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Masterarbeit Lisa Möseneder Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change Management in Gesundheitsorganisationen Medizinische Universität Graz, Institut für Pflegewissenschaft Betreuer: Prof. Dr. Reinhard Ammer Graz, am 14.12.2009 Seite 1 von 73

Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

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Page 1: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Masterarbeit

Lisa Möseneder

Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change Management in Gesundheitsorganisationen

Medizinische Universität Graz, Institut für Pflegewissenschaft

Betreuer: Prof. Dr. Reinhard Ammer

Graz, am 14.12.2009

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Page 2: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommene Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Graz, am 14.12.2009

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Page 3: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Vorwort:

Die vorliegende Masterarbeit hat den organisatorischen Wandel und Change Management und

seinen Prozess zum Thema. Dies ist zwar kein Bereich der zuvor noch nicht behandelt worden

ist, doch gerade im Bereich von Gesundheitsorganisationen einige neue Ansätze und

Möglichkeiten aufzeigt. Vor allem die Umwelt von Organisationen, die sich zunehmend

verändert und neue Aufgaben an Unternehmen stellt, machen einen laufenden Wandel, gerade

von Gesundheitsorganisationen, unumgänglich und wichtig. Change Management ist dabei

eine wichtige Stütze die Möglichkeiten, und die damit verbundenen Vorteile einer

Veränderung aufzeigen kann. Die großen Herausforderungen an die Organisationen sind

dabei, frühzeitig die natürlichen Kräfte des Umfeldes zu nutzen und zu erkennen wie man das

eigene Niveau verbessern kann. Dabei sollte die Organisation vermehrt auch auf globale

strategische Partnerschaften oder auf eine Dehierarchisierung in der Organisationsstruktur

setzten und die Eigenverantwortlichkeiten zunehmend verstärken. Wichtig dabei ist es zu

erkennen, dass der Erfolg einer Veränderung in der Organisation nicht alleine von führenden

Positionen oder Managern abhängig ist, sondern vielmehr vom ganzen Team, alle Mitarbeiter

eingeschlossen. Daher ist es für mich ein spannendes und, besonders auf die

Gesundheitsorganisationen bezogen, interessantes Thema, um derzeit stattfindende Prozesse

in heutigen Organisationen zu verstehen und auch analysieren zu können.

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Page 4: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis...................................................................................................................6

Abbildungsverzeichnis..............................................................................................................7

Zusammenfassung...................................................................................................................10

Abstract....................................................................................................................................11

Einleitung.................................................................................................................................12

Material und Methoden..........................................................................................................13

1. Allgemeine Einleitung zu Organisation............................................................................14

1.1 Der Begriff der Organisation............................................................................................14

1.2 Der instrumentelle Organisationsbegriff...........................................................................15

1.2.1 Der funktionale Organisationsbegriff........................................................................15

1.2.2 Der konfigurative Organisationsbegriff.....................................................................16

1.3 Der institutionelle Organisationsbegriff............................................................................17

1.4 Was bedeutet Organisieren?..............................................................................................18

1.5 Organisationsstrukturen und Verhalten.............................................................................20

1.6 Problemlösungsprozess der Organisation.........................................................................21

1.7 Grundlagen der Strukturgestaltung...................................................................................22

1.8 Die Aufbauorganisation....................................................................................................23

1.9 Stelle.................................................................................................................................26

1.10 Die Ablauforganisation...................................................................................................27

1.10.1 Ziele bzw. Prinzipien der Ablauforganisation..........................................................29

1.11 Leitungsprinzipien..........................................................................................................29

1.11.1 Einliniensystem........................................................................................................29

1.11.2 Mehrliniensystem.....................................................................................................30

2. Gesundheitsorganisationen................................................................................................31

2.1 Begriff der Identität...........................................................................................................31

2.2 Professionelle Organisationen...........................................................................................32

2.3 Strukturen einer Gesundheitsorganisation........................................................................34

3. Organisationen im Wandel.................................................................................................38

3.1 Gesundheitsorganisationen im Wandel.............................................................................41

3.2 Fallbeispiel zur Reorganisation einer Klinik....................................................................47

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Page 5: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

4. Change Management..........................................................................................................51

4.1 Definitionen......................................................................................................................51

4.2 Entwicklung des Change Management- Plans..................................................................55

4.3 Alternativen des Change Management- Prozesses im Krankenhaus................................61

4.4 Bedeutung und Rolle von Führungskräften und Mitarbeitern..........................................62

4.5 Das 15- Punkte Sofortprogramm......................................................................................65

Diskussion und Schlussfolgerung..........................................................................................71

Literaturverzeichnis...............................................................................................................73

Seite 5 von 73

Page 6: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Kriterien der Aufgabenanalyse

In: Wöhe, G. & Döring, U.: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre,

München 2008, S. 117.

Tab. 2: Lebenserwartung bei Geburt

In: Heimerl, P.: Wandel und Intervention in Gesundheitsorganisationen, Linde Verlag

Wien 2005, S. 15.

Tab. 3: Die Veränderung der Spielregeln in der Industriegesellschaft

In: Heber, H.: Change- Management zum Angreifen, Verlag Styria, Graz 1998, S. 15.

Tab. 4: Der Vergleich zwischen Wandel erster und zweiter Ordnung in Organisationen

In: Heber, H.: Change- Management zum Angreifen, Verlag Styria, Graz 1998, S. 9.

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Page 7: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Vor- und Nachteile großbetrieblicher Organisationen

In: Wöhe, G. & Döring, U.: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre,

München 2008, S. 114.

Abb. 2: Effizienzsteigerung durch Koordination und Motivation

In: Wöhe, G. & Döring, U.: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftlehre,

München 2008, S. 113.

Abb. 3: Arbeitschritte zur Schaffung einer Aufbauorganisation

In: Wöhe, G. & Döring, U.: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftlehre,

München 2008, S. 116

Abb. 4: Aufgabenanalyse- und synthese

In: Wöhe, G. & Döring, U.: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftlehre,

München 2008, S. 117

Abb. 5: Funktionale und divisionale Organisation

In: Wöhe, G. & Döring, U.: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftlehre,

München 2008, S. 118

Abb. 6: Zusammenhang Aufbau- und Ablauforganisation

In: Thommen, J. & Achleitner A.: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Wiesbaden

2006, S. 758

Abb. 7: Strukturtyp der Einlinienorganisation

In: Schreyögg, G.: Organisation, Wiesbaden 2003, S. 159

Abb. 8: Strukturprinzip des Mehrliniensystems

In: Schreyögg, G.: Organisation, Wiesbaden 2003, S. 160

Abb. 9: Das „Schachtelmodell“ der Kultur

In: Heimerl- Wagner, P. & Köck C.: Management in Gesundheitsorganisationen,

Ueberreuter Wirtschaftsverlag Wien 1996, S. 132

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Page 8: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Abb. 10: Matrixförmige Darstellung der Organisationsstrukturen eines Spitals

In: Heimerl, P.: Wandel und Intervention in Gesundheitsorganisationen, Linde Verlag

Wien 2005, S. 63

Abb. 11: Modell organisationalen Wandels

In: Heimerl, P.: Wandel und Intervention in Gesundheitsorganisationen, Linde Verlag

Wien 2005, S. 113

Abb. 12: Themenfelder und Ansatzpunkte der Organisationsveränderung in

Gesundheitsorganisationen

In: Heimerl, P.: Wandel und Intervention in Gesundheitsorganisationen, Linde Verlag

Wien 2005, S. 130

Abb. 13: Beispiel einer Veränderungsbereitschaftsanalyse

In: Gattermeyer, W. & Al- Ani, A.: Change Management und Unternehmenserfolg, 2.

Aktualisierte Auflage, Gabler Verlag, Wiesbaden 2001, S. 19

Abb. 14: Ableitung von Change- Management- Maßnahmen auf der Basis der Analyse

von Barrieren

In: Gattermeyer, W. & Al- Ani, A.: Change Management und Unternehmenserfolg, 2.

Aktualisierte Auflage, Gabler Verlag, Wiesbaden 2001, S. 20

Abb. 15: Phasen und Kräfte des Veränderungsprozesses

In: Albrecht, D. & Töpfer, A.: Erfolgreiches Changemanagement im Krankenhaus,

Springer Medizin Verlag, Heidelberg 2006, S. 584

Abb. 16: Alternativen des Change- Management- Prozesses

In. Albrecht, D. & Töpfer, A.: Erfolgreiches Changemanagement im Krankenhaus,

Springer Medizin Verlag, Heidelberg 2006, S. 590

Abb. 17: Reaktionen auf Veränderung

In: Albrecht, D. & Töpfer, A.: Erfolgreiches Changemanagement im Krankenhaus,

Springer Medizin Verlag, Heidelberg 2006, S. 594

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Page 9: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Abb. 18: Acht typische Fehler im Veränderungsmanagment

In: Albrecht, D. & Töpfer, A.: Erfolgreiches Changemanagement im Krankenhaus,

Springer Medizin Verlag, Heidelberg 2006, S. 599

Abb. 19: Vernetzung der einzelnen Managementfelder

In: Albrecht, D. & Töpfer, A.: Erfolgreiches Changemanagement im Krankenhaus,

Springer Medizin Verlag, Heidelberg 2006, S. 18

Abb. 20: Checkliste für erfolgreiches Changemanagement

In: Albrecht, D. & Töpfer, A.: Erfolgreiches Changemanagement im Krankenhaus,

Springer Medizin Verlag, Heidelberg 2006

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Page 10: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Abstract

Aim: To show and analyze the importance of organizational change in health- care

organizations. To analyze the process of „change management“ and show how it supports

and facilitates the process of change in organizations.

Background: The current environment oft organizations shows, that complexity and new

challenges are highly increasing. Reasons are the increasing competition between healthcare

organizations, new challenges as prevention in the healthcare policy, or increasing pressure

in financing. Furthermore, the demographic change in our community is an important aspect

which affects our healthcare organizations and their assignments in present and future.

Therefore, it is important that organizations recognize their needs and start to change things

in time according to processes as change management.

Aim: The aim is to show, analyze and interpret the new challenges for health organizations

because of environmental changes, and explain the process of change management and its

advantages.

Methods: This work is based on a systematic literature review and used only established

books dealing with economic questions in the health- care sector.

Results: There are many important aspects which make change in organizations important,

now and in the future. Aspects as the demographic change or the increasing cost pressure

are problems which produce new challenges. Change management definitely is a good and

praxis oriented example which shows how organizations should change and which problems

can appear. This process always includes a lot of work, for the organization and their

members. Especially for managers, it is important to create a basic readiness for change, to

define aims and make sure that all members of the organization understand and tolerate

these.

Discussion: There are many different possibilities how change in organizations can be

conducted and there is no recipe which is the best. The “15 Punkte Sofortprogramm” for

example is a tool which creates a basic starting position and identifies potentials and failings

in the organization. If the initial position of an organization is not well analyzed, defining

aims and processes what the organization wants to achieve with change, is nearly

impossible.

Conclusions: It is always important that every organization identifies their present

resources and makes sure that every member sees the need for change. Only then change

and its processes are realizable, and flexibility and competitiveness in the health- care-

sector can be achieved.

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Page 11: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Zusammenfassung

Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit dem organisatorischen Wandel und der Bedeutung

von Change Management in Gesundheitsorganisationen.

Im ersten allgemeinen Teil werden grundlegende Aspekte wie Organisationsbegriffe, die

Bedeutung von Organisieren, Organisationsstrukturen und Aufbau- und Ablauforganisation

aufgezeigt und anhand zahlreicher Abbildung zusätzlich veranschaulicht.

Im darauf folgenden Kapitel wird die Gesundheitsorganisation an sich besprochen, ihre

Aufgaben und ihr Aufbau beschrieben, und auf ihre Merkmale die sie von anderen

Organisationen unterscheidet eingegangen.

Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit Organisationen im Wandel, wobei im speziellen auf

ein Entwicklungsmodell von Glasl/Lievegoed eingegangen wird und die einzelnen Phasen

beschrieben werden. Anschließend wird auf Gesundheitsorganisationen im Wandel gelenkt

und auf Gründe für diesen Wandel eingegangen. Dieser Teil geht auch auf die Umwelt von

Gesundheitsorganisationen ein und begründet warum ein Wandel in der heutigen Zeit immer

wichtiger wird. Abschließend wird in diesem Kapitel ein Fallbeispiel zur Reorganisation einer

Klinik gezeigt, dass besprochene Aspekte verdeutlichen soll.

Das nächste und vierte Kapitel beschäftigt sich mit dem eigentlichen Fokus der Arbeit, dem

Change Management. Anfangs wird auf den Begriff im Allgemeinen, Aufgaben und Gründe

eingegangen. Weitere Punkte sind die Entwicklung des Change Management- Plans,

Alternativen des Change Management- Prozesses im Krankenhaus aber auch die Bedeutung

und Rolle von Führungskräften und Mitarbeitern bei der Umsetzung einer Veränderung.

Abschließend wird das 15- Punkte Sofortprogramm vorgestellt, das ein von Albrecht und

Töpfer verfasster, in Form eines Buches geleisteter, Beitrag zu einem gezielten

Veränderungsprozess in der Klinik ist. Das Programm zeigt den Handlungs- und

Entwicklungsbedarf der an eine Klinik im Laufe ihrer Veränderung gestellt wird. Es werden

zwar die einzelnen Schritte beschrieben und in Kontext gebracht, jedoch nicht ausführlich

beschrieben oder mit einzelnen Praxisbespielen unterlegt, da dies den Rahmen der Arbeit

sprengen würde.

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Page 12: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Einleitung

Die zentrale Fragestellung der vorliegenden Arbeit ist, was organisatorischer Wandel in

Gesundheitsorganisationen bedeutet, und was mittels Change Management verbessert werden

kann. Dabei wird ein Hauptaugenmerk auf den Prozess des Change Managements gelegt, und

wie dieser den Wandel einer Organisation während einer Veränderung unterstützen bzw.

erleichtern kann.

Die aktuelle Umweltsituation von Organisationen, und Gesundheitsorganisationen im

Speziellen, zeigt, dass die Komplexität stark zunimmt und immer mehr neue Aufgaben

entstehen. Gründe sind z.B. die steigende Konkurrenz mit anderen

Gesundheitsorganisationen, neue Aufgabenbereiche wie die Prävention in der

Gesundheitspolitik, oder der steigende Finanzierungsdruck. Der demographische Wandel in

unserer Gesellschaft ist weiters ein wichtiger Punkt, der über kurz oder lang zu

Veränderungen in Gesundheitsorganisationen aber auch im ganzen Gesundheitssystem führen

wird. Das heutzutage 75% aller Sterbefälle durch Erkrankungen des Herz- Kreislauf- Systems

oder bösartiger Neubildungen hervorgehen, ist im Gesundheitssektor bekannt. Die

gleichzeitig immer älter werdende Gesellschaft wird früher oder später zu einer Explosion des

Ressourcenbedarfs im Gesundheitswesen führen. Der laufende Druck, der wie schon erwähnt

aus unterschiedlichen Bereichen kommt, wird zunehmend dazu führen, dass nur mehr jene

Organisationen überlebensfähig sind, die Bereitschaft zu kontinuierlicher Veränderung im

Sinne einer lernenden Organisation aufweisen und sich an die verändernde Umwelt anpassen

können und wollen. Daher hat die Arbeit zum Ziel, diesen organisatorischen Wandel zu

durchleuchten und zu definieren. Weiters wird auf die Bedeutung von Change Management

und seine Prozesse in Gesundheitsorganisationen eingegangen. Aus einschränkenden

Maßnahmen heraus, wurde nicht jeder einzelne Schritt des Change Managements genau

durchleuchtet und mit Praxisbeispielen unterlegt, da dies den Rahmen der Arbeit sprengen

und zu umfassend enden würde.

Seite 12 von 73

Page 13: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Material und Methoden

Zugrunde liegende Methode war eine systematische Literaturrecherche zu den ausgewählten

Themen. Es wurde in erster Linie, bis auf einzelne Internetquellen, fundierte Fachliteratur

verwendet und auch anhand von zahlreichen Abbildungen in die Arbeit miteinbezogen.

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Page 14: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

1. Allgemeine Einleitung zu Organisation

1.1 Der Begriff der Organisation

Der Begriff „Organisation“ ist zu einem Teil unserer Umgangssprache geworden, dessen

Verwendung an sich, meist nicht weiter reflektiert wird. Reflektiert man ihn jedoch genauer,

ist zu beachten, dass man Organisation auf zwei unterschiedliche Weisen verstehen kann.

Zum einen, bezeichnen wir ganze Systeme, wie Unternehmen, Kirchen, Schulen oder Vereine

als Organisationen. Zum anderen, bezeichnen wir aber auch die Tätigkeiten dieser Systeme

als Organisation, das Organisieren von Abläufen und Handlungen. So ist ein Unternehmen

z.B. gut organisiert, hat eine veraltete Organisation oder befindet sich in einer

Umorganisation.1

In der Betriebswirtschaft stehen folgende Interpretationen von Organisation im Vordergrund:

1. Gestalterischer Aspekt: Das Unternehmen wird organisiert, daher erhält die

Organisation eine Gestaltungsfunktion.

2. Instrumentaler Aspekt: Das Unternehmen hat eine Organisation, daher eine

bewusst geschaffene Ordnung über Abläufe. Daher hat die Organisation eine

Ordnungsfunktion mit der die Unternehmensziele erreicht werden wollen.

3. Institutioneller Aspekt: Das Unternehmen ist eine Organisation. Hier wird

festgelegt welche Gebilde in der Realität als Organisationen bezeichnet werden.2

Auch in der Organisationstheorie werden die beiden letzteren Sichtweisen des Begriffs

Organisation differenziert, im ersten Fall spricht man vom instrumentellen und im zweiten

Fall vom institutionellen Organisationsbegriff. Diese beiden Begriffe werden im Folgenden

näher erläutert.

1 vgl. Schreyögg G.: Organisation; Grundlagen moderner Organisationsgestaltung, Gabler Verlag (2003) S. 4.2 vgl. Thommen J. P.: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Gabler Verlag (2003) S. 743.

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Page 15: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

1.2 Der instrumentelle Organisationsbegriff

Grundsätzlich wird die Organisation als ein Instrument der Betriebsführung verstanden, das

versucht den Leistungsprozess zu steuern. Beim instrumentellen Organisationsbegriff steht

das Ziel die Arbeitsabläufe zu optimieren im Vordergrund, wobei das „Organisieren“ ein

Gestaltungsprozess ist der dieses ermöglicht. Innerhalb dieser instrumentellen Sichtweise

kann man wiederum zwei Arten unterscheiden wie der Gegenstandsbereich der Organisation

erfasst wird. Diese werden als funktionaler und konfigurativer Organisationsbegriff

bezeichnet.

1.2.1 Der funktionale Organisationsbegriff: Hier wird die Organisation als eine Funktion

der Unternehmensführung verstanden. Die Organisation steht neben anderen Funktionen, wie

Planung und Kontrolle, und ist im Zusammenspiel mit diesen auszuführen. In diesem Ansatz

spielt Gutenberg (1983) eine wichtige Rolle, der den betrieblichen Leistungsprozess als

Kombination von produktiven Faktoren thematisiert. In seinem Ansatz gibt es neben den drei

Elementarfaktoren; die unmittelbar produktive Arbeitsleistung, die Betriebsmittel und die

Werkstoffe einen dritten dispositiven Faktor, die Unternehmensführung bzw. das

Management des Unternehmens. Dieser vierte Faktor soll laufend sicherstellen, dass die

Elementarfaktoren optimal kombiniert sind und funktionieren.

Die Unternehmensführung hat zwei Hauptfunktionen:

1. Planung (einen Entwurf Vorausdenken)

2. Vollzug (das Geplante umzusetzen)

Die Organisation ist laut Gutenberg (1983) grundsätzlich mit dem Vollzug, also der

Organisation und der Realisierung der Planung, behaftet. Daher ist die Organisation ein

Instrument das direkt an die Planung anschließt und diese realisierbar macht.

Gutenberg fasst somit alle Regelungen die zur Planumsetzung bestimmt sind unter dem

Begriff der Organisation zusammen. Die unterschiedlichen Regelungen können weiters in

generelle und fallweise Regeln unterteilt werden.3

Bei fallweisen Regelungen gilt, dass Entscheidungen nur für den konkreten Vorgang oder die

spezielle Situation getroffen werden, und nur für diese gültig sind. Meist verlangen

3 vgl. Schreyögg G. (2003) a.a.O., S. 5- 6.Seite 15 von 73

Page 16: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

komplizierte und unregelmäßig anfallende Aufgaben nach fallweisen Regelungen bzw.

Entscheidungen. Für die Entscheidungsträger bedeutet dies meist einen großen

Entscheidungsspielraum. Generelle Regelungen schränken den Entscheidungsspielraum

wiederum mehr ein, da sie für Aufgaben gelten, die sich immer gleich oder auf ähnliche Art

und Weise wiederholen. Je höher die Regelmäßigkeit der betrieblichen Vorgänge ist, desto

mehr allgemeine Regelungen können getroffen werden. Generelle Regelungen sind meist

Richtlinien, Formulare oder Geschäftsgrundsätze die eingehalten werden müssen. Der Vorteil

genereller Regelungen ist, dass die Zahl der Einzelfallentscheidungen sinkt und somit

Führungsaufgaben automatisch vereinfacht werden. Ob aber generelle oder fallweise

Regelungen besser sind, lässt sich schwer beurteilen, da beide ihre Vor- und Nachteile

beinhalten. Daher wirkt es sich durchaus positiv auf Organisationen aus, wenn ein

ausgeglichenes Verhältnis beider Regelungen besteht.4

Durch vermehrte generelle Regelungen in einer Unternehmung besteht aber die Gefahr der

Starrheit und der Bürokratisierung betrieblicher Entscheidungsprozesse. Vor- und Nachteile

großer Organisationen in Bezug auf Regelungen können sein:

Vorteile Nachteile- Entlastungsfunktion

für die Unternehmensleitung

- Rationalisierungsfunktion

durch Arbeitsteilung

- Kostenminimierung

durch Ermöglichung einer

Massenproduktion

- Erfolgseinbußen

durch bürokratische Routine-

entscheidungen

- Motivationseinbußen

durch eingeschränkten Entschei-

dungsspielraum und mangelnde Identifi-

kation der Werktätigen mit dem WerkAbb. 1: Vor- und Nachteile großbetrieblicher Organisationen

1.2.2 Der konfigurative Organisationsbegriff: Dieser Begriff kann als Gegenposition zum

funktionalen Organisationsbegriff gesehen werden, da hier Organisation die dauerhafte

Strukturierung von Arbeitsprozessen bezeichnet. Die Organisation stellt den Umriss bzw. das

Skelett der Unternehmung dar und erhält somit ihre Form und gleichzeitig ihre Ziele. Anders

wie beim vorherigen Ansatz, ist die Organisation eine feste Strukturierung die für längere Zeit

gelten soll. Ausgangspunkt soll immer die Aufgabe sein. Die Aufgabe eines Unternehmens ist

z.B. die Produktion eines bestimmten Produktes oder der Transport von Gütern.

In beiden Ansätzen gibt es aber keinerlei Begründungen für die Sichtweisen, und eine stabil

4 URL: http://www.ibim.de/pl+orga/2-6.htm (Zugriff am 12.03.09)Seite 16 von 73

Page 17: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

gebaute hierarchische Strukturgestaltung der Unternehmung, wird als selbstverständlich

angesehen. Bis zu einem gewissen Grad stellt das konfigurative Organisationskonzept jedoch

schon einen Übergang zu dem heute gebräuchlicheren institutionellen Organisationsbegriff

dar.5

1.3 Der institutionelle Organisationsbegriff

Im Gegensatz zum oben erwähnten instrumentellen Ansatz, richtet der institutionelle Ansatz

seinen Fokus auf das gesamte System, die Institution an sich. Wie die vorhergehenden

Überlegungen zum Begriff der Organisation, ist auch in diesem Ansatz die Denkweise das

Ergebnis einer spezifischen organisatorischen Denkweise.

Wesentliches unterscheidendes Merkmal einer Institution zu einem anderen Gebilde (wie z.B.

eine Warteschlange vor einem Schalter) ist, dass sie ein gemeinsames Ziel verfolgt, und so

nach bestimmten abgesprochenen Regeln agiert und eine gewisse Beständigkeit aufweist.

Diese Unterschiede führen zu den drei Zentralelementen jedes institutionellen

Organisationsbegriffes:

Spezifische Zweckorientierung: Jede Organisation ist auf spezifische Zwecke

ausgerichtet die es zu erfüllen gilt. Die Regel dabei ist, dass Organisationen mehrere

einander widersprechende Ziele verfolgen (z.B. Flexibilität und Effizienz).

Geregelte Arbeitsteilung: Eine Organisation besteht aus mehreren Personen, deren

Aufgaben verschieden verteilt werden. Die Erwartungen der Organisation gestalten

die Aufgaben, und somit das Handeln der Mitarbeiter. Die Einhaltung der aufgestellten

Regeln wird von jedem Mitglied formal abgesichert und von der Unternehmung als

Bedingung gestellt. Dieses Regelungs- bzw. Erwartungsmuster wird als

Organisationsstruktur bezeichnet, daher ist sie ein wesentliches Definitionsmerkmal

einer Organisation und ermöglicht eine interne geregelte Arbeitsteilung.

5 vgl. Schreyögg G. (2003) a.a.O., S. 8.Seite 17 von 73

Page 18: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Beständige Grenzen: Jede Organisation hat Grenzen die eine organisatorische

Innenwelt und Außenwelt bzw. Umwelt entstehen lassen. Die Grenze zur Umwelt ist

nicht willkürlich sondern bewusst hergestellt, und sorgt für eine gewisse Stabilität.

Ziel jeder Organisation ist es, seine Grenze zur Umwelt aufrecht zu erhalten und somit

den Kreis seiner Mitglieder bestimmen zu können.

Anhand dieser Punkte ist ersichtlich, dass im institutionellen Organisationsbegriff ein zur

Gänze anderer Blickwinkel aufgegriffen wird, und sich der Gegenstandsbereich der

Organisationstheorie weitgehend ausdehnt und wichtige Probleme mit einbezieht, die im

instrumentellen Organisationsbegriff nicht aufgegriffen werden. Der institutionelle

Organisationsbegriff beschäftigt sich nicht nur mit der organisatorischen Struktur, der

formalen Ordnung, sondern sieht das ganze Gebilde, die geplante Ordnung und geplanten

Prozesse, die Funktionen der Arbeitsabläufe, die laufende Entstehung und die Veränderung

von Strukturen und die Ziele und deren Widersprüche. Der instrumentelle Begriff sieht das

organisatorische Gestaltungsproblem im Gegensatz in einem sehr engen Blickwinkel, da z.B.

Abweichungen von organisatorischen Regelungen nicht erklärt werden können, da die

Perspektive des Gesamtsystems fehlt. Ein weiteres Problem ist, dass die Strukturbildung der

Organisation als Expertenentscheidung dargestellt wird, und somit die Mitarbeiter und ihre

Reaktionen in diesem Prozess vollständig ausgeblendet werden. Daher bleiben viele

Funktionsbedingungen und Phänomene unerkannt und unbearbeitet.

Aus diesen Erläuterungen heraus scheint es verständlich, dass der instrumentelle

Organisationsbegriff durch seine fragwürdigen Begrenzungen bei der

Untersuchungsperspektive, immer weiter durch den institutionellen Begriff zurückgedrängt

wurde, und diesen in der Organisationstheorie zum Gebräuchlicheren machte.6

1.4 Was bedeutet Organisieren?

Ein Unternehmen muss in erster Linie organisieren, um eine sinnvolle Arbeitsteilung

vornehmen zu können, da an der Erfüllung der Gesamtaufgabe immer mehrere Personen

beteiligt und involviert sind. Der Begriff des „Organisierens“ ist in diesem Zusammenhang

eine Praxis, in der jeder Person eine bestimmte Teilaufgabe zugeordnet wird. In der Praxis ist

diese Arbeitsteilung nicht immer einfach durchzuführen, da es die unterschiedlichsten Arten

und Weisen gibt. Entsprechend vielfältig sind auch die bestehenden Organisationsformen in

6 vgl. Schreyögg G. (2003) a.a.O., S. 9- 11.Seite 18 von 73

Page 19: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

der Praxis.7

Beim Organisieren geht es darum, Regelungen herzustellen, die die Aufgabenteilung, die

Verknüpfungen, die Verfahrensrichtlinien für die Vorgänge in der Organisation, die

Kompetenzabgrenzungen, die Weisungsrechte usw. festlegen. Diese Regeln richten sich in

den meisten Fällen auf das Verhalten der Organisationsmitglieder und bestimmen so deren

Handlungsweisen. Automatisch wird so der Handlungsspielraum eingeschränkt und

Handlungen sind bis zu einem gestimmten Grad vorhersagbar.8

Wie auch schon zuvor erwähnt lassen sich organisatorische Regeln grundsätzlich in zwei

Gruppen einteilen, die formalen Regelungen und die informalen Regelungen.

Als Ursache dieser beiden Gruppen können genannt werden:

- menschliche Eigenheiten (z.B. gemeinsame Interessen),

- der soziale Status der Mitglieder des Unternehmens,

- die zu lösende Aufgabe,

- die Arbeitsbedingungen (z.B. Zeitdruck).9

Formale Regelungen sind demnach Regeln die fest beschlossen und vertraglich festliegen und

an die sich die Mitglieder halten müssen. Neben den formalen Regeln gibt es auch die

informalen Orientierungsmuster und Regeln. Mitglieder einer Organisation wissen meist sehr

schnell welche Regeln sie einzuhalten haben und welche nicht. Informale Regeln entstehen

oft spontan aus dem Handeln heraus und führen zu Routinen oder Standardprozeduren, die

das Verhalten besonders stark beeinflussen. Informale Regelungen können oft die

Einseitigkeit der formalen Organisation kompensieren, indem sie andere, für die

Zweckerfüllung der Unternehmung ebenfalls wichtige, Aspekte erfüllen. So kann die

informale Organisation (interne Verständigung, Erfüllung von Zugehörigkeitsbedürfnissen)

die formale stabilisieren, indem sie Schwächen kompensiert und die Organisation flexibler

macht als sie eigentlich ist.10

Im Laufe der Entwicklung der Organisationstheorie kam es immer wieder zu Diskussionen

bezüglich der Einordnung von Regeln und wie sich diese auf die Organisation auswirken.

Schlussendlich kam man aber zu dem Schluss, dass informale Handlungsmuster innerhalb 7 vgl. Thommen J. P. (2003) a.a.O., S. 741. 8 vgl. Schreyögg G. (2003) a.a.O., S. 11.9 vgl. Thommen J. P. (2003) a.a.O., S. 743. 10 vgl. Schreyögg G. (2003) a.a.O., S. 12- 14.

Seite 19 von 73

Page 20: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

einer Organisation, als auch die Entwurfsarchitektur, wichtige sich gegenseitig beeinflussende

Aspekte sind.

Organisieren wird heute nicht mehr als punktuelle Aufgabe gesehen die einmal festgelegt

wird, sondern vielmehr als ständiger sich bewegender Prozess der sich immer anderen

Schwerpunkten widmet. Da die Entwicklung der Umwelt aber auch innerhalb des Systems nie

vollständig kalkuliert werden kann, stellt der Vorgang des Organisierens immer ein Problem

dar. Daher wird Organisieren immer mehr als fortlaufende Umgestaltung der

Leistungsprozesse verstanden. Das Leitbild dazu ist nicht die stabile Ordnung, sondern die

fortlaufende Veränderung. Um dies umsetzten zu können, bedarf es einer Menge Know- how,

wie diese Veränderung umzusetzen ist und wie die Organisation in ständiger Bewegung

gehalten werden kann.11

1.5 Organisationsstrukturen und Verhalten

In keiner Organisation werden immer alle Regeln korrekt befolgt. Einerseits, weil es so viele

Regeln gibt, dass sie nicht immer alle erfüllt werden können, andererseits weil die Regeln

widersprüchlich sind und die Mitglieder versuchen sich ihnen zu entziehen. Fakt ist, dass

innerhalb des Organisierens auch die Motivation der Mitarbeiter und ihre Ermutigung, eigene

Lösungen für Problemstellungen zu entwickeln, wichtig sind. Organisieren bedeutet demnach

nicht nur Mitarbeiter durch festgelegte Regeln in vor gedachte Bahnen zu lenken, sondern

Bedingungen zu schaffen, die die Mitarbeiter ermutigen, ihre persönlichen Potenziale bei der

Lösung der organisatorischen Probleme zu entfalten.12

11 vgl. Schreyögg G. (2003) a.a.O., S. 19- 20.12 vgl. ebenda

Seite 20 von 73

Page 21: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Je größer das Unternehmen ist, desto größer ist meist auch das Motivationsproblem der

Mitarbeiter, daher kann es zu unzulänglicher Ausführung der gesetzten Ziele kommen. Durch

Koordination und Motivation versucht die Unternehmensführung diese Lücke zwischen

idealtypischer Planung und unzulänglicher Ausführung zu verringern:13

Abb. 2: Effizienzsteigerung durch Koordination und Motivation

In dieser Überlegung besteht ein grundsätzlicher Widerspruch in der Aufgabe des

Organisierens, der sich nicht endgültig lösen lässt, da der Motivationsanspruch quer zum

Regelungswillen steht und in unterschiedliche Richtungen steuert.14

1.6 Problemlösungsprozess der Organisation

Um organisatorische Probleme lösen zu können, ist es sinnvoll den Problemlösungsprozess

als formales Schema aufzuzeichnen. Aus diesem Prozess können folgende Phasen für die

Organisation abgeleitet werden:

1. Analyse der Ausgangslage: Da es eine Vielzahl von Einflussfaktoren gibt, die auf die

Organisation wirken (Umweltbedingungen, unternehmensspezifische Faktoren wie

Größe des Unternehmens) werden diese analysiert.

2. Bestimmung der Ziele der Organisation: Oberstes Ziel ist es immer die Effizienz

und den Erfolg mit einer optimalen Arbeitsverteilung zu erhöhen. Dieses Ziel kann

sich entweder auf die Aufbauorganisation (Struktur) oder die Ablauforganisation

(Prozess) beziehen.

13 vgl. Wöhe G.: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Verlag Vahlen (2008), S. 113.14 vgl. Schreyögg G. (2003) a.a.O., S. 18.

Seite 21 von 73

Page 22: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

3. Bestimmung der Organisationsmaßnahmen: Um die Ziele erreichen zu können

stehen jedem Unternehmen eine Vielzahl von organisatorischen Maßnahmen zur

Verfügung. Dabei stehen die verschiedenen Formen der Aufbau- und

Ablauforganisationen im Vordergrund, die im Laufe der Arbeit noch näher besprochen

werden.

4. Bestimmung der Mittel: Um Maßnahmen durchführen zu können, müssen

entsprechende Mittel zur Verfügung stehen. Das sind in erster Linie finanzielle Mittel

aber auch Personen, die für die Durchführung der Maßnahmen die notwendigen

Organisationsinstrumente (z.B. Stellenbeschreibung) ausarbeiten.

5. Durchführung: Die Implementierung von Maßnahmen ist ein zentraler Aspekt, der

nicht immer einfach ist, da es durch die Veränderungen bestehender Strukturen und

Abläufe oft zu Widerständen und Konflikten kommen kann.

6. Evaluation der Resultate: Das Ergebnis organisatorischer Tätigkeit ist immer eine

Neuordnung von Aufgaben. Die Evaluation gibt Auskunft darüber, inwieweit das

Unternehmen es geschafft hat, sich den Anforderungen der Umwelt, der Mitarbeiter

und des Unternehmens selbst anzupassen.15

1.7 Grundlagen der Strukturgestaltung

Sobald ein Unternehmen eine neue Aufgabe zu bewältigen hat, gilt es eine Struktur zu

schaffen die es ermöglicht diese Aufgabe auszuführen. Die Strukturbildung ist immer, wie

auch schon zuvor erwähnt, eine Einschränkung der Vielfalt der Möglichkeiten und es werden

Erwartungen an die Unternehmensmitglieder gestellt. Dabei gilt immer, je mehr Regeln

aufgestellt werden, desto mehr wird der Leistungsprozess und seine Steuerung standardisiert.

Durch die strukturelle Gestaltung von Organisationen werden einerseits Abläufe erleichtert,

andererseits aber auch das Gesamtsystem erheblich komplexer. Je mehr Teilsysteme

(Abteilungen) entstehen und je unterschiedlicher sich diese zueinander verhalten, desto

schwieriger ist es den Überblick zu behalten. Daher wird die Integration der Teile zu einem

immer größeren Problem und es muss sowohl Arbeitsteilung, als auch Arbeitsvereinigung

durchgeführt werden. In der Organisationsliteratur werden häufig die beiden Begriffe

15 vgl. Thommen J. P. (2003) a.a.O., S. 744.Seite 22 von 73

Page 23: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

„Differenzierung“ und „Integration“ für diese Aspekte verwendet, die als Basisaufgaben der

organisatorischen Strukturgestaltung gelten. Aus diesem Zusammenhang heraus lässt sich das

zu lösende Problem der Aufgabenstrukturierung mit der Integration und der Differenzierung

als Dualproblem bezeichnen.16

Organisatorische

Differentzierung

1.8 Die Aufbauorganisation

Die Gesamtaufgabe des Unternehmens geht mit der Erreichung des Unternehmensziels Hand

in Hand, sodass die organisatorische Struktur der Unternehmung auf diese ausgerichtet sein

muss. Das Ergebnis dieses Prozesses ist die Aufbauorganisation:

Abb. 3: Arbeitsschritte zur Schaffung einer Aufbauorganisation

16 vgl. Schreyögg G. (2003) a.a.O., S. 109- 112.Seite 23 von 73

Organisatorische

Integration

Page 24: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Bei der Schaffung einer Aufbauorganisation ist die Aufgabenanalyse der erste wichtige Schritt

der unternommen werden muss, da die Gesamtaufgabe der Unternehmung in

Elementaraufgaben, wie z.B. Schreiben, Transportieren, zerlegt wird:

Abb. 4: Aufgabenanalyse und -synthese

Bei der Bildung einer Aufbauorganisation stehen folgende Probleme/Kriterien im

Vordergrund:

- Nach welchen Kriterien kann die Gesamtaufgabe gegliedert werden und in

Elementaraufgaben zerlegt werden?

- Nach welchen Kriterien können die Elementaraufgaben zu Aufgabenkomplexen

(Stellen) zusammengefasst und strukturiert werden?

- Nach welchen Kriterien können die einzelnen Stellen in Beziehung zueinander gesetzt

werden?

Die Kombination dieser genannten Kriterien ergibt die unterschiedlichen Arten von

Organisationsformen in der Praxis.17

Nach der Aufgabenanalyse, werden die Teilaufgaben zu, für das Unternehmen wirtschaftlich

sinnvolle, Aufgabengruppen zusammengefasst. Diesen Vorgang nennt man Aufgabensynthese.

Während der Aufgabensynthese entstehen Stellen, die die kleinste organisatorische Einheit

eines Unternehmens darstellen. Auf sie wird im Laufe der Arbeit noch genauer eingegangen

werden.

17 vgl. Thommen J. P. (2003) a.a.O., S. 752.Seite 24 von 73

Page 25: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Die Zerlegung der Gesamtaufgabe kann anhand verschiedener Kriterien durchgeführt

werden:18

Gliederungskriterien GliederungsergebnisVerrichtung Forschen, Bestellen, Montieren, VerkaufenObjekt (Verschiedene) Tätigkeiten an Produkten A, B, CRang Dispositive bzw. ausführende TätigkeitPhase Planung, Ausführung, KontrolleZweck Primärer Betriebszweck (Leistungserstellung/ Absatz)

Sekundärer Betriebszweck (Rechnungswesen/ Verwaltung)Tab. 1: Kriterien der Aufgabenanalyse

Folgend werden die fünf Kriterien kurz erläutert:

1. Verrichtungsanalyse: Die Gesamtaufgabe wird als, in unterschiedliche Teile

unterteilte, Verrichtung verstanden, die in der Verrichtungsanalyse herausgefiltert

wird. Die Verrichtung ist die Tätigkeit, die für die Aufgabenerfüllung benötigt wird. In

der Verrichtungsanalyse werden die unterschiedlichen Verrichtungen solange zerlegt,

bis die Ebene der Elementarverrichtung erreicht wird.

2. Objektanalyse: In einem zweiten Schritt der Aufgabenanalyse werden

Bearbeitungsobjekte herausgefiltert, wobei von einem Oberobjekt ausgehend bis zu

den Elementarobjekten hierarchisiert wird.

3. Phasenanalyse: Für die Phasenanalyse ist das 3- Phasenschema (Planung-

Realisation- Kontrolle) vorgesehen. Sie ist der Verrichtungsanalyse sehr ähnlich,

jedoch kommt die Analyse des zeitlichen Ablaufes hinzu.

4. Ranganalyse: Sie steht in enger Beziehung mit der Phasenanalyse und gliedert nach

Entscheidungs- und Ausführungsaufgaben.

5. Zweckbeziehung: Das fünfte Gliederungsmerkmal will die Aufgaben und

Teilaufgaben nach ihrer Stellung im Leistungsprozess ordnen. Dabei werden die

Aufgaben unterschieden ob sie direkter oder indirekter Art sind.19

18 vgl. Wöhe G. (2008) a.a.O., S. 117.19 vgl. Schreyögg G. (2003) a.a.O., S. 114- 118.

Seite 25 von 73

Page 26: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Die ersten beiden Kriterien (Verrichtungs- und Objektanalyse) sind in der gängigen Praxis am

bedeutendsten. Die Verrichtungsanalyse hat eine Tätigkeit an verschiedenen Objekten zum

Ziel, und die Objektanalyse hat verschiedene Tätigkeiten an je einem Objekt zum Ziel. Die

folgende Abbildung soll diesen Unterschied zusätzlich veranschaulichen:

Abb. 5: Funktionale und divisionale Organisation

Zu solch einer Struktur der Unternehmung gelangt man aber nur, wenn man zuvor im Rahmen

der Aufgabensynthese Stellen gebildet hat.

1.9 Stelle

Die Stelle ist, wie schon zuvor kurz erwähnt, die kleinste organisatorische Einheit eines

Unternehmens und setzt sich aus verschiedenen Teilaufgaben zusammen, die wiederum einen

bestimmten Aufgabenkomplex bilden. In der Theorie werden ausführende Stellen, die auf der

Ausführungsebene, und Leistungsstellen (Instanzen) die auf der Führungsebene angesiedelt

sind, unterschieden. Ausführende Stellen sind meist mehreren Instanzen unterstellt und haben

keine eigenen Weisungsbefugnisse gegenüber anderen Stellen. Neben den genannten Stellen

gibt es auch Mischformen, zu denen die Stabstellen und die Zentralstellen gehören. Die

Stabstelle dient in erster Linie der Entlastung und der Unterstützung von Geschäfts- und

Bereichsleitern. Wie oft es zum Einsatz von Stabstellen kommt ist immer von der Situation

und den Bedürfnissen der Unternehmung abhängig. Folgende Einflussfaktoren spielen dabei

aber eine große Rolle:

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Page 27: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

- Qualität des Stabes (Besetzung),

- Art der Aufgaben,

- Größe des Unternehmens,

- Führungsstufe,

- Intensität der Zusammenarbeit zwischen Stäben und Liniensystem.20

Im organisatorischen Sinne unterscheidet man aber zwischen Stelle und Arbeitsplatz, da der

Arbeitsplatz der konkrete Ort und Raum der Aufgabenerfüllung ist, und die Stelle der

abstrakte Aufgabenkomplex. Daher kann eine Stelle mehrere Arbeitsplätze aufweisen und von

mehreren Personen besetzt sein.

1.10 Die Ablauforganisation

Im Gegensatz zur Aufbauorganisation, wo es um die Strukturierung des Unternehmens in

dessen Einheiten (Stellen, Abteilungen) geht, beschäftigt sich die Ablauforganisation vielmehr

mit der Festlegung der Arbeitsprozesse unter der Berücksichtigung von Raum, Zeit,

Sachmittel und Personen. Ausgangspunkt der Ablauforganisation sind die Elementaraufgaben

die aus der Aufgabenanalyse gewonnen werden. Diese bilden die Grundlage für die

Arbeitsanalyse und die Arbeitssynthese:

Arbeitsanalyse: Die Elementaraufgaben werden weiter in einzelne Arbeitsteile zerlegt.

Arbeitssynthese: Die Arbeitsteile die aus der Arbeitsanalyse hervorgehen, werden unter

Berücksichtigung der Arbeitsträger (Personen oder Sachmittel), des Raumes und der Zeit zu

Arbeitsgängen zusammengesetzt. Dieser Prozess vollzieht sich in drei Stufen:

1. Arbeitsverteilung (personale Arbeitssynthese): Personen werden Aufgaben

zugeteilt, mit Berücksichtigung ihrer Kompetenzen.

2. Arbeitsvereinigung (temporale Arbeitssynthese): Bestimmung der Arbeitsgänge in

zeitlicher Hinsicht.

20 vgl. Thommen J. P. (2003) a.a.O., S. 747.Seite 27 von 73

Page 28: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

3. Raumgestaltung (lokale Arbeitssynthese): Räumliche und zweckmäßige Anordnung

und Ausstattung der Arbeitsplätze.

In der Praxis geht die Ablauforganisation meist stärker ins Detail als die Aufbauorganisation.

Oft beginnt sie dort wo die Aufbauorganisation aufhört, wobei der Übergang fließend zu

sehen ist und sie sich gegenseitig beeinflussen.21

Die folgende Abbildung veranschaulicht den Zusammenhang der beiden Prozesse zusätzlich:

Abb. 6: Zusammenhang Aufbau- und Ablauforganisation

1.10.1 Ziele bzw. Prinzipien der Ablauforganisation

- Prinzip der Termineinhaltung: Optimale Abstimmung der Fertigungstermine mit den

Auftragsterminen.

- Prinzip der Zeitminimierung: Möglichst keine Wartezeiten entstehen lassen.

- Prinzip der Kapazitätsauslastung: Minimierung der Leerzeiten, in denen Betriebsmittel

und Arbeitskräfte nicht genutzt werden.

21 vgl. Thommen J. P. (2003) a.a.O., S. 755. Seite 28 von 73

Page 29: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

1.11 Leitungsprinzipien

Durch die Verteilung der Aufgaben im Unternehmen müssen zwischen den verschiedenen

Stellen Beziehungen hergestellt werden. Diese Kommunikationsbeziehungen werden als

Leitungssysteme bezeichnet, wobei sich zwei Beziehungen zwischen Instanzen und

ausführenden Stellen unterscheiden lassen, das Einliniensystem und das Mehrliniensystem. Im

Folgenden werden diese beiden Systeme kurz beschrieben.

1.11.1 Einliniensystem

Hier erhält die Stelle nur von einer vorgesetzten Instanz Anweisungen, wobei die

Verbindungswege sowohl die Entscheidungs- als auch die Mitteilungswege beinhalten.

Bei der Beurteilung des Einliniensystems können folgende Vor- und Nachteile aufgezeigt

werden:

Vorteile:

- straffe Regelung der Kommunikationsbeziehungen

- Klarheit, Übersichtlichkeit und Einfachheit,

- klare Abgrenzung von Kompetenzen und Verantwortung.

Nachteile:

- Starrheit,

- Länge und Umständlichkeit der formalen Dienstwege/ Kommunikationswege,

- starke Belastung der Zwischeninstanzen.22

22 vgl. Thommen J. P. (2003) a.a.O., S. 790.Seite 29 von 73

Page 30: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Die folgende Abbildung veranschaulicht die Strukturgestaltung des Einliniensystems:

Abb. 7: Strukturtyp der Einlinienorganisation

1.11.2 Mehrliniensystem

Dem Einliniensystem steht das Mehrliniensystem gegenüber. Dieses auch hierarchisch

gedachte System baut auf dem Spezialisierungsprinzip auf und verteilt die

Koordinationsaufgaben auf mehrere Instanzen. Das Prinzip der Einheit bei der

Auftragserteilung wird durch das Prinzip des kürzesten Weges ersetzt. Als Vor- und Nachteile

gelten:

Vorteile:

- Ausnutzung der Vorteile einer Spezialisierung,

- Ausnutzung des kürzesten Weges zwischen den Stellen,

- Motivation durch Ausrichtung auf spezifische Fähigkeiten der beteiligten Personen.

Nachteile:

- Gefahr der Aufgabenüberschneidungen

- Kompetenz- und Verantwortlichkeitskonflikte,

- komplexes System bei wachsender Stellenzahl.23

23 vlg. ebendaSeite 30 von 73

Page 31: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Da im Mehrliniensystem die Gefahr der Kompetenzstreitigkeiten auf der Leitungsebene und

die Gefahr der Verunsicherung („Diener zweier Herren“) auf der nachgeordneten Ebene

besteht, ist das Mehrliniensystem in der Organisationspraxis kaum anzutreffen. Die folgende

Abbildung veranschaulicht die Strukturgestaltung des Mehrliniensystems:

Abb. 8: Strukturprinzip des Mehrliniensystems

2. Gesundheitsorganisationen

2.1 Begriff der Identität

Die Identität einer Organisation entsteht in der Organisationskultur, also den gemeinsamen

Werten, Normen und Überzeugungen der Mitglieder. Mit dieser spezifischen

Organisationskultur kann die gemeinsame Vergangenheit und die sich ständig verändernde

Umwelt zusammen interpretiert und beeinflusst werden. Der Großteil der öffentlich-

rechtlichen Spitäler ist mittelbar oder unmittelbar von Gebietskörperschaften (Länder,

Gemeinden) getragen und mitfinanziert. Daher haben die meisten operativen

Gesundheitsorganisationen ein Abhängigkeitsverhältnis zu Politik und Bürokratie.24

Grundsätzlich ist es unangemessen von einer Identität eines Krankenhauses zu sprechen, da

eine Vielzahl von Subkulturen besteht, die unterschiedliche Kriterien erfüllen:

Fachdisziplinen, Berufsgruppen etc. Die unterschiedlichen Normen und Werte dieser

Subkulturen prägen das Handeln der Organisationsmitglieder in den meisten Fällen stärker als

die Identität der Gesamtorganisation.

24 vgl. Heimerl- Wagner P.: Management in Gesundheitsorganisationen, Ueberreuter Verlag (1996), S. 128.Seite 31 von 73

Page 32: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Das so genannte Schachtelmodell der Kultur veranschaulicht diese Zusammenhänge:

A – Privatkultur: kulturelle Standards eines Individuums

B – Gruppenkultur: kulturelle Standards einer (Abteilungs-)Gruppe

C – Unternehmenskultur: kulturelle Standards eines Unternehmens

D – Branchenkultur: kulturelle Standards einer Branchengemeinschaft

E – Gesellschaftskultur: kulturelle Standards einer ganzen Gesellschaft

Abb. 9: Das „Schachtelmodell“ der Kultur

In Krankenhäusern können diese Kulturebenen folgende Formen annehmen:

- Privatkultur: kulturelle Standards der leitenden Pflegeperson und/oder des Arztes

- Gruppenkultur: kulturelle Standards der Abteilung, Station, Berufsgruppe,

Hierarchieebene

- Organisationskultur: kulturelle Standards des Krankenhauses (z.B. christliche Werte

in Ordensspitälern)

- Branchenkultur: kulturelle Standards des Gesundheitswesens wie beispielsweise

überlieferte Traditionen (Visite)

- Gesellschaftskultur: kulturelle Standards der Gesellschaft gegenüber dem Wert der

Gesundheit, Spitälern, Ärzten etc.

2.2 Professionelle Organisationen

Diese oben beschriebenen Kulturebenen stehen im direkten kommunizierenden

Zusammenhang und tauschen sich gegenseitig aus. Spitäler sind, wie andere soziale

Dienstleistungsinstitutionen (z.B. Universitäten), den professionellen Organisationen

zuzuordnen (Profibürokratien, Expertenorganisationen).

Seite 32 von 73

Page 33: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Ihre Charakteristiken sind:

- Aufgabenorientierung: Der primäre Bezugspunkt des organisatorischen Handelns ist

die Aufgabe, im Krankenhaus somit die medizinische Behandlung. Das gemeinsame

Ziel ist die medizinische Diagnose- bzw. der Therapieerfolg. Wo zum einen

Kommunikationsstrukturen wie die Organisation einer Operation und deren Erfolg

tagtäglich einwandfrei durchgeführt und verfolgt werden, werden zum anderen andere

struktur- und strategie bildende Kommunikationsprozesse tendenziell vernachlässigt.

Zu diesen zählen Teamentwicklung, Personalentwicklung oder gemeinschaftliche

Planungsprozesse.

- Kategorisierung der Aufgaben: In einer professionellen Organisation sind aufgrund

der Kompliziertheit der Aufgaben genaue Kategorisierungen der Aufgaben nötig.

Patienten werden demnach in Fachbereiche sortiert und innerhalb der Fachbereiche

weiter kategorisiert, um somit die richtigen therapeutischen Maßnahmen durchführen

zu können. Diese Kategorisierung hat den Zweck, dass möglichst standardisierte

Abläufe durchgeführt werden können. Wie in anderen Organisationen führen diese

Ausdifferenzierungen oft zu Kompetenzkonflikten (z.B. zwischen Chirurgie und

Pädiatrie).

- Autonomie: Aufgrund der Aufgabenkomplexität und dem hohen Grad an ExpertInnen

im Spital, ist es für die Administration schwer, inhaltlich kompetente Diskussionen mit

ihnen zu führen. Die Autonomie der einzelnen operativen Organisationsbereiche

(Abteilungen, Stationen) stellt einen hohen Wert dar, der gegenüber der Organisation,

aber auch den anderen Abteilungen verteidigt wird. Daher ist es oft sehr schwer

strategische Koordination oder fachübergreifende Zusammenarbeit durchzuführen.

- Personenorientierung: In der Regel treten Personen als Orientierungspunkte für die

Wahrnehmung vor die Bedeutung und die Struktur der Organisation. Bestimmte

Organisationseinheiten (z.B. die pädiatrische Abteilung eines Spitals) werden meist

bestimmten Personen, wie dem dort zuständigen Primar zugeordnet. Auch Patienten

orientieren sich in erster Linie an der Kompetenz der leitenden Person. Kommt es

dann aber zu Fehlern, wird stets rasch nach schuldigen Personen gesucht und

Handlungsmuster der Organisation verkürzt auf die Handlungen einzelner Personen

Seite 33 von 73

Page 34: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

zurückgeführt. In Bezug auf Strukturveränderungen in professionellen Organisationen,

machen Situationen wie diese erhebliche Probleme.

- Die Rolle des professionellen Administrators: Er ist einerseits ein Bindeglied

zwischen Experten und Administration und hat andererseits auch eine Außenfunktion

mit dem Ziel der Ressourcensicherung. Dabei ist zu erwähnen, dass der professionelle

Administrator seinen Einfluss nur so lange behält, wie die Mitarbeiter den Eindruck

haben, dass er ihre Interessen vertritt und umsetzt.

- Strategieentwicklungsproblem: Aufgrund der schon genannten Punkte ist erkennbar,

dass es nur schwer möglich ist, eine einheitliche Organisationsstrategie zu definieren

und zu praktizieren. Diese Tatsachen machen auch den Trägerorganisationen zu

schaffen, da Innovationsvorhaben und die damit verbundene Zusammenarbeit

mehrerer Spezialisten immer wieder auf Zurückhaltung stoßen.

- Berufsgruppenorientierung: In professionellen Organisationen ist es üblich, dass es

zu einer strikten Differenzierung zwischen den professionellen und den

unterstützenden Funktionen kommt. Mediziner sind meist die professionelle Funktion

und die Pflege ist, je nach Blickwinkel, eine der beiden Gruppen zuzuordnen. Die

beiden Kulturen Pflege und Medizin sind aber nach wie vor zwei Bereiche, die sich

voneinander abgrenzen und nebeneinander her „leben“.25

2.2 Strukturen von Gesundheitsorganisationen

In der Praxis gibt es, wie auch schon im Laufe der Arbeit zuvor erwähnt, zwei Arten der

Arbeitsteilung: funktional (nach Art der Tätigkeit) und divisional (nach Objekten). Im Spital

liegt eine funktionale Arbeitsteilung, die sich an Berufsgruppen stützt, vor. Wie jede

Organisationsstruktur hat auch die funktionale Gliederung einer Organisation bestimmte,

schon aufgezählte, Vor- und Nachteile. Dabei gilt, je stärker die funktionale Arbeitsteilung ist,

desto mehr Schnittstellen und Informationsbedarf bestehen.

Auch in der Pflegetätigkeit auf der Stationsebene kann entweder funktional organisiert

werden (jede/r PflegerIn erbringt einzelne Tätigkeiten an allen Patienten; Funktionspflege),

oder objektorientiert (jede/r PflegerIn betreut einige wenige Patienten umfassend;

25 vgl. Heimerl- Wagner P. (1996) a.a.O., S. 132 ff.Seite 34 von 73

Page 35: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Bezugspflege). Daher lassen sich schlussendlich drei Gliederungskriterien aufzeigen, die im

Spital anwendbar sind: Berufsgruppen, Produktgruppen und Kundengruppen, wobei jedes

dieser Gliederungsprinzipien spezifische Kriterien der Organisationsentwicklung fördert aber

auch behindert.26

In einem Spital wird der Primärprozess auf struktureller Ebene in berufsgruppenspezifische

Teilfunktionen aufgespaltet. Daher gibt es einen erhöhten Kommunikations- und

Koordinationsaufwand der einerseits von einer zentralen Leitung und andererseits von

laufenden horizontalen Abstimmungen auf ausführender Ebene gesteuert wird. In der Praxis

gibt es oft Missverständnisse und Kompetenzabgrenzungskonflikte zwischen den

Berufsgruppen die auch fatale Folgen, wie Patientenverwechslungen, haben können. Je

stärker die funktionale Arbeitsteilung ist, desto mehr Schnittstellen und umso mehr

Informationsbedarf entstehen.27

Ein wesentliches Charakteristikum von Gesundheitsorganisationen ist, dass sie an mehreren

gesellschaftlichen Funktionalsystemen teilnehmen und somit mehrere „Sprachen“

nebeneinander existieren. Damit steigen auch die Ansprüche an die formalen und informalen

Regelstrukturen der Organisation, um den Kommunikationsfluss zu kanalisieren.28

An der Spitze der gesetzlich definierten Verantwortlichkeitsstruktur eines Krankenhauses

steht die Kollegiale Führung, die sich aus unterschiedlichen Berufsgruppen zusammensetzt

(in der Regel die ärztliche Leitung, die Pflegedirektion und die Verwaltungsdirektion). Der

Berufsgruppenstruktur der kollegialen Führung liegen eher standespolitische als

patientenorientierte Überlegungen zugrunde. Öffentliche Träger übernehmen wie schon

erwähnt meist die dreifache Verantwortlichkeitsstruktur. Die somit bestehende

Aufbauorganisation nach Berufsgruppen und die Verankerung entsprechender, kollegialer

Führungsorgane hat zu einer vermeintlichen oder tatsächlichen Gleichstellung der

Berufsgruppen geführt. Dabei wird aber weder die Kooperation noch die Koordination der

Leistungserbringung der Spitäler gefördert, sondern im Gegenteil sogar behindert. Somit

können Konflikte zwischen Berufsgruppen die „unten“ auftreten leicht nach „oben“ getragen

werden.29

26 vgl. Heimerl- Wagner P. (1996) a.a.O., S. 136 ff. 27 vgl. ebenda28 vgl. Heimerl P.: Wandel und Intervention in Gesundheitsorganisationen, Linde Verlag (2005) S. 43.29 vgl. Heimerl P. (2005) a.a.O., S. 60.

Seite 35 von 73

Page 36: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Oft kommt es in Gesundheitsorganisationen zu Abgrenzungstendenzen zwischen den

Berufsgruppen. Fast jede zweite Pflegende erlebt zumindest zeitweilig Probleme in der

Zusammenarbeit mit Ärzten. Ursachen für diese Probleme können sein:

- Unterschiedliche Sprachen: medizinische Fachsprache, unterschiedliche Codes

gesellschaftlicher Funktionssysteme (Medizin, Wirtschaft, Wissenschaft, Politik).

- Unterschiedliche Gesundheitskonzepte: naturwissenschaftlich- analytische versus

ganzheitliche Ansätze.

- Unterschiedliche Berufskulturen: Umgang miteinander, Umgang mit Fehlern etc.

- Statusunterschiede: z.B. akademische versus überwiegend nichtakademische

Ausbildung.

- Frauenberuf versus Männerberuf verbunden mit Berufsstereotypen.30

Spitäler werden offiziell häufig als Einliniensysteme dargestellt. Dies entspricht in der Praxis

jedoch nicht der ganzen Wirklichkeit, da in der gängigen Spitalsstruktur oft zwei

Gliederungsprinzipien parallel existieren: Die disziplinarische Berufsgruppen- und die

medizinisch- fachliche Produktgruppenstruktur. Weiters existieren in Spitälern traditionell

zwei Autoritätslinien: Eine geht von der Trägerorganisation über die Kollegiale Leitung zu

den Mitarbeitern der verschiedenen Berufsgruppen, die andere besteht aus unterschiedlichen

professionellen Mitarbeitern, meist Ärzten, die dem Pflege- und technischen Personal

Anweisungen in Bezug auf die Patientenbehandlung geben. Durch diese beiden

Autoritätslinien kommt es zu Ziel- und Kompetenzkonflikten. Ansätze aus den siebziger

Jahren gehen davon aus, beide Linien bestehen zu lassen und sie explizit zu machen.

30 vgl. Heimerl P. (2005) a.a.O., S. 69.Seite 36 von 73

Page 37: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Damit entsteht eine Matrixstruktur die im Folgenden abgebildet ist:

Abb. 10: Matrixförmige Darstellung der Organisationsstrukturen eines Spitals

Mit der Matrixorganisation wird die Eindeutigkeit der Unterstellung aufgegeben und es

entsteht eine für Spitäler typische fragmentierte Organisationsstruktur. Wie in jeder

Matrixorganisation kommt es auch in diesem Fall oft zu einem erhöhten Konfliktpotential und

eine hohe Anforderung an die interpersonale Kompetenz, Konflikttoleranz und

Konfliktlösungsfähigkeit der einzelnen Rollenträger sind von großer Bedeutung.

Das Innovationspotenzial dieser Struktur liegt in teamartigen Koordinations- und

Entscheidungsprozessen, die aufgrund der Doppelunterstellung gegeben sind. Die Matrix

kann aber auch zu einer Hemmung von Entscheidungsprozessen führen, vor allem wenn das

Prinzip der Gruppenentscheidung zu stark betont wird und es zu Gruppendiskussionen und

möglichen schlechten Entscheidungen kommt. Weiters gibt es derzeit den Trend zur

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Page 38: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Errichtung von Stabstellen (z.B. Controlling, Qualitätsmanagement oder

Personalentwicklung), die aber auch die Gefahr der Verlangsamung und Komplizierung der

Entscheidungsprozesse beinhalten.

3. Organisationen im Wandel

Wandelprozesse in Organisationen sind nicht nur durch eine spezielle Intervention

gekennzeichnet, sondern bestehen aus einem ganzen Bündel von Maßnahmen die auf

unterschiedlichen Ebenen ansetzen. Die Interventionsmethoden um zu einem

organisatorischen Wandel zu gelangen wurden nie als bloßer Werkzeugkasten begriffen, aus

dem beliebig einzelne Werkzeuge entnommen werden können, sondern sind vielmehr im

Kontext des Gesamtsystems zu verstehen und anzuwenden.31

Wenn man Organisationen im Zeitverlauf beobachtet, lassen sich aus unterschiedlichen

Blickwinkeln Veränderungen feststellen: Personen treten in die Organisation, verändern sich,

scheiden aus, neue Technologien kommen zur Anwendung und bedingen Veränderungen der

Arbeitsorganisation, Kundengruppen verschieben sich, die Umwelt der Organisation

verändert sich etc. In der Organisationsforschung gibt es zahlreiche Modelle die

unterschiedliche Veränderungsprozesse in Organisationen beschreiben. Alle Modelle gehen

aber von folgenden Prämissen aus:

- Organisationen tragen eine gerichtete, irreversible, immanente Entwicklungslogik von

Gründung in sich. Die Umwelt wird als Kraft gesehen, die Veränderungen der

Organisation induziert.

- Die Veränderung von Organisationen besteht aus einer konsekutiven Abfolge von

Entwicklungsphasen die sich gegenseitig bedingen.

- Die einzelnen Entwicklungsstadien sind durch bestimmte „Konfigurationen“ markiert,

wobei es dazwischen auch Phasen des Umbruchs oder der Krise gibt.

31 vgl. Schreyögg G. (2003) a.a.O., S. 514.Seite 38 von 73

Page 39: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Ein oft beschriebenes Entwicklungsmodell ist das Entwicklungsmodell von Glasl/Lievegoed

und definiert vier Phasen:

1. Pionierphase

2. Differenzierungsphase

3. Integrationsphase

4. Assoziationsphase

Die einzelnen Phasen haben jeweils Organisationsmetaphern zugeordnet: Familie, Apparat

(Maschine), Organismus und Glied im Biotop. An den Übergängen der jeweiligen Phase tritt

immer eine Zeit der Neuorientierung der Organisation auf, die meistens mit krisenhaften

Erscheinungen einhergeht:

Abb. 11: Modell organisatorischen Wandels

1. Pionierphase: Das Unternehmen als Familie oder Stamm: In dieser Phase wird das

Unternehmen grundlegend von der Pionierpersönlichkeit, die meist der Gründer selbst

ist, geprägt. Typische Charakteristika sind:

- Image, Sinn und „Leitbild“ werden geprägt

- Ziele, Sinn und Zweck sind für jeden sichtbar

- Die Mitarbeiter sind alle direkt dem Chef unterstellt

- Die Funktionen wachsen um die Personen herum

- Das Unternehmen ist wie eine „große Familie“

- Die Mitglieder der Organisation pflegen intensive und direkte Kontakte

- etc.

2. Organisationsphase (= Differenzierungsphase): Das Unternehmen als konstruierter

Apparat: Transparenz, Systematik, Logik und Steuerbarkeit stehen in dieser Phase an

erster Stelle. Die Organisation wird als steuerbare, beherrschbare und kontrollierbare

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Page 40: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Maschine angesehen, daher steht betriebswirtschaftliches und technisches Denken im

Vordergrund. Die Säulenbildung in Verwaltung, Produktion und Verkauf findet statt.

Kennzeichen dieser Phase sind:

- produktorientiertes Denken

- Marktforschung

- Klares Kommunikations- und Berichtwesen wird installiert

- Wirtschaftliche Unternehmensführung

- Statistiken

- etc.

3. Integrationsphase: Das Unternehmen als lebendiger Organismus: Da es im Laufe

der Organisationsphase zu einer Erstarrung, in der Verfahren wichtiger als Ziele und

Ergebnisse werden, der Organisation kommen kann, gilt es in dieser Phase die

Beziehungen zwischen Menschen, Gruppen (Abteilungen) und größeren Einheiten neu

zu gestalten. Die Eigenschaften der Organisation in der Integrationsphase sind

folgende:

- Das Handeln der Organisationsmitglieder orientiert sich am Problem des Kunden

- Gemeinsames Selbstverständnis wird entwickelt

- Das Gesamtunternehmen wird in kleine, eigenverantwortliche Einheiten strukturiert

- Mensch und Arbeit befruchten einander

- Das Rechnungswesen dient als Informationsquelle für Entscheidungen

- etc.

4. Assoziationsphase: Das Unternehmen als Glied im Biotop: Diese Phase wurde in

einer Überarbeitung des Modells in den neunziger Jahren hinzugefügt. Diese Phase

lenkt den Blick auf die Handhabung der Organisationsumwelt, daher geht es um die

Vernetzung der Organisation mit den Umwelten. Vernetzungen finden z.B. in

Forschung und Produktentwicklung, mit Lieferanten, in der Produktion und mit

Vertriebspartnern statt.

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Page 41: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Typische Charakteristika sind:

- Intensive Zusammenarbeit mit anderen Organisationen, daher eine ständige Arbeit an

der eigenen Integrität

- Vermehrte Personalpolitik und Personalentwicklung

- In der Ablauforganisation erweitertes Prozessdenken, Selbststeuerung und

Nahtstellen- Management

- etc.32

Entwicklungsmodelle wie das eben beschriebene haben einen idealtypischen Charakter, daher

sind Prognosen für Einzelfälle kaum ableitbar. Die Modelle dienen aber als Unterstützung bei

Organisationsdiagnosen, da sich einzelne Symptome zusammenfügen lassen und Krisen-

erscheinungen als „natürlich“ erkennbar gemacht werden. So kann verdeutlicht werden, dass

Krisen in einer Organisation nicht oder nur selten auf das Versagen einzelner Personen

zurückzuführen sind, sondern meist von den Strukturen des Systems ausgehen. Daher sind

Phasenmodelle dazu da, die Notwendigkeit der Veränderungen in Organisationen zu

verdeutlichen.33

3.1 Gesundheitsorganisationen im Wandel:

Die aktuelle Umweltsituation von Gesundheitsorganisationen zeigt, dass die Komplexität

stark zunimmt. Gründe dafür sind z.B. die steigende Konkurrenz zwischen einzelnen

Gesundheitsorganisationen, „Mündigkeit“ der Patienten, Personalprobleme, neue

Aufgabenbereiche (z.B. Prävention) oder steigender Finanzierungsdruck.34

Ein gut funktionierendes Gesundheitssystem ist ein integrierter und nicht wegzudenkender

Bestandteil des Sozialsystems der entwickelten Industriegesellschaften. Dieses System

befindet sich jedoch in den letzten Jahren in den meisten Industrieländern im Mittelpunkt

zahlreicher Diskussionen und in einem Prozess dynamischer Veränderung. Es vergeht kaum

eine Woche in der nicht über die Zweifel der Finanzierbarkeit des Systems oder der sozialen

Krankenversicherung der Spitäler berichtet wird. Im Mittelpunkt dieser Diskussionen stehen

die künftige Absicherung der Finanzierung der Versorgung, der Aufrecherhaltung einer

32 vgl. Heimerl P. (2005) a.a.O., S. 114- 118.33 vgl. Heimerl P. (2005) a.a.O., S. 119.34 vgl. Heimerl- Wagner P. (1996) a.a.O., S. 155.

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Page 42: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Zugangsgarantie zu medizinischen Leistungen für alle, der Qualität der Leistungen und auch

der Einsatz von moderner medizinischer Technologie. Die meisten Länder versuchen diese

bestehenden Probleme anhand von Reformprojekten zu lösen, stoßen aber immer wieder auf

Widerstand oder Ablehnung aus den verschiedenen Berufsgruppen und Akteuren. Beispiele

dafür sind das Gesundheitsstrukturgesetz in der Bundesrepublik Deutschland, der

Bundeskrankenanstaltenplan oder die Einführung der leistungsorientierten Finanzierung in

Österreich. Fakt ist, dass die Ausgaben pro Kopf in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen

sind. Dabei ist weiters zu beachten, dass die Zuwächse jeweils über den Zuwächsen des

Bruttoinlandsproduktes der jeweiligen Länder lagen und gleichzeitig der Ressourceneinsatz

auch stieg.35

Der demographische Wandel ist ein weiterer grundlegender Aspekt der zu den starken

finanziellen Anstiegen im Gesundheitswesen beiträgt. Die Zunahme der Lebenserwartung ist

ein Trend, der sich laut Prognosen auch in der Zukunft noch fortsetzten wird. In Österreich

stieg die Lebenserwartung zwischen dem Jahr 1902 und dem Jahr 1994 eines neugeborenen

Mädchens von 40.6 Jahren auf 73.3 Jahr, was einer Erhöhung um rund 85% entspricht. Seit

Beginn der achtziger Jahre kommt es aber auch zu einer Zunahme der ferneren

Lebenserwartung. Die Daten zeigen, dass es in den letzten Jahrzehnten zu einer Zunahme der

Lebenserwartung um rund 3 Jahre gekommen ist:36

Lebenserwartung bei Geburt (Österreich) Männer Frauen1970/72 66,68 73,691994/96 73,60 79,99

Tab. 2: Lebenserwartung bei Geburt

Infektionskrankheiten wie Scharlach, Masern, Tuberkulose, Pocken oder Cholera waren

Anfang des Jahrhunderts die wesentlichen Todesursachen. Im Laufe der ersten Jahrzehnte

dieses Jahrhunderts kam es, hauptsächlich durch die Verbesserung der hygienischen, sozialen

und ökonomischen Bedingungen und später auch durch die Entwicklung und Verbreitung von

Antibiotika und zahlreicher Schutzimpfungen, zur Abnahme der Infektionskrankheiten und zu

einer Zunahme der chronisch- degenerativen Erkrankungen. Damit sind z.B. chronische

Erkrankungen des Herz- Kreislauf- Systems und bösartige Neubildungen gemeint, die

heutzutage 75% aller Sterbefälle ausmachen. Experten wie Epidemiologen und

Gesundheitssystemforscher sind sich einig, dass diese Entwicklung vor allem auf die

35 vgl. Heimerl- Wagner P. (1996) a.a.O., S. 18-19.36 vgl. Heimerl P. (2005) a.a.O., S. 15.

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Page 43: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Veränderungen der sozialen, hygienischen und ökonomischen Verhältnisse zurückzuführen

sind und Infektionskrankheiten mittlerweile eine völlig untergeordnete Rolle spielen. Daraus

kann geschlossen werden, dass die besseren Lebensbedingungen und die bessere

medizinische Versorgung dazu führen, dass immer mehr Menschen, zwar chronisch-

degenerativ erkrankt, überleben, und nicht wie früher unmittelbar an einer Infektionskrankheit

sterben.37

Drei Faktoren, Demographie, Epidemiologie und Technologie- bewirken, dass sich der

Abstand zwischen Morbidität- und Mortalität nicht verkleinern, sondern eher vergrößern wird

und somit der Ressourcenbedarf im Gesundheitswesen auch steigt.38

Weiters wächst der Druck Organisationseinrichtungen zu ermöglichen, die den Bedürfnissen

der Patienten besser entsprechen. So werden z.B. Gruppenpraxen, Tageskliniken, ambulante

Betreuungseinrichtungen oder mobile Heimbetreuungsorganisationen gegründet. Der

Kostendruck, die Anforderung flexibel zu sein, und die wachsende Konkurrenz und der

Wettbewerb bedeuten große Herausforderungen für die Versorgungseinrichtungen, da die

Lücke die entsteht wenn keine Ressourcen mehr bestehen, nur durch Verminderung des

Angebots oder durch die Mobilisierung von Produktivitätspotentialen beschlossen werden

kann. Der Zwang zur Veränderung der Organisationsstrukturen und -prozesse, steigender

Know- how- Bedarf, verstärkter Wettbewerb und andere Anforderungen sind zukünftig

Anforderungen die an das Management der einzelnen Organisationen gerichtet sein werden.39

Die Kosten im Gesundheitswesen werden zusammenfassend durch zwei Komponenten

beeinflusst:

- Die Entwicklungen auf der Angebotsseite: Der medizinisch- technische Fortschritt

führt einerseits zur Senkung der Verweildauer durch bessere Verfahren, andererseits

sind allerdings die Kosten für neue Behandlungen höher bzw. sie sind vorher nicht

angefallen.

- Die Entwicklungen auf der Nachfrageseite: Demografische Veränderungen durch ein

höheres Lebensalter führen zu einem veränderten Krankheitsspektrum.

37 vgl. Heimerl- Wagner P. (1996) a.a.O., S. 24.38 vgl. Heimerl- Wagner P. (1996) a.a.O. S. 33.39 vgl. Heimerl- Wagner P. (1996) a.a.O., S. 35.

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Page 44: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Multimorbidität ist eine der Folgen. Zugleich sind höhere Ansprüche der Bevölkerung

an Gesundheitsleistungen entstanden, und zwar in medizinischer und pflegerischer,

aber auch in serviceorientierter Hinsicht. Der Patient fühlt sich heute viel mehr als

Kunde denn als „Ratsuchender Bittsteller“.40

Der laufende Druck von außen wird zunehmend dazu führen, dass nur mehr jene

Organisationen überlebensfähig sind, die Bereitschaft zu kontinuierlicher Veränderung im

Sinne einer lernenden Organisation aufweisen. Aber auch das zunehmend dynamische

Umfeld, der schon erwähnte wachsende Kostendruck und die zunehmende Bereitschaft und

Fähigkeit der Konsumenten, zwischen verschiedenen Angeboten zu wählen und das für sie

attraktivste zu identifizieren, werden den Konkurrenzdruck auf Gesundheitsorganisationen

und den Wettbewerb am Gesundheitsmarkt zunehmend erhöhen und verstärken.41

Gesundheitsorganisationen haben vielfältige Zielbezüge zu erfüllen, da das Prinzip der

bestmöglichen Versorgung laufend mit dem Wirtschaftlichkeitsprinzip kollidiert. Da beide

Aspekte wichtig und gleichrangig anzusehen sind, zwingt dies Gesundheitsorganisationen in

eine ständige „Sowohl- als- auch- Strategie“ überzugehen. Diese Tatsache geht mit

Kommunikationsproblemen einher, da in Gesundheitsorganisationen stets mehrere

„Sprachen“ gesprochen werden, da sie gleichzeitig an mehreren Funktionssystemen

teilnehmen. Ein Krankenhaus nimmt einerseits am medizinischen und andererseits auch am

wirtschaftlichen aber auch, wie ein Universitätsklinikum, am wissenschaftlichen

Funktionssystem teil. Alle diese Funktionssysteme haben, nach Luhmann, jeweils ein

primäres Merkmal bzw. eine Sprache ausgebildet, die sich auf einen binäre Code

zurückführen lässt: Das medizinische Funktionssystem geht nach krank/gesund vor, das

wirtschaftliche nach zahlen/nicht zahlen und das wissenschaftliche auf wahr/nicht wahr.42

Durch die „Mehrsprachigkeit“ in Gesundheitsorganisationen kommt es zu Problemen in der

Zusammenarbeit, da unterschiedliche Sprachen, unterschiedliche Gesundheitskonzepte

(naturwissenschaftlich- analytische versus ganzheitliche Ansätze) aber auch

Statusunterschiede (akademische versus überwiegend nichtakademische Ausbildung) zu

unterschiedlichen Auffassungen führen.43

40 vgl. Albrecht D.: Erfolgreiches Changemanagement im Krankenhaus, Springer Verlag (2006) S. 5.41 vgl. Heimerl- Wagner P. (1996) a.a.O., S. 37.42 vgl. Heimerl- Wagner P. (1996) a.a.O., S. 39.43 vgl. Heimerl P. (2005) a.a.O., S. 97.

Seite 44 von 73

Page 45: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Aus den unzähligen Umfeldentwicklungen können folgende Rahmenbedingungen zur

Entwicklung von Gesundheitsorganisationen abgeleitet werden:

- Trend zur Finanzierung über Fallpauschale

- Erweiterte technische Möglichkeiten führen zu Kostendruck nach oben

- Geriatrische Versorgung gewinnt immer mehr an Bedeutung, daher kommt es zu

einem zunehmenden Bedarf der lindernd- pflegenden Medizin im Vergleich zur

heilenden Akutmedizin.

- Verlagerung des Schwerpunkts von Akut- zu Vorsorgemedizin

- Zunehmende Flexibilisierung und Differenzierung der Organisationsformen der

Bedarfsdeckung

- Zunehmende Privatisierung der Anbieterorganisationen

- etc.

Diese bereits stattfindenden Strukturveränderungen begründen den Bedarf nach

organisationalem Wandel in diesem Bereich. Wenn man die bisherigen Analysen und Modelle

zusammenfasst, lassen sich folgende zentrale Themenfelder der zukünftigen Entwicklung von

Gesundheitsorganisationen zusammenfassen:44

Abb. 12: Themenfelder und Ansatzpunkte der Organisationsveränderung in Gesundheitsorganisationen

44 vgl. Heimerl P. (2005) a.a.O., S. 128.Seite 45 von 73

Page 46: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Unter Vernetzungsstrategien werden Beziehungen die vertraglich oder institutionell zwischen

zwei Organisationen festgelegt wurden verstanden. Diese Beziehungen zielen temporär oder

dauerhaft auf die Nutzung beidseitiger Vorteile ökonomischer, effektiver oder technologischer

Natur. Die prozessorientierte Zusammenarbeit innerhalb aber auch über Organisationsgrenzen

ist ein wichtiger Aspekt, der durch die Reduktion innerorganisationaler Schnittstellen erreicht

werden soll.45

Die Abhängigkeit von gesetzlichen Rahmenbedingungen, insbesondere der

Finanzierungsstrategien macht es oftmals schwer strategische Managementziele umzusetzen

und Strukturen längerfristig zu verändern und die Abschätzbarkeit der Steuerungseingriffe

sinkt.46

3.2 Fallbeispiel zur Reorganisation einer Klinik

Im Folgenden wird ein Fallbeispiel zur Reorganisation einer Klinik vorgestellt und

anschließend kurz diskutiert:47

Um der wachsenden Konkurrenz der Umwelt standzuhalten, änderte das Krankenhaus X

seine Organisation von einer funktionalen zu einer divisionalen Struktur. Durch das

Wachstum und die Entwicklung profitorientierter Spitalsketten, aber auch durch allgemeine

Gemeindespitäler die begannen ihre Dienstleistungen aufzusplittern und das Angebot zu

erweitern stieg die Konkurrenz laufend und eine Veränderung durch die defizitäre Lage

wurde unumgänglich.

Das Spital war seit seiner Inbetriebnahme 1889 nach funktionalen Entscheidungslinien

organisiert. Der Übergang zu einer Spartenstruktur wurde vollzogen, um Kosten zu sparen

und um das Spital in eine günstigere Position in Bezug auf seine Umwelt zu bringen. Die

Wahl der divisionalen Struktur stellte ein bewusstes Bestreben dar, der Tatsache zu

begegnen, dass Ärzte im allgemeinen die wichtigsten Entscheidungen der

Ressourcenallokation im Spital treffen, während die Administratoren für die Ausgaben

verantwortlich sind. Administratoren konnten die Kosten der Hoteldienstleistungen

kontrollieren, jedoch nicht behandlungsbezogene Ausgaben, wie Radiologie, Labor und

pharmazeutische Leistungen.

45 vgl. Heimerl P. (2005) a.a.O., S. 130.46 vgl. Heimerl P. (2005) a.a.O., S. 132.47 vgl. Heimerl- Wagner P. (1996) a.a.O., S. 170.

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Page 47: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Die neue divisionale Struktur wurde eingeführt, um die Ärzte sowohl für die Qualität als

auch die Kosten der Behandlung inhaltlich und wirtschaftlich verantwortlich zu machen.

Das Spital wurde in zehn „Produkt“- Sparten reorganisiert; z.B. Psychiatrie, Chirurgie,

Medizin, Onkologie. Für jede Sparte wurde ein Leiter ernannt, der ein Mitglied der

medizinischen Berufsgruppe war.

Diese Person wurde für alle Aktivitäten innerhalb der Sparte (etwa 200- 300 Betten) voll

verantwortlich gemacht. Jedem Spartenleiter wurde ein Pflegeleiter, ein Administrator und

ein Verantwortlicher für finanzielle Angelegenheiten unterstellt. Daneben wurden sieben

Vizepräsidenten eingerichtet, die jedoch keine Anordnungsbefugnisse in der Organisation

hatten und in erster Linie für die langfristige Planung verantwortlich waren.

Unterstützende Leistungen, wie Labor, Radiologie und Verpflegung, blieben zentralisiert

zur Nutzung durch alle Sparten.

Zusätzlich zur Änderung der Organisationsstruktur war es auch notwendig, die

Entscheidungsfindungsprozesse, das Kommunikationssystem sowie das klinische und

wirtschaftliche Informationssystem zu verändern. Innerhalb jeder Sparte wurden durch das

Management- Team unter Führung des Chefarztes Ziele gesetzt. Von jeder Sparte wurde

erwartet, dass sie im Rahmen der Politik der gesamten Institution arbeite. Das

Spartenmanagementteam war jedoch für Budgeterstellung, Personalentscheidungen und

die Evaluation der klinischen und finanziellen Leistung verantwortlich. Die Abteilungen

wurden ermutigt, Entscheidungen selbst zu treffen und so autonom wie möglich zu arbeiten.

Unterstützungsleistungen wie Küche, Reinigung und Instandhaltung können die Sparten

von zentralen Stellen innerhalb des Hauses, in bestimmten Fällen auch durch Externe,

erhalten.

Buchhaltung, Budgeterstellung und Ressourcenzuteilungssystem wurden für die

Spartenebene entwickelt. Als Mittel der Verantwortungszuordnung auf Spartenebene wurde

ein umfassendes Managementinformationssystem eingerichtet. Das Informationssystem

beinhaltet Berichte über Gewinn und Verlust innerhalb der Sparte, Belagsquoten,

durchschnittliche Aufenthaltsdauer etc. Weiters wurden Größen zur Bestimmung der

Patientenzufriedenheit entwickelt.

Insgesamt wird geschätzt, dass die neuen Sparten direkte Kontrolle über 47% ihrer

Ausgaben gegenüber nur 30% im früheren System haben. Darüber hinaus haben die

Abteilungen schätzungsweise die Kontrolle über 20% der Ausgaben für zentrale Leistungen

wie Labor und Radiologie.

Es ist zu beobachten, dass die vorliegende Spartenstruktur eine beträchtliche Stabilität in

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Page 48: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

die Tätigkeiten des Spitals gebracht hat. Es ist beispielsweise festzustellen, dass zwischen

Ärzten,

Pflegepersonal und Verwaltung eine bessere Zusammenarbeit und Kommunikation über die

Organisationsziele und Leistungen bestehen. Jede Sparte wird nicht nur mit Informationen

über ihr eigenes Leistungsniveau informier, sondern auch über jenes der anderen Sparten.

Daher kann jede Abteilung die eigene Leistung mit den anderen vergleichen und es

entstehen weniger Konflikte untereinander. Durch gemeinsame Planungsbesprechungen

entsteht ein besseres Verständnis der Zusammenhänge zwischen den einzelnen

Funktionseinheiten.

Das wahrscheinlich wichtigste Anzeichen dafür, dass die Neuorientierung zu greifen

scheint, ist das gestiegene Kostenbewusstsein des gesamten Personals auf der Ebene der

Patientenversorgung. Ärzte, Pflege- und Verwaltungsmitarbeiter sind sich genau bewusst,

dass übermäßige Nutzung klinischer Leistungen und ausgedehnter Patientenaufenthalte

einen negativen Einfluss auf das finanzielle Ergebnis der Sparte haben. Wenn die Sparte in

einem Bereich Geld spart, hat sie die Möglichkeit, dies anderwärtig auszugeben, wo sie

dies für erforderlich hält.

Keine größere Neuorganisation geht ohne Probleme vorüber, so hatte zu Beginn die

Pflegeabteilung Schwierigkeiten, sich an die neue Struktur anzupassen. Sie fürchtete,

professionelle Autonomie über die Pflegeentscheidungen zu verlieren; die Praxis hat jedoch

gezeigt, dass die neue Struktur für die Pflegeleitungen und –personal Möglichkeiten bringt,

an Entscheidungsfindungen intensiver mitzuwirken.

Es gab auch Befürchtungen bezüglich der Fähigkeiten der Ärzte, Managementfunktionen

neben ihren anderen Verpflichtungen aus Patientenversorgung, Lehre und Forschung zu

übernehmen. Es dauerte einige Zeit, bist die Ärzte sich an ihre Managementrollen gewöhnt

hatten. In der Übergangszeit gab es dazu auch Unterstützung seitens der Institution. Die

Spartenleiter erhalten genügend administrative Unterstützung, um sich von alltäglicher

Routine freizuhalten.

Generell hat man den Eindruck, dass die Neuorganisation des Krankenhauses gut läuft und

ein Beispiel für ein Projekt ist, das auf die Bedürfnisse und Umstände einer speziellen

Organisation zu einem bestimmten Zeitpunkt mit einer spezifischen Entwicklungsgeschichte

zugeschnitten wurde.

Seite 48 von 73

Page 49: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Was in diesem schon etwas älterem Fallbeispiel beschrieben wird, kann aus der Sicht

öffentlicher Spitäler im deutschsprachigen Raum wahrscheinlich noch als Utopie bzw. Vision

angesehen werden. Weder die Umfeldbedingungen (Gesetzgebung etc.) noch organisationale

Voraussetzungen (z.B. Managementexpertise) ermöglichen die kurzfristige Realisierung einer

Neuorganisation wie oben beschrieben. Trotzdem beinhaltet das Fallbeispiel einige Aspekte

die bemerkenswert und wichtig zu erwähnen sind.

Grundlage der Reorganisation war die Umstellung von funktionalen auf divisionale

Strukturen, wobei sich jede Sparte im Rahmen der Gesamtpolitik Ziele setzt und dafür

verantwortlich ist. Die Leitlinie dieser hausinternen Dezentralisierung ist es,

Entscheidungskompetenzen und Verantwortung möglichst den betroffenen Stellen zu

übertragen und sicherzustellen, dass die gemeinsamen Ziele laufend verfolgt und umgesetzt

werden.

Im Fallbeispiel wird die Rücknahme hierarchischer Koordination und der Ausbau alternativer

Koordinationsinstrumentarien deutlich. Neben dem Managementinformationssystem sind

folgende Ansätze bemerkenswert:

- Förderung des Zusammenhalts der Gesamtorganisation durch ein Organisationsleitbild

(„Politik der gesamten Institution“) bzw. durch möglichst breit akzeptierte Ziele

- Beschränkung auf zwei Managementebenen (Haus- und Spartenleitung)

- Vernetzte Managementteams: Das Fallbeispiel macht Struktur und Bedeutung solcher

Teams auf allen Entscheidungsebenen deutlich. Dennoch ist jeweils die

Letztverantwortung eindeutig, d. h. an einer Stelle, verankert.48

Problemstellungen einer Neuorganisation wie oben beschrieben könnten sein:

- Mehrfachbelastung des Personals: „Verschlankungen“ in der Industrie zeigen, dass

Stress und Erschöpfung der Arbeitenden anstiegen. Der Druck kann dabei aus

mehreren Quellen kommen: Die Routine wird trotz neuer Strukturen nicht weniger, da

oft Personal eingespart wird. Sozialer Druck innerhalb der Gruppe und

Kreativitätsdruck zur kontinuierlichen Verbesserung oder Druck aus der

Verantwortung für hohe Ergebnis- und Prozessqualität sind weitere Gründe.

48 vgl. Heimerl- Wagner P. (1996) a.a.O., S. 172.Seite 49 von 73

Page 50: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

- Neue Kosten: Den Einsparungspotentialen im Bereich der Primär- und

Sekundärprozesse stehen neue Kosten gegenüber:

- Leistungsverrechnungs- und –kontrollsysteme

- Kosten der Preisbildung und des Preisvergleichs

- Managementkosten

Im Vergleich zu heute ist davon auszugehen, dass der Anteil der Verwaltungskosten an

den Gesamtkosten in schlanken Gesundheitsorganisationen zunehmen wird, da dieser

im internationalen aber auch im Branchenvergleich überaus gering ist. Diesem

Mehraufwand sind aber die erwähnten Kostensenkungspotentiale durch eine

verbesserte Mittelallokation im Bereich der Primärprozesse und erhöhte

Leistungsorientierung gegenübergestellt.

- etc.49

4. Change Management

4.1 Definitionen

Veränderung ist eines der wichtigsten Themen in der Managementliteratur der neunziger Jahre

und wird in Begriffe wie „Change- Management“, „Business- Transformation“ oder

„Lernende Organisation“ gepackt, wobei bei allen der Wandel der Organisation im

Mittelpunkt steht. Der Wandel wird als höchste Kunst des Managements und eigentliche

Kernaufgabe erfolgreicher Führungskräfte eingeordnet.50

Seitdem es Handeln von Menschen in Organisationen gibt, besteht die Anforderung, sich

weiterzuentwickeln, um somit wettbewerbsfähig auftreten zu können. Change Management

hat die Anforderung, dass die Veränderung der Organisation mindestens so schnell und in dem

Maße erfolgt, wie sich das Umfeld und die Umwelt verändern, da nur so ein Überleben im

Wettbewerb gesichert werden kann. Daher geht es bei einem erfolgreichen

Veränderungsmanagements darum, die natürlichen Kräfte des Umfeldes frühzeitig zu nutzen

und zu erkennen, um das eigene Niveau zu verbessern. Die Gegenposition ist, sich auf Dauer

strikt gegen Veränderungen zu stellen, was die Gefahr „überollt“ zu werden in sich birgt.51

49 vgl. Heimerl- Wagner P. (1996) a.a.O., S. 179.50 vgl. Heber H.: Change Management zum Angreifen, Verlag Styria (1998) S. 14.51 vgl. Albrecht D. (2006) a.a.O., S. 581.

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Page 51: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Die Wurzeln für den hohen Stellenwert von Change Management liegen in der doch sehr

rasanten Geschwindigkeit, mit der sich die westliche Industriegesellschaft verändert, aber

auch die Umweltbedingungen für Unternehmen die sich in immer schnelleren Zyklen

modifizieren.

Die folgende Tabelle zeigt alte verglichen mit neuen Spielregeln auf, und wie sich

Organisationen zu verändern haben um wettbewerbsfähig und leistungsstark zu bleiben:

Die alten Spielregeln der klassischen

Industriegesellschaft

Die neuen Spielregeln

1. Die Tendenz zur Globalisierung-Lokale/nationaleMärkte;

Abschottungsmöglichkeiten für eigene Märkte

-Zentralistische Organisation; die Konzernzentrale

dirigiert das Unternehmen

-Wettbewerb „jeder gegen jeden“

-Ressourcenkonzentration in den Industrienationen

(Entwicklung, Produktion)

-Globale Kommunikationsbarrieren

-Internationale/globaleMärkte; Verdrängungswettbewerb,

Markttransparenz

-Netzwerke; weltweit verstreute unabhängige

Gesellschaften arbeiten zusammen und nutzen Synergien

-Globale strategische Partnerschaften

-Flexible globale Ressourcenpositionierung nach

Wettbewerbsvorteilen

-„Globales Dorf“ durch Innovationen der IT2. Tendenz zur Durchlässigkeit-Unternehmen agieren als isolierte Einzelsysteme

-Taylorismus (hohe Arbeitsteiligkeit und

Spezialisierung) in der Wertschöpfungskette

-Hierarchieorientierung; klare Befehlskette

-„Organisierte Gesellschaft“; Vernetzung der Anbieter

-Aufgabenintegration in der Wertschöpfung;

Qualifikationsbedarf der Mitarbeiter massiv steigend

-Dehierarchisierung/ Verflachung der

Organisationsstrukturen/ Verstärkung der

Eigenverantwortlichkeit3. Tendenz zur Beschleunigung-Kostenwettbewerb

-Angebotsorientierte Produktion

-Desintegrierte Wertschöpfungsprozesse mit

Mittlerfunktionen (Händlern)

-Zeitwettbewerb

-Nachfrageorientierte Produktion- just in time

-Integrierte Wertschöpfungsketten ohne Mittlerfunktionen

4. Steigende Unsicherheit-Routine und Vorhersehbarkeit; statisches

Organisationsverständnis

-Begrenzte Komplexität

-Neuartigkeit und Unsicherheit; dynamisches

Organisationsverständnis

-Massives Ansteigen der KomplexitätTab. 3: Die Veränderung der Spielregeln in der Industriegesellschaft

Change Management ist ein Begriff der gut in unser rasantes Zeitalter passt, wobei nicht

gesagt ist, dass es besser wird, wenn es anders wird und man sich verändert. Zeitlich gesehen,

kann der Beginn der Popularität von Change Management etwa mit Mitte der neunziger Jahre

angesetzt werden. Schon damals ähnlich aufgebaute Programme wurden angewendet, konnten

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Page 52: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

aber nicht von Beginn an positive Ergebnisse verzeichnen.52

„Organisatorische Veränderung beginnt bereits, wenn die Kaffeetassen in der Betriebskantine

nach einem neuen System gestapelt werden“. Diese Erläuterung macht es schwer genau zu

definieren, was unter Change Management verstanden wird und was dazu zählt und was

nicht. Ein etablierter Ansatz ist die Unterscheidung von Wandel erster und zweiter Ordnung,

wobei erst bei einem Wandel zweiter Ordnung von umfassender Veränderung in einer

Organisation gesprochen wird. Die folgende Tabelle macht den Unterschied anhand von

charakteristischen Merkmalen deutlich:

Wandel erster Ordnung Wandel zweiter OrdnungDer Veränderungsprozess in der Organisation

beschränkt sich auf einzelne Dimensionen des

Unternehmens (einzelne Fachbereiche, einzelne

Abläufe etc.)

Die Veränderung der Organisation erfolgt

gleichzeitig in mehreren Dimensionen

(Wertesysteme, Strategien, Strukturen, Abläufe

etc.)Die Veränderung ist beschränkt auf einzelne

Ebenen bzw. Bereiche der

Unternehmensorganisation

Der Veränderungsprozess umfasst alle Ebenen

und Bereiche des Unternehmens

Der Wandel erfolgt rein quantitativ (z.B.

Verbesserung von Prozesskennzahlen,

Effizienzsteigerung etc.); im Unternehmen tritt

kein Wertewandel in der Kultur ein

Quantitativer und qualitativer Wandel (Normen

und Verhaltensweisen der Leistungserbringung,

Werteebenen, Zusammenarbeitsvereinbarungen

etc.)Die Veränderung ist logisch begründbar und

erfolgt rational bestimmt

Die Veränderung ist rational nicht mehr

vollständig erklärbar und führt zu

unvorhersehbaren ErgebnissenBeibehaltung der bestehenden Paradigmen im

Unternehmen

Paradigmenwechsel im Unternehmen

Tab. 4: Der Vergleich zwischen Wandel erster und zweiter Ordnung in Organisationen

Change Management befasst sich in erster Linie mit der Veränderung von Organisationen

unter dem Gesichtspunkt des oben beschriebenen Wandels zweiter Ordnung. Dabei ist immer

zu bedenken, dass umfassende Veränderungsprozesse nicht willkürlich oder grundlos

passieren, sondern auf auslösende Faktoren zurückzuführen sind.

52 vgl. Gattermeyer W.: Changemanagement im Unternehmenserfolg, Gabler Verlag (2001) S. 14.Seite 52 von 73

Page 53: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Zwei typische, häufig auftretende Auslöser sind:

- „Leidensdruck“: Die Organisation ist in einer Krise und kämpft mit Schwierigkeiten

aufgrund externer oder interner Ursachen (z.B. wirtschaftliche Schwierigkeiten) und

die Existenzbedrohung schafft Leidensdruck bei den betroffenen Individuen und

fördert gleichzeitig die Bereitschaft für Veränderung.

- „Lästige Visionäre“: Die Neuausrichtung der Organisation wird aufgrund der

visionären Vorstellung des Eigentümers bzw. der verantwortlichen Manager betrieben.

Der Veränderungsdruck entsteht oft, wenn neue Führungskräfte das Ruder

übernehmen und den Rest der Organisation mit sich mitziehen.53

Allgemein versteht man aber unter Change Management also alle Maßnahmen, die zur

Initiierung und Umsetzung von neuen Strategien, Strukturen, Systemen und Verhaltensweisen

in einer Organisation notwendig sind. Daher strebt das Change Management immer nach

Initiierung und erfolgreicher Umsetzung von neuen Strategien und Strukturen. Change

Management beschäftigt sich schwerpunktmäßig weniger mit dem detaillierten Entwurf von

Soll- Zuständen; es hat vielmehr die Erhöhung der Veränderungsbereitschaft und das

Skizzieren von Visionen als Voraussetzung zum Design neuer Lösungen sowie deren

nachfolgende Umsetzung zum Inhalt.54

Die Spannbreite dessen, was unter Change Management verstanden wird, reicht fast an die

Vielzahl der Optionen heran, wie z.B. der Begriff Coaching gebraucht wird. Dabei ist vor

allem auf die Rollenvielfalt der Change- Management- Berater zu achten, da eine fundierte

Change- Management- Beratung im Gegensatz von z.B. Prozessmanagement- Experten in der

Lage ist, den kompletten Change- Prozess zu begleiten.55

Die Kapazitäten zur Umsetzung von Veränderungsmaßnahmen sind in vielen Organisationen

oft nicht ausreichend ausgeprägt, weil Organisationen eher auf Routinesituationen

eingerichtet sind und deshalb nicht genug Ressourcen und Skills haben, um umfangreiche und

komplexe Implementierungsprogramme zu planen und auch umzusetzen. Die damit

verbundenen Anforderungen werden oft unterschätzt und es fehlen Verantwortungen und

53 vgl. Heber H. (1998) a.a.O., S. 8-11.54 vgl. Gattermeyer W. (2001) a.a.O, S.14.55 vgl. Kuhnert J.: Praxishandbuch Change Management, Verlag Vahlen (2008) S. 1.

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Page 54: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Kommunikation untereinander. Vor allem die wichtige Rolle des Managements und die

entsprechenden Anforderungen werden zu wenig behandelt. Es ist schwer vorstellbar, dass

wenn sich einzelne Manager mit den angestrebten Lösungen im Unternehmen nicht einig sind

bzw. Ablehnung zeigen, Mitarbeiter Veränderungen unterstützen und sich mit ihnen

identifizieren.56

Im Folgenden werden einige Gründe für Widerstände und Hemmnisse gegen Veränderungen

aufgezählt:

- Erfolge der Vergangenheit werden überschätzt

- Die Notwendigkeit von Veränderung zum Fortbestand wird nicht erkannt oder

unterschätzt

- Eine durch Routinen verfestigte Unternehmenskultur verhindert das Lernen der

gesamten Organisation

- Es existieren Mentalitäten, die sich in ihren Lernkurven und Umsetzungskonzepten

stark unterscheiden und nicht auf einen Nenner zu bringen sind.57

4.2 Entwicklung des Change Management- Plans

Um entsprechende Maßnahmen entwickeln zu können und abzuleiten, können die

Instrumente der Veränderungsbereitschafts- und der Auswirkungsanalyse verwendet werden.

Hierbei ist ein erster Schritt, eine Analyse der Veränderungsbereitschaft, die zu einem

Zeitpunkt durchgeführt wird, wo die konkrete Ausformung des Soll- Zustands noch auf sich

warten lässt. Inhalte sind eine Einschätzung der Fähigkeit von potentiellen Sponsoren zur

Initiierung und Umsetzung aber auch eine Evaluierung über die vorhandenen Fähigkeiten

zum Veränderungsmanagement etc.

56 vgl. Gattermeyer W. (2001) a.a.O, S. 17.57 vgl. Albrecht D. (2006) a.a.O., S. 582.

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Page 55: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Die folgende Abbildung zeigt einen Auszug einer Veränderungsbereitschaftsanalyse:

Abb. 13: Beispiel einer Veränderungsbereitschaftsanalyse

Durch diese Analyse kann schon sehr früh erkannt werden, ob die notwendigen

Erfolgsfaktoren für einen Veränderungsprozess vorhanden sind, ob Bereitschaft besteht und

ob für die nachfolgende Umsetzung ausreichende Kapazitäten vorzufinden sind. Die erzielten

Ergebnisse können an die verschiedenen Zielgruppen zurückgespielt und interpretiert werden.

Innerhalb eines Feedbacks werden Barrieren erkennbar gemacht, und es können

Gegenmaßnahmen abgeleitet werden.

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Page 56: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Die folgende Abbildung veranschaulicht die Ableitung von Change Management-

Maßnahmen auf Basis der Analyse von Barrieren:

Abb. 14: Ableitung von Change Management- Maßnahmen auf der Basis der Analyse von Barrieren

Ein weiterer Nutzen der Analyse ist, dass schon zu einem frühen Zeitpunkt das Thema

Veränderung generell angesprochen wird, und sich die damit verbundenen Emotionen,

Erfahrungen und Erwartungen manifestieren können.58

Ein wesentliches Merkmal eines erfolgreichen Managements in einer Klinik ist z.B. Klarheit

über die Zielrichtung für die zukünftige Entwicklung der Klinik. Daher muss eine

aussagekräftige Vision und Strategie formuliert und immer verfolgt werden. Dabei gilt es

auch die Kernkompetenzen der Klinik zu definieren und mit anderen zu vergleichen.59

Ein Grundsatz im Zuge des Change Managements ist, dass wenn man Organisationen

verändern will, man auch auf Interessen, Vermutungen und Ängste der Individuen in einem

Unternehmen eingehen muss. Veränderung kann daher nicht von oben herab verordnet

werden, sonder braucht Akzeptanz der Betroffenen, um nachhaltig wirksam zu sein. Das heißt

dass Betroffene laufend in den Veränderungsprozess einbezogen werden müssen und eine

58 vgl. Gattermeyer W. (2001) a.a.O, S. 19.59 vgl. Albrecht D. (2006) a.a.O., S. 15.

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Page 57: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Unternehmenskultur bestehen muss, in der konstruktiv und wertschätzend mit

„Veränderungsbremsen“ umgegangen wird.60

Die klassische Trennung zwischen beruflicher Weiterbildung in Seminaren und Fortbildungen

und der täglichen Arbeit im Unternehmen beginnt unter den Anforderungen im Zuge eines

Veränderungsprozesses zu verschwimmen. Doch selbst in Unternehmen die optimale

Voraussetzungen für „Change“ geschaffen haben, bleibt das Management von Veränderungen

eine große Herausforderung.61

Ausgehend von Unternehmen, die sich erfolgreich dem Wandel gestellt haben, beschreibt

Kotter (1996) einen achtstufigen Change- Prozess, der diesen Erfolgen zugrunde liegt.

Change in acht Schritten:

1. Ein Gefühl der Dringlichkeit erzeugen

- Marktuntersuchungen, Wettbewerbsrealitäten erkennen

- Identifizieren und Diskutieren der potenziellen Krisen und Möglichkeiten

2. Eine Führungskoalition aufbauen

- Koalition muss teamfähig sein

- Koalition muss Machtbefugnisse haben

3. Vision und Strategien entwickeln

- Dem Wandel mit einer Vision die richtige Richtung geben

- Strategie entwickeln, um die Vision umzusetzen

4. Die Vision des Wandels kommunizieren

- Konstante Kommunikation über verschiedene Kanäle

- Vorbildfunktion der Führungskoalition sicherstellen

5. Empowerment auf breiter Basis

6. Kurzfristige Ziele ins Auge fassen

- Kurzfristige Erfolge planen und herstellen

7. Erfolge konsolidieren und weitere Veränderungen ableiten

- Neueinstellung, Beförderungen oder Freisetzung von Mitarbeitern im Sinne des

Wandels

8. Neue Ansätze in der Kultur verankern

60 vgl. Heber H. (1998) a.a.O., S. 21.61 vgl. Heber H. (1998) a.a.O., S. 23-24.

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Page 58: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

- Zusammenhang artikulieren zwischen Erfolg und „neuen“ Verhaltensweisen

- Weitere Investitionen in effektiveres Management und verbessertes Führungsverhalten

Change- Projekte können auf jeder der eben genannten Stufen des Prozesses scheitern, wobei

die Schritte 1- 4 den Status quo fundamental in Frage stellen und die Schritte 5- 7 die

Implementierungsschritte und Schritt 8 der dauerhaften Verankerung des Wandels im

Unternehmen dient. Jede der einzelnen Stufen ist mit kommunikativen Aktivitäten verbunden

und kann durch externe Berater sinnvoll unterstützt werden.62

Ein weiteres Prozessschema der Phasen eines Veränderungsprozesses stammt von Lewin, der

diesen in drei wesentlichen Phasen beschreibt. Die folgende Abbildung veranschaulicht den

Prozess der in die Phasen Auftauen (Unfreezing), Verändern (Moving) und Einfrieren

(Refreeezing) gegliedert ist:

Abb. 15: Phasen und Kräfte des Veränderungsprozesses

1. In der ersten Phase des Auftauens ist es vor allem wichtig, die Führungskräfte aber auch die

Mitarbeiter zu informieren und aufzuklären, um somit die Veränderungsbereitschaft zu

erhöhen und Ängste zu nehmen. Die Problematik dabei ist, je früher und damit je

strategischer der Zeitpunkt dieser Information und Intervention gewählt wird, desto

schwieriger ist es die Betroffenen zu überzeugen und eine Bereitschaft zur Veränderung zu

ermöglichen.

62 vgl. Kuhnert J. (2008) a.a.O., S. 3.Seite 58 von 73

Page 59: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Ein weiteres Problem ist, dass wenn sich die Leitung einer Klinik z.B. schon seit Monaten mit

der Notwendigkeit gezielter Einschnitte und Maßnahmen beschäftigt und sicht vor allem auch

mental darauf vorbereitet hat, nicht automatisch von den übrigen Beschäftigten verlangt

werden kann, dass sie sofort die Veränderungsnotwendigkeit innerhalb weniger Tage

akzeptieren.

Dieser Prozess kann dadurch gefördert und beschleunigt werden, indem die Mitarbeiter aktiv

in den Veränderungsprozess involviert werden. Dieses Vorgehen entspricht der klassischen

Philosophie, Betroffene zu Beteiligten zu machen, und dies nicht nur bei der Umsetzung

sondern auch schon zu Beginn bei der Analyse und Bestimmung der Ausgangssituation. Die

Mitwirkung der Mitarbeiter stellt am ehesten sicher, dass die Notwendigkeit einer

Veränderung erkannt wird und das Krankhaus überlebens- und erfolgsfähig gehalten werden

kann.

Zusammenfassend kann davon ausgegangen werden, dass eine realistische Darstellung der

Ausgangsituation, der Anforderungen und der erheblichen Veränderungen, die auf alle

Beteiligten zukommen, das Vertrauen der Mitarbeiter erhöht (vgl. Albrecht 2006, S. 585).

2. In der Phase des Veränderns soll durch gezielte Maßnahmen ein höheres

Produktivitätsniveau in einem festgelegten Zeitraum erreicht werden. Die Entwicklung in

diesem Prozess kann positiv aber auch negativ laufen. Das Ergebnis hängt zum einen sehr

stark von der Qualität der Projektleitung des Veränderungsmanagements und von der

Klinikleitung ab. Grundsätzlich gilt folgender Grundsatz: Der Veränderungsprozess darf in

der Phase der Instabilität nie zu lange dauern, da eine Instabilität nicht vollständig beherrscht

werden kann und per se negativ ist.

3. Die Phase des Einfrierens ist nicht weniger wichtig als die anderen Phasen, obwohl ja die

Veränderung im Sinne einer Verbesserung bereits realisiert wurde. Es gilt das erreichte neue

Ergebnisniveau zu stabilisieren und zu festigen. Neue Routinen und Instrumente, wie

klinische Behandlungspfade als standardisierte und optimierte Prozesse, sind dabei besonders

wichtig.63

63 vgl. Albrecht D. (2006) a.a.O., S. 586.Seite 59 von 73

Page 60: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

4.3 Alternativen des Change Management- Prozesses im Krankenhaus

Wie die folgende Abbildung zeigt, stehen drei Alternativen für die Vorgehensweise bei einem

Veränderungsprozess zur Verfügung, aus denen in Abhängigkeit von der spezifischen

Ausgangssituation des jeweiligen Krankenhauses die am besten geeignete auszuwählen ist:64

Abb. 16: Alternativen des Changemanagement- Prozesses

- Die Insel-Lösung führt eine Veränderung zunächst in einem relativ abgeschlossenen

Krankenhausbereich durch, z.B. einer einzelnen Fachklinik. Durch diese

Vorgehensweise kann vermieden werden, dass mögliche Fehler und Versäumnisse bei

der Umsetzung von Veränderungen gleich im gesamten Krankenhaus auftreten. Ein

weiterer Vorteil ist, dass Erfolge anhand der praktischen Umsetzung belegt werden

können und die positiven Effekte möglichen Kritikern verdeutlicht werden können.

Ein Nachteil ist, dass im Krankenhaus während des Veränderungsprozesses zwei

Welten existieren und dies zu Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit führen kann.

Daher sollte die Zeit des Veränderungsprozesses möglichst kurz gefasst werden.

- Die Kaskaden- Lösung führt die Veränderung Top- down, ausgehend von der

Krankenhausleitung über alle Führungs- und Mitarbeiterebenen ein. Dies ist

grundsätzlich die klassische bürokratische Vorgehensweise, bei der jede gravierende

Änderung die Führung, Steuerung und das Vorleben übergeordneter Ebenen braucht.

Ein Nachteil dieser Vorgehensweise kann unter anderem sein, dass entsprechend dem

Bild eines mehrstufigen Wasserfalls das Wasservolumen von Ebene zu Ebene immer

64 vgl. Albrecht D. (2006) a.a.O., S. 590- 91.Seite 60 von 73

Page 61: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

schwächer wird. In der Praxis im Krankenhaus findet man dieses Phänomen, indem

jede nachfolgende Ebene immer wieder erneut von Sinn, Zweck und Nutzen der

Veränderungsinitiative überzeugt werden muss. Daher ist eine schon anfänglich

kommunizierte und gemeinsam getragene Vision aller Organisationsebenen

notwendig.

- Bei diesem Aspekt setzt die Simultan- Lösung an, bei der von einer gemeinsamen

Vision ausgegangen wird, und nach einer Auftaktveranstaltung die

Veränderungsprozesse auf allen Ebenen gleichzeitig durchgeführt werden. Das Lernen

aus gemachten Erfahrungen ist hier nicht möglich, daher ist es wichtig den gesamten

Lern- und Erfahrungsprozess gut zu organisieren und in seinen Ergebnissen schnell zu

kommunizieren, um zu verhindern, dass die gleichen Fehler von verschiedenen

Ebenen weitgehend gleichzeitig oder sogar noch zeitlich versetzt gemacht werden.

Der größte Vorteil dieser Alternative ist, dass die gesamte Veränderung, zumindest zu

Beginn, mit dem geringsten Zeitaufwand auskommt.

Die generelle Grundformel eines erfolgreichen Veränderungsprozesses bleibt dabei immer,

eine starke strategische Steuerung und gleichzeitig eine schnelle dezentrale Umsetzung zu

ermöglichen. Alle ergebnisverantwortlichen Struktureinheiten des Krankenhauses agieren auf

der Basis einer klaren Vision und strategischen Zielsetzung.

4.4 Bedeutung und Rolle von Führungskräften und Mitarbeitern

Da diesen beiden Gruppen im Verlauf einer Veränderung ein wichtiger und bedeutender Teil

zugeschrieben wird, wird im folgenden kurz auf dieses Thema eingegangen.

Sowohl bei den Führungskräften als auch bei den Mitarbeitern sind die Anteile von

Befürwortern und Blockierern von Veränderungen gleich verteilt.

Seite 61 von 73

Page 62: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Die folgende Abbildung zeigt die sehr oft anzutreffende Verteilung der Einstellungen zu

Veränderungsprogrammen in der Praxis:

Abb. 17: Reaktionen auf Veränderung

Auf der positiven Seite sind 5% der Führungskräfte und Mitarbeiter von der Veränderung

überzeugt und führen sie an. 20% schließen sich dem relativ schnell an. Auf der negativen

Seite stehen ebenfalls 25%. Die größte Gruppe ist jedoch die breite (schweigsame und

unentschlossene) Mitte mit 50%, die in der Regel abwartet und schaut was passiert und wie

groß der Druck für die Durchführung der Veränderung wird.65

In der Praxis besteht die Schwierigkeit zu erkennen wer von den Mitarbeitern und

Führungskräften zu welcher Gruppe gehört. Dies herauszufinden ist nur dann möglich, wenn

Zustimmung und vor allem Widerstand gegen das Vorhaben artikuliert wird. Die schwierigste

und problematischste Gruppe ist jedoch die der „Tarnkappenträger“, also Personen die ja

sagen, aber nein denken und handeln. Eine gewisse Abneigung gewohnte Verhaltens- und

Handlungsweisen ohne weiteres aufzugeben ist aber jedem Menschen nicht immer angenehm

und führt zu Beginn immer zu einer verschieden stark ausgeprägten Verunsicherung der nicht

immer eine Phase der Ablehnung folgen kann.

Mitarbeiter stellen sich generell folgende Fragen:

- Was bringt/ bewirkt die Veränderung für mich?

- Werden Arbeitsplätze wegrationalisiert?

- Was passiert mit den betroffenen Beschäftigten?

65 vgl. Albrecht D. (2006) a.a.O., S. 593.Seite 62 von 73

Page 63: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Aus diesem Grund heraus ist es wichtig, bereits zu Beginn eines Veränderungsprojektes diese

Themen und damit bestehende Unsicherheit und Ängste anzusprechen, auch wenn sie bis dato

nicht offen artikuliert wurden.66

Das Ziel ist, durch Kennen (Information/ Transparenz), Können (Qualifikation), Wollen

(Motivation) und Dürfen (Organisation/ Kompetenzen und Verantwortung) die

Veränderungsfähigkeit und Veränderungsbereitschaft zu erhöhen. Ein Anreiz für jeden

Mitarbeiter ist es die Neustrukturierung aktiv mitzugestalten und so Einfluss auf sie zu

nehmen. Dabei darf aber nicht die Effizienz des Veränderungsprozesses übersehen werden

und muss gewährleistet bleiben. Die Sicherung von Akzeptanz und Effizienz ist immer eine

schmale Gratwanderung.67

Führungskräften kommt eine besondere Rolle zu, da sie im Vergleich zur Normalsituation

eine stärkere Durchsetzungsfähigkeit und sensible Führungsfähigkeit aufweisen müssen.

Auch die Fähigkeit zur Konflikterkennung, -analyse, -besprechung und –lösung ist von großer

Bedeutung und muss laufend angewendet werden. Erforderlich ist dadurch Sozialkompetenz

und Managementkompetenz.

Im Krankenhaus bedeutet dies für die Führungskraft, dass sie in Veränderungsprojekten bereit

sein muss, eine angenehm empfundene Stabilität aufzugeben, und die Fähigkeit besitzen

muss, mit Unsicherheit umzugehen. Die Führungskraft wird automatisch zum

Instabilitätsmanager, der mit völlig anderen Führungsanforderungen konfrontiert ist. Diese

sind veränderte Fähigkeiten in der Führung, neue Formen der Kooperation und ein

verändertes Führungsverhalten bis hin zu anderen Persönlichkeitsprofilen. Damit auch die

Führungskräfte die Möglichkeit erhalten, den Veränderungsprozess aktiv und positiv

mitzugestalten, müssen sie vorab und auch parallel durch Qualifizierung und Coaching

unterstützt werden.68

66 vgl. Albrecht D. (2006) a.a.O., S. 595.67 vgl. Albrecht D. (2006) a.a.O., S. 596.68 vgl. Albrecht D. (2006) a.a.O., S. 598.

Seite 63 von 73

Page 64: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Die folgende Abbildung veranschaulicht wichtige Bausteine für ein erfolgreiches

Veränderungsmanagement:

Abb. 18: Acht typische Fehler im Veränderungsmanagement

Sollte einer der sechs Bausteine fehlen, dann resultiert hieraus ein spezielles Problem im

Veränderungsprozess, das den gesamten Erfolg in Frage stellen kann. Ein wichtiger Aspekt

der immer vor Augen gehalten werden sollte ist, dass eine Störung der Routine nicht als

Bedrohung aufgefasst, sondern als Veränderungsimpuls akzeptiert wird, da sich so viele

Probleme schon von vornherein vermeiden lassen.69

4.5 Das 15- Punkte Sofortprogramm

Das 15- Punkte Sofortprogramm ist ein von Albrecht und Töpfer verfasster, in Form eines

Buches geleisteter, Beitrag, der auf der Basis der zukünftigen Anforderungen einen gezielten

und vor allem einen von möglichst Allen getragenen, Veränderungsprozess in der Klinik

umzusetzen versucht. Das 15- Punkte Sofortprogramm zeigt den Handlungs- und

Entwicklungsbedarf der an eine Klinik im Laufe ihrer Veränderung gestellt wird.70

69 vgl. Albrecht D. (2006) a.a.O., S. 599.70 vgl. Albrecht D. (2006) a.a.O., S. 3.

Seite 64 von 73

Page 65: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Die folgende Abbildung zeigt das 15- Punkte Sofortprogramm und seine einzelnen

Managementfelder, sowie die Zusammenhänge untereinander:

Abb. 19: Vernetzung der einzelnen Managementfelder

Die Reihenfolge der einzelnen Schritte des Programms folgt weitgehend dem Vorgehen in der

Klinikpraxis. Ausgangsbasis ist eine klinikspezifische Bewertung der Ausgangssituation,

wobei alle wichtigen Führungskräfte der Klinik miteinbezogen werden müssen, um wie auch

schon zuvor erwähnt, ein notwendiges Bewusstsein zur Veränderung zu schaffen. Auf dieser

grundlegenden Basis lässt sich dann eine tragfähige strategische Ausrichtung für die Klinik

erreichen. Reibungsverluste können dabei durch eine klare Strategie und präzise

Kommunikation reduziert werden. Bestandteil der strategischen Ausrichtung ist in jedem

Falle auch die Einbindung von Partnern, um die eigene Position am Gesundheitsmarkt zu

festigen.

Statusanalyse und strategische Ausrichtung erfordern beide eine möglichst hohe Seite 65 von 73

Page 66: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Kostentransparenz in den Prozessen, siehe Punkt 3. Die Kostentransparenz zeigt der

Organisation ob die Umsatzerlöse die Kosten decken oder z.B. neue Produkte am Markt den

gewünschten Erfolg erbracht haben. Eine fehlende Kostentransparenz in den Prozessen kann

wie ein „Blindflug“ angesehen werden, da notwendige Maßnahmen zur Beseitigung von

Kostentreibern nicht erkannt werden können.

Negativer Verbrauch von Ressourcen und damit Verschwendung führt zu Qualitätsdefiziten,

die wiederum Fehlerkosten verursachen. So können z.B. Fehler bei der Patientenaufnahme

bei der Erfassung der Patientendaten in den darauf folgenden Phasen der Diagnose und

Therapie zu aufwändigen Korrekturen und Nacharbeiten führen. Diese Situationen nennt man

Blindleistungen, die bei einem hohen Qualitätsniveau von vornherein vermeidbar gewesen

wären. Diese Prozesse sind Inhalt des 4. Punkts.

Eine gezielt stärkere Prozessorientierung in der Klinik ist der Hebel zur Kosteneinsparung,

weil sie die Grundlage schafft, erkannte Defizite zu beseitigen.

Eine maßgeblich zentrale Richtlinie für Qualität in einer Klinik wird im 6. Punkt behandelt.

Dabei geht es primär um die Analyse der Patientenzufriedenheit, die wichtig und immer

aussagekräftig über die Qualität der Leistungen in einem Spital ist. Diese kann z.B. anhand

von Fragebögen erhoben und ausgewertet werden.

Das Erreichen von strategischen Zielen durch ein hohes Maß an Partnerorientierung wird

in Punkt 7. behandelt. Partner sind in diesem Fall z.B. Krankenkassen oder

Finanzierungsmöglichkeiten mit Medizintechnik- Unternehmen.

Alle Maßnahmen bezogen auf Adressaten, Qualität und Qualitätsmanagement sowie Partner

mit denen zusammengearbeitet wird sind Bestandteil des im Punkt 8. erwähnten

Marketingkonzepts der Klinik und auch Gegenstand der laufenden Öffentlichkeitsarbeit.

Vor der heutigen Situation von Gesundheitsorganisationen war aufgrund der finanziellen

Ressourcen praktisch kein Spielraum für ein aktives Marketing. Da sich dies aber, wie schon

zuvor erwähnt, maßgeblich geändert hat, werden Marketing und Öffentlichkeitsarbeit

zunehmend wichtiger und stellen bedeutende Positionen im Betrieb dar. Das Auftreten und

die Präsenz nach Außen hin und in der Öffentlichkeit, sind ausschlaggebenden Komponenten

im Bestehen eines Krankenhauses geworden.

Wie auch schon im Laufe der Arbeit erwähnt, kann keine nachhaltige Veränderung in

Gesundheitsorganisationen ohne Einbeziehung und aktive Mitwirkung der Mitarbeiter

vollzogen und durchgeführt werden. Daher ist es in Punkt 9. vor allem wichtig

unternehmerisch denkende und handelnde Mitarbeiter zu erreichen, die in ihrem Bereich

jeweils aktiv für Transparenz sorgen und ihren aktiven Beitrag zur angestrebten positiven

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Entwicklung der Klinik leisten. Mitarbeiterbefragungen und daraus resultierende Diagnosen

und konkrete Verbesserungsmaßnahmen sind hierfür ein bewährtes Instrument. Diese

Bereiche sind meist Aufgaben der Personalentwicklung und stellen ebenfalls eine wichtige

Komponente dar.

Ziel des Krankenhauses der Zukunft ist es, die klassische starre Strukturorganisation durch

die kollegiale Führung, aber auch die strenge Disziplintrennung im medizinischen Bereich zu

überwinden. Dies soll in Punkt 10. angestrebt werden.

Wie in allen Bereichen kommen auch im Krankenhaus immer mehr IT- gestützten Lösungen

Bedeutung zu. Die Informationstechnologie wird dabei nicht nur im Verwaltungsbereich

eingesetzt, sondern hält zukünftig immer stärker Einzug in die medizinische Indikation und

Behandlung. Beispiel dafür wäre die elektronische Patientenakte, die auch bei der Visite

anhand eines tragbaren Laptops bedient und ausgefüllt werden kann, und zum Teil auch schon

in der gängigen Praxis verwendet wird. Ein Prozess, der erst langsam Einzug in die Praxis

findet, zumindest in Österreich.

Punkt 12. Beschäftigt sich mit dem wichtigen Thema des Qualitätsmanagements und dessen

Konzepten. Wichtig dabei ist zu erwähnen, dass die Einführung eines Qualitätkonzepts immer

mit einem enormen Aufwand und ständiger Kontrolle verbunden ist. Soweit es aber

eingeführt und kontinuierlich besteht, zeichnet es eine Klinik maßgeblich aus, und sowohl

Mitarbeiter als auch Patienten profitieren davon.

Punkt 13. Hat das Controlling bzw. ganzheitliche Steuerungskonzepte zum Inhalt. Das

Controlling ermöglicht Messungen und Abläufe in der Organisation zum messen und anhand

von Zahlen darzustellen, um so Arbeitsprozesse zu steuern.

Beispiel hierfür wäre z.B. der Balanced Scorecard, der ein Konzept zur Dokumentation der

Ergebnisse aus Messungen der Aktivitäten eines Unternehmens bezüglich seiner Vision und

Strategien ist. Ziel ist es, den Führungskräften einen umfassenden Überblick über die

Leistungsfähigkeit und Effektivität der Organisation zu bieten. Der BSC hat unterschiedliche

Perspektiven die er einnimmt, z.B. werden in der Finanzperspektive Kennzahlen zum

Erreichen der finanziellen Ziele festgelegt oder in der Kundenperspektive Kennzahlen zum

Erreichen der Kundenziel.71

Das erreichte Niveau eines Krankenhauses kann erst dann als gut genannt werden, wenn es

mit anderen Wettbewerbern verglichen werden kann. Daher beschäftigt sich der Punkt 14. Mit

den Grundzügen einer Wettbewerbsanalyse und Benchmarking.

Risikomanagement ist besonders in den heutigen Rahmenbedingungen besonders für den

71 vgl. http://www.balancedscorecard.org/BSCResources/AbouttheBalancedScorecard/tabid/55/Default.aspxHompage Balanced Scorecard Institute, Zugriff am 05.10.09

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Page 68: Der organisatorische Wandel und die Bedeutung von Change

Klinikbereich ein wichtiges Aufgabengebiet, da vor allem in diesem Bereich die

unternehmerische Tätigkeit mit dem Risiko des Scheiterns verbunden ist. Die jeweilige Höhe

der existierenden Risiken beeinflusst den Finanzierungsspielraum des Krankenhauses.

Alle 15 Punkte des Sofortprogramms sind natürlich nicht gleich schnell oder gut

durchzuführen, da es immer wieder zu Hemmnissen und Widerständen gegen nachhaltige

Veränderungen kommen wird. Daher ist es immer wichtig das gemeinsame Ziel nicht aus den

Augen zu verlieren, und laufend Strategien zu entwickeln die Widerstände und Hemmnisse

überwinden können.72

Die folgenden Checkliste ermöglicht es, den Umsetzungsstand der anzustrebenden

Veränderungen individuell in jeder Klinik ermitteln zu können. Es können die einzelnen

Bereiche des 15 Punkte Sofortprogramms einzeln bewertet werden umso den aktuellen Stand

der Klinik zu ermitteln. Unabhängig wie bewertet wird, ist es immer entscheidend, wo die

direkten Wettbewerber stehen, welche nächsten Schritte sie vorhaben, und wie sie alle

wichtigen Akteure auf nächste strategische Schritte vorbereiten und mit einbeziehen.73

72 vgl. Albrecht D. (2006) a.a.O., S. 20- 23. 73 vgl. Albrecht D. (2006) a.a.O., S. 603.

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Die folgende Abbildung zeigt einen Ausschnitt der Checkliste des 15- Punkte

Sofortprogramms für Kliniken:

Abb. 20: Ausschnitt aus der Checkliste für erfolgreiches Changemanagement

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Diskussion und Schlussfolgerung

Zahlreiche Aspekte die sich vor allem in der Umwelt von Gesundheitsorganisationen

abspielen führen zunehmend zu wachsendem Druck und steigendem Wettbewerb. Der

demographische Wandel der sich schon in den letzten Jahrzehnten abzeichnet und noch weiter

ansteigen wird, stellt schon jetzt neue Herausforderungen an das Gesundheitssystem und

gleichzeitig an die Gesundheitsorganisationen. Ziele, Schwerpunkte und zukünftige Aufgaben

verschieben sich, und das eigentliche Ausmaß der Veränderungen ist in manchen Bereichen

noch unklar und nicht vollständig einzuschätzen. Fakt ist, dass es regelrecht zu einer

Explosion der Ausgaben im Gesundheitssystem kommen wird. Somit scheint es logisch, dass

neben zahlreichen anderen Maßnahmen sich auch die Organisationen anpassen und verändern

müssen. Eine Veränderung in einer Organisation ist aber alles andere als leicht durchführbar,

das zeigen auch die zahlreichen Beispiele und Prozesse in der vorliegenden Arbeit.

Die angestrebte Veränderung einer Organisation ist ein Prozess, der von vielen einzelnen

Faktoren abhängig ist, und als Team umgesetzt werden muss. Was in der Theorie logisch und

plausibel klingen mag, ist in der Praxis oft nur schwer umsetzbar und oft tun sich Hindernisse

auf, die fast unbezwingbar erscheinen. Kein Prozess lässt sich eins zu eins nach der

Theorievorgabe umsetzen und stößt nicht auf Hindernisse oder sogar auf unlösbare Konflikte.

Die Kommunikation und die Festlegung gemeinsamer Ziele die alle Organisationsmitglieder

verstehen und akzeptieren, sind grundlegende Aspekte die in jeder Organisation angestrebt

werden sollten. In der Praxis gilt vor allem für die Führungskraft oder die leitenden

Positionen eine gute Ausgangslage zu schaffen, Potenziale aber auch Schwächen der

Organisation zu identifizieren und ein zu erreichendes Ziel zu definieren. Das Bewusstsein für

Veränderung muss geschaffen werden. Da es unterschiedliche Möglichkeiten der Veränderung

gibt, sind diese grundlegenden Entscheidungen und Handlungen nicht immer leicht. Sie

erfüllen aber den Zweck eine gute Ausgangslage zu schaffen, von der aus die Veränderung

gestartet werden kann.

Das 15 Punkte Sofortprogramm ist meiner Meinung nach ein Tool, dass eine gute

Ausgangsbasis schaffen kann. Es beinhaltet zahlreiche Managementfelder die in der Praxis

die unterschiedlichsten Anforderungen an eine Organisation stellen. In jedem einzelnen Feld

kann umfassend agiert und gezielt Verbesserungen in einer Organisation erreicht werden. Da

die einzelne Abhandlung der Managementfelder sehr umfassend gestaltet werden kann,

wurden die Bereiche in der Arbeit nur kurz beschrieben und der Übersicht halber gesprochen.

Sich mit jedem Bereich genau zu beschäftigen und Möglichkeiten der Umsetzung zu

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erarbeiten hätte den Rahmen der Arbeit weitgehend besprengt.

Mit der Checkliste des 15 Punkte Sofortprogramm kann der Ist- Zustand der Organisation

erhoben und bestehende Potenziale definiert werden. Sie ist zwar sehr umfassend, kann aber

eine gute Basis schaffen von der aus eine Strategie und Ziele definiert werden können.

Welche Methode eine Organisation wählt um eine Veränderung, sei es in der Struktur oder im

Ablauf, anzustreben, liegt in der Hand jeder Institution selbst. Es gibt mit Sicherheit kein

Rezept wie eine Organisation vorzugehen hat, um sich der Umwelt laufend optimal

anzupassen um z.B. dem steigenden Kostendruck im Gesundheitssystem zu entgehen, wichtig

ist nur, dass alle Mitglieder einer Organisation immer bereit sein sollten sich zu verändern und

neue Wege einzuschlagen. Die Organisation als Team zu verstehen, dass gemeinsame Ziele

verfolgt ist ein grundlegender wichtiger Aspekt, der für jeden gleich bedeutend erscheinen

muss. Nur so kann eine Organisation flexibel und wettbewerbsfähig bleiben und weiterhin

bestehen.

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Literaturverzeichnis

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