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Z. Rheumatol. 2006 · 65:471–471 DOI 10.1007/s00393-006-0106-8 Online publiziert: 28. September 2006 © Springer Medizin Verlag 2006 E. Märker-Hermann Klinik Innere Medizin IV, Dr. Horst Schmidt Kliniken (HSK) GmbH, HSK Wilhelm Fresenius Klinik, Wiesbaden Organmanifestationen der rheumatischen Grunderkrankung und Assoziation mit „Volkskrankheiten“ Einführung zum Thema Vaskulitiden, Kollagenosen und rheuma- toide Arthritis haben immer schon das Augenmerk des Rheumatologen auf die vielfältigen extraskelettalen Manifestatio- nen dieser entzündlichen Systemerkrank- ungen gelenkt. Multiorganbeteiligungen und chronische Folgeschäden erfordern die Fachkompetenz der unterschiedlichen in- ternistischen Schwerpunkte und die Mit- betreuung durch Orthopäden, Neurologen, Ophthalmologen, Dermatologen, HNO- Ärzte und andere Spezialisten. Die Zeit- schrift für Rheumatologie hat dieser kli- nischen Problematik in den vergangenen Jahren Rechnung getragen durch die The- matisierung interdisziplinärer Fragestel- lungen wie „Rheuma und Lunge“, „Neuro- logie und Endokrinologie“ oder durch ein Schwerpunktheft „Rheumatologie interdis- ziplinär“ im Jahr 2005. > Neue Forschungsansätzte zu RA und begleitenden Erkrankungen Relativ neu hingegen sind die epidemiolo- gischen Forschungsansätze zur Assoziati- on rheumatischer Erkrankungen mit den klassischen „Volkskrankheiten“ Adipositas, Diabetes mellitus, Hypertonie, Arterioskle- rose, Osteoporose und Krebs. Die bei rheu- matoider Arthritis (RA) und Lupus ery- thematodes signifikant gesteigerte kardio- vaskuläre Mortalität wird im Wesentlichen auf den chronisch-entzündlichen Prozess der Erkrankungen zurückgeführt. Ähn- liches gilt für die lymphoproliferativen Er- krankungen des Hodgkin- und Non-Hodg- kin-Lymphoms. Hier handelt es sich um al- tersunabhängige Risikofaktoren, die mit der Aktivität und Krankheitsdauer der rheu- matischen Erkrankung korrelieren. Das aktuelle Themenheft „Der multi- morbide Rheumapatient“ widmet sich zum einen spannenden Aspekten aus der Mole- kularbiologie und Immunologie: Welche molekularen Abläufe begünstigen die en- dotheliale Dysfunktion und Arteriosklero- se beim RA-Patienten, und kann eine kon- sequente anti-entzündliche Therapie diesen Mechanismus unterbinden? (Rheumatoide Arthritis und kardiovaskuläre Komplikati- onen von W. Seidel et al.). Welche aktuellen Vorstellungen existieren zur (Immun-) Pa- thogenese der Lymphomentstehung bei RA? (Der Zusammenhang zwischen rheumatoi- der Arthritis und Krebs von J.P. Whelan). Eine wichtige Originalarbeit aus dem Deutschen Rheumaforschungszentrum Berlin (Komorbidität bei früher rheu- matoider Arthritis: Welche Outcome-Pa- rameter sind besonders betroffen? von G. Westhoff et al.) liefert erstmals Ergeb- nisse anhand der Daten von 1032 RA- Frühfällen aus einer großen deutschen Stu- die innerhalb des Kompetenznetz Rheuma. Die Patienten mit früher RA wurden in 54 rheumatologischen Einrichtungen bun- desweit rekrutiert und über 3 Jahre doku- mentiert. Derzeit beträgt das mittlere Er- krankungsalter an rheumatoider Arthritis 55–60 Jahre. E Bereits bei kurzer Krankheitsdauer leiden 72% der RA-Patienten an mindestens einer weiteren chronischen Erkrankung. Dies hat große praktische Konsequenzen: Schwerwiegende Funktionseinschrän- kungen bis hin zur Hilfeabhängig- keit wurden in dieser Studie wesentlich durch die Komorbidität und die Zahl der assoziierten chronischen Krankheiten be- stimmt. Die individualisierte Therapie der RA muss sich ebenfalls an diesen Begleiter- krankungen orientieren. Es sollte unser Be- wusstsein dafür geschärft werden, dass in der Mehrzahl aller Therapiestudien gerade die multimorbiden Patienten ausgeschlos- sen wurden. Die Problematik des multimorbiden und älteren Patienten wird auch in der Ar- beit von C. Fiehn angesprochen (Der mul- timorbide ältere Rheumapatient – Aspekte der Rheumatologie des hohen Lebensalters). Der praxisorientierte Schwerpunkt liegt hier auf den Fragen der Arzneimitteltherapie des älteren Rheumapatienten einschließlich der zu beachtenden Interaktionen und auf der akut-stationären Versorgung. Die Thematik der Multimorbidi- tät des Rheumapatienten war eines der Hauptthemen des gerade zurückliegenden 34. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie. Dieses Schwerpunkt- heft soll zur Vertiefung der Problematik und zu praktischen Konsequenzen für die Versorgung beitragen. E. Märker-Hermann Korrespondierender Autor Prof. Dr. E. Märker-Hermann Klinik Innere Medizin IV, Dr. Horst Schmidt Kliniken (HSK) GmbH, HSK Wilhelm Fresenius Klinik, Aukammallee 39, 65191 Wiesbaden [email protected] 471 Zeitschrift für Rheumatologie 6 · 2006 |

Der multimorbide Rheumapatient – Organmanifestationen der rheumatischen Grunderkrankung und Assoziation mit „Volkskrankheiten“

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Z. Rheumatol. 2006 · 65:471–471

DOI 10.1007/s00393-006-0106-8

Online publiziert: 28. September 2006

© Springer Medizin Verlag 2006

E. Märker-Hermann

Klinik Innere Medizin IV, Dr. Horst Schmidt Kliniken (HSK) GmbH,

HSK Wilhelm Fresenius Klinik, Wiesbaden

Organmanifestationen der rheumatischen Grunderkrankung und Assoziation mit „Volkskrankheiten“

Einführung zum Thema

Vaskulitiden, Kollagenosen und rheuma-

toide Arthritis haben immer schon das

Augen merk des Rheumatologen auf die

vielfältigen extraskelettalen Manifestatio-

nen dieser entzündlichen Systemerkrank-

ungen gelenkt. Multiorganbeteiligungen

und chronische Folgeschäden erfordern die

Fachkompetenz der unterschiedlichen in-

ternistischen Schwerpunkte und die Mit-

betreuung durch Orthopäden, Neurologen,

Ophthalmologen, Dermatologen, HNO-

Ärzte und andere Spezialisten. Die Zeit-

schrift für Rheumatologie hat dieser kli-

nischen Problematik in den vergangenen

Jahren Rechnung getragen durch die The-

matisierung interdisziplinärer Fragestel-

lungen wie „Rheuma und Lunge“, „Neuro-

logie und Endokrinologie“ oder durch ein

Schwerpunktheft „Rheumatologie interdis-

ziplinär“ im Jahr 2005.

> Neue Forschungsansätzte zu RA und begleitenden Erkrankungen

Relativ neu hingegen sind die epidemiolo-

gischen Forschungsansätze zur Assoziati-

on rheumatischer Erkrankungen mit den

klassischen „Volkskrankheiten“ Adipositas,

Diabetes mellitus, Hypertonie, Arterioskle-

rose, Osteoporose und Krebs. Die bei rheu-

matoider Arthritis (RA) und Lupus ery-

thematodes signifikant gesteigerte kardio-

vaskuläre Mortalität wird im Wesentlichen

auf den chronisch-entzündlichen Prozess

der Erkrankungen zurückgeführt. Ähn-

liches gilt für die lymphoproliferativen Er-

krankungen des Hodgkin- und Non-Hodg-

kin-Lymphoms. Hier handelt es sich um al-

tersunabhängige Risikofaktoren, die mit der

Aktivität und Krankheitsdauer der rheu-

matischen Erkrankung korrelieren.

Das aktuelle Themenheft „Der multi-

morbide Rheumapatient“ widmet sich zum

einen spannenden Aspekten aus der Mole-

kularbiologie und Immunologie: Welche

molekularen Abläufe begünstigen die en-

dotheliale Dysfunktion und Arteriosklero-

se beim RA-Patienten, und kann eine kon-

sequente anti-entzündliche Therapie diesen

Mechanismus unterbinden? (Rheumatoide

Arthritis und kardiovaskuläre Komplikati-

onen von W. Seidel et al.). Welche aktuellen

Vorstellungen existieren zur (Immun-) Pa-

thogenese der Lymphomentstehung bei RA?

(Der Zusammenhang zwischen rheumatoi-

der Arthritis und Krebs von J.P. Whelan).

Eine wichtige Originalarbeit aus dem

Deutschen Rheumaforschungszentrum

Berlin (Komorbidität bei früher rheu-

matoider Arthritis: Welche Outcome-Pa-

rameter sind besonders betroffen? von

G. Westhoff et al.) liefert erstmals Ergeb-

nisse anhand der Daten von 1032 RA-

Frühfällen aus einer großen deutschen Stu-

die innerhalb des Kompetenznetz Rheuma.

Die Patienten mit früher RA wurden in

54 rheumatologischen Einrichtungen bun-

desweit rekrutiert und über 3 Jahre doku-

mentiert. Derzeit beträgt das mittlere Er-

krankungsalter an rheumatoider Arthritis

55–60 Jahre.

E Bereits bei kurzer Krankheitsdauer

leiden 72% der RA-Patienten

an mindestens einer weiteren

chronischen Erkrankung.

Dies hat große praktische Konsequenzen:

Schwerwiegende Funktionseinschrän-

kungen bis hin zur Hilfeabhängig-

keit wurden in dieser Studie wesentlich

durch die Komorbidität und die Zahl der

assoziierten chronischen Krankheiten be-

stimmt. Die individualisierte Therapie der

RA muss sich ebenfalls an diesen Begleiter-

krankungen orientieren. Es sollte unser Be-

wusstsein dafür geschärft werden, dass in

der Mehrzahl aller Therapiestudien gerade

die multimorbiden Patienten ausgeschlos-

sen wurden.

Die Problematik des multimorbiden

und älteren Patienten wird auch in der Ar-

beit von C. Fiehn angesprochen (Der mul-

timorbide ältere Rheumapatient – Aspekte

der Rheumatologie des hohen Lebensalters).

Der praxisorientierte Schwerpunkt liegt hier

auf den Fragen der Arzneimitteltherapie des

älteren Rheumapatienten einschließlich der

zu beachtenden Interaktionen und auf der

akut-stationären Versorgung.

Die Thematik der Multimorbidi-

tät des Rheumapatienten war eines der

Hauptthemen des gerade zurückliegenden

34. Kongresses der Deutschen Gesellschaft

für Rheumatologie. Dieses Schwerpunkt-

heft soll zur Vertiefung der Problematik

und zu praktischen Konsequenzen für die

Versorgung beitragen.

E. Märker-Hermann

Korrespondierender AutorProf. Dr. E. Märker-HermannKlinik Innere Medizin IV, Dr. Horst Schmidt Kliniken (HSK) GmbH, HSK Wilhelm Fresenius Klinik, Aukammallee 39, 65191 [email protected]

471Zeitschrift für Rheumatologie 6 · 2006 |