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Der kosmische Lockvogel

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Nr. 28Der kosmische LockvogelKadett Tifflor unterwegs in geheimer Mission - so geheim, daß er selbst nichts davonweiß... von K. H. Scheer.von K. H. Scheer

Die Dritte Macht - jene glückliche Mischung aus arkonidischer Supertechnik und menschlichem Tatendrang -kann, nach irdischer Zeit gemessen, bereits auf ein elfjähriges Bestehen zurückblicken.In diesen elf Jahren ist vieles geschehen: die Mondlandung der STARDUST, die erfolgreiche Abwehr vonInvasoren aus dem All, die Enträtselung der uralten Geheimnisse der Venus, der Kampf mit denechsenähnlichen Topsidern und die Entdeckung der Welt der Unsterblichkeit, um nur einige dramatischeHöhepunkte aus der noch jungen Geschichte der von Perry Rhodan geleiteten Dritten Macht zu nennen.Auch der Overhead, jener mit hypnotisch-suggestiven Kräften unglaublicher Potenz ausgestattete Mutant,konnte schließlich überwunden werden.Der Kampf gegen den Overhead schien jedoch nicht unbemerkt geblieben zu sein - wie anders ließe sich sonstdas plötzliche Auftreten von kosmischen Spionen erklären ...Wer sind diese Spione? Woher kommen sie? Was beabsichtigen sie? - Um das zu erfahren, setzt Perry Rhodanden KOSMISCHEN LOCKVOGEL ein ...

Die Hautpersonen des Romans:Perry Rhodan - Der Chef der Dritten Macht.Julian Tifflor - Perry Rhodan benutzt ihn als »kosmischen Lockvogel«.First Sergeant Rous - Er bildet die zukünftigen Kosmonauten der Erde aus.Major Deringhouse - Er hat die Aufgabe, den »Lockvogel« an den Einsatzort zu bringen.Humpry Hifield und Klaus Eberhardt - Zwei Kadetten der Weltraumakademie der Dritten Macht.Mildred Orsons - Eine Studentin der Kosmo-Bakteriologie.Origans - Ein galaktischer Händler, der die Erde entdeckt hat.

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»Taktische Schulung«, sagten sie zu jenentollkühnen, irrsinnig erscheinenden Manövern, diesogar erfahrenen Piloten des Raumjagdkommandosden Schweiß auf die Stirn trieben.

Sie forderten alles. Sie waren in gewisser Artunbarmherzig, obwohl sie nach dem erfolgtenEinsatz wunderbare Kameraden mit einem launigenLachen auf den Lippen waren.

»Sie« - das waren die Ausbilder der SpaceAcademy; das waren jene Männer, die im Dienst derDritten Macht bereits einmal das Sonnensystemverlassen hatten, um weit draußen im kosmischenRaum für die Menschheit zu kämpfen.

»Sie« kannten kaum weiche Gefühle, wenn esdarum ging, die Nachwuchs-Kosmonauten derDritten Macht zu ebensolchen Männern zu machen,wie sie selbst welche waren.

Also hatte Kadett Julian Tifflor den lässigausgesprochenen Befehl erhalten, im Zuge seinerAbschlußprüfung einen schnellen Raumzerstörer zuübernehmen.

Dazu war er »gehalten und angewiesen« worden,den scharfkantigen, hochragenden Gipfel einesMondberges als »feindliche Schiffseinheit«

anzusehen, der man jedoch infolge überhoherEigenfahrt nicht mehr ausweichen könne.

Im Zuge dieses Befehls blieb es dem PrüflingTifflor überlassen, entweder haarscharf an demFelsbrocken vorbeizufliegen oder den trügerischenGedanken zu hegen, das massive Hindernis könntesich im letzten Augenblick durch ein Wunder in eineweiche Wolke verwandeln.

Julian Tifflor, sanft und nachgiebig von Gemüt, bisman ihn reizte, schien mit aller Unschuld seinerzwanzig Lebensjahre tatsächlich der Meinung zusein, dieser rund 3000 Meter hohe Zackengipfelwürde sich in eine Wolke verwandeln.

First Sergeant Rous, tausendfältig erfahrener Pilotdes Raumjagdkommandos, geprüft im Wega-Sektorunter direkt haarsträubenden Bedingungen, stießeinen Entsetzensschrei aus, als Kadett Julian Tifflormit genau zehntausend Kilometer pro Sekunde aufden Berg zudonnerte.

Das war der Augenblick, in dem sich SergeantRous an seine betont »humorvollen« Worte erinnertewonach ein »schlauer« Bursche einfachhindurchfliegen würde! Das war auch der Moment, indem Rous alle möglichen Götter beschwor, »so«wäre es ja nun auch nicht gemeint gewesen; ganzbestimmt aber nicht mit einem derartigen Tempo.

In die Doppelkontrollen des Zerstörers

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einzugreifen, wäre mehr als sinnlos gewesen.Schließlich befand man sich in einem sogenanntenAbschlußboot, in dem einem Fluglehrer überhauptkeine Doppelkontrollen mehr zur Verfügung standen.

Außerdem kam der Berggipfel mit jeder Sekundeum zehntausend Kilometer näher, was - exakt gesagt!bedeutete, daß Kadett Tifflor im Winkel von etwa 45Grad auf die Mondoberfläche zuraste. »Sind Siewahnsinnig ...!« Mehr konnte Sergeant Rous nichtmehr brüllen, da das starr eingebaute Impulsgeschütznoch um eines lauter war. Rous spürte das wildeSchütteln der schnittigen dreisitzigenAusbildungsmaschine. Es war das harte Vibriereneiner ungeheuren Kraftentfaltung, die nun in derForm eines violetten, sonnenheißen Thermostrahlsaus der Schirmfeldmündung der Kanone zuckte.

Julian Tifflor, normalerweise nur »Tiff« genannt,schoß mit Hilfe der Feintasterautomatik aus genaudreißigtausend Kilometer Entfernung. Das war einfür Raumgefechte durchaus gängiges Maß. Da derThermoschuß fast lichtschnell war, hatte Tiff nochetwa drei Sekunden Zeit, um sich seine weiterenMaßnahmen zu überlegen.

Für Sergeant Rous wurden die wenigenAugenblicke zu Ewigkeiten. Die schwereImpulskanone röhrte im Dauerfeuer, und derZerstörer wurde in keiner Weise langsamer.

Dann brüllte Rous nochmals; aber da war dieHauptsache schon vorbei. Imgravitationsmechanischen Abstoß-Schutzschirm desZerstörers flammte vergaste Materie. Ehe man dasschrille Kreischen der abgedrängten Partikelvernehmen konnte, sauste die Maschine bereits nacheiner beängstigend scharfen Auffangkurve in denleeren Raum hinaus. Zurück blieb ein weißglühender,blasenwerfender Krater, der genau dort entstandenwar, wo sich vorher ein zackiger Gipfel erhobenhatte.

Das tiefe Tosen der arkonidischen Energiewaffeverstummte. Nur das kraftvolle Donnern desImpulstriebwerks war noch zu hören.

Julian Tifflor hatte feine Schweißperlen auf derStirn. Seine Stimme klang etwas kratzig, als ervorschriftsmäßig meldete:

»Befehl ausgeführt, Sergeant. Die >feindlicheSchiffseinheit< mußte vernichtet werden, da einAusweichen nicht mehr möglich war. Es wurdehindurchgeflogen.«

Rous wischte sich mit einer flüchtigenHandbewegung die Blässe aus den Wangen. Ausschmalen Augen musterte er das hagere, sonst aberweiche Gesicht des Kadetten, der sich eben erst ausseiner angespannten Verkrampfung löste. Es dauerteeine Weile, bis Tiff wieder seine verträumtenBraunaugen zeigte. Augenblicke zuvor waren sienoch dunkel und kalt gewesen; irgendwie uferlos und

unergründlich.»Fassen Sie Ihre Befehle immer so wörtlich auf?«

erkundigte sich Rous mit gefährlicher Sanftmut.Tiff schluckte. Plötzlich fühlte er sich wieder

unsicher.»Jawohl, Sergeant«, entgegnete er. Ein rascher

Blick flog nach hinten, wo im Sitz des Orters KadettEberhardt hockte.

Eberhardts breites Gesicht glich einemverwaschenen Farbklecks.

»Junge!« schnaufte er. »Junge! Ich sah mich schonals Gaswolke. Ich ...«

»Ihre Meinung ist uninteressant, KadettEberhardt«, fauchte Rous. »Okay, Sie übernehmenjetzt die Maschine. Wechseln Sie die Plätze.«

Tiff lächelte gequält. Ein echtes Grinsen, wie esunter den oftmals übermütigen Kadetten der SpAüblich war, brachte er nur selten auf die Lippen.

Unbeholfen schälte er sich aus dem Pilotensitz undschob sich nach hinten. Klaus Eberhardt begann aufeinmal erneut zu schwitzen. Jetzt war er also an derReihe!

Tifflor schaute blinzelnd auf Rous Finger, die mitgewohnter, nervenzermürbender Umständlichkeitzum »schlauen Buch« griffen. Es war zwar nur einganz gewöhnlicher Taschenkalender, aber was darineingetragen wurde, bedeutete für die Prüflinge derSpA Sein oder Nichtsein.

Sergeant Rous sagte nichts mehr. Daß er innerlichvon widerstreitenden Gefühlen nahezu zerrissenwurde, ahnten weder Tifflor noch Eberhardt.

So ein Höllenbraten, dachte Rous bei sich. So einHöllenbraten.

Augenblicke später versank Tifflor in ein Meer ausEhrfurcht, Respekt und grenzenloser Hochachtung.

Sergeant Rous, der fähige, todesmutigeRaumjagdpilot, erstarrte förmlich zur Salzsäule, undEberhardt stieß ein schrilles Quietschen aus.

Der Hyperkom hatte angesprochen. Auf demBildschirm des überlichtschnell arbeitendenFunkgerätes war das schmale, kantige Gesicht einesMannes erschienen.

»Rous, sind Sie das?« dröhnte es überlaut durchdie enge Kabine.

Der Sergeant gewann die Sprache wieder. Das warder Chef persönlich! Was hatte Perry Rhodanbewogen, den kleinen Zerstörer anzurufen?

Rous gab seine Meldung ab. Der auf demBildschirm erkennbare Mann nickte kurz.

»Danke, ich weiß. Landen Sie sofort und meldenSie sich bei mir. Kadett Julian Tifflor ist bei Ihnen?«

Diesmal begann Rous seine Unterlippe zuzerbeißen. Ein Blick voll von schrecklichstenDrohungen flog zu dem Kadetten hinüber. Rousbestätigte die Frage.

»Kadett Tifflor hat sich um elf Uhr Standardzeit

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bei mir zu melden. Sie erscheinen einige Minutenzuvor, Sergeant. Alles klar?«

Das war typisch für Rhodan, für den Mann, der imLaufe von nur elf Jahren den Planeten Erde zu einemgalaktischen Machtinstrument ersten Ranges gemachthatte.

»Jawohl, Sir«, stammelte Rous außer sich. SeineAugen quollen etwas hervor.

»Verzeihung, Sir - sagten Sie, Kadett Tifflor solltebei Ihnen erscheinen? Im Palast?« Perry RhodansAugen verengten sich unmerklich. Er schien etwaserheitert zu sein.

»Allerdings im Palast. Sie können auchAdministration dazu sagen. Übrigens war IhrPrüfungsmanöver etwas riskant. Wer hat dieMaschine geflogen?«

»Dieser Tifflor, Sir«, flüsterte Rous mit trockenenLippen. »Oh, so war das. Sehr schön, Ende.« DieBildfläche erlosch. Zurück blieb nur das Rauschender Fernsprecher.

Sergeant Rous drehte sich sehr langsam in seinemSitz um. Seine dunklen Augen waren wie bröckeligesEis. Er hatte jeden Humor verloren.

»Tifflor, was haben Sie ausgefressen? Schnell,reden Sie! Reden Sie ganz schnell! Wie kommt derChef dazu, einen kleinen Kadetten in denRegierungssitz zu befehlen? Was ist los?«

Tiff fühlte seine Augen feucht und die Handflächetrocken werden.

»Keine Ahnung, Sergeant, wirklich nicht.«»Wir werden sehen, mein Lieber. Gnade Ihnen

Gott, wenn Sie mir durch irgendeinen Blödsinnmeine Prüfungsgruppe sauer gemacht haben. Dannsind Sie einmal auf der SpA gewesen. Eberhardt,fliegen Sie den Gobihafen an. Beeilung!«

Ein blitzendes Etwas raste mit unverminderterFahrt auf die deutlich erkennbare Sichel des PlanetenErde zu. Für den lichtschnellen Zerstörer war derAusflug zum Mond ein besserer Hupfer. Es war eineAugenblicksangelegenheit, nicht mehr.

Kadett Julian Tifflor, genannt Tiff, fühlte seinHerz im Halse schlagen. Er dachte nur noch darübernach, warum um alles in der Welt ihn der Chefpersönlich zu sehen wünschte. So etwas war noch nieda gewesen. Was würden die Schüler der SpaceAcademy, der SpA, dazu sagen? Schaudernd dachteer an Hohn und Mitleid. Ganz klar, daß da etwasnicht stimmen konnte. Umsonst wurde einNachwuchs-Kosmonaut nicht in das Allerheiligstebeordert. Tifflor sah düstere Wolken am Horizontaufziehen.

*

Der hochgewachsene Mann schaltete denHyperkom an. Sinnend blickte Perry Rhodan,

Präsident der Dritten Macht, auf die verlöschendeSchirmfläche.

»Der Junge wird jetzt dem Zusammenbruch nahesein«, grollte eine tiefe Stimme. »Das hättest du ihmauch bei anderer Gelegenheit und anderenortsbeibringen können.«

Rhodan hob den Kopf. Reginald Bull, erprobterGefährte in zahllosen Einsätzen undVerteidigungsminister der Dritten Macht, wirkte indem riesigen Raum sehr unauffällig und unscheinbar.

Seine Lippen waren verkniffen. Unwillig sah erauf den sitzenden Chef nieder. Bull gehörte zu jenenMännern, die im Beisein der Kadetten unbarmherzigerschienen. Wenn er jedoch von ihnen sprach, dannzeigte er gewissermaßen ein goldenes Herz.

Rhodan lächelte unmerklich. Es stand fest, daß erden untersetzten, breitschultrigen Mann wiedereinmal durchschaut hatte.

»Tifflor hat keine Nerven«, murmelte Rhodanabwesend. »Wir kennen ihn aus den Einsätzen gegenden sogenannten >Overhead<. Tifflor handelte wieein kluger Taktiker. Ich werde ihn einsetzen müssen -sehr hart sogar.«

Reginald Bull, unter Freunden Bully genannt, soggeräuschvoll die Luft ein. Sein breites Gesicht wurdenoch kantiger.

»Okay, einverstanden, aber nur dann, wenn du ihninformierst.«

Rhodans Stirn runzelte sich. Sehr bedächtig erhober sich hinter dem riesenhaften Tisch, der mehr einerkomplizierten Schaltanlage als einem Schreibmöbelglich. Als er neben Bull stand, begegneten sich dieBlicke der Männer.

»Machen wir uns nichts vor«, betonte Rhodan.»Der Junge darf erst dann alles erfahren, wenn seinEinsatz abgeschlossen ist.«

»Du reißt ihn mitten aus der Abschlußprüfungheraus.«

»Wenn er die Aufgabe erfüllt, werde ich sehrgerne sein Diplom unterschreiben.«

Bulls Schultern sanken nach unten. Leer blickte erauf die zahllosen Bildschirme des Arbeitsraumes.Hier war das Nervenzentrum der Dritten Macht.Stockend meinte er: »Es gefällt dir wohl nichtbesonders gut, daß drei Einheiten unserer Raumflottespurlos verschwunden sind, wie?«

Rhodan zeigte sein berühmt-berüchtigtes Lächeln.Es war zu sanft, um überzeugend wirken zu können.

»Erraten! Jemand, den wir nicht kennen, beginntsich für uns zu interessieren. Es ist das eingetreten,was zu verhindern ich seit Jahren versucht habe -nämlich die Entdeckung der Erde und des Solsystemsdurch unbekannte Intelligenzen. Nein, keineEinwände, bitte. Um die Individualverformer handeltes sich erwiesenermaßen nicht.«

Bully dachte an jene eigenartigen Lebewesen, die

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man schon kurz nach dem Aufbau der Dritten Machthatte zurückschlagen müssen. Diesmal sah es ernsteraus.

Das große Beiboot K-1 aus derGOOD-HOPE-Klasse war verschollen, desgleichenzwei nagelneue Raumjagdzerstörer der Nullserie. FürRhodan genügten diese Tatsachen vollständig, umihn zu schlagartiger Aktivität erwachen zu lassen.Unbekannte waren blitzschnell aufgetaucht, umdanach wieder zu verschwinden. Es stand außerFrage, daß sie über Terra und damit über dieMenschheit informiert sein mußten.

Rhodans Funkabhördienst hatte rätselhafteKurzimpulse auf überlichtschneller Basisaufgefangen. Die Entschlüsselung hatte keinen Sinnergeben. Es handelte sich um verschachtelteSymbolgruppen, die offenbar willkürlich fürverschiedenartige Begriffe zusammengestellt wordenwaren.

Also stand es für Rhodan fest, daß es auf der Erdefremde Agenten gab. Trotz des Einsatzes der fähigenMutanten aus dem Spezialkorps war es nichtgelungen, einen einzigen dieser Spione auftelepathischem Wege zu orten. Es war wie verhext.Es schien, als hätten sich wesenlose Schatten über dieErde gebreitet; Schatten, die man weder sehen nochergreifen, bestenfalls erahnen konnte.

Rhodan schritt bedächtig zum nächsten Visiphonhinüber. Nach der Schaltung erschien Dr. Haggardauf dem Bildschirm. Haggard fungierte als Chef derweltberühmt gewordenen Gobi-Klinik, in dergenerell nach arkonidischem Muster gearbeitetwurde.

»Unser Mann wird in zwei Stunden hier sein«,erklärte Rhodan knapp. »Ist Professor Kärner bereitsabgeflogen?«

»Vor etwa drei Stunden. Ich folge in zehnMinuten. Wir werden es schaffen können.«

Rhodan winkte wortlos in die Aufnahmeoptikhinein. Dann unterbrach er die Verbindung.

»Du willst es also riskieren?« erkundigte sich Bullgedehnt. »Eine harte Nuß, denke ich. Man sollte ihnvorher fragen, ob er auch damit einverstanden ist.«

»Wenn in seinem Gedächtniszentrum nur einFunke der Ereignisse verankert ist, wird er mehrgefährdet sein als auf andere Weise. Wir werden einkosmisches Spielchen spielen, alter Freund.«

Bull stülpte die Schirmmütze über den Schädel.Lautstark stampfte er auf das Panzerschott derArbeits- und Schaltzentrale zu.

»Man wird ja nicht mehr um seine Meinunggefragt«, nörgelte er. »Okay, dann spiele das, was duein Spielchen nennst. Ich halte es für eine verrückteIdee. Der Angriff ist noch immer die besteVerteidigung.«

»Und wo willst du angreifen, und was willst du

angreifen?« forschte Rhodan mit gemäßigter Stimme.Bull verkniff die Lippen, ehe er mit einer

Verwünschung verschwand.Da lag das Problem verankert! Was sollte man

angreifen, wenn es nichts Faßbares gab!Man schrieb den 28. Juni 1982, als Perry Rhodan

nach genauester Auswertung aller verfügbaren Dateneinen Hebel ansetzte, mit dessen Wirkung wohlniemand außer Rhodan selbst gerechnet hatte.

Es war ein starker, mächtiger Hebel, der jedochebenso schnell zerbrechen konnte, wie er von Rhodangeschaffen worden war.

Der 28. Juni des Jahres 1982 war der Tag, an demder Präsident der Dritten Macht mit harter Hand inden kosmischen Großraum langte. Es war die Stunde,die in der Geschichte der Menschheit als eine derwichtigsten bezeichnet wurde. Zur Zeit konnte abernoch niemand ahnen, daß es einmal eine Chronikgeben würde. Noch war der Mensch klein undschwach, technisch und wissenschaftlich unterlegen.Dafür hatte er aber etwas aufzubieten, was nur ganzwenigen Intelligenzen zu eigen war: ungeheurenTatendrang, Unverzagtheit, Mut und eine brennendeNeugierde.

Rhodan rechnete damit und - er rechnete nichtfalsch!

2.

Kadett Julian Tifflor sah auf die Uhr. Es dauerteeine Sekunde, bis er das haltlose Schwanken derZeiger auf seine eigenen Augen zurückführte.Krampfhaft schluckend trat er vor denWandschrankspiegel und warf einen letzten Blick aufdie Uniform.

Natürlich hatte er vor dem Chef in Dienstkleidungzu erscheinen. Dazu zählten Handwaffe, Funkhelmund Kombinationsgürtel.

»Bißchen nervös, eh?« fragte jemand. Tifflor fuhrzusammen. Seine braunen Augen schienen zu glühen.

Humpry Hifield, ein strohblonder Typ ohneHemmungen und erkennbare Komplexe, lümmelteauf seinem Schaumstofflager herum.

Hump wußte sehr genau, was er gegenüber Tiffloraufzubieten hatte. Wenn Tiff als das mathematischeGenie der SpA galt, so stand es fraglos fest, daßHumpry Hifield bei den letzten Boxmeisterschaftenals Sieger hervorgegangen war. Für Humps Begriffewaren Kosmo-Mathe und Boxkunst ungefähridentisch. Es war Tiffs Pech, daß er ausgerechnet mitHifield das gleiche Zimmer teilen mußte.

»Ruhig, Junge, ruhig«, knurrte Kadett Eberhardtwarnend. Er war der dritte Bewohner des Raumes.Schnaufend, an seinem engen Gürtel zerrend, trat erneben Tifflor, dessen momentaner Zorn sich sofortwieder verlor. Hilflos sah er den Mitschüler an.

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»Wenn ich vor dem Chef stehe, werde ichbestimmt ohnmächtig«, bekannte er düster.

Hump Hifield wuchtete seinen Körper vom Lagerhoch. Wiegenden Ganges trat er näher, die kräftigenHände tief in den Hosentaschen versteckt. Er warebenso groß wie Tifflor, nur fast doppelt so breit.

»Ich sage ja immer, daß verträumte Schwätzernichts für den Raum taugen. Ehe du gehst, braucheich noch die Schirmfeldgleichung über die Beziehungzwischen kosmischer Mikromaterie und einemüberlagernden Gravofeld. Also, wie ist das?«

Humps Grinsen wurde noch breiter. Seine Händebaumelten nun am Körper herab.

»Den Teufel werde ich tun. Suche dir dieGleichung heraus«, schluckte Tiff aufgebracht.

»Zuviel Arbeit«, sagte Hump gedehnt. »Okay, duhast bald noch eine Stunde Zeit. Meine Vorlesungbeginnt in dreißig Minuten.«

»Wie wäre es, wenn du dem schwachgebautenMathe-Pauker deine Faust unter die Nase hieltest?«erkundigte sich Eberhardt. Sein dicklicher,untersetzter Körper kam herum. Humps Augenverkniffen sich.

»Halte dich heraus, Dicker«, warnte Hifield.»Wenn ich rede, hast du große Pause, klar?«

»Haltet doch Ruhe«, warf Tiff nervös ein.»Verdammt, ich habe jetzt andere Sorgen.«

»Huch, das Küken flucht!« staunte Hump. »Soetwas! Nicht möglich!«

Tiff schloß krampfhaft die Augen. Hifieldslautstarkes Gelächter traf ihn zutiefst.

»Einmal wird dir einer deinen großen Mundschließen«, sagte Eberhardt ungewohnt kalt. »Dasaber so gründlich, daß du ihn nie mehr aufkriegst.Gleichung!«

»Willst du Meldung machen?« fragte Humpflüsternd. Seine Schultern krümmten sich nach vorn.

Er entspannte sich ruckartig, als jemand gegen dieTür klopfte. Sehr plötzlich zeigte Hump ein jovialesLächeln. Eberhardt wandte sich ab. »Radfahrer«,knirschte er. »Nach oben immer schön den Buckelkrumm, eh? Nach unten tritt sich's besser.«

Die drei Kadetten nahmen Haltung an. Es war aberkein Vorgesetzter.

»Darf man hereinkommen?« fragte eine helleStimme.

»Das ist verboten«, meinte Tiff hastig. »Himmel,bringe dich nicht in Ungelegenheiten. Mädchenhaben hier nichts zu suchen.«

Mildred Orsons, Kosmo-Bakteriologie-Studentinim CB-Institut der SpA, schleuderte mit ihrertypischen Kopfbewegung die pechschwarzen Haarein den Nacken. Geschmeidig trat sie ein.

Wortlos, äußerst kritisch musterte sie TiffsErscheinung.

»Umdrehen«, kommandierte sie. »Hm, der Gürtel

sitzt wieder schief. Ich bin nur deshalb gekommen,um dir zu sagen, daß dich Deringhouse persönlichunter die Lupe nehmen wird. Auf dem Griff deinerDienstwaffe ist ein dunkler Fleck. Schlecht, meinLieber, sehr schlecht. Ihr haust überhaupt wieUrmenschen.«

Tifflor sank von einer Verlegenheit in die andere.War es ein gutes Zeichen, daß die überall verehrteMilly Orsons so um sein persönliches Wohlergehenbesorgt war?

»Ich - ich werde das beseitigen«, versprach erhastig. »Aber bitte, gehe jetzt lieber. Wenn man dichin der Kadettenabteilung erwischt, bekommst duSchwierigkeiten.«

Millys Gerechtigkeitsfimmel feierte spontanTriumphe. Sie gehörte zu jenen Typen, die wegeneines abgemagerten Hundes die ganze Welt einreißenwollten.

Ihre dunklen Augen sprühten Feuer. Tiff sanksofort in sich zusammen.

»Es ist ungerecht, einen Jungen in dieser Art zubehandeln«, empörte sie sich. »Klaus hat mir gesagt,wie du den Befehl bekommen hast. Der Chef weißoffenbar nicht, was er damit anrichtet. Okay, jemandmuß sich ja um dein Seelenheil kümmern. Wir habenSergeant Rous sozusagen davon überzeugen können,daß man nach deiner Uniform sehen muß. Huh, wiesehen deine Kombistiefel aus? Da hängt javerschmierte Schokolade dran!«

Tiffs Kopf fuhr nach unten. Sein nächster wilderBlick galt dem breit grinsenden Hifield.

»Ich hatte sie sauber geputzt«, knirschte Tiffloraußer sich. »Und du Heuchler hast vor zehn Minutennoch Schokolade gegessen. Du hast mir das Zeug aufdie Schuhe geschmiert. Ich ...«

»Ruhe«, schrillte Milly, ehe sich Tiff auf den inlockerer Haltung wartenden Hump stürzen konnte.

»Seid ihr alle verrückt geworden! Hump, stimmtdas mit der Schokolade? Wenn ja, so laß dir gesagtsein, daß du ein ganz widerlicher Schurke bist.«

»Ich kann den Angeber nicht ausstehen«, bekannteHifield gehässig. »Er geht damit hausieren, daß ervor dem Chef erscheinen soll.«

»Ich habe einen Befehl erhalten«, brüllte Tiff. »Ichweiß auch nicht, warum ich ...«

Das helle Knacken im Lautsprecher ließ denKadetten verstummen. Hump nahm zuerst Haltungan. Unbewegt sah er auf den Bildschirm desWandvisiphons, auf dem das Gesicht von MajorDeringhouse erschienen war. Deringhouse fungierteals Chef des Raumschulungs-Verbandes. DieAbgangsklasse der SpA hatte zur Zeit fastausschließlich mit Deringhouse zu tun.

Milly flüchtete mit einem wilden Satz aus demErfassungsbereich der Aufnahmeoptik. Blaß verbargsie sich hinter der geöffneten Spindtür.

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»Kadett Tifflor, sind Sie fertig?« knallte es ausdem Gerät. Tiff trat um einen Schritt nach vorn.»Jawohl, Sir«, bestätigte er kratzig. »Okay, kommenSie sofort in mein Büro. Ich bitte mir eine ordentlicheDienstbekleidung aus, oder der Teufel soll Sie holen.War da nicht noch jemand im Zimmer?« Tiffverrenkte die Augäpfel. »Nein nein, Sir«, log er.»Wie Sie meinen. Wenn die Dame aber schon derMeinung ist, Ihrer Kleidung den letzten Schliff gebenzu müssen, so soll sie sich gefälligst auch zeigen. Wirreden noch darüber, Tifflor. Ende.«

Deringhouse verschwand. Milly tauchte zitterndhinter der Tür auf.

»Großer Gott, er hat mich gesehen«, ächzte sie.»Nun ja, abwarten heißt die Devise. Nun gib deinenSchuh her. Klaus, ich brauche einen Putzlappen.«

»Ich ziehe es vor, zu verschwinden«, äußerte sichHumpry Hifield.

»Angst, eh?« fauchte Eberhardt. »Der sehrehrenwerte Mr. Hifield, Student im letzten Semester,könnte ja bei einer verbotenen Sache erwischtwerden, nicht wahr! Mensch, verschwinde ja ausmeinem Blickwinkel.«

Hump ging schulterzuckend. Minuten später wurdeTiff der kugelige Funkhelm unter den Armgeklemmt.

»Okay, nun vergiß nur nicht das Atmen«, sagteMilly.

Tiff stapfte auf schwankenden Beinen hinaus undauf den Gravitationslift zu. Er fiel so tapsig hinein,daß er unten auf dem Bauch in der Halle landete.Sergeant Rous weinte bald. »Mensch, stehen Sieauf«, ächzte er. »Gehen Sie, springen Sie! Ich kannSie nicht mehr anblicken, ohne Anfälle zubekommen.«

Tiff setzte seine langen Beine in Bewegung.Gehetzt flitzte er den langen Gang zu DeringhousesBüro hinunter.

»Ihre Waffe!« heulte Rous hinter ihm her. »Beiallen Teufeln, der Kerl läßt seine Waffe im Liftliegen.«

Tiff entwickelte sich zum Artisten. Er wirbeltepraktisch in der Luft herum, sauste zurück und rißdem Fluglehrer mit einer ganz und garunverständlichen Bemerkung den Impulsstrahler ausder Hand.

Rous blickte dem Kadetten erschüttert nach. Daskonnte ja noch heiter werden.

*

Für Julian Tifflor hatte dieWeltuntergangsstimmung in dem Augenblickbegonnen, als ihn ein arkonidischer Kampfroboterdurch die schmale Strahlungsschleuse des mächtigenEnergie-Kugelfeldes leitete.

Inmitten des vom E-Feld überspannten Raumeserhob sich der Regierungspalast der Dritten Macht.Dicht nebenan lag die Panzerkuppel mit dem in derGobi stationierten positronischen Computersystem.

Wie betäubt, nahezu schlafwandlerisch, hatte erdie scharfen Kontrollen passiert. Nun stand er in demriesigen Arbeitsraum eines Mannes, der elf Jahrezuvor als einfacher Major der U S. Space Force daserste bemannte Raumschiff auf dem Mond gelandethatte.

Allein diese Tatsache genügte schon, um Tiffautomatisch zu einem Häufchen Unglück werden zulassen. Wenn er dazu noch darüber nachdachte, unterwelchen Schwierigkeiten Perry Rhodan das Wissender auf dem Mond entdeckten Arkonidennutzbringend und zum Wohle der Menschheitverwendet hatte, so fühlte er sich einer Ohnmachtnahe.

Nun stand er vor ihm; vor dem Idol, dem zurSagengestalt gewordenen Mann, von dem manflüsternd behauptete, eine unbegreifliche Macht hätteihm das ewige Leben verliehen.

Worüber Tiff aber ganz sicher informiert war, daswaren die galaktopolitischen und militärischenUnternehmungen des Chefs. Dieses Wissen reichteaus, um Tifflor den Angstschweiß auf die Stirn zutreiben.

Seine Habachtstellung glich einem verbogenenKorkenzieher. Seltsamerweise flatterten seine Beineerst unterhalb der Knie, weshalb Tifflor inaufsteigender Panik auf den Moment seinesendgültigen Zusammenbruchs wartete.

Andere Kadetten hätten das besser gemacht, ganzsicher sogar! Humpry Hifield hätte wahrscheinlichwie ein Klotz vor dem Chef gestanden; ohne mit derWimper zu zucken und ohne unter Komplexen zuleiden.

Perry Rhodan musterte den zwanzigjährigenSpA-Schüler sehr lange und sehr eingehend. So hatteer selbst einmal vor dem Kommandeur der SpaceForce gestanden - innerlich bebend, jeden Muskelverkrampft. Zu jener Zeit, es war Anfang dersechziger Jahre gewesen, war eben die Space Forceunter dem ehemaligen Oberst Pounder erschaffenworden.

So unterdrückte er sein aufkeimendes Lächeln. Ertat es auch dann noch, als der anwesende Telepath,John Marshall, lautlos durchgab:

»Chef, er kippt gleich um. Für ihn sind Sie soetwas wie ein kleiner Herrgott.«

Rhodan verstand die telepathische Nachrichthalbwegs einwandfrei. So sagte er nach einem kurzenRäuspern:

»Sie sind privat hier, Mr. Tifflor. Nehmen Siedeshalb bitte Platz.«

Tiff schwankte auf den Sessel zu. Als er

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hineinkippte, machte sich der Funkhelm promptselbständig und folgte dem Zug der Schwerkraft.

In Tiffs Ohren dröhnte der Aufschlag mörderischlaut. Entsetzt, auf alles gefaßt, sah er zu dem Mannhinter dem Schalttisch hinüber.

»Der schöne Hut!« meinte Rhodan trocken.»Haben Sie etwas gegen ihn?«

Tiff stammelte zahllose Beteuerungen, daß er -selbstverständlich! niemals etwas gegen dieDiensthelme einzuwenden hätte, ganz im Gegenteil!Die eingebauten Funksprech- und Bildanlagen seienhervorragend und absolut nutzbringend.

Rhodan geduldete sich zwei Minuten, bis Tiff mitseiner Funkhelm-Beschwörung fertig war.

John Marshall zog sich unauffällig zurück. Seinkurzes Nicken sagte alles. Kadett Julian Tifflor warvöllig einwandfrei. In seinem Bewußtsein gab esnichts, was er von Rhodan zu verbergen gehabt hätte.

»Nun, da wären wir uns ja einig«, unterbrachRhodan. »Vielen Dank für die erschöpfendenAusführungen. Sie wissen, warum ich Sie zu mirbefohlen habe?«

Tiff verstummte. Bereits etwas gefaßter verneinteer. Rhodans Gesicht verschloß sich. Die betonteGleichmütigkeit in den Zügen hätte andere Leutestutzig gemacht. Tifflor spürte nur seinen jagendenPuls. Jetzt mußte die Katastrophe kommen!

Rhodan zog ein gefaltetes Blatt Papier unter einemAktenstapel hervor. »Ihr Herr Vater zeigt einebemerkenswerte Entschlußkraft. Es kommt nicht alleTage vor, daß jemand dem Präsidenten der DrittenMacht ein rein privates Telegramm schickt. Siewerden ab sofort beurlaubt, Mr. Tifflor.«

Tiffs Verkrampfung lockerte sich, um einemgrenzenlosen Staunen Platz zu machen.

»Ein - ein Telegramm?« stammelte er verblüfft.Rhodan nickte. Die ganze Erklärung sah nicht

danach aus, als wäre der Chef bereit, dem Kadetteneine außergewöhnliche Vergünstigung einzuräumen.Tiff spürte es ebenfalls. Rhodan registrierte dieplötzliche Wachheit des Nachwuchs-Kosmonautenaus den Augenwinkeln. Der junge Mann schien sichverwandelt zu haben. Jede Unsicherheit war von ihmabgefallen. »Ihre Schwester wird heute noch heiraten.Deshalb auch die Eile.«

»Eileen, heiraten?«»Um achtzehn Uhr, Ostküstenzeit. Sie fliegen in

einer Stunde ab, der Sonne entgegen. Sie nehmeneinen einsitzigen Raumjäger. Die Maschine wird fürSie soeben klargemacht. Trauen Sie sich zu, densuperschnellen Jäger heil nach New York zubringen?«

Tifflors Gesicht glühte. Großer Gott: mit einemRaumjäger der Dritten Macht nach New York! Daswar mehr als eine überraschende Mitteilung. Tiffnickte wortlos. Er fand keine Worte mehr.

Rhodan musterte ihn sinnend. Das Telegrammwanderte über den Tisch. Es war in der Tat einegänzlich ungewöhnliche Nachricht.

»Normalerweise wäre mir der Inhalt niemalsmitgeteilt worden«, bemerkte Rhodan. »Ich habe abervor, Sie mit einer besonderen Sache zu beauftragen.Die Hochzeit Ihrer Schwester kommt mir dabei wiegerufen. Unauffälliger kann ich keinen Sonderkuriernach New York bringen. Sie halten sich im HauseIhres Vaters auf, bis Sie eine Nachricht unter demSchlüsselwort >Himmelstor< erhalten. Danachmelden Sie sich sofort bei Homer G. Adams, demChef der General Cosmic Company. Mr. Adams istIhnen ein Begriff?«

Tiff hauchte sein »Jawohl, Sir«. Natürlich warAdams ein Begriff.

»Sehr schön. Sie werden einen Diplomatenpaß derDritten Macht erhalten, desgleichen eineSondervollmacht, nach der Sie berechtigt sind, imFalle der Gefahr von Ihrer Dienstwaffeuneingeschränkten Gebrauch zu machen. IhrRaumjäger wird drüben angemeldet werden.Kümmern Sie sich also um nichts, sondernüberfliegen Sie einfach die Landesgrenzen derVereinigten Staaten. Sie landen auf der neuenRaumbasis von New York City, wo Ihre Maschinevon unseren Leuten in Wartung genommen wird.Dann besuchen Sie augenblicklich Ihre Eltern.Nehmen Sie an der Hochzeit teil. Noch Fragen?«

»Keine mehr, Sir«, entgegnete Tifflor ruhig undgefaßt. Sein schmales Gesicht hatte sichverschlossen. Rhodans Augen verengten sich.»Ausgezeichnet. Kadett Tifflor. Diese kleineMetallrolle nehmen Sie sofort an sich. Sie haben sienur Mr.

Adams zu übergeben, sonst niemand. Sollten sichandere Leute dafür interessieren, so erinnern Sie sichan Ihren Schießbefehl. Weitere Anweisungenerhalten Sie von Homer G. Adams. Sie unterstehen inNew York seiner Befehlsgewalt. Ihren Raumjägererhalten Sie von Major Deringhouse. Desgleichenbekommen Sie eine scharfe Waffe. Das wäre alles.Vielen Dank.«

Julian Tifflor fragte nichts mehr. Er verstaute diehandlange Metallrolle in der Innentasche seinerUniformkombi, baute eine saubere Ehrenbezeigungund ging dann zum lautlos aufgleitenden Schotthinüber. Ehe er es durchschritt, erreichten ihn nochRhodans Worte:

»Tifflor, dies ist ein Sondereinsatz. Wundern Siesich über nichts. Wenn Ihnen die Sache zu riskanterscheint, biete ich Ihnen die Möglichkeit, nach IhrerAnkunft in New York abzulehnen.«

Tiff schritt wie im Traum davon. Genau zehnMeter vor dem ersten Kontrollpunkt wurde ihm voneinem arkonidischen Kampfroboter ein geladener

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Impulsstrahler überreicht. Seine normale Waffewechselte den Besitzer.

In einem Büro erhielt er die Spezialausweise.Fünfzehn Minuten später war er wieder in seinerUnterkunft, wo er im Zeitraum von nochmalsfünfzehn Minuten einige persönliche Habseligkeitenzu verpacken hatte. Kadett Klaus Eberhardt branntevor Neugierde.

»Was war los?« fragte er erregt. »Nun rede doch.«»Angeber«, knurrte Hifield aus dem Hintergrund.

»Schweigen macht interessant, was? He, was hast dudenn da in die Tasche gesteckt? Zeig mal her.«

Tiff schloß den Magnetverschluß seinerAusgehuniform. Die von Rhodan üb erreichte Kapselwar sicher verstaut. Hump Hifield näherte sichschwerfällig. Sein breites Gesicht war verkniffen.

»Was hast du da? Du sollst es herzeigen. Ich werdedich ...«

Er bemerkte kaum die huschende Handbewegung.Dafür sah er sehr genau, daß es in der spiraligenMündung der Arkonidenwaffe rötlich flimmerte.

»Keinen Schritt näher, Hump«, warnte Tiff tonlos.»Keinen Schritt, oder du bist einmal gewesen.«

»Verrückt geworden?« schluckte Eberhardterblassend. »Mensch, woher hast du dieFeuerspritze.«

»Kein Kommentar. Aus dem Wege, Hump.«Hifield wich schleunigst zurück. Er fühlte, daß es

Tifflor niemals zuvor so ernst gemeint hatte. Seinunsicheres Gelächter hallte hinter demdavonschreitenden Kadetten her.

Einige Meilen entfernt schaltete Rhodan dasVisiphon ab. Die Umrisse des Dreimann-Zimmersverschwanden.

»Er reagiert schnell und zielbewußt«, murmelteRhodan nachdenklich. Sein Blick suchte dieanwesenden Offiziere der Dritten Macht.

»Bully, kümmere dich um die Einflugerlaubnis.Allan D. Mercant wird das erledigen. Mr. Freyt,informieren Sie Adams über den bevorstehendenAbflug. Marshall, Sie sorgen dafür, daß im Campbekannt wird, warum Tifflor nach New York fliegt.Nur wegen der Hochzeit, klar? Tifflors Vater ist derbekannteste Strafverteidiger der Oststaaten. Es kannnicht verwunderlich erscheinen, daß ich den Sohneines so bekannten Mannes beurlaubt habe. Allesweitere wird sich finden. Ist Dr. Haggard bereitsunterwegs?«

Ja, der Mediziner war längst abgeflogen.»Okay, vielen Dank. Captain McClears, Sie

übernehmen ab sofort das Kommando über denSchweren Raumkreuzer TERRA. Major Deringhousewird mit einer anderen Aufgabe betraut werden.Machen Sie sich augenblicklich mit der Besatzungvertraut und melden Sie mir das Schiff baldigststartklar. Major Nyssen, Sie halten Ihre SOLAR

SYSTEM ebenfalls klar zum Alarmstart. Ichübernehme das Schlachtschiff STARDUST IIpersönlich. Bully, bitte sofort an Bord gehen. Ichkomme später nach. Captain Klein, Sie kümmernsich weiterhin um den Funkabhördienst. Ich möchtewissen, ob Tifflors so durchsichtig erscheinenderAbflug von einer Geheimstation in den Raumabgestrahlt wird. Wenn ich die Lage richtig beurteile,so werden kluge Köpfe an alles mögliche glauben,nur nicht an die Beurlaubung eines mitten in derAbschlußprüfung stehenden Kadetten wegen einerrelativ unwichtigen Eheschließung. Die Maschinebeginnt zu laufen, meine Herren.«

Rhodan erhob sich von seinem Platz. Auf denKontrollschirmen der Raumhafen-Überwachungwurde ein winziger Körper erkennbar. Fast senkrechtschoß er in den blauen Himmel der Gobi. Minutenspäter kam das dumpfe Donnern des Triebwerkes an.Julian Tifflor war planmäßig abgeflogen.

Perry Rhodans Vorhaben war in das erste Stadiumgetreten. Die Lawine rollte.

»Wir hätten ihn trotzdem informieren sollen«,grollte Reginald Bull. »Er kann unter Umständen ineine böse Lage geraten.«

»Das muß und wird er sogar«, behauptete Rhodansinnend. »Wir haben die Sache lange genugbesprochen. Warten wir demnach ab. LeutnantEverson, Sie starten in genau vier Stunden mit IhremBeiboot zum Wega-System. Die siebenundzwanzigLichtjahre werden Sie leicht überwinden können. Siehaben normale Tauschgüter für die Handelsstationauf dem Planeten >Ferrol< an Bord. Es wird dafürgesorgt werden, daß man Sie außerdem für denÜberbringer sehr wichtiger Nachrichten hält. Wennalles klappt, wird man die Lüge durchschauen undTifflor für den echten Boten halten. Das aber möchteich herausfinden. Starten Sie und halten Sie IhreKaulquappe gefechtsklar. Ich möchte nicht noch einwertvolles Überlichtraumschiff auf rätselhafte Weiseverlieren.«

Markus Everson salutierte stumm. Seine Aufgabewar klar umrissen. Wenn er im leeren Raumangegriffen wurde, war Rhodans Spielchendurchschaut worden. Kam er heil durch dieTransition, war die erste Hürde überwunden.

Rhodans Stirn war sorgenvoll gerunzelt. Tifflorwar unterwegs. Nun kam es nur noch darauf an, wieder rätselhafte Gegner reagierte.

Sekunden später lief die erste Funksprechmeldungdes Kadetten Tifflor ein. Der Start war gelungen. DerJäger raste in dreihundert Kilometer Höhe auf dieamerikanische Westküste zu, die er in fünf Minutenerreicht haben mußte.

»Verrückt, den jungen Burschen mit einemRaumjäger auf die kleine Reise zu schicken«, murrteBully. Sein Gesicht war verkniffen. »Wenn das

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wunschgemäß verläuft, schlucke ich rostige Nägel.«»Du wirst hier kaum welche finden«, belehrte

Rhodan sanft. »Rostige Nägel sind im Bereich derDritten Macht ausgesprochen unmodern.«

John Marshall grinste unterdrückt. Dann lauschteer wieder mit den anderen Mutanten des Spezialkorpsauf die Geistesschwingungen jener Leute, die überTiffs wahren Auftrag informiert waren.

Es wurden keine absonderlichen Gedankengängefestgestellt. Wenn es im Bereich der Dritten MachtAgenten gab, so verstanden sie es, sich ausgezeichnetzu tarnen. Dafür aber registrierte der geheimeFunküberwachungsdienst zwanzig Minuten nachTifflors Start eine Kurzmeldung aufHyperraum-Welle. Es handelte sich um einenRafferspruch von einer Zehntelsekunde Dauer. EineEntzifferung war kaum möglich. Man hatte es schonfrüher versucht. Hier versagte sogar das positronischeRechensystem, da es sich offenbar um völligartenfremde Symbole handelte, die obendrein nochhochwertig verschlüsselt waren.

Rhodan nickte grimmig. Genau das hatte ererwartet!

»Na also! Marshall, wieso kommt es, daß Sie unddie anderen Telepathen die Agenten nicht ausfindigmachen können? Die Leute müssen doch denken, undwenn sie denken, strahlen sie telepathisch erfaßbareImpulse aus. Warum merken Sie das nicht?«

John Marshall sah hilflos zu Betty Toufry hinüber.Dann hob er hilflos die Schultern.

»Sir, die Geschichte ist rätselhaft. Ich kann Ihnennur versichern, daß es unter den Eingeweihten keineVerräter gibt.«

»Köstlich«, hüstelte Oberst Freyt, Rhodan begannleise zu pfeifen. Das war eine Idee!

Im Gebiet der Dritten Macht ging der normaleDienstbetrieb weiter. Nur wenige Leute wußten, daßdraußen im kosmischen Raum eine unbekannteGefahr aufgetaucht war. Noch weniger Menschenahnten, wie entscheidend Rhodan eingegriffen hatte,indem er auf das sachlich uninteressante Telegrammeines New Yorker Rechtsanwaltes eingegangen war.

In der Chronik der Menschheit wurde dietelegrafische Bitte um Beurlaubung des KadettenJulian Tifflor als »ungemein wichtiges Dokument«bezeichnet.

3.

Die Trauungszeremonie war für Julian Tifflor eineeinzige Qual gewesen. Pastor Shielmann, ein alterFreund der Familie, hatte es zu gut gemeint. DieAnsprache war viel zu lang gewesen.

Als die Feierlichkeiten endlich beendet waren,hatte Julian nahezu fluchtartig die Kirche verlassen,um im kleinen Vorgarten mit bebenden Händen nach

seiner dort versteckten Dienstwaffe zu suchen.Er hatte es mit seinem Gewissen und seiner

Erziehung nicht vereinbaren können, einVernichtungsgerät in das Gotteshaus mitzunehmen.

Den Impulsstrahler hätte er mitsamt dem ebenfallsabgelegten Kombigürtel unangetastet hinter derdichten Rosenhecke gefunden. Erleichtert aufatmend,hatte er getreu nach Dienstvorschrift umgeschnallt,prüfend an die Brusttasche mit der darin verborgenenMetallkapsel gegriffen und anschließend dafürgesorgt, daß er zur Gratulationscour noch rechtzeitigerschienen war.

James Frederik Tifflor, eine stattliche Erscheinungin den Fünfzigern, hatte seinen Sohn mit einemvernichtenden Blick bedacht. Tiffs eben zur Ehefraugewordene Schwester hatte einen spitzenEntsetzensschrei ausgestoßen, und die Augen einigerälterer Damen waren schlagartig verglast.

Es ließ sich eben nicht leugnen, daß einarkonidischer Impulsstrahler nicht nur verheerendwirkte, sondern auch höchst gemeingefährlichaussah; dies besonders, da besagte Waffe in eineroffenen Gürtelhalfter getragen werden mußte.

»Muß das sein, Sohn?« hatte Tifflor senior eisiggefragt. Dabei hatte Julian erstmals erfahren, wieschwer es war, zwischen den Gesetzen des Anstandesund denen eines ganz klaren Befehls zuunterscheiden.

»Es muß sein, Dad«, hatte er kehlig geantwortetund dabei Haltung angenommen.

Während der recht prunkvollen Heimfahrt hattesich die Situation noch verschlechtert, da Tiffgezwungen war, im Wagen einer älteren Tantemitzufahren.

Über die Dritte Macht und denberühmt-berüchtigten Perry Rhodan waren bei dieserGelegenheit einige recht harte Worte gefallen.

Das große Landhaus der Tifflors lag östlich derCity auf Long Island. Ein Mann wie James F. Tifflorkonnte sich solchen Luxus erlauben.

Vier Stunden nach der Trauung, kurz vor Anbruchder Dunkelheit, hockte Tiff noch immer auf seinemZimmer. Niemand hatte ihn dazu bewegen können,die gefährliche Waffe abzulegen.

»Es wäre mir lieber gewesen, wenn du eines Tagesin meinem Büro gearbeitet hättest«, hatte Tifflorsenior knapp gesagt. »Ich halte nicht viel von demsogenannten Griff nach den Sternen. Darf manerfahren, was dieses Theater bedeuten soll?«

Auch das hatte Julian nicht zu erklären vermocht.Kurz nach Sonnenuntergang fühlte er sich von derFamilie ausgestoßen. Das rege Interesse jungerMädchen und blödsinnig fragender Altersgenossenhatte er mit einigen schroffen Worten abgetan. Tiffgehörte nicht zu den SpA-Kadetten, die sich imVollgefühl ihres Wissens herumreichen ließen. So

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war es auch zu einem gesellschaftlichen Bruchgekommen.

Julian trat erbittert auf den winzigen Balkon seinesZimmers hinaus. Am klaren Nachthimmel erschienendie ersten Sterne. Sie schienen zu rufen und zulocken; geheimnisvoll und voll von atemberaubenderMacht.

So verweilte er bis gegen 23 Uhr. Dann kam derAugenblick, auf den er mit steigender Ungeduldgewartet hatte; nur kam er nicht so, wie esanzunehmen gewesen wäre.

Der geistige Überfall erfolgte schlagartig. Eineunsichtbare Gewalt griff nach seinem Bewußtsein.Tiff taumelte aufstöhnend zurück. Er kannte denEffekt. Sehr plötzlich war er wieder zumSpA-Kadetten mit einer hervorragendenSonderschulung geworden.

Er versuchte zu blocken, die fremdenGedankenimpulse abzuwehren und etwas dagegen zutun. Es dauerte eine Weile, bis er in dem Angriff eineDurchsage erkannte.

»John Marshall, M-Korps, spricht«, klang es klarin seinem Bewußtsein auf. »Wir kennen uns. Sieließen im Arbeitszimmer des Chefs Ihren Funkhelmzu Boden fallen. Geben Sie Ihren Block auf. Ich habemich identifiziert.«

Tiff vergaß, wo er sich befand. Sehr plötzlich waralles anders geworden. Die von familiärenEindrücken überschattete Umgebung wurdewesenlos. Eben begann der rätselhafte Einsatz. Erlauschte angestrengt.

»Sehr gut, ich habe es jetzt leichter«, kam dienächste Mitteilung durch. »Ihr Stichwort lautet>Himmelstor<. Nehmen Sie sich sofort ein Lufttaxiund lassen Sie sich vor dem GCC-Hochhausabsetzen. Vorsicht, Sie werden von einigenUnbekannten beobachtet. Ich bleibe in Ihrer Nähe.Sie dürfen sich nicht verabschieden. Hinterlassen Sieeinige Zeilen und gehen Sie durch den Garten.Passen Sie auf, Ende.«

Der geistige Druck verschwand. Sein Hirn wurdewieder frei. Aufatmend kritzelte er einige Zeilen aufein Stück Papier.

Der Weg durch den weiten Park war ihm bekannt.Es gab keine Ecke, die er früher nicht oftmalsinspiziert hätte.

Dicht vor dem schmiedeeisernen Nebentor erhielter die nächste Nachricht.

»Marshall spricht. Ich hänge mit einemGravogleiter über dem Grundstück. Gehen Sie aufdie Straße und rufen Sie das Lufttaxi an.«

»Gefahr?« dachte Tiff angestrengt. Die Antwortkam zögernd. »Ich bin nicht sicher. Die Eindrückeverwischen sich. Es sind zu viele Leute in dem Haus.Probieren Sie es.«

Tiff entsicherte seine Dienstwaffe. Über dem

Handschutz begann das rote Lämpchen zu glühen.Das Tor wurde nicht oft benutzt. Als er eben dabeiwar, die Riegel der großen Einfahrt aus denFassungen zu ziehen, vernahm er den hartenWarnimpuls des unsichtbaren Telepathen. Tifflorfuhr herum.

Hinter den uralten Eichen des Parks tauchten dieschattenhaften Umrisse zweier Gestalten auf. DieGesichter waren nicht erkennbar, wohl aber bemerkteTiff die hastenden Beine.

Er hörte sich selbst schreien. Trotz seiner klarenBefehle hatte er es nicht über sich bringen können,ohne vorangegangenen Warnruf das Feuer zueröffnen.

»Schießen Sie«, dröhnte es in seinem Hirn.Marshall schien von Panik erfüllt zu sein.

Tifflor sprang mit gezogener Waffe hinter denmächtigen Steinpfeiler der Toreinfahrt. Als er ebenzu Boden krachte und sein rechts Knie schmerzhaftaufschlug, vernahm er das helle Pfeifen, dem eindumpfer Ton folgte.

Im Bruchteil einer Sekunde erkannte er die aus derzerborstenen Plastikhülle aufsteigenden Dämpfe.Bläulich fluoreszierend, verdrängten sie die tiefeDunkelheit unter den alten Bäumen des Parks.

Es war der Augenblick, in dem zwei vermummteGesichter im eigenartigen Lichtschein erschienen.Tiffs nächster Atemzug brachte ihn einer Ohnmachtnahe.

Während es vor seinen Augen zu wallen begann,drückte er mit letzter Kraft den Feuerknopf nieder.

Ein grellweißer Glutstrom röhrte aus dem Feldlaufder Waffe. Breit auffächernd, erfaßte er die beidenGestalten und griff anschließend auf denBaumbestand des Parks über.

Es war ein Strahlschuß von nur geringer Dauergewesen. Tiff vernahm noch das tiefe Tosen derImpulswaffe und das schmetterndeZusammenbrechen eines gewaltigen Baumes, dernoch im Sturz lichterloh zu flammen begann.

Es gelang ihm nicht mehr, vor dem nächstenAtemzug aus der fluoreszierenden Gaswolke zuentfliehen. Stöhnend fiel er zurück. In seinem Halsschienen Milliarden Stahlkri-stalle zu stechen. Denaus dem blutrot erhellten Nachthimmelniederfallenden Gravo-Schweber gewahrte er nichtmehr.

Längs der Schußbahn brannte das trockeneGehölz. Es war eine kleine Hölle, die durch denFingerdruck eines jungen Mannes entfacht wordenwar.

*

Der Raum war nicht sehr groß, noch nicht einmalbesonders hoch. Immerhin wies er solche

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Absonderlichkeiten auf, daß sich ein anderer Mannals Homer G. Adams kaum darin zurechtgefundenhätte.

Eine der großen Bildflächen zeigte dasscharfgezeichnete, etwas abgespannt wirkendeGesicht eines Uniformierten. Es war Perry Rhodan,Chef der Dritten Macht. »Wie hat er ihn gefunden?«klang es leise aus dem unsichtbaren Lautsprecher.

Homer G. Adams, der untersetzte, breitgebauteChef der GCC, bekannt als größtes Finanzgenie desJahrhunderts, fuhr sich mit einer auffallenden feingezeichneten Hand über den mächtigen Schädel.

Blinzelnd, neuerdings etwas kurzsichtig, musterteer das Bildnis eines Mannes, der ihm, Adams, dieMöglichkeit geboten hatte, einen Riesenkonzern aufinterstellarer Ebene aufzubauen.

Die General Cosmic Company griff bereits nachden Sternen. Das erste Handelsmonopol mit dermenschenähnlichen Art der Ferronen warf Gewinneab, die zur Zeit nahe dem Steueraufkommensämtlicher Großstaaten des Planeten Erde lagen. Esstand fest, daß Homer G. Adams die wirtschaftlicheGroßmacht aller Zeiten kontrollierte.

»Eine nicht leicht zu beantwortende Frage, Sir«,gab Adams vorsichtig zurück. »Wenn Sie gestatten,möchte ich bei Ihnen kurz erscheinen. MeinMaterietransmitter ist klar.«

Adams sah zu dem seltsamsten Gerät desgeheimen Raumes hinüber. Schon oftmals hatte erauf diesem Wege ungesehen und unbemerkt denRegierungspalast der Dritten Macht betreten.

»Tut mir leid ich stecke in denStartvorbereitungen«, wurde er abgewiesen. »Wiehaben die Angreifer reagiert? Wer sind sie?«

»Die von Tifflor erschossenen Männer warenleider nicht mehr identifizierbar, Sir. Wohl abergelang es uns, winzige Spuren des seltsamen Gaseszu sichern. Die Analyse wird einige Aufschlüssebringen. John Marshall hat Tifflor im letztenAugenblick aus der Wolke getragen. Dabei wäre erbeinahe selbst ohnmächtig geworden. Das ist einTeufelszeug.«

»Irdischen Ursprungs?« Adams hob dieverkrümmte Schulter.

»Es ist noch nicht sicher, Sir. Alles sehr rätselhaft.Ich stehe mit dem hiesigen Geheimdienst inVerbindung. Die Presse ist über den wahrenSachverhalt getäuscht worden, zumal es MercantsLeuten gelang, andere Burschen dingfest zu machen.Es handelt sich um bekannte New Yorker Gangster,die von Unbekannten den Auftrag erhalten hatten,Julian Tifflor mittels einer Gasladung unschädlich zumachen. Mehr haben wir nicht erfahren können. Essteht fest, daß wir es bei diesen Leuten keinesfallsmit dem wirklichen Gegner zu tun haben. UnserHypnoverhör ergab auch keine Anhaltspunkte.

Niemand weiß, wer der Auftraggeber ist.«»Tifflors Zustand?«»Zufriedenstellend. Infolge seiner Bewußtlosigkeit

wurden wir der Sorge enthoben, wie wir ihnunauffällig narkotisieren konnten. Professor Kärnerhat den Eingriff um fünf Stunden verschoben, da erdie wahrscheinlichen Nebenwirkungen des vonTifflor eingeatmeten Gases abwarten wollte. Es sindjedoch keinerlei organische Störungen aufgetreten.Wir haben Tifflor noch vor seinem Erwachen inTiefnarkose versetzt. Der Eingriff findet zur Zeitstatt.«

Perry Rhodans Gesicht verschloß sich. Nun war esalso soweit. »Adams, ich verlasse mich völlig aufSie. Wenn Tifflor auf das Mikrogerät so anspricht,wie es mir zugesichert wurde, wird er zu einemPeilsender von ungeheurer Kraft. Telepathen wieMarshall werden Tifflor über zwei Lichtjahre hinwegso einwandfrei und ohne jeden Zeitverlust ortenkönnen, als stünden sie dicht neben ihm. Machen Siedas Experiment nach dem erfolgten Eingriff.«

Homer G. Adams atmete schwer. Seine buckligeStirn war von einem feinen Schweißfilm bedeckt.

»Sir, dieses Gerät ist teuflisch. Ich konnte michkaum in seiner Nähe aufhalten, obwohl ich weiß Gottkein Telepath bin. Es sendet überdimensionaleSchwingungen von höchster Intensität aus. Woherhaben Sie es?«

Rhodan sah das Gesicht seines fernenGesprächspartners größer werden. Adams rücktedichter an die Aufnahme heran.

»Schweigen Sie darüber, wenn Sie es erfahrenhaben. Ich bin vor einigen Tagen von >Wanderer<,der Welt des sogenannten ewigen Lebens,zurückgekommen. Sie sind über die Sache informiert.Dort gibt es keine Götter, wohl aber unbegreiflicheIntelligenzen, die die letzten Geheimnisse der Naturenträtselt haben. Von ihnen stammt das Gerät, dasnach meinen Wünschen innerhalb kürzester Fristangefertigt wurde, als handle es sich um einelächerliche Spielerei. DerMikro-Zellschwingungs-Modulator wird jedeeinzelne Körperzelle des Kadetten einerSchwingungsänderung unterziehen. Tifflor wird inder Tat zum galaktischen Sender werden. Jetzt willich nur noch hoffen, daß er von den Unbekanntengefaßt wird. Der Überfall deutet darauf hin, daß manihn bereits als Geheimkurier verdächtigt. Halten Siediese Meinung aufrecht, Adams! Vordringlich aberTifflor gegenüber. In seinem Erinnerungsvermögendarf es nichts geben, was bei einem hypnotischenZwangsverhör zum unfreiwilligen Verrat führenkönnte. Er wird und muß ahnungslos bleiben. Ist dasganz klar?«

Adams nickte stumm. Sein Gesicht wirktezerfallen.

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»Schalten Sie bitte um auf den Operationssaal«,forderte Rhodan unbewegt.

Adams Hände begannen zu arbeiten. Auf einemanderen Bildschirm erschien die GCC-Klinik, dieinnerhalb des gigantischen Hochhauses untergebrachtwar.

Professor Kärner, der geniale Chirurg, fungierte alsOperateur. Dr. Haggard und Dr. Eric Manoliassistierten. Weitere Mediziner mit arkonidischerHypnoseschulung waren anwesend.

Die Operationstechnik hätte auf jeden anderenArzt ungemein befremdend gewirkt. Allein dasNarkosegerät war ein Wunderwerk höchstwertigerMikropositronik.

Tifflors rechtes Nierenbecken war bereits geöffnetworden. Das arkonidische Antikörper-Serumgarantierte für die völlig gefahrlose Transplantationkörperfremder Stoffe. Als Adams einschaltete, warProfessor Kärner eben dabei, einen fingerhutgroßen,mit zahlreichen Tastflächen umgebenen Gegenstandeinzupflanzen.

Im Lautsprecher war das schwere Atmen desarkongeschulten Operateurs zu hören, als das halborganische und halb mechanische Gebilde begann,seine mikroskopisch feinen Taster mit demNervengewebe nahe der Lendenwirbelsäule zuverbinden. Der Kontakt mit dem Blutkreislauf wurdeebenfalls ohne Zutun der Ärzte hergestellt. DerProzeß dauerte knapp fünf Minuten. Von da an hattesich das fremde Etwas nahezu unsichtbar mit TiffsGewebe vereint.

»Fertig«, sagte jemand stockend. »Fangen wiran?«

Homer G. Adams wandte sich wieder der zweitenBildfläche zu.

»Ein unheimliches Ding. Sir«, flüsterte er. »Wiekann man so etwas herstellen? Es sieht aus, als hättees Verstand.«

Rhodan lachte etwas unecht auf. Seine Lippenerschienen spröde.

»Fragen Sie mich nur nicht weiter. Auf>Wanderer< scheint alles möglich zu sein. Wannwird die Wunde verheilt sein?«

»In zwölf Stunden, garantiert. Wenigstens wird esvon Haggard behauptet. Das arkonidischeGewebeplasma besorgt die absolut unsichtbareVerheilung unter Umständen noch schneller.«

»Okay, warten Sie besser die zwölf Stunden ab.Wenn er erwacht, erklären Sie ihm, dasgeheimnisvolle Gas hätte die lange Ohnmachtbewirkt. Adams, verlieren Sie nicht den Kopf!Leutnant Everson ist längst gestartet. Er steht zur Zeitnahe der Pluto-Bahn und bereitet denÜberlichtsprung zum Wega-System vor. Bisher ist erweder angegriffen noch geortet worden. Mir scheint,als hätte man auf Tifflor angebissen. Sobald er

wieder in Ordnung ist, schicken Sie ihn schleunigstzum Mondstützpunkt. Dort wartet MajorDeringhouse mit der K-9. Ist alles klar?«

Adams bestätigte. Mit letzten, recht mysteriösenBemerkungen war die Unterhaltung beendet.

Kadett Julian Tifflor, SpA-Student im letztenSemester, begann eine unerhört wichtige Rolle in derGeschichte der Menschheit zu spielen.

Noch wußte er es nicht. Es wußte überhauptniemand sehr genau, was Perry Rhodan mit TiffsEinsatz bezweckte. Für Adams stand es nur fest, daßder Chef gerade so viel getan hatte, um Tifflor inwinzigsten Ausmaßen verdächtig erscheinen zulassen. Ein Mehr an Hinweisen hätte fraglos zumsofortigen Fehlschlag führen müssen.

Adams, genial und entschlossen in allen möglichenFinanzfragen, begann innerlich zu schaudern. Erdachte an die Nachrichten, die der Kadett mit in denRaum nehmen sollte. Erwiesenermaßen hatte daspositronische Supersystem der Venusbasis dreiStunden Terrazeit benötigt, um die auf Mikrobandfestgehaltenen Unterlagen glaubwürdig zuberechnen. Drei Stunden waren hinsichtlich derRechenkapazität dieser Maschine eine ungeheureZeitspanne.

Rhodans Gesicht verschwand. Es wurde still indem seltsamen Raum, den außer Rhodan nur eineinziger Mann betreten konnte. Genau betrachtet,gehörte die kleine Zentrale im Hauptquartier derGCC zu jenen Schaltstationen, die spätere Chronistenals »Miniaturstützpunkt« des Unsterblichenbezeichneten.

Adams erhob sich aus dem schwenkbaren Sitz. DieTransplantation war noch nicht beendet, wovon ihnein kurzer Blick auf die noch eingeschalteteOP-Beobachtung überzeugte.

Kärner und Haggard waren eben dabei, die Wundemit arkonidischem Bioplasma zu verkleben. EineNarbenbildung war völlig ausgeschlossen. DerHeilprozeß geschah mit atemberaubenderSchnelligkeit. Er setzte praktisch im Moment derPlasma-Aufsprühung ein.

Adams fuhr zusammen, als wimmernde Laute ausdem Lautsprecher brachen. Hastig schaltete er aufWeitwinkelerfassung.

Der Telepath John Marshall, der während derEinpflanzung als stiller Beobachter fungiert hatte,wurde von zwei Ärzten hastig aus dem OP geschleift.Von ihm stammten die seltsamen Laute. Sein Gesichtwar unter dem Mundschutz verzerrt.

Da wußte Adams, daß der Zellmodulator bereitsarbeitete. Julian Tifflor war zu einem »Sender«geworden. Die von seinem Körper ausgestrahltenImpulse konnten jedoch nur von fähigen Telepathenaufgenommen werden; und dazu nur von solchen, diesich auf Tifflors Schwingungen abgestimmt hatten.

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Es war eine grandiose, vielästige Planung, mit derPerry Rhodan endgültig nach den Sternen griff. Andiesem 28. Juni 1982 wurde er zum unsichtbarenMachtfaktor im Hintergrund.

Adams trat in das fünfdimensionaleIdentifizierungsfeld des Geheimraumes. AlsEintrittsberechtigter anerkannt, öffnete sich vor ihmeine materiell unstabil werdende Betonwandung imletzten Kellergeschoß des Hochhauses.

Er trat durch das Entmaterialisierungsfeld hinausins Freie. Hinter ihm entstand wieder das festeMaterial. Als Adams mit dem Schnellift hinauf zum108. Stockwerk fuhr, wurde der noch narkotisierteKadett Julian Tifflor aus dem OP gefahren. Diegeheimnisvollste Operation der bisherigenMenschheitsgeschichte war beendet.

4.

Das Sekretariat sah noch sehr alltäglich undharmlos aus. Abgesehen von der Vielzahl der hierBeschäftigten und der technifizierten, der raschenNachrichtenübermittlung dienenden Einrichtunghätte dieser Saal auch in einem anderen Hochhausliegen können.

Der Eindruck änderte sich entschieden, als JulianTifflor zu der normal erscheinenden Schiebetürgeleitet wurde.

Sie ging leise auf; aber das Geräusch gleitendenArkonstahls ließ sich nicht verwischen. Dann kamendie beiden stationären Roboter rechts und links desEingangs. Die schwenkbaren Waffenarme derMaschinenarme wirkten weniger alltäglich.

Tiff trat unbewegt ein. An solcheSicherheitsmaßnahmen war er gewöhnt. Homer G.Adams hockte breit und wuchtig hinter einemriesenhaften Arbeitsgerät, das die BezeichnungSchreibtisch nicht mehr verdiente.

Erstmals trat Tifflor jenem Mann gegenüber, denman als Wirtschaftsminister der Dritten Machtkannte. Dabei war es nur seltsam, daß dieser hoheBeamte des Staates seinen Platz in New York hatte.

»Nehmen Sie bitte Platz«, klang eine verbindliche,wohltönende Stimme auf.

Adams lächelte. Tiff war darüber informiert, daßer in dem Mann mit dem verkrümmten Rückgrateinen sogenannten Halbmutanten vor sich hatte.Damit war sein Wissen um die Dinge erschöpft. VonAdams fotografischem Gedächtnis und seinerFähigkeit zur bestimmten Vorausahnungwirtschaftlicher Ereignisse ahnte er nichts.

»Es tut mir leid, Sie in solche Nöte gebracht zuhaben«, begann Adams sachlich. »Natürlich hätte ichSie über John Marshall früher abberufen können,zumal Ihre gesellschaftlichen Verpflichtungenausgeschöpft waren. Es kam mir jedoch darauf an,

Sie so lange in Ihrem Elternhaus festzuhalten, bis dasAuftauchen vermutbarer Gegner sicher war. NehmenSie bitte an, es wäre mir auf eine gewisse Probeangekommen.«

Tifflor schluckte laut und hörbar. Die Eröffnungwar etwas überraschend.

»Natürlich, Sir«, entgegnete er lahm.»Immerhin haben Sie die Geschichte gut

überstanden. Die Auskünfte unserer Mediziner lautenzufriedenstellend. Wie fühlen Sie sich?«

Tiff versank in den großen brennenden Augen desBuckligen. Gewaltsam riß er sich los, um seinerseelischen Not wörtlich Ausdruck zu verleihen:

»Sir, ich habe wahrscheinlich zwei Menschenerschossen!«

Adams sah auf seine schmalen Hände nieder. Erwußte um die Selbstvorwürfe des jungen Mannes.

»Machen Sie sich darüber keine Sorgen. Sie habeneinwandfrei in Notwehr gehandelt. Ein Verfahrenwird nicht stattfinden. Außerdem ist der Fall von derTerranischen Abwehr-Föderation aufgegriffenworden. Ich bin angewiesen worden, Sieaugenblicklich zum Mond zu senden, wo dasSchulungsschiff K-9 unter dem Kommando vonMajor Deringhouse nur noch auf Ihre Ankunft wartet.Ihre Abschlußprüfung soll nicht weiterhinunterbrochen werden.«

In Julian Tifflor kam ein Gefühl grenzenloserEnttäuschung auf. Nun hatte die Sache soaußergewöhnlich begonnen, so erregend undgeheimnisvoll - und jetzt wurde von derAbschlußprüfung gesprochen! »Jawohl, Sir«, sagteer. Adams bemühte sich um ein Lächeln. Es gelangihm nicht ganz. Schleppend meinte er:

»Ja, da wäre jedoch noch etwas, was zu erledigenich Sie bitten darf. Mr. Tifflor - ich muß Siebefehlsgemäß darauf aufmerksam machen, daß Sienoch jederzeit ablehnen können. Niemand, amwenigsten Perry Rhodan persönlich, wird Siezwingen, diesen Auftrag zu übernehmen.«

Tiff wurde zur Aufmerksamkeit in Person.Plötzlich verging jeder Gedanke an die gefürchteteAbschlußprüfung in »taktischer Schulung«. »Bitte«,sagte er kehlig. In Adams Hand erschien einehandlange Metallrolle. Sie unterschied sich kaum vonder, die Tiff wenige Stunden zuvor von Rhodanüberreicht worden war.

»Wir halten es für erforderlich, dieseGeheimnachrichten über die wirtschaftliche Planungder Dritten Macht auf etwas ungewöhnliche Weisezum siebenundzwanzig Lichtjahre entferntenWega-System zu bringen. Die Metallrolle enthält einMikro-Bildtonband, das unter keinen Umständen inden Besitz Unbefugter gelangen darf. Sie werdenverstehen, daß eine Wirtschaftsplanung auf langeSicht lebenswichtig für die gesamte Menschheit ist.

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Die errechneten Daten lassen sich nicht von heute aufmorgen umwerfen, da mit ihnen außerSchiffsneubauten zahllose andere Dinge verbundensind, die generell auf die Planung abgestimmt werdenmußten. Sie haben diese Rolle gänzlich unauffälligdem Gouverneur der Dritten Macht auf demWega-Planeten >Ferrol< persönlich zu übergeben.Mehr haben Sie nicht zu tun. Sind Sie gewillt, denGeheimauftrag zu übernehmen?«

Tiff war schon wieder enttäuscht. Sein klarerVerstand sagte ihm, daß das Schulungsboot K-9demnach für das Wega-System bestimmt sei. Erfragte danach.

»Natürlich werden Sie die Wega anfliegen«,bestätigte Adams ausdruckslos. »Major Deringhousehat entsprechende Anweisungen erhalten. Es kommtuns nur darauf an, die Nachrichten sicher nach Ferrolzu bringen. Sie dürfen mit niemand darübersprechen.«

Tiff sagte zu. Die kleine Metallkapsel wechselteden Besitzer. Ehe sich Adams hinter seinemmonströsen Arbeits-Schalttisch erhob, sagte er nochwarnend:

»Wenn Sie in Schwierigkeiten kommen sollten,genügt ein Druck auf den gesicherten Auslöseknopfder Zerstörungsladung, um die gesamte Umhüllungvergehen zu lassen. Sehen Sie sich bitte dieSchaltung an.«

Tiff informierte sich sehr gewissenhaft. Das warder Augenblick, in dem er zu ahnen begann, daß esmit einem harmlosen Kurierdienst allein nicht getanwar. Hier spielten noch andere Dinge mit, die manihm, Tiff, wahrscheinlich nicht mitteilen wollte.

Adams registrierte befriedigt das erwachendeMißtrauen des Kadetten. Somit geschah genau das,was Perry Rhodan beabsichtigt hatte. Tiff sollte undmußte argwöhnisch werden, jedoch nicht in einemsolchen Maße, daß die Vermutung mit einemgesunden Wissen identisch war.

Tiff verstaute die Rolle. Reglos stand er vor demälteren Mann mit den schütteren, verwaschenenBlondhaaren.

»Sie nehmen an?« vergewisserte Adams sichnochmals. Fast hatte Tiff das Empfinden, als hättendie großen Augen darum gefleht: Tue es nicht!

Er schüttelte den flüchtigen Gedanken ab.»Natürlich, Sir, sehr gerne sogar.«»Dann kommen Sie«, hüstelte Adams in die

vorgehaltene Hand. »Nein, wir nehmen meinenPrivatlift. Sind Sie mit dem Prinzip einesMaterietransmitters vertraut?«

Tiff wurde von Schauern größter Erregunggeschüttelt. Ein Materietransmitter! Eines jenereigenartigen Geräte, die Perry Rhodan auf einerfremden Welt gefunden und begreifen gelernt hatte.Mit ausgetrockneter Kehle stammelte der Kadett:

»Prinzipiell ja, Sir. Praktisch habe ich keineErfahrungen.«

»Dann werden Sie welche bekommen. Folgen Siemir bitte.«

Der kleine Schnellift sauste nach unten. Tiffbekam Schluckbeschwerden, als Adams mittelsseiner programmierten Individualschwingungen denfünfdimensionalen Umformer betätigte. Die mächtigeKellerwandung wurde an einer Stelle zurflimmernden Spirale.

»Ein übergeordnetes Auflösungsfeld«, erklärteAdams sachlich. »Materie wird zu durchdringbarerEnergie. Nein, es sind keine Gase wenn Sie dasmeinen. Der Durchgang ist auch nicht so kurz, wieSie glauben mögen. Der Schaltraum liegt mehr alseinen Kilometer entfernt in den Felsen Manhattans.Folgen Sie mir.

Ich habe Sie bei der Mechanik identifiziert.«Tifflor betrat zögernd das seltsame Feld. Außer

einem leichten Ziehen in der Nackengegend fühlte ernichts. Es war weit weniger belastend als eineTransition im kosmischen Raum.

Die von Adams angeführte Entfernung schienunwahrscheinlich. Jedenfalls konnte sich Tiff nichterinnern, die Distanz von einem Kilometer jemals miteinem einzigen Schritt überwunden zu haben.

Er ahnte auch nicht, daß er in diesen winzigenMomenten nicht mehr körperlich wirklich gewesenwar. Es war naturgemäß unmöglich, einfünfdimensionales Auflösungsfeld in stabilerNormalform zu durchqueren.

Sein mathematischer Verstand meldete sich.Augenblicke später hatte er die wahrscheinlicheLösung andeutungsweise gefunden. Wenigstens lages in seinem geschulten Denkvermögen, solcheunwahrscheinlichen Vorgänge als dennochwahrscheinlich und realistisch anzusehen. Das waretwas, was man nur auf der SpA der Dritten Machterlernen konnte.

Sein Blick wurde von einem käfigförmigen Gerätmit kreisrunder Standplattform angezogen. Dasmußte ein Transmitter sein. Adams war bereits mitden Justierungsschaltungen beschäftigt.

Irgendwo begannen schwere Maschinen zurumoren.

»Das unabhängige Separatkraftwerk«, erklärteAdams weisungsgemäß. Rhodan hatte Wert daraufgelegt, Tifflor mit solchen Dingen vertraut zumachen.

»Natürlich kann ich mich nicht auf die fraglicheStromzufuhr aus den Energiezentralen der Cityverlassen. Treten Sie bitte ein. Sie werden inGedankenschnelle in dem synchron geschaltetenTransmitter auf Luna rematerialisieren. Bereiten Siesich auf einen gelinden Schmerzzustand vor. NehmenSie an. Sie gingen in eine Raumschiff-Transition.«

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Tifflor schwankte gläsernen Blicks auf dieunheimliche Maschine zu. Zwischen den kreisförmigangeordneten Gitterstäben war ein violettes Leuchtenerschienen.

»Keine Gefahr«, beruhigte Adams. »Das Gerät istauf Sie abgestimmt. Einem Unbefugten möchte ichjedoch nicht raten, eine örtliche Versetzung seinesKörpers zu riskieren. Sie haben IhreNachrichtenrolle?«

Tiff nickte. Dann stand er zwischen den beidenPlattformen und umklammerte die Pole mit beidenHänden.

Ehe er noch etwas fragen konnte, kam derzuckende Auflösungsschmerz. Adams sah zwischenden Feldpolstäben eine wirbelnde Spirale entstehen,die Sekunden später verschwunden war. Sofortdarauf lief der Transmitter mit einem sattenBrummen aus. Julian Tifflor, Student derKosmonautik, war verschwunden.

Als Tifflor rematerialisierte, glaubte er, für denBruchteil einer Sekunde geträumt zu haben. Es gabkeine Erinnerung an den überlichtschnellen Transportdurch eine übergeordnete Dimension, in der dieGesetze des Normaluniversums nicht galten.

Vor seinen Augen wurde es klar. Er fand sich ineinem absolut gleichartigen Gerät wieder, nur standes nicht in dem kleinen Raum tief unter der FelsplatteManhattans.

»Hallo«, sagte Major Deringhouse trocken. »Wiefühlt man sich? Nein, lassen Sie den Unsinn. Eineben rematerialisierter Mann baut keineEhrenbezeigung. Kommen Sie erst einmal aus demKäfig.«

Tiff stapfte über die rote Gefahrenlinie. Dann saher sich verstört um. Der Transmitter stand in einemvöllig kahlen Felsraum, dessen eine Wandunglediglich von einer großen Schalttafel verziert wurde.Dicht dahinter lief mit leisem Sturm eine Maschineaus. Das mußte das hiesige Atomkraftwerk zurEnergieversorgung sein. Groß war es nicht, das standfest. Die Erbauer dieser unheimlichenTransportgeräte hatten niemals großen Wert daraufgelegt, die Kraftversorgung übermäßig wuchtig zugestalten. Es sollte sogar Transmitter geben, die ihreEnergiestation in der schweren Bodenplatteeingebaut trugen.

Tiff legte dennoch die Hand an die leichte Mützeder Ausgehuniform. Deringhouse musterte ihn sehreingehend, ehe er knapp fragte:

»Alles okay? Fühlen Sie sich wohl?«»Vollkommen, Sir. Es war ein atemberaubendes

Erlebnis.«»Danach habe ich zwar nicht gefragt, aber ich

glaube es Ihnen trotzdem. Gut kommen Sie mit.«Tiff hatte auf einige Fragen gewartet. Deringhouse

verzichtete auf die kleinste Bemerkung, die mit

seinem, Tiffs, Auftrag irgendwie in Zusammenhangstehen konnte. Dessenungeachtet schien der Major ingroßen Zügen informiert zu sein. Sein prüfenderBlick auf Tiffs Brusttasche hatte allerlei verraten.

Vor der kahlen, ungeglätteten Felswand wuchteteder Entmaterialisator in die Höhe. Also wurde manauch hier durch ein A-Feld ins Freie geschleust.

»Sie befinden sich auf Luna weit unter demSüdpolstützpunkt!« erklärte Deringhouse. »Wenn wiroben ankommen, verlieren Sie keine überflüssigenWorte. Wir starten sofort zum Schulungsflug, beidem Sie einen ganz normalen Platz als Prüflingeinnehmen. Ist das klar?«

»Jawohl, Sir«, flüsterte Tiff bedrückt. Die Sachewurde immer verworrener.

In Deringhouse schmalem Gesicht zeigte sich dieAndeutung eines Lachens. Es war allgemein bekannt,daß dieser noch junge Offizier Humor hatte.

»Die Fragen der anderen Kadetten interessierenSie nicht. Ich bin als einziger Mann an Bord überIhren Kurierauftrag orientiert. Wenn Sie glauben,Schwierigkeiten auftauchen zu sehen, wenden Siesich direkt an mich. Mehr gibt es wohl nicht mehr zusagen, oder? Ah, doch, da ist noch etwas. Ich habeSie darüber zu informieren, daß Ihr Double in einerStunde zu Gobi fliegt. Die Maskenbildner scheinenhervorragend gearbeitet zu haben. Ihr Ersatzmanndürfte eben dabei sein, in Ihrem Elternhaus einetränenreiche Abschiedszeremonie zu starten. Wirlegen Wert darauf, für die wahrscheinlichvorhandenen Beobachter eine kleine Täuschung zuarrangieren.«

Tiff fühlte seinen Hals noch enger werden.Mühevoll schluckte er den Kloß hinunter. »EinDouble?« stammelte er. Deringhouse grinste breit.»Genau«, bestätigte er. »Wir haben den Burschenaber angewiesen, unter keinen Umständen IhreSchwester zu küssen.«

Tiff erkannte in plötzlicher Hellsichtigkeit, wiegenau der Chef geplant hatte. Das Schulungsboot K-9war ohne ihn, Tifflor, vom Gobihafen gestartet.Wenn nun wenig später sein Double dort auftauchte,hätte es mit dem Teufel zugehen müssen, wennjemand die Sache durchschaut hätte.

Zumindest war Tiff dieser Meinung! Er rechnetenicht mit der eiskalten Logik eines Mannes, deranderen Intelligenzen wohl den Geist zutraute, dasManöver dennoch zu durchschauen. Wenn das abergeschah, mußte der Kurierauftrag mehr als echtwirken.

»Allerhand Wirbel, Sir«, meinte Tiff respektvoll.»Wirbel?« regte sich Deringhouse auf. »Das ist

schon ein ganzer Spiralnebel. Okay, steigen Sie einund - kein Wort über Ihren Auftrag.«

Der Kommandant der K-9 folgte dem Kadetten indas Transportfeld, das nichts anderes als ein

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Mikrotransmitter für kurze Distanzen war. Als sieoben erschienen, leuchteten über ihnen starkeLampen. Der Ausstieg lag im Büro desSicherheitschefs. Der Mann wandte kaum den Blick,als die beiden Uniformierten an seinem Schreibtischvorbeigingen.

Unter der mächtigen Energiekuppel desMondstützpunktes ruhte das 60 Meterdurchmessende Kugel-Beiboot vomGOOD-HOPE-Typ. Schlachtschiffe vom Range derSTARDUST II hatten zwölf dieser Einheiten anBord.

Wortlos schritten sie zu dem startklaren Schiffhinüber. Zwischen den stabilen Landebeinen war dieuntere Polschleuse ausgefahren worden. Sieschwebten im Antigravlift nach oben und betratensofort die Zentrale.

»Achtung!« brüllte jemand mit vollsterLungenkraft.

Tiff fuhr zusammen, als er Humpry HifieldsStimme erkannte. Blaß sah er an der Reihe derKadetten entlang. Sie standen reglos wieGranitsäulen vor dem eintretenden Kommandanten.

Sergeant Rous war auch da. Er fungierte alsZweiter Offizier an Bord der überlichtschnellenKaulquappe.

Tiff zählte genau elf Kadetten aus seiner Klasse.Dazu kamen noch zwei Mädchen, unter denen erMildred Orsons sofort erkannte. Die zartgebaute,feingliedrige Felicita Kergonen war ihm ebenfallsbekannt. Felic war erst achtzehn Jahre alt. Sie hattenoch zwei Semester in Galakto-Botanik vor sich.Was suchte sie an Bord eines »Abschlußbootes?«

Tiff fühlte seinen Puls schneller schlagen, als erMillys Augen fand. Offenbar hatte Deringhouse überihren kleinen Abstecher in dieKadetten-Wohnabteilung geschwiegen.

»Kadett Tifflor hat seinen Sonderurlaub beendet.Wir starten sofort. Nehmen Sie Ihre Plätze ein«,erklärte Deringhouse reichlich knapp. Für dieangespannter Nerven der zukünftigen Kosmonautenwar das ein nur schwacher Hinweis über Tiffsrätselhaftes Auftauchen.

Klaus Eberhardt schien dem Zerplatzen nahe zusein. Hump zuckte mit keiner Wimper. Er tat esniemals, solange sich ein Vorgesetzter in der Nähebefand.

Während Deringhouse zur transparentenSicherheitsschleuse des> Funkraumes hinüberschritt,um drinnen persönlich einige Schaltungenvorzunehmen, knurrte Rous in seiner »charmanten«Art:

»Ölgötzen sind überflüssig an Bord. Vielleichtnehmen Sie bald Ihre Plätze ein! Die Damen werdengebeten, in ihrer Kabine zu verschwinden. Wird'sbald?«

Rous meinte es nicht so. Als Milly Orsons miteinem vernichtenden Blick an ihm vorüberschritt,unterdrückte er einen offenbar gutgemeintenKraftausdruck.

Felic Kergonen, blond und verschüchtert,marschierte hinter der um ein Jahr älterenStudiengefährtin her. Das Schott glitt wieder zu.Rous Atemzug klang wie das Zischen einesabblasenden Dampfkessels.

»Verdammt!« knirschte er mit einem wütendenBlick. »Was gibt es da zu feixen? Das sind keineMädchen, sondern Schülerinnen der SpA,verstanden? Ich bitte mir aus, daß sie genausobehandelt werden wie jeder Mann an Bord. DieDamen werden auf fremden Welten beweisenmüssen, was sie über Kosmo-Bakteriologie undGalakto-Botanik gelernt haben. Kadett Tifflor!«

Tiff fuhr zusammen. Rous, sein alter Quälgeist,schien wieder einmal aus Sprengstoff zu bestehen.

»Sie übernehmen im ersten Intervall dieWaffenleitzentrale. Sie könnten die K-9 querkantdurch den nächsten Planeten sausen lassen. Eberhardtund Hifield, Sie überwachen den Techno-Sektor. Dieanderen Leute an die alten Stationen. Start in fünfMinuten.«

Das war Sergeant Rous! Man mußte ihn nehmen,wie er war.

»Ha - Sie haben ja noch den Hofball-Dreß an«,regte sich der dunkelhaarige Mann auf. »Mensch, inzwölf Komma einsdreivier Sekunden sind Sie wiederhier, aber in Dienstkleidung!«

Tifflor rannte los. Rous breites Grinsen sah ernicht mehr. Eberhardt und Hifield schritten zu ihrenDrehsesseln neben den beiden Pilotensitzen hinüber.

»Dicker Hund, was?« zischte Eberhardt. »Hast duein Schiff landen sehen? Er hat immer noch diescharfe Spritze in der Halfter.«

»Die kriegen wir nach dem Start auch. Okay, Ruhejetzt.«

Im mächtigen Leib der K-9 liefen die Maschinenan. Die Vollautomatik reagierte auf RousSchaltungen so genau und zuverlässig, wie es einMensch niemals gekonnt hätte. Dies war einRaumschiff, das nicht auf der Erde erbaut wordenwar. Arkonidische Supertechnik sah praktisch ausjedem Winkel hervor. Die Leistungskurve derArkonimpulskonverter stieg steil nach oben.Eberhardt meldete die Bereitstellung der für dieAndruckneutralisatoren erforderlichen Energie. Daseben noch tote Schiff war zu vielfältigem Lebenerwacht.

Rous stand in Bildsprechverbindung mit demStützpunktkommandanten. Hinter demabschirmenden Energievorhang begann derWeltraum. Beim Start der K-9 war es unerläßlich, dieKraftfeldglocke im Startsektor für den Bruchteil einer

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Sekunde zu öffnen.»Klar zum Start, erbitte Säulenfeld«, gab Rous

durch.Außerhalb der Kaulquappe begannen die

Feldprojektoren des Mondhafens zu arbeiten.Eine leuchtende Energiesäule schoß nach oben,

verband sich dort mit der Rundung des großenSchirmes und hüllte das Schiff gleichzeitig ein.

Das war eine derart großzügige und vollendeteSchleuse, daß die irdischen Wissenschaftler jetztnoch staunten. Auf dem fernen Arkon landeten undstarteten Raumschiffe schon seit mehr alszehntausend Jahren irdischer Zeitrechnung auf dieseArt. Das Manöver war grundsätzlich dannangebracht, wenn man sich auf Häfen von luftleerenoder atmosphärisch giftigen Himmelskörpern befand.

Rous sah durch die transparente Panzerwand zurFunkzentrale hinüber. Der Kommandant saß nochvor einem Telekomschirm. Die darauf erschienenePerson war von der Zentrale aus nicht erkennbar.

*

»Alles klar an Bord«, murmelte Deringhouse sehrleise in das winzige Mikrophon des überlichtschnellarbeitenden Bildsprechgerätes.

Rhodan nickte. Wen er mit einem Seitenblickbedachte, konnte der Major nicht erkennen. PerryRhodan schien aber befriedigt zu sein.

Deringhouse ahnte nicht, daß er mit Tifflor einenüberdimensionalen organisch lebenden Supersenderan Bord genommen hatte. Auch Deringhouse wußtenicht alles.

Rhodan hatte das bestätigende Kopfnicken deranwesenden Telepathen aus dem Mutantenkorpsbemerkt. Es genügte ihm als Beweis, daß Tifflor gutauf dem Mondstützpunkt angekommen war. »VielenDank. Start frei. Halten Sie sich bitte genau an IhreAnweisungen. Bestehen noch Unklarheiten?«

Deringhouse zögerte, bis er hastig fragte: »IstEverson durch?«

»Ja, einwandfrei in die Transition gegangen. Nochetwas?«

Deringhouse verneinte. Ob Tifflors Doubleinzwischen angekommen war, wagte er nicht zufragen. Sicherlich war es aber der Fall.

»Viel Glück also«, schloß Rhodan ab. »Sorgen Siemir für eine tadellose Abschlußprüfung der Kadetten.Das sind die Sternenkämpfer von morgen.«

Das seltsame Lächeln des Chefs verstand derMajor nur zu gut. In dem Augenblick mußte auf demRaumhafen der Dritten Macht die Hölle los sein.

Die drei mächtigsten Schiffseinheiten PerryRhodans waren längst klar zum Alarmstart.Deringhouse dachte sehnsüchtig an den SchwerenKreuzer TERRA, den er normalerweise befehligte.

Nun hatte Captain McClears das Kommando überdas 200 Meter durchmessende, auf der Erde erbauteRiesenfahrzeug übernommen.

Bei dem Gedanken an seinen Kreuzer hatteDeringhouse das unbestimmte Gefühl, als könnte erdessen machtvolle Strahlkanonen in kürzester Fristsehr gut gebrauchen. Die gewiß große K-9 war imVerhältnis zur TERRA ein lächerlicher Zwerg.

Rhodans Abbild erlosch. Deringhouse erhob sichbetont bedächtig, ehe er zur Zentrale hinüberschritt.Rous schnarrte seine Meldung herunter. Die Männerkannten sich. Sie wußten, was sie voneinander zuhalten hatten.

Der Kommandant sah den Sergeantenbedeutungsvoll an.

»Alles klar, Rous? Keine Pferdefüße an Bord?«»Keine«, sagte der untersetzte Rous sehr gedehnt.

Seine Zungenspitze fuhr flüchtig über die sprödenLippen.

»Okay, rauschen wir los. Tifflor, kommen Sie mitIhren Schaltungen klar?«

Tiff, der eben nach einer hastvollenUmkleideprozedur wieder in der Zentrale erschienenwar, bestätigte gespannt. Wenn niemand ahnte, daßes nun schlagartig sehr ernst wurde er ahnte es!

*

Vor genau dreißig Minuten Standardzeit war diekleine K-9 aus dem Feldschleusen-Trichter in denfreien Raum geschossen. Die Ortungsstationen aufMars hatten gemeldet, daß Deringhousebefehlsgemäß mit genau 500 Kilometer proSekundenquadrat beschleunigte, was ihn im Zeitraumvon etwa zehn Minuten auf annäherndeLichtgeschwindigkeit gebracht hatte.

Als die erste Tastermeldung der automatischenStation auf dem Jupitermond Kalisto einlief, war essoweit.

Rhodan hatte im Sitz des Ersten Offiziers Platzgenommen. Weit unter ihm vibrierten dieTitanenmaschinen des Schlachtschiffes STARDUSTII, einem achthundert Meter durchmessendenKugelgiganten aus der arkonidischenImperium-Klasse. Niemals waren im Sternenbereichdes Planeten Arkon größere und mächtigereSchlachtschiffe gebaut worden. Es war eineGeschichte für sich, wie es Rhodan gelungen war,den Riesenraumer zu kapern.

»Start in zwanzig Sekunden«, gab er überFunkspruch durch.

Auf den hohen Bildschirmen derRundumbeobachtung schimmerten die Hüllen derbeiden Schweren Kreuzer TERRA und SOLARSYSTEM.

Auf die Sekunde genau hoben die drei stärksten

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Raumschiffe der Dritten Macht vom Boden ab.Obwohl Rhodan minimale Beschleunigung bis zumErreichen der Ionosphäre angeordnet hatte, erlebtedie nahe des Hafens liegende Großstadt Terraniaeinen kleinen Weltuntergang. Es war noch niegeschehen, daß die drei Giganten auf einmal in denHimmel dröhnten.

Jenseits der Erdatmosphäre ging der Verband aufvolle Fahrt. Er folgte genau dem von Deringhouseeingeschlagenen Kurs.

»Gefechtsbereitschaft für alle Einheiten!«Dieser Befehl wurde nach der Überquerung der

Marsbahn gegeben. Die hochspezialisierten Männerder Besatzungen sahen sich an. Der »Alte« hatte sobesonders gleichmütig gesprochen.

»Wenn es in spätestens fünfzehn Stunden nichtknallt, gehe ich zu Fuß nach Hause«, sagte einIngenieur in der Maschinenleitzentrale des SchwerenKreuzers SOLAR SYSTEM.

Dreihundert Meter über ihm drehte sich PerryRhodan nach dem Mutanten John Marshall um.

»Kontakt, John?« erkundigte er sich angespannt.Marshall lächelte verzerrt. »Fürchterlich«, stöhnte er.»Der Junge strahlt wie eine Superbombe. Ich kanndie Schwingungen kaum abblocken.«

»Fahren Sie trotzdem mit Ihren Peilübungen fort.Sie müssen jederzeit in der Lage sein, TifflorsStandort ohne technische Hilfsmittel zu erkunden.Gewöhnen Sie sich baldigst an die hartenParaimpulse. Es muß gehen.«

Reginald Bull, wie immer im Sessel des ZweitenOffiziers sitzend, verzog die breiten Lippen.

Vor ihm, auf den mächtigen Bildflächen, tauchteJupiter als schmale Sichel auf. Sie würden denPlaneten in nahem Abstand passieren.

»Ich komme mir vor wie ein Schurke«,beschuldigte er sich gepreßt. »Es wäre unsere Pflichtgewesen, ihn über die Einpflanzung zu informieren.«

Rhodans Mund verschloß sich. Düstere Gedankenplagten ihn. Hinter der Plutobahn begann derinterstellare Raum. Wenn etwas geschah, dann mußtees in diesen Regionen passieren.

»Das Wissen um die Dinge hätte ihn das Lebengekostet, besser gesagt - es könnte ihn das Lebenkosten.«

»Du rechnest mit einem Angriff desUnbekannten?«

Rhodan nickte wortlos. Als das Schiff sich derPlutobahn näherte, sagte der Chef der Dritten Machtabschließend:

»Ich ahne, daß man die K-9 fassen wird, weil manTifflor auf ihr vermutet. Unsere Hinweise warenwinzig, aber aufmerksame Beobachter und klareDenker werden sie erkannt haben. Everson ist nichtbelästigt worden. Er steht bereits im Wega-System.«

»Eine kühle Prognose«, lachte Bully humorlos auf.

»Was ist, wenn die Unbekannten nicht die Logikbesitzen, die du bei ihnen voraussetzt? Dann fälltdein ganzes Plänchen ins Wasser. Unser kosmischerLockvogel wird umsonst zwitschern.«

»Abwarten! Jenseits Pluto passiert es. Es liegt anuns, rechtzeitig zu erscheinen. Klar zum Manövernach Erreichen der Uranusbahn. Gib es durch.Notfalls transitieren wir im Kurzsprung. Ich willwissen, wer es auf uns abgesehen hat. Tifflor wirdseinen Mann stehen. Ich habe keinen Schwächlingausgesucht. Das wäre alles.«

Bully schloß den bereits geöffneten Mund. DiesenAusdruck in Rhodans Gesicht kannte er nur zu gut.

Perry sah hinüber zur hageren, hochgewachsenenGestalt des Nichtirdischen Crest; der fähigsteWissenschaftler des Imperiumsplaneten Arkon hatteden Menschen nicht nur seine überragende Technik,sondern auch das wahre Wissen gebracht. Sein fastweißes Haar schimmerte im Licht der zahllosenBildschirme.

Er nickte stumm und ernst: Wenn jemandherausfinden konnte, mit wem man es in den Tiefendes Raumes zu tun hatte, dann war es Crest, derSproß einer uralten Herrscherdynastie.

Die Arkoniden hatten bereits ihr Sternenreichgegründet, als der irdische Mensch noch in Höhlenhauste. Nun war er erwachsen geworden. Seinerunerhörten Energie entsprechend, reichte er gewagt,risikovoll und energisch in Gefilde hinein, die ihmohne das arkonidische Superwissen noch für vielehundert Jahre verschlossen geblieben wäre.

Rhodan winkte kurz zu dem so menschenähnlichenWesen hinüber. Unterdessen liefen auf den dreiSchiffseinheiten die Vorbereitungen zu einem kurzenGewaltmanöver an.

»Ich kriege sie, verlaß dich darauf«, flüsterteRhodan. »Sie werden niemals das zunichte machen,was wir in härtester Arbeit erschaffen haben. Fürunsere Menschheit ist mir kein Risiko zu groß.«

5.

Die Sonne war zu einem funkelnden Punktgeworden. Pluto, der äußerste Planet des Solsystems,erhielt nicht mehr sehr viel Licht von derLebensspenderin.

Auf den Rundumbildschirmen der fastlichtschnellen K-9 war von der eiserstarrten Weltnichts zu sehen. Pluto stand zur Zeit auf der anderenSeite der Sonne. So mußte Conrad Deringhouse aufdie Kontaktaufnahme mit den dort eingebautenAutomatstationen verzichten.

Die Stereokompensatoren lieferten seit fünfzehnMinuten die für die Transition erforderlichenVergleichsmessungen. Die zwölf Kadetten, die sichaußer der Normalbesatzung an Bord befanden, hatten

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während der vergangenen Stunden all jene Aufgabenerfüllt, die sonst von erfahrenenKosmonauten-Technikern erledigt wurden.Naturgemäß wurden die Prüflinge schärfstenskontrolliert und überwacht. Wenn dieAbschlußprüfung auch alles verlangte, was eindiplomatischer Kosmonaut wissen mußte, so warendie Lehrer der Dritten Macht dennoch niemalsleichtsinnig gewesen.

Dies traf besonders auf einen Überlichtsprung zu,bei dem eine winzige Fehlberechnung zurKatastrophe führen konnte.

Nur zwei Männer an Bord ahnten, daß es diesmalgar nicht so sehr auf eine exakte Transition ankam.Natürlich wollte der Kommandant genau springen,wenn er schon springen mußte. In diesem Fall kam esdarauf an, das ferne Wega-System auch wirklich zuerreichen.

Deringhouse und Rous waren die Leute, die vonMinute zu Minute in steigende Spannung versetztwurden. Sie durchliefen die Gefühlsskala von obennach unten, was sich trotz aller Beherrschung in ihrenGesichtern abzeichnete.

Julian Tifflor war außer den beiden eingeweihtenKosmonauten vielleicht der dritte Mann, der hinterDeringhouses gerunzelter Stirn andereGedankengänge vermutete.

Kadetten wie Eberhardt und Hifield nahmen alsselbstverständlich an, daß die steigende Nervositätdes Kommandanten auf die von den Schülernauszuführende Transition zurückzuführen sei. Füreinen raumerfahrenen Piloten mochte es auch nichtsehr einfach sein, das Schicksal des Schiffes durchjunge Männer bestimmen zu lassen.

Natürlich hatten sie alle schon vieleÜberlichtsprünge mitgemacht, nur hatten sie niemalsin eigener Verantwortung zu schalten brauchen. Daswar ein kleiner Unterschied, was sich sogar Hifieldeingestand. Es war in etwa identisch mit dem erstenAlleinflug von Flugschülern vergangener Zeiten.Solche Prüfungen zerrten an den Nerven, obwohlman ganz sicher war, die Materie absolut einwandfreizu beherrschen.

Bei der relativ geringen Entfernung der SonneWega war ein optischer Direktsprung möglich. DieEigengeschwindigkeit des Sterns war im Verhältniszur Transitionszeit vernachlässigbar klein.

Tifflor, der anerkannt beste Mathematiker derSpace Academy, bediente seit etlichen Minuten denkosmonautischen Rechenautomaten, mit dem dieletzten Absprungkorrekturen ermittelt werdenmußten. Die dazu erforderlichen Grunddaten erhielter aus der oberen Polkuppel, wo dieVergleichsmessungen vollautomatisch liefen.

Der Zentralcomputer war auf Booten derGOOD-HOPE-Klasse dazu ausersehen, die

halbautomatisch erfolgendeKorrektur-Programmierung auf die Triebwerkeweiterzuleiten, die in letzter Konsequenz diewinzigen Kursabweichungen zu bewirken hatten.

Über der K-9 lag das dumpfe Donnern derarkonidischen Impulskonverter. Die Stromreaktorenliefen wesentlich leiser.

»Klar für Maximalschubleistung. Klar fürStützmassen-Einspritzung«, gab Deringhouse an dieMaschinenleitzentrale durch.

Dort saßen erfahrene Männer hinter denSchaltungen. Die Ingenieur-Prüflinge durften erstdann die lebenswichtigen Impulse geben, wenn dieDaten auch haargenau stimmten.

»Zentrale klar«, kam es aus den Tiefen desRumpfes zurück. »Stützmasse fünf Sekunden vorT-Manöver.«

Tifflor hörte die verschiedenartigen Meldungenmit. Er wußte nicht sehr genau, warum Deringhouseund Rous immer nervöser wurden. Es war ihm nuraufgefallen, daß schon zwei Stunden zuvor derBefehl ergangen war, die hochwertige Ortungsstationder K-9 zu besetzen.

Dort hockten nur die bewährten O-Funker derFlotte vor den Hypertastern und Strukturgeräten.Beide Aggregate arbeiteten auf überlichtschnellerBasis, was bei der hohen Fahrtstufe der K-9 auchnicht mehr anders möglich war.

Die normale Objekterfassung mußte jetzt kläglichversagen.

Tiff lauschte auf das dumpfe Dröhnen derTriebwerke innerhalb des äquatorialen Ringwulstes.Das war eine ganz typische Arkonidenbauart, diegegenüber anderen Konstruktionen sicherlicherhebliche Vorteile hatte. Vordringlich aber wurdedie Hauptzelle volumenmäßig entlastet. DieStrahlumlenkung bei Bremsmanövern hatte sichebenfalls als wesentlich unkomplizierter erwiesen alsbei Schiffen mit Hecktriebwerken.

Diese und zahllose andere Gedanken huschtendurch Tiffs Schädel. Seine Berechnungen führte ernahezu schlafwandlerisch aus.

Als die rote Lampe schwach zu glimmen begann,meldete er über Bordsprecher:

»Noch dreizehn Minuten voll bis Manöver. Vollüberschritten, Zähler läuft.«

Deringhouse wandte den Kopf. Ein prüfenderBlick fiel auf die leuchtenden Diagrammflächen desKosmorobots. Die Daten stimmten.

Es war auffällig, daß Rous auf seine ganzalltägliche und für diesen Zweck kläglich ungenaueUhr schielte. In Tiff kam unvermittelt ein ungutesGefühl auf. Starr, wie gebannt, sah er zu den beidenPiloten hinüber. Deringhouse hatte denKontaktschalter in der rechten Armlehne seinesSitzes noch nicht entsichert. Solange er von der

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durchsichtigen Plastikkappe abgedeckt wurde, war andie entscheidende Impulsgebung für den Sprungüberhaupt nicht zu denken.

Natürlich wäre es unsinnig und sogar leichtfertiggewesen, schon dreizehn Minuten vor der Transitiondie Absicherung zu entfernen. Dennoch hatte Tiff dasetwas unmotivierte Empfinden, als wäre es imInteresse der K-9 besser gewesen, dieSprungsicherung abzuschalten.

Als er noch über das Für und Wider nachgrübelte,meldete der Zähler den Ablauf der dreizehntenMinute. Noch zwölf Minuten bis zur Transition. DieFeinzählung würde ab sechzig Sekunden einsetzen.Dann kam es auf Millisekunden an. EineVerschiebung im Abstoßimpuls konnte zuungeahnten, niemals genau kontrollierbaren Folgenführen. Es war schon mehr als ein Arkonidenschiffspurlos im Hyperraum verschollen.

Genau 6,53 Sekunden nach Zählwert zwölf kameine Meldung durch, die Major Deringhouse miteinem sprunghaften Zusammenziehen seines Körpersregistrierte. Rous Kopf fuhr herum.

»Ortungszentrale«, brach es aus denLautsprechern. »Unbekannte Körper in Grün 45,3Grad, Versetzung vertikal grün 18,6 Grad.Entfernung nach Objekttaster 0,8 Lichtstunden, FahrtFremdkörper wahrscheinlich dicht unterhalbL-Mauer. Strukturergebnis ungenau, wahrscheinlichMetallegierungen, Ende.«

Deringhouse sagte keinen Ton. Es war ebensoungewöhnlich wie sein durchaus sachlichesUmherblicken. Ein gefrorenes Grinsen zeichneteseine breiten Lippen. In dem Augenblick gewann dernoch junge Major eine gewisse Ähnlichkeit mit PerryRhodan. Das waren die bewundernswertenMännertypen, die im Augenblick gefahrdrohenderMeldungen das Vorhandensein ihrer Nervenvergaßen.

Tiff stockte der Atem. Er meinte, die in derBrusttasche geborgene Metallrolle müßte ihm dieRippen zerdrücken.

Eberhardt staunte ob der seltsamen Reaktion desKommandanten. Hifield war blaß geworden. Seinunsicherer Blick flackerte zwischen denVerantwortlichen hin und her.

Nach der zweiten Tasterortung, die diesmalgenauer und präziser trotz der noch großenEntfernung erfolgte, erhob sich Deringhouse sobedächtig aus seinem Pilotensitz, als ginge es darum,einen Becher Tee aus dem Getränkeautomaten zuholen. Jedermann sah, daß er die Funksprechanlageseines wulstigen Diensthelmes einschaltete.

»Sergeant Rous, übernehmen Sie das Schiff«, kames scharf akzentuiert aus den kleinenMuschellautsprechern der Funkhelme. »AnBesatzung! Eigenverständigung einschalten. An

Maschinenleitstand! Manöverstationen räumen. KlarSchiff zum Gefecht.«

Rous Faust fuhr auf den Hauptschalter derTransitions-Automatik nieder. Der Zentralcomputerlief mit einem dumpfen Brummen aus. DieBerechnungen waren von Augenblick zu Augenblicksinnlos geworden. Das Zählwerk in TiffsKosmo-Automatik blieb stehen. EinenSekundenbruchteil später schaltete es selbständig umauf die Feuerleit-Positronik. Sofort nach demKlarschiffsbefehl war an Bord die Hölle los. Männerhasteten nach ihren Raumanzügen, die in einemsolchen Fall unbedingt getragen werden mußten.

Tiffs Finger arbeiteten traumhaft sicher. Er wußtenicht mehr, wie oft sie das korrekte Anlegen der stetsgriffbereiten Schutzkleidungen geübt hatten.

Die Patentverschlüsse klappten zu.Kontrollämpchen zeugten von der Einsatzbereitschaftder lebenswichtigen Aggregate. Plötzlich glaubteTifflor zu wissen, warum der Kommandant schonkurz nach der Überquerung der Marsbahn dieharmlosen Demonstrationswaffen der Kadetten gegenscharfe Impulsstrahler ausgetauscht hatte. Es waretwas im Anlaufen, was - allem Anschein nach -längst erwartet worden war.

Tiff flitzte auf seinen Platz zurück. Aus der bishermakellos glatten Außenzelle der K-9 schoben sichdie automatgesteuerten Waffentürme hervor. In denmenschenleeren Panzer-Drehkuppeln liefen dieseparaten Energiestationen an. Mit einem dumpfenKrachen begannen die Kraftfeldprojektoren zuarbeiten. Sie fraßen fast alle Energie derBordkraftwerke.

Aus dem eben zur friedlichen Hypertransitionansetzenden Raumschiff war ein buckliges Gebildemit scharfen Zähnen geworden.

Die K-9 war nicht vergleichbar mit einemSchweren Kreuzer der Flotte, mit dem SchlachtschiffSTARDUST II schon gar nicht. Trotzdem hatte PerryRhodan mit einem 60-Meter-Boot dieser Klasse eineganze Raumflotte angegriffen und dort verheerendesUnheil gestiftet.

Deringhouse ordnete an, die Kugelhelme derleichten Raumanzüge noch nicht zu schließen. Beieinem etwaigen Druckverlust würden sie ohnehinautomatisch zuklappen.

So baumelte sein Helm auf dem Schulterstück desAtmungs- und Energietornisters. In der Zentralemarschierte das Kampfroboter-Kommando auf. DieAusfallschleusen meldeten die Einsatzbereitschaftder arkonidischen Spezialmaschinen.

Deringhouse stand breitbeinig hinter demverlassenen Sitz des Ersten Piloten. Sergeant Roushatte die Kontrollen übernommen.

Tifflor bemerkte den fragenden Blick des KadettenKlaus Eberhardt, dessen erblaßtes Gesicht aus dem

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Halsstück des Raumpanzers hervorragte.Tiff hob kaum merklich die Schulter an. In den

eingeschalteten Geräten der Funkhelme klang einescharfe Verwünschung auf. Es war Humpry Hifieldgewesen.

»Achtung, an alle: Dies ist keine Übung, ichwiederhole - dies ist keine Übung!« gab derKommandant durch. »Die Transition wirdunterbrochen. Eine Neuberechnung kann für dieAbschlußprüfung nur gut sein. Sie sollten sichdarüber klarwerden, daß das plötzliche Auftaucheneines nicht zur Dritten Macht gehörendenRaumschiffes in unmittelbarer Nähe desSonnensystems Grund genug ist, um einen jederzeitwiederholbaren Hypersprung sofort zu unterlassen.Die K-9 hat praktisch doppelte Besatzung an Bord.Die Kadetten werden Gelegenheit erhalten, ihrGeschick in einem voraussichtlichen Einsatz zuerproben. Es interessiert mich zu erfahren, mit wemwir es zu tun haben.«

»Meteor - Komet?« piepste eine helle Stimme inden Muscheln.

»Solche Gebilde fliegen gewöhnlich nicht mitannähernder Lichtgeschwindigkeit«, belehrteDeringhouse, ohne zu fragen, wer da eigentlichgesprochen hatte.

Tiff gehörte zu den ganz wenigen Menschen anBord, die nicht für den Bruchteil eines Augenblickslächelnd die Lippen verzogen. Hier war etwasgeschehen, was Deringhouse nicht sagen wollte oderdurfte.

Der Major riß die linke Hand nach oben. Mittel-und Zeigefinger gingen in Scherenstellung. Daraufschien der Mann am Hyperfunkgerät nur gewartet zuhaben. Die miteinander koordinierten Leuchtbalkender Justierung bewiesen ganz klar, daß die mächtigeRichtstrahlantenne auf der oberen Polkuppel längstzur Erde wies.

Tiff bemerkte deutlich, daß der Funker einoffenbar längst vorbereitetes Kurzsignal in dieSchütteltaste hieb. Also verzichtete man sogar aufeinen durchaus möglichen Sprechverkehr. Sicherlichwar die Kurzmeldung obendrein noch hochwertigverschlüsselt.

Eine Antwort kam nicht durch; aber Tifflor ahnte,daß luchsohrige Spezialisten nur auf dieses Zeichengewartet hatten. Wieder begann seine Kehleauszutrocknen; ein sicheres Zeichen für den hohenGrad seiner Erregung.

Deringhouse bemerkte den fast verzweifeltenBlick des jungen Kadetten. Er sah ihn starr an, bissich das eine Augenlid bewegte. Da konnte Tiffendlich wieder schlucken. Er ahnte, was da kommensollte, obwohl er naturgemäß von dem Auftauchenunbekannter Intelligenzen nichts wußte. Dafürempfand er in vollster Schärfe, daß hier ein großes

Spiel in ein akutes Stadium trat.Warum hatte Deringhouse nicht den Chef

angerufen? Rhodan hätte in kürzester Zeit mitschweren Schiffen an Ort und Stelle sein können. Dieganze Sache war irgendwie undurchsichtig.

Deringhouse verscheuchte einen anderen Kadettender Abschlußklasse aus dem wuchtigen Drehsitz desFeuerleitoffiziers. In den wenigen Druckknöpfen undKippschaltern lag die gesamte Feuerkraft der K-9verborgen.

Diesmal staunten auch die Männer derNormalbesatzung. Wie kam der Kommandant dazu,persönlich das Amt des Gunners zu übernehmen?

Deringhouse gab auch selbst jene entscheidendeSchaltung durch, die bei erfahrenen Raumkämpfernstets eine gelinde Nervosität hervorrief. DieZielautomatik wurde mit den Ortungsgerätengekuppelt. Wehe dem fremden Schiff, das einmalvon den Hyperkomtastern eingefangen wurde. Diearkonidische Superautomatik hatte keineFehlerquellen mehr! Ihre konstruktiv bedingtenKinderkrankheiten waren schon zehntausend Jahrezuvor restlos beseitigt worden.

»Entfernung konstant. Fahrt konstant«, ab dieO-Zentrale durch. »Keine Änderungen inFlugrichtung oder Geschwindigkeit. Auswertungliegt vor. Bei dem unbekannten Objekt handelt essich um einen metallischen, langgestreckten Körpervon etwa dreihundert Meter Länge. Toleranzwertplusminus fünf Prozent, Ende.«

Man hörte Deringhouse schrill durch die Zähnepfeifen. Wenn das fremde Schiff dreihundert Meterlang war und dazu noch die äußere Form einer Walzeaufwies, dann war es garantiert nicht auf der Erdeerbaut worden.

»Ganz schöner Kahn, wie?« flüsterte Rous in dieFunksprechverbindung.

»Mir wäre wohler, wenn die SOLAR SYSTEM inder Nähe wä ...«

Ein dumpfes Tosen riß Rous das Wort von denLippen. Die hinter der durchsichtigen Panzerwanderkennbare Ortungszentrale war in bläulichenLichtschein gehüllt. Es dauerte nur winzigeAugenblicke, dann verging das dumpfe Dröhnen.

Sofort kam die erregte Stimme eines O-Funkersdurch:

»Fremdkörper hat transistiert. Körper ist ausHyperkombereich verschwunden. StrukturtasterLautstärke dreiundzwanzig, sehr hoch.Strukturerschütterung in Distanz 0,8 Lh. Vorsicht!«

Sergeant Rous hieb auf den Auslöser derAnschnallgurte. An sämtlichen Sitzen zuckten dieschmiegsamen Magnetbänder aus den Rückenlehnenhervor. Tiff fühlte sich plötzlich unbarmherzig festeingeschnürt. Rous schaltete mit fliegenden Fingernweiter. Er war als Pilot nicht schlechter als

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Deringhouse selbst. Außerdem schien der Sergeantganz genau zu wissen, worauf es ankam.

Tiff vernahm das dumpfe Aufbrüllen der großenStromreaktoren. Rous überfütterte dashypergravitorische Abstoßfeld bis zurÜberlastungsmarke. Es geschah im letztenAugenblick.

Tifflor umkrallte die Armlehnen seines Sessels, alsblauweiße Blitze durch die O-Zentrale zuckten. Diebeiden hochwertigen Strukturtaster zur Anmessungstärkerer Kontinuum-Erschütterungen schlugengleichzeitig durch.

Glühende Bruchstücke zischten durch den großenO-Raum. Das schrille Kreischen in denLautsprechern dauerte nur Sekunden. Dann gaben sieihren mechanischen Geist ebenfalls auf.

Deringhouse brüllte etwas, was niemand mehrverstehen konnte. Tiff sah nur, daß der Kommandantauf den Schnapperkontakt seines Raumhelmesdrückte.

Ehe das fürchterliche Schütteln kam, war Tiff demBeispiel gefolgt.

Auf den Rundumbildschirmen des K-Bootesschien in nächster Nähe ein Stern zu explodieren. Diegrelle Leuchterscheinung mochte bestenfalls einehalbe Million Kilometer entfernt entstanden sein,weniger als zwei Lichtsekunden.

Die unheimlichen, rein energetischenWirbelstürme nahe eines wieder eintauchendenSchiffes konnte man niemals sehen, wohl aberfühlen. Ein ungeschützter Körper, gleich von welcherGröße, war zumeist rettungslos verloren, wenn er inden kugelförmigen Bannkreis eines zu naheeingetauchten Großraumschiffes geriet.

Dies aber war ein Großraumschiff! Tiff bemerkteauf den Schirmen der rein optischen Bilderfassungeinen riesigen, walzenförmigen Körper mit halbrundabgestumpften Bug- und Heckenden.

Unter Berücksichtigung der Laufzeit einesgewöhnlichen Lichtstrahles war der unbekannteRaumer demnach vor etwa zwei Sekundenrematerialisiert.

Die optische Vergrößerungsschaltung holte dasAbbild des Fremden so dicht heran, daß man seineAußenzelle klar erkennen konnte.

Am Heck des Schiffes begann es zu flammen. Eswaren violette, seltsam fluoreszierendeEnergiebündel, die einwandfrei bewiesen, daß manda drüben mit einem hochwertigen Impulstriebwerknach Arkonidenmuster arbeitete.

All diese Eindrücke verdaute Tifflor in winzigenAugenblicken. Dann wurde er von den ungeheurenharten Schwingungen der zur Glocke werdendenSchiffszelle erfaßt und zu einem bejammernswertenEtwas aus Fleisch und Blut herabgesetzt.

Der Verstand revoltierte. Es kamen jene

eigenartigen Überraumschwingungen durch, dieteilweise auf der Frequenz menschlicher Hirnzellenlagen. Tiff schrie seine Not hinaus. Jeder schrie unterden intervallartig aufzuckenden Kopfschmerzen,unter denen Sekunden zur Ewigkeit wurden.

Das Tosen und Schütteln hielt an. Unter derZentrale jaulten die Stromreaktoren der Kraftwerke.Wenn sie den Energiebedarf des allein schützendenAbwehrfeldes nicht mehr decken konnten, dannmußte wenigstens der schwächste und am wenigstenwiderstandsfähige Teil des Schiffsinventarsvergehen: Das Inventar namens Mensch.

»Guter Gott!« flüsterte Tifflor gepeinigt. »Nichtdas, nur nicht das!«

6.

In den Ortungsräumen der schwerenSchiffseinheiten schlugen die Strukturtaster zwarnicht durch, aber sie wurden trotzdem bis an ihreLeistungsgrenzen erschüttert.

Perry Rhodan wartete die Meldung aus demO-Raum nicht ab. Er wußte aus trüben Erfahrungenseiner zahlreichen Einsatzflüge sehr genau, welchenüblen Scherz man sich da erlaubt hatte.

Von den Auswirkungen des Eintauchmanöverswar auf den Einheiten des Rhodan-Verbandesüberhaupt nichts mehr zu spüren. Nur dieStrukturtaster waren empfindlich mitgenommenworden.

Die drei Schiffe standen breit gestaffelt nahe derUranus-Bahn. Der Abstand zwischen der frühergestarteten K-9 und dem Verband betrug noch rundzwei Milliarden Kilometer. Diese Entfernung war füreine Transition eigentlich viel zu kurz beim normalenFlug nahe der Lichtgeschwindigkeit viel zu weit.

Perry Rhodan, der nur mit größtem Unbehagen dieMöglichkeit eines schnellen Angriffs desUnbekannten durch Anpassungs-Tradition erwogenhatte, sah sich gezwungen, den ungünstigsten allerdenkbaren Fälle als reale Tatsache anzusehen.

Er hörte über die wilden Verwünschungen seinesVertreters hinweg. Reginald Bull war außer sich! Mitdem Dröhnen der Strukturtaster war genau dasGeschehen, was er im Gegensatz zu RhodansMeinung als selbstverständlich vorausgesetzt hatte.

Der unbekannte Gegner hatte es nicht daraufankommen lassen, die ebenfalls fast lichtschnelle K-9mit Normalfahrt zu jagen. Ein solches Manöver wäreWahnwitz gewesen, zumal es als erwiesen galt, daßRaumgefechte im Fahrtbereich der Lichtmauerungeheuer schwierig und kaum durchführbar waren.

»Da haben wir es!« schrie er durch das Dröhnender Taster. »Sie sind im Kurzsprung herangegangen.Wenn wir jetzt ebenfalls in die Nähe springen,zerreißt es die K-9 unweigerlich. Das hält sie nicht

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aus! Sie könnte noch nicht einmal eineneintauchenden Kreuzer vertragen.«

Rhodan hatte längst das erfaßt, was Bully lautstarkund überhastet aussprach.

Seine Finger berührten denHyperkom-Sprechkontakt. Die beiden SchwerenKreuzer TERRA und SOLAR SYSTEM standen inAbständen von drei Lichtminuten auf gleicher Ebenein Rot und Grün.

»Rhodan an McClears und Nyssen, Anweisung:Folgen Sie mit Normalfahrt nach Bildauswertung.Halten Sie genau Kurs auf die K-9. Ich springe mitder STARDUST allein vor. Ehe Sie ebenfalls in dieKurztransition gehen, warten Sie meinen Befehl ab.Keinesfalls tauchen Sie zusammen ein. Ich gehe zweiLichtminuten von der K-9 entfernt aus demHyperraum. Das wird sie ohne weiteres aushaltenkönnen. Beobachten Sie die Situation, Ende.«

Bully staunte. Das war eine Augenblickslösung,wie sie für Rhodan typisch war. Nur in diesenblitzartigen Entschlüssen, die die Grenzen desMöglichen bis zum letzten Tropfen ausschöpften,lagen Rhodans Erfolge begründet.

In der Tat konnte die K-9 nicht gefährdet werden,wenn das Superschlachtschiff im Abstand von zweiLichtminuten aus der übergeordneten Raumebene insNormaluniversum hineinsprang. Zwei Lichtminuten -das waren etwa sechsunddreißig MillionenKilometer.

Rhodan hätte sich ebensogut für nur eine halbeLichtminute entscheiden können. Das lag noch imBereich des für die K-9 erträglichenBelastungswertes.

Aber auch hier hatte Rhodan blitzartig gerechnetund abgewogen. Eine kleine Fehlergrenze mußteeinkalkuliert werden. Kein denkendes Wesen desUniversums oder keine noch so vollendete Automatikkonnte einen immerhin höchst kompliziertenManöversprung auf den Kilometer genau berechnen.Das war schon allein durch die unweigerlichvorhandenen Toleranzwerte von Triebwerken undStrukturfeldern bedingt. Rhodan mußte sich auf zweiLichtminuten festlegen. Es gab keine andere Wahl!Mit normal lichtschneller Fahrt wäre er todsicher vielzu spät zum Angriffsort gekommen. Daß es sich aberum einen Angriff handelte, war so sicher wie dasVorhandensein eines Eisberges bei Grönland.

Die Besatzung des achthundert Meterdurchmessenden Superriesen begann zu arbeiten.Längst vorbereitete Grobwerte wurden nach denvorliegenden Daten mit unheimlicher Schnelligkeitauf Feinabstimmung gebracht. Hier bewährte sich diegewaltige Positronik des Imperium-Schlachtschiffes.

Trotzdem dauerte es rund sechs Minuten, bis dieEndwerte in die Sprungautomatik gegeben werdenkonnten. Dann war die STARDUST II klar zum

Einsatz.»Kommandant an alle«, dröhnte es aus den

Lautsprechern. »Transition in vierundvierzigSekunden. Bemühen Sie sich, den T-Schock sofort zuüberwinden. Niemand schießt ohne meinen Befehl.Ich übernehme direkt. An Maschine! Sofort klar beiStützmassen-Einspritzung. Wir müssen etwasschneller sein als die anderen Schiffe. Achtung,Sprung!«

Das harte, molekülzerreißende Auflösungsruckender Transition kam. Rhodans letztes Wort hingverlöschend in einem Etwas, was die arkonidischenHyperphysiker als »entstandardisierte Strukturform«bezeichneten. Mit dem Begriff ließ sich rechnerischnur dann etwas beginnen, wenn man überarkonidisches Wissen verfügte. Die Männer derDritten Macht hatten es!

Die gewaltige STARDUST II verschwand alsflimmernde Leuchterscheinung aus dem normalenRaum-Zeit-Gefüge. Auf den Schweren Kreuzernwurde der Absprung vorsichtshalber nicht mit denStrukturtastern registriert. Wenn ein solcher Gigantden Stoßimpuls gab, dann wurde ein ganzerRaumsektor erschüttert.

*

Man sagte den arkonidischen Robotern nach, siehätten besonders empfindliche Mechanogehirne. DieMeinung schien falsch zu sein; denn es waren ebendiese Roboter; die den harten Schock zuerstüberwanden.

Männer wie Conrad Deringhouse und SergeantRous hingen noch in halber Ohnmacht in ihrenAnschnallgurten, als die mechanischen»Besatzungsmitglieder« schon zu arbeiten begannen.

Der Gegner war schon viel zu nahe. DieAuswertung bewies, daß die Entfernung zu demfremden Schiff nur noch eine knappe Lichtsekundebetrug. Das waren zwar zirka 300000 Kilometer, wasaber für die Begriffe Rhodanischer Kosmonauten einlächerliches Nichts bedeutete.

Dreihunderttausend Kilometer waren eine Distanz,die von einem Impulsstrahl in 1,23485 Sekundenüberwunden werden konnte. Demnach war das keine»Entfernung« mehr, sondern ein gefährlicher»Annäherungsversuch«, der praktisch gar keine Zeitmehr zu irgendwelchen Manövern ließ.

Noch schlimmer war es, daß der Fremde genau diegleiche Fahrtstufe hatte. Er war natürlich mit fasteinfacher LG aus dem Hyperraum aufgetaucht.

Major Deringhouse wurde von dem dumpfenBrüllen eines feuernden Waffenturms aus derschmerzhaften Geistesumnachtung gerissen. Als erwieder klar sehen konnte, bemerkte er auf demKontrollbildschirm von Turm »Cäsar«, daß es drüben

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mit fürchterlicher Wucht einschlug.Die K-9 drehte unter dem harten Rückstoß des

Geschützes nach Feuerlee. Die Feldkreise glichen dieAbweichung sofort aus, aber es war trotzdemnotwendig geworden, die winzige Verschiebung umden Bruchteil eines Grades durch Umschwenkungder Türme zu korrigieren.

So kam es, daß Deringhouse nicht sofort auf dieWaffenknöpfe drücken konnte. Die Positronik hattenoch kein Rotzeichen gegeben.

Gespannt beobachtete er die Wirkung des Treffers.Der Fremde, von der Vergrößerungsschaltunghandgroß auf den Bildschirm gebannt, zeigte eineüberaus heftige Reaktion.

In seinen Schutzschirmen flammteatemberaubende Glut. Sein Heck wurde fraglos vonder Aufschlagswucht herumgerissen, obwohl derreine Thermostrahl die Schirme anscheinend nichtdurchbrach.

Die Anzeichen der Trefferwirkung waren aberschon so bedenklich, daß Deringhouse einlanggezogenes »Heeeh!« ausstieß.

Dann verengten sich seine Augen. DieFeuerleitanlage meldete frei. Alle Lampen zeigtenRotlicht.

Der Kommandant hätte mit allen zehn Fingern aufeinmal die Knöpfe berühren können. Was dann vonden Fremden übriggeblieben wäre, brauchte maneinem Piloten vom Range des Conrad Deringhousenicht zu sagen.

Tifflor schrie seine maßlose Enttäuschung heraus,als der Alte nur einen einzigen Waffenschalterberührte. Diesmal verwendete er noch nicht einmalden überschweren Impulsstrahler der unterenPolkuppel.

Ein einziges, armseliges Kanönchen aus derRingwulstbatterie löste er aus. Zwar dröhnte esmörderisch, aber die Wirkung mußte ganz und garausbleiben. Diese Kanone setzte man dann ein, wennman erst einmal »höflich« fragen wollte, mit wemman es eigentlich zu tun habe!

Major Deringhouse brachte es fertig, beimverzweifelten Enttäuschungsgebrüll der Kadettenüber das ganze Gesicht zu grinsen. Als hätte dadrüben nicht ein Schiffsriese von beachtlichenAbmessungen gestanden!

Die Antwort kam auch prompt und unüberhörbar.Ein blendender Energiefinger, infolge seiner

Geschwindigkeit erst im allerletzten Moment optischerkennbar, raste auf die K-9 zu.

Die Männer zogen die Köpfe ein. Ein dumpfesStöhnen ging über alle Helmlautsprecher.

Dann kam der Weltuntergang. Innerhalb derSchutzschirme stand lohende Sonnenglut.Energetische Stürme fetzten an der Struktur derFelder, und der Aufschlagsdruck reichte aus, um die

Andruck-Absorber bis zur Leistungsgrenze zubelasten.

Wieder wurde die Kugelzelle zur schwingenden,hallenden Glocke. Es dauerte einige riesenlangeSekunden, bis das Schütteln nachließ. Draußenerlosch der Feuerschein im Hypergravoschirm.

»Das war gut gemeint«, ächzte Rous überSprechfunk. »Um Himmels willen, wenn der eineSalve loslaßt, sind wir einmal gewesen.«

»Schießen, schießen Sie doch!« brüllte jemandaußer sich. Tiffs Kopf fuhr herum. Humpry Hifield,der immer Starke und immer Überlegene hing vonKrämpfen geschüttelt in seinen Gurten.

Die Hölle war los an Bord der K-9. Dabei warTifflor felsenfest davon überzeugt, daß Deringhouselediglich auf Salvenfeuer hätte zu schalten brauchen,um den Fremden zu vernichten.

Warum - warum um alles in der Welt spielte derMajor nur mit der lächerlichen Ping-Pong-Kanoneder Ringwulstbatterie herum! Das mußte ja ins Augegehen. Immerhin hatte der Fremde deutlich genuggesagt, daß er gerade keine freundschaftlichenAbsichten hatte.

Als der zweite Treffer in die Abwehrschirme derK-9 raste, wurde es noch gefährlicher. Diesmalwurde es blutiger Ernst, zumal die Funkerdurchgaben, drüben reagiere man in keiner Weise aufdie offenen, unverschlüsselten Funkanfragen.

Deringhouse war nach dem Abklingen derBeschußwirkung etwas blaß geworden. Er nickte zurRous hinüber. Das war alles. Also stand es fest, daßsich die Männer schon vorher abgesprochen hatten.Wäre dem nicht so gewesen, wäre der Sergeant nichtauf die Wahnsinnsidee gekommen, die immerhinziemlich massige K-9 mit einem winzigenEinmann-Jäger zu verwechseln.

Er schaltete nun auf Manuellsteuerung, ließ nur dieAndruck-Absorber unter der mechanischenKontrolle, übernahm sogar die Triebwerke persönlichund begann dann mit etwas, wozu er»Ausweichmanöver« sagte.

Wenn Tiff gewußt hätte, daß Perry Rhodanpersönlich mit einem mächtigen Kampfverband ganzin der Nähe stand, hätte er Rous turbulentes Treibennoch verstanden. Der Sergeant wollte Zeit gewinnen.

Da Deringhouse nicht ernsthaft schoß, schien er esgar nicht auf die Vernichtung des fremden Schiffesabgesehen zu haben. Leute, die man nach einigenDingen befragen will, schießt man eben nicht vorhertot, das war es!

Durch das Heulen der mit unsinnigen Wertenlaufenden Triebwerke klang Deringhouses Stimme.

»Angeschnallt lassen. Es werden hier und daeinige Gravos durch die Absorber kommen. Ja nichtdie Gurte lösen.«

Die auf den Bildschirmen sichtbaren Sterne

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wurden zu kreiselnden Gebilden. Rous flog einenKurs, den die beste Automatik nicht mehr berechnenkonnte. So etwas konnte eben nur ein denkendes,organisch lebendes Wesen veranstalten.

Gleißende Glutströme schossen an der tanzendenK-9 vorbei. Wenn sie jetzt noch einen Treffer erhielt,dann war es blanker Zufall.

Tifflor beobachtete nur noch Rous angespanntesGesicht. Dabei nahm er sich vor, den Sergeantengelegentlich darauf hinzuweisen, daß sein, Tiffs,Anflugsmanöver auf dem Mond dagegen noch sehrharmlos gewesen sei.

Er verlor sich so lange in diese von der Sachlageabweichenden Überlegungen, bis plötzlich das helleKreischen durch die Zelle zitterte. Ein unheimlichesRucken durchlief das K-Boot. Das Donnern derTriebwerke blieb zwar erhalten, aber dazu kam einsolcher Andruck auf, daß die Männer an die Zeitender primitiven Raumfahrt erinnert wurden.

Die Belastung stieg schlagartig auf drei, sechs undacht g an. In diesem Augenblick wurde dem Pilotendie Manuellsteuerung von der Sicherheitsschaltungentzogen.

Sämtliche Triebwerke wurden vom P-Systemabgeschaltet. Die freiwerdende Energie floß in dieAndruck-Absorber. Der grausame Druck ließ sofortnach und verschwand ganz.

Ächzend tauchte Deringhouse aus seinem Sesselauf. Einige Kadetten waren besinnungslos geworden.

Als sich Tiffs blutgefüllte Augen wiedernormalisierten, konnte er nur noch stöhnen. Dasfremde Schiff hing dicht neben der hilflosgewordenen K-9.

»Ein Zugstrahl, verdammt«, schallte es durch dieHelmgeräte. »Sie haben uns eingefangen. Rous, volleSchubkraft auf die Triebwerke. Raus aus dem Feld,oder wir sind erledigt.«

Der Sergeant schaltete verzweifelt, aber dieAutomatik reagierte nicht mehr darauf. Auf demunbekannten Schiff schien es kluge Köpfe zu geben.Sie wüßten anscheinend ganz genau, daß dieSicherheitsschaltung nur um die Stabilität desAndruck-Neutralisationsfeldes bemüht war. Wenndie Fremden ihren Zugstrahl dicht unterhalb derHöchstwertgrenze hielten, würden die Maschinenniemals anlaufen.

Sonnenhelle Leuchterscheinungen zuckten überdie Bildschirme, als sich die gleichartigenAbwehrfelder der beiden Schiffe berührten. Auf derK-9 schlugen die Sicherungsautomaten durch, waseinwandfrei bewies, daß man in dem wesentlichgrößeren Raumer die stärkeren Maschinen hatte.

Deringhouse zog im letzten Augenblick die Fingervon den Feuerknöpfen zurück. Hätte er jetztgeschossen, wäre es um die Kaulquappe geschehengewesen.

Das Anpassungsmanöver des Fremden wargroßartig. Da drüben saßen erfahrene Piloten hinterden Kontrollen. Der lange Rumpf bedeckte baldsämtliche Bildschirme der Steuerbordseite. An Borddes kleinen Kugelbootes schrie fast jeder.

Deringhouse raste persönlich zum Funkraumhinüber. Die K-9 hing immer noch im gewaltigenZugstrahl des Unbekannten. An ein Entkommen warüberhaupt nicht zu denken, wenn man auf deranderen Seite sorgsam aufpaßte.

»Gegner nimmt Fahrt auf«, brüllte jemand überHelmfunk. »Er schleppt uns mit. Sehr hohe Werte,Vorsicht!« Tiff sah, daß Deringhouse hastig in dasMikrofon des großen Telekoms sprach. DieLeuchtbalken der Richtstrahlantenne standen genauübereinander. Es war das Violettzeichen, wonach nurdie Erde angestrahlt werden konnte.

Dann kam wieder der steigende Andruck durch.Die Beschleunigung mußte etwas über fünfhundertKilometer pro Sekundenquadrat liegen. DieMaschinen der K-9 liefen einfach nicht an. Rousschaltete wie ein Irrer. Die Katastrophenpositronikließ sich nun einmal nicht beirren. IhreProgrammierung sah vor, das gefährdete Leben anBord in erster Linie zu schützen. Also wurde jedeskümmerliche Watt aus den Stromreaktoren für dieAbsorber gebraucht. Die stromfressendenNebenaggregate der Haupttriebwerke erhieltendemnach keine Energie.

Deringhouse konnte sich eben noch auf einensofort in Liegestellung klappenden Sitz fallen lassen,ehe der Andruck gefährlich wurde.

Tifflor schnappte mühevoll nach Luft. Weit vorihm verzog sich Rous Gesicht zur Fratze. Es warendie typischen Verformungserscheinungen derMuskulatur.

Tiff schätzte den Andruck auf etwa zehn Gravosüber Toleranzwert, als das wilde Tosen aus deneingeschalteten Strukturschaltern brach. Einungeheures Schiff mußte aus dem Hyperraumgekommen sein.

Die noch laufenden Hyperkomtaster zeigten dieschimmernde Riesenkugel einesImperium-Schlachtschiffes. Die STARDUST II warda!

Tiff hörte das röchelnde Lachen desKommandanten. Da wußte der Kadett plötzlich,welches Spielchen Conrad Deringhouse gespielthatte. Sein dicker Trumpf war die STARDUSTgewesen. Nun fragte es sich nur noch, ob PerryRhodan auch rechtzeitig genug erschienen war.

Der fremde Raumer beschleunigte mit unsinnigenWerten, was ihm hinsichtlich seiner bereitsvorhandenen Fahrt leichtfiel.

Der Andruck stieg auf II Gravos. Dann kam derbetäubende Entmaterialisierungsdruck, auf den

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Tifflor unbewußt gewartet hatte.Natürlich - das große Schiff war unter zusätzlicher

Stützmassen-Einsprühung mitsamt der an ihmhängenden K-9 auf Manöverfahrt gegangen.

Rous Gesicht verschwamm. Zurück blieb einblasser nebelhafter Fleck ohne erkennbare Konturen.Das zarte Säuseln und Wispern der erfolgtenTransition klang auf.

Unerwartetes, Überraschendes schien geschehenzu sein.

7.

Perry Rhodan, den die Psychologen der alten U S.Space Force einen »Sofortumschalter« genannthatten, begriff im Bruchteil eines Augenblicks.

Als die STARDUST II in das Normaluniversumeintauchte, wurde das fremde Schiff sofort von denautomatischen Tastern eingefangen und auf dieBildschirme projiziert.

Rhodan brauchte etwa eine Sekunde, um denRematerialisierungsschock abzuschütteln. Dann warer wieder da.

Die schon laufende Entfernungsmeß-Positronikgab die Distanz zwischen den Schiffen mit 1,9356Lichtminuten an. Also war man sehr genaugesprungen, nur schien man um etwa eine Minute zuspät aus dem Hyperraum gekommen zu sein.

In Rhodans Überlegungen brach das unheimlicheTosen der Riesentriebwerke hinein. ChefingenieurManuel Garand hatte sehr schnell und sehr genau dienoch vor dem Sprung erlassenen Anweisungenbefolgt.

Das Superschlachtschiff ruckte an. In wenigenAugenblicken hatte es den absoluten Höchstwert fürUnterlichtfahrt erreicht. Die Grenze lag nach denphysikalischen Gesetzen des Normalraumes bei 0,6Prozent ULG.

Die Besatzung wurde munter. DieAuswertungszentrale meldete sich.

»Fremdschiff ist auf Sprungfahrt. Eine Transitionist wahrscheinlich.« Perry Rhodan vernahm denlauten, klirrenden Fluch seines Ersten Offiziers.Reginald Bull wußte, daß sie infolge derlangdauernden Berechnungen um einen Augenblickzu spät gekommen waren.

»Sie haben die K-9 wahrscheinlich in einem enormstarken Fesselfeld«, meldete sich die Auswertungerneut. »Ein Beschuß ist nicht ratsam.«

Das wußte Rhodan auch. Rasch, ohne einüberflüssiges Wort zu verlieren, versuchte er dieletzte Möglichkeit.

Die ausgefahrenen Waffentürme des Gigantenschwiegen. Dafür erfolgten in den Kraftwerkhallenenorm schnelle Umschaltungen. AufheulendeUmformer fielen in den Lärm der drahtlosen Leiter

ein. Fast im gleichen Augenblick begann der obereTraktorstrahler mit Energiewerten zu arbeiten, an derfast alle Krafteinheiten der STARDUST beteiligtwaren. Ein lichtschneller, zwanzig Meterdurchmessender Gravitationsstrahl verließ denProjektor. Wenn dieses hochkonzentrierte Feldauftrat, konnte ein kleinerer Himmelskörper aus derBahn gerissen werden. Das fremde Raumschiffwürde nicht die allerkleinste Chance haben, nochnicht einmal mit der Masse der K-9 im energetischenSchlepptau.

An Bord des Schlachtschiffes verstummten diehitzigen Diskussionen. Das blasse Flimmern desdavonrasenden Traktorstrahls war klar zu erkennen.Er war noch etwas schneller als die ohnehin schnelleSTARDUST II.

Immerhin mußte die Laufzeit viel zu lange sein.Rhodan erkannte zuerst, daß er sich keinen Illusionenhinzugeben brauchte.

Noch ehe das erwünschte Ziel erreicht werdenkonnte, begann es in den Strukturtastern zu rumoren.Der Fremde verschwand inmitten einer flirrendenLeuchterscheinung.

Rhodan hieb auf den Schalter der Stromzufuhr.Der T-Projektor erlosch.

»Ruhe an Bord«, brach Rhodans Stimme aus allenLautsprechern. Es war ein kühler, blecherner Tonfall,der sogar Bully verstummen ließ.

»Ich sehe auch, daß wir zu spät gekommen sind.Die K-9 ist von dem wesentlich größeren Schiffgekapert worden. Erstaunlich, daß es dem Fremdenmöglich war, das gefesselte Beiboot außerhalb seinerZelle mit in die Transition zu nehmen. Dort wird mitarkonidischer Technik gearbeitet. Achtung,Ortungszentrale: höchste Alarmbereitschaft.Strukturstufung auf Feinwert schalten. Stellen Sieunter allen Umständen fest, wo der unbekannteRaumer aus dem Hyperraum kommt. Allzuweit wirder wohl nicht springen. Ich nehme an, daß es sich hiernur um eine Nottransition handelt, die ohnebesondere Zielberechnung zum ausschließlichenZweck der raschen Flucht stattfindet. Es genügt mirvorerst, wenn Sie die ungefähre Eintauchpositionermitteln können.«

Die Bestätigung kam durch. Augenblicke spätererhielten die Kommandanten der beiden SchwerenKreuzer TERRA und SOLAR SYSTEM den Befehl,in einer halben Stunde Standardzeit bis zur Plutobahnvorzuspringen.

Major Nyssen und Captain McClears bestätigten.»Sie geben wohl noch nicht auf?« fragte eine sonor

klingende Stimme.Rhodan wandte den Kopf. Crest, der Arkonide,

stand hochaufgerichtet hinter ihm.»Ich denke nicht daran. Wenn es uns gelingt, das

Eintauchen anzumessen, werden wir die Position

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annähernd berechnen können. Eine andere Frage:Haben Sie an der äußeren Form des unbekanntenSchiffes erkannt, mit wem wir es zu tun haben?«

Crest schüttelte den hochstirnigen Kopf.»Nein, ich habe mir kein Urteil bilden können.

Viele raumfahrende Zivilisationen der Galaxis bauenin dieser Art. Ich müßte nähere Einzelheiten sehen.«

Rhodan drehte sich enttäuscht seinen Kontrollenzu. Augenblicke später kam ein schwaches Rumorenaus den Strukturtastern.

»Rematerialisation ist erfolgt«, meldete dieOrtung. »Ziemlich weit, Sir. Es wird ungeheuerschwierig sein, die Position zu berechnen.«

»Ich kenne die Fehlerquellen, danke«, unterbrachRhodan. »Ermitteln Sie die Grobwerte. Ich werdemich mit dem mathematischen Team um genauereDaten kümmern. Crest, ich bitte um Ihre Hilfe.«

Zwanzig Minuten später kamen die beidenSchweren Kreuzer gleichzeitig an. Sie schlossen mithoher Fahrt auf und fuhren dann ein sauberesAnpassungsmanöver.

Rhodan stand im Kreise seiner Mutanten. Siewaren alle da. Die Telepathen unter ihnen lauschtenmit wachen Sinnen auf jene ungeheuer starkenSchwingungen, die sie bis vor kurzer Zeit soschmerzhaft deutlich vernommen hatten.

»Nun?« erkundigte sich Rhodan. Sein schmalgewordenes Gesicht war ausdruckslos.

Marshall war der Sprecher des Spezialkorps. Erhob langsam die Schultern an.

»Chef, wenn man Tifflor tatsächlich über zweiLichtjahre hinweg noch orten kann, so ist er nunwesentlich weiter entfernt. Wir empfangen nichtsmehr.«

»Stört Sie die Nähe der Besatzungsmitglieder?Wenn ja, werde ich Sie mit einem Zerstörer einigeLichtstunden weit in den interkosmischen Raumbringen.«

»Die Ausstrahlungen der Leute stören nicht. Wirsind daran gewöhnt. Kadett Tifflor dürfte vorerstwertlos sein, Sir. Wir erhalten keinen Kontakt.«

Rhodan ging langsam auf das Schott zu. Die dreiSchiffe waren im vollen Bremsmanöver begriffen.Nun kam es darauf an, die Eintauchposition desgeflohenen Fremden möglichst genau zu berechnen.Eine ungeheure Aufgabe, Rhodan wußte es!

Die Mutanten sahen ihm schweigend nach.Rhodans Plan war wie gewünscht abgelaufen, nurhatten die Unbekannten sehr viel schneller undexakter gehandelt, als es für die gegebene Sachlagegut gewesen war. Es hatte von vornhereinfestgestanden, daß man nicht früher an Ort und Stellehatte sein können. Schließlich war es nicht möglichgewesen, dem Lockschiff sozusagen dicht auf denFersen zu folgen.

Trotzdem war Rhodan in seinem tiefsten Innern

befriedigt. Es stand nun fest, daß es im Bereich derDritten Macht eine hervorragendeSpionageorganisation geben mußte. Die angeblich sowichtige Mission des Kadetten Tifflor wardurchschaut worden.

Die Erledigung der Agenten war aber eine Sache,die Rhodan vorerst überhaupt nicht beachtete. Inerster Linie war es wichtig, herauszufinden, wer sichfür die Erde so brennend interessierte. Erst wenn mandas wußte, konnten Rückschlüsse auf technischeAusrüstung und Verhalten vorgenommen werden.Zur Zeit tappte man noch im dunkeln.

Rhodan blieb sinnend vor dem großen Antigravliftder Mittelachse stehen. Einige Männer salutierten.Der hagere Mann sah durch sie hindurch, als wärensie nicht vorhanden.

Rhodan dachte daran, daß seine beste Waffe mittenim Einsatz stand.

Sie hieß Julian Tifflor! Tiffs Körpersender würdeununterbrochen arbeiten. Wenn es gelang, bis aufzwei Lichtjahre Entfernung in seine Nähe zukommen, konnte eine klare Anpeilung überhauptnicht mehr schwierig sein.

Es würde dem Gegner verzweifelt wenig nützen,sich in Gebirgen und Tiefhangars Fremder Welten zuverkriechen. Vor einer technischen Ortung wäre erdort unbedingt sicher gewesen, nicht aber vor einerrein geistig bedingten Anpeilung.

Also kam es nur noch darauf an, die»Geheimwaffe Tifflor« sozusagen scharfzumachen.Der illusorische Zünder mußte in der Formeinigermaßen exakter Berechnungen noch geschaffenwerden.

Rhodan tröstete sich mit dem Gedanken, daß ersich - immerhin! - einen Toleranzwert von zweiLichtjahren erlauben durfte. Das war ungeheuer viel.

Ehe er hinauffuhr zur Zentrale, kontrollierte ernoch den Maschinenleitstand des Schlachtschiffes.

Das technische Team unter Dr. M. Garand hattevorbildlich gearbeitet. Die sinnverwirrendenEinrichtungen der großen Hauptschaltstation botenkeine Geheimnisse mehr.

Garands pausbäckiges Engelsgesicht leuchtete auf,als er den Chef erkannte.

»Besondere Wünsche, Sir?« erkundigte er sich imfröhlichen Tonfall eines reich beschenkten Kindes.

Rhodan gewann sein Lachen wieder. Garandgehörte zu jenen harmlos aussehenden Naturen, dieim Ernstfall ganz besonders herzlich redeten. WennChefingenieur Garand zu strahlen begann, herrschtegarantiert dicke Luft.

»Keine«, betonte Rhodan. »Halten Sie mirtrotzdem die Maschinen klar. Es wird bald daraufankommen, Sie verstehen? Es wäre doch gelacht,wenn wir den Burschen nicht erwischen würden.«

»An uns soll es nicht liegen«, freute sich der

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dickliche Mann. »Übrigens habe ich mir einigeGedanken über das beobachtete Fesselfeld gemacht,Sir. Wenn Sie sich die Daten einmal ansehenwollten?« Rhodans Grinsen war echt. »Na also«,sagte er gedehnt. »Ich habe doch gewußt, daß es beiIhnen etwas zu holen gibt.«

Während Rhodan zum technischen Computerhinüberschritt, verlor die STARDUST II den Restihrer Fahrt. Etwa 280 Millionen Kilometer hinter derPlutobahn kam sie im interstellaren Raum zumStillstand. Die heimatliche Sonne war nur noch einblasses unauffälliges Scheibchen, dem man es kaumzutraute, daß es einen Planeten wie Merkur zurglühenden Hölle machte.

In der Zentrale schaltete Bully auf Leerlauf-Werte.Knurrend erhob er sich aus seinem Sessel.

»Nun möchte ich nur noch wissen, wie das endensoll«, murmelte er. »Ein Teufelskram ist das. Es wäremir lieber, wenn ich die Burschen vor einer Kanonehätte. Da wäre das Fragen wesentlich einfacher. Oderetwa nicht?«

Der angesprochene Roboter reagierte nicht. Bullyerinnerte sich daran, daß eine Beschimpfung sinnlosgewesen wäre. Also stapfte er mißlaunig zumGetränkeautomaten hinüber.

Dabei hatte er aber das Gefühl, als würde Rhodantrotz einiger Pannen doch noch ans Ziel kommen.

8.

Sie kannten den ziehenden Schmerz derRematerialisierung zu genau, um nicht sofort zuwissen, daß die Transition beendet war.

Die schwere Verwirrung der Sinne und das roteWallen vor den Augen deuteten darauf hin, daß essich um einen langen Sprung gehandelt hatte. SolcheEffekte traten nur dann auf, wenn man mehr alszweihundert Lichtjahre in einem Zuge übersprang.

Deringhouse mühte sich aus seinemhochgeklappten Liegesitz. In der Zentrale kamen dieanderen Männer langsam zu sich. Die Kadetten, ansolche Belastungen noch nicht gewöhnt, brauchteneinige Minuten länger.

Tifflor sah den Kommandanten aus dem Funkraumtaumeln. In den geschlossenen Helmen warenDeringhouses Atemzüge als schrille, pfeifendeGeräusche zu hören. Anscheinend mußte er alleKräfte aufbieten, um die Erschöpfung zu überwinden.

Rous war auch schon wieder da. Tiffs erstemühevolle Handbewegung galt der Metallkapsel inder Brusttasche seiner Uniform. Solange derRaumanzug geschlossen war, konnte er den Schalterder eingebauten Zerstörungsladung nicht erreichen.

Panik überfiel ihn. Man brauchte ihm nicht zusagen, was die Unbekannten mit der K-9 veranstaltethatten. Zwar war es Tifflor recht schleierhaft, ob man

es nun auf seine Geheimnachrichten abgesehen hatteoder nur auf das Kugelraumschiff; aber das war inletzter Konsequenz für ihn nicht mehr so wichtig.

Er hielt es aufgrund seiner klaren Befehle fürerforderlich, die Kapsel mitsamt den darinverborgenen Mikrobändern schleunigst zuvernichten.

Die Bildflächen waren auch wieder klar geworden.Tiff erhaschte einen flüchtigen Blick auf dieFrontschirme. Unweit des offenbar nochlichtschnellen Schiffes glänzte ein deutlicherkennbarer Doppelstern.

Die größere, orangefarbene Sonne schienwesentlich näher zu stehen als ihr blauer Begleiter.

Tiff versuchte für einen Moment, in seinemGedächtnis nach den Namen solcher Doppelsterne zusuchen. Es gab viele davon, also verzichtete er aufweitere Grübeleien. Viel wichtiger war es, seineAnweisungen zu befolgen.

Nach einigen Augenblicken kam er ebenfalls aufdie Beine. Das war der Moment, als die Unbekanntendie große Lasten-Luftschleuse dicht oberhalb desMaschinen-Ringwulstes öffneten.

In der Zentrale leuchteten die Kontrollampen auf.Augenblicke später blendeten sie um auf Grünwert.

Sergeant Rous fluchte schauderhaft Weit entferntklang das urweltliche Röhren feuernderImpulsstrahler auf. Tiff fuhr entsetzt herum. WelcherNarr brachte es da fertig, in den engen Räumen derK-9 mit einer Energiewaffe zu arbeiten, derensonnenheiße Glutbündel unerhörte Temperaturenerzeugen mußten?

»Nur Desintegratoren verwenden«, schrie derKommandant über Funkspruch. »Zum Teufel, sofortdas Thermofeuer einstellen! Wollt ihr das Schiff ineinen Gasball verwandeln?«

Die Antwort gab die heulende Warnsirene derKlimaanlage. Demnach mußten in einigenAbteilungen des Bootes unerträgliche Temperaturenherrschen.

Tifflor kümmerte sich nicht weiter um dieGeschehnisse. Es stand fest, daß die kleine Besatzungder K-9 kaum eine Chance hatte.

Geschickt fing er die von Eberhardt geworfeneWaffe auf. Es war ein schwerer Desintegrator, dessenStrahlenwirkung in der Auflösung fester Materieberuhte.

In den Helmen wurde ein solches Geräuschinfernohörbar, daß die Männer gezwungen waren, dieLautstärkenregler fast auf Null zu drehen. Jederschrie und brüllte durcheinander. Immer wiederklangen schmerzvolle Schreie auf, die Deringhousedas Schlimmste vermuten ließen. Das dumpfeKrachen unbekannter Waffen war nicht zuüberhören.

»Verschwinden Sie im O-Raum, schnell«, rief der

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Kommandant dem Kadetten zu. »Beeilen Sie sich.«Tiff riskierte es, innerhalb der hermetisch

abgeschlossenen Zentrale seinen Helm zu öffnen.Jetzt hörte er das Waffengetöse noch deutlicher. Eskam näher. Einige Bildschirme zu den anderenAbteilungen waren ausgefallen. Sekunden späterwurde die Stromzufuhr unterbrochen. DieLeuchtröhren erloschen, die Bildschirme wurdenblind.

»Sie haben den Maschinenleitstand«, sagteSergeant Rous tonlos. »Sie müssen ungeheuerwiderstandsfähig sein. Sie drangen bereits ein, als wirnoch halb ohnmächtig waren. Sonst wäre das nichtpassiert, mein Wort darauf!«

Rous mochte recht haben, aber das war jetzt allesuninteressant. Als es vor dem geschlossenen Schottder Zentrale zu dröhnen begann und ein weißerGlutfleck auf dem starken Arkonstahl erschien, zoger seinen Raumanzug vom Körper. Er hätte vorVerzweiflung schreien mögen, als sich derMagnetverschluß des Halsstückes verklemmte undsich hartnäckig weigerte, dem Zug der bebendenFinger Folge zu leisten.

Der Funkraum war menschenleer. Wer eine Waffetragen konnte, lag in der Deckung schwererAusrüstungsstücke.

Der Verschluß löste sich, als das Schott untergroßer Hitzeentwicklung zu schmelzen begann. Tiffsungeschütztes Gesicht fing einen schmerzhaft heißenLuftstoß auf. Dann krachte das Luk nach innen.

Draußen war helles Licht. Als Tiff eben dieUniform aufriß, verwandelte sich die Zentrale in einblitzedurchzucktes Etwas. Sie schossen mitunbekannten Schockwaffen in den großen Raumhinein. Da wußte Deringhouse plötzlich, wieso er dieSchreie in seinem Sprechfunkgerät gehört hatte.

Kadett Eberhardt brach zuerst zusammen. Nachihm folgten Rous, Martin und Hifield. Deringhouseschoß noch einmal in den Gang hinaus, ehe erebenfalls von einem leuchtenden Blitz getroffenwurde.

Noch im Fallen brettsteif werdend, stürzte erstöhnend zu Boden.

Julian Tifflor sah nur noch seine Aufgabe vor sich.Er rührte keine Waffe an, und er verschwendete auchkeine Zeit damit, sich irgendwo eine Deckung zusuchen.

Als die Riesengestalten in die Zentrale sprangenund plötzlich helles Lampenlicht aufflammte, standTiff seelenruhig inmitten des klar zu, übersehendenFunkraumes, dessen transparente, nicht leitendePanzerwand die Stromstöße abgehalten hatte.

Wie fasziniert beobachtete er die in hellem kaltenFeuer vergehende Metallkapsel, die er deutlichsichtbar auf ein Funkgerät gelegt hatte.

Tifflor, der ewig an sich zweifelnde, immer

gedrückt erscheinende Mensch, hatte nun keineNerven mehr.

Ironisch lächelnd sah er den näherkommendenEindringlingen entgegen, bei denen es sich ganzzweifellos um menschenähnliche Intelligenzenhandelte. Als der erste bei ihm anlangte, lächelte Tiffimmer noch.

Da verhielt der fast zwei Meter große, unglaublichschwer gebaute Fremde mitten im Sprung. Er trugeinen leichten Raumanzug nach Arkonidenmuster,nur war er kein Arkonide.

Tiff bemerkte zuerst den roten, kurz gestutztenBart, die großen drohenden Augen in einem breitenGesicht und die langen, ebenfalls brandroten Haare.Es war ein wahrhaftiger Riese, der sich vor demschmächtig wirkenden jungen Mann des PlanetenErde aufgebaut hatte.

Andere Gestalten von der gleichen Größenordnungtauchten auf. Ihr Brüllen war verstummt. Drohendsahen sie zu Julian Tifflor hinüber, dessen stillesLächeln wahrscheinlich wirkungsvoller war als einesinnlose Gegenwehr.

Tiff war über sich selbst hinausgewachsen.Ausgesprochen liebenswürdig, keine Spur vonErregung zeigend, sagte er in Interkosrno:

»Hallo, darf ich Sie in Vertretung des erkranktenKommandanten an Bord des Terra-Raumschiffes K-9begrüßen? Ihr Eintritt war etwas stürmisch. Der Sektkommt aber gleich. Oder möchten Sie echtenChampagner? Oh, Verzeihung, wahrscheinlich ahnenSie nicht, welches alte Kulturvolk sich mit derErzeugung dieses Göttertrunkes beschäftigt hat.Wollen Sie nicht Platz nehmen?«

Einer der Rotbärtigen erhob die Hand. Es warmehr eine Tatze. Da stieß der wahrscheinlicheBefehlshaber einen knurrenden Laut aus.

Nochmals sah er zwischen Tiff und demBrandfleck auf dem Funkgerät hin und her. Von derKapsel war noch nicht einmal Asche übriggeblieben.

Anschließend wäre Tiff ums Haar doch noch inOhnmacht gefallen. Der Rotbärtige verschränkte dieHände vor dem Leib, beugte den Oberkörper weitzurück, um in dieser Stellung ein derart brüllendesGelächter hören zu lassen, daß Tifflors Gehörorganebeinahe den Dienst versagt hätten.

Tiff dachte unwillkürlich an jene alte Feuersirenezurück, die er als Junge auf einem Schuttplatzgefunden und zusammen mit einem Freund wiederfunktionsfähig gemacht hatte.

Er glaubte nun verstehen zu können, warum seinVater beim ersten Probelauf einen höchstunerfreulichen Tobsuchtsanfall bekommen hatte.Nun war er, Tiff, in einer ganz ähnlichen Situation.

Wenn er noch innerlich nervös gewesen war, soberuhigte ihn dieses Gelächter vollends. Die anderen,so fürchterlich gefährlich aussehenden Kerls, fielen

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nämlich in das Geheule ihres Chefs ein. Dies schienein Volk mit der Begabung des haltlosen Gelächterszu sein.

Vielleicht war es aber auch ein Zeichen des Zorns?Tiff verfärbte sich etwas. Die Reaktionen FremderIntelligenzen waren unvorhersehbar. Wenigstenswurde das auf der SpA gelehrt.

Es dauerte Minuten, bis sich der Bärtige mit dergefurchten Gesichtshaut beruhigt hatte. Tiff begingseinen zweiten Fehler, indem er höflich sagte:

»Immerhin bin ich doch sehr froh, in Ihnen nichtglotzäugige Ungeheuer mit Saugnäpfen an denFußsohlen sehen zu müssen.«

Das nachfolgende Gebrüll erschütterte die K-9.Julian Tifflor nahm sich fest vor, die offenbar leichtansprechbaren Leute nicht mehr zum Gelächter zureizen.

»Den nehmen wir mit«, ächzte der Rotbärtige nacheiner Weile. »Köstlich, ganz große Klasse. Freund,wieso sprechen Sie die Handelssprache der großenInsel?«

»Meinen Sie damit die Milchstraße?« erkundigtesich Tiff zögernd. Zutiefst besorgt schielte er zuseinen immer noch besinnungslosen Kameradenhinüber.

»Die wachen gleich wieder auf«, erklärte derFremde jovial. »Wir sind friedfertige Händler, keinePiraten. Mein Name ist Orlgans, Kapitän undunabhängiger Eigner des Handelsschiffes >ORLAXI<. Wir lieben und achten die intelligenten Rassender großen Insel. Nie mischen wir uns in interneStreitigkeiten ein, es sei denn, jemand wagt es, unserHandelsmonopol anzutasten. Ich, Orlgans,entschuldige mich für die etwas rauhe Behandlung.Niemand ist zu Schaden gekommen. Jedoch seigesagt, daß Ihr terranischer Befehlshaber versuchte,mein Schiff anzugreifen. Ich entkam im letztenAugenblick.«

Tiff wunderte sich nicht mehr, er fürchtete sichauch nicht mehr. Obwohl erst zwanzigjährig, wurdeer zum Mann mit einem glasklaren Verstand. Es warnicht verwunderlich, denn schließlich gehörte er zuden tausendfach gesiebten Schülern einerHochschule, die mit den Lehrmethoden einer uraltenZivilisation ausgerüstet auf den Lebensweg geschicktwurden.

Tiff tat also nichts - nur wurde er zutiefstmißtrauisch, was wiederum seine sonstigenMinderwertigkeitskomplexe total verdrängte. Tiffahnte, daß es bei diesem großen Spiel um die Erdeging; um seine Heimat, um seine Menschheit, umsein größtes Ideal. Nichts, aber auch nichts konnteeinen vollen Einsatz mehr rechtfertigen als die Sorgeum die vielen Menschen auf Terra. Niemals zuvorhatte Kadett Tifflor so eindringlich gespürt, daß jederErdgeborene ganz einfach ein Mensch war, egal,

welche Hautfarbe und welchen Glauben er nunbesitzen mochte.

Dieses Wissen machte den jungen Mann zumeiskalt überlegenden Taktiker. Orlgans wargefährlich! Seine Jovialität war Maske, und seinbrüllendes Lachen mochte artbestimmt sein.

Tiff verzichtete auf sein höfliches Lächeln.Draußen, in der Zentrale, waren andere Bärtige dabei,die besinnungslosen Gefährten gleich gewichtslosenPuppen wegzuschleppen.

»Ich bedanke mich für die noch einigermaßenhumane Behandlung«, sagte er. »Wie dem auch sei,Kapitän Orlgans - Sie sind dennoch genau zehnSekunden zu spät gekommen. Diese Zeit brauchteich, um die Hülle zu vernichten. Sie sind natürlichinformiert, oder?«

Natürlich war Orlgans informiert! Sein breitesGesicht verdüsterte sich für einen Augenblick.

»Ein sehr guter Verhandlungspartner!« meinte ermit einem forschenden Blick. »Offen, da er seineStärken kennt. Niemals offen, wenn er bei sichSchwächen vermutet. So werden von klugenMännern Reiche gegründet. Ja, ich bin informiert.Weshalb, dachten Sie wohl, habe ich Ihr kleinesSchiff angegriffen?«

Es schwebte Tifflor auf der Zunge zu sagen, wieleicht es gewesen wäre, diesen Handelsraumernamens >ORLA XI< mit einer einzigen Salve zuvernichten. Er verzichtete darauf.

»Was gedenken Sie nun zu tun?« erkundigte ersich knapp. »Wo befinden wir uns?«

»Das interessiert Sie nicht. Mein Komplimentübrigens. Sie sprechen das Interkosmohervorragend.«

»Unsere Schlachtschiffe sind nochhervorragender!« gab Tiff zurück.

Orlgans Gesicht wurde starr. Kalt entgegnete er:»An Bord meines Schiffes gibt es einen Terraner,

der sich Jean Pierre Mouselet nennt. Von ihm wissenwir sehr genau, daß Ihre kümmerliche Primitivweltnur durch Zufall zu einem einzigen Schlachtschiffgekommen ist. Zu einem einzigen, haben Sie dasverstanden! Sie sind, oder Sie waren der Überbringereiner Nachricht, deren Inhalt ganz besonders inmeinen Interessenbereich fällt. KosmischeHandelspläne auf lange Sicht lassen Männer vonmeiner Art das Lachen vergessen. Wir sindfriedfertig, wie ich sagte. Wohl aber ist uns das Rechtgegeben, unsere alten Privilegien zu verteidigen. DasGroße Imperium selbst gab uns vor langer Zeit dieVollmacht, unumschränkt handeln zu dürfen. Wirwerden uns unterhalten, Mensch namens JulianTifflor.«

»Sie kennen meinen Namen?«»Was dachten Sie? Sie hatten wohl angenommen,

besonders schlau gehandelt zu haben?«

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Wieder kam das tosende Gelächter. Tiff fühlte sichgedemütigt. Da er von Rhodans Gesamtplan keineAhnung hatte, sondern fest der Meinung war, in derTat als Überbringer wichtigster Nachrichten gedientzu haben, hielt er Orlgans Erklärung für stichhaltig.Männer wie Deringhouse hätten darüber gelächelt.Natürlich waren die sogenannten Geheimnachrichtenfingiert gewesen.

Tiff wurde etwas grob, aber durchaus freundlichabgeführt. Dazu meinte Orlgans grinsend:

»Wir sind artverwandt, Tifflor. Wir sollten unsvertragen. Ich sehe nicht ein, warum das nichtmöglich sein sollte. Wahrscheinlich haben Sie vonmeinem Volk keine Ahnung. Wir, die Springer, sindmächtiger als das Imperium selbst. Ich verhandlelaufend mit wirklich fremden Intelligenzen. Warumsollte ich es nicht mit Ihnen können? Ich will Ihnensagen, daß meine Vorfahren ebensolche Arkonidenwaren wie Ihr Lehrmeister, den Sie Crest nennen!«

Tiff fuhr innerlich zusammen. Dieser Fremdewußte viel eigentlich schon viel zu viel! Wer warJean Pierre Mouselet?

Tifflor hatte den Namen noch nie gehört. Dennochsagte er sich, daß Orlgans detaillierte Informationennur von einem Menschen stammen konnten.Obendrein noch von einem intellektuellen Menschen,der über eine gehörige Portion wissenschaftlicherErkenntnisse verfügen mußte. Anders war OrlgansWissen überhaupt nicht zu erklären.

Tiff bemerkte flüchtig, daß man die nochbesinnungslosen Männer der Besatzung in die großeMannschaftsmesse des Beibootes schleppte. Allewichtigen Stationen waren von Leuten besetzt, diegenauso wie Orlgans aussahen. Vor der großenLadeschleuse über dem Ringwulst mußte er wiedereinen Raumanzug anlegen. Knapp zwanzig Meterentfernt wölbte sich die Bordwand des fremdenSchiffes auf. In der Hülle klaffte eine dunkleÖffnung. Als Tiff die ersten Riesenkerlehinüberschweben sah, wußte er, daß man sich imfreien Fall befand. Die erkannte Koppelsonne schiennoch weit genug entfernt zu sein, so, daß man vorerstauf ein Bremsmanöver verzichten konnte.

Tiff wurde mit einer Leine hinübergezogen. Als erdie Schleuse des anderen Raumschiffes betrat, schloßer praktisch mit seinem Leben ab.

Diese Springer - wie Orlgans sie selbst genannthatte - waren mehr als gefährlich. Es war ganz klar,daß sie sich von der Dritten Macht unter PerryRhodan bedroht fühlten. Sie fürchteten um ihroffenbar unumschränktes Handelsmonopol.Wahrscheinlich wurden sie nur dann böse, wenn esjemand wagte, ihre geheiligten Rechte anzutasten.

Perry Rhodan hatte das wahrscheinlich unbewußtgetan. Tiff hätte um seinen Kopf wetten mögen, daßder Chef keine Ahnung von den Springern hatte.

Orlgans klopfte Tiff väterlich auf die Schulter, alsder Druckausgleich erfolgte.

»Natürlich ist unsere Luft für Sie atembar«,erklärte er gönnerhaft. »Haben Sie noch einige vonIhren köstlichen Witzen auf Lager?«

»Wi ... Witzen?« staunte Tiff bestürzt. Wann hatteer Witze gemacht? Genau das schienen die Händlerwiederum als Scherz aufzufassen. Sie ergötzten sicherneut in einem schallenden Gelächter.

9.

Der schlanke, schwarzhaarige Mann mit denunsteten Augen und den nervös spielenden Fingernwar fraglos ein Mensch. Die Bärtigen mochtendreimal schwerer sein als der etwa Fünfzigjährige mitdem reflexhaft zuckenden Gesicht. Anscheinend warer am Ende seiner Nervenkraft.

»Jean Pierre Mouselet, ehemals kaufmännischerLeiter eines europäischen Industriekonzerns«, hattesich der abgemagerte Mann vorgestellt. Tifflor hatteihn nur eisig gemustert.

»Haben Sie wirklich keine Zigaretten bei sich?«flehte Mouselet, indem er ein Stückchen näherrückte.

»Nichtraucher«, entgegnete Tiff knapp. »Tut mirleid. Einem Verräter an Terra gäbe ich sowieso keine,auch wenn ich welche hätte. Dies, damit Sie völligklarsehen.«

Mouselet, ein menschliches Wrack, konnte sichweder zu einer Verwünschung aufraffen noch zueinem sonderlich giftigen Blick. In seinenflackernden Augen kam nun wieder jeneVerzweiflung auf, die Tifflor zu einem unbestimmtenMitgefühl trieb.

»Schön, verzeihen Sie«, sagte Mouselet hastig.»Ich äh ... ich bin ein starker Raucher, wissen Sie.Meine letzte Packung ging vor einiger ...«

»Kommen Sie bitte zum Thema«, unterbrach derKadett gelassen. »Ich nehme an, dieser Orlgans hatSie zu mir geschickt, um mir die Zunge zu lockern.Lassen Sie sich dazu gesagt sein, daß es bei mirnichts zu lockern gibt. Ich bin über den Inhalt der vonmir zerstörten Unterlagen nicht informiert. Oderglauben Sie etwa, ich hätte die Riesenplanung genauim Kopf?«

Mouselets Blick wurde stechend. »Warum nicht?Rhodan kennt Methoden, um ein riesiges Wissen imHirn eines Menschen zu verankern. Vielleicht ahnenSie es selbst nicht, daß man Ihnen blockhypnotische,jederzeit lösbare Informationen mitgegeben hat.

Die Bandaufzeichnungen können eine Täuschunggewesen sein. Sie sollten reden, junger Mann! Auchdie Springer wissen, wie man einen Mann zumwillenlos plappernden Irren macht. Wenn Ihnen daspassiert, werden Sie für alle Zeiten zum geistig

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Umnachteten. Was hatten Sie zu IhremWega-Stützpunkt bringen sollen?«

»Sie kriegen wohl Zigaretten, wenn Sie etwas ausmir herausbringen, eh?« höhnte Tiff trotz seinerBlässe. Er sah ungeheuerliche Gefahren auftauchen.

Mouselet fluchte häßlich. Dann stand er ruckhaftauf und begann die kleine Kabine zu durchwandern.Draußen standen zwei Posten der Springer.

»Ehe ich überhaupt etwas sage, möchte ich wissen,wie Sie an diese Burschen gekommen sind«, setzteTiff noch rasch hinzu.

Mouselet hob die Schultern. Es war eineresignierende Geste.

»Warum nicht? Ich gehöre zum Führungsstab desSupermutanten, den wir den Overhead nannten.Deshalb habe ich mich eingehend mit Ihrersogenannten Dritten Macht beschäftigt. Mir standenalle Geheimunterlagen zur Verfügung. Versuchen Siedeshalb nicht, den Händlern einen Bärenaufzubinden. Die wissen ganz genau, wie Rhodan zuseinem Wissen und zu seinen Schiffen gekommen ist.Wenn es nicht gegen die uralte Tradition ginge, hätteOrlgans die gesamte Erde unterjocht.«

»Angeber!« sagte Tiff verächtlich. Wieder lag esihm auf der Zunge zu sagen, wie leicht es gewesenwäre, den großen Raumer abzuschießen.

»Täuschen Sie sich nicht in diesen Leuten«, fuhrMouselet erregt auf. »Ich hielt sie auch einmal fürharmlos und liebenswürdig. Als Rhodan denOverhead verfolgte, schickte dieser in seinerVerzweiflung einen offenen Hilferuf in den Raum.Orlgans war mit seinem Schiff in der Nähe. Er kam,und ich wurde gerettet. Natürlich habe ich meinWissen als Preis geben müssen. Ein Springer tutnichts umsonst. Haben Sie wirklich keine Zigaretten?Sehen Sie doch einmal nach.«

»Nehmen Sie Ihre Hände von meinen Taschen«,fauchte Tiff wütend. »Ich an Ihrer Stelle würde mireine ganz gewöhnliche Kugel in den Kopf schießen,verstanden! Sie sind ein Schurke. Sie haben dieMenschheit verraten. Es gibt kein größeresVerbrechen.«

»Diese Menschheit hat mich verurteilt undausgestoßen«, sagte Mouselet blaß. »Ich bin ihrnichts mehr schuldig.«

»Wahrscheinlich haben Sie Verbrechen begangen.Niemand wird umsonst verurteilt. Es geschah Ihnenrecht. Rechnen Sie nicht mit meinem Verständnis.Wahrscheinlich sind Sie schon immer ein verkappterSchurke gewesen. Auch der Overhead war einer. Wirhaben ihn erledigt.«

Mouselet fing sich. Schwer atmend, seine Lippenmit der Zungenspitze netzend, blieb er vor demKadetten stehen.

»Sie werden verhört werden«, erklärte er tonlos.»Sie wissen nicht, mit welcher Großmacht Sie es zu

tun haben. Die galaktischen Händler beherrschen dieMilchstraße. Sie sind in Kasten und Familiensippenunterteilt. Niemand nimmt von einem anderenSpringer Befehle an. Freiheit der Handlung istzehntausendjährige Tradition. Sie beargwöhnen undbespitzeln sich sogar gegenseitig, aber wehe demFremden, der ihr Monopol anzutasten wagt. Dannsollten Sie einmal sehen, wie ungeheuer schnell sichdie zahllosen Sippen und Gruppen einig werden. Sienennen sich seit alters her >Springer<, weil sie mitihren Schiffen von Planet zu Planet springen, um dortzu verkaufen und zu kaufen. Man schätzt dieHandelsflotte auf mehr als dreihunderttausend großeund größte Raumschiffe. Jeder Sippe steht imErnstfall ein Patriarch vor.

Dann ordnen sich die freien Kapitäne undSchiffseigner unter. Die Handelsgroßmacht unterhälteine eigene Schlachtflotte, die aus den genaugeregelten Gewinnabgaben eines jeden Kapitänsunterhalten wird. Die Springer besitzen viele eigenePlaneten, die sie zu gigantischen Werften undStützpunkten ausgebaut haben. Ihre Technik ist derdes Großen Imperiums unter Arkons Vorherrschaftteilweise überlegen. Sie sind ehemals aus denArkoniden hervorgegangen, jedoch haben sie imLaufe der Jahrtausende durch Umwelteinflüssezahllose rassische Abarten entwickelt. Alle aber sindsie >Springer<, unabhängig, stolz, stark,finanzkräftiger als das Imperium selbst und imErnstfall einig. Wissen Sie überhaupt, was dasbedeutet? Die Händler mischen sich niemals inKriege oder sonstige Dinge hinein. Sie beliefern alleParteien, und keine Partei verdirbt es mit ihnen. Siemüssen die Konzessionen erteilen, falls jemand außerihnen im kosmischen Rahmen zu handeln wünscht.Und nun kommt Ihr lächerlicher Perry Rhodan an mitder Wahnsinnsidee, auf dem Wega-PlanetenHandelsstützpunkte zu errichten.«

Mouselet lachte schrill. Er konnte sich kaumberuhigen. Tiff war in seiner Haltung erstarrt.Langsam verstand er, mit wem er es zu tun hatte.Dieser Orlgans war demnach nur ein winzigesRädchen in einer ungeheuren, uralten Maschinerie.Sonst dachte Tiff nur noch daran, daß man den Chefauf dem schnellsten Wege informieren müsse.

»Sie werden einsehen, daß Ihr Schweigen sinnlosist. Es liegt in der naturgemäß raffgierigen Art derHändler, neuentdeckte Planeten als privatesAbsatzgebiet anzusehen. Keiner denkt daran, andereSchiffe der Sippe oder gar solche Fremder Sippen zuHilfe zu holen. Nur deshalb ist Orlgans noch alleinim Solsystem aufgetaucht. Sein Agentennetz ist inbewährter Art aufgebaut worden. So wußte er bald,daß Sie als Geheimkurier losgeschickt wurden. Daswar ja auch zu erwarten, nachdem Orlgans einRaumboot und zwei Zerstörer der Dritten Macht zum

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Zwecke des Studiums gekapert hatte.«Tiff fuhr auf, als hätte ihn eine Wespe gestochen.

»Was?«»Ach, das wissen Sie überhaupt nicht?« staunte

Mouselet. »Dann wird es aber Zeit. Rhodan hat Siebetrogen. Mit Ihrer K-9 sind nun schon vierRaumfahrzeuge verschwunden. Das sollte Rhodandoch zu denken geben, oder etwa nicht?«

Tiff sank langsam in den seltsam geformten Stuhlzurück. Allmählich wurde ihm klar, warum ihn derChef unter so geheimnisvollen Umständen alsGeheimkurier ausgewählt hatte. Damit kam Tiff derWahrheit bedenklich nahe, nur dachte er nicht imTraum daran, daß er nicht mehr als ein kosmischerLockvogel mit ganz besonderen Eigenschaften war.Immerhin aber schien Rhodan zu wissen, daß ausdem Raum Gefahr drohte. Nun verstand Tiff auch,warum Deringhouse nicht ernsthaft geschossen hatteund wieso die STARDUST II so schnell erschienenwar. Er unterdrückte ein triumphierendes Lächeln.

Über dem Wandvisiphon, fast genau identisch mitähnlichen Geräten auf der K-9, leuchtete eine gelbeLampe auf. Mouselet fuhr zusammen. Ängstlich saher sich um.

»Ihr Herr und Meister hat gerufen«, sagte Tiffspöttisch. »Natürlich werden wir belauscht, nichtwahr? Nun denn, Orlgans, wenn Sie mich schonhören, so sollen Sie wissen, daß mir Ihre sogenannteHandelsgroßmacht nicht imponiert. Schieber undKriegsgewinnler, die mit jeder Partei den Bruderkußtauschen, sich niemals einmischen, bis es ansBezahlen geht, sind mir aus der bewegten Geschichteder Erde bekannt. Ihr Burschen seid um kein Haarbesser, nur macht ihr es noch geschickter. Ihrverdient am Untergang des Großen Imperiums derArkoniden. Ihr bleibt so lange neutral, bis ihr Gefahrwittert. Dann werdet ihr zu reißenden Bestien, diesich in ihrem Interesse schleunigst zusammentun, umeinen unerwünschten Außenseiter zu erledigen.Dieser Verräter hier hat euch auf die Erdeaufmerksam gemacht. Paß auf, Orlgans, daß wir euchnicht die Zähne zeigen.«

Im Visiphonlautsprecher schnaufte jemand.Anschließend brach Orlgans Stimme in den Raum:

»Freund, deine Worte sind groß, aber deine Machtist klein. Wir werden die Erde zu einem Stützpunktmachen, aber erst will ich allein versuchen, meinEntdeckerprivileg auszunutzen. Ich will von dirwissen, wie die kosmische Planung der Dritten Machtaussieht. Dann will ich noch wissen, was dieserkleine Bursche namens Perry Rhodan auf dersagenhaften Welt des >ewigen Lebens< gefundenhat. Ich weiß aus den Nachrichten, daß er sieentgegen aller Wahrscheinlichkeiten entdeckt hat.«

Tiff sah mit verletzender Ironie zur Aufnahmehinüber. Seine Worte waren von ungewöhnlicher

Reife für einen Zwanzigjährigen.»Was Ihnen beweisen sollte, daß Sie es mit einem

überragenden Intelligenzwesen zu tun haben, das derAchtung anderer Individuen, die sich ebenfallsintelligent nennen, wohl würdig wäre. IhreForderungen sind ein Diktat barbarischerMachtausnutzung.«

Mouselet sah den Kadetten entsetzt an. Aus demLautsprecher kam nach einer Weile des Schweigensein tosendes Gelächter. Einen seltsamen Humor hattedieser Springerkapitän!

»Sehr gut, sehr gut«, wiederholte Orlgans. »Siehätten mir nicht deutlicher beweisen können, daßdieser Rhodan einen sehr fähigen Mann mit derSonderaufgabe betraute. Freund, ich werde jetzt füreinige Stunden mit dem geplanten Kreisbahnmanöverbeschäftigt sein. Ich werde hier warten, bis sich dieLage etwas geklärt hat. Notfalls werde ich michentschließen, die Flotte meiner Dynastie anzurufen.Hat Mouselet schon gesagt, daß wir freien Kapitäneaufgrund unserer regelmäßigen Abgaben jederzeitbefugt sind, den völlig kostenlosen Schutz derSchlachtflotte in Anspruch zu nehmen? Freund, eineinziger Funkspruch genügt, und hier werdenfünfhundert Großkampfschiffe aus dem Hyperraumstoßen. Überlege dir deine Worte. Du hast genügendZeit.«

Damit schaltete Orlgans ab. Er tat es wirklich, wasdas helle Knacken im Gerät bewies.

»Machen Sie mich nicht unglücklich«, batMouselet bebend. »Reden Sie, oder wir werden beideuntergehen. Vertrauen Sie mir. Ich bin ein Mensch.«

»Sie waren wahrscheinlich nie einer im Sinne desWortes gewesen«, belehrte Tifflor abweisend.»Sicherlich haben Sie seit dem Erwachen Ihresbewußten Verstandes nur wie ein solcherausgesehen.«

In der aufgleitenden Kabinentür erschienen zweibärtige Riesengestalten. Tiff hatte erfahren, daß essich bei den zahlreichen Besatzungsmitgliederndurchweg um Angehörige aus Orlgans Sippehandelte. Die Würde des Kapitäns und Schiffseignersschien erblich zu sein.

Alles in allem hatte Tiff ganz klar begriffen, daß eres in der Tat mit einer galaktischen Großmacht zu tunhatte. Diese Leute beherrschten nicht nur ein einzigesSonnensystem mit mehr oder weniger bewohnbarenPlaneten, sondern einen großen Teil der Galaxis, densie nach der Art kriegführender Handelskompanienunauffällig nach ihren speziellen Wünschen formten.

Das hatte es auf der Erde auch einmal gegeben, nurlängst nicht so groß und gewaltig.

Tiff begann zu ahnen, daß die sogenannten»Springer« die ernsteste Gefahr darstellten, der dienoch so junge Dritte Macht jemals ins Auge geschauthatte.

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Das waren keine IVs und auch keine echsenhaftenTopsider, die Perry Rhodan verhältnismäßig leichthatte schlagen können. Hier war eine tatsächlicheGroßmacht auf der Bildfläche erschienen.

Tiff verstand nur nicht ganz, warum Perry Rhodanüber all diese Dinge geschwiegen hatte. Wenn einigeSchiffe der Flotte spurlos verschwunden waren, dannmußte man im Regierungszentrum doch längstaufmerksam geworden sein.

»Komm mit«, sagte einer der Bärtigen grinsend.»Nein, nicht du! Der Kleine da.«

Tiff erhob sich wortlos. Jean P. Mouselet blieb alsbebendes Häufchen Elend zurück. Er hatte versagt.Es war damit äußerst fraglich geworden, ob er vondem kalten Rechner Orlgans noch als nutzbringendangesehen wurde. Wenn nicht, war Mouselets Lebenwahrscheinlich keinen Pfifferling mehr wert.

Tiff konnte sich lebhaft vorstellen, wie hart undgnadenlos diese so lauthals lachenden Leute seinkonnten. Perry Rhodan wurde von ihnen als störendempfunden.

Daß Rhodan nicht nur störend, sondern ungeheuergefährlich war, hatten sie durch die verniedlichendeBerichterstattung des Mouselet wahrscheinlich nochgar nicht erkannt. Gleichfalls schien man denMenschen generell zu unterschätzen. Man rechnetenicht mit seinem Verstand, seiner unglaublichenTatkraft und seiner verbissenen Hartnäckigkeit.

10.

Sie hatten Tiff vor vier Stunden Bordzeit wiederauf die K-9 gebracht. Zweck der Übung war, Tiff zuinformatorischen Gesprächen mit den Freunden zuverleiten. Natürlich hatten die Kadetten längsterkannt, daß die Visiphonaufnahmen ununterbrochenliefen. Damit konnte praktisch jeder Raum im Schiffüberwacht werden.

»Primitiv!« hatte Mildred Orsons mit einemsprühenden Blick der Verachtung gezischelt, alsTifflor endlich wieder erschienen war.

Vor einer Stunde war das von Orlgansangekündigte Kreisbahnmanöver beendet worden.Sein Schiff, die ORLA XI, umlief nun im freien,antriebslosen Fall einen großen Planeten, über dessenPosition die Menschen so gut wie nichts wußten. Siehatten von den zahlreichen Wachen nur erfahren, daßdieses Doppelsternsystem vier Planeten mit höchstexzentrischen Umlaufbahnen besaß.

Einige Schirme der optischen Außenbilderfassunghatte man laufen lassen. So war der Himmelskörperrecht gut zu sehen. Das waren aber Dinge, die dieBesatzungsmitglieder der K-9 nur in zweiter Linieinteressierten.

Major Deringhouse, Sergeant Rous und dieSchüler der SpA hätten nicht an Bord sein dürfen,

wenn man die Zeit während Tiffs Abwesenheit nichtzum Pläneschmieden ausgenutzt hätte.

Als Tifflor die große Mannschaftsmesse betrat,herrschte eine ausgesprochen gespannte Stimmung.Die betont gleichmütigen und inhaltlosen Gesprächewaren zu ungewöhnlich, um auf Tiff nichtalarmierend zu wirken.

Man fragte ihn nach seinen Erlebnissen, dabeiverstohlen auf die blinden Bildschirme blickend. Dawar Tifflor informiert. Hier wurde jedes Wörtchenvon einem Spezialtrupp der Händler abgehört.

Er berichtete ebenso gleichmütig, bis sich dieGelegenheit ergab. Humpry Hifield war genau derMann, um einen handfesten Krach zu inszenieren. Eswar erstaunlich, mit welch verbissener Wut er sichmit einem bullig gebauten Mann derNormalbesatzung herumschlug. Ein sauberes Boxenwar das nicht mehr, aber es erfüllte seinen Zweck.

Es dauerte nur Augenblicke, bis die erstenlangläufigen Thermostrahler im aufgleitenden Schotterschienen. Dahinter folgten die Riesengestalten derWachen. Als man sah, daß es sich nicht um einenAufstand handelte, war der Zweck der Maßnahmeerreicht.

Brüllend, begeistert feuerten sie die Kämpfer an,was zur Folge hatte, daß Humps linke Augenbraueunter einer rechten Geraden des muskulösen Mannesaufplatzte. Tiff fühlte sich hinter eine ebenfallsbrüllende Gruppe gezogen. Deringhouse nickte nurganz kurz. Sein Blick war fordernd. So reagierteTifflor augenblicklich, als sich Mildred Orsonsschluchzend in seine Arme warf, um laut über dieUnvernunft der Männer zu klagen.

»Vorsicht, Abhörgefahr«, flüsterte siezwischendurch hastig. »Felic und ich werden kaumbewacht. Wir dürfen im Schiff herumgehen. Ich habeaus dem Einsatzmagazin in Schleuse drei eineMikrobombe stehlen können. Niemand hat etwasgemerkt. Hier, verstecke sie gut, ehe Hump zu Bodengeht.«

Tiff wurde blaß. Er war sich nicht recht darüberklar, wem er sich zuerst widmen sollte; demhilfebedürftigen Mädchen oder der Mikrobombe.Schließlich blieb er doch bei der Bombe, da siegarantiert niemals fähig war, handfeste Ohrfeigenoder vernichtende Blicke auszuteilen.

Deringhouse beobachtete unauffällig. Rous sorgtemit seiner gesamten Körperbreite dafür, daß diebeiden jungen Leute vor der nächsten Aufnahmeoptikabgedeckt wurden.

Die kleine Bombe, nicht größer als das Erzeugniseines irdischen Huhns, wanderte in TiffsHosentasche.

Sergeant Rous begann sofort darauf zu brüllen.»Was sollen diese Vertraulichkeiten, Kadett

Tifflor?« tobte er mit einem Augenzwinkern. »Miß

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Orsons, suchen Sie sofort Ihre Kabine auf. Ich werdewegen Verstoßes gegen die guten Sitten an Bordeines Flottenschiffes Meldung erstatten müssen.Auseinander.«

Milly löste sich fauchend aus Tiffs Armen, was erbetrübt zur Kenntnis nahm. Niemals war sie ihm sonahe gewesen. Dabei raunte Rous hastig:

»Aufpassen, Tiff. Das ist eine Thermalbombe mitfünfzehn Minuten Wirkungsdauer. Es wird nurWärme frei, durchschnittlicheinhundertfünfzigtausend Grad Celsius im innerenGasball. Zeitzünder läuft genau eine Stunde. Beimnächsten Verhör drüben ablegen, verstecken undgenaue Uhrzeit merken. Dann zurückkommen.Ausflüchte suchen, Bedenkzeit in vertrauterUmgebung erbitten. Alles klar? Fragen?«

Das war typisch für die verwegenen Männer desRaumjagdkommandos. Rous und Deringhouse hattenda ein tolles Ding ausgeheckt. Natürlich waren dieKadetten und sogar die Mädchen mit Feuereiferdabei. Bessere Mitarbeiter hätte sich derKommandant überhaupt nicht wünschen können.

Tiff wurde spontan angesteckt. Nun wußte er ganzgenau, warum Hump den Riesenkrach inszenierthatte. Man mußte es ihm lassen: Den zur Schlägereientarteten Boxkampf machte er ganz großartig. Dafürwar er der Mann.

»Klar«, stieß Tiff hervor. »Ich muß bald wiederhinüber. Ich finde einen Weg. Was ist, wenn dieLadung zündet?«

»Dann geht es hier los. Es sind genaudreiundzwanzig Wachen an Bord. Die Mädchenhaben sie gezählt. Mit denen werden wir fertig.Zuerst die Zentrale, alles andere kommt von selbst.Sehen Sie sich genau die langläufigenThermostrahler der Burschen an. Die Dinger arbeitenmit haarfeinen Impulsströmen. Nur geringeHitzeentwicklung, außer auf dem Treffpunkt.Anscheinend gegen Thermal, Nebeneffekteabgeschirmt. Hochwertige Dinger. Die besorgen wiruns. Der Plan steht. Schluß jetzt, Hump mußabbrechen.«

Es war in wenigen Augenblicken geschehen.Dabei bestand die absolute Garantie, daß an einAbhören der geflüsterten Mitteilungen bei dem Lärmnicht zu denken war.

Hifield bekam ein kaum merkliches Zeichen. Beimnächsten Schlag ging er endgültig zu Boden.

Die Wächter jubelten. Die Geschichte schienihrem Gemüt zu entsprechen. Minuten späterherrschte wieder Ruhe in der Messe. Die Männerwurden grinsend ermahnt, beim nächsten »Gefecht«rechtzeitig Mitteilung zu machen, damit man auch»etwas davon hätte«.

Deringhouse sah den bärtigen Riesen düsterlächelnd nach.

»Kümmern Sie sich bitte um Hifield«, bat er dieMädchen. Milly und Felicita Kergonen halfen demstöhnenden Kadetten auf die Beine. Sein Gegnerleckte sich über die aufgeschlagenen Lippen.

»Da alles glimpflich abgelaufen ist, möchte ich inAnbetracht unserer Lage auf eine Bestrafungverzichten!« erklärte Deringhouse steif. Nur dergewisse Unterton war bemerkenswert. Von da anwußte man, daß Tiff die Mikrobombe arkonidischerFertigung in der Tasche hatte.

Wenn sie auf dem Händlerschiff zündete, bliebdavon nur noch eine glutflüssig verdampfende Wolkeübrig. Tiff fühlte den Schweiß auf die Stirn treten.Verkrampft beteiligte er sich an dem müdeaufflackernden Gespräch. Minuten später läutete dieautomatische Küche. Man räumte den Gefangenenalle möglichen Annehmlichkeiten ein, nur nicht dieFreiheit.

Deringhouse war fest gewillt, diesen Zustandbaldigst zu ändern. Verzweifelt dachte er an denstarken Kampfverband unter Perry Rhodan, der nochimmer nahe der Plutobahn im Raum hängen mußte.Immerhin traute es Deringhouse dem Chef zu, auchin dieser verfahrenen Lage einen Weg zu finden.

Tiff begann lustlos zu berichten, wer diesogenannten Springer eigentlich waren. So vergingdie Wartezeit.

Genau eine Stunde nach der Mahlzeit glitt dasSchott auf. Tiff wurde zum zweiten Verhör auf dieORLA XI geholt.

Er ging ruhig und gefaßt. Ein leichenblassesMädchengesicht blieb noch lange in seinerErinnerung haften. Zwischen den beidenLuftschleusen hatte man einDruckausgleichs-Energiefeld errichtet. Tiff konnteanstandslos und ohne besondere Schutzkleidunghindurchschweben. Von der künstlichen Gravitationauf beiden Schiffen war in dem Schlauchfeld nichtsmehr zu spüren.

Auf alles gefaßt, kam er drüben an. Die K-9 hingnoch immer in dem ungeheuer großen Gravostrahldes großen Schiffes. Rumorende Maschinenbewiesen, daß man nicht gewillt war, die schnelleK-9 aus dem Bannkreis entweichen zu lassen.

Orlgans war todsicher ein hervorragenderGeschäftsmann, sofern sich eine solche Bezeichnungauf einen galaktischen Händler anwenden ließ.

Als Taktiker und Psychologe war er ebensogroßartig. Weniger intelligente und willensstarkeMenschen in Tiffs Alter wären der vielfältigenVersuchung bald erlegen.

Vielleicht half Tiff die Tatsache, daß er wirklichnichts über die angebliche Wirtschaftsplanung derDritten Macht wußte. Allmählich war ihm sogar derVerdacht gekommen, Perry Rhodan hätte ihn nur alsLockvogel benutzt, um bei der Gelegenheit einige der

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Unbekannten zu fassen.Orlgans schien es noch nicht einmal um

interstellare Planung zu gehen, da er wohl kraftseiner Logik einsah, daß das ein Mann wie Tiffniemals im Kopf haben konnte. Bestenfalls einigeGrobwerte, niemals aber allein wichtige Einzelheiten.

Also verzichtete der Springerkapitän auf solcheFragen. Dafür aber bohrte er immer hartnäckiger aufdem Begriff »Welt des ewigen Lebens« herum.Damit brachte er Tifflor in ernsthafte Gefahr, daOrlgans nicht einsehen wollte, daß der Kadett auchvon diesen Geschehnissen keine Ahnung hatte.

Er benötigte zwei Stunden, um Tiff inwohlwollender Art durch sein Schiff zu führen.Julian gewann dabei keine sehr große Achtung vorden Waffen. Sie waren noch nicht einmalvergleichbar mit denen der K-9. Wohl aber hatte dieORLA XI starke und sehr moderne Triebwerke. Esgab da noch einige Dinge, die offensichtlichSpezialentwicklungen der Springer-Wissenschaftlerwaren. Orlgans erklärte bei dem Rundgang ganzbeiläufig, daß es sich hier nur um ein bewaffnetesHandelsschiff handle, dessen Armierung bei demBesuch von zumeist primitiven Welten völligausreichend sei.

Für »ernstere« Angelegenheiten hätte man ja diespezialisierte Händlerflotte, deren Herbeirufung ihmzustünde.

In den letzten Raum wurde Tiff grobhineingestoßen. Als der Kapitän ebenfalls eintrat,verlor er jäh jede Höflichkeit, jede väterlicheBesorgnis. Er sagte auch wieder »Sie«, nachdem erTiff stundenlang geduzt hatte. Julian sah in kalte,erbarmungslose Augen.

»Diese Maschine dort ist ein sogenannterPsycholöser«, erklärte Orlgans drohend. »Das Hirneines Lebewesens wird beim Verhör zerstört, jedochkommen sämtliche Daten klar heraus. Wir benötigendiese Maschinen beim Umgang mit unbotmäßigenWesen, deren Wissen für uns wichtig ist. Ich gebeIhnen noch drei Stunden nach Ihrer Zeitrechnung.Sprechen Sie bis dahin nicht, wird Ihr Schädel unterder Feldhaube liegen. So, nun können wir wiedergehen, mein lieber junger Freund!«

Plötzlich floß Orlgans vor Herzlichkeit über. Fasttrug er den schwankenden, seelisch zermürbtenKadetten hinaus.

Er brachte ihn auch persönlich in die bereitsbekannte Kabine zurück. Sie lag nahe der Zentrale imVorderteil des langen Schiffes. Ehe Orlgans ging,riskierte Tiff alles. Bittend stammelte er:

»Sir, darf - darf ich drüben in meinem Bootüberlegen? Bitte, lassen Sie mich jetzt nicht in derfremden Umgebung. Ich fühle mich hier nicht sobesonders ...«

»Natürlich, natürlich«, unterbrach Orlgans

überschwenglich. »Einen Moment, mein jungerFreund, ich rufe deine Begleiter.«

Tiff begann Blut zu schwitzen, als der bärtigeRiese nach draußen trat, um auf dem langen Gangnach den abgestellten Wächtern zu brüllen.

Tiffs Hand fuhr in die Tasche. Er hatte daraufverzichtet, die Mikrobombe an einem anderen Ort zuverstecken. Bei einer Untersuchung wäre sie so oderso gefunden worden. Man hatte ihn aber nichtnochmals visiert. Er riß den Sicherungsstift heraus,drückte den Auslöser des Zeitzünders nach unten, biser deutlich hörbar einschnappte, und ließ dasteuflische Ei dann unter das flache Lager rollen. Esknallte dumpf, als es hinten gegen die Wand stieß.

Er konnte sich eben noch aufrichten, ehe diebeiden Posten eintraten. »So blaß?« meinte Orlgansmitleidig. »Wir sehen uns in drei Stunden, jungerFreund!«

Das war für Tiff Grund genug, unauffällig auf diePräzisionsuhr zu sehen. Es war genau 17.58 UhrK-9-Bordzeit. Um 18.58 Uhr mußte es knallen, ganzgenau um etwa 5 Sekunden früher. Da hatte er denStift eingedrückt.

Nahezu willenlos ließ sich Julian zurückbringen.Als er wieder in der Messe ankam, sank er bleich aufeinen Drehstuhl nieder. Deringhouse blickte ihnfiebernd an.

Da nickte Tiff unmerklich und fügte unverfänglichhinzu:

»Sie haben mich bis genau 17.58 Uhr festgehalten.Orlgans hat mir drei Stunden Bedenkzeit gegeben.«

Rous Gesicht entspannte sich. Blicke flogenzwischen den Männern hin und her. Deringhousebegann zu rechnen. Fünf Minuten vor dem kritischenZeitpunkt mußte Humpry Hifield den nächsten Krachinszenieren.

Deringhouse plante sorgsam. Es konnte nichtauffallen, wenn er die zweite Schlägerei auf dasRachebedürfnis des geschlagenen Kadettenzurückführte. Dann mußte man nur noch dafürsorgen, daß die vier Wächter den Raum betraten.Mehr waren vor der Messe nicht postiert. Dieanderen Springer waren über das Schiff verteilt. Esmußte gelingen.

Deringhouse schlenderte gemächlich durch dengroßen Raum und blieb vor einem Bildschirm stehen.

»Schönes Wetter draußen, eh?« sagte er gedehnt.Die Sterne funkelten kalt. Sie gaben keine Antwort.

*

Es war genau 18.53 Uhr, als Hump zu tobenbegann. Sein alter »Widersacher« hatte ihn mithöhnischen Bemerkungen bis aufs Blut gereizt. DieSchlägerei lief auf die Sekunde genau an. In fünfMinuten mußte die Bombe hochgehen. Im selben

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Augenblick konnten die Wachen angegriffen werden.Die Wächter erschienen etwa eine halbe Minute

nach Beginn des Gebrülls am Schott. Wiederschienen sie sich über das Geschehnis zu amüsieren.Sie bemerkten nicht, daß sich zwölf kräftige Männerlangsam hinter sie schoben. Das Kommando warausgesucht. Mit diesen Leuten wurden auch die vierRiesenkerle nicht fertig.

Deringhouse fixierte die Thermowaffen derSpringer an. Hump kämpfte unterdessen verbissenmit gutgemeinten Schlägen.

Tiff stand ebenfalls sprungbereit. Seine Augenhingen an den Zeigern der elektrischen Präzisionsuhr.Sie ging genau!

Zwei Minuten vor Nullzeit. Rous schob sichlangsam näher. Hump teilte eben einen mörderischenSchwinger aus. Die Springer jubelten.

»Achtung, Sie folgen meiner Gruppe«, hörte Tiffden Sergeanten flüstern. »Wir übernehmen dieZentrale.«

Schon war Rous wieder verschwunden. Hinter denSpringern krümmten die Männer desÜberwältigungskommandos die Knie. Es war genauberechnet. Wenn die vier Wächter kampfunfähigwaren und die Waffen ihre Besitzer wechselten,mußte im gleichen Moment im Innern des riesigenRaumschiffes ein atomarer Glutball entstehen. Damitwar die ORLA XI praktisch ausgeschaltet. Zumindesthatten die Wachen auf dem Kugelboot keine Hilfemehr zu erwarten, und die schnell vergasendenStromleitungen mußten auch in kürzester Frist dasmächtige Fesselungsfeld zum Erlöschen bringen.

Dreißig Sekunden vor Nullzeit. Das Gebrüll derzuschauenden Männer wurde hektisch. Wenigstenskonnten sie ihre Nervosität hinausschreien.

Fünfzehn Sekunden vor Nullzeit sprangen diezwölf Männer des Kommandos vor. Je vier kamenauf einen Wächter. Metallische Gegenstände aus dernebenan liegenden Robotküche fuhren auf mächtigeSchädel nieder. Blitzschnell, fast lautlos, brachen dievier Bärtigen zusammen.

Deringhouse schoß nach vorn, Rous und Tifffolgten ihm. Sie hatten die Waffen bereits in denHänden, als der Augenblick kam.

Alles geschah planmäßig. Das Brüllen blieb, aberdie einzelnen Trupps rasten aus der offenstehendenSchleuse hinaus.

Weiter vorn tauchte ein Wächter auf. Deringhouseschoß im Lauf. Das helle Zischen der langläufigenWaffe mischte sich mit einem Schrei. Der Riesebrach zusammen.

»Teilen«, schrie Deringhouse. »Rous, hinauf in dieZentrale!«

Sie rannten auf die Nottreppe zu, als plötzlich dashelle Heulen aufklang. Es war nicht das Geräusch,was Tiff erwartet hatte. Die Wandungen der K-9

begannen zu vibrieren. Es war 18.59 Uhr!»Was ist mit der Bombe?« schrie Rous außer sich.

Sein Gesicht war plötzlich verzerrt. »Verdammt,warum geht das Ding nicht hoch?«

Tiff hätte schreien mögen. Weiter vorn brachDeringhouse unter einem Energieschuß zusammen.Weiter hinten erschienen bärtige Gestalten, die wildin die Gegend feuerten.

»Zurück«, röchelte Deringhouse, »um Himmelswillen zurück.«

Sie schleppten ihn mit sich auf die noch naheMesse zu. Etwas war schiefgegangen. Sekundenspäter begann das Schiff noch stärker zu schwingen.Gleich darauf spürten die Männer die erstenRegungen in den Körpern. Ehe sie erfaßten, daß derGegner die gesamte K-9 ohne Rücksicht auf die darinweilenden Springerwachen in ein starkesVibrationsfeld einhüllte, begannen sie qualvoll zustöhnen.

Jede einzelne Zelle schien das Bestreben zu haben,unter den stärker werdenden Reizungen einen wildenTanz aufzuführen.

Hump Hifield ließ die erbeutete Waffe zuerstfallen. Dann kamen Tiff, Rous und Martin an dieReihe.

Als das Heulen in den höchsten Bereichen derHörgrenze ankam, krümmten sich die Männer inQualen auf dem Boden. Den Wachen erging es nichtviel besser; aber die Leute der K-9-Besatzungschossen wenigstens nicht mehr.

»Verrat«, röchelte Rous, ehe er besinnungsloswurde. »Verdammt, was war mit deiner Bombe los?«

Tiff hätte weinen mögen, wenn er es noch gekonnthätte. Sein Schädel drohte zu bersten, ehe ihn dasBewußtsein endgültig verließ. Es war alles umsonstgewesen. Etwas war nicht nach Plan gegangen.

*

Orlgans hatte diesmal eine Waffe dabei.Breitbeinig, eisig blickend stand er vor MajorDeringhouse, dessen Oberschenkelwunde böseaussah. Es war ein glatter Durchschuß, der aber sehrüble Verbrennungen entlang des Wundkanals und anden Wundrändern hinterlassen hatte.

Deringhouse hielt es für sinnlos, den heroischenMann zu spielen. Man wußte, daß er qualvolleSchmerzen hatte, also stöhnte er. Wenn es ihm nurfür eine Sekunde Erleichterung verschaffte, so warschon viel gewonnen.

Die anderen Männer der Besatzung standen an denWänden der Messe. Mehr als dreißig tödliche Waffenwaren auf sie gerichtet.

Als sie wieder zu sich gekommen waren, warOrlgans schon im Raum gewesen.

»Wer hat das ausgeheckt?« fragte der Kapitän

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nochmals. »Sie?«Deringhouse grinste verzerrt. Schließlich lachte errauh und krampfhaft.»Nur ich, sicher«, stöhnte er. »Wer ist wohl derKommandant?«Orlgans trat in eisiger, beherrschter Wut gegenDeringhouses Lager. Der Verwundete schrie auf.»Schurke«, schrie Milly Orsons schrill auf.Orlgans kümmerte sich nicht um sie. Schwer stapfteer auf Tifflor zu. Julian fühlte den heißen Atem desRiesen. Orlgans kochte innerlich. Anscheinend wußteer sehr genau, daß er nur knapp der Vernichtungentronnen war. Wieso aber?Die Aufklärung kam durch eine unendlich lächerlicheund simple Erklärung.»Und du verdammter Heuchler hast die Bombe unterdas Lager rollen lassen, wie? Daran, daß wir reinlicheLeute sind, hast du wohl nicht gedacht? Die Kabinenmeines Schiffes werden nach erfolgter Benutzungdurch Roboter gesäubert. Dabei werden auch dieLager in die Wand geklappt. Schade, Julian Tifflor,was? Einer meiner Männer hat die Bombe mit einemFingerdruck entschärft. Auch schade, wie?«Tiff lachte verzweifelt auf. So war es also gewesen.Dann sah er den riesigen Schatten auf sichzukommen.Unter dem fürchterlichen Hieb von Orlgans Prankebrach er lautlos zusammen. Die beinaheausbrechende Revolte bemerkte er nicht mehr.Als er wieder das Bewußtsein erlangte, sah er sichneben Deringhouse im Bordhospital liegen. DieWunde des Kommandanten war sauber verbunden.Weiter hinten hantierten die Mädchen herum. VonWachen war nichts zu sehen.

Deringhouse war wach. Er sah direkt in Tiffs Augen.»Ruhig, Junge, es ist alles okay. Wir sind nocheinmal davongekommen.«»Sir, ich ... ich konnte nichts dafür«, stammelte Tiff,und seine Augen wurden feucht. »Damit hatte ichnicht gerechnet.«»Die Kerle hätten ja auch fünf Minuten später mitdem Saubermachen anfangen können«, lachteDeringhouse stoßartig. »Okay, kein Wort mehr. DerPlan war gut Mit Zufällen muß man immer rechnen.Schlafen Sie nun. Sie haben nämlich eineGehirnerschütterung davongetragen. Großer Neptun -hat der Kerl eine Tatze!«»Sir, was wird nun?« flüsterte Tiff noch, ehe ihm dieAugen erneut zufielen.»Oh, es wird sich etwas tun«, flüsterte Deringhousegedehnt. »Oder dachten Sie etwa, der Chef hätte sichmit der STARDUST zur Ruhe gesetzt? Alles okay,Sie müssen jetzt ruhen. Sehen Sie das als Befehl an,Kadett Tifflor!«Tiff sah rote Ringe vor den Augen.Aus einem schälten sich die gewaltigen umrisse desSuperschlachtschiffes hervor. In der Tat - wenn eshier erschien, dann hatten die Springer nichts mehrzu lachen. Wenn Tifflor an nichts mehr glaubte: Daswußte er ganz bestimmt!Auf alle Fälle hatte er seinen Einsatz vorerst beendet.Alles weitere mußte beim Chef liegen.

E N D E

Kadett Julian Tifflor, Absolvent der Weltraumakademie der Dritten Macht, wurde von Perry Rhodan für dieRolle des »kosmischen Lockvogels« ausgewählt.Der Kadett ist auch plangemäß in die ihm gestellte Falle gegangen aber Perry Rhodan, der ihn mit derSTARDUST schnellstens aus dieser Falle befreien will, gerät in Schwierigkeiten, denn er stößt auf DIEFLOTTE DER SPRINGER ...

DIE FLOTTE DER SPRINGER

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