faltet) O Domine miserere me!

MAXL. Jahu, gelt das kann dein Hochgelehrter Magen nicht vertragen? Drum will lieber gutwillig aufsizzen –

KORPORAL. Ha, wollt ihr euch nun gutwillig anziehen?

SCHULM[EISTER]. Ergo weil es seyn muß, von Herzen gern! Der Herr Korporal versteht die Kunst, mit Nachdruck die menschlichen Herzen zu besiegen.

KORPORAL. Bei Gott, das hat euch ein guter Geist gerathen! (da sie beyde angezogen sind) Allons; Ober- und Untergewehr genohmen und dann auf die Wache. –

SCHULM[EISTER]. O Fratres dürft’ ich lieber mit meiner Frakturfeder Exercitio halten; denn, ach die Muskett ist so verdammt schwer.

MAXL. Ja, mein lieber Schulfux! der Knieriemen wär mir auch lieber, als das Brodmeßer da an der Seite. (alle ab)

[79]

Drey und zwanzigster Auftritt.

Zimmer im Hause des Schusters.

BLUMHEIM. SOPHIE.

SOPHIE. Ich möchte doch wißen, wie sich Knieriem als Soldat geberdet? Ob er dadurch gar zum Narren, oder bescheidener geworden ist?

BLUM[HAIM]. Ich wünschte das letztere; und wäre mir in der Seele leid, wenn das erstere erfolgen sollte. – Hoffen wir indessen das Beste. Nur meine arme Schwester dauert mich: das gute Weibchen, welche seit der Stunde ihrer Verheurathung noch keinen ruhigen Augenblick hatte, wird von dem eifersüchtigen Bock strenger bewacht, als die feilen Nymphen des türkischen Serails.

SOPHIE. O mein Karl, giebt es wohl eine aufrichtige Liebe, die keine Eifersucht zum Grunde hat? kann man denjenigen Gegenstand lieben, den man mit gleichgültigen Augen in den Armen eines andern sehen kann?

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BLUM[HAIM]. Unglücklich derjenige, welcher gegründete Ursache zur Eifersucht seines geliebten Gegenstandes hat; die roßigen Tage seiner Ruhe sind dahin: glücklich derjenige, welcher ohne Furcht dieser bittern Ahndung sich ruhig in den Armen der reineren Liebe wiegen kann. –

[80]

Vier und zwanzigster Auftritt.

LIEBENTHAL. RÖSCHEN. MARTHA. JOHANN. SOPHIE, Vorigen.

MARTHE. (zu Blumhaim) Bruder, Bruder, ich bin um meinen Mann so sehr besorgt. Kommt er zurücke, so ist das Uebel noch viel größer.

BLUM[HAIM]. Kümmere dich nicht, liebste Schwester. Der Spaß ist gut angefangen, und wird sich auch gut enden.

LIEBENT[HAL]. Ha, sie sollten ihn nur sehen, oder hören: er ist so sanft wie eine Taube, und so zahm wie ein Lamm. Auf dem Exerzierplatz fiel er mir zu Füßen, weinte, jammerte, winselte und bath, wie der Verlassenste dieser Erde. – Er versprach mir auch Röschen zu geben, wenn ich seine Looslassung bewirken würde. Herr sprach er, machen Sie mich von dieser Bürde los, und ich gelobe Ihnen, daß ich auch mein Weib so gut behandeln werde, als es keinen Ehemann mehr in der Welt geben kann.

JOHANN. Und der Schulmeister verlangt sich Röschen zur Braut nimmermehr, er will blos nur seine Freiheit.

BLUMH[HAIM]. Das ist herrlich. Man konnte sich keinen bessern Erfolg denken noch wünschen.

JOHANN. Und Maxl ist noch der lustigste Vogel unter ihnen: er singt und springt, und tanzt und lacht, als wär’ er von seinem ersten Knabenalter an Soldat gewesen.

LIEBENT[HAL]. Er wird die Flügel schon noch hengen lassen.

SOPHIE. Und wo sind sie denn die drey neugebackenen Soldaten? kann man die rüstigen Krieger nicht zu sehen bekommen?

[81]

JOHANN. Das kann an der Stelle geschehen. Herr Knieriem steht so eben Schildwache.

SOPHIE. Das muß ja eine allerliebste Karikatur seyn.

RÖSCH[EN]. Was haben wir dann weiter zu thun?

JOHANN. Gut, daß Sie mich daran erinnern. Ich werde Ihnen, mit Ihrer gütigen Erlaubniß, Ihre Rollen alsogleich austheilen – verstehn Sie mich? – Sie (zu Sophien und Blumhaim) führen Frau Marthen unter dem Arm die Schildwache vorbey. Kommt Knieriem auf Sie zu, so stellen Sie sich, als ob sie ihn nicht kennten. Falls er auf Sie etwas reden sollte, sagen sie ihm, daß Knieriem bei der Arbeit zu Haus sitze. Sollte er etwa gar ungestüm werden, oder entlaufen wollen, so schreien sie um Hilfe. Das weitere werd’ ich schon besorgen; Röschen geht izt mit mir.

LIEBENT[HAL]. Mach er seine Sache nur kurz und gut.

JOHANN. Es wird alles, so wie bisher gut gehn.

BLUMH[AIM]. Wir gehn also. Nur noch diesen Versuch, dann lacht uns das Vergnügen auf allen Seiten entgegen. (alle ab)

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Fünf und zwanzigster Auftritt.

Ein öffentlicher ovaler Platz, worum einige Bauernhäuser stehen, rückwärts ein Geländer, wo die Gewehre angelehnt stehen. KASPER steht Schildwache, gleich darauf:)

BLUMH. SOPHIE. MARTHE.

KASPER. (mißmuthig und weinerlich) O du allmächtiger Lothringerwirth. Was soll mein armer

[82]

Türkenkopf von dieser mühseligen Lage denken? Lebendige G’spenster müssen sich ins Spiel meines Schicksals gemischt haben. Da, – da soll ich verlassener Kienstock Schildwacht stehen. – Aber – Himmel, was seh ich mit meinen hundert Augen? Meine theureste Ehehälfte mit dem verfluchten Schuhknecht, und meinem Schwager am Arm. Wie heimlich und süß und traulich sie mitsammen parliren. Auweh, das ist wahrlich zum davon laufen. (er schreit in die Wachstube hinein) Heida, Holla, He. Abg’lößt, abg’lößt, abg’lößt.

SOPHIE. (beim Eintritt) Aber nicht wahr, mein süßes Rosenweibchen, wir werden heute einen herrlichen Abend bekommen?

MARTHE. Der Abend wird prächtig werden.

KASPER. (welcher das Gewehr wegstellt) Da steh, Zentnerschweres Schreckscheit. Kannst den Posten allein versehn. – (lauft auf Marthen zu) Liebs Weibl, best’s Plünzerl1, komm mir in meinen Nöthen zu Hilf. – (weinend) da bitt ich dich auf den Knien – kann’s nimmer länger aushalten.

MARTHE. Guter Freund – was will er?

BLUM[HAIM]. He, was untersteht ihr euch, euren Posten zu verlassen?

KASPER. Liebs Weibl, kennst mich nicht mehr? Bin ja dein Manderl, dein Spitzerl, Ei, ei. Und Sie Herr Schwager, helfen Sie mir doch, auweh. Das Lumpenvolk hat mich zum Soldaten weggenohmen, ohne daß Unsereiner weiß warum.

BLUMH[HAIM]. (Kaspern auf die Stirne deutend) Hier ist’s nicht richtig, guter Mann. Mein Schwager sitzt zu Hause bei der Arbeit. Ihr seyd ein Narr, daß ihr euch zum Soldaten habt anwerben lassen.

MARTHE. Nu ja; mein Mann sollte Soldat seyn, das wär schön.

[83]

KASPER. (welcher sich mit der Faust zum Kopfe stößt) Bin ich? oder bin ich nicht? Möchte den Kopf verliehren und rasend werden. Mein eignes Weib will mich – ihren alten Brustfleck nicht mehr kennen. – Wer mag wohl der verdammte Höllengast seyn, der mein ganzes Haus behext? – Bitte dich gar schön liebs Weibel mein, erkenne deinen alten Kreister2. Bin ja dein liebs Kasperle. Laß mich nicht so lange leiden; ich krepire sonst vor Schmerz. Ich will in meinem Leben nimmer eifersüchtig seyn. – –

MARTHE. Geh er lieber, und schlaf er sich seinen Rausch aus.

KASPER. Eija, mein Seel, das ist zu stark. Und wenn gleich mein Leben bis auf das letzte Tröpfl zu Grund gehn soll, so muß ich doch sehen, was das für ein ausgepeitschter Spitzbub ist, der sich in meinem Hause für mich – für meine Hocheigne Person ausgiebt? (läuft eilig ab)

1 P lünzer l| ‹Diminutiv zu› Blunze – dicke, plumpe Frau (SWb 55) 2 Kre i s ter| Stöhnender, Ächzender (DWB)

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Sechs und zwanzigster Auftritt.

KORPORAL. Vorigen, ohne Kasper.

MARTHE. BLUM[HAIM]. SOPHIE. Hilfe! Hilfe! Hilfe!

KORPORAL. Himmel, Mord, Kreuztausend, Schwerenoths-Battaillon! welch ein Lärm, wo – wo haben Sie um Hilfe gerufen?

BLUMH[AIM]. Die Schildwache ist hier davon geloffen.

KORPORAL. Wo? – wo ist sie hin?

BLUMH[AIM]. Dort gerade hinüber.

KORPORAL. (welcher nach eilt.)

[84]

BLUM[HAIM]. Nun haben wir genug gesehen, und können gehn. Unsere Rolle ist nun ausgespielt. Der Deserteur kann nun nicht mehr entlaufen, und der Korporal wird auch dafür sorgen, daß er gut Quartier bekommt. (alle ab.)

KORPORAL. (welcher Kaspern beim Arm herein führt) Daß dich das pohlische Donnerwetter, verfluchter Kerl, kannst du sonst nichts als tolle Streiche spielen? – Wer hat euch hier abgelößt?

KASPER. Mein Gewehr.

KORPORAL. Ihr schwerenoths Kalbskopf, wollt ihr noch narriren? – Wißt ihr, daß kein Mann ohne Verlust seines Kopfs seinen Posten verlaßen darf? – (laut rufend) Wache! (nach einer Pause) He, führt ihn hin, wo die Deserteure aufbewahrt werden. (er wird abgeführt. Der Schulmeister tritt mit einigen Soldaten aus der Wachstube heraus und wird auf dem verlaßenen Posto gestellt.)

Sieben und zwanzigster Auftritt.

SCHULMEISTER, JOHANN, RÖSCHEN.

(Es wird finster auf der Bühne.)

SCHULM[EISTER]. (noch alleine) Beim Bart des Jupiter, daß ich mich wegen einer muthwilligen Nixe in einen solchen Fallstrick verwickelt habe! – Ergo was ist zu thun? – Soll ich bleiben, oder soll ich mich auf französisch empfehlen1? – Bleib’ ich so bin ich ein ewiger Sklave; entlauf’ ich, und man ertappt mich, so bin ich ein elender Gefangener: man henkt mich, oder läßt mich Gassen laufen2. – Stille ich höre Jemanden gehen. –

[85]

JOHANN. (welcher mit Röschen am Arm kommt) Herzliches Röschen! ich liebe sie so glühend und innig, und sie haßet und verachtet mich. –

RÖSCH[EN]. Laß er mich gehn, er fataler Bißen, sonst ruf’ ich um Hilfe. Ich kann ihn nicht lieben; ich will keinen andern, als meinen zärtlichen Schulmeister.

SCHULM[EISTER]. (für sich) O ihr Gracien und Amoretten! mein Röschen liebt mich noch. – Wer doch dieser Rivalus seyn mag, der mit ihr so säuberlich liebelt?

JOHANN. Ha, der Schulmeister ist Soldat geworden, und ist auch schon mit dem Transport auf das nächste Dorf geschickt worden; wenn sie zu ihm dahin will, so bin ich ihr Begleiter.

1 auf f ranzösi sch empfehlen| sich heimlich davon machen, ohne sich zu verabschieden (LSR 2, 470). 2 Gassen laufen| vgl. gassatim gehen – herumschwärmen, durch die Gassen ziehn (LSR 2, 509).

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SCHULM[EISTER]. (für sich) Aspici1, du verwixter Spißgeselle! ich will dich auf den Gänsedrek führen; ich will mir die Dunkelheit zu Nutze machen, und Röschen statt seiner begleiten.

RÖSCH[EN]. Meinetwegen, wenn er mich dahin führen will, so wird es mir sehr lieb seyn, aber wir müßen geschwind gehen, sonst bricht die stokfinstere Nacht ein. (Johann stolpert auf die Seite, der Schulmeister erhascht Röschen beim Arm, und eilt mit ihr ab.)

Acht und zwanzigster Auftritt.

JOHANN. MAXL.

JOHANN. (ruft in die Wachstube hinein) Bst, bst, bst, Max Rax Tax.

MAXL. (welcher heraus kommt) Hm, was gibt’s?

[86]

JOHANN. He, wollt ihr denn immer Soldat bleiben?

MAXL. Mordfezen, ich wollt’, ich wär in meinem Leben keiner gewesen.

JOHANN. So komm, wir wollen deserteren; der Schulmeister ist auch schon pritsch2.

MAXL. Wann’s uns aber mit’ n’ Strick begegnen, und henken uns auf?

JOHANN. Närrischer Narr, darauf haben wir jetzt nicht Zeit zu denken: komm und fuße dich nur geschwind.

MAXL. Ins Himmels Namen! –

(beide ab; man hört in der Entfernung Geräusch; es wird die Trommel gerührt.)

Neun und zwanzigster Auftritt.

(KORPORAL und mehrere Soldaten führen den SCHULMEISTER und MAXELN daher; dann ein Tambour und Bauersleute mit Fakeln.)

KORPORAL. So hat man mit dem verdammten Geschmeiß von Rekruten Tag und Nacht weder Rast noch Ruh! – Aber es soll euch übel bekommen, ihr verfluchte Kerls! – Der Lohn, den ihr bekommen werdet, soll euch die Desertion bitter machen! – Marsch! fort mit ihnen.

SCHULM[EISTER]. MAXL. Gnade, Gnade, Herr Korporal!

(Die Wache ergreifft sie, und führt sie ab.)

Ende des zweyten Aufzugs.

[87]

DRITTER AUFZUG.

Erster Auftritt.

(Zimmer.)

JOHANN allein. (welcher in eigner Kleidung, zur Thüre herein tritt.)

1 Asp ic i| ‹lat.› Beachte! Sieh hin! 2 pr i t sch|‹phon. britsch› fort, weg (WMa 185)

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JOHANN. Hahaha, ’s ist doch zum todtlachen! Die kurrigen1 Vögelein sind von selbst auf dem Leim gegangen. – Herrlicher Spaß, noch ein kleines Stündchen, und der Feldwebel hat ein Weibchen, daß heißt, einen reizenden Mühlstein an dem Hals. Wie doch alles so närrisch, bunt und wunderlich in der Welt zugeht. – Das menschliche Leben gleicht wahrhaft einem geschloßenen Kettentanz: ein Mensch unterstüzt den andern, einer dient dem andern zum Behuf seiner Unternehmungen: wir geben uns zu wechselseitigen Handlungen die Hände, reihen uns in wirksame Glieder, und so hat die menschliche Gesellschaft ihre Gestalt. – Welch ein Leben, wenn diese Harmonie aufhörte zu seyn.

[88]

Zweyter Auftritt.

LIEBENTHAL. JOHANN.

LIEBENT[HAL]. Nu was hat er für eine Nachricht?

JOHANN. Die allerbeste von der Welt. Sie werden gleich hier seyn!

LIEBENT[HAL]. War Röschen schon auf?

JOHANN. Ei freilich. Ich glaube Sie hat, um die Morgenstunde nicht zur versäumen, gar nichts geschlaffen. Aber Herr Feldwebel. –

LIEBENT[HAL]. Nu? was gibt’s?

JOHANN. Daß ist ein Mädchen! Zwischen den weiten Raum des Himmels und der Erde kann es kein so ein minnigliches Gesichtchen, keine solche schöne Seele als Röschens mehr geben – Herr, das muß Ihnen ein Weibchen werden.

LIEBENT[HAL]. Mich freut’ es, wenn ihm das Mädchen gefällt.

Dritter Auftritt.

Vorigen. LORENZ. KORPORAL. (welcher Lorenzen zur Thüre herein bringt.)

KORPORAL. Herr Feldwebel, dieser Pursche da, macht mir Umstände und will nicht Soldat bleiben.

LIEBENT[HAL]. Warum nicht?

LORENZ. Hab keine Lust zum Militair.

LIEBENT[HAL]. (für sich) Ich weiß nicht, trügt mich mein Auge, oder ist’s Wirklichkeit? – Wahrlich,

[89]

das ist ja der Hartmann! (laut) Wie nennt er sich?

LORENZ. Lorenz Hartmann.

LIEBENT[HAL]. Hartmann, der zu Göttingen studirte? –

LORENZ. Der bin ich.

LIEBENT[HAL]. Wißen Sie sich auf keinen Liebenthal zu erinnern, der das Jus hörte?

LORENZ. Der Name ist mir bekannt.

LIEBENT[HAL]. Der bin ich. Kommen Sie Freund! daß ich Sie in meine Arme schließe. (zum Korporal) Kann schon wieder gehn; diesen Rekruten werd’ ich selber bewachen. (Korporal ab.) Aber sage mir Herzensfreund, wie du hieher gekommen, und zum Rekruten geworden bist?

1 kurr igen| kurrig – lebendig, munter, lebhaft, albern (DWB)

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LORENZ. Ich wollte in dem Gasthause hier neben einkehren. Der Korporal kam, ließ sich mit mir in ein Gespräch ein, trug mir Essen und Trinken an. Ich aß und trank; der Wein stieg mir zu Kopfe, und so erzwang er von mir im Taummel des Weingeistes das Jawort. –

LIEBENT[HAL]. Sey ruhig, Bruder! – du bist nicht Soldat. Erzähle mir nur in Kürze, welcher günstige Wind dich hieher getrieben hat?

LORENZ. Die Münze, welche ich habe.

LIEBENT[HAL]. Münze? Geld? – ich verstehe dich nicht.

LORENZ. Sollte meine Schwester aufsuchen, die ich nie gesehen habe.

LIEBENT[HAL]. Und wo ist denn diese deine Schwester?

LORENZ. Das weiß ich nicht.

LIEBENT[HAL]. Das alles ist mir ein Räthsel, Bruder!

LORENZ. Beinahe mir auch.

[90]

LIEBENT[HAL]. Aber sage mir, trauter Freund! warum du izt so wenig Worte machst, und so kurz angebunden bist? Ich kannte dich doch in Göttingen als einen lustigen Schwärmer, dein Mund ergoß einen feurigen Strom von Beredsamkeit?

LORENZ. Weil ich der Welt und ihren Schnattereien schon ziemlich satt zu seyn alle Ursachen habe. – Ich finde immer mehr, daß Welt und Menschen das nicht sind, was sie seyn könnten. Ein Unglück nach dem andern macht mich gegen alles gehäßig. Der lezte unglückliche Auftritt, welche sich in meinem vorgestrigen Nachtlager, in einem nicht weit von hier entlegenem Walde, worinn sich das unglückliche Wirthshaus befindet, mit mir ereignete, bestärkt mich ziemlich in meinem Saz, daß es gar keine wahre Freundschaft gibt! Ich reisete mit einem Manne, den ich wegen seines freundschaftlichen Betragens gegen mich wie meinen Bruder liebte. Ich kam mit eben dem Freund bis in das in dem Walde befindliche Wirthshaus, aßen und tranken traulich zusammen, legten uns zu Bette, schliefen – und als ich erwachte – vermißte ich meinen Reisegefährten. Ich entdeckte zugleich, daß mir meine ganze Baarschaft von 4000 Thalern, die ich in Papiern bei mir hatte, gestohlen war. – Hätte ich das kleine Erbgut, welches ich in baarem Gelde an meine Schwester zu bringen habe, nicht unter meinem Kopfkißen beßer verwahrt, – der Niederträchtige würde mir auch dieses entwendet haben. Sollt’ ich also noch ferner den eitlen Traum wahrer Freundschaft träumen?

LIEBENT[HAL]. Aber wie konntest du so viel Geld zu dir nehmen?

LORENZ. Ich wollte es in der nähsten Hauptstadt auf Zinsen anlegen, dazu hatte ich den Auftrag von meinem Bruder auch an meine Schwester. –

[91]

LIEBENT[HAL]. Aber wie wirst du sie erfragen, deine Schwester?

LORENZ. Das weiß Gott!

LIEBENT[HAL]. Hast du denn keine Kennzeichen von ihr anzugeben?

LORENZ. Keine sonst, als einen halben Ring und einen halben Brief.

JOHANN. (welcher sich den Fremden naht) Wie? Sie sagen: einen halben Brief? – Herr Feldwebel, bald komm’ ich auf den Wahn, daß es vielleicht etwa gar – Röschen ist? – – –

LIEBENT[HAL]. Still! – Und wie hat sich denn deine Schwester so von euch verlohren?

LORENZ. Mein Vater – Gott segne seine heilige Asche! – verheirathete sich heimlich mit einem Mädchen, daß er inniglich liebte. Sie erzeugten in dieser verschwiegenen Ehe eine Tochter, welche sie einer rechtschaffenen Wittwe in die Kost gaben, und zur Erziehung anvertrauten. Die gute Frau starb, und niemand wußte, wo das Mädchen hingekommen war. Nach dem Tode meines

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Großvaters, welcher nach etlichen Jahren gestorben, machte mein Vater seine Verehligung öffentlich bekannt, und erzeugte zwei Söhne, von denen einer ich bin, und der andre, welcher noch zu Hause ist. Auch gaben wir uns zeither alle erdenkliche Mühe den Aufenthaltsort des verlohrnen Mädchens ausfindig zu machen, aber umsonst! – Da nun unsre Eltern im Herrn selig entschlafen sind, so hab’ ich den Vorsaz gefaßt, so lange herum zu reisen, und sollte ich auch die ganze Welt umstreifen, bis ich meine verlaßene Schwester einmal fände –

JOHANN. Heilig, heilig das ist Röschen! – Denn sie hat mir jüngst erzählt, daß ihr der Schuster oft sagte, er habe sie durch einen Geistlichen von einer sterbenden Wittwe bekommen.

[92]

LIEBENT[HAL]. O Bruder! wäre dieses Mädchen deine Schwester; wie glücklich wären wir beyde in dem seligen Drange unsrer Umarmung! –

Vierter Auftritt.

Vorigen. RÖSCHEN.

LIEBENT[HAL]. O mein Röschen! (er umarmt sie)

RÖSCHEN. Liebenthal! wie schlägt mir das Herz; Die Stunde, von welcher mein Wohl und Weh abhängt, rückt immer näher heran.

LIEBENT[HAL]. Ohne Kummer, meine Liebe! Bald – bald sind Sie mein – auf ewig mein!

RÖSCHEN. Ach, wie angenehm sind jene Vorbildungen der Liebe, und wie süß ist der Gedanke – die Ihrige zu werden, in Ihren Armen der ehlichen Seligkeit zu genießen.

LIEBENT[HAL]. Nun sagen Sie mir aber, mein Röschen! haben Sie das Andenken Ihrer Eltern bei sich?

RÖSCHEN. Ja, Trauter! ich hab es; und bin eben im Begrif, Ihnen dieses theure Pfand in Ihre Hände zu legen! – (sie gibt ihm den halben Ring und das halbe Briefblatt) Hier!

LIEBENT[HAL]. (zu Lorenz) Nun, Freund! laß auch das Deinige sehen!

LORENZ. (voller Wonne; nimmt seinen Ring und Brief aus der Tasche) Sie ist’s! – sie ist’s! (er umarmt sie) O meine Schwester! Dich hab ich gefunden, meine theuerste Schwester!

RÖSCHEN. Was ist das? – Ich verstehe Sie nicht.

LIEBENT[HAL]. Röschen – das ist Ihr Bruder! – Sehen Sie jene gleichlautenden Zeichen –

[93]

RÖSCHEN. Mein Bruder! – Mein Bruder! (sie umarmen sich) Aber – o mein Bruder! – könnt’ ich meine lieben Eltern nicht auch zu sehen bekommen?

LORENZ. Auf dieser Welt nicht. Sie wandeln dort oben – Dort!

Fünfter Auftritt.

Vorigen, MARTHE, BLUMMHEIM, SOPHIE. (in eigener Kleidung)

MARTHE. (zu Röschen) Wo bist denn du so geschwind hingeloffen?

RÖSCHEN. Bin ja nicht geloffen, liebste Mutter! auf den Flügeln der Liebe bin ich geflogen –

JOHANN. Es ist ihr auch schon die Zeit lange geworden.

MARTHE. (heimlich zu Röschen) Man muß es ja den Männern nicht merken laßen, daß man sie so lieb hat, sonst hören sie auf uns zu lieben, brauchen besondere Vorrechte gegen uns, und werden immer gleichgültiger. Immer etwas fremd thun, so erhält man sie in der besten Laune –

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RÖSCHEN. O Mutter! Mutter! seht hier meinen Bruder!

MARTHE. Dein – Bruder?

LORENZ. Der bin ich, bestes Weib! – Hie dieser Brief, dieser Ring sind die Kennzeichen, welche unsre Verschwisterung wahr machen!

MARTHE. Gott in Himmel! das freuet mich unendlich. – Nun ist auch einer meiner größten Wünsche erfüllt.

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BLUMH[AIM]. Sehen Sie, Sophie! wie unerklärbar die Verfügungen des Schöpfers aneinander gekettet sind.

SOPHIE. Ja, mein Theurer! Auch uns hat seine göttliche Hand an das Ziel der Glückseligkeit geleitet.

LIEBENT[HAL]. Nun also, Freund! wirst du mir auch wohl die Hand deiner Schwester versagen können?

LORENZ. Versagen? – Dir? – Dieser Kuß soll dir deine Frage beantworten! – (sie küssen sich beide.)

LIEBENT[HAL]. Bruder! meinen innigsten Dank!

BLUMH[AIM]. Allons, müßen doch izt sehen, der Komödie ein Ende zu machen – Sag er Johann, was ist nun noch zu thun?

JOHANN. Das meiste ist schon geschehen. Die drei Deserteure werden bereits die Vollziehung ihres Urtheils gewärtiget haben. Meister Knieriem und der Schulmeister bekommen Fünf und zwanzig ad posteriora1; der lustige Maxl aber nur zehn.

MARTHE. Es wird doch wohl nicht wirklicher Ernst seyn?

LIEBENT[HAL]. Sind Sie deswegen ganz unbekümmert, Es soll keinen etwas zu Leide geschehen. Wir gehn izt auf dem Plaz, wo die Exekution für sich gehn dürfte. In einer Weile kommen Sie nach, bitten für ihn um Gnade, erhalten sie. Auf diese Art wird er Militair und Straf frey.

BLUMH[AIM]. Und was wird mit die andern Vögeln gemacht?

LIEBENT[HAL]. Was können wir sonst mit ihnen machen, als daß wir sie ebenfalls loslaßen.

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JOHANN. Amen! – Aber ich dächte, der gelehrte Schulmeister könnte doch ein Duzend aushalten, weil er ein Poet ist –

LIEBENT[HAL]. Gott bewahre, das soll er nicht. Bei so einem Spaß soll keinem ein Leid zugefügt werden! –

JOHANN. Schaden würden ihm solche Faschingskrapfen gewiß nicht: wenigstens dürfte er sich’s in die Zukunft vergehen laßen, so heroischkomisch um die Gunst junger Mädchen zu buhlen! –

LIEBENT[HAL]. Allons! allons! Sonst verflattert die Zeit mit lauter Geschwäz. Also Sie liebste Mutter! folgen uns etwas später nach. (alle ab.)

Sechster Auftritt.

(Vorbemeldter öffentlicher Platz)

KASPER und der SCHULMEISTER. (werden geschloßen von Soldaten aus der Wachstube geführt; MAXL, welcher die Bank nachträgt, der KORPORAL hinten drein; Bauern und Bäuerinen.

KORPORAL. Wollt ihr noch immer darauf beharen, daß ihr kein Soldat seyd?

1 ad poster iora| auf den Hintern (HCL)

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KASPER. War kein Soldat, bin kein Soldat, und bleib kein Soldat: Ich bin seine Exzellenz der Hochgebohrne Herr Schuhmachermeister aus dem uralten Reichsdorf Schindershausen!

KORPORAL. Basto, das wollen wir sogleich sehen: – Ich wette, ihr werdet bald aus eurem Traum erwachen, wann ihr eine zehnmalige Ladung von diesem spanischen Holze versucht haben werdet. –

[96]

MAXL. Hollahaho! der Master wird ein G’sichterl machen, als wir die Katz, wann’s balbirt1 wird. O mein liebs Masterl, jetzt wär’s gut, wann’s Brandwein-Weib da wär, wann der Regenschori den Tackt zu schlagen anfangt. –

KASPER. Halt deine Gosche! Wart nur – izt bekommst du’s auf soldatisch, und wanst haim kommst, auf schusterische Manier –

KORPORAL. Lacht nur, ihr schwerenoths Bärnhäuter! die Reue wird auch auf euch kommen.

Siebenter Auftritt.

Vorigen. LIEBENTHAL. RÖSCHEN. BLUMHAIM. SOPHIE. LORENZ. JOHANN. (Welche sich alle unter das Volk vertheilen)

LIEBENT[HAL]. (hervortretend.)

KASPER. (welcher ihm zu Füßen fällt) Genad [!] und Barmherzigkeit! sonst muß ich auf der Bank verreken!

LIEBENT[HAL]. Mein Freund! ich kann nicht helfen, das Urtheil ist gesprochen!

KASPER. Hilfe! Ich geb’ Ihnen gern Röschen zur Frau! Oder soll sich mein liebs Weibel statt meiner auf die Bank legen –

SCHULM[EISTER]. Ergo auch ich trete Ihnen Röschen mit Sak und Pak ab.

LIEBENT[HAL]. Dank’ euch recht sehr, aber helfen kann ich nicht. – Nur auf die Bank im Namen des Herrn.

KASPER. So bin ich ein Kindelein des Todes! – (er erblikt Marthen unterm Volke, welcher er mit gefalteten Händen zu Füßen fällt.)

[97]

Achter Auftritt.

Vorigen, MARTHE.

KASPER. (auf den Knien) Weibl! O du allerdurchlauchtigstes Herzenweibl! Sieh deinen ehlichen allergetreuesten Hörnertrager2 zu deinen Füßen! Ich bitte, ich beschwöre dich bei allen Ehe- Frauen der ganzen Welt, erhöre meine Gurgel3 und laß mein Geschrei zu dir kommen!

LIEBENT[HAL]. Kennen Sie diesen Menschen?

MARTHE. Ich nicht.

KASPER. Was? – Wirst deinen Ehe Krippel nicht kennen? – Schau mir recht in’s G’friß4: bin ja dein schwarzer Kasper-Wakler5!

1 ba lb ier t| balbieren – scheren, auch: belügen, anführen (DWB) 2 Hörnertrager| betrogener Ehemann (LSR 3, 738-743) 3 Gurge l| Kehle, Luftröhre, Speiseröhre (DWB) 4 G’fr iß| Gesicht (WMa 385) 5 Kasper-Wakler| ‹event. phon. Wachchl› Kerl, Bengel, Schlingel (WMa 702)

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LIEBENT[HAL]. Ist das dennoch wahr, was er sagt?

MARTHE. Leider alles wahr! – Aber ungeachtet dessen soll er gestraft werden; denn er hat mich mit seiner tollen Eifersucht genug gemartert.

KASPER. Liebs Mamerl, ich bitte dich um alle fünf Lerchen! Vergiß, daß ich’n Narr gewesen bin; ich bin jetzt so gescheidt, als wie ich auf d’ Welt kommen bin. Ich will dankbar seyn und mich beßern.

MARTHE. Fuchs, ist dir aber zu trauen?

KASPER. So wahr ich zwei Ohren und eine Nasen hab.

MARTHE. Also, Herr Feldwebel, bitt’ ich um Gnade für meinen Mann.

BLUMH[AIM]. SOPHIE. RÖSCHEN. Wir bitten auch um Gnade für ihn.

LIEBENT[HAL]. So sey’s. Sie sollen ungestraft und frey seyn: diese Gnade haben Sie Ihrer braven rechtschaffenen Frau und Ihrem Herrn Schwa-

[98]

ger zu verdanken, – Korporal, man bringe dem Herrn hier seine vorige Kleidung.

KASPER. Gehorsamer Diener, Herr Feldmarschall! – Damit der Herr sieht, daß ich’n Wort von Mann bin, so geb’ ich Ihnen mein größtes Gut, und für Sie das größte Uibel, alles, was ich Ihnen geben kann. – Leben Sie mitsamen so glücklich, ruhig, und zufriden, wie ich mit meiner keuschen Martha – Gott segne Euch zahlreich mit kleiner Waar, und geb’ Euch wenig Brod dazu! – (er reichet Röschen dem Liebenthal)

LIEBENT[HAL]. Sie haben meinen verbindlichsten Dank! Meine Wünsche sind vollkommen erfüllt, Röschen war ohnehin schon mein; – –

RÖSCHEN. Endlich, endlich mein Liebster sind wir glüklich, und am Ziele unsrer Wünsche!

MARTHE. Aber, Herr Schwiegersohn! noch eine Bitte –

LIEBENT[HAL]. Nicht bitten, Sie befehlen!

MARTHE. Ich ersuche Sie, mir diese Soldatenkleider zu überlassen, damit ich, wenn meinen Mann die Krankheit der Eifersucht wieder befallen sollte, ihm dieselben zeigen, und ihn auf den heutigen Tag erinnern könnte.

KASPER. Ja – ja; unser einer bittet halt auch darum.

LIEBENT[HAL]. Also die ganze Montur soll Ihnen gehören, es wird mich freuen, wenn ich sehe, daß ich das Werkzeug Ihrer künftigen Beßerung, und der davon abhängenden Ruhe und Zufriedenheit gewesen bin.

KORPORAL. Der Herr Feldwebel wollen auch zugleich bestimmen, was mit diesen zween Abentheuern geschehen soll, ob ich mit der Exekution anfangen. –

[99]

MAXL. SCHULM[EISTER]. (aus vollem Halse.) Wir bitten – wir bitten um Pardon!

LIEBENT[HAL]. Hilft kein Bitten; bei Gott ist Gnade.

SCHULM[EISTER]. Ergo, liebstes Röschen! ich habe Sie ja accedente Copulatione1 so williglich abgetretten, darum bitt’ ich aller unterthänigst und gehorsamst, mir ein gnädiges Fürwort bei der hohen Generalität einzulegen.

RÖSCH[EN]. Mein Geliebter, darf ich um den lieben Narren bitten.

LIEBENT[HAL]. Was Röschen befiehlt, soll geschehen. – Laßt ihn also los.

1 accedente Copulat ione| ‹lat.› zur kommenden Verbindung

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SCHULM[EISTER]. Laus tibi. – Allerunterthänigsten, gehorsamsten Dank. Der heutige Tag soll mir, so lang’ ich athme, der unvergeßlichste seyn. – Jezt geh’ ich ad Domum; und statt um junge Mädchen zu buhlen, will ich die unglücklichen Englslarven fliehen, und die Schuljugend mit dem Buch in der Hand von der Tugend unterrichten. Die Montour Herr Feldwebel werd’ ich Ihnen alsogleich mit Extrapost unverlezt zurück senden. –

Neunter Auftritt.

Vorigen, ohne Schulmeister.

MAXL. Sollt’ ich denn allein am Strick hängen bleiben, bleib ich allein ohne Vorbitter?

KASPER. Ja Schlüffel1, ich bin dein Vorbitter, damit du um fünf und zwanzig mehr auf deinen ledernen Podex kriegst.

MAXL. Potz Kümmel seynd mir die zehn zum Aufladen schon zu schwer.

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LIEBENT[HAL]. Hm, weil nun für uns alles nach Wunsch und Willen ausgegangen ist, so soll auch Maxl frey – und mit uns lustig seyn. – Und Sie Herr Schwiegervater, werd’ ich bitten, daß sie mir den wackern Jungen auf unsern Hochzeittag freysprechen, wozu ich ihm ein angemessenes Kleid zu dieser Feyerlichkeit machen laßen werde. Er ist also ebenfalls los.

KASPER. Der Schindermatz verdient es zwar nicht; doch weil Sie’s haben wollen – so sey’s.

MAXL. (welcher dreimal um die Gesellschaft herum tanzt) Fallitera, trallitera, hessassa, hopsasasasa. Bedank’ mich, sag’s noch einmal, jezt reut’s mich erst nicht, daß ich Soldat gewesen bin.

KASPER. (zu Sophien) Aber d’Mamsell hat mir so ein bekannt’s G’frißerl, als wann ich’s schon einmal auf der Welt gesehen hätte.

MAXL. Master – daß ist ja der Kneip – der Schuhknecht.

KASPER. Meiner – meiner Treu, ’s ist wahr! – Herr jegerl! das hätt’ ich eh wissen sollen, gewiß hätt’ ich den Kneip nicht abgedankt. – Wollen’s wieder zu sprechen, hm?

SOPHIE. Schönen Dank, lieber Mann, hier steht mein Meister. (auf Blumhaim zeigend)

BLUM[HAIM] Dies ist mein Gesell, Herr Schwager, und wird als meine künftige Frau mit mir leben.

MAXL. Wunder! Wunder! Wunder!

KASPER. Halt ja wunderlich! Wie sich heunt alles so rar paart, wie unsre Schuh von pariser Zeug2; da’ n Paarl, wie die Tauben auf einer Torten. Halt Marthel, geh her da, damit das dritte Paarl dabei ist, so stellen wir uns in Gottes Namen zusammen.

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MARTHE. Siehst Alter, hier ist der Herr Bruder von unserm Röschen.

KASPER. Pum pum, ihr Bruder? – Das ist nicht möglich.

LORENZ. Ja, mein Freund, der bin ich. – Ich bin zu freude trunken, als daß ich Euch in diesem Augenblick für all die Liebe, Mühe und Sorgfalt womit ihr meiner verlaßnen Schwester begegnet seyd, würdig danken könnte. Gott der Belohner alles Guten, segne Euch für diese große Wohlthat.

KASPER. Gehorsamster Diener, das ist mir mein Seel recht lieb, daß ich vor meinen End noch einen Stamm aus der Rößlischen Familie unter d’ Augen bekomm.

1 Schlüffe l| ungeschliffener, grober Kerl (SWb 372) 2 par i ser Zeug| Pariser – eine Art Überschuh (OE)

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Zehnter Auftritt.

Vorigen. Ein LANDBOTHE.

BOTHE. (zu Johann) Guter Freund, kann er lesen?

JOHANN. Ja; was gibt’s zu lesen?

BOTHE. Hätt halt dahier einen Brief zu bestellen.

JOHANN. (welcher ließt) An Karl Blumhaim. (zum Bothen) Da steht er in Person.

BLUMH[AIM]. An mich? Ja richtig. (er ließt.) – Nun thaut sich das Wetter auf einmal auf. – Les’ ihn Bruder.

LIEBENT[HAL]. (welcher laut liest)

Mein Herr! Da ich nun nicht mehr im Stande bin, daß zu thun, was ich gerne wünschte, so kann ich nicht umhin, Ihnen die traurige Nachricht wißen zu lassen, daß sich meine Sophie heimlich von mir ge-

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flüchtet habe. Ihr Aufenthalt wird Gott bekannt seyn. Alle Mühe die ich anwandt, sie aufzusuchen, ist vergebens. Es ließ sich von ihr keine Spur mehr entdecken. Ich ersuche Sie gefälligst, das Mädchen ausfindig zu machen, und sodann mit ihr zu mir zu kommen, wo sie zusammen das kleine Vermögen, so ich übrig habe, in eigenthümlichen Besitz nehmen können. Nur bitt’ ich Sie, keinen Augenblick zu verzögern, damit ich das Vergnügen habe, Sie beide vor meinem herannahenden Ende glücklich zu sehen. –

Ich bin mit der sehnsuchtsvollsten Erwartung, Ihr aufrichtigster Freund – Karl Oront!

Erwünschter konnte kein Brief kommen, als eben dieser.

BLUMH[AIM]. (zu Sophien) Was ist nun zu thun?

SOPHIE. Das lassen Sie sich von ihrem Herzen beantworten.

BLUMH[AIM]. Sollt’ ich denn meine Freunde verlassen?

LIEBENT[HAL]. Doch nur auf kurze Zeit.

JOHANN. Parbleu! weil alles so erwünscht und gut abgelofen ist, so darf der Kuppler Johann doch auch näher treten?

LIEBENT[HAL]. Ja Johann; hier hat er das Versprochene. (wirft ihm einen wichtigen Geldbeutel in die Hand.)

JOHANN. Votre Serviteur! zu viel! zu viel.

RÖSCH[EN]. Das Meinige hat er zuversichtlich zu erwarten.

BLUMH[AIM]. Wann er einmal heurathen wird, so komm’ er zu mir: seine Braut will ich ihm alsdann ganz ausstaffiren, und er bekommt lederne Beinkleider und einen feinen Hut. –

MARTHE. Und von mir soll er saubre Hemden und Schnupftücher bekommen.

JOHANN. Amen!

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MAXEL. Ein jedes gibt dem Lumpen was, und ich soll ihm nichts geben? – Hab zwar selber itzt nichts, als ’n paar lange Ohren. Aber wann ich mal Master bin, so mach’ ich ihm ein paar Stiefeln, die er, wie der ewige Jud, in alle Ewigkeit nicht zerreissen wird.

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Eilfter Auftritt.

Vorigen, MIRL. (in Mannskleidern, welche von einer Rotte Buben verfolgt wird.)

MIRL. Das ist ’n lebendiges Kreutz! Laßt’s mich doch gehn, hab euch ja nichts gethan! (zum Johann) Jezt gib er mir gleich mein Gewand, sonst reiß ich ihm seinen Haar Zopfen aus. Er sieht den Muthwillen der Buben, was sie mir alles anthun das ist mir in meinem Leben nicht geschehen.

JOHANN. Sey sie ruhig, alter Zinß! Hier hat sie ein paar Thaler, die sollen das ihr angethanene Leid wieder gut machen: es war ja alles nur Spaß, Kinderei. (zum Kasper) Nu, Herr Meister, haben Sie auf die alte Brandweinmirl schon vergeßen? – Sehen Sie mich recht an, hab’ ich nicht so etwas in meiner Schweinslarve, das ihr gleicht? Doch izt ist der Spaß aus, izt kann ich’s schon sagen: die Brandweinmirl – war ich.

KASPER. Ei, du tausendfikerment! Hab mir’s gleich denckt, daß da Spitzbüberei darunter steckt, was thuts? der Pfifferling ist doch gut ausgefallen. Es ist seiner Excellenz dem Herrn Fourierschüz verziehen.

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JOHANN. Genug davon. Mich freut es, daß ich Sie alle so glüklich, lustig und zufrieden um mich herum sehe, und daß meine Wenigkeit dazu etwas beigetragen hat. Der hochansehnliche Meister Knieriem mit seinen erhabenen Federschmuck soll sich’s merken: – daß, wenn ein Ehmann einmal dazu bestimmt ist, bethört zu werden, derselbe sich lieber geduldig in das Joch des Schicksals beugen soll! denn vor Weiberlist schüzt weder schlaflose Wachsamkeit noch die heftigste Eifersucht. – Wir sind allzeit die Betrogenen.

Ende des Lustspiels.