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25 EI-Eisenbahningenieur | Mai 2010 HAFEN-HINTERLAND Historischer Rückblick Die Ausrufung des belgischen Staates im Jahr 1831 mit der Trennung der Gebiete von den Niederlanden führte zu einer Un- terbrechung der direkten Landverbindung vom Hafen Antwerpen in das Rheinland. Insbesondere die Baumwolltransporte aus den USA zur verarbeitenden Industrie in der Region Mönchengladbach – Krefeld waren betroffen. Die Nutzung des Rheins war durch hohe Zölle und große Umwege mit erheblichen Kosten verbunden. Die kürzeste und geographisch geeignete Stre- cke führt von Antwerpen aus über Roer- mond nach Mönchengladbach durch die Niederlande. Der niederländische Staat verweigerte Belgien ein Wegerecht für die- se Trasse. Obwohl Belgien dieses Recht durch das Londoner Protokoll der Groß- mächte 1839 zugesichert bekommen hatte, ist erst 1873 ein entsprechender Durchführungsvertrag zwischen Belgien und den Niederlanden zustande gekom- men. Aufgrund der problematischen Verhand- lungen mit den Niederlanden wurde bereits 1843, mit der längeren und topo- graphisch ungünstigeren Verbindung Ant- werpen – Lüttich – Aachen – Köln, eine Al- ternativstrecke als erste internationale Bahnstrecke eröffnet. Den 20. Juli 1879 – der Tag, an dem der vollständige Betrieb mit Personen- und Gü- terzügen auf der Gesamtstrecke aufgenom- men wurde – kann man als den Geburtstag des Eisernen Rheins bezeichnen. Am 31. Mai 1991 endete der länderübergreifende Betrieb auf der Strecke. Der Abschnitt zwi- schen Roermond auf niederländischer Sei- te und Dalheim auf deutscher Seite ist zur Zeit nicht betriebsfähig. Auf der deutschen Seite wird die Strecke zwischen Mönchen- gladbach und Dalheim im Nahverkehr und zur Anbindung des Eisenbahntestzentrums Wildenrath genutzt [1]. Die Trasse führt vom Hafen Antwerpen über Roermond, Dalheim und Wegberg bis zum Anschluss an die Bahnstrecke Köln – Viersen bei Mönchengladbach- Rheydt. Der wesentliche Güterverkehr wurde von Viersen aus über Krefeld in Richtung der Industriegebiete an der Ruhr geführt. Aufgrund der späten Inbetrieb- nahme und der Einflüsse der beiden Welt- kriege kam ein wirtschaftlich erfolgreicher Betrieb kaum zustande. Andere Strecken waren zwischenzeitlich besser ausgebaut oder die Verkehre wurden auf die Straße umgeleitet. Wie die Eisenbahnkarte aus dem Jahr 1855 zeigt (Abb. 1), war Antwerpen lan- ge Zeit der einzige Seehafen mit direkter Verbindung in das Rheinland. Mit der In- betriebnahme der Betouweroute in den Niederlanden mit Anschluss an die Strecke Oberhausen – Emmerich dürfte der Hafen Rotterdam als größter Konkurrent des Ha- fens Antwerpen mit bester Verbindung in das Hinterland und in die Binnenhäfen am Rhein bewertet werden. Reaktivierung Bereits in den 1990er Jahren begannen die ersten Untersuchungen für eine bessere Schienenverbindung in der Grenzregion zwischen Mönchengladbach und Roer- mond mit Anschluss an die bestehenden Verbindungen in Richtung Venlo und Bel- gien [2]. Hiervon soll neben dem Nieder- rhein auch die strukturschwache Region Limburg profitieren. Untersuchungen im Auftrag der Provinzen Nord-Braband und der Provinz Limburg aus den Jahren 2001 [3] und 2002 [4] folgten. Bereits frühzeitig begannen auf deutscher Seite die Diskus- sionen über die möglichen Auswirkungen einer Reaktivierung des Eisernen Rheins. Hierbei spielte sicherlich auch eine Rol- le, dass die anliegenden Kommunen seit 20 Jahren keinen Güterverkehr mehr durch Der Eiserne Rhein – die europäische Hafen-Hinterlandanbindung Friedhelm Richter Abb. 1: Eisenbahnkarte von 1855 Die Durchsetzung der verkehrlich und ingenieurtechnisch optimalen Lösung zur Reaktivierung unter schwierigen politischen Randbedingungen

Der Eiserne Rhein – die europäische Hafen-Hinterlandanbindung · lem wegen der vorhandenen Trasse auf gesamter Länge bevorzugt (Abb. 2). Auf-grund des Naturschutzgebietes Meinweg

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Page 1: Der Eiserne Rhein – die europäische Hafen-Hinterlandanbindung · lem wegen der vorhandenen Trasse auf gesamter Länge bevorzugt (Abb. 2). Auf-grund des Naturschutzgebietes Meinweg

25EI-Eisenbahningenieur | Mai 2010

HAFEN-HINTERLAND

Historischer RückblickDie Ausrufung des belgischen Staates im Jahr 1831 mit der Trennung der Gebiete von den Niederlanden führte zu einer Un-terbrechung der direkten Landverbindung vom Hafen Antwerpen in das Rheinland. Insbesondere die Baumwolltransporte aus den USA zur verarbeitenden Industrie in der Region Mönchengladbach – Krefeld waren betroffen. Die Nutzung des Rheins war durch hohe Zölle und große Umwege mit erheblichen Kosten verbunden. Die kürzeste und geographisch geeignete Stre-cke führt von Antwerpen aus über Roer-mond nach Mönchengladbach durch die Niederlande. Der niederländische Staat verweigerte Belgien ein Wegerecht für die-se Trasse. Obwohl Belgien dieses Recht durch das Londoner Protokoll der Groß-mächte 1839 zugesichert bekommen hatte, ist erst 1873 ein entsprechender Durchführungsvertrag zwischen Belgien und den Niederlanden zustande gekom-men. Aufgrund der problematischen Verhand-lungen mit den Niederlanden wurde bereits 1843, mit der längeren und topo-graphisch ungünstigeren Verbindung Ant -

werpen – Lüttich – Aachen – Köln, eine Al-ter nativstrecke als erste internationale Bahnstrecke eröffnet. Den 20. Juli 1879 – der Tag, an dem der vollständige Betrieb mit Personen- und Gü-terzügen auf der Gesamtstrecke aufgenom-men wurde – kann man als den Geburtstag des Eisernen Rheins bezeichnen. Am 31. Mai 1991 endete der länderübergreifende Betrieb auf der Strecke. Der Abschnitt zwi-schen Roermond auf niederländischer Sei-te und Dalheim auf deutscher Seite ist zur Zeit nicht betriebsfähig. Auf der deutschen Seite wird die Strecke zwischen Mönchen-gladbach und Dalheim im Nahverkehr und zur Anbindung des Eisenbahntestzentrums Wildenrath genutzt [1]. Die Trasse führt vom Hafen Antwerpen über Roermond, Dalheim und Wegberg bis zum Anschluss an die Bahnstrecke Köln – Viersen bei Mönchengladbach-Rheydt. Der wesentliche Güterverkehr wurde von Viersen aus über Krefeld in Richtung der Industriegebiete an der Ruhr geführt. Aufgrund der späten Inbetrieb-nahme und der Einfl üsse der beiden Welt-kriege kam ein wirtschaftlich erfolgreicher Betrieb kaum zustande. Andere Strecken waren zwischenzeitlich besser ausgebaut oder die Verkehre wurden auf die Straße umgeleitet.

Wie die Eisenbahnkarte aus dem Jahr 1855 zeigt (Abb. 1), war Antwerpen lan-ge Zeit der einzige Seehafen mit direkter Verbindung in das Rheinland. Mit der In-betriebnahme der Betouweroute in den Niederlanden mit Anschluss an die Strecke Oberhausen – Emmerich dürfte der Hafen Rotterdam als größter Konkurrent des Ha-fens Antwerpen mit bester Verbindung in das Hinterland und in die Binnenhäfen am Rhein bewertet werden.

ReaktivierungBereits in den 1990er Jahren begannen die ersten Untersuchungen für eine bessere Schienenverbindung in der Grenzregion zwischen Mönchengladbach und Roer-mond mit Anschluss an die bestehenden Verbindungen in Richtung Venlo und Bel-gien [2]. Hiervon soll neben dem Nieder-rhein auch die strukturschwache Region Limburg profi tieren. Untersuchungen im Auftrag der Provinzen Nord-Braband und der Provinz Limburg aus den Jahren 2001 [3] und 2002 [4] folgten. Bereits frühzeitig begannen auf deutscher Seite die Diskus-sionen über die möglichen Auswirkungen einer Reaktivierung des Eisernen Rheins. Hierbei spielte sicherlich auch eine Rol-le, dass die anliegenden Kommunen seit 20 Jahren keinen Güterverkehr mehr durch

Der Eiserne Rhein – die europäische Hafen-Hinterlandanbindung

Friedhelm Richter

Abb. 1: Eisenbahnkarte von 1855

Die Durchsetzung der verkehrlich und ingenieurtechnisch optimalen Lösung zur Reaktivierung unter schwierigen politischen Randbedingungen

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Abb. 2: Aktueller Zustand der histori-schen Trasse im Bhf Dalheim Foto: R. Gessen

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ihre Ortschaften dulden mussten und sich das Umweltverständnis wesentlich geän-dert hat. Aber auch Städte mit laufendem Bahnbetrieb waren über die Auswirkungen eines höheren Verkehrsaufkommens in ih-ren Städten besorgt und veranlassten ent-sprechende Untersuchungen [5]. Für die Binnenhäfen im Rheinland und für die Industriestandorte an Rhein und Ruhr sind die Verbindungen zu den Seehäfen von entscheidender Bedeutung. Neben den deutschen Seehäfen müssen aufgrund der geographischen Lage die ARA-Häfen (Amsterdam – Rotterdam – Antwerpen) als wesentliche Standortfaktoren mit berück-sichtigt werden. Dies ergibt sich einerseits aus der Entfernung zu den Häfen (bezogen auf den Hafen Neuss/Düsseldorf)Hafen Antwerpen: 165 kmHafen Rotterdam: 175 kmHafen Amsterdam: 180 kmHafen Bremerhaven: 288 kmHafen Hamburg: 340 kmsowie andererseits aus dem Modal Split des nordrhein-westfälischen Seehafen-Hinter-landverkehrs von Containern im Jahr 2004 [6].Hafen Antwerpen: 31 %Hafen Rotterdam: 30 %Hafen Bremerhaven: 19 %Hafen Hamburg: 20 %Die Transporte laufen zu 64 % über die Straße, zu 28 % mit dem Binnenschiff und nur zu 8 % über die Bahn. Das Land Nordrhein-Westfalen geht da-von aus, dass sich die Containerverkehre der Seehäfen von und nach Nordrhein-Westfalen bis 2015 gegenüber 2006 etwa verdoppeln werden. Auch wenn die aktu-elle Wirtschaftskrise hier zu einer Verzö-gerung beitragen wird, ist der Bedarf an einem Ausbau der Verkehrswege kaum zu verleugnen. Für Nordrhein-Westfalen sind die baldige Realisierung der An-schlussverbindungen an die Betuwe-Linie auf deutscher Seite, die Realisierung des Eisernen Rheins als direkte Schienenver-bindung nach Antwerpen, der Ausbau der Bahnstrecke Wilhelmshaven – Oldenburg

im Zusammenhang mit dem JadeWeser-Port sowie der Ausbau der Neubaustre-cke Hamburg/Bremen – Hannover (sog. Y-Trasse) von standortpolitischer Bedeu-tung. Diese Maßnahmen sollen auch für erweiterte trimodale Knotenfunktionen nordrhein-westfälischer Binnenhäfen ge-nutzt werden [6].Die Bundesregierung räumt dem Ausbau von Hafenhinterlandanbindungen (Stra-ße, Schiene, Wasserstraße), die gegenwär-tig nahe an ihre Kapazitätsgrenzen gelangt sind und die in Zukunft einen überdurch-schnittlichen Verkehrszuwachs zu verkraf-ten haben, Vorrang ein. Dabei gewinnen die Binnenhäfen mit ihrem Angebot vom überregionalen Hub bis zum regionalen Verteilzentrum für die Seehäfen zuneh-mend an Bedeutung [7]. Aufgrund des allgemein anerkannten Be-darfs ist das Projekt „Eiserner Rhein“ in alle Verkehrsentwicklungspläne aufgenommen worden:

Teil des Prioritären Projektes 23 (TEN-V-• Korridor Lyon/Genua – Basel – Duisburg – Rotterdam/Antwerpen) [8]Bundesverkehrswegeplan 2003 [9] und • Masterplan Nordrhein-Westfalen [10].•

Die Industrie- und Handelskammern im Rheinland unterstützen das Projekt mit ihrem Verkehrsleitbild Rheinland (Pro-jekt 15). Sie sehen das Rheinland aufgrund seiner geographischen Lage von den wach-senden Warenströmen sowohl im landes- als auch im bundesweiten Vergleich beson-ders betroffen. Hier wird besonders auf die Hinterlandverkehre aus den Seehäfen Zee-brügge, Amsterdam, Rotterdam, Antwer-pen (ZARA-Häfen) sowie die zunehmen-den Verkehrsströme auf den europäischen Ost-West-Magistralen verwiesen [11].

Teilabschnitt Roermond – MönchengladbachIm Sommer 1988 beriefen die Verkehrs-minister Belgiens, der Niederlande und Deutschlands eine ministerielle Len-kungsgruppe „Eiserner Rhein“ ein, um die bisher vorliegenden verkehrlichen und in-

frastrukturellen Untersuchungen weiter zu verfeinern. Im März 1999 beschlossen die Verkehrsminister dann, eine grenzüber-schreitende Untersuchung zum Vergleich möglicher Trassenvarianten durchführen zu lassen. Diese internationale Studie wurde auf die Region zwischen Budel und Anrath mit zwölf Varianten beschränkt. Als einzige Variante zeigte dabei die his-torische Route bei allen Untersuchungs-aspekten über dem Mittelwert liegende Ergebnisse. Diese Variante wurde vor al-lem wegen der vorhandenen Trasse auf gesamter Länge bevorzugt (Abb. 2). Auf-grund des Naturschutzgebietes Meinweg und der Durchfahrt von Roermond haben die Niederlande hiervon Abweichungen vorgesehen (neue Umfahrungsstrecke öst-lich von Roermond und ein Tunnel im „Meinweg-Gebiet“) [12].Wie bereits im 19. Jahrhundert musste Belgien sich das Recht der Nutzung der Trasse des Eisernen Rheins erneut von den Niederlanden erstreiten. Hierbei spielte sicherlich auch die Konkurrenz zur Betuwe-Linie und die zwischenzeit-liche Belegung der Trasse zwischen der deutsch-niederländischen Grenze und Ro-ermond mit dem Nationalpark Meinweg eine Rolle. Mit dem Urteil des Ständigen Gerichtshofs in Den Haag vom 24. Mai 2005 wurde dem Königreich Belgien das Recht zur Reaktivierung der Strecke über niederländisches Gebiet bis zur deutschen Grenze zugesprochen. Aufgrund der Bele-gung eines Teils der Strecke mit dem Na-turschutzgebiet muss sich der niederlän-dische Staat an den Kosten eines Tunnels mit einem Anteil von 50 % beteiligen [13]. Deutschland ist aus früheren preußischen Abkommen verpfl ichtet, die Trasse auf deutscher Seite ebenfalls betriebsbereit zu halten. Dieses Urteil hat zu umfangrei-chen politischen und technischen Diskus-sionen geführt. Das Arbitration-Urteil gibt Belgien das Recht einer Reaktivierung der historischen Trasse. Wegen des früheren Ausbaus ist hier lediglich ein eingleisiger, nicht elektrifi zier-ter Ausbau in alter Trassenlage erlaubt. Ins-besondere die Investition in einen Tunnel im Naturschutzgebiet Meinweg erscheint unter diesen Einschränkungen wenig zu-kunftsweisend.

Alternative TrassenDie Trasse führt durch die Ortslagen von Roermond, Wegberg, Rheindahlen und Mönchengladbach. Eine Reaktivierung für den Güterverkehr würde zu entspre-chenden Belastungen für die Bevölkerung führen. Die Bahnübergänge sind höhen-gleich und die Bausubstanz veraltet. Wäh-rend die Niederlande die Umfahrung von Roermond in das Projekt mit eingebracht haben, sind auf der deutschen Seite keine

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Änderungen oder Ortsumfahrungen vorge-sehen.Wegen der zu erwartenden Widerstände wurde die Variantendiskussion wieder aufgenommen. Bereits ein Jahr nach dem Arbitration-Urteil wurde eine erste Studie zur Auswahl alternativer Trassen für den deutschen Teilabschnitt vorgelegt [14]. Zur vertiefenden Untersuchung wurde durch das Land Nordrhein-Westfalen eine Trassenuntersuchung beauftragt, die vor allem die Aspekte der technischen und ökologischen Machbarkeit der Varianten aufzeigen sollte [15]. Als Trasse hat sich schnell eine Parallellage zu den Autobah-nen A 52 und A 40 herausgestellt. Beide Varianten wurden untersucht und der his-torischen Trasse gegenübergestellt. Hier-bei wurde eine Trassenführung parallel zur A 52 in Deutschland und zur N 280 in den Niederlanden als Vorzugsvariante ermittelt. Die A52/N280-Variante führt nördlich von Roermond bis an die Bahntrasse Mönchen-gladbach – Viersen (Abb. 3). Insbesondere die Meidung von Ortsdurchfahrten und die Vermeidung der Durchfahrt des Natur-

schutzgebietes Meinweg in den Niederlan-den betonen den ökologischen Vorteil der Trasse. Durch den Neubau würde gegen über einer Reaktivierung eine hochwertige, dem neuesten Stand der Technik entsprechende Strecke mit Ausbaupotenzial – zweigleisig, elektrifi ziert – entstehen. Außerdem wür-den alle Wege höhenfrei gekreuzt. In einer Studie der Provinz Limburg wird als weiterer zusätzlicher Vorteil der N280/A52-Variante aufgeführt, dass die Trasse unmittelbar an der derzeit noch von den britischen Streitkräften genutzten, ehema-ligen Flughafen der Royal Air Force südlich von Elmpt vorbeiführt. Im Zusammenhang mit der geplanten Schienenverbindung zwischen Antwerpen und NRW sowie un-ter Berücksichtigung logistischer Aspekte können hierbei u. a. folgende Funktionen aufgeführt werden:

Verknüpfungspunkt der Euregio mit dem • Eisernen Rhein undVerknüpfungspunkt der Nord-Süd-ori-• entierten Schienenverbindungen in Lim-burg (Heerlen-Maastricht – Roermond und der Maaslinie) mit einer zusätzlichen grenzüberschreitenden Schienenverbin-

dung im Bereich Roermond zur Stärkung des regionalen Schienennetzes [16].

Im August 2007 wurde in den USA ein Gesetz verabschiedet, das die hundert-prozentige Überprüfung von Container-fracht auf Schiffen binnen fünf Jahren bereits im Abgangshafen fordert (H.R.1 Implementing Recommendations of the 9/11 Commission Act of 2007). Bedingt durch das hohe Umschlagswachstum in den deutschen und ARA-Häfen gewinnen die Hinterlandverkehre im Containerbe-reich von und nach Polen, Schweden, die Niederlande, Schweiz, Italien, Frankreich, Österreich und die Tschechische Republik zunehmend an Bedeutung. Grenzüber-schreitende Verkehre haben nur dann ein Wertschöpfungspotenzial, wenn die transportierten Güter in Deutschland umgeschlagen und damit Dienstleistun-gen verbunden werden, wie zum Beispiel Sortierung von Containern, Reparatur und Veredelung vorgefertigter Waren [17]. Auch hierfür würde sich nach der o. g. Studie die Fläche der Kaserne Elmpt anbieten. Hier-durch könnten Flächenprobleme bei den Binnenhäfen reduziert und aufwändige

Abb. 3: Trassenvariante N 280/A 52

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Investitionen zur Sicherheitsüberprüfung zusammengefasst werden. Diese Maß­nahmen würden zusätzlich zur Förderung des strukturschwachen Grenzgebietes und zum Ausgleich der durch die Aufgabe der Kaserne entfallenden Arbeitsplätze beitra­gen.

Kostenprüfung Mit der Forderung, eine zweigleisige, elek­trifizierte Trasse zu realisieren, wurde die­se Variante parteiübergreifend vom Par­lament des Landes Nordrhein-Westfalen bestätigt (Plenarprotokoll 14/78 vom 7. Dezember 2007). Insbesondere die Kos­tensicherheit der Varianten gegenüber der Reaktivierung der historischen Trasse wur­de diskutiert. Um vergleichbare Werte zu erhalten, wurde vom Ingenieurbüro Vös­sing eine vertiefende technische Studie er­stellt. Die ermittelten Kosten für den deut­schen Streckenabschnitt wurden mit der DB AG in einer Höhe von 480 Mio. EUR abgestimmt. Die möglichen Kostenrisi­ken, die sich aus den Baurechtsverfahren und der Planungstiefe ergeben könnten, wurden ebenfalls erfasst und dokumen­tiert. Diese Restrisiken müssen auf beide Varianten angerechnet werden. Im Auf­trag des belgischen Staatssekretärs und des niederländischen Verkehrsministers wurde eine volkswirtschaftliche Kosten­Nutzen-Analyse erstellt, in der die Varian­ten Reaktivierung der historischen Trasse und N280/A52 berücksichtigt wurden. Bei einer Realisierung des Projektes wird der elektrifizierten N280/A52-Variante der größere volkswirtschaftliche Nutzen bescheinigt. Hier wurden die Kosten in Höhe von 480 Mio. EUR für den deut­schen Abschnitt der N280/A52-Variante berücksichtigt. Die DB AG war an der Er­stellung der Studie beteiligt und hat auf das Risiko einer Kostensteigerung auf 900 Mio. EUR hingewiesen [18]. Aufgrund dieser Kostenunsicherheit war die belgische Regierung nicht bereit, die neue Variante zu unterstützen. In einem Schreiben des niederländischen Verkehrs­ministers an die H. Kammer wurde das Ergebnis der Verhandlungen der Länder Deutschland, Niederlande und Belgien am 17. November 2008 zusammengefasst. Hierbei spricht sich der Verkehrsminister eindeutig für die N280/A52-Variante aus. Sein Vorschlag war, die für die Reaktivie­rung der historischen Trasse vorgesehenen Kosten in die neuen Trasse zu investieren und die Projektrisiken pauschal mit 45% als Obergrenze anzusetzen. Dies würde be­deuten, dass niederländische und belgische Finanzmittel in ein deutsches Streckennetz investiert würden. Eine Zustimmung der deutschen und belgischen Seite konnte auch mit diesem Vorschlag noch nicht er­reicht werden [19].

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Verlängerung Mönchengladbach - Rheinhäfen Mit dem erstrebenswerten Ziel, einen er­heblichen Teil der Transporte zwischen dem Hafen Antwerpen und dem Rhein­land auf die Schiene zu verlagern, wird sich der Verkehr unabhängig von der Variantenauswahl auf der vorhandenen Strecke zwischen Mönchengladbach und Krefeld wesentlich erhöhen. Das vorhan­dene Netz führt durch Ortschaften und Städte. Die Strecke ist aufgrund ihrer Lage und der Belastung bereits jetzt im Maß­nahmenkatalog des Bundes zur Lärmsa­nierung an bestehenden Strecken in den Anhängen 1 und 3 aufgenommen (Stre­cke 2520) [20]. Zusätzlich besteht der Bedarf einer opti­mierten Anbindung an die Häfen Krefeld, Neuss-Düsseldorfund die Rheinhäfen im Bereich Köln. Hieraus lässt sich ableiten, dass die Anbindung des Eisernen Rheins an das Streckennetz Köln - Düsseldorf/ Neuss-Krefeld möglichst durch Um­fahrung der bebauten Bereiche erfolgen sollte. Vor diesem Hintergrund hat die Stadt Krefeld bei der Arbeitsgemeinschaft Ingenieurbüro Dipl.-Ing. H. Vössing -Ingenieurgemeinschaft IW und dem Landschaftsarchitekten Smeets + Dama­schek eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. So soll eine Diskussionsbasis zur Trassenfindung unter ökologischen, finanziellen und technischen Gesichts­punkten entstehen. Untersucht werden vorwiegend Trassen in Parallellage zu den bestehenden Autobahnen A 44 und A 52. Dieser Streckenabschnitt ist unabhängig von der Variante des Eisernen Rheins zu betrachten.

Fazit Der Eiserne Rhein ist ein gutes Beispiel dafür, wie abhängig die Durchsetzung verkehrlicher und ingenieurtechnisch op­timaler Lösungen von politischen Rand­bedingungen ist. Bereits die Aufnahme des Projektes in das Europäische Eisen­bahnnetz zeigt die überregionale Bedeu­tung der Verbindung von Deutschland nach Antwerpen. Alle Untersuchungen haben gezeigt, dass die N280/A52-Va­riante den optimalen Gegenwert für die für die Reaktivierung vorgesehenen Mittel bringt.

LITERATUR [1[ Barteis. T.. Möller, A .• Barthels. K.: Der Eiserne Rhein, Verlag Thomas Barthels, 2005 [2[ Stadt Mönchengladbach; Stadt Wegberg; Gemeinde Roermond; Provinz Limburg; Kreis Heinsberg; IHK Mittlerer Niederrhein; Kamervan Koophandel en Fabrieken voor Noord-en Midden-Limburg; AachenerVerkehrsverbund GmbH; Verkehrsverbund Rhein-Ruhr; Hermes Group NV: Akualisierung der Untersuchung eines alternativen Bedienungskonzeptes für die Schienenverbindung Mönchengladbach -Dalheim - Roer­mond, Ingenieurbüro IVV Aachen, November 1997 [3[ Provincie Noord-Brabant; Provincie Limburg: Haalbarheids­studie A 67 - spoorlijn, Buck Consultants International, Holland Railconsult, DHV, IW-Aachen, August 2001

DER~~~~I EISENBAHN INGENIEUR

INTERNATIONAL E FACH ZE ITSC HRIFT rÜR SCHIENENVERIlEHR " TE CHNIII.

[4[ Provincie Limburg: Quick-Scan Montzenlijn tussen Antwerpen an Duisburg, Ingenieurgruppe IVV, August 2002 [5[ Stadt Krefeld: Ergebnisbericht zur Ermittlung von Folgewir­kungen zwischen Dalheim und Krefeld durch die Reaktivierung des "Eisernen Rheins", November 2001 [6[ Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein­Westfalen: Wasserstraßenverkehr, Binnenhäfen und Logistik in Nordrhein-Westfalen, Fortschreibung des Wasserstraßenver­kehrs- und Hafenkonzeptes Nordrhein-Westfalen, Februar 2008 [7[ Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Masterplan Güterverkehr und Logistik, September 2008 [8[ European Comission; Directorate-General for Energy and Transport: TEN-T, Trans-European Transport Network, Implemen­tation of the Priority Projects, Progress Report, May 2008. [9[ Bundesverkehrswegeplan 2003, Tabelle 15, Internationales Projekt 10 [10[ Deutsche Bahn AG; Staatskanzlei des Landes Nordrhein­Westfalen: Masterplan Nordrhein-Westfalen, 2008 [11[ Industrie- und Handelskammern im Rheinland: Verkehrsbild Rheinland, 2009 [12[ Hinzen, Or. A.; Hohmann, K.: Der "Eiserne Rhein" - Revitali­sierung der direkten Eisenbahnverbindung Antwerpen - Ruhrge­biet [13[ Permanent Court of Arbitration: Arbitration regardingthe Iron Rhine Railway between the Kingdom of Belgium and the Kingdom of the Netherlands, The Hague, 24 May 2005 [14[ Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein­Westfalen: Grenzüberschreitender Schienengüterverkehr zwischen Antwerpen und Nordrhein-Westfalen [15[ Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein­Westfalen: Eiserner Rhein, Eisenbahnverbindung zwischen Antwerpen und Nordrhein-Westfalen - Trassenvergleich, Ingenieurgruppe IVV, Ingenieurbüro Dipl.-Ing. H. Vössing GmbH, Smeets+Damaschek, Movares Nederland BV., Juni 2007 [16[ Provinz Limburg: Quick Scan Untersuchung Mehrwert N280jA52-Variante zum Eisernen Rhein, Buck Consultants International, Movares Niederlande BV., Ingenieurgruppe IW, Oktober 2007 [17[ Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Nationales Hafenkonzept für die See- und Binnenhäfen - Ent­wurf, Februar 2009 [18[ Belgian Ministerof Civil Servie and Public Enterprise, Dutch Minister ofTransport, Public Works and Water Management, Final Report - Social cost-benefit analysis lron Rhine, Februar 2009 [19[ Ministerie van Verkeer en Waterstaat, Niederlande: Schreiben an die 11. Kammervom 25. November 2008, Ijzeren Rijn; trace in Duitsland [20[ Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Maßnahmen zur Lärmsanierung an bestehenden Schienenwe­gen der Eisenbahnen des Bundes - Gesamtkonzept der Lärmsanierung, Februar 2005

Dipl.-Ing. Friedhelm Richter

Ingenieurbüro Dipl.-Ing. H. Vössing GmbH, Leiter der Niederlassung Köln, Fachbereichsleiter Verkehr [email protected]

Summary The Iron Rhine - Europe's port-hinterland link

Back in the 19th century, construction of the "Iron Rhine" railway line linking Antwerp with Roermond and Mönchengladbach itself took several decades owing to political disputes between Belgium and the Netherlands. A resumption of cross-border services between

the Netherlands and Germany, which were discontinued in 1991, is a key element in the future link between the North Sea ports and the inland ports in the Rhineland as weil as the industrial cent res on the Rhine and Ruhr. Once again, however, accompanying political considerations are hampering the implementa­

tion of solutions that would be optimal from the transport and engineering point of view.