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Der Mensch im Zeitalter der neuen Medien aus Sicht der stationären Rehabilitation Dr. Petra Schuhler AHG Klinik Münchwies

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Der Mensch im Zeitalter der neuen Medien aus Sicht der stationären

Rehabilitation

Dr. Petra Schuhler AHG Klinik Münchwies

Gaming

Chatting

Surfing

(…?....)

Computerspiele: Mehrpersonen-Online-Rollenspiele (MMORPG), Ego-Shooter-Spiele, Browserspiele Offlinespiele

Soziale Netzwerke „Facebook“

Zielloses Sammeln von Informationen, Musik-dateien, Filmen, Bildern

Diagnostische Merkmale des pathologischen PC/Internet-Gebrauchs

• wenigstens eine Form des Krankheitsbildes mit mehr als 30 Stunden/Woche schul-, ausbildungs- oder berufsfremd • dichotome Störung intrapsychischer und

interaktiver Funktionen in virtueller vs. realer Welt• Verlust eines angemessenen Realitäts-

bezugs• Negative körperliche, psychische

und soziale Folgen

Pathologischer PC-/Internet-Gebrauch gaming - chatting - surfing

Am häufigsten: Gaming

Stationäre Reha-BehandlungMänner : Frauen

9 : 1

3 Kernfiguren

Tank Damage Dealer

Online-RollenspieleFaszination MassivelyMultiplayerOnlineRolePlayingGame

Healer

Spielszenen Ego-Shooter

Battlefield – Bad Company 2Modern Warfare 2

• Telepräsenz

• Immersion

• Passung zwischen innerem Bedürfnis und medialem Angebot

Merkmale der PC/Internet-Aktivität

Soziale Welt der PC-/Internet-Angebote

„Ich habe über 120 Freunde im Spiel, die haben mir alle zum Geburtstag gratuliert.“

„Ich habe über 120 Freunde im Spiel, die haben mir alle zum Geburtstag gratuliert.“

„Wenn mir einer dumm kommt, dann entfreunde ich mich von ihm und setze ihn auf die ignore-Liste.

Praktisch um überflüssige Kontakte auszusortieren...“

„Wenn mir einer dumm kommt, dann entfreunde ich mich von ihm und setze ihn auf die ignore-Liste.

Praktisch um überflüssige Kontakte auszusortieren...“

„Offline? In der Wirklichkeit? Da bin ich nur ein müder Abklatsch meiner

selbst.“

„Offline? In der Wirklichkeit? Da bin ich nur ein müder Abklatsch meiner

selbst.“

„Im PC, da werde ich zu dem, was ich sein kann. Das ist meine Welt. Da bin ich wie ein Fisch im

Wasser.“

„Im PC, da werde ich zu dem, was ich sein kann. Das ist meine Welt. Da bin ich wie ein Fisch im

Wasser.“

Dichotome StörungIntrapsychischer und interaktiver Funktionen

Schaffensrausch:Ich bin WeltspitzeSchaffensrausch:Ich bin Weltspitze

Null Bock: es ist schwer,die Konsequenzen des

eigenen Handelns abzu-sehen, unheilvolle

Konstellationen zu erkennenoder die Chancen zu sehen,

das eigene Verhalten zuändern, „Biss“ zu entwickeln,

an einer Sache dran zubleiben, Durchzuhalten

Null Bock: es ist schwer,die Konsequenzen des

eigenen Handelns abzu-sehen, unheilvolle

Konstellationen zu erkennenoder die Chancen zu sehen,

das eigene Verhalten zuändern, „Biss“ zu entwickeln,

an einer Sache dran zubleiben, Durchzuhalten

Wo ich ganz bei der Sache bin?

Dichotome StörungIntrapsychischer und interaktiver Funktionen

Das Ich wird ideal erlebt: steht im Mittelpunkt, Anerkennung, Kontrolle, Macht, Erfolg, Attraktivität, Liebe in PC und Internet

Das Ich wird ideal erlebt: steht im Mittelpunkt, Anerkennung, Kontrolle, Macht, Erfolg, Attraktivität, Liebe in PC und Internet

Das Ich wird schwach er-lebt: an den Rand gedrängt,

unattraktiv, Ablehnung,Hohn, Angst, Beschämung,

Misserfolg in der Realität

Das Ich wird schwach er-lebt: an den Rand gedrängt,

unattraktiv, Ablehnung,Hohn, Angst, Beschämung,

Misserfolg in der Realität

Wie sich der Mensch sieht - Selbstwertregulation

Dichotome StörungIntrapsychischer und interaktiver Funktionen

Freude, Glück, Stolz,Schaffensrausch, Wärme

und Geborgenheit,konsequenzenarme Abfuhr

aggressiver Regungen,Erleben von Zugehörigkeitzu einer Gruppe, munterund unternehmungslustig

Freude, Glück, Stolz,Schaffensrausch, Wärme

und Geborgenheit,konsequenzenarme Abfuhr

aggressiver Regungen,Erleben von Zugehörigkeitzu einer Gruppe, munterund unternehmungslustig

Angst-, Leere- und Schamgefühle, Angst vor

Aggressionen, konfliktscheu und isoliert, Lebens-

Hemmung

Angst-, Leere- und Schamgefühle, Angst vor

Aggressionen, konfliktscheu und isoliert, Lebens-

Hemmung

Mit viel Gefühl …

Dichotome StörungIntrapsychischer und interaktiver Funktionen

soziale Kontakte können besser kontrolliert werden, sind steuerbarer, eindeutiger, machen weniger Angst

soziale Kontakte können besser kontrolliert werden, sind steuerbarer, eindeutiger, machen weniger Angst

Große Hemmung im Kontaktmit anderen

Große Hemmung im Kontaktmit anderen

Im Umgang mit anderen

Was wirkt im virtuellen Raum?

- Identifikatorischer Sog- Imaginative und projektive Prozesse- Aufladung eines Selbstideals- Abfuhr starker negativer Affekte- Konsequenzenarme Kommunikation- „Leichte“ Kommunikation- Schaffensrausch

Mit welchem Ergebnis?Realität und deren Kommunikation treten zurück, magern ab, verlieren an Bedeutung, machen schließlich Angst

Merkmale der PC/Internet-Aktivität

• Immersion

- Zurücktreten der realen Erlebniswelt hinter die virtuelle Realität – Eintauchen in die virtuelle Welt

- Fokussierung der Aufmerksamkeit auf virtuelle Inhalte und Abläufe

- Zurücktreten der realen Lebenswirklichkeit

- Überwertiges Immersionserleben: Virtuelles Geschehen wird präferiert

Teilhabebeeinträchtigungen

Einschränkungen in der beruflichen Leistungsfähigkeit:

Konzentrations- und Reaktionsstörungen

Ausdauerfähigkeit

Defizite im Anpassungs- und Umstellungsvermögen

Vermeidungsverhalten

Interaktionelle Defizite

Pathologischer PC-/Internet-Gebrauch bei Patient/Innen der stationären

psychosomatischen und Suchtrehabilitation

Schuhler, P.(1); Sobottka, B.(2); Vogelgesang, M.(1); Fischer, T.(2); Flatau, M.(1); Schwarz, S.(2); Brommundt, A.(2); Beyer, L(3); Petry, J.

(2010 – 2012)

(1) AHG Klinik Münchwies(2) AHG Klinik Schweriner See

(3) Hochschule für Gesundheit und Sport Berlin

Fragestellungen

Ist der pathologische PC-/Internet-Gebrauch ein eigenständiges Krankheitsbild?

Welche Unterschiede bestehen zu den Diagnosegruppen: pathologisches Glücksspielen stoffgebundene Abhängigkeitserkrankungen andere psychische Störungen im Indikations-gebiet Psychosomatik

Untersuchungsmerkmale

Soziodemografische Variablen

Soziale und berufliche Integration

Symptomatologie

Persönlichkeitsorganisation

Interpersonelle Probleme

Selbstwertregulierung

27%73%

44%56%

40%60%

59%41%

Partnerschaft (%)- ohne Partnerschaft- mit Partnerschaft

49%51%

58%42%

56%44%

66%34%

Erwerbstätigkeit (%)- ohne Erwerbstätigkeit- mit Erwerbstätigkeit

Gruppe andere psych. StörungenN=98

Gruppestoffgeb.Abhängig-keitN=97

GruppePath. Glücks-pielenN=100

GruppePath. PC-/InternetGebrauchN=100

Soziodemografische Merkmale

Ergebnisse

SymptomatologieVier-Gruppen-Vergleich

PC -/ Internet Glücksspielen Abhängigkeit andere psychische Störungen

Skalenmittelwerte

0 1 2 3

Depressivität (BDI)

Impulsivität (BIS)

Somatisierung (SCL-90R)

Zwanghaftigkeit (SCL-90R)

Unsicherheit im Sozialkontakt (SCL-90R)

Depressivität (SCL90-R)

Ergebnisse

PC -/ Internet Glücksspielen Abhängigkeit andere psychische Störungen

Skalenmittelwerte

0 1 2 3

Persönlichkeitsvariablen (NEO-FFI)Vier-Gruppen-Vergleich

Neurotizismus

Extraversion

Offenheit für Erfahrungen

Verträglichkeit

Gewissenhaftigkeit

Ergebnisse

DiskriminanzanalyseVier-Gruppen-Vergleich

Pathologischer PC-/Internet-Gebrauch:eigenständiges Krankheitsbild –nicht Begleitsymptom einer anderen psychischen Störung

Zusammenfassung

Pathologischer PC-/Internet-Gebrauch:

Zusammenfassung

Ausgeprägte Unterschiede bestehenzu stoffgebundenen Abhängigkeits-erkrankungen auf den Dimensionen:

- Persönlichkeitsorganisation- Depressivität- Selbstwertschätzung- interpersonelle Probleme

Anerkennung als eigenständige psychische Erkrankung

Soziale und berufliche Desintegration, ausgeprägte psychische und somatische Komorbidität begründen besondere Reha-bedürftigkeit und stationäre Verweildauer von 8-12 Wochen

Spezifisches Therapieprogramm bei PC-/Internet-Pathologie ist erforderlich

Schlussfolgerungen

Mehrdimensionale Therapie

KörpertherapieKörpertherapie

Psycho-therapiePsycho-therapie

ErgotherapieErgotherapie

SozialesTraining

SozialesTraining

Bewegungs-therapie

Bewegungs-therapie

Pharmako-therapie

Pharmako-therapie

Sozio-therapieSozio-

therapie

Berufs-trainingBerufs-training

Mehr-dimensionale

Therapie

Mehr-dimensionale

Therapie

Reales ‚Ich‘ Virtuelles ‚Ich‘

Pre/Postvergleich SCL-90-R

Mittelwerte aus SCL-90-R Untersuchung, N=72Signifikante Mittelwertunterschiede, p<.05

Unsich

erhe

it im S

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kt20

40

60

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Isolat

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T-W

erte

Therapiebeginn Therapieende

Literatur

Schuhler, P. & Vogelgesang, M. (2011) Abschalten statt abdriften. Weinheim: Beltz

Schuhler, P. & Vogelgesang, M. (2012) Pathologischer PC- und Internet-Gebrauch. Eine Therapieanleitung. Göttingen: Hogrefe (im Druck, April 2012)

Projektbericht