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Kasperl’ der Mandolettikrämer von Ferdinand Eberl

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Kasperl’ der Mandolettikrämer von Ferdinand Eberl

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KASPERL’ DER MANDOLETTIKRÄMER, ODER:

JEDES BLEIB BEY SEINER PORTION

Ein Lustspiel in drey Aufzügen

von Ferdinand Eberl

1789

PERSONEN.

Baron WELLBACH, unter dem Namen Lindenthal.

AMALIA seine Frau, unter dem Namen Blande.

Herr von KATZENBALG.

Frau von KATZENBALG.

JAKOB, ihr Sohn.

SCHEVALLIER de grand Fortune.1

KASPAR Ellenbogen.

EVERL, sein Weib.

MOISES.

HENRIETTE, Kammermädchen der Amalie.

PAUL, Bedienter des Barons.

Von KLINGER.

Herr BUCHWALD.

Madame BUCHWALD.

BACHSTELZ, Hofmeister.

LISETTE.

Graf BLAUFINK.

1 Scheva l l ie r de grand For tune | ‹franz. Chevalier de fortune› – Glücksritter; allgemein war Chevalier ein Titel des früheren französischen mittleren Adels; bedeutet auch vornehmer Gauner (HCL, MGKL)

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[3]

ERSTER AUFZUG.

Erster Auftritt.

(Zimmer im Gasthof.)

(PAUL an einem Tisch sitzend und schreibend hält einen Augenblick inne. Der BARON hält eine Hand-Brasslette2, die er aufmerksam betrachtet.)

PAUL. Aber gnädiger Herr!!

BARON. Wirst du schreiben!

PAUL. In des Himmelsnamen! (er schreibt und liest) der Sie anbetet

BARON. (dictirt) [„] ich will nur in ihren Wünschen leben“ hohl mich der Teufel, ja das will ich.

PAUL. Leben.

BARON. „Ewig bleib ich ihrer Neugung getreu und verschwiegen“

PAUL. Getreu und verschwiegen?

BARON. Getreu und verschwiegen! – sperr die Ohren auf!!

PAUL. „Verschwiegen und getreu?[“] – nein gnädiger Herr verzeihens mir’s, das kann

[4]

ich nicht schreiben – der Sünde wegen – getreu – getreu – Sie getreu! –

BARON. Soll ich dich’s lehren?

PAUL. Bemühen sie sich nicht!! – (er schreibt seufzend) „getreu und verschwiegen“

BARON. „Nur der Tod soll ihren himmlischen Umarmungen entreissen“

PAUL. „Entreissen! [“]

BARON. „Ihren ewig zärtlich liebenden Freyherr v. Lindenthal. [“]

PAUL. (Mit einem Seufzer) ewig zärtlich liebenden – Freyherr v. Lindenthal.

BARON. Worüber seufzt du?

PAUL. (Indem er den Brief zusammenlegt) über die Ewigkeit!

BARON. Aber sag mir, wenn wirst du einmal aufhören, deine abgeschmackten Anmerkungen zu ma-chen?

PAUL. Aber lieber gnädiger Herr! – wenn werden Sie einmal aufhören, den irrenden Ritter zu spielen?

BARON. Kerl, du wirst mir so lange deine Moral vorsingen, bis ich dir den Tact dazu gebe! –

PAUL. Schon gut! – ich wills wohl darauf ankommen lassen – aber ich möchte doch gar zu gern mei-nem Herzen Luft machen, Sie sind so ein braver, lieber, guter Herr – werth

2 Brass le t te| von ‹franz. bracelet› Armband (WMa 178)

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ganz glücklich zu seyn – fähig ganz glücklich zu machen – Geburt, Erziehung, Vermögen, und tau-send günstige Umstände – fordern sie recht auf, es zu werden, und eine einzige unglückliche Lei-denschaft – ich will sagen Grille – hindert Sie es zu seyn.

BARON. Hindert mich? – itzt seht doch einmal, den moralischen Schwätzer an – will mir der mein eig-nes inneres Gefühl meines Glückes abdisputiren3 – Dumkopf – gieb mir Unsterblichkeit, und frage mich dann, welcher Wunsch mir noch übrig bleibt.

PAUL. Und haben alle Augenblick einen andern.

BARON. Aber keinen lasse ich unbefriedigt, und das ist gerade das, was mich glücklich macht – Ab-wechslung ist die Würze des Vergnügens – kurz Kerl, wenn du nicht Eis statt Blut in deinen Adern hast, so sage mir, wer kann im Besitz solch eines Meisterstückes der Natur (er zeigt ihm das Portrait) für etwas andres noch Sinne haben?

PAUL. (Das Portrait betrachtend) schön! – wahrlich schön – fast so schön, als ihre Gemahlin!

BARON. Dumkopf mit deiner Vergleichung – fast so schön als ihre Gemahlin – fast! – hab ich’s dir nicht ein für allemal verboten, nicht die geringste Erwähnung von ihr

[6]

zu machen, gar nicht daran zu denken, daß ich verheurathet sey.

PAUL. Wahr – aber was kann ich dafür, daß ich ein besser Gedächtniß habe als Sie!

BARON. Du sollst aber nicht!

PAUL. Und was soll ich dann?

BARON. Was? – an meinem Glücke Theil nehmen – dich mit mir freuen, mit mir diese zauberische Schönheit bewundern – und –

PAUL. Morgen wieder eine andere suchen – versichre Sie – gnädiger Herr, es ist nicht die erste Trun-kenheit der Seele, die ich an Ihnen erlebt habe.

BARON. Und doch geb ich dir mein Wort – daß dies das non plus ultra der Liebe für mich ist – schwör dir’s, daß ich diesen Engel ewig, wohl – wohl gemerkt – ich sage ewig – treu bleiben will –

PAUL. Ewig – also Ewig – nu dazu wünsch ich Glück – aber so Gott will, wird das wohl eine von jenen Ewigkeiten seyn, womit wir immer in Frankreich und Italien, von Morgen bis Mittag handelten – Sie werden sich ja wohl noch all der glücklichen Ewigkeiten erinnern – es waren deren zwar

BARON. Sieh Paul dies Bild ruft alle die glücklichsten Augenblicke, die ich je hatte,

[7]

zurück – aber nur darum, um sie durch das wonnentrunkenste Vorgefühl der bezaubersten Erwar-tung – auf ewig aus meiner Seele zu verwischen, dieses Aug von Feuer der Liebe flammend, wie schön muß es seyn, wenn es die schmachtende Thräne der Wollust umfliert. Erinnerst du dich noch an das schöne blaue Auge der Mirabilia4? –

PAUL. Aber gnädiger Herr, was wollen Sie dann nun machen?

BARON. Was ich machen will – was ich machen will? – lieben will ich sie –

PAUL. Und Ihre Frau?

BARON. Je zum Teufel fängst du schon wieder damit an – Meine Frau! sie mag nach Venedig reisen – und wenn sie da keinen Zeitvertreib findet, so wird es wohl nirgends als im Kloster welche für sie geben! Und nun kein Wort mehr – das rath ich dir! –

3 abdi spu t i ren| disputieren – streitsüchtig sein; hier wohl abstreiten (DWB) 4 Mirab i l i a| von ‹lat mirabilis› bewundernswert, erstaunlich, außerordentlich

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PAUL. Glück zu!

BARON. Geh zu Klinger, bring ihn sogleich zu mir – ohne Verzug – hörst du? –

PAUL. Ich höre – und gehe! – vorgestern hier angelangt, und heute schon zum sterben verliebt – und die Schöne nicht einmal kennen, wahrlich da fehlt nur noch die Windmühle – um des Donquichott leibhaftes Contrefait5 zu seyn!

[8]

Zweyter Auftritt.

BARON. (allein das Portrai [!] betrachtend) Ja dir holde Zauberin – dir will ich ewig dienstbar seyn – jeder deiner Winke soll mir ein süsses Gebot – jeder deiner Blicke tausendfaches Leben – und ein Kuß von dir Wonne des Himmels seyn! – (nach einer etwas längern Pause) es ist mir bey alle dem etwas son-derbahr – da bin ich nun schon so ganz in dies todte Gemählde verliebt, daß ich durch und durch glühe – und weiß noch nicht einmal wer – was – wo sie ist – ob sie denn auch für mich ist – hm! da rechne ich freylich wohl auf den wackern Freund Klinger – und meine liebe Dukaten – die mich noch nie verlassen haben – nu woll’n sehen! – Ich möchte so gerne schwören können, daß dies mein letzter Ritterzug seye – aber hohl’ mich der Teufel, ich trau mir wirklich selbst nicht! –

[9]

Dritter Auftritt.

BARON und EVGEN.

EVGEN. (in einer reitzenden bayrischen Tracht, mit einem Körbgen in der Hand, ruft inwendig) Kaufts bayrische Dampfnudel6! – wer schaft was – wem beliebt? –

BARON. Ha! sieh welch ein artiges Geschöpf, wahrlich zum mahlen schön! (er ruft in die Scene) komm sie näher liebes schönes Kind!

EVGEN. (im hereintretten macht verschiedene artige Knicks) Befehlen Ihro Gnaden - Butterkrapfen – Mand’l Wandl7 – bayrische Dampfnudel – Schiokoladebusserl?

BARON. Je liebes Kind – alles in allem, und dich noch obendrein selbst dazu! –

EVGEN. Ey ey Sie loser Herr – das möchte wohl ihr Ernst nicht so ganz seyn – (bey Seite) Ey was das für ein hübscher Pursch ist!!

BARON. (für sich) Holl’ mich der Teufel, ich bin schon wieder durch und durch warm, (zu Evgen) indem er sie sanft bey der Hand nimmt) wer ist sie denn mein schönes Kind – wo wohnt sie denn? –

[10]

EVGEN. (mit einem Knicks) Ich bin die bayrische Dampfnudel Köchin, und mein Mann ist der Mandolet-tikrämer8! –

5 Contrefa i t| Conterfei – von ‹franz. contrefait› Abbildung, Portrait einer Person (PUL) 6 Dampfnude l| Germmehlspeise ähnlich den Wuchteln (WMa 209) 7 Mand ’ l Wandl| Wandel – in Österreich ein kleines wannenförmiges Blech sowie darin gebackene kleine Kuchen oder Krapfen; es gibt Butter-, Milchrahm- und auch Mandel-Wandeln (DWB) 8 Mandolet t ikrämer| das sind Mandolettimänner, kurz auch Mandoletti genannt. Die Mandoletti, die zumeist aus dem südli-chen Italien stammten und deren Markenzeichen ein Bauchladen, ein breitkrempiger Kalabreserhut und der Ruf Letti-Mandoletti! Bombiletti! Comandi, signore? waren, boten im Wien des 18. Jahunderts Schleckereien aus Mandelteig (die ebenso Mandoletti hießen) feil und versetzten mit ihrem Geschäftserfolg alle Zuckerbäcker der Stadt Wien in Aufruhr, sodass Kai-ser Josef II. die Mandoletti von der Innenstadt in die Vorstadt verbannte. In der Jägerzeile entlang des Praters, also in un-mittelbarer Nähe zum Leopoldstädter Theater, setzten die mobilen Mandoletti-Verkäufer ihre gewinnbringenden Geschäfte fort. Vgl. Prato. Die gute alte Küche. Neu ediert und kommentiert von Christoph Wagner. Wien, Graz und Klagenfurt: Pichler 2006, S.601.

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BARON. Also verheurathet? –

EVGEN. Leider Gott! –

BARON. Und das mit einem Seufzer gesagt? –

EVGEN. Je nun, wer soll wohl nicht über den Ehestand seufzen? –

BARON. (für sich) Eine Wahrheit, die zu meiner Sammlung gehört! (zu Evgen) du liebst also deinem Mann nicht? –

EVGEN. Um Vergebung gnädiger – ich liebe meinen Mann, denn ich muß ihn ja lieben – das hat mir unser geistlicher Herr gar mächtig aufgeboten! –

BARON. So? und dein Mann ist wohl wirklich schon alt – häßlich? –

EVGEN. Das eben nicht! – aber mürrisch – eifersüchtig – geizig! –

BARON. O pfui! – so ein schönes Kind! – und von einem häßlichen Manne geplagt – das sollte nicht – das soll wahrlich nicht – da muss man auf Mittel denken!! –

EVGEN. Wie – was sagen sie? –

BARON. Hör’ Weibgen gefiel ich dir? –

EVGEN. Sie? – jetzt geh’n sie? –

BARON. Nu! – und worüber staunest du? –

[11]

EVGEN. Sie! ein so vornehmer Herr – und ich ein Bürgersweib! was könnte mirs denn nützen – wenn ich mirs gleich erlaubte, daß Sie mir gefallen dürften? –

BARON. (zu Evgen) O! laß diese alberne Besorgniß – Herz ist Herz – und Liebe – Liebe bey groß und klein – und also sollst du glücklich seyn, sobald du nur willst!

EVGEN. (Schlau) Ey! ey! gnädiger Herr – ich verstehe Sie nicht! –

BARON. Kurz also gefall ich dir? –

EVGEN. Je nun aufrichtig zu sagen – Sie gefielen mir freylich besser als mein altes Erbsengesicht – aber was hilft alles das? – (sie schlägt die Augen zur Erde, und sucht ihre Verwirrung zu verbergen.) Schaffen Sie gar nichts von meiner Bäckerey?

BARON. O ja! – du sollst bald nicht mehr Ursache haben deine Waaren zu Markt zu tragen – wenn du mich nur lieben willst – nu? – also willst du, oder – willst du nicht? –

EVGEN. Wie Sie einem nur auch so in die Augen sehen können – daß es einem völlig durch Mark und Bein geht –

BARON. (immer mit zunehmenden Affect) also geschwinde – liebst du mich, oder – liebst du mich nicht? –

[12]

EVGEN. Mein Gott! – Sie machen’s ja so arg – daß ich mir nicht zu helfen weiß – ich muß nur ja sagen! –

BARON. Recht gut – von nun an sollst du von deinem eifersüchtigen Manne nichts zu besorgen haben – itzt nur noch deine Wohnung – und die Stunde, wenn ich dich am gelegensten allein treffen kann?

EVGEN. Meine Wohnung ist auf dem grossen Ring in dem bekannten Mandolettigewölbe – aber mich allein im Hause zu sprechen ist sehr schwer – denn in Gegenwart meines Mannes da ist nichts zu machen – und überdieß ist noch eine Muhme9 von ihm im Hause, die, wenn er nicht zugegen ist – ihre Augen auf alles hat! –

9 Muhme| entfernte Verwandte weiblichen Geschlechts, auch Geschwisterkind oder soviel wie Tante (PUL)

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BARON. He! – ist die Muhme hübsch?

EVGEN. Nicht übel! –

BARON. Ohne Sorge – wir wollen sie schon auf die Seite bringen, und dein Mann – Närrchen – er soll mein bester Freund werden – gib dir mein Wort – aber a pro pos, wie ist den dein Name? –

EVGEN. Eva!! –

BARON. Eva? – recht gut du Schelmin –

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Vierter Auftritt.

KASPAR die Vorigen.

KASPAR. Letti, Mandoletti – Mandoletti!!

EVGEN. Ach daß es Gott erbarm! – das ist mein Mann, o! wenn er mich so hier allein anträfe! –

BARON. Ihr Mann? – ihr Mann?

EVGEN. Ach! um des Himmelswillen verbergen sie mich, gnädiger Herr!! –

KASPAR. (von auswendig) Letti Mandolletti Bonbiletti10!! –

EVGEN. Ach hören Sie nur, hören Sie nur – da kömmt er schon! –

BARON. Je zum Henker! – wohin denn – wohin? – Hier da hinein, in diesen Kasten – anders weiß ich nicht Rath!! –

EVGEN. O! wo es immerhin ist! – nur machen Sie, daß er bald fortkömmt! –

(der Baron öffnet den Kasten, Evgen verbirgt sich, verlirt aber im hineinsteigen einen Pantofel, der Baron macht die Thüre zu – indem sieht Kaspar zur Thüre herein)

KASPAR. (unter der Thüre, aber so, daß er den Baron zuschließen sieht) Letti - Mandolletti – Commandi signo-re11 –

BARON. (für sich) jetzt solls Spas geben (zu Kaspar) herein, nur herein da!

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KASPAR. (mit einem Korb, wo verschiedene Backereyen driner sind) befehlen Ihro Gnaden nichts von meiner Waare? – (er sieht sich immer um und besonders nach dem Kasten) Mandolletti – Bonbiletti – Busserl – But-terkrapfel – (auf einmal erkennt er den Baron, fährt betroffen zurück und betrachtet ihn – ) aber um alles in der Weltwillen – betrügen mich meine Augen – oder sind Sie’s wirklich – Baron von Wellbach? –

BARON. Still, still – alle Teufel still! – ich heiße Lindenthal – aber wie Teufel kennt er mich? –

KASPAR. Nu das ist sauber – kennen Sie mich nimmermehr – warn so oft mitsammen auf der Jagd in Gratz – erinnern Sie sich denn gar nimmer auf den ehrlichen Kerl, der sie so manchmal des Nachts, mit dem werthen Herrn Hofmeister zum Fenster hinaus practiciren half – wofür so mancher ehr-samer Dukaten in meinen Schubsack12 flog – erinnern Sie sich gar nichts mehr?

BARON. (freudig) je zum Henker! – du bist doch wohl nicht der Jäger Franz? –

KASPAR. Bin’s mit Leib und Seel – der Jäger – und noch immer der nämliche Jäger! –

10 Let t i Mandol le t t i Bonbi le t t i !| Letti-Mandoletti! Bombiletti! Comandi, signore? – charakteristischer Ruf der Wiener Mandolettimänner. Vgl. Prato, Die gute alte Küche, S.601. 11 Command i s ignore| ‹ital. comando› Befehl ‹ital. signore› Herr; soviel wie Befehle Herr!? 12 Schubsack| Tasche an der Seite eines Kleidungsstückes (GKWB)

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BARON. Nu! – so was hätte ich mir doch nie träumen lassen – aber wie zum Henker kömmst du denn zu diesem Gewerb? –

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KASPAR. Je nun des Menschen Glück ist kugelrund – und wer auf der langen Kegelstadt des Lebens einmal neune scheibt – der soll zu spielen aufhören, denn zweymal geräths selten.

BARON. Hu! keine dumme Vergleichung – und hättest du wohl schon die 9 geschoben? –

KASPAR. Ey bey Leibe – bey mir gehts immer 5 – 4 steht – und da bin ich noch immer zufrieden – wenn ich kein Loch scheibe – Ja da hats wunderliche Sacheln abgesetzt – seitdem ich Sie nicht ge-sehen habe – ich habe das Glück gehabt bey Ihnen mir ein ganz artiges Kapitälchen zu schneiden – denn Sie war’n ja die Gutheit selbst! –

BARON. Und hast wohl alle deine übrige Spekulationen an Nagel gehangen? –

KASPAR. Ey! behüte! das wäre recht – Sie denken wohl selbst – daß sich von Butterkrapfeln nicht allein leben läßt – kurzum Sie können bei mir all’ Gattung Backereyen und alle Sorten von Pasteten ec. haben – auch hab ich eine ganz besondere Einrichtung in meinem Hause – die für Sie ganz aller-liebst seyn soll – hab im ersten Stock ganz niedlich eingerichtete Zimmer – kurz Herr Baron – es geht – holl mich der Teufel es geht! –

[16]

BARON. Bravo Kerl! – du bist ja ein herrlicher Erfindungsgeist! –

KASPAR. Ja das muß durchhelfen – ober meinem Quartier steht Cassino – können also nicht fehlen – zu ebener Erde ist meine Boutique – und der Schild heißt beym Cupido13 auf dem grossen Ring – itzt zugesprochen – Herr Baron – köstliche Butterkrapfeln –

BARON. Herrlich! trefflich! – nun da komm ich sicher – á pros pos! – hast wohl auch ein hübsches Weibchen? –

KASPAR. Versteht sich! – aber – Herr Baron verzeihens mirs – die gehört nicht zu den Butterkrapfeln – da ists nichts! –

BARON. Natürlich! –aber wenn so viele Gäste zu dir kommen? –

KASPAR. Hm! – da ist schon dafür gesorgt – hinein in ein Kammerl gesperrt – und da darfs nicht muk-sen –

BARON. Aber das arme Geschöpf!! –

KASPAR. Schau! schau! – wie mitleidsvoll – giebt mehr so barmherzige Brüder – aber da ists nichts bey mir – mein Weib gehört zum Kuchelherd – und da solls ihre bayrischen Dampfnudel machen – und damit haben wir ausgeredt – dessentwegen hab ich sie geheurathet – weil sie wegen den bayrischen

[17]

Gebäck so renomirt ist – und also solls wirthschaften helfen!

BARON. Und so eingesperrt?

KASPAR. Was eingesperrt – ich schick sie alle Tage hausiren, da kann sie Comotion genug machen.

BARON. Ha! ha! ha!

KASPAR. Worüber lachen sie denn? –

BARON. Ueber deine Ehestandseinrichtung! – wahrhaftig bey deinem Kopf machen dir diese Sitten wenig Ehre – so eifersüchtig auf dein Weib zu seyn, auf – dein Weib – wenns noch endlich deine Liebste wäre! –

13 Cupido| Gott der Liebe und der Fruchtbarkeit, auch als Eros bekannt (LAG 262)

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KASPAR. Hm! – unter uns gesagt – es ist eigentlich mehr Politik – als Eifersucht – aber –

BARON. A! ha! – ich verstehs schon – diese Strenge soll den Verdacht bergen helfen – mit dem man dich allenfalls aufziehen könnte – daß du etwas anderst auf der Seiten hast – ha! ha!

KASPAR. Was Sie für ein feiner Vogel sind –

BARON. Ja! ja! – allenfalls eine hübsche Muhme? –

KASPAR. Muhme? – wie der Kukuk wissen Sie denn das Ding – von der Muhme? – [18]

BARON. Je nun – ich weiß noch mehr – wenn du mir itzt nicht hübsch gefällig bist – so soll deine Frau alles erfahren! –

KASPAR. Itzt gehens – und seynds gescheid Herr Baron – daß wär ja ein verfluchter Streich! – da wär ja gar der Teufel los – die Weiber dürfen von unser einem nur ein bisgen etwas wissen – so gehts gleich drunter und drüber! –

EVGEN. (aus dem Kasten) Wart du Schlingel!! –

BARON. Aber was ist das für eine Muhme, die bey dir über alles die Aufsicht führt?

KASPAR. Hm! es ist halt eine Muhme – wie jede andere Muhme! – kurz aber damit daß Sie sehen, daß ich vor ihnen kein Geheimnis habe, die ganze Muhme ist keine Muhme, sondern es ist ein gewese-nes Stubenmädchen von einem gewissen Herrn, die sich hernach besonders auf die Kocherey ver-legte – und weil sie darinn eine ganze Professorin ist, und da sie besonders im Butterkrapfelmachen stark ist – und die Butterkrapfeln bey meinem Gewerb einer der stärkesten Artikeln ist – so hab ich sie zu mir ins Hauß genommen – übrigens verstehts auch die Wirthschaft! – und da mein Weib hausiren gehn muß, so sieht sie derselben nach – aber den lieben Ehestandsfrieden nicht zu stöhren – und meinem Weib

[19]

keine Gelegenheit zur Aergerniß zu geben – so heists es ist meine Muhme – und mein Weib das dumme Thier – ist so ehrlich und glaubts –

EVGEN. (Aus dem Kasten leise) Da sehe man den Schurken! –

KASPAR. Itzt wissen’s nun die ganze Geschichte von der Muhme – aber gescheid – nu ich habe Sie ja auch mein Lebtag nicht verrathen!

BARON. Nu! das versteht sich ja – und damit du siehest, daß ich dein Vertrauen erwiedere, so hör ein-mal – Ich hab so eine kleine Liebesavanture vor – und da sollst du mir dabey helfen! –

KASPAR. Herzlich gerne – bin mit Leib und Seele dabey!! –

BARON. Ja aber die Affaire ist ein bisgen –

KASPAR. Kitzlicht – verstehs schon – aber machen wir nichts daraus – ich geb Ihnen mein Wort – Sie sollen mit mir wacker bedient seyn!

BARON. Nu das will ich sehen es ist ein eifersüchtiger, mürrischer Mann im Weg! –

KASPAR. Kinderey – den Narren schaffen wir halt auf die Seite – oder wir betrügen ihn vor der Nase –

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BARON. Und das Weibchen ist ein bisgen schüchtern – weiß sich nicht recht anzuschicken!

KASPAR. Itzt gehens mit solchen Kleinigkeiten – ein Weib – sich nicht recht anzuschicken – nu! nur Geduld – Sie werden doch ihre gelben Sprachmeister14 nicht vergessen? –

BARON. War das schon je bey mir Frage? –

14 ge lben Sprachmeis ter| Umschreibung für Geld

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KASPAR. Nu so sind wir schon zu Hauß! –

BARON. 200 Dukaten sollen heute noch dein seyn – wenn das Weibchen mein wird!

KASPAR. 200 Dukaten – o! Fikrament!15 – nu! ich habs ja erst gesagt – das Ihnen um ein hübsches Ge-sichtl kein Dukatl zu rund ist, 200 Dukaten – mir ist als ob Sie mirs schon aufzählten – sollen sehen – daß das Weiberl eben so reden lernen, als der Esel von einem Mann blind werden muß, kommen Sie nur in einer Stunde in mein Magazin – und da wird mein Plan fertig – und alles zu Ihren Diens-ten bereit seyn! – Fikrament 200 Dukaten sagen Sie? –

BARON. 200 Dukaten! –

KASPAR. Verzeihens mir! – aber könnte ich nicht etwelche sehen – nur sehen – es wird mir völlig kuri-os – wann ich die Dinger nur anschauen kann – die guten

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Gedanken kommen mir völlig als wie ein Platzregen –

BARON. Auch das – wenn es dich zu einer glücklichen Erfindung begeistern kann! – (ins Nebenzimmer ab)

Fünfter Auftritt.

KASPAR allein

[KASPAR.] Begeistern! zum Narrn machen – ha! ha! ha! – 200 Ducaten, Sacerlotte – das ist eine Kund-schaft – nu nu dafür sollen’s aber auch bedient seyn – (er erblickt den Pantofel) ha! – was – was Teufel – richtig – mein Seel – ein Pantoffel – ha! ha! ha! – das Ding ist nicht übel – und Fikrament das muß ein Füßerl seyn, mein Weib hat einen schönen Fuß – aber hol’ mich der Teufel der muß noch drüber seyn – tausend Bataillon! – nun wann das die nehmliche ist, von der wir geredt haben – das Füßerl muß nicht übel aussehen – nur vom Pantoffel aus zu schließen. – (etwas nachdenkend) aber ich Esel! – was geht mir da für ein Licht auf – wie ich kame, so hab’ ich ihn da bey dem Kasten so eil-fertig einsperen gesehen – was gielts – da ist das Vögerl gefangen, der Vorwitz sticht mich – möchts

[22]

wohl sehen – (er will zu dem Kasten, indem aber sieht er den Baron kommen) für dasmal ists zu spät – da kömmt er schon – aber eine Spitzbüberey will ich doch machen – das Pantofferl steck ich ein – und wenn mein Weib nach Hause kommt – so will ichs gleich messen – ob ich mich in meinem Au-genmaß soll betrogen haben. –

BARON. Nu da siehst diese Börse – 200 Ducaten gut gezählt – sind dein! –

KASPAR. Ja richtig! – sind Ducaten – herrlich – schwer – sind gut musikalisch – in einer Stunde Herr Baron bey mir – das weitere woll’n wir hernach sehen – itzt a Dieu – von denen Mandoletti schaf-fen Sie nichts?

BARON. Nichts!! –

KASPAR. Hab mir’s wohl eh gedacht – für Sie muß ich ganz eine andere Pasteten machen – ha! ha! ha! – nu kommen’s nur sicher – à de! – ich hab noch ein paar Visiten zu machen – à de!

BARON. A Dieu!! –

KASPAR. (er geht fort, und da der Baron zum Kasten will, tritt er wieder ein) Sagens mir zu Gefallen –

BARON. (geht schnell vom Kasten) was willst du noch wissen? –

15 F ikrament| Fluchwort; in Anlehnung an Sakrament (WMa 354)

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[23]

KASPAR. Nichts – habs schon wieder vergessen! (geht wieder fort, kömmt aber wie oben) ja hören Sie! –

BARON. Nu was denn? –

KASPAR. Hören Sie – wär der Kasten nicht zu verkaufen? –

BARON. Dieser Kasten? –

KASPAR. Ja dieser Kasten! –

BARON. Was wolltest du denn damit machen? –

KASPAR. Nu das wußt ich schon – ich könnte ihn brauchen meine altgeebackenen Butterkrapfeln auf-zuheben – (für sich) er merkt den Spaaß!! –

BARON. Darüber must du mit dem Wirth reden – er gehört zu den Meubel! –

KASPAR. So? – nu empfehl mich – empfehl mich – á de – á de!!

BARON. Adieu!!

KASPAR. (kömmt wieder) a pros pos! wenn Sie zu mir kommen, ich heiß nicht Franz!! –

BARON. Wie denn?

KASPAR. Kasper Ellenbogen! –

BARON. Ha! ha! ha! Ein närrischer Namen – aber warum denn?

KASPAR. Das wollen wir auseinander setzen, sobald wir mehr Zeit haben – nur

[24]

soviel itzt noch! – Ich bin ein Narr – der mehr Narren im Sack hat! – á de – á de! (ab)

Sechster Auftritt.

BARON und EVGEN.

BARON. (der dem Kaspar bis zur Thüre hinausbegleitet) Endlich ist er fort! – (er geht zum Kasten und hilft Evgen heraus) nun komm liebes Närrchen!! –

EVGEN. Aber wie Sie sich auch nur mit ihm so lange aufhalten konnten! ich habe wie auf Kohlen ge-standen!! –

BARON. (sie streicheld) Glaub dies wohl Schätzchen – aber nicht wahr ich habe deinen Mann schwätzen gemacht! –

EVGEN. O! der Spitzbub! – aber ich wills ihm bezahlen – Ja! ja! meine Mutter hat mir’s immer gepredigt – daß kein Mann etwas nutz sey!!

BARON. Sachte! – mich wirst du doch davon ausnehmen?

EVGEN. (schalkhaft) ja – ja – Sie mögen mir schon auch der rechte Vokativus16 seyn – weil Sie mit mei-nen Mann so gute Allianze haben! –

BARON. Meinst du nun wollen sehen! –

[25]

EVGEN. (die sich immer um ihren Pantoffel umgesehen) Aber wo ist denn mein Pantoffel? – ich hab ihn im hineinsteigen verlohren! –

BARON. Ich hab ihn nicht gesehen!! – 16 Voka t ivus| scherzhaft soviel wie Schalk, loser Vogel (MGKL)

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12

EVGEN. Sie machen Spaß! –

BARON. Auf Ehre nicht! –

EVGEN. Ach, daß es Gott erbarm! wenn ihn mein Mann gefunden!

BARON. Beym Teufel das wirds auch seyn! –

EVGEN. (weinend) O! weh! – was fang ich nun an – wie komm ich nach Hauß – und wenn er’s entdeckt! –

BARON. Ruhig Närrchen! – nur an die Muhme gedacht – und er darf dir nichts übel nehmen – und zu dem sieh, das ist ein Wink des Himmels – daß du bey mir bleiben sollst! –

EVGEN. Ach um alles in der Welt willen – gnädiger Herr, das kann nicht seyn! – er schluge mich todt, wenn ich nach Hause käme!

BARON. Sey nur ruhig – und liebe mich! – will schon Rath schaffen! (er will sie küssen)

[26]

Siebenter Auftritt.

PAUL die Vorigen.

PAUL. (tritt hastig ein, als er aber den Baron mit Evgen erblickt, fährt er erstaunt zurück, für sich) Nu dacht ich’s doch, schon wieder etwas neues – (laut) Euer Gnaden Herr v. Klinger wird sogleich hier seyn! –

BARON. Schon gut! –

EVGEN. Aber um alles in der Welt willen, was fang ich an?

BARON. Nur ruhig – hier im Nebenzimmer kannst du dich indeß von deinen Schreck erholen – Paul wird indessen ein paar andere Pantoffel holen!

PAUL. Ein paar Pantoffel? – nicht übel!

BARON. Damit wir aber nichts an der Aehnlichkeit verfehlen, so gieb du ihm diesen als Muster mit! –

EVGEN. Dasmal wieder mit einem Mannsbild mich verplaudert, und mein Lebtag nicht wieder – (Paul führt sie in’s Nebenzimmer und kömmt gleich darauf mit Pantoffel zurück)

BARON. (allein) Nein – das Weib ist zu ehrlich – und der Urheber ihres Verderbens mag ich nicht wer-den – aber Spaß solls mit den sinnreichen Kaspar Ellenbogen geben – der ihm gewiß die Luft

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nehmen soll – je wieder den Unterhändler zu spielen! –

PAUL. Also Pantoffel?

BARON. Pantoffel – so schön und niedlich sie zu finden – die nehmliche Farbe – den nehmlichen Stoff – hörst du? –

PAUL. Hör’ – versteh’ alles – haben Sie wegen dem Portrait nicht auch etwas zu bestellen? –

BARON. Dumkopf! – itzt handelt sichs um ein lebendes Bild – da haben alle 5 Sinne zu thun – das Port-rait ist eine Speise für die Einbildung – und mag gut seyn, wenn wir an Wirklichkeit – Mangel ha-ben.

PAUL. Daß Sie ein trefflicher Philosoph sind, ist eine ausgemachte Sache! also Pantoffel? –

BARON. Wenn’s beliebt – oder –

PAUL. Ohne Mühe – ich eile – ich fliege – aber gnädiger Herr! – das Portrait? –

BARON. Schurke! –

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PAUL. Ich geh schon – Pantoffel – ha! ha! ha! (ab)

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Achter Auftritt.

(BARON allein, bald darauf KLINGER.)

BARON. Das Portrait? – wer sollte wohl das vergessen können? – Ha! sieh da Freund Klinger! – herz-lich wilkommen! – so herzlich als ein geschickter Arzt einem gefährlichen Kranken! –

KLINGER. Das wäre nun nicht immer der beste Willkomm!

BARON. Lassen Sie mich immer bey diesem Vergleich stehen bleiben – Freund, Sie sollen wahrlich meinem armen kranken Herzen der geschickte Medikus seyn!! –

KLINGER. Ha! Ha! soviel ich merke – so hat Sie heute Nacht auf dem Ball wohl gar ein Liebesfieber überfallen? –

BARON. Hohl’ mich der Teufel! – Ein Liebesfieber, und eines der sonderbarsten! –

KLINGER. Sonderbar? – nun desto besser – lassen Sie uns nun einmal den Puls recht fühlen! –

BARON. Je nun die kleinen Umstände, wie das Ding eigentlich hergienge; zu erzählen, ist wohl meine Sache nicht! – Kurz ich sah ein schönes weibliches Geschöpf, in der Maske einer Nobile di Vene-tia17, tanzte mit ihr – ward warm – und verliebt – ich verfolgte sie

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auf dem Fuß, sie wich mir aber aus – doch nur darum, daß ich eifriger seyn sollte! –

KLINGER. Aber gesprochen haben Sie sie doch?

BARON. Der verdamdeste Streich – der mir je geschehen konnte – der mir noch bey keiner Avanture begegnet ist – war – was denken Sie wohl? –

KLINGER. Sie that spröde – und gab Ihnen eine abschlägige Antwort? –

BARON. Ey bewahre! – mir steckten die Worte auf der Zunge – und meine ganze brühheisse Empfin-dung fror – in ein stotterndes alletags Kompliment, von einer weissen Hand zusammen! –

KLINGER. Hm! etwas gewöhnliches!! –

BARON. Hohl’ mich der Teufel! – bey mir etwas ganz ausserordentliches! die Damen konnten sonst nie genug Fächer haben, die Glut zu kühlen – die mein überströhmendes Gefühl anfachte – und bey der – gerade bey der stockt mein Blut in meinen Adern, wie das Meer am Nordpol! –

KLINGER. Ha! ha! ha! –

BARON. Sie lachen wohl – aber ich ärgere mich über den verfluchten Streich – der mein renomée18 so herabsetzt! –

KLINGER. Kleinigkeit – soll sich bald wieder empor arbeiten! – Also wie weit sind Sie denn mit ihrer Schönen? –

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BARON. Nu das ist eine schöne Frage – nicht bey A, B, C, – Sie hören ja, daß ich kein Wort mit ihr gesprochen habe! – auch ließ ich Sie darum rufen – um mir itzt in der Sache an die Hand zu gehn!

KLINGER. An die Hand zu gehen? das wird wohl ein verzweifelt schweres Ding seyn! wenn Sie nicht mehr von dem Geschöpfe wissen, als Sie mir bisher gesagt haben! –

17 Nobi le d i Venet ia| ‹lat. nobile› adelig; Venetia vgl. Veneter (MGKL) 18 renomée| ‹franz. renommée› guter Ruf

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BARON. Zum Glück hat die liebe Göttinn Fortuna dafür gesorgt – die Dame verlohr eine Hand-Brasselette – und ihr Portrait wird Ihnen vermuthlich mit einem sagen, was Sie zu wissen nöthig haben! Hier – kennen Sie sie? –

KLINGER. (indem er das Portrait betrachtet, erschrickt heftig) Wie? – dies wäre das Bild Ihrer Geliebten? –

BARON. Nicht anders – nicht wahr – es ist ein Ding, das meinem Geschmacke Ehre macht? – Freund! ich habe weibliche Schönheit in der Bildergallerie der Welt studieret – kurz Freund! – ich rechne auf ihr Tallent, um mich durch den Besitz dieses Meisterstückes zum glücklichsten Mann zu machen! – Belohnung – ja die werde ich freylich nicht im ganzen richtigen Verhältniß mit Ihren Dienst finden, aber was ich vermag soll nicht fehlen.

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KLINGER. (der seine Verwirrung zu bergen sucht) Belohnen? – belohnen – o! – sie wollen mich beschämen – Freundschaft, und Lohn – wahrlich zwey Dinge die sich schlecht paaren lassen – aber mein Dienst – kann vielleicht hier nur von sehr kleiner Bedeutung seyn! –

BARON. O! Sie wollen die Zeit mit Komplimenten verderben – klein oder groß – wenn er mir nur von Wichtigkeit ist – Sehn Sie lieber Klinger – hier (ihm den Brief zeigend) ihre Depeche19 – was Sie als be-vollmächtigter Abgesandter der Liebe damit am besten fügen, sey ihrer Klugheit und Freundschaft empfohlen!

KLINGER. (immer mit zunehmender Unruhe) Dieser Brief? –

BARON. Ist so warm geschrieben, als ich immer zu fühlen im Stande bin – und die Dame soll sich über Unverständlichkeit gewiß nicht zu beklagen haben – denn meine Wünsche liegen so platt, daß sie mir bey meinem ersten Besuch, statt aller weitläufigen Erklärungen nur mit einem ja, oder nein ent-gegen kommen darf! –

KLINGER. (forschend) ja aber wenn sie vielleicht wollte, und nur andere Umstände darzwischen lägen – daß sie nicht dürfte –

BARON. (ungeduldig) je zum Teufel mit Ihren Besorgnissen, eilen Sie nur! – lassen Sie nur wissen – ob die Damme geneigt ist – was

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kümmert mich das übrige! – ich habe Brillianten, Dukaten, Banknoten – und wenns darauf an-kömmt auch ein paar Pistolen! – So gehn Sie nur!! –

KLINGER. (für sich) Hilf Klugheit! – sonst geht entweder das schöne Weib, oder deine reiche Erndte zum Teufel! aber so wahr ich Klinger heiße! – er soll mir um das Weib – und seine Dukaten geprellt seyn! –

BARON. Sie stehen und simuliren20?

KLINGER. Ich habe nun alles – diese Ihre Hitze ist der feste Grund, auf den ich baue – Baron! der feu-rige Liebhaber ist immer willkommner, als der schmachtende! – Adieu ! – in einer Stunde seh’ ich Sie wieder! (will fort)

BARON. A pros pos! – in einer Stunde treffen Sie mich in der Boutique des Mandolettikrämers! –

KLINGER. Des Mandolettikrämers? – Hm! hm! auch da schon bekannt? –

BARON. Ja dort erwart ich Sie! –

KLINGER. Ey! ey! – er hat ein schönes, junges, artiges Weibchen – Nur Baron kaufen Sie nicht zu viel!

BARON. Ohne Sorgen! – nur den Brief bitte ich! –

KLINGER. Soll sicher bestellt werden! – also beym Mandolettikrämer? ha! ha! ha! – (ab.) 19 Depeche| Sendschreiben, meist von politischem Charakter (DCL) 20 s imul i ren| simulieren – scharf nachdenken, grübeln, mit offenen Augen träumen (RHWB)

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BARON. (allein) Ich kann diese zögernde Geschöpfe gar nicht vertragen, bey mir muß alles in einem Hui geschehen – sehn und lieben, ist bey mir immer eines – und wenn ich den Abschied bekomme, was liegt mir daran – wenns nur gleich a l’instant21 ist – aber das girren und schmachten, ist hier soviel ich merke Modethon – und aus dem singt sogar Klinger!

Neunter Auftritt.

PAUL und der BARON.

PAUL. Ihro Gnaden hier sind die Pantoffel, es hat grosse Mühe gekostet, gerade ein paar ähnliche Pan-toffel zu finden!

BARON. Nun gut! – so komm und hilf mir ankleiden – ich habe Eyle –

PAUL. Ha! ha! ha, wer soll doch denken, daß es in der ganzen weiten Welt, unter so vielen weiblichen Geschöpfen keine einzige gäbe – die einen Mann feste halten könnte – Guter Baron! – für dich wird wohl eine im Mond aufbehalten seyn! – ha! ha! ha! – (ab.)

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Zehnter Auftritt.

(Ein grosses Paradezimmer mit drey Thüren.)

(Herr v. KATZENBALG, eine Menge Bediente, Jäger und andere Domestiquen.)

V. KATZENB[ALG]. Das sag ich euch, daß die Akademie nur recht brillant und noble wird, daß ihr auf das Ettiquette genau acht habet, und mir keine Sau macht –

Eilfter Auftritt.

(JAKOB mit einer Reitpeitsche, mit der er seinen Hofmeister, namens BACHSTELZ, vor sich her peitscht.)

JAKOB. (herein springend) O! jekes Herr Vater Papa, das Ding ist ein Spaß – da seh’ns nur einmal, was der alte Lümmel für Sprüng macht – ha! ha! ha!

BACHSTELZ. Mais22 Monsieur Jack – so sind Sie nie vernünftig. Sie hauen mir ja die Beine wund! –

JAKOB. Ha! ha! ha! das ist eben meine Freude – wann ich Sie so hüpfen seh – ha! ha! ha! – da schau der Vater nur einmal zu – was er für Bocksprüng macht! –

V. KATZENB[ALG]. Fi donc23 Jack! – was machst du wieder für tolles Zeug, wie wirfst du dich

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weg, vergißt ganz deinen Adel – und treibsts wie ein gemeiner Gassenjunge! –

JAKOB. Was kümmerst mich der Adel – ich thu, was mich gefreut. – Der Vater hat mir gesagt, daß ich Geld hab – und wer Geld hat, der darf sich um die ganze Welt nichts scheren! – Also tanzen’s Herr Hofmeister – tanzen’s gutwillig – oder ich hau zu! –

21 a l ’ ins tant| ‹franz. à l’instant› sofort 22 Mai s| ‹franz.› aber 23 F i donc| ‹franz.› Pfui!

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BACHSTELZ. Mais Monsieur Jack penses donc que votre Honneur!24 –

JAKOB. Ey was Honneur hin, Honneur her, tanzen’s – oder ich hau!! –

BACHSTELZ. Euer Hochgebohrnen Gnaden, belieben nur zu sehen! –

KATZENB[ALG]. (der sich des Lachens nicht erwehren kann) Jack!! –

JAKOB. Ey was Vater, laßt den alten Narren nur Commotion machen – hi! hi! hi! (er schnalzt, und der Hofmeister muss springen, alle Umstehende lachen.)

Zwölfter Auftritt.

Fr. v. KATZENBALG. Die Vorigen.

FR. V. KATZENB[ALG]. Mais mon Dieu25, was für Specktakul lassen Sie da treiben mon cher mari26 – der Knabe echauffirt sich ja, daß er eine hitzige Krankheit bekommen kann –

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Jakerl, liebes Jakerl – denk doch auf deine Gesundheit! –

JAKOB. Ey was Gesundheit – da hab ich meine größte Freud – wenn ich den Kerl so hüpfen sehe – allons marche27 – hi! ha! (er peitscht immer zu, und der Hofmeister muß tanzen)

BACHSTELZ. Madame – das ist ja eine verfluchte Kinderzucht! –

FR. V. KATZENB[ALG]. Aber liebes Jakerl – so gieb doch auf deine Gesundheit acht – du wirst mir si-cher krank! –

JAKOB. Laß mich die Mutter geh’n – oder ich fang an zu weinen!

FR. V. KATZENB[ALG]. Wie? was? du ehrvergessenes Kind – mich nennst du Mutter? – Mutter, wie ein Bauernjunge. Hab ich dir nicht schon hundertmal gesagt, daß Vater und Mutter in der großen Welt Ihro Gnaden heißen? –

JAKOB. Schau, schau! hab ich denn itzt einen andern Vater und Mutter, als vorhero (er schnalzt wieder.)

FR. V. KATZENB[ALG]. Gleich führt ihn auf sein Zimmer! (einige Domestiquen bemächtigen sich seiner.)

JAKOB. Was? – mich auf mein Zimmer – ich hab nichts gethan (er fängt an zu weinen) o jekes, ich mag nicht – ich will nicht – ich möchte spazieren fahren – ausfahren will ich – oder – ich henk mich auf! (sie führen ihn fort).

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FR. V. KATZENB[ALG]. Daß Gott erbarm, was hat er gesagt? – aufhängen will er sich? – gehen Sie Hr. Bachstelz! – lauffen Sie – lassen Sie anspannen – führen Sie ihn spazieren – – bringen Sie ihm Zu-ckerwerk – thun Sie alles was er will, nur damit er sich nicht aufhängt – das wäre ja ein entsetzlicher Streich – der ganze Hochadeliche Stamm würde ja mit ihm aufgehängt – So lauffen Sie doch! –

BACHSTELZ. Ich geh ja schon – O! was ist das für eine Gans! –

HR. V. KATZENB[ALG]. Ihr Domestiquen vor die Thüre – bis zwey Uhr bin ich für niemanden zu spre-chen! – (Alle Bedienten ab).

24 Mai s Mons ieur J ack penses donc que votre Honneur !| ‹franz.› Aber Herr Jack, denken Sie doch an Ihre Ehre! 25 Mai s mon Dieu| ‹franz.› Aber mein Gott 26 mon cher mar i| ‹franz.› mein lieber Mann 27 a l lons marche| ‹franz.› Los geht’s!

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Dreyzehnter Auftritt

Hr. und Fr. v. KATZENBALG.

FR. V. KATZENB[ALG]. O! du Herzensmännchen, du weist dich doch recht in die große Welt zu schi-cken! –

HERR V. KATZENB[ALG]. Weib! – Madame wollt ich sagen – es kostet mich auch Studium, jeden Schritt und Tritt so auszuzirkeln, daß es recht ist! –

FR. V. KATZENB[ALG]. Mein Schatz mir fällts gar nicht schwer – du sollst wahrlich deine Freude

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haben – a pros pos Männchen! ich brauche 200 Dukaten für Ganirungen auf mein neues Kleid! – Die Marchande de Mode28 hat mich versichert, daß sie’s erst gestern aus Paris erhalten.

HR. V. KATZENB[ALG]. Herzlich gerne liebes Närrchen, wenn du mir nur Ehre machst, von einer Milli-on lassen sich viele Ganirungen kaufen! – und wer weiß, ob nicht bald eine reiche Tante stirbt.

FR. V. KATZENB[ALG]. Wollte der Himmel – aber dann Närrchen, lassen wir uns doch baronisiren? –

HR. V. KATZENB[ALG]. Hm! wer weiß, was noch alles geschieht – ein einziges Stück liegt mir am Her-zen, und verbittert mir all meine Freude! –

FR. V. KATZENB[ALG]. O! stille lieber Mann – ich errathe es – unsere unglückliche Tochter die Kauf-mannsfrau! –

HR. V. KATZENB[ALG]. O! was wollte ich geben, wenn ich sie von dem gemeinen Menschen loskaufen könnte – ganz sicher müste sie mir eine Gräfin werden!! –

FR. V. KATZENB[ALG]. O! erinnere mich nicht daran, oder ich krieg dir gleich eine Ohnmacht – das arme Kind – Zum Glück weiß sie sich in ihr Schicksal zu fassen – und ich will ja alles anwenden ihr Schicksal erträglich zu machen! – weist du schon – der Graf Blaufink hat ihr schon eine honorable Proposition gemacht?

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HR. V. KATZENB[ALG]. Ihr Mann das dumme Thier – ist ja eifersüchtig wie ein Bauernlümmel! –

FR. V. KATZENB[ALG]. Du hast doch der Baronin Blande ein Einladungsbillet zugesandt; denn ob sie gleich bey uns wohnt, so fodert es doch die Etiquette.

HR. V. KATZENB[ALG]. Versteht sichs, mein Schatz.

Vierzehnter Auftritt.

KASPAR, die Vorigen.

KASPAR. (noch vor der Thüre). Er muß zu Hause seyn – er hat mich rufen lassen!

HR. V. KATZENB[ALG]. Horch, was giebts da? –

KASPAR. (reißt die Thüre auf). Ihr Tölpel, was soll denn das verfluchte Lügen, da sitzt er ja! – Da sehens nur, was das für ein Gesindl ist – da suchens mich an allen Ecken – und wie ich komm, so lassens mich nicht einmal zur Thür herein! –

HR. V. KATZENB[ALG]. Mein Freund, man läßt sich oft nicht zu Hause melden.

KASPAR. So kann man sich auch bey lebendigen Leib todt sagen lassen. Also, was ist zu Dero Befehl? –

28 Marchande de Mode| ‹franz.› zeitgenössische Bezeichnung für eine Modehändlerin, Kauffrau

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[40]

HR. V. KATZENB[ALG]. Hör er mein Freund – ich will heute bey ihm im Kasino einen Piknik geben! –

KASPAR. Sollen herrlich bedient werden! –

HR. V. KATZENB[ALG]. Ja noble, das sag ich ihm, noble!! –

KASPAR. Nu, das versteht sich, noble –, essen soviele Leute bey mir – und sind noch allemal zufrieden gewesen, werden wohl Sie’s auch seyn! – Für wieviele Personen?

HR. V. KATZENB[ALG]. Für Hundert! –

KASPAR. Und zu welchem Preise befehlen Sie zu speisen? –

HR. V. KATZENB[ALG]. Die Person einen halben Souverän – Die Rechnung schickt er nur zu meinem Haushofmeister! –

KASPAR. Recht wohl! – (für sich) Fikrament, das Ding geht noble zu!

HR. V. KATZENB[ALG]. Madame, wenn Sie noch etwas anzuordnen haben, so sprechen Sie – ich lasse mich unterdessen ankleiden! – (ab).

FR. V. KATZENB[ALG]. Recht gut, mein Freund, daß ich ihn allein sprechen kann. Hör er, man spricht sehr viel Gutes von der Einrichtung seines Kasino! –

KASPAR. Das soll mich freuen!! –

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FR. V. KATZENB[ALG]. Man sagt, es sey für sehr viele Bequemlichkeit eingerichtet! –

KASPAR. Ja, das muß auch bey so einem Werk seyn! –

FR. V. KATZENB[ALG]. Man sagt sogar, daß man Extrazimmer haben könnte, ganz von aller Gesell-schaft gesondert? –

KASPAR. (der sie komisch betrachtet) ja, man kann welche haben, zum Spielen, und zum Soupiren, alles wohl beleuchtet.

FR. V. KATZENB[ALG]. Hör er einmal, mein Freund – hier sind 6 Dukaten, halte er mir heute so ein Zimmer bereit – aber daß ja niemand etwas davon erfährt! –

KASPAR. (bey Seite) Nu lieber Himmel – braucht dies alte Fingerhutgesicht – auch noch so viele Um-stände! (laut) Ohne Sorge – den Schlüssel davon bekommen Euer Gnaden, und da darf kein anderer Mensch hinein – als wenn Euer Gnaden wollen! –

FR. V. KATZENB[ALG]. Das weitere werd ich schon mit ihm verabreden – itzt leb er wohl! – nur den Schlüssel! – (ab).

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Fünfzehnter Auftritt.

KASPAR allein.

[KASPAR.] Ohne Sorg! ha! ha! nun ich sags ja – aber was gehts mich an, wenn’s mir nur einträgt, 100 Personen? – hm! eine hübsche Zech – itzt aber erst mit dem Wein – da sollen ihnen die Augen übergehen! – ha! ha! ha! was das für ein einträgliches Gewerb ist! – (will fort).

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Sechzehnter Auftritt.

(BARONIN BLANDE – BARON, der ihr eiligst auf dem Fuße nachfolgt! – )

BARONIN. (zum Baron) Aber mein Herr, dieses ungestümme Betragen beleidiget den Wohlstand – Sie kennen mich nicht – und verfolgen mich bis in mein Zimmer!

BARON. Bis ins’s Grab will ich Sie verfolgen – und da die Ruhe suchen – die mir ihre Blicke auf immer geraubt haben.

BARONIN. Was verlangen Sie denn aber von mir? –

BARON. Liebe! – Liebe! – oder den Tod! –

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BARONIN. Wahrlich, mein Herr, das nenn ich den Liebhaber auf eine sehr tragische Art spielen – und die Dame zwischen Mord und Selbstaufopferung in eine große Verlegenheit setzen.

KASPAR. (bey Seite) Richtig, das ist das Mauserl – bravo Herr Baron, das ist doch der Mühe werth. (ab).

BARON. Scherzen Sie nur – spotten Sie meiner, nehmen Sie alles was Ihnen beliebt! – nur lassen Sie mich hoffen – nur einen Schatten von Hoffnung – denn ich schwör es Ihnen bey allem was heilig ist – Sie sind das erste Frauenzimmer, das mich so interessirt – daß michs ärgern konnte, von Ihnen nicht geliebt zu werden! –

BARONIN. Sie waren wohl schon sehr oft so glücklich, geliebt zu werden? –

BARON. Noch nie so glücklich, als itzt – wenn Sie das Wort Liebe, mir von Ihren Lippen thönen lassen! –

BARONIN. Auch Poet, soviel ich merke? –

BARON. Auch Narr, wenn Sie wollen! –

BARONIN. (macht ihm eine Verbeugung).

BARON. Sie sollen sich über mich lustig machen – wenn Sie ja dieser grausame Scherz belustigen kann – nur entscheiden Sie mein Schicksal – es ist das erstemal in meinem

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Leben, daß ich mit Unruhe darauf warte – ich will offenherzig seyn, und dieß soll Ihnen mein son-derbares Betragen bald aufklären – Ich bin eines von jenen Geschöpfen, die mit so vieler Empfind-lichkeit gestraft sind, daß Ihnen auch nicht der kleinste Witz entschlüpft – ich suchte die weite Welt durch, um für meine Wünsche Befriedigung zu finden, ward aber überall von einzelnen Schönhei-ten angezogen – aber noch von keiner gefesselt – das konnte nur ein Blick von Ihnen – Doch, ich bin albern, Ihnen das zu wiederholen, was Sie bereits schon wissen.

BARONIN. Was ich bereits schon weiß? – schon von Ihnen weiß? – Es spricht sich noch von der Erklä-rung, mit wem ich die Ehre habe zu sprechen? –

BARON. Daran ist gerade wieder meine Hitze schuld – ich hätte Sie vorläufig an meinen Brief und Freund erinnern sollen!

BARONIN. An Ihren Brief? – an Ihren Freund? –

BARON. An meinen Freund – an Ihren Freund, an unser beyder Freund!

BARONIN. Sie hätten mir also geschrieben? –

BARON. Seit dem ersten Blick, der mir auf dem Ball begegnete, konnte ich’s nicht mehr aushalten – es machte in mir ein Gefühl,

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das ich nicht mehr unterdrücken konnte – das ängstiget und quält mich, daß ich ihm nicht anders Luft zu machen wuste, als an die schöne Urheberin meiner Quaalen zu schreiben – es war vielleicht Unsinn, was ich schrieb – vielleicht Verwegenheit, daß ich’s an Sie zu schreiben wagte – aber ich bin verliebt – und Sie wissen es ja, schöne lose Zauberinn – Liebe sieht nur ihren Gegenstand – die kalte Vernunft mag mit ihren Zweifeln nachhinken! –

BARONIN. Sie sehen mein Herr, daß mein Erstaunen beynahe Ihrer Hitze gleichkömmt – Ich höre so oft von einem Brief von einem Freund, von Ball – und ich weiß von keinem Ball, Freund, und Brief! –

BARON. Und Sie erinnern sich nicht mehr an die Maske, die Sie heute Nachts so sehr verfolgte? –

BARONIN. O! ja, daran erinnere ich mich! –

BARON. Nun wohl – die Maske war ich.

BARONIN. Sie? –

BARON. Erinnern Sie sich wohl auch nicht an eine verlohrne Handbraßlette? –

BARONIN. Sollten Sie diese wohl gefunden haben? –

BARON. Sie ist in meinen Händen, so wie Ihr Bild in meinem Herzen! –

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BARONIN. Aber der Brief, und Ihr Freund! –

BARON. Sollte Ihnen das ganze Geheimniß aufklären! –

BARONIN. Sie kennen mich also schon lange? –

BARON. Von heute Nachts! –

BARONIN. Und wusten alles, was man zu wissen braucht, um jemanden einen Liebesbrief zu schicken? –

BARON. Mit dem Portrait in Händen, und dem Original im Herzen, weis die Liebe mit wenigem sehr viel – und mit dem übrigen rechnete ich auf Klingers Kundschaft! –

BARONIN. (hastig) Auf wessen Kundschaft? –

BARON. Auf meines Freunds Klinger! –

BARONIN. Klinger! Klinger – hört ich recht – auf Ihres Freundes Klingers Kundschaft?

BARON. Ist Ihnen der Name so bedeutend? –

BARONIN. So ziemlich – aber wie ich merke, wird er es Ihnen auch bald seyn – denn, wenn Sie die Be-stellung des Briefs durch ihn erwarteten – so versichre ich Sie – daß ich noch keinen Brief erhalten! –

BARON. (betroffen) Noch nicht erhalten? –

BARONIN. Noch nicht! – nicht einmal Klingern gesehen! –

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BARON. Er hat aber doch Zutritt bey Ihnen, gnädige Frau oder Fräulein?

BARONIN. Er drängt sich zu mir! – wie es derley Geschöpfe nun alle machen! –

BARON. Derley Geschöpfe – er wäre also nicht Ihr vertrauter Freund? –

BARONIN. Vertrauter Freund? – Der Elende! –

BARON. Der Elende? –

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BARONIN. Mein Herr, Sie rechneten auf Kundschaft – und verstünden sich nicht auf den Kuppler! – ha! ha! ha!

BARON. Beym Himmel! hätte ich auf den Zufall rechnen können, Sie anderswo zu finden, ich würde meine Sachen nicht in so schlimme Hände gelegt haben – aber ich liebe – und was thut man da nicht alles. –

BARONIN. Aber sich in ein Geschöpf verlieben, das Sie nicht einmal kennen – das denk ich, ist doch sonderbar genug. –

BARON. Was thut das – Sie sind schön – ein Frauenzimmer – und das ist mir genug! –

BARONIN. O, wenn Ihnen das genug ist, so mögen Sie mein Portrait behalten – und sich so in dem Besitz meiner Schönheit glücklich finden – wenn Sie aber mehr wünschen, so

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bitten Sie Ihren Freund Klinger, Sie künftig besser zu adressiren. – (schnell ab).

Siebenzehnter Auftritt.

BARON allein

(ihr eine zeitlang stumm nachsehend).

BARON. Herrlich! – da steh ich nun! – bey meiner Seele – itzt weiß ich gerade soviel, als zuvor, und nun weiter – Je nun, ich hab einmal meinen Abschied; aber es ist doch sehr gnädig von ihr, daß sie mir ihr Portrait ließ – Hm! am Ende, gutes Weibchen, ist das ganze Ding wohl gar Krimasse – wahrlich es ist’s – denn sonst hätte sie mich wohl kürzer abfertigen können – nein, noch geb ich nicht alles auf – Ja itzt – itzt soll mir Klinger erst die beste Dienste thun. – (Ab. Im Abgehn begegnet ihm ein Be-dienter).

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Achtzehnter Auftritt.

Ein kleines schlecht meublirtes Zimmer.

(CHEVALIER DE GRANDE FORTUNE kömmt in einem kurzen Schlafröckgen in sehr zerrissenen Pantoffeln – frisirt auf eine lächerliche Art herein).

[CHEVALIER.] O Merkur! steh mir nur heute bey, und in meinem Leben nicht wieder – Hab ich nur deine 40000 fl29. – Ja, ja, Marquis – sollt euch wundern über mein Marquisat30 – In der That, wenn ich das Ding recht betrachte, so seh ich, daß das Schicksal nicht so ganz ungerecht ist – als es gegen manchen scheinet – Reichthum – und Dummheit – Armuth und Industrie – das ist immer so das traute Pärchen, wo eines des andern Schwachheit überträgt – wahrlich, ich betrachte den reichen Mann als den Packesel, dem das Schicksal das verächtlichste Ding aufladet – und der es geduldig trägt, weil der Mist glänzet – Ich bedaure das arme Thier – und halte es für Pflicht – auf welche Art ich immer kann – ihm seine Bürde abzunehmen, und seine Last zu erleichtern – und so hoff ich auch, dem Edlen Herrn von Katzenbalg 40000 fl. ringer [!] zu machen. – Ha! ha! ha! –

29 f l .| ‹abg.› Florin – Währungseinheit, anderes Wort für Gulden (GW) 30 Marqu isat| Würde und Besitzungen eines Marquis (HCL)

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[50]

Neunzehnter Auftritt.

MOISES, CHEVALIER.

CHEVALIER. Endlich, daß du kommst – bist mir auch ein verdammt langsamer Kammerdiener! –

MOISES. Soll ich – lebe – das is worlik so kan Gespas – als er wohl glabt – so das Ding alles zammen zu klabe – Da hat er ein gesticktes Kleid – ein paar Uhrketten – Schuh mit der ruthe Stöckel – seidene Strümpf – große Modenschnallen – ein Degen – und ein funkel nagel neuen Horbeutel31! –

CHEV[ALIER]. Eine saubere Equipage32! –

MOISES. Soll ich verkrümme – muß ich der net bezahl’ 2 Ducotten für das Ausborgn – wird er mir darüber austelln ein Wecksel – all die Stuck – kostet das Klad 50 fl., die Schuh ein Toler, der Degen 2 Ducoten – die Schnalln 14 fl., und der Horbeudel fünf Siebnzehner – macht netto 75 fl. 50 kr. – wird mir der Herr bezohl’ mit Intresse 5 fl. macht 80 fl. – und für das Ausborgen bis Morgen früh 2 Ducotten – macht aus zammen 89 fl.

CHEV[ALIER]. Saubers Negozium33! – hör’ einmal Moises – wie kannst du denn gar so unchristlich seyn? –

[51]

MOIS[ES]. Ik bin ein Jüd – was geht mich an christlich seyn! hätt der wolfaler krikt – hätt er’s genum-men – is ihm zu theuer – so nehm ichs wieder mit –

CHEV[ALIER]. Nicht doch – um alles in der Welt nicht – dieser Anzug muß heute 40000 fl. fangen. –

MOIS[ES]. 40000 fl. – Varzigtausend Gulden – way mir – was is dos für ein Handl – werd mir der Herr maken schönes Präsent vor die Negozy? –

CHEV[ALIER]. (für sich) Wenn ichs nur schon hätte! (laut) Hör Moises, da gäbs für dich dabay ein hübsch Stück Geld zu verdienen, wenn du willst? –

MOIS[ES]. Wer wird net wollen Geld verdienen – loß der Harr amol hörn! –

CHEV[ALIER]. Kannst du nicht auf eine geschickte Art eines andern Handschrift nachmachen? –

MOIS[ES]. Zuwas soll mer dos? –

CHEV[ALIER]. Oder geschickt ausradiren – und andere Ziffer einschreiben? –

MOIS[ES]. Was brauche mer denn dos? –

CHEV[ALIER]. Hör Moises – wenn dus kannst, so ist dein Glück gemacht – ich hab so ein Project, das dir und mir helfen kann – Kurz, wir wollen einen Wechsel aufs Herrn von Katzenbalgs Namen aus-stellen – und wenn du

[52]

nur seinen Namen nachkratzen kannst – für das übrige will ich schon sorgen. –

MOIS[ES]. Ist dos christlich? –

CHEV[ALIER]. Das ist vernünftig – du Narr! – ich will nicht mehr, als was er leicht entbehren kann. Al-so, willst du mit mir theilen? –

31 Horbeute l| Haarbeutel – Beutel aus schwarzem Taft, der dazu diente, den zusammengelegten Haarzopf oder das Hinter-haar einer Beutelperücke aufzunehmen (MGKL) 32 Equ ipage| vgl. equipieren – sich mit allem Erforderlichen versehen, ausstatten, ausrüsten (GW) 33 Negozium| Negotium – Geschäft, Handel, vgl. auch Negotiant – Händler, Kaufmann (OE)

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MOIS[ES]. Schau der Herr – ich sok alleweil – ehrlich warth am längsten – ich bleybe bey meiner Nego-zy, aber dos is wohl nur des Herrn Spaß? –

CHEV[ALIER]. (der sich betroffen findet) – natürlich – natürlich! – Jetzt muß ich mich ankleiden. – Nicht wahr, ich werde Aufsehen machen? –

MOIS[ES]. Soll ich lebe – als wann der Herr erst aus der Franzosen Land käme! –

CHEV[ALIER]. Es ist beym Teufel wahr – Kleider machen Leute, ha! ha! – l’aire françoise nicht zu ver-gessen, trara! lala! – (er macht einige Kapriolen).

MOIS[ES]. Meine Ehre lauter Wind – hat der Herr sonst noch was zu bestelln? –

CHEV[ALIER]. Für itzt nichts! –

MOIS[ES]. Nun so behüt den Herrn Gott! (will fort).

CHEV[ALIER]. Noch eins – hör Moises, ich hab kein Kreuzer Geld.

MOISES. Wos kon ik dafür!

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CHEV[ALIER]. Das ist aber ein verfluchter Streich, leih mir nur ein paar Dukaten – geht nun schon in einem hin, Morgen zahl ich dir alles zurück.

MOIS[ES]. Was soll ick gebe – wann ick net ab – zwey Groschen ist mein ganzes Vermögen! –

CHEV[ALIER]. Alle Wetter! nun so gieb nur wenigstens die! –

MOIS[ES]. Wenn dem Herrn damit is gehalfe, warum net – da – werd sie dazu schreiben aufn Wecksel – Morgen früh wills Gott, komm ich um die Sachen, und um mein Geld – ade – Gott befohlen! (ab).

CHEV[ALIER]. (allein) Ja, komm du nur – wirst schon alles hübsch ausgekehrt finden, hu! ha! – Itzt Che-valier de grande Fortune! vergiß den deutschen Friseur – und denk, daß du ganz Franzoß und Windbeutel seyn mußt – allons donc Courage – l’homme d’Esprit ne se donne jamais dementi!34 (ab).

[54]

Zwanzigster Auftritt.

(Szene, des Mandolettikrämers Boutique – rückwärts sieht man in die Küche – zu beyden Seiten sind Buden mit Zu-ckerbackerey – auf einer Seite sind Köche, auf der andern Köchinnen, niedlich gekleidet – sie singen ein französisches

Liedchen – )

LISERL und KASPAR.

KASP[AR]. (der ihr ängstlich nachlauft) Aber liebes Herzensliserl, ich bitt dich gar schön, gieb mir den Pan-toffel – schau, ich hab’n ehrlich und redlich gestohlen –

LIS[ETTE]. Gestohlen? – ey seht doch – und wo denn? –

KASP[AR]. Wo? – wo? – wo ich ihn halt gestohlen hab – Kurz und gut – ich muß den Pantoffel haben – (hier tritt Evgen auf, aber so, daß sie nicht gesehen wird).

LIS[ETTE]. Und kurz und gut – du kriegst ihn nimmermehr – Monsieur Kaspar, Sie kennen mich! –

KASP[AR]. Mamselle Lisette, Sie kennen mich –

34 a l lons donc Courage – l ’homme d ’Espr i t ne se donne jamais dement i !| ‹franz.› Gehen wir also, nur Mut – ein Mann des Geistes gibt sich niemals geschlagen

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LIS[ETTE]. Ha! ha! ha! – ey, ey! da sieht man doch, wo in der Wirthschaft das Geld hinkömmt – da tän-delts der Herr hinaus – und wofür? – für Pantoffel? –

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KASP[AR]. Schau liebe Liserl – es ist mein Seel nichts von allen dem, was du glaubst – ich will dir alles haarklein erzählen. – Schau, da kam ich dir vor ein paar Stunden zu einem Kavalier – mit dem ich auf heute großes Negozium abredete! – Es ist dir ein recht loser Vogel – und Geld hat er wie Mist – der muß so einen Gespaß mit so einer kleinen Hex gehabt haben – und sie in ein Kleiderkasten ver-steckt, wo’s denn den Pantoffel verlohrn mag haben – Ich hab ihn aus blosser Spitzbüberey einge-steckt –

LIS[ETTE]. So? – aber sieh nur – jemehr ich den Pantoffel betrachte, je mehr glaub ich ihn zu kennen Kaspar – Kaspar! wenn der Pantoffel nicht von deinem Weib ist, so –

KASP[AR]. Wie? was? – von meinem Weib – itzt – itzt geh’, und sey gescheid – wo soll denn mein Weib mit dem Kavalier zusammen kommen? –

LIS[ETTE]. Hm! – da mußt du doch gar zu dumm seyn, wenn du das nicht begreiffen willst! – wenn sie so hausiren in die Gasthöfe geht – wie leicht ists möglich, daß ein so loser Vogel sie in sein Zimmer lockt. –

KASP[AR]. O, ich Esel – was zündst du mir für ein abscheuliches Licht an – o mich frierts durch und durch – Nu, so wär ich auf die letzt doch der Gefoppte – ja! ja! wenn das

[56]

wahr ist, so ists richtig – dem Baron Wellbach ist nichts zu toll! –

LIS[ETTE]. (erschreckend) Wer – wer? – Baron Wellbach? – Wellbach von Gratz? –

KASP[AR]. Was ist dir, liebe Liserl – worüber erschrickst du? – kennst du ihn? –

LIS[ETTE]. Sag mir nur, ob es der Baron Wellbach von Augspurg ist? –

KASP[AR]. Nun ja doch der nehmliche, der seiner Frau die erste Nacht mit dem Stubenmädel davon gegangen ist! –

LIS[ETTE]. Der ist hier? – hier? – à dieu Kaspar Ellenbogen – wir haben mit einander ausgeredt – der Baron ist hier? o bravo, o bravo! –

KASP[AR]. Aber was geht dich denn der Baron an? –

LIS[ETTE]. Was er mich angeht? – das wirst du schon sehen – à dieu! das Stubenmädchen! –

KASP[AR]. (immer mehr erschreckend) Nun, das Stubenmädchen? –

LIS[ETTE]. Bin ich! –

KASP[AR]. (völlig starr) Bist du – du? –

LIS[ETTE]. Ja ich – ich! – und was wunderst du dich? –

KASP[AR]. Ich wundere mich gar nicht – denn es ist die Mode, daß man von allen Seiten betrogen wird! – aber der Hacken will ich einen Stiel schaffen! –

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LIS[ETTE]. Je nun, Kaspar, laß dir das gefallen! – ich geh’ –

KASP[AR]. (zornig) Du bleibst da – du bist in meinem Brod – und kommst mir nicht fort! –

LIS[ETTE]. Ich in deinem Brod? – ha! ha! ha! – Monsieur Kaspar, ich geh’! –

KASP[AR]. Du bleibst – oder –

LIS[ETTE]. Du schweigst – oder ich sag alles deinem Weib! –

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KASP[AR]. Meinem Weib – nu sauber – itzt darf ich nicht einmal ein Wort reden! –

LIS[ETTE]. Nu! bin ich noch in deinem Brod? –

KASP[AR]. Nein – aber soviel ich merk, so bin ich in deinem.

LIS[ETTE]. Und also geh ich, den Herrn Baron zu suchen! –

KASP[AR]. Liserl – wenn du ihn ja finden willst – so bleibe – denn er wird den Augenblick hier seyn! –

LIS[ETTE]. Hier?

KASP[AR]. Ja, hier! – wir müssen ja unser Negozium zu Stand bringen! –

LIS[ETTE]. Nu gut – so will ich warten – aber das sag ich dir – sobald der Baron kömmt – so ists mit uns aus.

KASP[AR]. Schon recht – itzt gieb mir nur den Pantoffel, damit ich mein Weib suchen kann! –

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LIS[ETTE]. Da! – und wenn du sie findest – so denk hübsch – mit was Maaß man einem mißt – mit dem wird einem wieder ausgemessen.

EVGEN. (tritt hervor, und verstellt sich, als ob sie weiter nichts gehört hätte) Ja, ja, liebe Jungfer Muhme – red sie ihm nur hübsch zu – damit er nicht immer so ein Grobian ist! – (Liserl und Kaspar erschrecken heftig).

KASP[AR]. (bey Seite) Nu bravo! – itzt habens mich sauber in der Mitten – (zu seinem Weib) was machst denn du da? wie kömmst du her – warum so herein geschlichen? –

EVGEN. Herein geschlichen? – ich kam ganz natürlich zur Thür herein – aber du hörtest mich nicht – weil du mit der Jungfer Muhm zanktest! –

KASP[AR]. Wie? – was? – zankten! – wir haben wegen der Wirthschaft mitsammen gesprochen! –

EVGEN. Ey! ey! das hörte ich ja wohl – denn ich dachte mir gleich, daß die Pantoffel in die Wirthschaft gehören! –

KASP[AR]. Die Pantoffel? ja nun, aber recht, daß du mich daran erinnerst – du komm einmal her! (er führt sie auf die Seite, und zeigt ihr den Pantoffel) sag du mir einmal ehrlich und redlich, ist dieß dein Pan-toffel, oder nicht? –

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EVGEN. Je du Hausnarr! – siehst du denn nicht, daß ich meine Pantoffel an den Füssen habe? –

KASPAR. (der sie ansieht und ganz verwirrt wird) Schau, schau kurios! – akurat ein Pantoffel wie der andere! – (er geht zu Lisette, und sagt ihr heimlich) Nu da siehst du’s, hast halt meinem Weibe schon wiederum die Ehre abgeschnitten, ich hab dirs ja gleich gesagt, sie wär zu dumm dazu.

LISERL. (lacht) Zu dumm – ha! ha! ha!

EVGEN. (Läuft zu ihrem Mann hin, und zieht ihn bey Seite) itzt liebes Närrchen komm auch du einmal zu mir! –

KASPAR. Nu was giebts? –

EVGEN. Sey du mir einmal recht ehrlich und redlich, ist denn das auch wirklich deine Jungfer Muhme? – (auf Liserl zeigend.)

KASPAR. (bey Seite) Was das wieder für eine verdammte Frage ist, (zu Evgen) Nu freylich ists meine Mahm – wie oft soll ich dirs noch sagen? – wenn du’s aber nicht glauben willst, so will ich dir’s mir meinem spanischen Rohr35 allenfalls begreiflich machen!

35 spani schen Rohr| spanisches Rohr – Stängel des Steinrotangs, einer Palmenart; wurde für Spazierstöcke und Regenschirme ver-wendet (PUL)

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Ein und zwanzigster Auftritt.

BARON, v. KLINGER, die Vorigen.

(LISERL zieht sich zurück, so daß sie der BARON nicht gleich gewahr wird.)

BARON. (zu Klinger) O! darum geb ich noch keine Hofnung auf – wenn Sie ihr nur meinen Brief über-geben – denn ich halte es wahrlich nur für Ziererey, selbst die Abneigung mit der sie von Ihnen sprach! –

KLINGER. Gewiß nichts weiter – um 1 Uhr sprech ich die Baroninn – und gleich nach der Tafel bin ich bey Ihnen! –

BARON. Aber wer ist sie denn, ihrer Geburt nach? –

KLINGER. Das ist mir selbst noch ein Geheimniß – sie ist erst seit einigen Wochen hier – und lebt so ganz incognito – daß michs ein Räthsel vermuthen läßt –

BARON. Gut denn – ich erwarte sie bey mir! –

KLINGER. A pros pos! Baron – ich habe Ihnen heute ein Rendezvous vorzuschlagen – der Ihnen nicht unangenehm seyn dürfte! –

BARON. (hastig) Ein hübsches Weib? –

KLINGER. Eine wahre Grazie – obschon nur eine Kaufmannsfrau – aber nobl und galant wie die erste Dame! –

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BARON. Ey warum so herabwürdigend vom Handelsstand gesprochen? – Nur eine Kaufmannsfrau – die Venus würde Venus bleiben, und wenn sie auch eine Küchenmagd wäre!! – aber wo soll ich denn mit ihr bekannt werden? –

KLINGER. In wenigen Augenblicken hier! –

BARON. Hier? –

KLINGER. Ja hier! – hier ist ja alle Mittagsstunde grosser Zirkul – der galanten Welt – Sie wird mit eini-gen Aufwärtern, denen sie hier Audienz giebt – da es zu Hause wegen einem eifersüchtigen Manne nicht rathsam ist – erscheinen, ich soll sie vorläufig davon unterrichten – und wenn sie nach Ihrem Geschmack ist – so dürfte an dem Engagement gar nicht zu zweifeln seyn! –

BARON. Bravo Freund! – Sie sorgen ja recht väterlich für mich – aber sieh, da hab ich noch einige Wor-te mit dem Herrn Hauspatron zu sprechen – Herr Ellenbogen sein Diener! –

KASPAR. Euer Freyherrlichen Gnaden, ihr demüthigster, pflichtschuldigster Knecht!! –

BARON. Hübsch – recht artig – recht geschmackvoll – wer ist denn das hübsche Kind? (auf Evgen zei-gend, die aber die Augen niederschlägt)

KASPAR. Es ist salva venia36 zu sagen mein Weib! –

[62]

BARON. (geht hin, und streichelt sie) Schön – wahrlich schön – in der That Kaspar, macht deinem Ge-schmack viele Ehre!! –

KASPAR. Kurios – du Weib marsch zum Kuchelherrd!! –

36 sa lva ven ia| ‹lat.› mit Verlaub

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BARON. Nicht doch! – du wirst ja wohl nicht so unhöflich seyn – und mir doch erlauben. –

KASPAR. Erlauben? – müssen mir schon verzeihen – aber da erlaubt der Kaspar Ellenbogen nichts – allons marche!

EVGEN. Du bist halt immer der alte Grobian! (sie geht ab, im Abgehn hält sie der Baron einen Augenblick auf, und sagt ihr freudig)

BARON. (leise zu Evgen) Um 3 Uhr Nachmittags komm zu mir – ich hab dringend mit dir zu reden! –

EVGEN. Schon gut – a dieu!! –

BARON. (zu Kaspar) Nu das ist allerliebst – und die Menge Leute – aber wozu denn so viele Köche und Köchinnen? –

KASPAR. Wo viel Arbeit ist – braucht man auch viele Leute – aber sehn sie nur einmal – da habe ich einen Originalgedanken gehabt – bey mir ist alle Tag um die Mittagsstunde grosse Conversation von Herrn und Damen – und da wird meistens für den andern Morgen Bestellung gemacht – Nun also sehn Sie, da sind die verschiedenen Sorten von Backereyen – und

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wie die Herrn oder Damen sich davon auswählen, so schick ichs ihnen mit dem Koch, wo sie’s be-stellt haben, des Morgens warm in’s Haus – und der muß davor stehen, daß es gut gekocht ist – und so erhalt ich meine Kundschaften!! –

BARON. Je das ist ja allerliebst – so muß ich wohl auch auf Morgen eine Bestellung machen – (er geht auf die Seiten der Mädchen, und nimmt sich von jeder Sorte ein Stück – Kaspar sieht ihm mit lächerlicher Verwunde-rung zu)

KASPAR. Nu das ist ein Nimmersatt – Herr Baron – soll ich Ihnen diese alle schicken? –

BARON. Versteht sich! –

KASPAR. Nun, mir ists recht! – Guten Appetit!! –

BARON. Aber itzt noch eins! – (er nimmt Kaspar auf die Seiten) Wo ist deine Muhme? –

KASPAR. Eben recht Herr Vetter, daß Sie mich daran erinnern – He! Liserl!! –

BARON. Lisette!! – (indem er sie erblickt) Wie die hier? –

KASPAR. Ja so kommt man in die Bekanntschaft – und weiß nicht wie!

LISERL. Ihre Dienerin Herr Baron! –

BARON. (zu Kaspar) So viel ich merke, so weist du’s schon! –

KASPAR. Freylich weiß ich’s! –

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BARON. (faßt sich, geht hin zu Liserl und giebt ihr einen Beutel mit Geld) da – das versiegle dir den Mund! –

LISERL. (betrachtet den Beutel) Sie wollen mich also nicht mehr?

BARON. Wollen? – ha! ha! – Elende du bist an so vielem Schuld – doch ich verzeih’ dir – und verachte dich!

LISERL. (steckt den Beutel ein) – Kaspar ich bleib wieder in deinem Dienst!! –

KASPAR. So? nu darüber wollen wir erst weiter sprechen!! –

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Zwey und zwanzigster Auftritt.

MADAME BUCHWALD, vom CHEVALIER am Arm geführt, in einem Anzug nach der letzten Mode, GRAF BLAUFINK, folgt nach.

CHEVALIER. Nik war mon aimable deesse37 – wir uns heute sehen auf der Ball – in der Cassino? –

MAD. BUCHW[ALD]. Ganz sicher Chevalier!! –

GRAF. Auch ich habe schon meine Billets! –

BARON. (zu Klinger) Sind das lauter Chapeaux38? –

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KLINGER. O! ja! – aber es wird nur auf Sie ankommen, allen diesen Herren lange Nasen zu drehen –

BARON. Wer sinds denn eigentlich? –

KLINGER. Der Spring ins Feld ist durch und durch Wind, und hat kein Geld – Graf Blaufink ist krumm, an Leib und Seel, und also nicht für diese Dame! –

BARON. Und übrigens?

KLINGER. Werden Sie bald selbst sehen – daß der Handel, den wir treffen wollen, ganz ein artig Stück Arbeit ist! (Klinger nimmt den Baron bey der Hand, und führt ihn zur Madame Buchner [!].) Madame hier hab ich das Vergnügen, Ihnen in dem Freyherrn von Lindenthal einen der reichsten Cavalliere, den feu-rigsten Verehrer der weiblichen Schönheit aufzuführen! –

MAD. BUCHWALD. (Mit einem affektirten Complement) Es ist mir ein großes Vergnügen einen so reichen und vornehmen Cavallier kennen zu lernen! –

BARON. Ich werde um die Erlaubniß bitten – Sie Madame besuchen zu dürfen! –

MAD. BUCHWALD. Ich würde es herzlich erlauben – aber ich hab gar einen abscheulich eifersüchtigen Mann; – so müßen auch die Herrn, wenn sie mich sehen wollen – entweder in die Kirche, oder zu meiner Mama

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kommen – und die wird auch Ihnen Gelegenheit schaffen mich zu sehen! –

BARON. Allerliebst! – aber ich habe die Ehre nicht, Ihre Frau Mama zu kennen! –

MAD. BUCHWALD. Der Herr v. Klinger wird schon die Güte haben – Sie dort aufzuführen – und den reichen Herrn v. Katzenbalg kennt ja die ganze Stadt! –

BARON. Von Katzenbalg – Ihre Frau Mama? –

MAD. BUCHWALD. Ja diese ists – mein Hr. Papa ist erst Großritter der afrikanischen Erblande gewor-den – weßwegen er auch heute eine Akademie und Ball im Casino giebt! –

BARON. So? –

MAD. BUCHWALD. Sie werden doch auch dabey erscheinen? –

BARON. Wenn ich die Ehre haben werde, dazu geladen zu werden, werde ich des Vergnügens nicht entbehren, Sie zu sehen! –

MAD. BUCHWALD. O! da will ich gleich zu meiner Mama fahren, und für Sie Billets hohlen – doch wis-sen Sie was Herr Baron, fahren Sie mit mir! –

37 mon a imable deesse| ‹franz. mon aimable déesse› meine liebenswürdige Göttin 38 Chapeaux| Chapeau, ‹phon. Schapo› – Herr, Liebhaber, Begleiter (MGKL, AW 152)

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BARON. Herzlich gerne meine schöne Frau! –

KASPAR. (bey Seite) Der ist schon wieder fertig! –

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MAD. BUCHWALD. Nu Mesieurs! (zu den Uebrigen) Auf Wiedersehen! (sie nimmt den Baron untern Arm) Kommen Sie Herr Baron!

BARON. (Küßt ihr die Hand) Wahrhaftig die Kunst Ihres Anzugs scheint mit Ihren natürlichen Reitzen um die Wette zu streiten.

MAD. BUCHWALD. Das sagen recht viele Leute – Nu so gehn wir!

DIE UEBRIGEN. Sie verläßt uns – gut das wollen wir ihr merken! –

KASPAR. (lauft dem Baron nach) bst! bst! (heimlich) Wie stehts denn um unsere übrige Spekulation? –

BARON. Nach Tisch erwart ich dich bey mir! –

KASPAR. Hat ihn der Teufel schon wieder im Bandel – mir ist nur um meine 200 Dukaten! – (Die Uebri-gen zahlen ihre Zeche, was sie an Zuckergeback verzehrt haben, der Chevalier will sich davon schleichen, ein Koch erwischt ihn aber.)

KOCH. Holla! Monsieur – belieben Sie zu bezahlen! –

CHEVAL[IER]. Bezahl? – bezahl? – quelle Impertinence – ik ab son bezahl!

KOCH. Wir haben nichts gesehen! –

CHEV[ALIER]. Que m’importe39 – ik nit bezahlen dopvelt [!]! –

KOCH. Wenns nur erst einfach geschehen ist – Sie bezahlen 2 Siebenzehner! –

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CHEV[ALIER]. Lasse mik los – oder oder ik make die Spektakul – ik bin Cavallier –

KOCH. Cavallier hin oder her – der Herr bezahl! –

CHEV[ALIER]. (zieht einen Beutel mit Dantes40 heraus) Mort de ma vie41 – ik abe der Börse voller Dukat, und ik nit werd ab bezahlt, solken Kleinigkeit! –

KOCH. Gieb der Herr nur einen von denen Dukaten her – wir wollen gleich wechseln! –

CHEV[ALIER]. Verdammter Lumpengesindl – mik so prostituir – (er will den Beutel geschwinde einstecken)

KASPAR. Lumpengesindel? einen ehrlichen Burgers Mann? – wart ich will dichs lehren du Windbeutel – itzt bezahl, oder ich schlag dich blau! – (alle Köche und Köchinnen umrungen den Chevalier, der auf die Knie niederfällt und bitt)

CHEV[ALIER]. Ik bitten tausendmal um der Verzeihung – aber ik nit aben Geld bey mir! –

KASPAR. Was? – heraus mit die Dukaten! –

CHEV[ALIER]. (zieht den Beutel heraus) Ah bien Pardon!42 – es sind dir nik Dukat! –

KASPAR. Was – keine Dukaten also Dantes? Ih du Gottloßer Leutbetrüger – wart ich will dich lehren (zu den Leuten) nehmt ihm etwas weg! –

KOCH. Den Hut! –

39 Que m’ importe| ‹franz.› Was geht mich das an 40 Dantes| Tantes – Rechenpfennige, Spielmarken; Jetons (MGKL) 41 Mort de ma v ie| ‹franz.› soviel wie Tod meines Lebens 42 Ah b ien Pardon!| ‹franz.› Oh, Verzeihung!

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KASPAR. Der ist zerlumpt! –

KOCH. Den Degen! –

KASPAR. (versuchts) der ist ja angenäht – nichts da – den Harbeutel! –

CHEV[ALIER]. Ah mon dieu ik bitt – bitten um alles in der Welt nur – nur lassen meiner Arbeutel! –

ALLE KÖCHE. Nichts da! – nur her – (sie lösen ihm den Harbeutel ab)

CHEV[ALIER]. Ah verdammte Streik – itzt wo ik nehm Arbeutel – ah quelle Sottise!43 (lauft ab)

KASPAR. Ha! – ha! – nicht übel – ein französischer Harbeutel, itzt da mach ich eine Kastrollpastete dar-über, und gieb ihn heute beym Souppe als das vierte Eingemachte! – (alle lachen)

Ende des ersten Aufzugs.

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ZWEYTER AUFZUG.

Erster Auftritt.

(Scene, Zimmer des Buchwald.)

Herr und Madame BUCHWALD.

HERR BUCHW[ALD]. (geht verdrüßlich auf und ab, Madame sitzt in einem Sessel) Ein für allemal ich kann diese Lebensart nicht länger dulden.

MAD. BUCHW[ALD]. (hönisch) Diese Lebensart? –

HERR [BUCHWALD]. Diese Lebensart – ja Madame diese Lebensart! –

MAD. [BUCHWALD]. Und was finden Sie denn gar so sehr an mir zu tadeln?

HERR [BUCHWALD]. Was? – alles in allem – ihr Aufstehen – ihr Schlafengehen, ihren Putz – ihre Sitten – kurz Madame sie müssen sich ändern – oder ich muß andere Mittel ergreiffen! –

MAD. [BUCHWALD]. (ihm nachäffend) ändern – oder andere Mittel ergreiffen – nu das ist ja allerliebst – in der That mein Herr so viel ich

[71]

merke, so stimmen Sie den Ton des Zuchtmeisters an! –

HERR [BUCHWALD]. Wenn Sie den Ton des ehrlichen Mannes dafür gelten lassen wollen – auch das Madame! Kurz von diesem Augenblick an ist mein ganzes Hauswesen geändert – und Sie müssen sich darnach bequemen – oder –

MAD. [BUCHWALD]. Vollenden Sie nicht Ihre schrecklichen Drohungen – oder ich möchte sonst eine Ohnmacht kriegen! –

HERR [BUCHWALD]. So viel Sie wollen Madame – werden sich schon wieder erholen! –

MAD. [BUCHWALD]. Nu so lassen Sie nur einmal hören, wie sich denn dero veränderte Frau Gemahlin, nach Dero veränderten Hauseinrichtung benehmen muß! – Lassen Sie hören – ich will ihre Gebote

43 ah que l le Sot t i se !| ‹franz.› Ah, was für eine Dummheit!

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in mein Souvenir44 einschreiben, und sie recht fleissig alle Morgen und Abend an meiner Toilette durchstudiren! –

HERR [BUCHWALD]. Sie sollen mich wahrlich nicht durch ihren Spott aufbringen – und ich will Ihnen mit wenigen Worten einen Vorgeschmack meiner neuen Einrichtung geben – Fürs erste hab ich ih-ren Friseur abgedankt! –

MAD. [BUCHWALD]. (erschreckend) Meinen Friseur – Ach daß Gott erbarm! wer soll mich denn künftig frisiren? –

HERR [BUCHWALD]. Ihr Stubenmädchen – oder Sie selbst! –

[72]

MAD. [BUCHWALD]. (bitter) Nu gut – schon gut – nur weiter.

HR. V. BUCHW[ALD]. Zweytens wird der Schneider kein Kleid mehr ohne mein Wissen machen – und Farb und Schnitt nebst Garnirung werde ich wählen! –

MAD. BUCHN.45 (höhnisch lachend) Ha! ha! ha! – Lieber Mann, was Sie da nicht alles zu thun haben wer-den! –

HERR [BUCHWALD]. Werd es schon nach meiner Zeit einzurichten wissen – Drittens werden Sie nie anders, als in meiner Begleitung zu Ihrer gnädigen Mama in Gesellschaft gehen! –

MAD. [BUCHWALD]. (auffahrend) Wer kann mir das verbiethen? –

HR. BUCHW[ALD]. Der – der das Unglück hat ihr Mann zu seyn! –

MAD. [BUCHWALD]. Mein Mann? – Sie mein Herr wollten mir verbiethen zu meiner Mutter zu gehen – sie zu besuchen? – das will ich sehen – das wird meine Mutter Ihnen zeigen! ob Sie das können – dürfen? ha! ha! ha! – Seht doch das Männchen! –

HERR [BUCHWALD]. Das soll auch das Weibchen erfahren!! Viertens werden Sie mir alle Tage den Kü-chenzettel selbst machen! –

MAD. [BUCHWALD]. (zornig) Halten Sie ein mein Herr – Ihre Herabwürdigung geht zu weit; Sie wollen eine Sklavin aus mir machen! –

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HERR [BUCHWALD]. Ich will ein braves Weib aus dir machen – das will ich Schätzchen – und das werd ich; mit Gutem oder Bösem, das Mittel gilt mir einerlei – wenn ich nur meinen Zweck erreiche! – und so hast du nun vorläufig einige Regeln – itzt wollen wir auch einen Theil der Ausübung vor-nehmen – vor allen Dingen, diesen lächerlichen Kopfputz herab! –

MAD. [BUCHWALD]. Was? – wie – meine Frißur derangiren? bist du ein Narr?

HERR [BUCHWALD]. Eben um es nicht zu seyn – wirst du so gut seyn, deine Frisur zu derangiren!! –

MAD. [BUCHWALD]. Aber bedenk nur, was die Leute sagen werden! –

HERR [BUCHWALD]. Sie werden sagen, daß du anfängst klug zu werden – also herunter damit!!

MAD. [BUCHWALD]. Nein das ist zu toll! – Mann du gehörst ins Narrenhaus!

HERR [BUCHWALD]. Ey nicht doch! – der Kopfputz gehört hinaus – Also liebes Weibchen herunter damit!! –

MAD. [BUCHWALD]. Nein in alle Ewigkeit nicht – das will ich doch sehen, wer mich zwingt! –

44 Souvenir| Gedächtnisbuch (PUL) 45 recte: Mad. Buchwald.

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32

HERR [BUCHWALD]. (Ganz gelassen und scherzhaft geht hin, führt sie zur Toilette, setzt sie nieder, hält sie mit einer

Hand bey der Hand, und räumt ihr mit der andern Hand den Kopf ab) Ich sehe schon, Sie wollen mich zum Kammerdiener – kann Ihnen ja wohl auch diesen Gefallen erweisen – Sehn

[74]

Sie ich weiß gut damit umzugehen! – so! – Nun sind Sie noch einmal so liebenswerth – nun will ich Sie küssen! (er will sie küssen)

MAD. [BUCHWALD]. (stößt ihn von sich) gehn Sie mir aus den Augen – Sie Qualgeist!! – nein, das ist nicht auszuhalten – ich möchte rasend werden.

HERR [BUCHWALD]. Um alles in der Welt Willen das müssen Sie nicht – ich möchte mich noch lange nicht von Ihnen scheiden lassen – Also bitt ich den Schmink abzuputzen! – Sie wollen meine Hilfe? - meinetwegen – (er geht zu ihr, hält ihr beide Hände, und wischt ihr den Schmink vom Gesicht.)

MAD. [BUCHWALD]. (fängt an heftig zu schreyen) He zu Hilfe! – zu Hilfe! – mein Mann will mich umbrin-gen! –

HERR [BUCHWALD]. Schreyen Sie nur – es wird niemand kommen, denn man glaubt ihnen nicht – die Leute wissen ja, wie gern ich Sie habe! –

MAD. [BUCHWALD]. (reißt sich los und wirft sich in einen Sessel) Nein so was ertrag ich nimmermehr – (plötz-lich aufspringend) Kurz mein Herr, morgen laß ich mich von Ihnen scheiden – heute noch will ich Anzeige machen, wie Sie mich tractiren – Sie gottloser Mann! –

HERR [BUCHWALD]. Nicht doch Madame – schonen Sie doch Ihrer Lunge! – Sie müssen mich bey Lei-be nicht verklagen – Nein – nein – das

[75]

werden Sie ja nicht – ich kenne Ihr treffliches Herz! –

MAD. [BUCHWALD]. Nein! Sie sollen nicht einmal das Vergnügen haben, mich durch ihren Spott zu quälen – lachen – auslachen will ich Sie, und Ihnen alles doppelt zu Fleiß thun – und damit Sie’s nur sehn – so fahr ich auf der Stelle zu meiner Mutter und die wird mit Ihnen aus einem ganz andern Tone sprechen!

HERR [BUCHWALD]. Ey was Sie mir nicht sagen – aber ich bedaure nur, daß Sie nicht zu der gnädigen Frau Mama fahren können – denn während wir mitsamen unsere neue Einrichtung verabredeten – sind meine Pferde und mein Wagen verkauft! –

MAD. [BUCHWALD]. Wer – verkauft – unerhört – o es ist ganz sicher, Sie bringen mich noch um! – ver-kauft! – Roß und Wagen verkauft! –

HERR [BUCHWALD]. Roß und Wagen verkauft – Friesur und Kammermädchen abgedankt – Dinees und Souppees abgeschafft – Bälle und Spiele verbothen – das ist alles in der veränderten Lebensart begriffen! –

MAD. [BUCHWALD]. (Geht weinend mit gefaltenen Händen umher) Ich möchte rasend werden – so herabge-würdiget – so beschimpfet; ich – die ich auf die Hand eines Grafens Ansprüche machen könnte – was bin ich nun? – Ein elendes Kaufmannsweib!! –

[76]

HERR [BUCHWALD]. (vom Affect überracht) Elendes Kaufmannsweib? Ha Weib! – laß dirs nicht gelüsten mich da anzugreifen (nach einer Pause) Kurz und gut! – es ist mein Wille, du mußt so leben, und nicht anders! –

MAD. [BUCHWALD]. (wirft sich in einen Stuhl) Schon gut! – ich will das Ding schon umkehren – wollen doch sehen, ob sich das gemeine Volk so am Adel vergreifen darf. –

HERR [BUCHWALD]. Was das Volk gegen den Adel darf? – weiß ich nicht! – was der Mann gegen ein närrisches Weib darf, sollen Sie, Madame sehen! – Gott befohlen! (er geht ab, und schlüßt die Thüre zu)

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Zweyter Auftritt.

Madame BUCHWALD (allein)

[MADAME BUCHWALD.] Gerechter Himmel! er sperrt mich ein! – o der grausame unbarmherzige Mann – mich so zu behandeln! – mich! – (weinend) Nein das kann ich nicht mehr aushalten – da müssen sich meine Eltern um mich annehmen, ja aber wie komm ich hin? – (sie geht an die Thüre und versuchts) alles verschlossen! – He zu Hülfe! – ist niemand da? – Niemand hört mich – he! holla Leute – Be-diente! – er hat wohl gar alle weggeschickt – das Ungeheuer, der Mörder! –

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O! alles empört sich in mir, wenn ich mich nur rächen könnte – (läuft herum) aber nirgends aus! – (im heftigsten Zorn, wirft den Spiegel des Toilets um) – Alles will ich zerschlagen, zerschmettern – Schade nur, daß kein Porcellain im Zimmer ist! – Es bleibt mir nichts anders übrig, als mich aus Zorn umzu-bringen – oder – zu weinen! (sie wirft sich in Sessel und weint)

Dritter Auftritt.

Fr. v. KATZENBALG, CHEVALIER und GRAF BLAUFINK vor der Thüre.

FR. V. KATZENBALG. Sie ist zu Hause! sagte man uns am Thor, und ich finde Sie nirgends! –

GR. BLAUFINK. Man wird uns doch nicht zum besten haben? –

CHEV[ALIER]. Que diable46 wo sollte sie wohl seyn.

MAD. BUCHW[ALD]. Ach höre ich recht, die Stimme meiner Mutter! –

FR. V. KATZENB[ALG]. (am Schloß versuchend) alles versperrt – hier kann sie nicht seyn! –

MAD. BUCHW[ALD]. (gegen die Thür springend) Ihro Gnaden ich bin da, er hat mich eingesperrt – ach hel-fen Sie mir – retten Sie mich! o! ich überleb den Schimpf nicht! –

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ALLE VOR DER THÜR. Was eingesperrt? –

FR. V. KATZENB[ALG]. Wer hat sich das unterstanden? – wer dürfte sich das wohl unterstehen? –

MAD. BUCHW[ALD]. Mein Mann – mein gottloser Mann! – o! und wenn Sie mir nicht bald helfen – so untersteht er sich noch mehr!! –

FR. V. KATZENB[ALG]. Dein Mann? – dein Mann sagst du? – ist das möglich? nein den Schimpf muß deine ganze Familie rächen! – ich will gleich nach dem Schlosser schicken – die Thür will ich ein-sprengen – das Haus will ich anzünden! – stürmen will ich die ganze Stadt – und vertilgen die ganze Bürgersbrut! – Ach wenn ich nur zu dir hinein könnte! –

GR. BLAUFINK. Itzt stehen wir da wie die Affen! –

CHEV[ALIER]. Ah attendes un petit moment!47 – ik mik besinnen, auf einen Passe par tout48 – ik wollen probire – ob schliessen auf der Simmer von Madame! –

FR. V. KATZENB[ALG]. Einen Passe part tout – o! lieber göttlicher Chevalier! versuchen Sie es doch! –

MAD. BUCHW[ALD]. Sie sollen sich selbst einen Preiß meiner Dankbarkeit wählen – wenn Sie mich dießmal befreyen Chevalier! –

46 Que d iab le| ‹franz.› Zum Teufel 47 Ah at tendes un pe t i t moment !| ‹franz. Ah attendez un petit moment!› Ah, warten Sie einen kleinen Moment! 48 Passe par tou t| ‹franz.› Haupt- bzw. Universalschlüssel, Dietrich

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CHEV[ALIER]. Patience mon Coeur49 – ik woll probir – ah fort bien!50 es geht! –

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ALLE. Es geht! – Bravo, bravissimo!

CHEV[ALIER]. (öffnet die Thüre, die Mutter stürzt herein, umarmt ihre Tochter – die beiden Herrn küssen ihr wechsel-weise die Hände,)

FR. V. KATZENB[ALG]. Nun soll er dich aus meinen Händen fordern! –

DIE BEIDEN HRN. Wir sind bereit Sie mit unserm Leben zu vertheidigen!

FR. V. KATZENB[ALG]. Aber um des Himmelswillen Janette wie siehst du aus? die Haare alle in de-sordres – die Augen völlig wundgeweinet – Kind was hats da gegeben? –

MAD. BUCHW[ALD]. O! Spektakel über die Sie erschrecken werden! – Alles das Werk meines Herrn Ehegemahls! –

FR. V. KATZENB[ALG]. Deines Mannes? – ihr habt euch doch nicht so weit zum Pöbel erniedriget? –

MAD. BUCHW[ALD]. O! ich möchte vergehen, wenn ich Ihnen alles wiederholte! – Friseur, Kammer-mädchen hat er abgedankt! –

ALLE. Abgedankt?

MAD. [BUCHWALD]. Ball, Spiel, und Soupé verbothen! –

ALLE. Verbothen?

MAD. [BUCHWALD]. O! nun kömmt erst gar was Schreckliches! –

ALLE. Nu?

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MAD. [BUCHWALD]. Stellen sie sich vor! – Roß und Wagen, –

ALLE. Roß und Wagen, –

MAD. [BUCHWALD]. Hat er verkauft! –

ALLE. Verkauft? –

FR. V. KATZENB[ALG]. Verkauft? – nein das ist ohnmöglich, er mußte ja närrisch seyn – nein so kann er uns nicht beschimpfen, daß er dich zu Fuß gehen lassen darf.

CHEV[ALIER]. Das wäre ja eine entsetzliche Sotise51!

MAD. [BUCHWALD]. Und ist doch wirklich! –

FR. V. KATZENB[ALG]. Ha maroufle! – das sollst du büssen – Janette verlasse dich auf meine Rache! – vor allen kömmst du mit uns – wir haben sich zu einer Parthie tre fette bis zur Akademie hohlen wollen, da du aber so derangirt bist, so ist das vornehmste, daß du dich anderst ankleidest, du mußt heute sowohl bei der Akademie als auch auf dem Ball der brillanteste Kopf seyn – und das deinem Manne zum Trotz! –

GR. BLAUFINK. Ich schwör Ihnen Madame bey dem Gürtel der Venus52, sie sollen an Ihrem lächerli-chen Epoux53 bitter gerochen werden – wenn Sie mir Ihre Rechte anvertrauen wollen.

FR. V. KATZENB[ALG]. Ja – das liebes Kind – er soll dich rächen. –

49 Pat ience mon Coeur| ‹franz.› Geduld, mein Herz! 50 ah for t bien !| ‹franz.› ah, sehr gut! 51 Sot i se| ‹franz. sottise› – Narrheit, Albernheit (PUL) 52 Gür te l der Venus| Dieser Gürtel hat laut griechischer Mythologie die Eigenschaft seine Trägerin unwiderstehlich und liebrei-zend zu machen (PUL) 53 Epoux| ‹franz.› Gemahl

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[81]

GR. BLAUFINK. Ihm zum Trotz sollen Sie statt mit 2 Pferden mit 4 fahren, sollen ihm zum Trotz, Fri-seur, Kammerdiener, Kammerjungfer, und alles haben, was Sie sich nur wünschen! –

FR. V. KATZENB[ALG]. Ja liebes Kind ihm zum Trotz nimms an – und übergieb deine Sache dem Gra-fen! –

MAD. BUCHW[ALD]. Mein Gott ich fürchte nur das Uebel ärger zu machen – Sie kennen ihn ja! –

FR. V. KATZENB[ALG]. Was ärger machen! – kannst du das? – du mußt dich rächen, das will deine ge-kränkte Ehre – das will dein Adel – das will ich – und um dir ja keine Zeit zum Ueberlegen zu las-sen, so mußt du gleich itzt mit uns fahren! –

DIE BEYDEN HERRN. Ja! ja! mit uns! –

MAD. [BUCHWALD]. Aber wohin denn? –

FR. V. KATZENB[ALG]. Zu mir nach Hause! – dich anders ankleiden – du siehst ja aus – wie – Gott ver-zeih mir’s ein Bürgersweib! ohne Frisur!

MAD. [BUCHWALD]. (erschreckend) Zu Ihnen gnädige Mama? – Ach! bedenken Sie doch, wenn er mich bey Ihnen fände, und suchen wird er mich da gewiß am ersten – was das für einen Auftritt gäbe.

FR. V. KATZENB[ALG]. Ha! ha! ha! – Er sollte sich nur so etwas in meiner Gegenwart

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unterstehen – wollts ihn schon lehren – doch ich habe einen Einfall – hier ist der Schlüssel für das bestellte Extrazimmer im Cassino! – dorthin werden wir dich bringen, ich schicke sogleich Frisuer und Kammerjungfer nach, die dich ankleiden! – itzt kein Wort Einrede! Der Graf und Chevalier werden dich dort schon unterhalten! –

MAD. BUCHW[ALD]. (unschlüssig) aber – die Etiquette! – ich mit zwey Männern.

FR. V. KATZENB[ALG]. Ha! ha! ha! – Sey nicht so kindisch! mit zwey Männern ist’s nicht wider die Etti-quette! – Nur mit einem! – Also komm nur! –

GRAF BLAUFINK. Parole d’honneur54 – Sie sollen grochen seyn, daß Sie eine Freude daran haben! –

CHEV[ALIER]. Allons mon ange!55 – wir woll’n lehr ihr Mann mak Cabriole56! – ha! ha! ha!

FR. V. KATZENB[ALG]. Komm nur und mach keine Ziererey – du mußt sich rächen – das fordert die Etiquette! –

MAD. [BUCHWALD]. (im Abgehen zu ihrer Mutter) Ich habe mit dem lieben Baron Lindenthal auf dem Ball Rendezvous verabredet – daß es nur dabey bleibt! –

FR. V. KATZENB[ALG]. Ohne Sorgen Närrchen!! – (sie ziehen sie fort, alle ab.)

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Vierter Auftritt.

(Gastzimmer des Barons)

BARON, PAUL und KASPAR. (alle drey aus dem Nebenzimmer kommend.)

BARON. Was ich gesagt habe, 200 Dukaten sind dein, wenn das Weibchen heute noch mein wird! –

54 Paro le d ’honneur| ‹franz.› Ehrenwort 55 Al lons mon ange !| ‹franz.› Gehen wir, mein Engel! 56 Cabr iole| ‹franz.› Luftsprung

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KASPAR. Und ich wiederhole was ich gesagt habe! – Sie soll Ihre seyn! –

BARON. Das Schwerste der Sache ist nur unsere Zusammenkunft! hier bey mir gehts nicht wohl an! – es ist ein Gasthof, wo man die Augen auf alles hat! –

KASPAR. Hm! Kinderey – bringen Sie sie zu mir – ich habe Extrazimmer genug, wo Sie mitsammen den ganzen Tag plaudern können! –

BARON. Das wäre freylich ganz artig, aber – es ist nur wegen Bemerkung vom Hausgesinde! – und wenn der Mann etwas davon erführe – o! da wäre es aus! –

KASPAR. Daß muß auch ein rechter Limmel von einem Mann seyn, der sich über einen Gespaß aufhält, wenn ein anderer mit ihr redt!

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BARON. Und ich stehe nicht gut dafür, daß du nicht selbst so ein Narr wärest! –

KASPAR. Ich? – ha! ha! ha! – itzt gehen’s – Aber sagen’s mir doch zur Güte, wer ist sie denn? –

BARON. Hm! ein Bürgersweib – aber schön – schön wie ein Engel – fast so schön wie dein Weib! –

KASPAR. Ein Bürgersweib? – und der Narr von einem Mann hält sich darüber auf, wenn ein so reicher Cavalier seinem Weib ein bisserl schön thut – o! du Esel! – er wird doch nicht denken, daß sein Weib für ihn allein auf der Welt ist.

BARON. Denkst du auch so? –

KASPAR. Nach Umständen gnädiger Herr! – Was ich nicht weiß, macht mir nicht heiß! – aber für mein Weib steh ich! –

BARON. Hm! das glaube ich auch! – Aber wieder auf unser Negozium zu kommen! – Zu dir soll ich das Weibchen bringen – der Gedanke ist nicht übel – und kann noch verdachtloser ausgeführt werden, wenn du recht ehrlich gegen mich seyn wolltest.

KASPAR. Gnädiger Herr 200 Dukaten haben Sie gesagt! können Sie an meiner Ehrlichkeit noch zwei-feln?

BARON. Ja der Teufel ist ein Schelm – die Neugierde könnte dich plagen, kurz du mußt

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mir schwören, daß das Weibchen in deinen Händen ganz sicher ist! –

KASPAR. Ich schwör schon!! –

BARON. Nu wenn das ist, so könnten wir den Meisterstreich erst voll machen – du führst das Weibchen auf den Ball und unter der Menge von Masquen führst mirs heimlich zu – das übrige laß nur mich machen.

KASPAR. Juhe! das ist ja gar lustig – richtig ich führ’s Weiberl auf den Ball – und werd’s Ihnen schon in die Hände spielen – so hat kein Teufel einen Verdacht Baron!

BARON. Itzt also muß Paul nur für Kleider sorgen, damit ich Sie zu dir bringen kann – denn in ihrem gewöhnlichen Anzuge könnte sie leicht entdeckt werden.

KASPAR. Still ein bisgen! – da habe ich schon wieder den klügsten Gedanken! – Mein Weib ist heute Abends nicht zu Hause! – Sie hat mich gebeten, ich möchte sie zu ihrer Muhme gehen lassen, und mir war’s sogleich lieb – wegen unserm Negotio! – Ich werde also sobald sie aus dem Hause ist, von ihr ein Kleid herbringen, ein Körbel mit Backereyen, das ziehen sie ihr an, und schickens mit Ihrem Bedienten zu mir – und so siehts jedermann in meinem Haus für mein Weib an! –

BARON. Bravo! bravissimo! – das ist ein herrlicher Einfall – zum küssen – für dein

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Weib – und sie hat gerade deines Weibes Grösse und Taille! –

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KASPAR. Das ist herrlich! trefflich! – Euer Gnaden die 200 Dukaten sind mein – sind mein – ich geh und hohl meines Weibes Kleider! bin den Augenblick wieder da! – (schnell ab.)

Fünfter Auftritt.

BARON und PAUL.

PAUL. (nach einer Pause) Aber gnädiger Herr!

BARON. Ich weiß was du sagen willst – doch Paul so wahr ich die Baroninn liebe – ich habe bey der ganzen Sache keine andere Absicht, als diesen Thoren, der um Geld so leichtsinnig alles hergiebt, durch sich selbst zu beschämen, und zu heilen – öffentlich soll er sein eigen Weib finden, die er mir verkuppeln wollte – das ist alles, was ich will – für mich giebt es kein anderes Geschäft mehr als die Liebe der Baronin! –

PAUL. O! wenn ich das einst von Ihrer Frau sagen könnte! –

BARON. Mit der Anmerkung bitte ich mich zu verschonen – doch ich habe für dich einen wichtigen Auftrag!

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PAUL. Für mich? –

BARON. Ja für dich! – (sieht nach der Uhr) halb 4 Uhr – es ist Zeit – Dieses Billet trägst du alsogleich zur Frau Baron v. Blande – übergiebst es ihr nebst diesem Paquetchen selbst – wohl gemerkt selbst – es ist die verlorne Handbraselette – der Werth ist zu groß – als daß du es jemand andern anvertrauen dürftest! –

PAUL. Baroninn von Blande selbst? – selbst? –

BARON. Ihr selbst! –

PAUL. Ihr selbst!! –

BARON. Und wenn du zurückkömmst, so suchst du mich im Kaffeehaus! (ab.)

Sechster Auftritt.

BARON allein.

[BARON.] Ja ihr selbst – der ich, je öfter ich mich an sie erinnere, gern mein ganzes Leben weihen woll-te? – Mich ergreift ein Gefühl, das, so neu es mir auch immer ist – so süß jede meiner Nerven durchzittert – und in der That! ich glaube ich bin auf dem Punkt die Schwärmerey zu hassen! – Da hab ich nun die weite

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Welt durchgesucht, und nirgend ein Herz gefunden! ein Herz! – und wenn du eines für mich hättest – denn daß sie mich das erstemal abwieß – das beweist noch gar nichts – Daß ich öfters liebte – was kann das die beleidigen, die ich noch nicht kannte – und daß ich nie geliebt wurde; – daß soll wohl gar über den armen Betrogenen ihr Mitleid rege machen – und hab ich nur einmal ihr Mitleid – von Mitleid zur Liebe ist der Schritt so klein, daß ihn das Herz oft lange schon gemacht hat – ehe es ihn bemerkt! – (ab.)

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Siebenter Auftritt.

(Cabinet der Baronin Blande.)

BARONIN und HENRIETTE.

(Baronin sitzt an der Toilette, und Henriette steckt ihr den Kopfputz.)

BARONIN. Du hast also den närrischen Menschen gesehen? –

HENRIETTE. In der That gnädige Frau, so närrisch auch der Auftritt war, so verrieth doch sein ganzer Anstand etwas nobles! –

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BARONIN. Etwas nobles? – Ey! ey! – hast du ihn denn gar so gut bemerkt? –

HENRIETTE. O! mir entwischt kein Blick von einem hübschen jungen Mann, und daß er beydes war – darüber können Sie mich doch nicht Lügen straffen gnädige Frau! –

BARONIN. Hm! ich läugne nicht, daß er eine hübsche Figur hatte! –

HENRIETTE. Auch daß er gut zu sprechen wuste! –

BARONIN. Wahrlich ein grosses Verdienst –

HENRIETTE. Auch das er ein warmes Herz haben mochte, läßt sich schwerlich läugnen! –

BARONIN. Ey seht doch – was du nicht alles an ihm bemerkt hast – sogar ein warmes Herz! – ha! ha! ha! über die arme Thörin. Ist er nicht ein Mann – und begreift dies Wort nicht alles böse in sich? –

HENRIETTE. Ihr Haß ist auch wider das Geschlecht gar zu unauslöschlich! –

BARONIN. (seufzend) O daß dieser Haß auch alle übrige Gefühle – die ein einziger dieses grausamen Ge-schlechtes in mir zurückgelassen hatte, auf ewig verlöschen könnte – wie wohl wäre mir dann – aber was ist all mein Haß – all mein Vorsatz? eine Fiebertändeley – denn all meinen Entwürfen zum Trotz, flieht ein Gedanke an den treulosen Verräther durch mein

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Gehirn – und weg ist der Vorsatz und Haß – ich bin wieder in der alten Sklaverey der Liebe –

HENRI[E]TTE. Ja! ja! seit sechs vollen Jahren so mancher Gefahr der Verführung ausgesetzet – und doch so standhaft, so treu – das nenn ich wahrlich Liebe – wenns doch nur noch Hexen gäbe, bey meiner Treu ich ließ ihm einen Spiegel vorhexen – wo er all ihren Gram und Kummer darin sehen müßte! –

BARONIN. Und was glaubst du, daß dieses nutzen könnte? – nichts! die Arme einer Buhlerin halten ihn umschlungen – und aus denen wird ihn nur die Verzweiflung reissen! –

HENRIETTE. Aber die Geschichte ist doch sonderbar! – Sie kannten sich nur einen Tag lang! –

BARONIN. Es war eine Heurath – wie man sie unter uns meistens zu machen pflegt, unsere Eltern verheuratheten ihre Güter nicht ihre Kinder! –

HENRIETTE. Ich erinnere mich noch ganz auf sein feuriges Benehmen bey der Koppulation – gerade so lebhaft, als heute der hübsche junge Mann! –

BARONIN. Kömmst du schon wieder auf den? –

HENRIETTE. Weil mich der, so lebhaft an Baron Wellbach erinnert, daß ich glauben könnte – nur die Zeit habe ein bisgen an ihn

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geändert – übrigens müßt er es selbst seyn – wenn’s nicht so gar unglaublich wäre!

BARONIN. Er selbst? – ha! ha! ha! – er selbst – der gute Baron ist – wie mir meine Freundin im letzten Brief schrieb, mit seiner Favoritinn nach England gereißt, und kümmert sich in ihren Armen wenig um den Kummer seines Weibes.

HENRIETTE. Je nun! so schlagen Sie sich nur wieder die traurigen Gedanken aus dem Kopf – das wird schöne Akademie und Ball geben! –

BARONIN. Und glaubst du daß mich etwas zerstreuete? – du irrst dich! mitten in dem Gewühl bin ich allein – suche ihn – und muß mich eine Närrin schelten – daß ich mich von meiner Einbildungs-kraft so betrügen lasse! –

EIN BEDIENTER. Ihro Gnaden! es verlangt Sie ein fremder Bedienter ausdrücklich selbst zu sprechen! –

BARONIN. Mich? laß ihn herein! –

HENRIETTE. Ich will indessen die andern Kleinigkeiten besorgen! (ab.)

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Achter Auftritt.

PAUL und die BARONIN.

BARONIN. Nur herein mein Freund! –

PAUL. Mein gnädiger Herr der Freyherr v. Lindenthal läßt Euer freyherrlichen Gnaden gehorsamstes Compliment melden – und nimmt sich die Freyheit Ihnen durch mich diesen Brief und Paquetchen zu übersenden! –

BARONIN. Freyherr von Lindenthal? – ich habe nicht die Ehre den Herrn Baron zu kennen! –

PAUL. Vielleicht wird dieses Billet Euer Gnaden mehr sagen! –

BARONIN. (erbricht und liest den Brief.)

„Gnädige Frau! Wenn Sie mein Brief, den Ihnen Klinger überbrachte, beleidiget hat, so will ich Sie gerne auf den Knien um Vergebung bitten – schreiben Sie es der Raserey einer Leidenschaft zu, die mich bishero das schöne Ge-schlecht von einer sehr unrühmlichen Seite nehmen ließ – vielleicht bin ich mehr zu bedauern, als zu verachten, und vielleicht liegt mein wahres Glück in Ihren Händen! –

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Sie waren so unaussprechlich großmüthig mir Ihr Bildniß zu lassen! – fü-gen Sie diesem so wichtigen Geschenke auch die Erlaubniß ihres Um-gangs bey, denn ich fühle, daß nur dieser im Stande seyn kann, mein verwundetes Herz zu heilen.“

Freyhr. v. Lindenthal

N.S. „Ich sende durch meinen treuen Diener das kostbare Behältniß, worin ihr Bildniß eingemacht war, zurück. – Lassen Sie den Raum, leer – ich will sehen, ob ichs verdienen kann, ihn durch mein Portrait auszu-fühlen – oder ob das Ihrige, meiner Hände unwerth, wieder seine alte Stelle einnehmen soll![“] –

[BARONIN.] (lächelnd) Ein sonderbarer Mann – dieser Hr. Baron! –

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PAUL. (seufzend) Ja das ist er! – aber gut – so gut – daß er wahrlich ein besser’s Schicksal verdiente! –

BARONIN. Besser Schicksal – ist er unglücklich, arm? –

PAUL. Arm nicht – aber doch gewiß unglücklich – wie ichs meyne, freylich scheints ihm nicht so! –

BARONIN. Je nun guter Freund! – auf den Schein kommt doch alles an! aber worin

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scheint ihm denn sein Herr unglücklich – wenn er nicht arm ist? –

PAUL. In den Gedanken, daß ihn nichts unglücklich machen könne!

BARONIN. Nu desto besser – so ist er ja eben ganz glücklich! –

PAUL. Ganz? – Gnädige Frau ich bin nur ein schlechter Tropf, aber unsereins hat doch auch gewiß seine 5 Sinnen – und wann ich die so recht zusammen nehme, so kömmt mirs immer heraus – daß wer alles süsser findet, dessen Gaumen nicht gesund ist – und wen nichts unglücklich machen kann, der ist nicht fähig glücklich zu werden! –

BARONIN. (aufmerksam) Woher diese gesunde Philosophie! –

PAUL. Erfahrung war mein Professor, und die Welt mein Lehrbuch –

BARONIN. Er kam wohl schon weit die Welt durch, mein Freund? –

PAUL. O ja! – Seit sechs Jahren hab ich so manches hübsches Ländchen gesehen! –

BARONIN. (hastig) seit sechs Jahren? –

PAUL. Sechs volle Jahre sinds, daß ich und mein Herr in der Welt herumkutschiren! –

BARONIN. (immer aufmerksamer) Er und sein Herr? – aber warum das? –

PAUL. Warum? – ja es scheint mir freylich eine Narrheit – aber jedermann hat doch

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eine – und ists die nicht – so ists eine andere – der sucht eine Universalmedizin – jener den Stein der Weisen – dieser des Zirkels Viereck, und jener das Perpetuum mobile! –

BARONIN. Und sein Herr? –

PAUL. Die Liebe! –

BARONIN. Ha! ha! ha! – die Liebe? – und hätte Sie wohl nirgend gefunden? –

PAUL. O ja! – wir sah’n sie auch in dem kleinsten Städtchen – aber kaum will sich mein armer Herr ihr recht in die Arme werfen, so ist sie wieder hundert Meilen Weges fort – und da heißt’s denn aufge-packt, und nachgefahren, und so hab ich nach Hoffnung in Grönland ein Souppe zu halten – und mich bey den Caffern57 auf Kokusmilch auf Mittag zu bitten! –

BARONIN. Die Hitze, mit der mich sein Herr heute aus der Kirche bis in mein Zimmer verfolgte, zeigt mir von der Flüchtigkeit seines Temperaments!

PAUL. O! wahrlich so flüchtig – daß er sogar den geübtesten Händen französischer Coquetten ent-schlüpfte! –

BARONIN. Und wie lange sind Sie denn schon hier? –

BARONIN. Seit vorgestern? – und ich habe heute schon zwey Liebesbriefe von ihm? –

57 Caffern| Kaffern – bedeutet Ungläubige; den Bantuvölkern zugehörige Völkerfamilie, die an der Ostseite Südafrikas beheima-tet ist (MGKL)

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[96]

PAUL. Heute erst möchte ich sagen! – wir waren oft kaum 3 Stunden in einer Stadt, und die Damen hatten schon helle Liebeserklärung –

BARONIN. (lächelnd) So wäre wohl diese auch ähnlichen Gewichtes? – und der gute Mann hätte gar nicht so unrecht in seinem Brief, über sein armes, krankes Herze um Mitleid zu bitten! –

PAUL. Das er wahrlich verdient, gnädige Frau! in der That ist es wohl leichter die armen Thoren verla-chen, als ihnen zu helfen! –

BARONIN. Daß ich’s könnte! – wie gerne wollt ich’s thun – ich weiß zu gut, was ein von Liebe zerrisse-nes Herz – für Qualen in sich begreift! –

PAUL. (hastig) Ja? – Nun so wäre ich wohl vielleicht zu dem besten Arzt gekommen? –

BARONIN. (forschend) Ist dieß der Auftrag seines Herrns? –

PAUL. Hm! – wahrlich nicht – Aufrichtige Uibergabe seiner Briefe mag er sich wohl verlassen – aber nicht auf Empfehlung! –

BARONIN. Nicht auf Empfehlung? – wenn also sein Herr sich um mein Herz bewürbe – würde er wohl vielleicht gar nicht dazu rathen? –

PAUL. Sie würden mich wohl auch darüber nicht zu Rathe ziehen gnädige Frau? –

BARONIN. Wenn aber doch? –

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PAUL. Nunso will ich Sie ohne Umschweif bitten, ja meinem Herrn den Abschied auf seine Liebeser-klärung zu geben! –

BARONIN. Den Abschied – wie so? –

PAUL. Wie so? um nicht auch die Zahl der Betrogenen, und einst die Qualen seines Gewissens zu meh-ren! –

BARONIN. Die Zahl der Betrogenen – die Qualen seines Gewissens? ist sein Herr vielleicht durch heili-ge Bande –

PAUL. Vor Gott und der Welt gefesselt! –

BARONIN. (betroffen.) Also verheurathet? – und seine Frau?

PAUL. Nagt an ihrem Kummer – oder folgt seinem Beyspiel! –

BARONIN. (immer mit zunehmender Unruhe) folgt seinem Beyspiel? – er kennt sie also wohl diese Unglück-liche? –

PAUL. Ich sah’ sie – da war sie eine schöne frische Blume – wie sie itzt aussehen mag? – Doch wie sie auch itzt immer aussehen möchte, wer sollte sie wohl nach einer sechsjährigen Abwesenheit und ei-ner so kurzen Bekanntschaft, als die unsrige war, gleich wieder kennen? –

BARONIN. Kurze Bekanntschaft? – Sechsjährige Abwesenheit? – (für sich) o! wie schlägt mein Herz!! –

PAUL. Wahrlich eine ganz besondere Geschichte !! –

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BARONIN. (ganz ausser Fassung) o! mein Freund – die Geschichte? – heraus damit! –

PAUL. Ist mit wenig Worten diese: – Der alte Herr Baron hatte einen Freund, dessen Tochter für sei-nen Sohn bestimmt war, ohne darum zu sorgen, ob ihre Herzen zusammenstimmen würden – Der junge Herr, von einem französischen Hofmeister erzogen – an Galanterie gewöhnt, hatte schon seit einiger Zeit mit einem Stubenmädchen im Hause einen gewissen vertrauten Umgang – Der alte Ba-ron kam aufs Todtenbette – und noch am Sterbetag wurde die Braut, die der junge Baron noch

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nicht einmal gesehen – abgeholet, und in aller Eile dem jungen Baron noch am nemlichen Tage an-vertraut – Das Stubenmädchen über ihren vereitelten Plan rasend, wußte den guten Baron dahin zu bringen, daß er noch den nemlichen Tag bey der Nacht, mit ihr floh, und Ehr und Gemahlin im Stich ließ –

BARONIN. (die sich nimmermehr zu fassen weiß, wirft sich in einen Stuhl) Guter Gott er ists! – er ists! –

PAUL. Diese elende Kreatur zeigte sich dann bald in ihrer wahren Gestalt! – mein Herr stieß sie von sich – wir veränderten den Namen, zogen die weite Welt durch, und suchen, was wir vielleicht zu Hause weggeworfen haben, – Ruhe und Frieden! – in dem Glück der

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Liebe! – Nun gnädige Frau wissen Sie alles – Sie nehmen Theil – Sie scheinen gerührt – Sie sind wahrlich aber auch die Erste, der ich diese Geschichte anvertraute – oder vielmehr, die mir’ s durch ihren Liebevollen Blick entlockte! –

BARONIN. (die bei der zunehmenden Erkenntniß der Wahrheit dieser Geschichte ihre aufwallende Freude nicht mehr bergen kann, faßt sich so gut, wie möglich) Guter Gott er ists! er ists Wellbach! –

PAUL. Wellbach! – Baron Wellbach! – so nennt sich mein Herr! – aber woher kennen ihn denn Euer Gnaden?

BARONIN. (sich fassend) So halb! – (für sich) O Herz nur dießmal verdirb mir nichts! – (zum Paul) hier gu-ter Freund, dieß für seine Erzählung (giebt ihm einen Beutel, wieder beiseite) O! nur wenige Stunden ruhig mit deinem Pochen! – (zum Paul) Hör’ er guter Freund, will er mir wohl den Gefallen thun, und sei-nen Herrn sobald wie möglich zu mir bringen?

PAUL. (stutzt) Zu Ihro Gnaden?

BARONIN. Ja zu mir! – aber bald – sobald wie möglich! – O! er weiß ja nicht, welche Belohnung seiner wartet! –

PAUL. O! keine bessere, gnädige Frau! – als die Bitte, daß Sie meinen armen Herrn von seiner Thorheit zurückbringen wollen – Vernunft kanns wahrlich nicht – meine einzige

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Hoffnung gründet sich noch auf eine liebenswürdige aber redliche Dame – und das, straf mich Gott, sind Sie ganz! – (ab).

Neunter Auftritt.

BARONIN allein

[BARONIN.] (dem Paul eine zeitlang nachsehend) Zurückbringen? – O! wenn ich das könnte, guter, ehrlicher, lieber Alter, – wenn ich das könnte, welch eines Sieges wollt’ ich mich freuen, wenn ich ihn wieder Mein nennen dürfte – mein – und auf immer mein! – auf immer? – o! hätte ich ihn nur erst wieder, das immer ist ja schon wieder ein zu stolzer Gedanke! – (mit Würde) Zu stolz? – und warum? – hat dieses Herz nicht Liebe genug; um für immer sie in der Fülle zu haben, oder ist nicht die Reihe des Vergebens an mir? – ja auf immer will ich den Flüchtling an mich halten – oder – er ziehe auf im-mer von mir ab, und unbekannt will ich sein Herz prüfen – und ist es gut – ist es – so sollen die Thränen seiner Reue und meiner Liebe all meinen Kummer wegschwemmen, und mir den abge-schwärmten Jüngling auf immer zum liebenswürdigen Mann bringen! – Wäre er aber der verwöhnte Bösewicht, den Wollust und

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Buhlerey zu jedem redlichen Gefühle verstummelte – o! so schwör ichs, soll mich auch keine auf-wallende Empfindung verrathen – unbekant flieh ich auf ewig von ihm – und will ihm so wenigs-tens den Triumph benehmen, zu wissen, daß sein eigen Weib um sein Herz gebettelt habe! –

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Zehnter Auftritt.

Ein BEDIENTER und die BARONIN.

BEDIENTER. Herr von Klinger wünscht Euer Gnaden zu sprechen! –

BARONIN. Klinger? – der Niederträchtige! – sagt, ich sey nicht zu Hause, doch wart (für sich) Er hat ja den Brief, (zum Bedienten) lasset ihn herein kommen! – (Bedienter ab.) Ich muß doch sehen, was er mir schreibt – und wie sein Karakter im Munde des Kupplers liegt! –

Eilfter Auftritt.

KLINGER und die BARONIN.

KLINGER. (mit allem Anstand eines feinen Betrügers) Gnädige Frau! ich bin beinahe mit mir selbst

[102]

neidisch, auf die glücklichen Augenblicke, in denen es mir ihre gütige Erlaubniß vergönnet Sie zu sehen! (Er küßt ihr mit Anstand die Hand)

BARONIN. (die ihre Unruhe hin und wieder blicken läßt, benimmt sich aber den ganzen Auftritt hindurch als eine Dame von der größten Weltkenntniß) Herr v. Klinger, als Mann von Ehre ist es mir immer ein Vergnü-gen Sie zu sehen! –

KLINGER. In der That meine schöne gnädige Frau – um diesen Preis, muß sich die Redlichkeit selbst eine Menschengestalt wünschen! – oder besser zu sagen – ich möchte wünschen auch den kleinsten Begriff dieses Worts ganz ausfüllen zu können! – und von allen Schwächen der Menschen befreyt zu seyn.

BARONIN. (wie oben) Pfui Hr. v. Klinger – Sie scheinen zu schwärmen, wer wird denn diese Schwäche so bitter bereuen? – diese machen ja den Menschen – und es gibt wohl gar liebenswürdige Schwächen! –

KLINGER. O ja! aber diese liebenswürdige Schwächen find ich nur in einer einzigen Person vereiniget! –

BARONIN. Sie sind mit einem Compliment im Anzuge – von etwas andern, wenn ich bitten darf! –

KLINGER. (sieht, daß sie ihm ausweicht, sucht seine Verwirrung zu verbergen) Wie Sie befehlen gnädige Frau! –

[103]

BARONIN. (für sich) Will doch sehen, ob er von dem Brief nichts spricht!

KLINGER. Werden Ihro Gnaden heute auf dem Ball im Cassino erscheinen? –

BARONIN. In der That Herr von Klinger, noch kann ichs selbst nicht bestimmen – Sie wissen ja – ich hänge sehr von meinen Launen ab! –

KLINGER. (macht ihr eine Verbeugung) O schöne, gnädige Frau, ich wünschte –

BARONIN. (sieht ihn bedeutend an, Klinger bricht ab, und nach einer Pause sagt sie) Haben Sie sonst nichts neues? –

KLINGER. Das ich nicht wüßte! – Türkenkrieg! – aber das ist beynahe schon so gut als was Altes! –

BARONIN. (für sich) Guter Baron! du hast deine Sache einem Schurken anvertrauet! (zu Klinger) Werden Sie wohl auch bey der Akademie erscheinen? –

KLINGER. Es soll ein sehr gewählter Zirkel von distinquirten Personen geladen seyn! –

BARONIN. (forschend) Auch viele Fremde? –

KLINGER. So wie ich höre! –

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BARONIN. (für sich) Nun halt ichs nicht länger aus – ich muß den Brief haben, (zu Klingern) A pros pos Herr von Klinger! Kennen Sie nicht einen gewissen Freyherrn v. Lindenthal? –

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KLINGER. Von Lindenthal – von Lindenthal? – (für sich, alle Wetter, wie kömmt sie auf den) O ja! – dem Namen nach! –

BARONIN. (bey Seite) Nein! das geht zu weit! – (zu Klinger) Sie kennen ihn also nicht weiter? – Ey seht doch den unverschämten Menschen – heut Morgens sah er mich in der Kirche – hatte die Vermes-senheit, mich bis in den Saal zu verfolgen – schwätzte mir wie unsinnig von seinen süssen Empfin-dungen vor – bezog sich auf ihr Wort – erwähnte sogar eines Briefs, den er mir durch Sie geschickt habe – und war wohl gar so vermessen – Gegenliebe von mir zu fodern –

KLINGER. (faßt sich und bricht in ein überlautes Gelächter aus) Ha! ha! ha! – Ha! ha! ha! O! verzeihen Sie gnä-dige Frau! – aber ich muß lachen – muß über dieß närrische Geschöpf von einem Baron herzlich lachen! –

BARONIN. (mit Verachtung) Sie kennen es also doch – dieses närrische Geschöpf von einem Baron?

KLINGER. O! verzeihen Sie gnädige Frau, aber ich muß über diesen tollen Menschen auslachen! Ha! ha! ha! Ha! ha! ha! –

BARONIN. (bei Seite) Der Elende! –

KLINGER. Ich irrte mich nur zuvor in den Namen – Lindenheim und Lindenthal – ja! ja! Lindenthal! – o! Sie werden lachen! wenn ich Ihnen all dieß tolle Zeug erzähle! –

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BARONIN. (bitter) Nu ich möchte ja heute gar so gerne lachen – daß Sie mir schon die Geschichte dieses tollen Menschen erzählen müssen!

KLINGER. Er sprach sogar von Ihrer Gunst –

BARONIN. Er sprach von Gunst? – von meiner Gunst – und prahlte zu Ihnen? – (verächtlich) zu Ihnen? –

KLINGER. Zu mir gnädige Frau! – Ließ mich mit dem Frühesten rufen – war ganz Feuer und Flamme – sprach von einem Portrait, das er von Ihnen erhalten hätte – drang mir einen Brief an Sie auf, und glaubte weiter nichts zu seiner Empfehlung nöthig zu haben, als sich bey Ihnen als reicher Cavalier melden zu lassen! –

BARONIN. (ihren Zorn unterdrückend) Und den Brief? –

KLINGER. Hab ich zwar bey mir – aber wahrlich, ich wollte Sie mit dieser unverschämten Albernheit nicht lästigen – denn was verdient dieser Thor anders, als – Verachtung!

BARONIN. Ey ey Herr von Klinger, Sie sind auch gar ein strenger Richter, lassen Sie uns immerhin die Thoren bemitleiden – (bedeutend) Nur den Betrüger wollen wir verachten!

KLINGER. (betroffen) Wie Sie befehlen gnädige Frau! –

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BARONIN. Sie müssen schon der weiblichen Neugierde verzeihen – es ist wohl eine Grille – aber doch ich möchte ihn lesen! –

KLINGER. Sie wollen ihn lesen? –

BARONIN. Ja blos aus Spaß – Sie haben mich ja schon auf alles vorbereitet – o! ich hab ja schon mehre-re Thorheiten gelesen, warum diese nicht auch? – geben Sie heraus! –

KLINGER. (äusserst verwirrt) Gnädige Frau! Sie befehlen es also? –

BARONIN. Ich bitte Sie darum! –

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KLINGER. (immer verwirrter, – zieht ihn aus der Tasche, und giebt ihr ihn so, daß das Siegel unter ihre Hand kömmt) Es ist Befehl! –

BARONIN. (wendet den Brief um, und da sie erblickt, daß das Siegel erbrochen ist, sieht sie Klingern verächtlich an, und sagt nach einer Pause) Der Brief ist ja erbrochen? –

KLINGER. (der sich nicht mehr zu fassen weiß, stottert) Der – der Brief erbrochen? – vielleicht durch – durch Zufall! –

BARONIN. (mit edler Verachtung giebt ihm den Brief zurück) durch Zufall? – Ich verstehs mein Herr! – Hier nehmen Sie diesen Brief nur wieder zurück – Ich mag nicht dem Zufall – den Verrath eines Freun-des einem Elenden zu danken haben! (will schnell fort, Klinger hält sie zurück, und fällt ihr zu Füssen.)

[107]

KLINGER. Hier gnädige Frau seh’n Sie mich zu ihren Füssen – die Liebe und Verzweiflung und das unnennbarste Gefühl

BARONIN. Der Schande – über die Entdeckung ihres niederträchtigen Karakters – sagen Sie mein Herr – und Sie hätten doch eine Wahrheit gesagt! –

Zweyter Auftritt.58

Herr BUCHWALD die Vorigen.

BUCHWALD. (etwas rasch hereintretend, indem er aber Klingern auf den Knien erblickt, will geschwinde wieder zurück) Gnädige Frau, verzeihen Sie meinem Kummer – ich wollt Sie nicht stöhren! –

BARONIN. O! nicht im geringsten – Sie konnten nie zur gelegenern Stunde kommen – würdiger Mann! –

KLINGER. (aufstehend) Würdiger Mann? – So? so? –

BUCHWALD. Der Schmerz eines redlichen Mannes ist groß, wenn er sich von Schurken hintergangen findet! –

BARONIN. (freudig zu Buchwald) So hätten wir ja einerlei Schicksal, aber was fehlt Ihnen – Herr Buchwald – diese Unruhe!

[108]

BUCHWALD. Dürfte Ihnen betheuern – daß meine Sache von Wichtigkeit ist – Kurz ich suche nichts geringers – als mein entlaufenes Weib! –

BARONIN. Ihre Frau!! –

KLINGER.

BUCHWALD. Ja mein Weib – mein Weib! – so nenn ich sie trotz all ihrer Thorheiten, die Sie je begieng – denn gnädige, Frau Sie ist im Grunde eine gute Seele! –

BARONIN. Aber um des Himmelswillen bester Hr. Buchwald, was ists mit ihr? –

BUCHWALD. Daß ich’s wüste – darum brennt mir’s eben im Kopf und Herzen! O! beste gnädige Frau – ich habe Sie immer als eine Dame vom besten Herzen gekannt – wissen Sie etwas von ihr, auf den Knieen will ich Sie bitten, sagen Sie mir’s – haben Sie Mitleid mit einem Ehemann – der sein Weib warm liebt, so ungewöhnlich es auch seyn mag, sein Weib warm zu lieben!

BARONIN. (theilnehmend) in der That Herr Buchwald! ich nehme lebhaften Theil, an dieser für Sie so unangenehmen Begegnung – aber wenn Sie mich um Ihre Frau fragen – so muß ich Sie auf Ehre versichern – daß ich nicht das geringste von ihr – nicht einmal von der Geschichte wußte –

58 recte: Zwölfter Auftritt.

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[109]

BUCHWALD. Nicht? – dieß Ehrenwort ist mir zu heilig! – Aber ich hätte mich auch in Gegenwart dieses Herrn (auf Klingern zeigend) nicht an Sie gnädige Frau wenden sollen – Dieser geschmeidige, zucker-süsse Herr; dieser Freund der ganzen Welt (ihn bey der Hand hönisch schüttelnd) wird gewiß davon wis-sen – Nun Herr v. Klinger, sie haben so manche artige Partie de Plaisir59 bestanden – vielleicht – was gilts, Sie wissen um diese auch? – und wär es auch einer ihrer Freunde, soll – holl’ mich der Teufel nichts davon erfahren, daß Sie mir’s gesagt haben – Ha! ha! ha! mein Wort und diese Börse! –

KLINGER. Mein Herr Buchwald! –

BUCHWALD. (den Hut abnehmend) So nenn ich mich! – also mit unserm Handel wollen Sie nicht einschla-gen? – Noch dazu verspreche ich Ihnen volle Vergebung – alle volle Vergebung, alle sag ich – da haben Sie meine Hand und Wort darauf – Sagen Sie mir nur, was Sie wissen – denn daß Sie etwas wissen, das sehe ich Ihnen an der Nase an – Nun also heraus damit! – Volle Verzeihung, und diese Börse Ihnen – Ihnen, und wenn Sie sogar der Unterhändler wären! –

KLINGER. (sich brüstend) Mein Herr! Sie verstehn sich doch auf den Punkt der Ehre? –

[110]

BUCHWALD. Der Ehre? – (hönisch) Ha! ha! ha! Gut daß Sie mich daran erinnern – denn ich vergaß ihn wirklich in diesem Augenblick! (wendet sich schnell zu der Baronin) – Verzeihen Sie gnädige Frau, daß ich mich in Ihrer Gegenwart so vergaß! –

BARONIN. O! liebster, bester Hr. Buchwald – ich wünschte nur Sie im geringsten beruhigen zu können, aber vielleicht weiß die Mutter! –

BUCHWALD. Die Mutter? – die Tollhäuslerin – gerade diese ist es ja, die an der ganzen Sache Ursache ist! –

BARONIN. Sie?

BUCHW[ALD]. Wer anders als Sie? – doch Sie sollen die ganze Geschichte erfahren! – ich muß fort – muß fort – muß sie finden – mein Weib – oder ich verdien’ nicht ihr Mann zu heissen, gnädige Frau leben Sie wohl! – (will fort.)

KLINGER. Halten Sie einen Augenblick – damit Sie sehen, wie weit ich mich auf den Punkt der Ehre verstehe – so will ich selbst meines besten Freundes nicht schonen – und Ihnen wenigstens eine Vermuthung entdecken – vielleicht eine unschuldige Vermuthung – aber –

BUCHW[ALD]. O! über den rechtschaffenen Mann! – meine Verschwiegenheit, und diese Börse! – Nu es bleibt ja dabey – nur heraus damit! –

[111]

KLINGER. (boshaft die Baronin ansehend) Alles was ich davon weiß, ist das ein gewisser Baron v. Lindenthal –

BUCHWALD. Lindenthal? –

BARONIN.

BUCHW[ALD]. Und weiter!! – hm! Lindenthal!

KLINGER. Heute mit ihr beim Mandolettikrämer im Gewölb um 12 Uhr Nachmittags Rendezvous ver-abredeten! –

BUCHWA[LD]. (heftig) Und wohin? –

KLINGER. Ja das weiß ich nicht! –

59 Par t ie de Pla i s i r| ‹franz.› soviel wie galantes Abenteuer

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BUCHW[ALD]. Nicht? – mein Herr – wirklich nicht? – nu das ist wahrlich nicht fein – Also Lindenthal heißt der feine Knabe – und ist von Profession?

KLINGER. Baron! –

BARONIN. (bey Seite) Guter Gott, wär es möglich, Lindenthal?

BUCHW[ALD]. Baron? – und Ihr Freund? – wahrlich das gäbe Hoffnung, daß Sie wenigstens keine ganze Lüge gesagt haben – Und wo wohnt dieser Baron? –

KLINGER. Beym goldenen Ochsen Nro. 14.

BUCHW[ALD]. Danke der Nachricht! – (will gehen)

KLINGER. Aber mein Herr! –

BUCHW[ALD]. Daß dich! – Ihr Gewissen braucht ja Medizin! – da! (wirft ihm die Börse zu) (ab.)

[112]

BARONIN. Pfui über die namenlose Niederträchtigkeit! (ab.)

KLINGER. (nach einer Pause) Ha! Frau Baronin – wenn alles verlohren geht – so ist eine wohlgespickte Börse doch noch der einzige Freund – der den Namen Schurke mit goldenen Buchstaben schreibt! – ha! ha! ha! – (ab.)

Dreyzehnter Auftritt.

(Scene, Zimmer des Barons im Gasthof.)

BARON und PAUL.

BARON. (der hastig zur Thüre hereintritt) So bald wie möglich, sagte sie, soll ich kommen? –

PAUL. Nicht anderst – sobald wie möglich!

BARON. (hitzig) Nu so gieb mir nur geschwind andere Kleider – denn im Kaput kann ich ihr doch nicht aufwarten – Sobald wie möglich! –

PAUL. (bringt Kleider) Hier Ihro Gnaden! – Und Evgen, wenn die kömmt? –

BARON. Soll warten bis ich zurückkomm! – Sobald wie möglich – o! herrlich! – und den Brief las sie? –

PAUL. Aufmerksam! –

BARON. Sieh’, wer kömmt! –

[113]

Vierzehnter Auftritt.

EVGEN, BARON, und PAUL.

EVGEN. Seh’n Sie Herr Baron, daß ich Wort gehalten! – aber es hat auch Mühe, und auf deutsch gesagt Lügen genug gekostet! –

BARON. Wie das, schönes Weibchen? –

EVGEN. Wie das? – denken Sie denn auch, daß ich nur so ausgehen kann, wie ich will – ich habe mei-nem Manne vorspiegeln müssen, daß ich heute den Nachmittag bey einer Muhme zubringen wollte, der ich schon lange einen Besuch schuldig bin – und da hat noch unsere saubere Hausmuhme mit-bitten helfen! –

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BARON. Er argwöhnt also nichts? –

EVGEN. Gar nicht das geringste – und ich kann den ganzen Nachmittag mit Ihnen zubringen –

BARON. Bravo, das ist gut – doch liebes Evgen muß ich dir sagen, daß dein Mann den Augenblick hier seyn wird!

EVGEN. Mein Mann? – lieber Himmel! da geh ich gleich wieder!

BARON. Nein, nein bleib du nur – hier in diesem Zimmer kannst du dich verbergen – auch wird er sich nicht lange aufhalten!

EVGEN. Was hat er denn aber hier zu thun?

[114]

BARON. Er bringt mir Kleider für dich! –

EVGEN. Für mich? – ich zittre! – weiß er es denn? –

BARON. Nicht von dir – er biethet mir aber Hand bey einem Rendezvous – den ich ihm vorgeschlagen, und ist um 200 Dukaten billig – dich mir zu überlassen.

EVGEN. Ich weiß gar nicht, wie mir geschieht!

BARON. Laß du das gut seyn – aus der ganzen Sache soll nichts böses kommen – und dieser Spas soll deinen Mann von all jenen Geldtragenden Projekten – die der Beutelschneiderey so ähnlich sehen, mit einem zurücke bringen.

EVGEN. Tausend Dank! – das war schon lange mein Wunsch, ich will also gleich wieder nach Hause gehen! –

BARON. O! das nicht! – du mußt ja gerade den Spaß erst vollkommen machen – siehst! du mußt heute auf den Ball ins Casino!!

EVGEN. Ich ins Casino? – itzt gehen Sie, machen Sie wieder Spaß!

BARON. Nein – nein das ist wirklicher Ernst – dein Mann selbst wird dich dahinführen!

EVGEN. Ich verstehe kein Wort!! –

BARON. Hier hast du eine Masque (er giebt ihr eine Larve) sobald du deinen Mann hörest, so binde sie um, und damit du wieder alle Gefahr des Erkennens gesichert bist, wenn ihn ja seine Neugierde unter die Thür bringen sollte! –

[115]

Hurtig ins Nebenzimmer, ich höre deinen Mann!! (Paul führt sie ab.)

Fünfzehnter Auftritt.

KASPAR und BARON.

KASPAR. (mit seiner Frau Kleider) Da wär ich – da sind Kleider, itzt also geschwind angefangen! – Gnädi-ger Herr für das übrige schaff ich schon Rath – wann das Mauserl nur einmal in meinem Hause ist –

BARON. Herrlich! treflich! – aber ich sag dir’s, der Mann, der Mann – wenn der uns über den Hals kä-me! – (er nimmt die Kleider, gibt sie Paulen, der zur Thür hinaus sieht, und sagt,) Da nimm, und besorg! –

KASPAR. Kinderey! – lassen Sie nur mich sorgen – ich sag’s Ihnen ja – ich hab ja mein Lebtag mehr solche Prozesse unter den Händen gehabt! –

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[116]

Sechzehnter Auftritt.

BUCHWALD und die Vorigen.

BUCHW[ALD]. (vor der Thüre) Also hier wohnt er?

BARON. (ihm entgegen gehend) Was beliebt?

BUCHW[ALD]. (gesetzt) Sie sind Freyherr von Lindenthal? –

BARON. Zu dienen! – und weiter mein Herr! –

BUCHW[ALD]. Die Frage des weitern ist an mir Herr Baron – Sie sind vermuthlich eilig – schon in Para-de! – ha! ha! – Sie müssen mir schon vergeben, wenn ich den Rendezvous ein bisgen verzögere! – ich heiße Buchwald – sagt Ihnen mein Namen noch nicht, warum ich da bin! –

BARON. (äusserst höflich) Herr Buchwald! – He! stille!! – Es freut mich ungemein die Ehre zu haben Sie persönlich kennen zu lernen.

BUCHW[ALD]. Mich nicht! –

BARON. (stutzend) Was aber bringt mir die Ehre Ihres Besuchs?

BUCHW[ALD]. Das nämliche, was Sie ein bisgen eiliger aus dem Hause hätte bringen sollen! –

BARON. Aus den Hause bringen sollen? –

BUCHW[ALD]. Kurz der Gegenstand Ihres Rendezvous mein Herr! –

[117]

BARON. (verwirrt) Mein Rendezvous! – Sie wußten also?

BUCHW[ALD]. Alles! –

BARON. (immer verwirrter) alles? –

BUCHW[ALD]. Bleiben Sie nur hübsch gelassen – Sie sehen ja noch bin ichs auch! – Sie haben mir nur eine kleine Gefälligkeit zu erweisen!

BARON. Und die wäre? –

BUCHW[ALD]. Mich zum Rendezvous mitzunehmen! –

BARON. Mitzunehmen? – Sie wissen also wohin?

BUCHW[ALD]. Zum Rendezvous hören Sie ja! – nur nicht viele Umstände – ich habe einen Wagen mit ein paar guten Pferden vorm Thor – wollen zusammen fahren, hurtig sag ich! – oder

BARON. Aber ich weis nicht – sollte wohl ein Irrthum? –

BUCHW[ALD]. O! ja! – ein itzt sehr gewöhnlicher Irrthum! – Sie kennen doch meine Frau?

BARON. O! ja! ich habe das Vergnügen ihre liebenswürdige Frau zu kennen!

BUCHW[ALD]. Liebenswürdige Frau! – So! so! – danke für den guten Geschmack! – Sie sprachen sich ja heute! – (auf Kaspar zeigend) im Gewölb dieses honetten Herrns da? –

KASPAR. Das geht mich an! – verstehs schon! –

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BARON. Ja es ist wahr! – ich hatte das Glück sie da zu sprechen!

BUCHW[ALD]. Das Glück! ha! ha! – Nun Gott seys Dank! so hat mir der Schurke für mein baares Geld keine Lüge gesagt! – Nu so sind wir richtig! – Herr ihr schaft mir mein Weib – kommen Sie!! –

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KASPAR. (bei Seite mit Karrikatur) Sein Weib? – bravissimo! ja du Narr ich wusts wohl! – ha! ha! ha! – wenn der ihm übers Nebenzimmer kömmt, so ists aus! – Au weh! meine arme 200 Dukaten – O! du Esel von einem Mann – der um ein Weib so viel Wesens macht! –

BARON. Ihre Frau? – auf Ehre ich weis sie nicht! –

BUCHW[ALD]. Nicht? – und auf Ehre? – Ehre ha! ha! ha! – Klingers Freundschaft und Ehre – alles ei-nerley Gelichter – lauter gangbare Münze – nach dem neuesten Gepräg – Kurz ohne Umstände mit mir! –

BARON. Herzlich gerne! – aber ich habe ein dringendes Geschäft, ich habe Eile! –

BUCHW[ALD]. Daß weiß ich alles! – ich auch! – wir wollen uns mitsammen finden! – (plötzlich nach dem Zimmer sehend, wo Evgen eingeschlossen ist) Guter Gott! – was seh’ ich! eine weibliche Figur – ha! wer ist das? – (er will nach dem Zimmer, alle halten ihn)

[119]

BARON. Sie werden doch nicht meine Zimmer visitiren?

BUCHW[ALD]. Die Hölle! – und euch Teufel herausjagen – um mein Weib daraus zu befreyen! (er schleu-dert alle weg, läuft hinein, man hört schreyen.)

BARON. (äußerst unruhig) Nu das ist saubre Wirthschaft!

KASPAR. Das ist eine Pastete! – o! verfluchter Gedanke! –

BUCHW[ALD]. (man hört von innen) die Masque ab! – die Masque ab!!

BARON. Um des Himmelswillen – das wär ja ein verfluchter Streich! –

BUCHW[ALD]. (reißt Evgen heraus, die mit einer Hand die Masque fest hält) Du bist entlarvt – Morgen spre-chen wir uns vor Gericht! –

BARON. Um des Himmelswillen es ist Irrthum – es ist nicht ihre Frau! –

BUCHW[ALD]. Nicht? – ha! ha! – hab ich sie nur aus der Räuber Händen – will ihr schon die Masque ablösen! – Morgen vor Gerichte! – (sie wollen ihm den Weg vertreten, Evgen wehrt sich, aber spricht nichts)

BUCHW[ALD]. (schleudert alle auf die Seite, und führt Evgen fort, indem er sagt) Burschen wäret ihr Männer, so wüßtet ihr, wie man sein Weib retten muß! – (ab mit Evgen.)

[120]

BARON. (läuft ein paarmal auf und ab) Schurke, das ist dein Werk! –

KASPAR. Saubere Wäsch! itzt wie kriegen wir’s wieder? Au weh! meine 200 Dukaten!! –

PAUL. So gehts!!

BARON. (zu Paul) Lauf, was du laufen kannst, – denn lange kann der Irrthum nicht dauern – seine Au-gen werden ihn bald selbst überzeugen! –

PAUL. Ja aber gnädiger Herr –

BARON. Lauf sag ich! – und bring sie dem Kaspar – hörst du? – mich findest du bey der Baronin! – (ab.)

KASPAR. Bey der Baronin! – und das ist auch nicht die rechte! Bravo – da gehts mit die Amouren wie bey mir mit die Butterkrapfeln! – Nu schon recht! – Wann ich nur meine 200 Dukaten kriege, aber auweh! auweh! ich denk alleweil, das ist so ein eifersüchtiger Lienl der keinen Spaß versteht! – Itzt möcht ich doch wissen, ob ich auch so ein Esel wäre, wenn mir so ein Spaß mit meinem Weib ge-schähe.

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Siebenzehnter Auftritt.

(Kabinet der Baronin)

BARONIN und HENRIETTE. (Die Baronin steht in ganzem aber sehr geschmackvollem Putz vorm Spiegel – Henriette verbessert noch hin und wieder ein und das andere.)

BARONIN. Schon gut Mädchen – laß nur diese elegante Ziererey, ich will ja nicht so jedes Fältchen wie bey einer Dratpuppe ausgezirkelt wissen – Laß das, ich bitte dich und sag mir lieber, wie ich im ganzen genommen aussehe? –

HENRIETTE. Ich soll Ihnen das sagen – ich gnädige Frau? – nur ein Blick in Spiegel – und Sie sind von einer Wahrheit überzeugt, die Sie bey mir wenigstens Schmeicheley nennen würden!

BARONIN. So? – ich wills aber gerade ja von dir wissen – ich traue meinem Spiegel nicht – er lügt – mein Auge lügt! – meine Einbildungskraft lügt! Kurz ich traue meinen Sinnen eben so wenig – als – meinem Herzen! –

HENRIETTE. Ey! ey! Gnädige Frau! was geht in Ihnen vor! –

[122]

BARONIN. Was? – komm her, sieh’ mich an – recht an – Aug in Aug! – nu weißt du’s nicht? –

HENRIETTE. Nein!!

BARONIN. Ich auch nicht! – aber es ist etwas – etwas – was ich heute zum erstenmale in meinem Leben fühle – etwas was sich aber auch nur fühlen – nicht sagen läßt!! –

HENRIETTE. Nu so ists wahrlich die Liebe! –

BARONIN. Die Liebe? – bravo Frau Räthin! – also die Liebe! aber Henriette wie seh ich denn aus? –

HENRIETTE. Wahrlich schön, wie eine Venus! –

BARONIN. Ey pfuy Mädchen! – daß dir auch nur so ein abscheulicher Vergleich im Munde kommen möchte! – wie Venus! – Mädchen! – Mädchen – ich möchte um alles in der Welt nicht einer Venus gleichen! –

HENRIETTE. Aber warum denn nicht? –

BARONIN. Weil ich gerade nicht die todte Schönheit seyn möchte! Schönheit – nein wahrlich das wäre gerade nicht alles, was ich itzt brauchte! –

HENRIETTE. Nicht Schönheit allein – die Grazien umschweben Sie auch mit all Ihren Reitzen! –

BARONIN. (lächelnd) Besser gesagt Jungfer Poetin! –

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HENRIETTE. Aber nur ein bisgen Rouge – um das sanfte blaue Auge mehr zu erhöhen! –

BARONIN. Ey seht doch wie das Mädchen sich auf die kleinsten Kunstgriffe der Coquetterie versteht! – Nu wenn du meinst!

HENRIETTE. (geht zur Toilette, Baronin aber hält sie plötzlich ab.)

BARONIN. Nein nichts doch! – keine Schminke! – Er soll keine Lüge auf meinem Gesichte finden!

HENRIETTE. (hastig) Er! – wer? –

BARONIN. (betroffen) husch! wie das über meine Zunge flog! – Nein! nein es ist nichts – ich sag dir’s Mädchen, es ist nichts! –

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HENRIETTE. Nichts? – wahr! – es war nur eine Sylbe – Er! aber diese Unruhe macht sie zum bedeu-tendsten Worte!

BARONIN. unruhe? – diese meine Unruhe! – was dir einfällt, albernes Mädchen! – Ich sey unruhig! – (sich zwingend) Sieh nur einmal, wie ruhig ich bin – mir ist wohl – so wohl, wie einem Fisch im Was-ser – wie einer Braut, der die Glocke zur Trauung schlägt – aber nicht wie sie mir vor 6 Jahren schlug! – ganz – wohl! – wirklich ganz wohl!! –

[124]

Achtzehnter Auftritt.

Ein BEDIENTER – Vorige.

BEDIENTER. Euer Gnaden der Freyherr von Lindenthal will die Gnade haben, –

BARONIN. (freudig) Lindenthal? – (bei Seite) das gieng durch’s Herz! (laut) er soll mir willkommen seyn! – Mädchen sieh nach meiner Masque!! –

HENRIETTE. Freyhr. von Lindenthal? – und Er! – nu ja doch – das wär’s auch – ha! ha! ich will sogleich nach Ihrer Masque sehen! (ab.)

BARONIN. Nun Herz halt uns! – o! wie mir ist! –

BARON. (Tritt ein, und macht eine ehrfurchtsvolle Verbeugung) Gnädige Frau – Ihre gütige Erlaubniß (stockt)

BARONIN. (ihm schnell entgegen eilend) o! mein! – (faßt sich aber) Herr Baron – ich habe um die Ehre Ihres Besuches gebeten!

BARON. Gebeten? – o! gnädige Frau! – Sie wollen mich um Worte in Verlegenheit setzen – aber –verzeihen Sie – Sie sehen meine Verwirrung – meine – ich habe – keine Worte! –

BARONIN. (für sich) O! Himmel! es geht mir auch so (laut) wollen Sie sich nicht setzen? –

[125]

BARON. Wie Sie befehlen! (er langt Stühle) ich zittre, als ob ich vor Gericht stünde! – (sie setzen sich)

BARONIN. (bey Seite) O! wie sein Blick das Innerste meiner Seele durchdringt – (zum Baron) Hr. Baron ich ließ Sie zu mir bitten, um über eine Sache von Wichtigkeit mit Ihnen zu sprechen! –

BARON. Gnädige Frau – ich kenne nur eine Sache von Wichtigkeit! –

BARONIN. Und die wäre?

BARON. Wenn die Rede von Ihnen ist!

BARONIN. So könnt es wohl hier der Fall seyn! –

BARON. O! denn reden Sie – reden Sie – entdecken Sie mir alles – ihre Befehle – ihre Wünsche – ihre Winke – können nur bey ihrer Erfüllung mit meinem Leben um die Wette laufen!! –

BARONIN. Mässigen Sie einen Augenblick dieses Feuer – das all ihre Adern zu zerreissen scheinet! –

BARON. Auch das, ich will meinem Herzen Ruhe gebiethen – ich will –

BARONIN. (bey Seite) auch ich will (zum Baron) Sie haben mir einen Brief geschrieben, der nach den Beg-riffen eines ehrlichen Mannes von der größten Bedeutung ist! –

[126]

BARON. (hastig einfallend) O! ich will alles – alles beschwören – mit meinem Blute besiegeln, was ich schrieb – alles, was ich schrieb! –

BARONIN. (lächelnd) Sie wollten Ihrem Herze Ruhe gebiethen! –

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BARON. Ich wollte – gnädige Frau! – ich wollte! –

BARONIN. Gut denn! – Es kömmt hier nicht auf einen Schwur an – denn verzeihen Sie Hr. Baron – was ist wohl einem Mann um einen Schwur zu thun! (ihn starr ins Gesicht fassend) Schwüre, am Altar unter Gottes Angesicht geschworen – ist Männern um einen unedlen Wunsch zu befriedigen nur ein Kinderspiel – Sie müssen mir das gewiß zugeben, Herr Baron? –

BARON. (äusserst betroffend) O! ja gnädige Frau zuweilen! –

BARONIN. Zuweilen? – aber was fehlt Ihnen Hr. Baron, Sie sind unruhig! –

BARON. (wie oben) Unruhig? o! nicht im geringsten, nur der Begriff, den Sie von uns Männern haben! –

BARONIN. Lassen Sie das immerhin gehen, dieser Begriff, den ich habe, ist noch kein Zweifel gegen Sie – ich bin offenherzig und wünsche des Herzens gewiß zu seyn, das ich besitzen will! –

[127]

BARON. (zu ihren Fussen stürzend mit dem ganzen überströmenden Gefühl der Zärtlichkeit) O! du – deren erster Blick meine ganze Seele durchdrang – hier – hier schwöre ich dir vor den Augen des Himmels ewi-ge Liebe und Treue – noch kannte ich sie nicht – noch fühlte ich sie nie jene schöne süsse Empfin-dung – die jetzt in meinen Adern schlägt! O! wie lange – wie lange suchte ich Herz – und Dank dir Vorsicht – itzt! – itzt hab ichs auf immer gefunden! O! ich lese einen Kampf in deiner Seele – laß die Liebe siegen – es ist die einzige Empfindung, die den Menschen zum Engel

BARONIN. (sich mit dem größten Schmerz loßreissend) oder zum Teufel macht! –

BARON. (aufspringend) Guter Gott! was ist Ihnen gnädige Frau? –

BARONIN. (die alle ihre Kräfte zusammennimmt und sich zu fassen sucht) Verzeihen Sie Hr. Baron – es war eine unwillkürliche Aufwallung! (für sich) Ha! der Betrüger; doch ich will ihn aufs äusserste bringen – ich habe ja nichts mehr zu verlieren! –

BARON. (ängstlich) Gnädige Frau! was ist Ihnen – ich bitte Sie – was ist Ihnen? –

BARONIN. Nichts! wahrlich nichts! – Sie sollen es bald sehen! – Ich kann Ihnen auf Ihre feyerliche Lie-beserklärung – nicht so poetisch antworten! aber Sie dürfen dieser

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ungezierten Antwort mehr als einem Schwur trauen! – Ich liebe Sie – treu und redlich – unver-brüchlich und heilig – nichts als der Tod würde mich von Ihrer Seite reissen! – Haben Sie Lust die-sen Bund auch von Ihrer Seite mit mir einzugehen, so geben Sie mir Ihre Hand!

BARON. (mit allem Feuer der Liebe) Meine Hand – mein Herz – mein Leben – mein Glück – hier nimm sie – ewig ewig sey sie dein – ewig.

BARONIN. (mit aller möglichen Empfindung) Ewig! – so solls der Himmel hören – in wenigen Augenblicken solls vor dem Altar wiederholt werden.

BARON. (die Baronin plötzlich loslassend) Vor dem Altar?

BARONIN. Was staunest du darüber Mann – der du dich mein nennen willst? Ohne Altar habe ich für dich keine Hand! –

BARON. Also heurathen? –

BARONIN. Herr Baron ich both Ihnen mein Herz und meine Hand!

BARON. O! und mit derselben den Himmel!

BARONIN. Und schlagen ihn aus? –

BARON. Ich nehme ja beydes – ich gebe Ihnen beydes dafür – was wollen Sie noch mehr? –

BARONIN. (bitter) Bestättigung vor dem Altar (noch bitterer) vielleicht sind der Herr Baron

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[129]

durch heimliche Bande gefeßelt – und da bewahre mich Gott – daß ich an dem elendsten aller menschlichen Werke – an der Verzweiflung eines Weibes Ursache seyn sollte! –

BARON. (den sein peinigendes Gefühl ganz übermannt, für sich) Guter Gott was leide ich! – aber nicht möglich – hier ists um das Glück der Liebe zu thun! Sey du (gegen den Himmel) Richter zwischen Pflicht und Empfindung! (er sieht auf sie hin) Ganz! – ewig unzertrennlich Dein! –

BARONIN. Vor dem Altar?

BARON. Vor dem Altar, wenn sie wollen?

BARONIN. (für sich) Es ist um mich geschehen!! – (zum Baron) Nun wohl Herr Baron – so wären wir Handel eins – itzt entfernen Sie sich, schicken mir Ihren treuen Diener, und in einer Stunde wissen Sie alles, was Sie zu wissen nöthig haben – á dieu Herr Baron von Lindenthal!

BARON. Entfernen mich? – in einer Stunde weiß ich alles! – aber warum das – warum meine Liebe – warum mich von Ihnen trennen? – (er will sie umarmen)

BARONIN. Sachte noch! – in einer Stunde wissen Sie alles – itzt leben Sie wohl! – (mit einem Blick des erbarmenden Mitleids) Leben Sie wohl!! –

[130]

BARON. Wohl – wohl mit Thränen gesprochen! – (Baronin giebt ein Zeichen zu gehen) Doch ich gehorche – (im Abgehen) Ich bin ein Schurke – o! wollte doch ein Todtenschein von meinem Weib mich wieder zum ehrlichen Manne machen! (ab.)

BARONIN. (ihm nachsehend) Da flieht er hin der Verräther – Ha! daß ich ihm dieses grausame Gefühl nachschicken könnte! (entschlossen) Er ist für dich verloren Amalia! – unwiderbringlich verlohren – Meyneid und Gotteslästerungen sind ihm Kleinigkeiten – und solch einen Mann zu lieben! (hält plötzlich inne) Nein weg mit euch Gedanken von seiner Wiederkehr – der ist zu tief gefallen, der Gott und sein Herz zu läugnen im Stande ist!! – Henriette! – Henriette!! –

HENRIETTE. Gnädige Frau!! –

BARONIN. Du packst alle Kleider zusammen – schickst nach der Post – nach Mitternacht verreisen wir! –

HENRIETTE. Verreisen – und Herr Baron von Lindenthal? –

BARONIN. Reist nicht mit uns! –

HENRIETTE. Nicht? o! so wirds eine traurige Reise geben! –

BARONIN. Meinest du? – ich denke auch! – wenn der Bediente des Barons kömmt, so

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bring ihn zu mir – ich gehe auf mein Schlafkabinet noch einiges in Ordnung zu bringen! Betrug, dein Name ist Mann!! – (ab.)

HENRIETTE. Sie erwartet den Bedienten des Barons – ha! ha! da ist noch nicht alles verlohren!! –(ab.)

Neunzehnter Auftritt.

(Grosser Saal mit aufgestelltem Orchester, viele Stühle)

JAKOBERL allein.

[JAKOB.] (in einem gestickten Kleid, mit einem Federhut und Degen – er trägt einen grossen Krug, und lacht sehr dumm) Ha! ha! ha! das soll einen Spas geben – wenn die Weibsbilder alle so umher taumeln werden – ha!

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ha! ha! – Ich bin doch ein loser Vogel – aber da wird mein Herr Papa gewiß lachen – Brandwein statt Wasser! und die Weibsbilder die werden Gesichter schneiden! – o! jeges ha! ha! ha! (kostet) Nu das Ding ist nicht übel! Aber still potz Fikrament da kommen schon Leute – itzt will ich schauen wie ich den Krug dem Bedienten in die Hände praktiziere – allons marsch! (ab.)

[132]

Zwanzigster Auftritt.

KLINGER der BARON.

BARON. (zornig) Lassen Sie mich! – Sie sind ein ehrloser Mann! –

KLINGER. Jedem andern würde ich mit dem Degen darauf antworten – aber Herr Baron ich bin ihr Freund – ihr wahrer Freund – und Freunden kann man ja auch eine unbillige Hitze vergeben! –

BARONIN. [recte: BARON] So? – meinen Sie – wirklich? –

KLINGER. Werde Sie davon zu überzeugen wissen – aber Morgen nicht Heute – Morgen sag ich – wenn Sie ruhiger seyn werden, die Baronin ist in den Kunstgriffen der Gallanterie geübt – Sie wer-den auf meine Worte kommen – Sie hat Sie aus Eifersucht – nicht ich verrathen – doch ich werde Sie überzeugen von allen aber Morgen – Morgen sag ich! –

BARON. Wäre es möglich Klinger? –

KLINGER. Ruhig Freund! – Sie können hier in Wien eine Rolle spielen – aber ich rathe Ihnen als Freund – kein ernstes Engagement – kein ernstes Engagement – alle grosse Entwürfe scheidern sonst! –

BARON. O Klinger, wo giebt es einen

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grössern Entwurf als das Glück der Liebe – mein Herz gehört auf ewig der Baronin! –

KLINGER. Possen Herr Baron! – ein einziger Ball kurirt Sie von Ihrem platonischen Fieber!! – à pros pos! Sie werden doch heute Abends nicht Ihren Rendezvous mit Frau v. Buchwald vergessen? –

BARON. Faseln Sie? – mit Frau v. Buchwald – ihr Mann sucht sie ja überall auf! –

KLINGER. Ha! ha! ich muß lachen – er mag suchen! – wahrlich ich bin ein Freund vom Hause – ich habe gesorgt, daß er uns nicht stöhre! – Ein Billet ohne Namen – verräth ihm einen Aufenthalt mehr, auf dem Lande – wo sich die Dame befinden soll – er reist ihr nach, und wir haben freyes Feld! – Doch da kömmt schon die Gesellschaft!

BARON. (für sich) Welch ein Mensch!! –

Ein und zwanzigster Auftritt.

(Die Musici treten mit ihren Instrumenten ein – eine Menge Herrn und Damen von allen Seiten – Herr und Frau v. KATZENBALG in vollem lächerlichen Staat! Frau v. BUCHWALD auf das äusserste geputzt, von CHEVALIER und

dem GRAF BLAUFINK geführt – sobald diese den Baron erblickt, läßt sie beyde los, und geht auf ihn zu.)

MAD. BUCHW[ALD]. Endlich daß ich Sie finde – liebster – bester Baron! –

[134]

BARON. Gnädige Frau! wie sehr muß ich es dem Glücke Dank wissen, das mich in Ihre Gesellschaft bringet! –

FR. V. KATZENB[ALG]. (zu ihrem Manne) Sieh nur mein Schatz – da sieht man gleich, daß dieß ein Cava-lier ist – er sagt zu unserer Tochter Ihro Gnaden! – (zum Baron) Herr Baron ich bin unendlich stolz

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auf die Ehre, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben – Du mein Schatz, das ist der Baron Linden-thal!

HR. V. KATZENB[ALG]. Ist mir eine grosse Ehre, den Herrn Baron bey mir zu sehen!

BARON. Diese Ehre gilt mir – doch ich bitte ohne Komplimente! (alle gehen an ihre Plätze, die Musici stim-men.)

MAD. BUCHW[ALD]. Sie gehen doch mit uns auf das Cassino – Billets haben Sie? –

BARON. Ich weiß Sie da zu finden, und sollte wegbleiben! –

MAD. BUCHW[ALD]. O! ich verlasse mich ganz auf Sie!! –

FR. V. KATZENB[ALG]. He! Domestiken – Chiocolate – Erfrischungen!! – (die Domestiquen bringen sie.)

HR. V. KATZENB[ALG]. Itzt wird sich mein Sohn mit einem Konzert hören lassen –

JAKOBERL. Ich mag nicht Vater! – ich kann nicht – ich will nicht! –

[135]

FR. V. KATZENB[ALG]. St. St. um des Himmelswillen sey nur stille, und laß dich hören – sollst Zucker-werk bekommen – Rosoglio60 – alles, was du willst!! –

JAKOBERL. Aber ich kann ja nichts als zwey Steyrische!! –

FR. V. KATZENB[ALG]. Nu so geig die – geh’ mein Söhnl’ geh’! –

JAKOBERL. Nu meinetwegen ich geigs! – (während er zum Pult geht, hört man verschiedenemale rufen) Glaß-Wasser!

FR. V. KATZENB[ALG]. Domestiquen, Wasser!! – Wasser!! –

Jakoberl. (geigt) alle lachen hell auf – die Domestiquen bringen den Brandwein, die Damen trinken – auf einmal entsteht ein Lärm, und man hört rufen.

Zwey und zwanzigster Auftritt.

(Hr. BUCHWALD tritt rasch ein, und erblickt seine Frau am Arm des BARONS, eilt also gleich auf sie zu.)

HR. BUCHW[ALD]. Ha! Verführer hab ich dich endlich doch auf der That? –

MAD. BUCHW[ALD]. (sich loßreissend und schreiend) Gott mein Mann – mein Mann! –

HR. BUCHW[ALD]. Ihr Mann! ihr Mann! – das sollen Sie sehen! –

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BARON. Herr Buchwald bedenken Sie doch den Ort! –

HR. BUCHW[ALD]. Den Ort? – das Nest der Schande ha! ha! bedenken! – Morgen sprechen wir uns weiter! (er will seine Frau fortführen.)

FR. V. KATZENB[ALG]. (springt wie rasend dazwischen) Wie, was untersteht man sich, in meinem Hause, vor der ganzen Assemblée61 meine Tochter zu beschimpfen! – wer darf das wagen, nicht einen Schritt, oder man hat es mit mir zu thun! –

HR. BUCHW[ALD]. Und wärs mit dem Teufel – und wärs in einem königl. Palaste – meine Rechte sind heiliger, als ihr albernes Etiquette! – Ihr Diener Madam! – (er will mit seiner Frau fort, diese aber reißt ihm aus.)

MAD. BUCHW[ALD]. (fliegt in ein Nebenzimmer) Ach zu Hülfe – zu Hülfe!

60 Rosog l io| Rossolio – italienischer Kräuterlikör (OE) 61 Assemblée| ‹franz.› Festversammlung, Runde

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HR. BUCHW[ALD]. (ihr nach) soll dir geholfen werden Schätzchen – soll dir!! –

FR. V. KATZENB[ALG]. (fällt in einen Sessel) Ach! Gott verzeih mirs, ich werde ohnmächtig – der infame Mann – mich so zu prostituiren – ach Wasser – Schlagwasser – Balsam! – (alles läuft herbey und ruft Wasser! – die Domestiquien bringen den Brandwein – und Frau v. Katzenbalg so wie die übrigen Damen nehmen selben statt Wasser. – )

FR. V. KATZENB[ALG]. O pfui! lieber Himmel, was ist das? ihr wollt mich vergeben – Brandwein statt Wasser! –

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ALLE. Brandwein! – Brandwein! Pfui! – (alles geräth in Unordnung – die Damen werden ohnmächtig – die Lieb-haber lauffen umher, und auf einander die Degen – Hr. v. Katzenbalg springt umher und schreyt)

HR. V. KATZENB[ALG]. Das ist Spitzbüberey – Prostituation – he! holla! (alles läuft durch einander)

JAKOBERL. (stellet sich mitten in Saal) He! he! he! hab ichs nicht gesagt, das soll einen Spaß geben! – he! he! he! –

Ende des zweyten Aufzugs.

[138]

DRITTER AUFZUG.

(Zimmer der Baronin.)

Erster Auftritt.

Die BARONIN, Herr u. Mad. BUCHWALD.

HR. BUCHW[ALD]. Bey meiner Seele gnädige Frau, Sie sollen mich nicht eher aus ihrem Zimmer krie-gen, bis Sie mir wenigstens versprochen, nur einen Versuch zu wagen! –

BARONIN. Nicht möglich! – o! wüsten Sie alles! –

HR. BUCHW[ALD]. Er ist treulos bundbrüchig – ausschweifend! – gut wir wollen ihm ja so eine Speise auftischen – an der er seinen Eckel essen soll! – genug sie lieben ihn, und Liebe muß zum Verzei-hen geneigt seyn! gnädige Frau auch ich verzeih’ meinem Weib, gab Ihrem Vorwort nach, und fin-de, daß die Versöhnung recht süsse schmeckt! –

BARONIN. (bey Seite) wohl süsse – nur mir nicht! – (zum Buchwald) lieber rechtschaffener

[139]

Mann – wie lebhaft danke ich Ihnen für ihr warmes Interesse! aber der Vergleich des Zwistes mit ihrer Frau paßt hier nicht – dieß kleine Vergehen, zu dem sie mehr hingerissen wurde, als daß sie es freywillig beging – kann wohl leicht wieder gut gemacht werden – Ihre Frau hat ein unverdorbenes Herz!

MAD. BUCHW[ALD]. O! wie gütig Sie von mir urtheilen! – Mann du sollst finden, daß die Baronin recht habe! –

HR. BUCHW[ALD]. Das hoff’ ich! – doch wir sind versöhnt – kein unangenehmer Blick soll dich an un-sern Zwist mehr erinnern – du versprichst – und wirst halten.

MAD. BUCHW[ALD]. Gewiß! – gewiß! –

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HR. BUCHW[ALD]. Wieder auf unser Kapitel zu kommen – Sie sprachen von unverdorbenen Herzen – Lassen Sie uns erst gewiß seyn, ob der Mann ganz so verdorben ist – als er scheint – die grosse Welt, schlimme Gesellschaft – kurz tausend Umstände. Genug, wenn mein Vorwort nur das ge-ringste bey Ihnen, gnädige Frau vermag – so lassen Sie uns den Versuch wagen – wir wollen ihn in die Klemme bringen – ist sein Herz gut, so bekennt er freymüthig – zieht er sich aber durch einen witzigen Einfall aus der Sache – dann rath ich Ihnen selbst, ihn mit Ihrer Verachtung zu strafen – also gnädige Frau ich bitte! –

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BARONIN. Aber mein Gott! was soll ich denn thun? –

HR. BUCHW[ALD]. Was Paul erst gesagt hat – Sie schicken ihm einen förmlichen Abschied – meine Frau schreibt ihm eine Einladung auf den Ball – kleidet die Sache so ein, daß er von mir nicht das Ge-ringste vermuthet – unterhält ihn einige Augenblicke, mitten in den süssen Gesprächen überraschen wir sie!! –

BARONIN. Und dann? –

HR. BUCHW[ALD]. Sollen Sie sehen wie Männer zahm werden, wenn man sie überrascht – ist er nur einmal verwirrt – denn hat der Kopf nichts mehr zu sorgen – und das Herz ist in vollem Spiel!! –

BARONIN. Nun ich will ja auch Ihrem Vorwort nachgeben Herr Buchwald! – aber wahrlich nur auch Sie konnten mich dazu bringen! – (bedeutend) wenn Sie alles wüßten, vielleicht riethen Sie mir das nicht! aber ich nehme es für einen Wink des Schicksals –

HR. BUCHW[ALD]. Nun zum Schreiben Mesdamen – wir haben nicht viele Zeit mehr übrig!! – (beyde Frauen setzen sich an ihre Tische) Eine hübsche Kanzley; doch sieh da kömmt ja unsere Mitverschwor-ne! –

[141]

Zweyter Auftritt.

PAUL, der EVGEN bringt, und Vorige.

PAUL. Hier Herr Buchwald ist die arme Geißel!

HR. BUCHW[ALD]. Thut mir leid gutes Weibchen, daß ihr so mitgespielet ward – aber ich suchte mein Weib – und da sah ich nicht – da hört ich nicht – ich fühlte nur! –

EVGEN. Ich bin recht froh, daß ich in die Hände eines so rechtschaffenen Mannes gerathen bin – wenn das meinen Mann noch nicht klug macht, so wirds wohl schwerlich je etwas mehr!

HR. BUCHW[ALD]. Auch dafür wollen wir sorgen – Die beyden Damen sind doch in Ihr Geschäft ganz ausserordentlich vertieft – weil sie nicht einmal der Neugierde Raum geben, sich umzusehen! – Ha! nun sind sie ja wohl fertig! – Gnädige Frau, hier ist unsere dritte Mitverschworne! auch sie muß den Plan vollkommen machen! Ein artiges Figürchen – es ist das Vögelchen, was ich statt meinem Ka-narichen heute nach Hause nahm – und aus Galle als Geissel behielt! –

BARON[IN]. Ich bedaure Sie, meine Liebe, wenn auch Sie der Baron hintergangen! –

EVGEN. Gnädige Frau! ich bin in Ihrem Verdacht unschuldig, ich kenne den Herrn Baron nur von ei-ner sehr rechtschaffenen Seite –

[142]

der keine andere Absicht hatte, als meinem Manne durch diese komische Geschichte die Augen über seine eigenen Thorheiten öffnen zu wollen. Der Zufall, der mich in die Hände dieses recht-schaffenen Mannes (auf Herrn Buchwald zeigend) führte – änderte den Plan und zwingt mich Sie zu bitten an meiner Rechtschaffenheit ja nicht zu zweifeln.

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BARONIN. Ihre Offenherzigkeit meine Liebe ist mir Bürge für die Wahrheit! –

HR. BUCHW[ALD]. Und an dem Plan hats freylich wohl geändert, aber das thut nichts, wir haben eine feindliche Mine erobert, und lassen sie nun selbst gegen den Feind springen! Nu! Mes Dames an die Attaque62 itzt – die Briefe abgesandt (zur Baronin) Das ist Ihr Courier, (auf Paulen zeigend) für den Meinigen muß ich erst sorgen.

BARONIN. (giebt Paulen einen Brief) Hier mein Freund! das übrige sey seiner Klugheit überlassen!! –

PAUL. Schon gut gnädige Frau! – was bey mir steht, dafür kennen Sie mich ja!! – (ab.)

HR. BUCHW[ALD]. Wahrlich ein ehrlicher Kerl! – nun gnädige Frau auf sicheres Wiedersehn!!

BARONIN. Sie haben mein Wort!! –

HR. BUCHW[ALD]. (nimmt seine Frau und Evgen unterm Arm, und sagt) Weibchen du weißt deine Rolle! –

[143]

MAD. BUCHW[ALD]. Soll aber sicher nur eine Komödie seyn!!

HR. BUCHW. Du denkst ja an unsere Versöhnung!! das übrige versteht sich ja! –

EVGEN. Und was soll denn aber ich dabey? –

HR. BUCHW[ALD]. Auch mitspielen! – doch wer wird denn soviel plaudern! es ist spät, und von dem Rendezvous darf keine Minute versäumet werden! – Gnädige Frau auf Wiedersehen!! – (er führt beyde Weiber fort)

BARONIN. (ihm nachsehend) Ja wenns nur um einen Liebhaber zu thun wäre, wie der gute ehrliche Mann glaubt, was wäre die ganze Sache mehr als Spaß? – aber einen verlornen Ehemann wieder zurückzu-rufen, davon guter Buchwald, träumst du wohl nichts! – Aber er hat einmal mein Wort, ich muß kommen! Ende es – wie es wolle! – Henriette gieb mir meinen Schleyer, wirf den Deinigen um, wir gehen mitsammen!! –

HENRIETTE. Und wohin gnädige Frau? –

BARONIN. Wohin? – (nimmt sie bey der Hand) Gutes Mädchen, wir gehen alles zu finden, oder mit Be-schämung überzeugt zu werden, alles auf immer verloren zu haben! – (gehn beyde ins Nebenzimmer)

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Dritter Auftritt.

(Zimmer des Barons.)

BARON allein.

[BARON.] Da schlägt mir mein Herz wie einem Missethäter, der sein Todesurtheil erwartet – und im Grunde ists doch weiter nichts mehr als mein Abschied, den ich vielleicht zu erwarten habe! – Mein Abschied? – hm! das war mir doch sonst eine Kleinigkeit – da sang ich mein Liedchen der Freyheit und hüpfte leicht und froh’ zu einer andern – aber diesmal ist mir’s nicht so – es ist ein gewisses et-was in mir, was mich ganz umgestimmt hat, ich denke immer an die Baronin – mir entschlüpft alle Augenblicke ihr Namen – ich seufze sogar! – ich vergleiche alles, was ich schön nennen will mit ihr – kurz ich fühle alle möglichen Symptomen eines ächten Liebesfiebers – denn ich glaube, wenn die Baronin wüßte, daß ich verheurathet wäre, und sie verlangte, ich sollte zu meinem Weibe nach Hau-se kehren – ich könnte sogar diesen tollen Streich begehen – Wahrlich daraus erkenn ich – daß ich das erstemal in meinem Leben ernstlich verliebt bin! –

62 At taque| ‹franz.› Angriff, Attacke

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Vierter Auftritt.

PAUL und BARON.

BARON. Endlich daß du kömmst!!

PAUL. Wer weiß, ob ich nicht noch zu früh komme! –

PAUL. Ich denke immer, unangenehme Nachrichten kommen allezeit früh genug! –

BARON. Du weists also schon? – Unangenehme Nachrichten?

PAUL. Ich denke, daß wenn man einen Brief mit Thränen siegelt, der Inhalt nicht viel Tröstliches ver-sprechen könne –

BARON. Mit Thränen sagst du – sie hat also geweint?

PAUL. Geweint – geweint – nicht mit Thränen gespielt, wirklich geweint – und so gab sie mir den Brief – sagte mir ein Lebewohl, das vielleicht sogar Sie gerührt hätte, und ließ mich betäubt stehen! – Hier ist der Brief!! –

BARON. (gerührt) Hm! hm! sonderbar – wahrlich ein sonderbares Weib – doch was schreibt sie denn? – (er erbricht den Brief)

Mein Herr! „Den Thoren bemitleide, den Betrüger verabscheue ich! – Ich habe Sie heute

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unter beiden Gestalten kennen gelernet – Nehmen Sie das Herz zurück, das Sie einer Unglücklichen schenken wollen, und das einer verzweifeln-den Gattin gehört – der nichts zu wünschen übrig bleibt als der Tod!“

Amalia v. Blande

(erstaunt) Gattin? – also entdeckt? – (zu Paulen) Ha Schurke! – du hast mich verrathen – hast meine Geschichte erzählt! –

PAUL. (gelassen) Ja das hab ich! –

BARON. Hast du? – ha Bestie sollsts auch büssen! – mit diesen Händen will ich dich erwürgen! – (er fällt über ihn her, dieser aber macht sich los)

PAUL. Auch wenn Sie einem ehrlichen Kerl die Gurgel zuschnüren, so bleiben Sie dennoch verheu-rathet und die Baronin weiß es doch! –

BARON. So handelst du mit mir, mit deinem Herrn? Schurke! –

PAUL. Schurke? – Herr Baron wär ich das – so hätt‘ ich Sie nicht gehindert einer zu werden! –

BARON. Kerl du bist aus meinem Dienst!

PAUL. (gelassen) Auch gut – da haben Sie ihre Schlüßel Gott! – befohlen! – daß mir mein Lohn bey Ih-nen sicher steht, dafür kenn ich Sie! –

BARON. Wo geht der Stockfisch hin? –

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PAUL. Gerade zur Baronin! –

BARON. Und was will er da machen? –

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PAUL. Sehen, daß Sie mich in ihre Dienste nimmt, und mit ihr die Welt durchreisen, wie ichs mit Ihnen machte! –

BARON. (heftig) die Baronin reist? –

PAUL. Reist! – ist schon alles eingepackt, die Postpferde sind bestellt – nur aufgesessen, und fortgefah-ren! –

BARON. Reist! – reist! – nein das halt ich nicht aus! – die Baronin reist! – verabscheut mich, und reist! – nein sie muß mir vergeben – ich will hin zu ihr, will ihr alles gestehen – will ihr versprechen zu mei-nem Weibe zurückzukehren – will – doch sie läßt mich nicht vor – geh Paul, lauf zu ihr – bitt Sie auf den Knieen daß sie bleibt – nur bis Morgen bleibt; o! ich will ja gerne meine Beschämung dul-den – nur hassen soll sie mich nicht! – geh! – lauf sag ich!

PAUL. Euer Gnaden erinnern sich nicht, daß Sie mich so eben abgedankt haben! –

BARON. Zum Teufel! zur Baronin sollst du gehen – das hab ich gesagt.

PAUL. Auch das! – aber à pros pos – haben Euer Gnaden wegen dem Ball und Evgen nichts zu bestel-len? –

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BARON. (ungeduldig) Ja nun da bleibts beym Alten – du hast Evgen doch schon zu ihrem Mann ge-bracht? –

PAUL. Ey bei Leibe! – Herr Buchwald ließ sie nicht eher loß, bis er seine Frau gefunden – wir trafen uns bey der Frau Baronin, und ich kann Sie nur abholen, sobald ich will!

BARON. Vor allem nur zur Baronin! – und dann kannst du Evgen nach Hause führen!! –

Fünfter Auftritt.

Ein BEDIENTER und die Vorigen.

BEDIENTER. Wohnt hier Baron von Lindenthal? –

BARON. Der bin ich selbst! – was beliebt? –

BEDIENTER. Diesen Brief soll ich Euer Gnaden übergeben. (er gibt ihm den Brief, und geht schnell ab.)

BARON. Einen Brief? – von wem? – der hat Eile! – Hm! wollen doch sehen! – (er erbricht ihn, und sieht nach der Unterschrift.) Wie seh ich recht? – Mad. Buchwald bey meiner Seele von ihr selbst! –

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Herr Baron! „Die Versöhnung mit meinem Manne kömmt unserm Rendezvous treflich zu statten – er vertraut auf meine Rechtschaffenheit, und läßt mich allein heute auf den Ball gehen – ich melde es Ihnen also gleich, und hoffe Sie gewiß da zu finden!!“ –

Johanna Buchwald!

Richtig – Johanna Buchwald! – ists doch auch nicht anders, als ob ein feindlicher Dämon sein Spiel mit mir hätte, die eine gibt mir den Abschied – die andere fodert mich auf – fodert mich! – ja was will ich machen? – zurückbleiben – es geht nicht an – mein point d’honneur63 leidet dabei, wenn ich nicht Wort halte, und auf der andern Seite – ich möchte mich so gerne bekehren – aber der Teufel macht mir alle Augenblick einen Strich durch die Rechnung – du stehst noch da? –

PAUL. Ich wollte nur sehen, ob Sie sonst nichts zu befehlen haben? –

63 point d ’honneur| ‹franz.› soviel wie meine Ehre

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62

BARON. Gut das! – gib mir den venetianer Mantel64! (Paul holt ihn)

BARON. (für sich) Nein ich bin entschlossen, ich will umkehren, ich will beiden Damen gestehen, daß ich verheurathet sey – ja! ja das

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will ich! (zum Paul) es giebt doch Sänften am Thor? –

PAUL. Nach der Menge!! –

BARON. Gut also! – Hör Paul, wenn du deine Sache bey der Baronin gut zu Stande bringst, so sollst du deine Belohnung finden – Ist etwas Wichtiges mir zu berichten, oder wäre Sie ja nicht aufzuhalten, so meldest du mir es ja gleich auf dem Ball! –

PAUL. Schon gut! – und mit Evgen? –

BARON. Wird die Komödie abgespielt – ich will den Narren beschämen, und so wenigstens so viel Gu-tes stiften als ich kann! – (ab.)

PAUL. (allein) Nur zu Herr Baron – ist alles wohl bestellt. Dem Spaß mit Evgen biethe ich selbst gerne die Hand, denn einen Zubringer prellen, über das geht doch nichts, und also will ich das Weibchen holen! (ab.)

Sechster Auftritt.

(Szene, eine Colonade65 mit einer Aussicht in einem Garten, der mit Laternen illuminirt ist. KASPAR in einem saubern Kleide, mit einer Serviette über der Hand, von einer Menge Numeros66 umgeben.)

KASPAR. Das sag ich euch, daß ihr mir die Augen auf alles habt, daß die Gäste auf den Wink bedienet werden – daß ihr ja die

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Beine über die Achseln nehmt, und hurtig da und dort, und überall zugleich seyd! –

NUMEROS. Schon gut!! –

KASPAR. Und daß ihr mir höflich und manierlich mit den Leuten umgeht – daß ihr den Verliebten hübsch aus dem Wege geht, und mir ja keinen Menschen genirt! –

NUMEROS. Schon gut!! –

KASPAR. Jetzt wisset ihr nun alles – itzt Purschen auf euer Ort! – und daß ich keine Klage höre, das sag ich euch! – sonst setzts mit meinem spanischen Rohr ein Trinkgeld auf dem Buckel! allons marche!! – (Numeros ab.)

KASPAR. (allein) Schreyen und Plagen muß man sich wie ein Hund! daß man die Kerls in Ordnung er-hält – Es wäre freylich so ganz ein passabler Profit bey diesem Gewerb, aber Gift und Gall hat einer dabei, daß man alle Augenblick vor einem Gallfieber nicht sicher ist! – Aber tausendfikrament! wo nur des Barons Bedienter mit dem Weiberl so lange bleibt – Was gilts der Esel von einem Mann hat den ganzen Gespaß verdorben, und ich bin um meine 200 Dukaten prellt! – Wann ich nur den Lienl von einem Mann kennte – es wär mir nicht bang, das Weiberl zu kriegen, aber so holt der Teufel richtig meine 200 Ducaten, denn der Narr ist im Stand und sperrts ein –

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und petschirt67 ihnen die Thür vor der Nasen – und der Teufel mag’s hernach heraus hohlen!!

64 vene t ianer Mante l| ‹ital. tabarro› Tabbert – weiter Mantel ohne Ärmel (PUL) 65 Colonade| Colonnade – Säulengang (PUL) 66 Numeros| Numero – Verkäufer von Erfrischungen im Theater oder Konzertsaal (WMa 567) 67 petschi r t| petschieren – zusiegeln, versiegeln (MGKL)

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Siebenter Auftritt.

LISETTE und KASPAR.

LISETTE. (kömmt eiligst) Endlich daß ich dich finde – ich hab dich schon überall gesucht!! –

KASPAR. Nu was machst du da? – hab ich dir nicht gesagt, du sollst den Köchen nachschauen, wegen dem Soupe! –

LISETTE. Das magst du selbst thun! – Kurz um Herr Kaspar wir sind geschiedene Leute!!

KASPAR. Was fällt dir ein? –

LISETTE. Nichts mehr, und nichts weniger, als daß ich den Augenblick zusammengepackt habe, und gehe! –

KASPAR. (lachend) ha! ha! ha! – bist du toll? –

LISETTE. Hm! ich war noch nie so vernünftig als itzt, da mich nichts mehr abhält, meine besten Jahre, bey so einem armen Sündergesicht zu versitzen! –

KASPAR. Nu nicht übel! – aber geh weg Liserl, das ist nur dein Spaß? –

LISETTE. Nein kein Gespaß, wirklicher Ernst, und wann du’s nicht glauben willst, komm nur hinauf, du kannst alles eingepackt finden – Meine Besoldung hast du mir erst heut in der

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Frühe bezahlt, und den heutigen Tag will ich dir umsonst gedient haben! – Also Herr Ellenbogen, leb er wohl!! –

KASPAR. Nein itzt weiß ich nimmermehr, bin ich gescheid oder ein Narr! Also du gehst? – Aber wohin gehst du denn? –

LIS[ETTE]. Das weiß ich schon – da hab ich schon meine Spekulation Ich reise fort von hier!! –

KASP[AR]. So? also reist du auf Spekulation? – Also hör Liserl du bleibst – darfst nicht fort, oder kennst dus Dienstbothen Patent? –

LIS[ETTE]. Du willst mich zwingen? – gut! – (Sie fängt an zu schreyen) Kommt zusammen ihr Leute ich will euch die saubere Geschichte dieses Herrn da erzählen!

KASP[AR]. (hält ihr den Mund zu) Was das für ein Bosheitsteufel ist! –

LIS[ETTE]. (macht sich los) Nun willst du noch, daß ich bleiben soll? –

KASP[AR]. (fängt an zu weinen) Nein! wenn du denn gar zu nichts zu bewegen bist, so magst du gehen, ich kann dich nicht aufhalten – aber du weist, wie lieb du mir warst, ich hab dir alles gethan, was ich dir an den Augen habe ansehen können, weist daß meinem Weib wegen deiner so oft Unrecht gesche-hen ist – daß du völlig Frau im Hause warst – warst in der ganzen Nachbarschaft mit deinem köstli-chen Butterkrapfelmachen berühmt, und itzt willst

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du mich sitzen lassen – Ich will dir alle Monat 10 fl. zulegen, und mit dem neuen Jahr und rothen Ey auch bessern – nur verlaß mich nicht – hilf mir noch länger wirthschaften, ich bitt dich! schau mit nassen Augen auf den Knieen will ich dich bitten.

LIS[ETTE]. (boshaft) So müssen die Männer zu unseren Füssen liegen, wenn wir sie recht triumphirend verhönen wollen! – Herr Ellenbogen merk er sich das, ich habe einen Schwur gemacht, Ruhe und Frieden zu zerstöhren, wie und so oft ich kann – in eurem Ehestand hab ich dies Werk glücklich vollbracht, ich hab also hier nichts weiter zu thun, und dahero zieh ich weiter! – Hr. Ellenbogen hat er mich verstanden? ich geh’! – (schnell ab.)

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KASP[AR]. Ist schon weg auch! – Nu richtig heute läßt mich alles sitzen – das ist doch ein verfluchter Streich – itzt geht mir die auch davon, wo nimm ich itzt gleich wiederum eine her, die so gute But-terkrapfeln macht? – Nun kann sich mein Weib bey der Arbeit umtummeln – nein! keinen solchen unglücklichen Tag wie heut, wüßt ich doch nicht bald, meine hübsche Liserl verlohren, und die 200 Dukaten bleiben auch aus! – Da gehört eine Priese Taback drauf!! –

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Achter Auftritt.

BARON in einem Venetianermantel und Bajute.

KASP[AR]. Aber um’s Himmelswillen Herr Baron wo bleibt denn Ihr Bedienter mit dem hübschen Mauserl? – ich paß da schon als wie eine Katz auf eine Maus, und sieh und hör nichts? –

BARON. Scher dich zum Teufel!! –

KASP[AR]. Nu bravo! das wäre mir eine saubre Visite! glaub schon, daß Sie verdrüßlich seyn, wenn Ih-nen der Mann ins Spiel kommen ist! – aber deßwegen ist doch noch nicht alles aus – das müßte doch auch der erste Ehemann seyn, der in seinem Leben nicht betrogen wäre worden! – Sagen Sie mir, wo das Schatzerl wohnt, und Sie sollens sicherlich heut noch haben! –

BARON. Zum Teufel sollst du dich scheren, ich will allein seyn!

KASP[AR]. Allein? auweh! meine 200 Dukaten sind begraben! (geht ab.)

BARON. So mißmüthig als ich heute bin, war ich doch noch auf keinem Ball! – Gut daß ich nicht den Liebhaber, sondern nur den reichen Verbrecher zu spielen habe. Doch sieh da kömmt sie mir gar wohl schon entgegen! –

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Neunter Auftritt.

(MADAME BUCHWALD, von der andern Seite kömmt Herr BUCHWALD mit EVGEN am Arm, KASPAR schleicht sich um Evgen herum, und zupft sie immer bey Seite. Herr Buchwald läßt endlich Evgen unvermerkt los, und Kaspar nimmt sie schnell, und läuft mit ihr fort, kömmt bald darauf wiederum allein zurücke, schleicht immer um den Baron

herum, und ruft ihm einigemal zu! ich hab’s Weiberl schon!! – ich hab’s Weiberl schon!! – )

MAD. BUCHW[ALD]. Ah! endlich daß ich Sie treffe Hr. Baron – wie lange hab ich Sie schon gesucht! – Sie haben doch meinen Brief noch zur gelegenen Zeit erhalten? –

BARON. Ja Madame – und dieser Brief ist es auch, was mich hieher bringt – aber nur darum, um eine so liebenswürdige Frau aus einem Irrthum zu reissen, den ich als Mann von Ehre nicht gerne durch zufällige Begebenheiten bestärken möchte!! –

MAD. BUCHW[ALD]. Herr Baron dieser Ton? –

BARON. Ist der Ton einer verwirrten, aber nicht ganz verdorbenen Herzens! – kurz es wäre zu boshaft von mir, wenn ich nicht durch das offenherzige Geständniß, daß weder mein Herz noch meine Hand in meiner Gewalt sind, eine Flamme zu unterdrücken mich bemühte, die vielleicht ein freyer Blick und der noch freyere Ton der grossen Welt in einem Augenblick anzufachen im Stande war! – Sie sind

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verheurathet Madame, die Arme Ihres Gemahles erwarten Sie! – Verzeihen Sie, daß ich den Ton der grossen Welt vergaß, und Ihnen keine Lüge sagte!! –

MAD. BUCHW[ALD]. Sie wollen mich also nicht lieben? –

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BARON. Madame ich will zur Tugend zurückkehren, dieß Gelübd hab ich erst vor wenigen Augenbli-cken gemacht! –

HR. BUCHW[ALD]. (tritt hervor, nimmt seine Frau und sagt lachend) Ihr Diener Herr Baron! – wir begegnen uns heute schon zum Drittenmale!

BARON. Wir irrten uns schon zum Drittenmale!! – (er macht ihm eine Verbeugung, und will abgehen, indem kömmt)

Zehnter Auftritt.

BARONIN, HENRIETTE, Vorige.

(Baronin geht dem Baron entgegen.)

BARON. (der sie erkennt, bleibt einen Augenblick wie versteinert stehen, für sich) Himmel das ist die Baronin!! – (laut: aber stotternd) Gnädige Frau Sie hier zu finden –

BARONIN. Hätten Sie sich wohl nicht einfallen lassen! – allein ein Geschäft von der äussersten Wichtig-keit heißt mich Sie noch vor meiner Abreise sprechen, und um Ihnen von

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Ihren angenehmen Augenblicken keinen zu stehlen, so komm ich selbst auf den Ball! –

BARON. (verwirrt) Ein Geschäft von Wichtigkeit gnädige Frau – Frau Baronin! – (für sich) O! mir ahndt wahrlich nichts Gutes!

BARONIN. Sie stottern Herr Baron von Lindenthal! – was macht Sie so verwirrt – ich will doch nicht hoffen meine Gegenwart?

BARON. (faßt sich so gut er kann) Ihre Gegenwart? – O! gnädige Frau die angenehmste Ueberraschung!

BARONIN. Wie mir kaum däucht! – doch um Sie nicht länger zu verzögern, so muß ich mich nur sehr bald meines Geschäftes entledigen!

BARON. Eines Geschäftes? –

BARONIN. Sie waren heute großmüthig genug, mir die Brillanten, in denen mein Bildniß gefaßt war zurückzusenden – Auch ich darf nicht länger Ihnen Kostbarkeiten vorenthalten, die ohne Ihrem Herzen unmöglich mein gehören können.

BARON. (erschreckend) Kostbarkeiten – von mir – die ohne meinem Herzen? – ich besinn mich auf keine Kostbarkeit! – aber mein Herz – Sie selbst stiessen es ja von sich – sie selbst rissen ja unsere ganze Verbindung! –

BARONIN. Ich selbst? – und um sie ganz zu zerreissen, so nehmen sie diesen Ring – und dieses Bildniß! – Ich will Gott bitten mich

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Sie ganz vergessen zu lehren! – (sie will fort, er hält sie aber auf)

BARON. (äussert betroffen) Guter Gott! – dieser Ring – mein Bildniß – das Brautgeschenk meiner Amalia!

BARONIN. (wendet sich weg und giebt ihm die Hand) Die Ihnen vergiebt und auf ewig mit ihrem Kummer flieht! –

BARON. (faßt sich) Gerechter Himmel! Wär es möglich, ich zittre – jemehr ich Sie ansehe o! sie ists – sie ists – ich fühls – Natur der Sieg ist dein – es ist mein Weib – meine Amalia! – (er stürzt auf sie hin)

BARONIN. (sinkt ihm in die Arme) Deine unglückliche Amalia!! –

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BARON. O! mein – mein – und auf ewig mein! – Weib! – bestes – liebstes – theuerstes Weib, du hast gesiegt – du sollst siegen – ich hab dich wieder – und mit dir was ich so lange suchte – so thöricht von mir warf – ein Herz auf ewig gefunden! – vergib – vergib mir, und laß meine Wiederkehr zur Tugend, das Werk deiner Liebe seyn!! – Der Gefallene ist ja vor dem nächsten Fehltritt sicherer, als der, der nie gefehlt hat!

BARONIN. O! was sind doch alle Entschlüsse der Weiber gegen einen einzigen reuevollen Blick! – o! Karl! – Karl – komm – komm du bist doch mein! –

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ALLE ÜBRIGE. Seine Frau? –

BARON. Meine Freunde, Sie scheinen sich über diesen Auftritt zu wundern, sie sollen die ganze Ge-schichte aus meinem Munde erfahren, nur itzt kann ich mich aus meinem süssen Taumel zu wenig erholen! –

HR. BUCHW[ALD]. Nun gnädige Frau wär’s nicht so besser?

BARONIN. Ja wohl bester Mann, Ihrem Rath dank ich es!

HR. BUCHW[ALD]. Ohne Umstände! – Mann und Weib zusammen zu bringen, ist wahrlich ein Vergnü-gen, das sich selbst lohnt! – und so wären wir ja alle wiederum ausgesöhnt? – Wollen den hinauf zu der übrigen vornehmen Gesellschaft, und sie auch an unserm Glücke Theil nehmen lassen! – Wol-len wir? –

BARON. Was Sie wollen lieber redlicher Mann! –

KASPAR. (Evgen hereinführend) Fikrament was fangen wir dann itzt mit den hübschen Weiberl an? –

BARON. Je nun – das hübsche Weiberl wollen wir nun wiederum zu ihrem Mann bringen, damit ja heu-te alles in Ordnung kömmt! –

EVGEN. Das hab ich mir wohl gleich gedacht, daß ich dem Schlingel wiederum in die Hände kommen werde!

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KASPAR. Nein mein Herzenstäuberl, das sollen Sie nicht, ich will schon dafür sorgen, wenn Sie nur wollen? Herr Baron Sie überlassen mirs also? –

BARON. Herzlich gerne!! –

KASPAR. Tausendfikrament das ist lustig, itzt kommens nur geschwind mit mir! –

EVGEN. Aber ihre Frau? –

KASPAR. So seyns nur kein Fratz nicht – die wird gar nichts inne davon – Sie gehn mit mir, und ich bring Sie an einen Ort, wo Sie gewiß nicht endeckt werden sollen!

EVGEN. Nu so ist mirs auch recht! – (sie nimmt die Masque ab.)

KASPAR. (der erschrickt) Alle Donner und’s Wetter! mein Weib – mein eignes Weib!

EVGEN. Ja du sauber’s Früchtel, ich bin’s selbst!! –

KASPAR. Nein – nein das ist doch auch gar zu dumm, daß ich mein eignes Weib mit einem andern ver-handeln wollte! – o! ich Esel! – ich Esel von allen Eseln! – Hr. Baron das kann ich Ihnen auf dem Todtenbette nicht verzeihen! – aber wart Weib, du, wann wir nach Hause kommen – freu dich!!

EVGEN. Du Schatzerl was macht denn die Jungfer Muhme?

KASPAR. Still – still sey – ich bitt dich gar schön – ich seh schon, daß ich geprellt bin –

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die Jungfer Mahm ist fort – mach dir keinen Kummer mehr! –

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BARON. Siehst du, so gehts mit solchen Negozien wie du mit mir machen wolltest – kömmt nichts her-aus, da nimm dein Weib, und bleib hübsch bey einem Gewerb – und nun meine liebe Amalia laß mich noch einmal hier meine feurigste Schwüre besiegeln!

BARONIN. Mit diesem klopfenden Herzen!! –

HR. BUCHW[ALD]. Ja! ja wir Herrn Ehemänner sollten uns billig zum Wahlspruch nehmen. Jeder bleib ey seiner Portion! –

KASPAR. Nun itzt da steh’n wir, und schauen einander an! – Weib! –Weib, wenn mir so ein Streich noch einmal passiert, so will ich mein Mandolettigewerb aufgeben, und ein gekrönter Poet68 werden.

Ende des Lustspiels.

jz

68 gekrönte r Poet| feierlich mit einem Lorberkranz gekrönter Dichter (MGKL)