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AUSGABE 17 || April 2011 Schwimmende Solaranlage Technische Höchstleistung auf dem Wasser Kürzere Entwicklungswege dank Bionik Zwei Experten im Gespräch Der erste Porsche war ein Elektroauto Vor 100 Jahren fuhren Autos elektrisch Das Magazin für Technik und Management

Der Spezialist - Ausgabe 17

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Das Magazin für Technik und Management. Hintergrundberichte, Neuigkeiten, Wissenswertes und Gespräche mit interessanten Persönlichkeiten - das erwartet Sie in unserem Magazin "Der Spezialist". Zweimal jährlich beschäftigt sich unsere Zeitschrift mit Themen rund um Technologie und Management. Warum bringt Brunel als internationaler Projektpartner für Technik und Management ein eigenes Magazin heraus? Weil wir, genau wie Sie, in vielfältigen und spannenden Branchen arbeiten, in denen es jede Menge Berichtenswertes gibt. Außerdem sehen wir es als Teil unseres Services an, dass auch Sie von Brunel als Know-how-Manager und Netzwerk profitieren.

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AusgAbe 17 || April 2011

Schwimmende Solaranlage Technische Höchstleistung auf dem WasserKürzere Entwicklungswege dank Bionik Zwei Experten im Gespräch Der erste Porsche war ein Elektroauto Vor 100 Jahren fuhren Autos elektrisch

Das Magazin für Technik und Management

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Windkraftanlagen auf dem Prüfstand

3-D-blick ins Werkstoffinnere Softwareupdate beim Werkstattbesuch

24 stunden in Mazar-e sharif

Mehr Lebensqualität durch innovative Technologie

Solarseen: schwimmende Stromerzeuger

Technikvorbild Natur

Heiz- und Thermotechnik für explosionsgefährdete Umgebungen

Deutschland spitzenreiter in der Logistiktechnologie

Porsches Elektromotor schafft es bis auf den Mond

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03der Spez ial ist

Köpfe dieser Ausgabe› 01

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› 03

› 01 D r . - I n g. D A nI A A L J I r o u D I ( 3 8 ) : wurde in Syrien gebo-ren und studierte in Damaskus Bauingenieurwesen. Ihre ausge-zeichneten Schulleistungen in Mathematik und Biologie hatten den Weg der Ingenieurin bereits vorgezeichnet. Nach dem Studi-um in Damaskus setzte sie ihre Karriere in Rostock fort. „Deutsch-land kannte ich vorher nur von einem Urlaub in Nordrhein-West-falen“, erinnert sich Dania Al Jiroudi an ihren ersten Schritt ins Ausland. Seitdem war die promovierte Ingenieurin regelmäßig für die Planung und den Vertrieb von Klär- und Biogasanlagen in vielen Ländern unterwegs. Die internationalen Erfahrungen führ-ten sie schließlich zu Brunel. Was Dania Al Jiroudi an ihrem Job in der Siedlungswasserwirtschaft besonders schätzt, lesen Sie ab Seite 38.

› 02 T h o M A s P u L s ( 41 ) : startete seine Karriere bei Thyssen-Krupp Krause in der Montage- und Antriebstechnik. „Das war für mich als Auto- und Technikbegeisterter ein perfekter Berufsein-stieg.“ 2002 kam Thomas Puls als Stellvertretender Abteilungs-leiter der Mechanischen Konstruktion von ThyssenKrupp EGM zum ersten Mal mit Brunel in Kontakt – damals noch als Kunde. Nach drei Jahren wurde dem Ingenieur die Leitung von Brunel Form und Technik angeboten, dem heutigen Prüf- und Testzent-rum Brunel Car Synergies. „Heute konstruiere ich nicht mehr nur Prüfstände für Motoren und Getriebe, sondern auch für diverse Fahrzeugkomponenten und auch andere Branchen“, so der Leiter Prüfstandbau bei Brunel Car Synergies in Bochum. Zu den aktuel-len Projekten lesen Sie mehr ab Seite 40.

› 0 3 M A r K u s h o L L e r M A n n ( 27 ) : Die Philosophie und Kre-ativität der Bionik, so Markus Hollermann, habe ihn derart faszi-niert, dass er sich statt für ein Maschinenbaustudium für den Ba-chelor-Studiengang Bionik entschied. „Sich die Natur zum Vorbild zu nehmen, von ihr zu lernen – das ist aus meiner Sicht ein genia-ler Ansatz“, erklärt der gelernte technische Zeichner. „Denn Mut-ter Erde hat in rund 3,8 Milliarden Jahren zwar einige ineffekti-ve Lebensformen generiert, diese aber auch selektiert. Im Laufe der Evolution haben sich nur die optimal angepassten Systeme und Organismen durchgesetzt.“ Nun, in Zeiten von immer knap-per und teurer werdenden Rohstoffen und zunehmenden Um-weltschäden gewinnt die Optimierung nach dem Beispiel der Na-tur für den Menschen an Relevanz. Entsprechend zuversichtlich sieht Hollermann die Zukunft der Bionik – mehr dazu lesen Sie ab Seite 16.

AusgAbe 17 || April 2011

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04 der Spez ial ist

Der Spezialist vor Ort

Ländergrenzen lösen sich in der globalisierten Wirtschaft zunehmend auf, Märkte rücken enger zusammen. Das spiegelt sich auch in den Berichten unseres Magazins wider. Ein geografischer Überblick über die Themen dieser Ausgabe.

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05der Spez ial ist

InhaltAusgAbe 17 || April 2011

Der Spez ial ist

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1 Im Fokus: Logistik – eine bewegende branche Wissenschaft und Wirtschaft arbeiten Hand in Hand

2 Spektrum: heiz- und Thermosysteme nach Maß Über die hohen Anforderungen der Konstruktion industrieller Heizgeräte

3 Im Dialog: Vorbild natur – kürzere entwicklungswege dank bionik Markus Hollermann und Dr. Rudolf Bannasch über das Vorbild Natur

4 History: Der erste Porsche war ein elektroauto Der lange Weg der Elektromobilität Kompakt: Aus unserer sicht, Kurzmeldungen, Tipps, Termine 5 Spektrum: Die Datentankstelle Software für moderne Kraftfahrzeuge

6 24 Stunden in Mazar-e sharif Projektabwicklung in Afghanistan: jeden Tag neue Herausforderungen

7 Forschung: nanotomographie – die Zukunft der Werkstoffforschung Der 3-D-Blick ins Innere von Werkstoffen

8 Profil: Mit Leib und seele in der Wasserwirtschaft Brunel Spezialistin Dania Al Jiroudi über ihren Beruf und ihre Berufung

9 Kompetenz: Maßgeschneiderte Prüfstandstechnik Bauteile von Windkraftanlagen und Schiffsmotoren im Härtetest

Spektrum: schwimmende solaranlage Moderne Solartechnologie für Gewässer jeder Größenordnung

Wissen: biogasanlage Regenerative Energie aus nachwachsenden Rohstoffen

Querdenken: ein exoskelett lernt laufen Zwei Männer, eine Idee: Unternehmensberater machen Querschnittgelähmten Hoffnung

Wissen: bis zum Jahr 2020 sollen eine Million elektrofahrzeuge auf Deutschlands straßen fahren. Welche Voraussetzungen müssen dafür geschaffen werden? Die Brunel Spezialisten Madalina Petcu und Felix Gottschalk blicken in die Zukunft

Ausblick: Arbeit mit Zukunft Was Deutschland über flexible Arbeitsmodelle von den Niederlanden lernen kann

Impressum

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› In der Bionik dient die Natur als Vorbild für technische Konzepte – so wie die Klette für den Klettverschluss. Dank vieler kleiner elastischer Wider-haken, die reversibel und durch spezielle Zellwandeinlagerungen beson-ders stabil sind, bleiben die Klettensamen an weichen Materialien hän-gen und können sich so über große Distanzen verbreiten. Der Schweizer Ingenieur Georges de Mestral entdeckte eine Klette im Fell seines Hun-des und untersuchte diese mikroskopisch. Der so entwickelte Klettver-schluss kommt heute aufgrund des schnellen und einfachen Verschluss-systems in der Textilbranche, der Medizintechnik und der Luft- und Raumfahrt zum Einsatz.

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Logistik – eine bewegende Branche

90 Millionen Tonnen Material sind für den Bau der zwei parallelen, jeweils 1.224 Kilome-ter langen Leitungsstränge der Nord Stream-Pipeline zwischen dem russischen Wyborg und Lubmin bei Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern) zu bewegen. 30 Firmen aus zehn Ländern sind an dem 7,4 Milliarden Euro teuren Vorhaben beteiligt, dessen Logistik-budget 650 Millionen Euro umfasst. Für die Umsetzung des Projekts entwickelte die Nord Stream AG selbst ein maßgefertigtes logisti-sches System und überließ nicht, wie sonst üblich, die Lieferstruktur per Ausschreibung ermittelten Anbietern. Bei der Koordination von Beschaffung, Herstellung und Lieferung der Baumaterialien waren zwei Anforderun-

gen zu erfüllen: kurze Transportwege einhal-ten und eine umweltgerechte Fertigung der Pipeline gewährleisten.

Das Beispiel der Gaspipeline verdeutlicht die Herausforderung moderner Logistik: Für weltweit kooperierende Partner sind indivi-duell zugeschnittene, effektive und umwelt-freundliche Transportlösungen wichtig – ein-gebettet in ein ausgeklügeltes Zusammen-spiel verschiedener Dienstleister. „Logistik macht internationalen Handel und die Glo-balisierung erst möglich“, sagt Professor Tho-mas Wimmer, Vorsitzender der Geschäftsfüh-rung der Bundesvereinigung Logistik (BVL). Dabei ist die Logistik so alt wie die Frage der Versorgung. Der Begriff kommt vom griechi-schen „logos“ und meint Verstand, aber auch Rechnung; „logistikos“ bedeutet berechnend. Schon in der Jungsteinzeit erledigten Men-schen logistische Aufgaben, als sie anfingen Tauschhandel zu betreiben. Mit der Bildung der Stadtkulturen sowie dem Beginn der Han-delsbeziehungen über größere Distanzen er-lebte die Logistik erste Blütezeiten und be-gleitete die Wirtschaftsgeschichte bis in die Gegenwart.

Ein seit den Achtzigerjahren etabliertes Konzept für die Organisation komplexer Lie-fersysteme ist das Supply Chain Management

T e x T › Jörg Riedel

Der Bau der Nord Stream-Pipeline durch die Ostsee ist ein Projekt gigantischen Ausmaßes, das passgenaues logistisches Handling erfordert. Denn Logistik bedeutet heute weit mehr, als nur Waren von A nach B zu transportieren: Sie umfasst die Planung, Steuerung und Kontrolle des Material- sowie des dazugehörigen Informationsflusses – von der Beschaffung bis hin zur Distri-bution.

PorTräT

Prof. Dr.-Ing. Thomas Wimmer (51)Nach seinem Maschinenbau-Studium an der Uni Hannover promovierte Thomas Wimmer berufsbegleitend an der TU Berlin. Ab 1984 war er in verschiedenen Positionen in der Industrielogistik tätig, bevor er 1999 zur Bundesvereinigung Logistik (BVL) wechselte. 2004 wurde er zum Vorsitzenden der Geschäftsführung berufen. Neben der beruflichen Tätigkeit ist Wimmer Lehrbeauftragter an der Universität Bremen sowie an der Jacobs University in Bremen.

› 04Auf Verlegeschiffen wie der „Castoro 10“ werden die einzelnen Rohre der Nord Stream-Pipeline miteinander ver-schweißt und als zusammenhängender Strang auf dem Meeresboden verlegt.

„LogIsTIK MAchT InTernATIonALen

hAnDeL ersT MögLIch“

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(SCM). SCM macht die logistischen Abläufe effizien-ter, indem es durch die exakte Abstimmung der einzel-nen Schritte aufeinander Arbeitsprozesse beschleunigt und so Leerlauf oder Lagerungskosten vermeidet. Die Organisation der Lieferkette (Supply Chain) beim Bau der Ostsee-Pipeline erforderte zunächst die Identifika-tion von geeigneten Logistikstandorten, um die Trans-portwege möglichst gering zu halten. 68 Häfen wurden hierfür geprüft, fünf von ihnen ausgewählt. Sie bieten gemeinsam mit 20 Außenlagerflächen bis zu 150 Hek-tar Platz und damit Kapazitäten für 800 Kilometer Fer-tigwarenbestand. Der Ausbau der Infrastruktur in die-sen Häfen ermöglichte es, Verkehrswege zu optimie-ren und den Umschlag zu vereinfachen. Zudem wur-den die 200.000 jeweils 12 Meter langen Rohrsegmente nicht in bestehenden Fabriken mit einem Betonmantel versehen. Vielmehr wurden im finnischen Kotka und in Mukran auf Rügen – an den Endpunkten der Pipeline-Trasse – neue Betonbeschichtungswerke gebaut. Zwar sind die Investitionen für die beiden Werke mit annä-

hernd 60 Millionen Euro ebenso hoch wie die Einsparungen bei den Transportkosten. Je-doch bewirken die kürzeren Wege eine Redu-zierung der Emissionen um 200.000 Tonnen CO2.

Neben der Optimierung der Infrastruktur zählt zum SCM auch die Ermittlung effizien-ter Transportwege. Beim Nord Stream-Projekt werden die Stahlrohre mit der Bahn von den Herstellern zur Betonummantelung und von dort per Schiff zu den Zwischenlagern trans-portiert. Um die 20 bis 30 Tonnen schwe-ren Großrohre punktgenau anzuliefern, wur-de das in der Automobilindustrie verwende-te Just-in-time-Konzept adaptiert: Am Haupt-zwischenlager Slite auf Gotland werden die seeseitig gelieferten Rohre direkt auf ein an der anderen Seite der Pier liegendes Schiff verladen. Dieses Transportschiff lädt die Roh-re dann auf die Verlegerschiffe um. Dort wer-den je zwei Rohre zusammen- und anschlie-ßend an den Pipeline-Strang geschweißt.

Damit die Beteiligten einer Logistikket-te optimal zusammenarbeiten, sind effektive Informationsabläufe erforderlich. „Das star-ke Wachstum effizienter IT-Unterstützung in den letzten Jahren trägt maßgeblich dazu bei, dass der Informationsfluss immer zuverlässi-ger und mit geringerem Aufwand gesteuert wird“, sagt Professor Werner Delfmann, Lei-ter des Seminars für ABWL, Unternehmens-führung und Logistik an der Universität zu Köln. An seinem Seminar arbeitet der Wissen-schaftler mit Logistikdienstleistern, Industrie-unternehmen und Unternehmensberatungen zusammen. „Kooperationen zwischen Wis-senschaft und Praxis nehmen gerade im an-wendungsbezogenen Forschungskontext zu“, erläutert der Kölner Professor.

In einem aktuellen Forschungsprojekt des Sonderforschungsbereichs „Selbststeuerung logistischer Prozesse“ (SFB 637) der Universi-tät Bremen werden beispielsweise Container und andere Objekte mit modernster Informa-tions- und Kommunikationstechnologie aus-gestattet. Dazu gehört die Satelliten-Navi-

› 0 5

› 05Auf dem Gelände des Fähr-hafens Sassnitz auf der Insel Rügen werden die hochsta-bilen Stahlrohre für die Nord Stream-Pipeline zwischen-gelagert.

„KooPerATIonen ZWIschen WIssen-

schAfT unD PrAxIs nehMen Zu“

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PorTräT

Prof. Dr. Dr. h. c. Werner Delfmann (62) studierte in Münster Betriebswirtschafts-lehre und Mathematik. 1976 promovierte er und habili-tierte 1982. Anschließend lehrte er an den Universi-täten Münster, Osnabrück, Frankfurt a. M. und Köln. Seit 1988 ist Prof. Delfmann Direktor des Seminars für ABWL, Unternehmensführung und Logistik der Universität zu Köln. Daneben ist er weltweit als Gastprofessor tätig sowie Gründer und Leiter mehrerer Arbeitskreise auf nationaler und internationaler Ebene.

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gation genauso wie Radio Frequency Identification De-vices (RFID). Ein RFID-System besteht aus einem Trans-ponder und mobilen oder stationären Lesegeräten. Der Transponder ist an einem beweglichen Gegenstand wie einem Container oder einer Palette angebracht und enthält einen Code. Dieser wird mittels hochfrequen-ter Radiowellen von den Lesegeräten, die sich sowohl an Transportmitteln wie auch an Umschlagplätzen be-finden, erfasst. Auf Basis dieses Dialogs sollen die Güter ihre ideale Route zum Zielort eines Tages selbst wählen. Bereits jetzt ist es mithilfe von RFID möglich, dass die Waren permanent Informationen zu ihrer Ortung ver-senden. So bleibt der logistische Prozess für den Versen-der wie für den Empfänger nachvollziehbar, Störungen werden sofort erkannt. Auch die Rohre für die Ostsee-Pipeline sind mit RFID-Technik ausgestattet – in Kombi-nation mit einem neu entwickelten System zur Rohrver-folgung: Über „intelligente Endkappen“ geben die Roh-re Informationen zu ihrem Zustand sowie zum Lagerort an einen zentralen Kontrollraum weiter.

Mit ihren vielfältigen Querschnitts- und Service-aufgaben durchdringt die Logistik heute die klassi-schen Bereiche im Unternehmen wie Einkauf, Fertigung oder Personalwesen. In Deutschland arbeiten aktuell 2,67 Millionen Beschäftigte in der Logistik, die damit nach der Automobilindustrie und dem Maschinen-bau den drittgrößten Wirtschaftszweig des Landes bil-det. Die letzte Krise hat die Branche laut Professor Delf-

mann gut überstanden. Sie ist nun wieder auf Wachstumskurs: 2010 wurden nach ers-ten Angaben 215 bis 220 Milliarden Euro um-gesetzt.

Trotz der positiven Prognosen sucht die Branche händeringend nach Fachkräften. Au-ßer über Fachwissen in der Material- und La-gerwirtschaft müssen sie heute auch über betriebswirtschaftliches Know-how, über IT-

› 0 6Um kurze Umschlagzeiten im Hafen zu gewährleisten, müssen Abfertigungspro-zesse und Informationsflüsseeng verzahnt werden. Neue,satellitengestützte Ortungs-technologien werden derzeit im Galileo-Testfeld Sachsen-Anhalt getestet. Sie sollen für mehr Transparenz und Sicherheit in der Logistikkettesorgen.

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Kenntnisse sowie über Personalführungskompetenz, ausgeprägte Teamorientierung und Weitblick verfügen.

„Ein weiterer wichtiger Zukunftsmarkt ist die Kon-traktlogistik“, ergänzt Thomas Wimmer. Im Vergleich zu anderen logistischen Dienstleitungsangeboten verfügt sie mit beachtlichen Wachstumsraten über das derzeit größte Entwicklungspotenzial. Kontraktlogistik heißt: Ein Hersteller vereinbart mit einem Anbieter von Lo-gistikdienstleistungen eine vertraglich gesicherte lang-fristige Zusammenarbeit von etwa drei bis fünf Jahren. Das Logistikunternehmen bietet individuell angepasste und kosteneffizient organisierte Maßnahmen, wie die Lieferung des Materials just in time oder die Qualitäts-

kontrolle. Der Hersteller kann sich ganz auf seine Kernkompetenzen konzentrieren und zahlt nur für das exakt auf seinen Bedarf zu-geschnittene Leistungspaket. Der Dienstleis-ter wiederum profitiert durch die langfristige und enge Bindung an seinen Vertragspartner.

Trotz dieser Entwicklung tragen Logistik-unternehmer nach wie vor hohe Risiken: „Mögliche Währungskrisen, das harte Ringen der globalen Leitwährungen oder Vertrauen erschütternde terroristische Aktivitäten ber-gen Gefahren“, so Wimmer.

Insgesamt sei in der Branche große Fle-xibilität erforderlich, Logistiker müssten sich über den Wettbewerbsgedanken hinwegset-zen und gemeinsam an Lösungen arbeiten. Hier sind vor allem die Schnittstellen zwi-schen Theorie und Praxis entscheidend, be-tont Professor Delfmann: „Denn für die Pra-xispartner ist es interessant zu sehen, wel-che neuen Trends aus der Wissenschaft kom-men – und ihre praktische Sichtweise ergänzt unsere Forschung.“

› 0 7

› 07Auf 860 Milliarden Euro wurde 2009 der Logistik-markt Europa geschätzt. Der Anteil Deutschlands daran liegt bei gut 20 Prozent. „Aus Sicht ausländischer Investoren nehmen wir eine Spitzenposition in Infrastruk-turqualität und Logistik-technologie ein“, begründet Prof. Wimmer. Um diese Position zu halten, sucht die Branche händeringend nach Fachkräften.

unTernehMen Der brAnche Müssen

eng ZusAMMenArbeITen

Info

Für ihr logistisches Konzept wurde die Nord Stream AG von der Bundesvereinigung Logistik (BVL) mit dem Deutschen Logistik-Preis 2010 ausgezeichnet. Die BVL sieht ihre Aufgabe darin, Impulse für zukunftsweisen-de logistische Vorhaben zu geben, mit ihrem Preis will sie Innovationen fördern.

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Seit der Nachkriegszeit produziert das Unternehmen aus dem niedersächsischen Uelzen elektrische Heizkörper und elektro-nische Geräte zur Leistungs- und Tempera-turregelung. Heute zählt Elmess-Thermosys-temtechnik zu den weltweit führenden Her-stellern elektrischer Heizungen für die Indus-trie und Umwelttechnik. Der Familienbetrieb hat seinen Schwerpunkt auf Einzelstücke und Kleinserien gelegt, jeweils exakt abgestimmt auf die spezifischen Anforderungen und Be-dingungen seiner Kunden. Seit 2009 gehört auch Brunel Spezialist Hannes Wessel* zum Team der 90 Mitarbeiter; seitdem arbeitet er an über 400 Projekten mit. „Sein Interesse an Neuem sowie seine Erfahrungen in der Ma-schinentechnik bildeten die Basis für die er-folgreiche Zusammenarbeit. Innerhalb we-niger Monate erwarb er das sehr spezifische Know-how unseres Hauses“, betont Uwe Riedler, Abteilungsleiter im Bereich Konstruk-tion und Schweißaufsicht sowie Beauftragter für Qualitätsmanagement bei Elmess.

Zu den Standardprodukten des Unter-nehmens zählen explosionsgeschützte Rip-penrohrheizgeräte, die die Raumluft in ex-plosionsgefährdeten Bereichen – Lackiererei-en, Farblagern oder Kläranlagen – erwärmen. Benötigt der Kunde beispielsweise eine senk-rechte statt der üblichen waagerechten Mon-tage des Geräts oder weicht eine Bestellung in puncto Geräteleistung oder Anschluss-spannung vom Standard ab, ist das Fachwis-

PorTräT

Hannes Wessel (re.) ist gelernter Zerspa-nungsmechaniker. Parallel zu seiner Ar-beit als Einrichter eines Montagebandes in der Automobilindustrie absolvierte er eine Ausbildung zum staatlich geprüf-ten Techniker. 2009 kam er zu Brunel und wurde von Beginn an bei Elmess eingesetzt.* Seit September 2010 ist der 30-Jährige bei Elmess als Sachbearbeiter Technik fest angestellt.

Uwe Riedler (li.), gelernter Maschinen-bauer, arbeitete nach einer Weiterbildung zum Industriemeister mit Fachrichtung Metall zunächst als Werksleiter eines mittelständischen Maschinenbauunter-nehmens. Bei Elmess ist der 46-Jährige seit 2004 tätig – zunächst als Techniker und seit 2009 als Leiter der Konstruktion.

sen des staatlich geprüften Technikers Han-nes Wessel gefragt. Mithilfe des Zeichenpro-gramms CAD passt der 30-Jährige die bereits bestehende Konstruktion an, erstellt die neue Gerätezeichnung und spezifiziert die einzu-setzenden Bauteile für die Produktion. Für die Auftragsabwicklung, die Erstellung und Zu-ordnung von Stücklisten und Fertigungsun-terlagen nutzt er das bei Elmess standardmä-ßig eingesetzte Enterprise Resource Planning System (ERP-System).

„Qualifizierte Mitarbeiter sind unser wichtigstes Kapital“, erläutert Uwe Riedler und fährt fort: „Entsprechend haben das Ar-beitsklima, optimale Arbeitsbedingungen,

T e x T › Claudia Schulz

Branchen wie die Erdöl- und Erdgasindustrie benötigen Spezial-Heizgeräte zum Erwärmen von beispielsweise Luft, Wasser oder Gas. Denn in einem explosionsgefährdeten Umfeld müssen deren Temperatur und Druck permanent überprüft werden. Die Entwicklung von Heizgeräten für derart anspruchsvolle Umgebungen ist das Kerngeschäft der Elmess-Thermosystemtechnik GmbH & Co. KG, seit 2009 Kunde von Brunel.

Heiz- und Thermosysteme nach Maß

VerDAMPfer VerMeIDen KäLTe-

effeKTe In Der erDgAsgeWInnung

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eine bestmögliche Arbeitsplatzausstattung sowie in-tensive Schulungen hohe Priorität.“ Dank dieser Maß-nahmen und seiner schnellen Auffassungsgabe erwei-terte sich das Aufgabenfeld von Hannes Wessel schon nach kurzer Zeit und so wurde er nach der Einarbeitung für diverse Projekte – von der Berechnung und Material-bestimmung bis zur Betreuung der Fertigung – einge-setzt.

Am Beispiel der Konstruktion eines Verdampfers wird deutlich, dass Hannes Wessel und seine Kollegen über weitreichende Kenntnisse für die technische Kon-zipierung verfügen müssen. Verdampfer dienen dem

Erwärmen flüssiger oder gasförmiger Medi-en wie Wasser oder Erdgas und kommen bei-spielsweise in der Petrochemie oder der Erd-gasgewinnung und -verteilung zum Einsatz. „Wir kennen das aus dem Alltag“, erläutert Wessel, „beim Nachfüllen eines Gasfeuerzeu-ges tritt ein spürbarer Kälte- oder Vereisungs-effekt ein. Dasselbe passiert bei der Erdgasin-dustrie – nur in viel größerer Dimension. Die Vorwärmer haben hier die Aufgabe, dieser Vereisung entgegenzuwirken“, erläutert Wes-sel.

› 0 8

› 08Qualitätskontrolle an einem Heizeinsatz für Strömungs-erhitzer. Die Konstruktio-nen unterliegen strengen Normvorschriften. Bei der Maßanfertigung ist die Prü-fung daher ein wesentlicher Bestandteil der Projektarbeit.

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Derzeit unterstützt er als Sachbearbei-ter Technik die Konstruktion eines Verdamp-fers, der kontinuierlich 20 Grad Celsius war-mes Wasser mit einem Volumenstrom von 240 Gramm pro Minute in 350 Grad heißen Dampf umwandeln soll. Hierzu haben die im Vertrieb eingesetzten Projektingenieure zu-nächst auf Basis der Kundenanfrage die er-forderliche Heizleistung sowie die maxima-le Temperatur und Druckbelastung des Ge-rätes ermittelt. Anschließend wurde das zu verwendende Material für den Druckbehäl-ter sowie der Querschnitt und die Länge der Rohrschlange bestimmt, durch die das zu ver-dampfende Wasser fließen soll. Diese Parame-ter teilte der Projektleiter dann dem Maschi-nenbautechniker Hannes Wessel mit – sie bil-den die Grundlage seiner Arbeit. „Zunächst berechne ich nun die Belastung des Druck-behälters und die nötige Materialstärke der Rohrschlange, die dem vorgegebenen Druck standhalten muss“, erklärt Wessel. Dann spe-zifiziert er Anzahl, Länge und Leistung der elektrischen Heizelemente und bestimmt die Kabel-Klemmquerschnitte für den fachge-rechten Anschluss des Vorwärmers. Nach der Freigabe des Geräteentwurfs durch den Kun-den definiert Hannes Wessel die notwendi-gen Zukaufteile und Komponenten, erstellt die Fertigungsunterlagen inklusive Stücklis-

ten und Detailzeichnungen. Abschließend gibt Wessel die Materialanforderung an den Einkauf weiter, betreut die Fertigung und legt den Umfang der Dokumentation für den Kunden fest.

„Für meinen Einsatz verwende ich firmen interne Berechnungsprogramme und orientiere mich an spe-ziellen Normen“, erläutert Wessel. Je nach Gerät und Einsatzbereich sind zahlreiche Richtlinien zu beach-ten – für Niederspannung, elektromagnetische Ver-träglichkeit (EMV), explosionsgeschützte Betriebsmittel und Druckgeräte (CE-Konformität). Hinzu kommen die Normvorgaben der Druckgeräte-Richtlinie (DGRL) sowie die ATEX-Richtlinie der EU für den Bereich Explosions-schutz. Dieses weite Feld an neuen Anforderungen mo-tiviert Hannes Wessel, in der Bewältigung stets neuer Herausforderungen sieht er hier den großen Vorteil sei-ner Tätigkeit: „Bei Elmess arbeiten wir nicht nur auf Pa-pier wie ein Ingenieurbüro, sondern können die Ergeb-nisse der Arbeit direkt sehen und anfassen. Wir bringen also Theorie und Praxis zusammen. Das macht großen Spaß – und nach Fertigstellung eines Projekts auch ein bisschen stolz.“

› 09Elektrische Endmontage in einer der fünf Fertigungs-hallen in Uelzen. Zu den Leistungen gehört auch die Inbetriebnahme der Geräte vor Ort bei den Kunden. Mit Vertretungen auf jedem Kontinent ist Elmess heute weltweit im Einsatz.

› 0 9

norMen unD rIchTLInIen ALs bAsIs für heIZ-

unD TherMoTechnIK

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PorTräT

Dr. Rudolf Bannasch (58) studierte Bio-logie in Donezk, Kiew und St. Petersburg. Danach arbeitete er bis zum Jahr 2000 als Wissenschaftler in Berlin. Bannasch ist Mitbegründer und Geschäftsführer der EvoLogics GmbH (www.evologics.de), die sich auf die Umsetzung bionischer Konzepte in technische Verfahren und Produkte spezialisiert hat. Darüber hinaus ist er Koordinator und Vorstandsmitglied des Bionik-Kompetenznetzes Biokon.

Der Spezialist: Herr Hollermann, warum ist die Natur ein so gutes Vorbild für die Tech-nik?

Markus Hollermann: Weil die Natur im Laufe der Evolution viele Probleme optimal gelöst hat. Gelingt es, diese Prinzipien zu er-kennen und auf technische Anwendungen zu übertragen, dann kann die Bionik Ansätze für Fragestellungen liefern, die sich mit eta-blierten Methoden nicht optimal beantwor-ten lassen.

Der Spezialist: Und an welchen neuarti-gen bionischen Konzepten wird derzeit gear-beitet?

Hollermann: Da gibt es einige Beispiele. Ich untersuche seit rund zwei Jahren mit ei-

nem Kollegen, wie sich Dübel in Verbundma-terialien besser verankern lassen. Diese Ma-terialien haben einen hohen Luftanteil und der Dübel findet nur schwer Halt. Anlass un-serer Arbeit war eine Forschungskooperati-on der Unternehmensgruppe fischer mit dem Bionik-Innovations-Centrum der Hochschule Bremen. Ziel war es, in der Natur nach Lösun-gen zu suchen. Unsere Analyse begann beim Werkstoff: Welche Eigenschaften hat er, wel-che natürlichen Gewebe sind vergleichbar? Da Blätter einiger Pflanzen ähnlich aufgebaut sind wie Leichtbauwerkstoffe, untersuchten wir nun, welche Tiere auf welche Art in das Gewebe eindringen und wie sie sich dort ver-ankern. Vorbild für unseren Ansatz wurde die Zikade: Ihre Mundwerkzeuge sind wie kleine Stilette ausgebildet, die sich gegeneinander verschieben und dadurch eine alternierende Bewegung vollziehen. So raspelt sich das In-sekt richtiggehend in eine Oberfläche hinein. Dann verspreizen diese Stilette. Das Prinzip übertragen wir nun auf Dübel.

Rudolf Bannasch: Oder nehmen Sie die akustische Kommunikation der Delfine, mit der ich mich derzeit beschäftige. Sie können unter Wasser kommunizieren, viel besser als dies mit klassischen technischen Lösungen möglich ist. Ihre melodiösen Pfiffe überdecken

I n T e r V I e W › Michael Vogel

Der Lotuseffekt ist ein populäres Beispiel für ein bionisches Prinzip, das erfolgreich in die Praxis übertragen wurde. Solche Vorbilder der Natur lassen sich für die Entwicklung technischer Lösungen nutzen. Das Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft, sagen Dr. Rudolf Bannasch, Geschäftsführer der EvoLogics GmbH, und Markus Hollermann, Preisträger des Internationalen Bionic-Award 2010.

Vorbild Natur: kürzere Entwicklungswege dank Bionik

Lösungen Der nATur sInD ZuM TeIL

besser ALs DIe Der TechnIK

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einen großen Frequenzbereich und transpor-tieren so Informationen, die wenig anfällig für Halleffekte sind. Genutzt wird dieses Prin-zip aktuell bei Modems für unterseeische Te-lekommunikations- und Sonar-Anwendun-gen. Wir wussten um die Probleme existieren-der technischer Verfahren: Durch die Reflexi-onen der Ultraschallwellen beispielsweise an Meeresoberfläche und -grund kam es zu star-ken Störungen. Daher haben wir überlegt, wie sich das in der Biologie bekannte Kommunika-tionsprinzip der Delfine auf Modems übertra-gen lässt. Technisch wird die Trägerfrequenz

dazu um eine Oktave variiert, bevor die Signale mit der zu übertragenden Information aufmoduliert werden. Der Empfänger rechnet die ursprünglichen Melodien dann wieder heraus. So lassen sich selbst Signale detek-tieren, die unterhalb der Rauschgrenze liegen.

Der Spezialist: Ist die Bionik derzeit eher wissen-schafts- oder industriegetrieben?

Bannasch: Sowohl als auch. Es gibt Entdeckungen der Wissenschaft, die ihren Durchbruch in der Industrie noch vor sich haben, und es existieren bereits Produk-te, die Unternehmen eigenständig entwickelt und vor-angetrieben haben. Wichtig ist, dass evolutionäre Ent-

› 1 0

› 10Bei der Entwicklung des Bionischen Handling-Assistenten vereinten die Forscher der Festo AG Bionik, Pneumatik, Mechatronik und Handhabungstechnik sowie Generative Fertigungstech-nologie zu einem Handling-system mit fast menschlicher Leichtigkeit, Geschicklichkeit und Flexibilität.

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wicklungen immer nur für bestimmte Parameterräu-me stimmig sind. Wer sich mit Bionik befasst, muss also zunächst die Prinzipien begreifen und sie dann in die Technik übersetzen.

Hollermann: Oft geht es darum, Konzepte der Na-tur unter einer bestimmten, industriespezifischen Fra-gestellung zu analysieren und gegebenenfalls neu zu kombinieren. Unsere Arbeit für die Unternehmens-gruppe fischer ist ein Beispiel für dieses Market-Pull-Prinzip. Ebenso häufig aber entstehen bionische Kon-zepte nach dem Technology-Push-Prinzip, wie es beim Lotuseffekt der Fall war. Wissenschaft und Industrie treiben die Bionik daher gleichermaßen und oft ge-meinsam voran.

Der Spezialist: Welche Branchen sind besonders of-fen für bionische Konzepte?

Bannasch: Da gibt es keinen Primus. Zumal Bionik inzwischen sehr vielschichtig ist: Wissenschaftler wie Unternehmen schauen nicht nur auf die Ergebnisse der biologischen Evolution und versuchen, diese technisch

umzusetzen. Sie wollen vielmehr verstehen, wie die Evolution abläuft.

Hollermann: Aktuell zeigt meiner Ansicht nach die Logistik großes Interesse an Bionik. Hier dienen Ameisen als Vorbilder, dort tra-gen viele Individuen zu einem komplizierten Ganzen bei. Sie transportieren Lasten, betrei-ben Verkehrswege und auch Zwischenlager. Es existieren also Analogien zu einer Logistik-kette. Interessante Fragen für praktische An-wendungen sind daher: Wie und was kom-munizieren die Tiere? Wie sind ihre Hierarchi-en aufgebaut? Denn Ameisen finden rasch Lö-sungen, wenn es zu Störungen kommt. Die einzelne Ameise folgt der Verhaltensweise der anderen, sofern dieses Verhalten zum Er-folg führt. Diese Prozesse sind für die Opti-mierung von Logistikprozessen interessant.

Der Spezialist: Muss ein Ingenieur wie ein Biologe denken können, um bionisch zu ent-wickeln?

Bannasch: Es hilft definitiv, über den Tel-lerrand zu blicken. Ein wesentlicher Unter-schied ist die Multifunktionalität in der Bio-logie. Die klassische Ingenieursdenke hinge-gen ist oft monokausal – ein Problem, eine Lö-sung. Daraus resultieren Baukastenlösungen, wie etwa beim Auto: Querträger, Feder fürs Fahrwerk, Dämpfer, Aufhängung. Mehrere Einzelelemente liefern die komplexe Funkti-on. Doch zunehmend spielt die Multifunktio-nalität auch in der Technik eine Rolle. So zum Beispiel im Automobilbau, der Luftfahrt oder im Maschinenbau. Die Karosserie eines Autos etwa bestand früher zum einen aus Bautei-len, die Erschütterungen abfangen, sowie aus Bauteilen, die der Abdichtung dienen. Bei mo-

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› 11Zikaden verankern sich mit ihren spezialisierten Mund-werkzeugen im Pflanzenge-webe, etwa um dort Nahrung aufzunehmen. Dieses Vorbild nutzten Hollermann und Förster für die Entwicklung eines neuen Befestigungssys-tems für Wärmedämmver-bundsysteme.

PorTräT

Markus Hollermann B. Sc. (27) (im Bild links) studierte Bionik an der Hochschule Bremen. Bis Ende 2010 betreute er dort das Projekt BioFix, eine Forschungskooperation des Bionik-Innovations-Centrums und der Unternehmensgruppe fischer. Mit dem Gewinn des Internationalen Bionic-Award 2010 gründete er mit seinem Kommilitonen Felix Förster (rechts im Bild) „die Bioniker“ (www.diebioniker.de), um bio-nische Ideen und Produkte mit Firmen aus diversen Branchen zu erarbeiten. AMeIsensTAATen ALs InsPIrATIonsqueLLe

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IM DIALog

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dernen Karosserien nehmen alle Teile in ih-rer Gesamtheit die einwirkenden Kräfte auf. Ingenieure kommen zwar auch ohne Bionik zum Ziel. Aber sie hilft, Entwicklungswege zu verkürzen oder Alternativen aufzuzeigen.

Der Spezialist: Was bedeuten diese unter-schiedlichen Herangehensweisen für die per-sonelle Besetzung von Entwicklungsabteilun-gen?

Hollermann: Unternehmen ohne um-fangreiche Entwicklungsabteilungen werden wohl zunehmend Dienstleister hinzuziehen, wenn sie eine bionische Fragestellung haben. Große Konzerne dagegen sind daran interes-siert, bionisch geschulte Fachkräfte in den ei-genen Reihen zu haben – als Übersetzer zwi-schen Biologie und Technik.

Bannasch: Für die Betriebe ist es wich-tig, den Dialog zwischen den Fachgebieten

zu suchen. Mitunter stoßen Biologen und Ingenieure zunächst auf sprachliche Barrieren, weil sich Biologen mehr in Latein ausdrücken und Ingenieure in Formeln. Wenn sie sich aber aufeinander eingespielt haben, tun sich ganz neue Welten auf. Wichtig ist, dass die Exper-ten sich gegenseitig ernst nehmen. Standesdünkel ist sowohl bei Ingenieuren als auch bei Biologen unange-bracht.

Der Spezialist: Meine Herren, vielen Dank für das Ge-spräch.

› 1 2

› 12In einem Strömungskanal nimmt Prof. Dr. Ennes Sarradj von der BTU Cottbus an einem Kunststoff-Modellflü-gel akustische Messungen vor. Sein Ziel: die Analyse von Lärmquellen an Flugtriebwer-ken. Vorbild für den lautlosen Flug ist die besonders leise fliegende Eule.

bIonIKer ALs überseTZer ZWIschen

bIoLogIe unD TechnIK

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T e x T › Matthias Huthmacher

New York City im Jahr 1900. Die Stadt ist Schmelztiegel für Völker aus aller Welt. Es herrscht Aufbruchstimmung auf dem Weg in ein neues Jahrhundert. Auf den belebten Stra-ßen fahren noch Pferdefuhrwerke und Hand-karren – aber auch seltsame Gefährte, die sich ganz ohne Muskelkraft bewegen. Die Hälfte dieser neumodischen Automobile steht unter Strom. Die andere Hälfte wird mehrheitlich von Dampfmaschinen bewegt, Modelle mit Verbrennungsmotoren sind in der Minder-zahl. Zur gleichen Zeit in Paris, auf der Welt-ausstellung. Ein Ingenieur aus der kaiserlich-königlichen Doppelmonarchie Österreich-Un-garn sorgt für Aufsehen: Er präsentiert ein von ihm entwickeltes Elektroauto. Vollkom-men neu daran ist die Unterbringung der bei-den zweieinhalb, in der Leistungsspitze sogar sieben PS starken Elektromotoren. Sie sind in den Radnaben der Vorderräder integriert. Die österreichische Patentschrift mit der Num-mer 19645 aus dem Jahr 1896 spricht noch vom „Antriebslenkrad mit Elektromotor“, spä-ter wird man die Konstruktion einfach Rad-nabenmotor nennen. Der Name des jungen Mannes hinter dieser Erfindung: Ferdinand Porsche.

Eigentlich hätte er Spengler werden sol-len, um den Familienbetrieb zu überneh-men, so wollte es der Vater. Sohn Ferdinand aber, am 3. September 1875 im böhmischen Maffersdorf geboren, hat schon früh ganz andere Pläne: Er ist fasziniert von den tech-nischen Möglichkeiten der Elektrifizierung.

Noch während der Schulzeit installiert er elektrische Beleuchtungsanlagen in seinem Heimatdorf. Nach der Lehrzeit im väterlichen Handwerksbetrieb besucht der junge Porsche die Staatsgewerbeschule in Reichenberg und Vorlesungen an der Technischen Hochschule in Wien. 1893 tritt er eine Arbeitsstelle bei der Vereinigten Elektrizitäts-AD Béla Egger in Wien an, steigt rasch zum Leiter der Prüfabteilung auf. 1897 wechselt er zur k. u. k. Hofwagenfabrik Jacob Lohner & Co im Wiener Stadtteil Floridsdorf. Firmenchef Ludwig Lohner arbeitet zu die-ser Zeit bereits an ersten elektrischen Automobilen – Ferdinand Porsche kommt da gerade recht.

Als Lohner-Porsche geht das kutschenartige Ge-fährt, das in Paris der Weltöffentlichkeit präsentiert wird, in die Annalen des Automobilbaus ein. Der Antrieb kommt ohne Getriebe und Antriebswellen aus: Die Rä-der drehen sich als Rotoren für die Gleichstrom-Moto-ren um einen mit der Aufhängung fest verbundenen Ständer. Damit bleiben die mechanischen Reibungsver-luste minimal, die beiden Elektroantriebe erreichen ei-nen Wirkungsgrad von 83 Prozent. Eine zeitgenössische Fachzeitschrift jubelt: „Die epochemachende Neuheit besteht in der gänzlichen Beseitigung aller Zwischen-getriebe als Zahnräder, Riemen, Ketten, Differentiale etc., kurz in der Herstellung des allerersten bisher exis-tierenden transmissionslosen Wagens.“ Nach ersten Testfahrten wird zudem die hohe Fahrsicherheit gelobt: „Kein Schleudern in scharfen Kurven oder auf glattem Untergrund.“ Das Auto erreicht eine Dauergeschwin-

Der erste Porsche war ein Elektroauto

In den vergangenen zwei Jahren verging keine bedeutende Automobil-Ausstellung ohne die Pre-miere eines Fahrzeugs mit Elektroantrieb. Waren es zuvor meist Spezialfirmen, so treiben mitt-lerweile nahezu alle Konzerne der Automobilbranche die Entwicklung voran. Das Elektroauto, ein Phänomen unserer Zeit? Nein: Bereits vor rund 100 Jahren fuhren Autos elektrisch.

› 13Ferdinand Porsche war ein Technik-Genie mit Weitblick. Sein Elektroauto setzte sich zwar vorerst aufgrund hoher Batteriekosten nicht durch, doch das Wirtschaftswunder-auto VW Käfer ging in die Geschichte der Automobil-industrie ein.

eLeKTro-ALLrADAuTo

Für den Renneinsatz präsen-tierte Ferdinand Porsche im Herbst des Jahres 1900 einen Wagen mit Radnaben-Elektro-motoren an den Vorder- und Hinterrädern. Das Fahrzeug gilt als erstes Allradauto der Welt. Dass es nicht schneller fuhr als 60 km/h, lag auch am Batteriepaket: Um Renn-distanzen ohne Nachladen zu überstehen, war es nicht nur groß, es wog auch 1,8 Tonnen.

sensATIon Auf Der WeLTAussTeLLung 1900 –

Der Lohner-Porsche VerZIchTeT DAnK

gLeIchsTroM-MoToren Auf geTrIebe

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digkeit von 37 km/h, kurzfristig sind sogar 50 km/h möglich.

Trotzdem: Durchgesetzt hat sich der Elek-troantrieb damals nicht. Das große Problem des E-Wagens ist damals wie heute die Bat-terie. Der Lohner-Porsche trug einen aus 44 Zellen bestehenden Bleiakku, der über eine Spannung von 80 Volt und eine Elektrizitäts-menge von 300 Amperestunden verfügte. Dieses Paket steuerte zum Gesamtgewicht des eine Tonne wiegenden Fahrzeugs 410 Ki-logramm bei. Trotzdem war der Energiespei-cher nach maximal 50 Kilometern entleert. Zwar kommen die Elektroautos des 21. Jahr-hunderts dank Leichtbaus und moderner Li-thium-Ionen-Akkus bis zu 150 Kilometer weit, doch im Vergleich zu einem modernen Benzi-ner oder gar Dieselmotor ist das noch immer wenig.

Schon Ferdinand Porsche hat diese Schwäche erkannt. 1902 präsentiert er den so genannten „Mixte-Wagen“. Es blieb bei Rad-naben-Elektromotoren. Dazu aber kam zum Nachladen der Batterien ein Generator, der von einem Verbrennungsmotor angetrieben wurde. Damit war Porsche seiner Zeit weit voraus. Denn erst über hundert Jahre später kommen mit dem Chevrolet Volt und dem Opel Ampera zwei Serien-Elektroautos auf den Markt, die diese Art der Reichweitenver-

längerung nutzen: Ein Benzinmotor lädt bei Bedarf die Batterien nach, womit Fahrstrecken von 500 Kilome-tern möglich werden. Weiter verbreitet sind bereits die so genannten Hybrid-Fahrzeuge: Der Toyota Prius war vor gut zehn Jahren das erste Serienmodell, bei dem ein Elektromotor den Verbrennungsmotor beim Antrieb unterstützte, um Kraftstoff zu sparen. Da der Einbau zweier Systeme aber erhöhten Aufwand und Verlust an Platzangebot bedeutet, gelten beide Konzepte als Über-gangslösung – die meisten Fachleute glauben an eine Zukunft der Brennstoffzelle, die an Bord den Strom für die Batterien produziert.

Von solcher Technik konnten die Tüftler zu Porsches Zeiten noch nicht einmal träumen. Es bestand auch kein Bedarf: Das Erdöl sprudelte, von Umweltproblemen war keine Rede. Die Idee der individuellen Fortbewegung als Gesellschaftsmodell aber ließ sich mit dem Elektroau-to ohnehin nicht verwirklichen. Dazu waren die Batte-rien viel zu teuer. Schon der Lohner-Porsche kostete mit Preisen, die sich je nach Ausstattung zwischen 10.000 und 35.000 österreichischen Kronen bewegten, deut-lich mehr als Wagen mit Verbrennungsmotor. Es wur-den nur rund 300 Exemplare gebaut.

Porsche spürte, dass die Zukunft dem Verbren-nungsmotor gehörte. Nach dem Abschied von Lohner im Jahr 1906 arbeitet er unter anderem für Daimler

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› 14Elektromotor in der Radnabe der Vorderräder des Lohner-Porsches: damals eine Weltneuheit für die junge Automobilbranche, heute im Stuttgarter Porschemuseum ausgestellt.

› 15Ferdinand Porsche als Bei-fahrer auf einem Lohner-Por-sche-Rennwagen um 1900. Die vier Radnabenmotoren erreichen je 2,5 PS.

hohe bATTerIeKosTen beIM eLeKTroAnTrIeb

ebnen VerbrennungsMoToren Den Weg

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und die Steyr-Werke in der Motorenentwicklung, ehe er 1931 in Stuttgart ein eigenes Konstruktionsbüro er-öffnet. Dort entwirft er das Volksauto, den KdF-Wagen (KdF = Kraft durch Freude), der erst nach dem Zweiten Weltkrieg seinen Durchbruch erfährt. Ferdinand Por-sche stirbt am 30. Januar 1951 in Stuttgart, doch er hin-terlässt neben dem Lohner-Porsche ein weiteres Auto, das Geschichte schreibt: Der VW Käfer sorgt für die Au-tomobilisierung Deutschlands, wird zum Symbol des

Wirtschaftswunders und Exportschlager. Sein Triumphzug endet erst Mitte der Acht-zigerjahre, mit 21,5 Millionen gebauten Ex-emplaren. Der elek trische Radnabenmotor aber schaffte es sogar bis auf den Mond: Der NASA-Rover in den Siebzigerjahren wurde von Elektromotoren an allen vier Rädern vorwärts bewegt.

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› 16Schnitt durch den Antrieb eines Hybridmotors: Beim Toyota Prius 2 wird der Benzinmotor nach Erreichen der nötigen Temperatur abgeschaltet und durch einen Elektroantrieb abgelöst.

› 17Für die Apollo-17-Mission wurde der Elektromotor auf dem Mond eingesetzt. Ein Hauptmotor und zwei weitere pro Rad ermöglich-ten den Astronauten eine Reichweite von rund 90 Kilometern.MeILensTeIne

1881 Der Franzose Gustave Trouvé präsentiert auf der Internationalen Elektrizitätsausstellung in Paris das erste straßentaugliche Elektroauto. Das dreirädrige Fahrzeug verfügt über zwei Elektromotoren und sechs wieder aufladbare Bleiakkumulatoren und schafft eine Höchstgeschwindigkeit von 12 km/h.

1886 Carl Benz stellt den ersten benzingetriebenen Kraftwagen vor. Der Antrieb ist eine Weiterentwick-lung des Gasverbrennungsmotors von Nicolaus Otto. Benz und Gottlieb Daimler arbeiten seit 1883 am Benzinmotor, 1892 folgt Rudolf Diesel mit dem Verbrennungsmotor ohne Fremdzündung.

1914 Henry Ford leitet die Massen-Automobilisierung Amerikas ein: Das T-Modell ist der erste Pkw der Welt, der auf einem Fließband gefertigt wird. Niedrige Produktionskosten und einfache Konstruktion machen die „Tin Lizzy“ mit ihrem Benzinmotor für weite Teile der Gesellschaft erschwinglich.

2011 Das erste in Großserie produzierte Elektroauto geht in Europa für drei Marken an den Start: Der Mit-subishi i-MiEV, in Japan bereits seit 2009 erhältlich, wird vom PSA-Konzern auch als Peugeot i-On und Citroën C-Zero angeboten. Die Preise für die Kleinwagen liegen bei 35.000 Euro.

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Johannes-Ferdinand Meier

Aus unserer sicht

Herausforderung Harmonisierung: neues Handbuch über Industrie-Normen

Im Pocket-Format werden Informationen für rund 370 Normen – beispielsweise von Schlüsselweiten, Mutterhöhen oder Schrau-bensicherungen – zusammengestellt, bei de-nen sich Änderungen ergeben haben. „Das handliche Nachschlagewerk hilft Konstruk-teuren und Einkäufern, nach dem aktuellen Stand der europäischen und internationa-len Normung für mechanische Verbindungs-elemente zu handeln“, so Meier. Der 54-jähri-ge technische Zeichner ist seit 1982 als Nor-mungsexperte tätig und seit Mai 2010 in der Brunel Niederlassung Bielefeld beschäftigt. Auf Meiers Initiative hin wurden in der aktu-ellen dritten Ausgabe vom März 2011 alle Tex-te auf Deutsch und Englisch verfasst, um die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene zu erleichtern.

Der europäische Einigungsver-trag fordert einheitliche Industrie-Normen für mechanische Verbin-dungselemente sowie für die Um-stellung von DIN- auf ISO- oder EN-Normen. Bereits vor zehn Jahren beschloss der Ausschuss „Normen-praxis – Arbeitskreis Bielefeld“ eine Arbeitsgruppe zu dem Thema zu gründen. Ein Team aus sechs Exper-ten verfasste daraufhin unter der Leitung des heutigen Brunel Mit-arbeiters Johannes-Ferdinand Mei-er das Fachtaschenbuch „Mecha-nische Verbindungselemente. Um-stellung von nationalen DIN-Nor-men auf internationale (ISO) und/oder europäische Normen (EN)“.

Auf dem Weg zur SonnenenergieIn Südfrankreich hat im Sommer 2010 mit

dem Bau des Experimentalreaktors ITER ei-nes der aufwendigsten und teuersten For-schungsvorhaben der Welt begonnen. Der Grundstein für den „International Thermonu-clear Experimental Reactor“ wurde trotz Ei-sernem Vorhang bereits 1985 gelegt. Heute wird das Projekt von der EU, den USA, Russ-land, Japan, China, Südkorea und Indien getra-gen. Ziel von ITER ist es, in einem 30 Meter ho-hen Reaktor durch Kernfusion nach dem Vor-bild der Sonne Energie zu erzeugen – und dies nahezu abfallfrei. In einem Magnetspulenring (Tokamak) werden Wasserstoffisotope durch Erhitzung auf über 100 Millionen Grad Celsi-us in den Plasmazustand versetzt. Deuterium und Tritium verschmelzen zu Helium. Dabei soll erstmals ein Vielfaches an Energie freige-setzt werden, sodass eine Kettenreaktion an-gestoßen und Nettoenergie gewonnen wird.

Iter ist zugleich das lateinische Wort für „Weg“. Die-ser ist noch lang: Für 2019 ist die Fertigstellung und für 2027 die erste Kernverschmelzung geplant.

www.iter.org

Der Querschnitt durch den ITER-Tokamak zeigt das im Magnetspulenring erhitzte Plasma (pink).

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Beamen von Men-schen bleibt Utopie

Das Teleportieren von Objekten und Le-bewesen beschäftigt die Wissenschaft seit mehr als 100 Jahren. Allerdings verstehen Forscher unter „Beamen“ etwas anderes als die Macher von Raumschiff Enterprise. Mate-rie wird nicht von A nach B „gestrahlt“, son-ders es werden nur Quanteneigenschaften von Teilchen übertragen, wie dies bereits bei Photonen gelungen ist. Im so genannten ver-schränkten Zustand nimmt das Empfänger-teilchen die Eigenschaften des Originals an, das sie zeitgleich verliert. Bei der Teleportati-on eines Menschen würde die Datenübertra-gung von Zustand und Position aller bis zu 1028 menschlichen Atome mit heutiger Spei-cherkapazität mehrere Milliarden Jahre dau-ern. Würde beim Datentransfer auch nur ein Atom falsch berechnet, bedeutete dies eine physische Veränderung oder gar den Tod des Menschen. Schließlich bleibt unklar, ob mit dem Körper auch Gefühle und Erinnerungen teleportiert würden, denn streng genommen handelte es sich nur um eine Echtzeitkopie des Individuums.

Licht statt Lösungsmittel

Pulsdauern erfolgt lärm- und staubfrei, auf den Einsatz von Chemikalien kann verzichtet werden. Clean-Lasersysteme ist Erfinder die-ser handgeführten Laser und Weltmarktfüh-rer und gewann im Oktober den Deutschen Umweltpreis 2010.

www.cleanlaser.de

Eine einzigartige Lasertechnik aus Deutschland ermöglicht um-weltschonendes Reinigen von Ober-flächen. Die Firma Clean-Lasersys-teme aus Herzogenrath produziert und vertreibt seit über zehn Jah-ren Lasergeräte zum partiellen Ent-schichten, Entlacken und Reinigen von beispielsweise Metallen oder Druckwalzen. „Die Technologie für manuell führbare Reinigung mittels gescannter Laserstrahlung haben wir patentieren lassen“, erklärt Ed-win Büchter, einer der Firmengrün-der. Sie wird sowohl im Automobil-, Luftfahrt- und Maschinenbausektor als auch zum Reinigen historischer Fassaden und für Restaurierungen eingesetzt. Bis zu 10.000 Lichtblit-ze pro Sekunde bewirken die ge-zielte Verdampfung störender Par-tikel. Die Reinigung durch hohe bis mittlere Laserleistungen mit kurzen

Hochleistungslaser wie der CL 1000 eignen sich zum manuellen Entlacken von Oberflächen.

Wer hat’s erfunden?

Die SpülmaschineAuf der Weltausstellung 1893 in Chicago präsen-

tierte Josephine Cochrane eine Erfindung, die heute aus beinahe keiner Küche mehr wegzudenken ist: die Spülmaschine. Bei Cochranes Patent (linkes Bild) ver-teilte ein motorbetriebenes Rad heißes Seifenwasser in einem Kupferkessel auf das in Drahtfächern stehende Geschirr. Die Spülung mit klarem Wasser erfolgte an-fangs noch manuell, wurde aber in späteren Modellen automatisiert. Cochrane hatte diese erste mechanisch betriebene Spülmaschine 1886 gemeinsam mit dem Mechaniker George Butter entwickelt, weil sie ihr zer-brechliches chinesisches Geschirr nicht von den Haus-angestellten per Hand spülen lassen wollte. Die von Jo-sephine Cochrane gegründete Firma „Cochrane‘s Cres-cent Washing Machine Company“ wurde 1926 von der Firma Hobart übernommen, die bis heute Spültechnik

für Hotels und Großküchen produ-ziert. In Privathaushalten setzte sich die Spülmaschine erst ab den Fünf-zigerjahren durch.

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Tipps

www.spektrumdirekt.de

Wie entsteht ein Sternenne-bel? Wozu werden Laser bei der Tu-morbehandlung verwendet? Was hat der Specht mit Stoßdämpfern zu tun? Das „Spektrum der Wissen-schaft“ ist breit gefächert. Die On-line-Version des Wissenschaftsma-gazins bietet aktuelle Neuigkeiten, spannende Artikel und Bildstrecken sowie Antworten auf Leserfragen rund um Themen aus Natur und Technik.

Johannes-Ferdinand Meier: Mecha-nische Verbindungselemente. Beuth Verlag, Berlin, 2011

Die dritte Auflage des Taschen-buchs beinhaltet eine Auflistung aktueller nationaler und internatio-naler Normen von Verbindungsele-menten. Ungültige sowie veränder-te Normen werden auf Deutsch und Englisch in Tabellen übersichtlich dargestellt. Das Buch richtet sich an Konstrukteure und Einkäufer und kostet 24 Euro.

BuchtippWebtipp

Science Center Medizintechnik

Unter dem Motto „Begreifen, was uns bewegt“ wird Besuchern im Berliner Otto-Bock-Haus das Phä-nomen der Bionik nähergebracht. Auf rund 450 m2 Ausstellungsflä-che veranschaulichen interaktive In stallationen, für welche Erfin-dungen und Errungenschaften bei-spielsweise Mohn oder der mensch-liche Fuß als Vorbild dienten. www.sciencecenter-medizintech-nik.de

Science-Center-Tipp

Brunel Termine 201110. Mai Auf dem dritten Branchentag Windenergie NRW präsentiert sich Brunel als Komplettlösungsanbieter für die Branche. Besuchen Sie uns auf unserem Messestand oder vereinbaren Sie einen Gesprächstermin unter

[email protected]

3. – 7. August Auch in diesem Jahr unterstützt Brunel als Sponsor des Events sowie einzel- ner Rennteams die Formula Student Germany 2011. Seien Sie live dabei, wenn unsere Teams auf dem Hockenheimring ins Rennen gehen und um Top-Platzie- rungen kämpfen.

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Die Datentankstelle

Auf unseren Straßen sind die unterschied-lichsten BMW-Modelle unterwegs. Ein reprä-sentativer Teil dieser Fahrzeugflotte steht zu Testzwecken in der firmeneigenen Prüfhal-le in München bereit. Vor Ort wird unter an-derem untersucht, wie sich Fahrkomfort und Sicherheit der einzelnen Modelle auch nach dem Verkauf eines Autos optimieren lassen. Ein entscheidender Baustein für diesen Ser-vice-Anspruch ist die fortwährende Aktuali-sierung der jeweils vorhandenen elektroni-schen Steuerung, die mittlerweile für eine Vielzahl der technischen Funktionen im Fahr-zeug verantwortlich ist – von der ABS-Steue-rung über die Einstellung der Sitzheizung bis hin zur MP3-Wiedergabe.

Um ein optimales Zusammenspiel die-ser verschiedenen Steuerungselemente zu ermöglichen und sämtliche Funktionen auf dem neuesten Stand zu halten, wird bei fast jedem Besuch eines Kunden in einer der BMW-Vertragswerkstätten geprüft, ob es ein Update für die im Fahrzeug vorhandene Soft-ware gibt. Diese Steuerungssoftware kommt direkt von BMW, bei der Entwicklung der not-wendigen Programmiersoftware greift der Konzern auf die Dienste der nubix Software-Design GmbH zurück. Der IT-Dienstleister aus Dresden verfügt über weitreichende Spezial-kenntnisse im Bereich Automotive und ist seit

2004 für den Automobilhersteller tätig.Bis zu zwölf Mitarbeiter sind in die un-

terschiedlichen Projekte eingebunden, „sechs davon als Resident Engineers direkt beim Kunden“, so nubix Geschäftsführer Andreas Petter. „Sie unterstützen dort die Entwicklung und Programmierung der Applikationssoft-ware.“ Darunter sind auch die Brunel Mitar-beiter Andreas Funke und Stefan Alex. Andre-as Funke kam 2007 nach seinem Studium der Elektrotechnik und einer vorherigen Ausbil-dung als IT-Systemelektroniker zu Brunel und wurde direkt im Auftrag von nubix bei BMW in München eingesetzt. Inzwischen arbeitet er in leitender Funktion an der Konzeption und Umsetzung der Programmiersoftware. Sein Kollege Stefan Alex stieß im Anschluss an sein Informatik-Studium im Sommer 2010 zum Team. Er ist gegenwärtig vorrangig für die Qualitätssicherung und die Fehleranalyse verantwortlich.

Die Anforderungen an die von nubix ent-wickelte Software sind hoch: „Je nach Aus-stattung eines Fahrzeugs werden heute rund 70 digitale Steuergeräte für unterschiedlichs-te Funktionen integriert“, erklärt Andreas Funke den technischen Hintergrund des Pro-jektes. „Und all diese ‚Mini-Computer‘ sind miteinander verbunden. Damit das Netzwerk aktualisiert oder repariert werden kann, muss die von uns programmierte Software bei der Überprüfung des Fahrzeugs in der Werkstatt zunächst identifizieren, welche Steuerungs-elemente sich in dem Wagen befinden und

T e x T › Robert Uhde

Ein regelmäßiges Update der elektronischen Fahrzeugsteuerung beim Werkstattbesuch gehört inzwischen zum After-Sale-Service-Paket der meisten Automobilhersteller. Die nubix Software-Design GmbH aus Dresden hat sich auf die Entwicklung der dazu nötigen Programmiersoftware spezialisiert. Mit zum Team des IT-Dienstleisters gehören auch zwei Mitarbeiter von Brunel.

PorTräT

In seiner Heimatstadt Dresden absol-vierte Andreas Petter (42) eine Lehre als Programmierer sowie ein Informatik-studium. Anschließend arbeitete er als Software-Entwickler und Consultant, bevor er vor rund elf Jahren einer der Mitbegründer sowie Geschäftsführer der nubix Software-Design GmbH wurde.

sofTWAre-uPDATe ALs TeIL Des WerK-

sTATTbesuchs

Audio-Version unter: www.brunel.de/podcast

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sPeK TruM

der Spez ial ist28

› 18Der zunehmende Einsatz von Software in Kraftfahrzeugen hat Konsequenzen für die Automobilhersteller sowie für Dienstleister aus der Informationstechnologie. Denn um die Steuerungsele-mente zu prüfen und deren Zusammenspiel zu optimie-ren, werden verschiedene Applikations- und Steue-rungssoftware-Versionen benötigt.

welche passende Steuerungssoftware vorhanden ist.“ Erst auf Basis dieser Daten kann die jeweils verfügbare neue Software aufgespielt werden.

„Die Zusammenarbeit mit der Entwicklungsabtei-lung von BMW ist sehr eng“, berichtet Funke. „Ausge-hend von deren Vorgaben entwickeln wir ein Konzept zur Umsetzung und Programmierung der benötigten Programmiersoftware. Parallel dazu müssen Lastenhef-te und Spezifikationen zur Beschreibung der funktiona-len Anforderungen und der Benutzbarkeit der Software erstellt werden.“ Ein weiterer wichtiger Baustein ist die Qualitätssicherung: „Damit alles fehlerfrei läuft, sind

unzählige Tests und Fehleranalysen zur Absi-cherung der einzelnen Komponenten nötig“, erklärt Funkes Kollege Stefan Alex. „In der Prüfhalle in München haben wir die Möglich-keit, die Software in unterschiedlichen Ent-wicklungsstadien an den verschiedenen Fahr-zeugmodellen oder Prüfplätzen zu kontrollie-ren.“

Um die Weiterentwicklung, Optimierung und Änderung der Software umzusetzen, benötigen die Mitarbeiter umfangreiches Know-how in den Bereichen Fahrzeugtechnik

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und Fahrzeugelektronik: „Die Verbindung aus meinem Elektrotechnik-Studium und mei-ner Ausbildung als IT-Systemelektroniker bie-tet mir eine solide Basis“, so Andreas Funke. Ebenso gut vorbereitet ist auch Stefan Alex, der sich im Rahmen seines Studiums auf den Bereich technische Informatik und dort ins-besondere auf Schaltkreisentwürfe speziali-siert hat. Das zusätzlich nötige Spezialwissen haben sich beide zu Beginn ihrer Tätigkeit für nubix angeeignet und dann sukzessive weiter ausgebaut. „Dreh- und Angelpunkt sind dabei Kenntnisse der BMW-internen Programmier-sprache sowie des Tools Quality Center“, er-klärt Stefan Alex.

Neben dem fachlichen Know-how steht für nubix die soziale Kompetenz der Mitarbei-ter im Vordergrund: „Die bei uns eingestellten Ingenieure und Informatiker sollen ein brei-tes Fachwissen mitbringen, sie müssen aber auch ins Team passen“, betont Andreas Pet-ter. „Denn das Alltagsgeschäft besteht darin, Probleme zu erkennen, zu benennen und sie gemeinsam zu lösen. Entscheidende Kriteri-en für die erfolgreiche Zusammenarbeit sind

Durchsetzungsvermögen und Kompromissfä-higkeit. Brunel weiß um diese Anforderungen und schlägt uns daher Mitarbeiter vor, die auch menschlich passen und in dynamischen Prozessen bestehen können.“ Um die Stärken der einzelnen Mitarbeiter optimal einzuset-zen, wechseln sie regelmäßig ihre Aufgaben-bereiche innerhalb des Teams: „So lernen sie unterschiedlichste Perspektiven kennen und können sich umfassendes Wissen aneignen“, fasst Petter zusammen.

› 19Qualität und Zuverlässigkeit sind wich-tige Merkmale einer Software. Einen entsprechend hohen Stellenwert nimmt die Qualitätssicherung ein – sowohl während der Entwurfs- als auch in der Implementierungsphase.

PorTräTs

Andreas Funke (29), rechts, studierte nach seiner Ausbildung zum IT-Systemelektro-niker Medien- und Kommunikationstech-nologie an der HS Merseburg. Bis 2009 war der Diplom-Ingenieur für Brunel bei der nubix Software-Design GmbH im Einsatz und ist heute in leitender Position in der Software-Entwicklung von nubix tätig.

Stefan Alex (25) studierte Informatik an der TU Dresden. Sein Schwerpunkt liegt im Bereich der technischen Informatik. Über Brunel stieg er 2010 in den Beruf ein und unterstützt seitdem die nubix Software-Design GmbH als Software-Entwickler.

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Die Kommunikation nach Deutschland führt Daniel Klenke ausschließlich per Laptop.

Es ist 7 Uhr, als Daniel Klenke an diesem Morgen die wenigen Meter zu seinem Büro geht. Trotz der frühen Stunde zeigt das Ther-mometer bereits 30 Grad an – typisch für den Spätsommer hier in Afghanistan. Seit rund neun Wochen ist der Diplom-Ingenieur als Projektleiter im Auftrag des Brunel Kun-den SANI GmbH für die Neuverlegung und Sanierung eines Fernmelde- und IT-Leerrohr-systems in Mazar-e Sharif im Einsatz. „Ein Ar-beitsalltag hat sich noch nicht eingestellt“, so Klenke, „das wird aber auch nicht passieren.“

In seiner beruflichen Karriere ist Daniel Klenke bereits viel herumgekommen. Seit über zwanzig Jahren setzt der Diplom-Ingenieur für physikalische Technik Bauprojekte im Ausland um. Sein letzter Einsatz führte ihn nach Afgha-nistan. Wir begleiten ihn einen Tag durch das Bundeswehr-camp Marmal.

Denn die Baustelle befindet sich im Bundes-wehrcamp Marmal – ein Ort, der ständig im Wandel ist: „Neue Unterkünfte, Büros oder La-gerräume werden hinzugefügt oder beste-hende erweitert“, beschreibt Klenke. „Diese müssen an das FM/IT-System angeschlossen werden, zum Teil aber auch nicht.“ Die vor-ab in Deutschland von einem Planungsbüro im Auftrag der Bundeswehr erstellten Pläne für die Verlegung der Rohre müssen entspre-chend stetig angepasst werden. Gefragt ist daher neben Koordinationstalent vor allem

24 stunden in Mazar-e sharif

T e x T › Stine Behrens

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Paschtu und Dari heißen die Amtssprachen der Islamischen Republik Afghanistan.

Die Steuereinheit für das Rohrtriebsverfahren zum Graben von Tunneln.

Flexibilität, eine Stärke, über die Daniel Klenke nach zahlreichen Einsätzen im Ausland verfügt. Und die er an diesem Morgen erneut unter Beweis stellen muss.

Nachdem er gemeinsam mit den drei deutschen Bauleitern die rund 150 einheimischen Arbeiter in Gruppen eingeteilt und ihnen Aufgaben zugewiesen hat, setzt sich der Projektleiter an seinen PC. Der Kon-takt zur SANI-Zentrale im schleswig-holsteinischen Borg stedt läuft ausschließ-lich über E-Mail, denn die Telefonverbindungen nach Afghanistan sind schlecht. Seinem Posteingang ent-nimmt Daniel Klenke, dass es Schwierigkeiten mit dem Materialnachschub gibt: Ein LKW mit mehr als 10.000 Metern erdverlegbaren Mehrfachrohren (EVMR) hat zwar die Grenze zu Afghanistan passiert. Hier verzögert sich jedoch die Abfertigung auf unbestimmte Zeit. Nun gilt es, die Planung der Arbeitsschritte zu ändern, vor-handene Materialbestände einzuteilen und vorberei-tende Maßnahmen für die Verlegung der verspäteten Rohre einzuleiten.

Als erfahrener Projektleiter – seit 1982 realisiert er verschiedenste Maschinen- und Anlagenbauprojek-te im Ausland – ist Klenke auf einen solchen Fall vor-bereitet. „Weitblick und Antizipation sind grundlegend für diese Aufgabe“, erklärt er, „denn um den Zeitplan ei-nes umfassenden Projekts einzuhalten, muss ein Bau-stopp tunlichst vermieden werden.“ Erneut studiert er

nun die aktuellen Pläne für die mehreren hundert Baufel-der. Um sich ein konkretes Bild zum Stand der Bauarbeiten zu machen, steigt er um kurz

vor 10 Uhr in seinen Toyota RAV4 und fährt zu einigen der aktuell fünf Einzelbaustellen. Nach eingehender In-spektion und Rücksprache mit den Bauleitern entschei-det er, an welchen Stellen die noch vorhandenen Roh-re eingesetzt werden und wo zunächst mit dem Aushe-ben neuer Gräben fortgefahren wird. Diese werden ma-nuell gegraben – schwere Maschinen können aufgrund der engen Bebauung im Camp nicht eingesetzt werden.

Nach etwa 45 Minuten erreicht Klenke eine Bau-stelle, die das dortige Team schon seit Tagen intensiv

JeDerZeIT Können neue schWIerIg-

KeITen AufTreTen – ALLTAg für DAnIeL

KLenKe

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Die Freitagsmoschee in Herat – über 90 Prozent der Bevölkerung Afghanistans sind Muslime.

beschäftigt: Um die Rohre auf geradem Weg zu einem Sanitätsgebäude verlegen zu können, muss eine Stra-ße untergraben werden. Das mehrere Quadratkilome-ter große Camp wird von einem komplexen Wegenetz durchzogen. „Alle Straßen zu umgehen, ist nahezu un-möglich“, so Klenke. Mit einer Grundomat-Erdrakete so-wie Spaten und Schaufeln arbeitet sich das Team Stück für Stück unter der Straße durch. Harte körperliche Arbeit, der auch Daniel Klenke nicht aus dem Weg geht: „Zwar sprechen die Einheimischen etwas Englisch und teilweise sogar Deutsch. Um jedoch den Umgang mit den Werkzeugen und die Umsetzung der Bauarbei-ten zu erläutern, demonstriere ich ihnen häufig, wie vorgegangen werden soll und worauf zu achten ist.“

Gegen Mittag macht sich der Projektleiter auf den Weg Richtung Bundeswehr-Kantine. Weniger, um hier eine Pause zu machen. „Die gibt es für mich tagsüber nicht“, so der 52-Jährige, „dafür bin ich zu sehr auf die Umsetzung des Projektes konzentriert.“ So nutzt er das Mittagessen fast täglich für Besprechungen mit sei-nem Ansprechpartner bei der Bundeswehr. Mit ihm

stimmt er den Fortschritt der Arbeiten ab, informiert ihn über Änderungen. Gemeinsam fahren sie nach der Mahlzeit kritische Baufelder ab. So fehlt an einer Baustelle das geeignete Werkzeug, um einen große Steinplatte zu entfernen, auf die die Arbeiter ge-stoßen sind. Klenke notiert die Position, listet die benötigten Ar-beitsgeräte auf und klärt mit dem Team, wo die Grabungen vor-erst fortgesetzt werden können. Grundsätzlich besteht der Bo-

den in dieser Region Afghanistans aus extrem viel Kiesgeröll. Entspre-chend hoch ist die Gefahr des Auf-schwemmens der Rohre bei starken

Regenschauern. Auf diese besonderen Einbaubedingungen müs-sen Klenke und sein Team Rücksicht nehmen. „Die Baustelle hält für uns ständig neue Überraschungen bereit“, fasst der Projekt-leiter zusammen.

Jeden Tag fährt er so die gesamte Baufläche ab, prüft die Ar-beiten, unterweist die Teams und passt die Planung den Gege-benheiten an. Stellt er Materialengpässe, Bedarf an Werkzeugen oder zusätzlichem Personal fest, gibt er diese Informationen per E-Mail an die Zentrale von SANI weiter. Hierzu macht er sich nun auf den Weg zurück in seinen Büro-Container. Dort erwarten ihn bereits die drei Bauleiter. Denn um 16.15 Uhr findet die tägliche Lagebesprechung statt. „Wir ziehen gemeinsam ein Fazit des Ta-

DAnIeL KLenKe KoorDInIerT, orgAnIsIerT –

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Daniel Klenke mit einem seiner Bauleiter bei der internen Abstimmung.

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Ein Dorf in der afghanischen Provinz Takhar im Norden Afghanistans.

ges, planen den nächsten Tag und wenn nötig auch bereits wei-terführende Schritte“, fasst Klenke zusammen. Diese Informa-tionen dokumentiert er anschließend im sogenannten Bautage-buch, das sowohl zur Berichterstattung gegenüber SANI als auch gegenüber der Bundeswehr dient.

Im Anschluss an die detaillierte Projektdokumentation checkt Klenke noch einmal seine Mailbox. Der LKW mit der Ma-teriallieferung steckt nach wie vor an der Grenze fest, die Kollegen in Deutschland bemühen sich um die Weiterfahrt. Auf Basis von Klen-kes Skizzen wurden zudem die ur-sprünglichen Pläne für die Verlegung der Rohre überarbeitet. Er prüft die neue Version und arbeitet Vorgaben für die Bauleiter aus, die er ihnen am kommenden Tag mitgeben wird. Daher ist es heute fast 20 Uhr, als der Ingenieur sein Büro verlässt – etwa zwei Stunden später als sonst. Draußen ist es noch immer sehr warm, die Luft staubig. Zurück in seinem Wohncontainer öffnet er sei-nen Laptop und telefoniert über Skype mit seiner Frau. Sie sitzt im gemeinsamen Haus in Prisdorf nahe Pinneberg in Schleswig-Hol-stein mit ihrem Laptop auf der Terrasse. Natürlich mache sich die Familie Sorgen um seine Sicherheit, so Klenke. Er aber schätze die Gefahr rational ein: „Nicht das gesamte Land ist von Unruhen be-

troffen und in Europa kann ich ebenso in einen Arbeits-unfall verwickelt werden.“ Und ihn reize es, Länder wie den Irak, Indien oder Saudi-Arabien zu sehen, die Men-talität dort kennenzulernen und neue Erfahrungen zu sammeln – privat wie beruflich. „Schon zu Beginn mei-ner Laufbahn wusste ich: Ich bin kein Spezialist für ein bestimmtes Fachgebiet“, sagt Klenke. Seine Stärke liege

vielmehr darin, zu koordi-nieren, Projekte alleinver-antwortlich abzuwickeln. Dieses Know-how bringt er in Mazar-e Sharif in die-

ser ersten, besonders wichtigen Phase des Projekts ein. Etwa im Dezember wird er zurückreisen nach Deutsch-land und eine Weile in der Heimat bleiben. „Wohin es dann geht? Wir werden sehen!“

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KLenKe nIchT: „ArbeITsunfäLLe gIbT es In

euroPA genAuso.“

Oft wird der Materialnachschub durch Verzö-gerungen bei der Abfertigung beeinträchtigt.

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T e x T › Dr. Ralf Schrank

Die Behandlung natürlich vorkommen-der Materialien mit dem Ziel, ihre Eigenschaf-ten zu verbessern, ist möglicherweise so alt wie der moderne Mensch selbst. Um scharfe Mikro klingen für feine handwerkliche Arbei-ten herstellen zu können, veränderten Men-schen an der Küste Südafrikas vor 165.000 Jahren mit einem mehrstufigen Erwärmungs- und Abkühlungsverfahren das Mikrogefüge einer Gesteinsart, der „Kieselkruste“.

Heute schaut Prof. Dr.-Ing. Frank Mücklich computertomographisch ins Innere von Werk-stoffen, um ihre Eigenschaften zu optimie-ren. Der Inhaber des Lehrstuhls für Funktions-werkstoffe an der Universität des Saarlandes und Gründer des Steinbeis-Forschungszent-rums „Material Engineering Center Saarland“ beschreibt seine Arbeit alltagsnah: „Die Na-notomographie funktioniert wie das Schnei-

den einer Salami. Mit einem scharfen Mes-ser wird eine dünne Scheibe entfernt und so eine neue Salamioberfläche freigelegt. Um ein dreidimensionales Bild vom Inneren der Salami zu erhalten, müssen viele Schnitte ge-macht und alle zweidimensionalen Schnitt-bilder zu einem 3-D-Bild zusammengesetzt werden.“

In der Nanotomographie trägt ein fokus-sierter Ionenstrahl Schritt für Schritt wenige Atomlagen von der zu untersuchenden Pro-be ab. Nach jedem Schnitt wird die freigeleg-te Oberfläche mithilfe der Rasterelektronen-mikroskopie abgebildet. Dabei tastet ein Elek-tronenstrahl die Oberfläche zeilenweise ab. Aus den Schichtbildern lassen sich mittels di-gitaler Bildverarbeitung je nach Detektions-methode die räumliche Struktur der Probe, ihre chemische Zusammensetzung oder kris-tallographische Details mit einer Auflösung bis herunter auf zehn Nanometer rekonstru-ieren.

Der entscheidende Schritt bei der Her-stellung eines Werkstoffs ist in aller Regel der Übergang vom flüssigen Zustand in den fes-ten. Dabei entsteht meist kein homogener Feststoff, sondern ein komplexes Gefüge aus Kristalliten, verschiedenen Feststoffzustän-den, eingeschlossenen Verunreinigungen, Po-ren und Hohlräumen. Heute wissen die Werk-

Bohrköpfe, härter als Diamant. Faserverstärkte Kohlenstoffe, die Temperaturen bis 3.000 Grad Celsius standhalten. Rennsport-Autoreifen und -Bremsscheiben mit beeindruckenden Laufeigen-schaften. Werkstoffdesigner optimieren Materialien heute für jede noch so extreme Anwendung. Dreidimensionale bildgebende Verfahren wie die Nanotomographie eröffnen ihnen dabei neue Möglichkeiten.

Nanotomographie: die Zukunft der Werkstoffforschung

PorTräT

Prof. Dr.-Ing. Frank Mücklich, 1959 in Dresden geboren, studierte Physikali-sche Metallkunde an der Bergakademie Freiberg, wo er 1988 promovierte. Er ist Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Materialkunde, hat den Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe der Universität des Saarlandes inne und leitet neben der Europäischen Schule fürMaterialforschung in Saarbrücken das Steinbeis-Forschungszentrum „Material Engineering Center Saarland“.

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› 20Mithilfe der Nanotomogra-phie blickt Professor Frank Mücklich in das Innere von Materialien. Sein Ziel: die Optimierung der Werkstoffe.

stoffkundler, dass diese Inhomogenitäten bis tief in den Nanobereich hinein die Eigenschaften von Werkstof-fen, zum Beispiel ihre Festigkeit und Dehnbarkeit, maß-geblich beeinflussen. Zur Beurteilung des Mikrogefüges stand ihnen bisher jedoch nur die so genannte Schliff-bildtechnik zur Verfügung. Aussagen über den dreidi-mensionalen Gefügeaufbau sind damit jedoch nur in-direkt möglich.

Bei der Suche nach der dritten Dimension stießen die Werkstoffkundler vor etwa zehn Jahren auf die Tomographie. Mit der Kombi-nation aus Ionen- und Elektronenstrahlen ge-lang es ihnen, die Tür zum Nanobereich zu öffnen und hochpräzise dreidimensionale Bil-der vom Inneren der Festkörper zu erzeugen. In der Medizintechnik offenbaren sich so bei-

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spielsweise Details im Gefügeaufbau, die den Weg zu neuen Generationen von Werkstoffen ebnen: Künstli-che Hüftgelenkkugeln aus Zirkon oxid zeigten nach der Implantation unerwartet früh Fehlfunktionen. Die Na-notomographie enthüllte Risse in der Keramik – offen-sichtlich als Folge einer Reaktion zwischen Körperflüs-sigkeit und Zirkonoxid. Mit herkömmlichen Methoden waren diese winzigen, aber wirkungsvollen Risse nicht zu erkennen. Die Nanotomographie kann nun zur Erfor-

schung der Ursachen dieser Reaktion beitra-gen und wird zu modifizierten medizinischen Implantatwerkstoffen führen.

Bei gröberen Strukturen wird auch die Röntgentomographie eingesetzt, die aller-dings bei Metallen an ihre Grenzen stößt. Da die Optimierung metallischer Werkstof-fe aber entscheidend für die nächsten Inno-vationsschritte in der Elektrotechnik, der An-triebstechnik und der Datenverarbeitung sein wird, nutzen Werkstoffkundler seit einigen Jahren auch die Neu tronentomographie. Neu-tronen können Metalle weitgehend ungehin-dert durchdringen, um 3-D-Bilder zu erzeu-gen. Trotz einer Auflösung von nur bis zu 20 Mikrometer lassen sich mit der Neutronen-tomographie zum Beispiel leichte Elemente wie Wasserstoff und auch magnetische Mi-krostrukturen sichtbar machen. So gelang es Mitarbeitern der Bundesanstalt für Materi-alforschung und des Helmholtz-Zentrums in Berlin Ende 2010 erstmals, in einem Eisenkris-tall magnetische Domänen – Bereiche, in de-nen die Elementar magnete ohne Einwirkung eines äußeren Feldes die gleiche Ausrichtung haben – dreidimensional darzustellen. Damit eröffnet sich die Chance, die Domänen-Tex-tur magnetischer Werkstoffe gezielt zu opti-

› 21Motorblöcke werden in der Automobilindustrie aus Gusseisen gefertigt – ein preiswerter, aber schwerer Werkstoff. Wissenschaftler können nun vorhersagen, wie sich das Graphit im Gusseisen im Laufe des Her-stellungsprozesses verändert, und ermöglichen so die Produktion von dünnwandi-gerem Gusseisen mit hoher Festigkeit.

› 22Der Blick durch das Lichtmi-kroskop ermöglicht Forschern einen stark vergrößerten Blick auf die Struktur eines Aluminiumwerkstoffs. Des-sen Optimierung unterstützt die Entwicklung leichterer Bauteile für die Fahrzeugin-dustrie.

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mieren und die Leistungsfähigkeit etwa von Transfor-matoren, Elektromotoren oder Magnetspeichern weiter zu steigern.

Prof. Mücklich sieht in der aktuellen Werkstofffor-schung eine Zukunft für verschiedene Branchen: „Mit tomographischen Verfahren stellen wir Mikro- und Na-nostrukturen jetzt nicht nur realitätsnah dar, durch die Vernetzung der verschiedenen bildgebenden 3-D-Ver-fahren werden wir vor allem tiefere Einblicke in ihre Entstehung erhalten. Und das bereitet den Weg zur gezielten Entwicklung neuer Werkstoffe.“ Die ersten gibt es bereits. Für die Automobilindustrie hat Mück-lich die Mikrostruktur von Aluminiumlegierungen un-tersucht und einen Weg zur Herstellung neuer Karos-seriewerkstoffe gewiesen. Beim Erstarren einer Alumi-nium-Schmelze, der Silizium beigemischt ist, kommt es zu einer teilweisen Entmischung. Es entsteht ein 3-D-Netzwerk aus Silizium-Atomen, das das Alumini-um weitmaschig durchzieht und dem Metall eine hohe Steifigkeit verleiht. Ersetzt man ein 10.000stel der Silizi-um-Atome durch Strontium, bilden sich entkoppelte In-

seln aus Silizium-Netzen. Das Aluminium be-hält seine Steifigkeit, wird aber plastisch ver-formbar. Genau der Eigenschaftenmix, den eine Automobilkarosserie braucht.

In immer mehr Branchen werden die Er-kenntnisse der Nanotomographie in den kommenden Jahren bedeutsame Werkstoff-innovationen anstoßen. Die nächste Ära der tomographischen Werkstoffforschung ist be-reits eingeläutet: die Atomsonde (Atom Pro-be Tomography). Der zu untersuchende Werk-stoff wird zu einer scharfen Spitze geformt, an die im Ultrahochvakuum bei tiefer Tempe-ratur eine Basisspannung angelegt wird. Ein zusätzlicher Spannungs- beziehungsweise La-serpuls kann dann ein einzelnes Atom als Ion aus der Spitze herausschlagen, ein Flächende-tektor fängt die Ionen auf. Aus Aufschlagort und Aufschlagzeitpunkt jedes Ions lässt sich exakt berechnen, an welcher Position sich das zugehörige Mutter atom in der Spitze be-fand. Auf diese Weise entsteht sogar ein 3-D-Bild auf Subnano-Ebene, also mit atomgenau-er Auflösung.

› 23Bei der Laserinterferenz-Tech-nologie werden mit Laser-strahlen die Oberflächen von Materialien strukturiert und verändert. Dadurch werden die Materialoberflächen reibungsarm und weniger anfällig für Verschleiß.

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WerKsToffforschung unTersTüTZT DIe enT-

WIcKLung Von InnoVATIonen

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„Die Wiederaufbereitung und effiziente Nutzung von Wasser spielt weltweit eine im-mer wichtigere Rolle, etwa wenn es um Trink-wasserversorgung, Umweltschutz und die Nutzung neuer Energiequellen geht“, erläu-tert Dr.-Ing. Dania Al Jiroudi die globale Be-deutung ihres Jobs. Die Brunel Mitarbeiterin unterstützt seit September 2010 die Von Nor-denskjöld Verfahrenstechnik GmbH in Egma-ting bei München. Als Spezialistin für Sied-lungswasserwirtschaft ist sie dort für die technische Auslegung, die Kalkulationen und den Vertrieb von Klär- und Biogasanlagen ver-antwortlich. „In Kläranlagen wird Abwasser aerob, also unter Zuga-be von Luft, behandelt und kann so gereinigt und dem Wasserkreis-lauf zugeführt werden“, erläutert die 38-Jährige. Unter Luftausschluss hingegen werden in Biogasanlagen beim Abwasser Ver-gärungsprozesse angeregt. Durch diese An-aerobtechnologie wird das entstehende Me-thangas schließlich über Blockheizkraftwerke in Energie umgewandelt.

Die gebürtige Syrierin erkannte die Her-ausforderungen der Wasserwirtschaft schon früh: „Wasserknappheit war und ist in meiner Heimat ein akutes Thema.“ An der Universität Damaskus studierte Al Jiroudi Bauingenieur-wesen mit dem Schwerpunkt Umweltschutz. Nach Abschluss des Studiums und drei Jah-ren Berufserfahrung in der Stadtverwaltung von Damaskus stand für sie eine universitä-re Weiterbildung in der Siedlungswasserwirt-schaft fest. „In Syrien steckte dieser Bereich

Brunel Spezialistin: mit Leib und Seele in der Wasserwirtschaft

noch in den Kinderschuhen und es war wenig Know-how vorhanden. Außerdem zog es mich ins Ausland und deutsche Ingenieurstudien-gänge genossen gerade in Bezug auf Umwelt-schutz einen guten Ruf.“ 1998 schrieb sich die damals 26-Jährige an der Universität Rostock für einen Diplom-Ingenieur-Studiengang mit Fachrichtung Siedlungswasserwirtschaft ein. „Am Anfang war es wirklich hart. Sprachlich verstand ich nur ungefähr 20 Prozent der In-halte in den Fachbüchern, aber ich sagte mir immer: Der Mensch wächst mit seinen Aufga-ben.“ Ein Motto, dank dem Al Jiroudi ihr Stu-dium erfolgreich abschloss und 2005 promo-vierte.

nAMe: Dania Al Jiroudiberuf: Dr.-Ing. Siedlungswasserwirtschaft

T e x T › Lisa Schwarzien

WAsserKnAPPheIT – gLobALe

herAusforDerung erforDerT

LoK ALe Lösungen

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Brunel Spezialistin: mit Leib und Seele in der Wasserwirtschaft

„Umwelttechnik ist für mich nicht nur ein Beruf“, so die pro-movierte Ingenieurin, „sondern eine Berufung.“ Auch in ihrer Frei-zeit informiert sie sich durch Zeit-schriften und Fernsehreportagen über neue Technologien im Um-weltschutz. Die Natur selbst ge-nießt Dania Al Jiroudi gern bei Wan-derausflügen im Großraum Mün-chen, wo sie sich mittlerweile hei-misch fühlt. Trotzdem zieht es sie immer wieder in die Ferne: „Ich ma-che sehr gern Sprachreisen. Dabei geht es mir vor allem darum, die

Menschen kennenzulernen, ihre All-tagskultur zu erleben.“ Diese Aufge-schlossenheit kommt der Wasser-wirtschaftsexpertin auch im Berufs-leben zugute, denn viele Projekte finden im Ausland statt. Bereits be-vor sie zu Brunel kam, war sie für die Implementierung von Kläranlagen und Abwasserbehandlungssyste-men im Mittelmeerraum, in Südafri-ka, in Osteuropa und im Jemen ver-antwortlich. In ihrem Heimatland Syrien wurde sie als Deputy Team-leader für eine Machbarkeitsstudie zur Wasserver- und -entsorgung in der Umgebung von Damaskus ein-gesetzt. Aktuell ist die Brunel Spe-zialistin mit der Erschließung neu-er Märkte in Indien, in Brasilien und im Nahen Osten betraut. Als Leite-rin der Vertriebsabteilung, in der Kundenbetreuung sowie auf Mes-sen nutzen Dania Al Jiroudi neben Fachwissen und Sprachkenntnissen vor allem auch ihre sozialen Kom-petenzen und die Identifikation mit dem Job. „An meiner Arbeit gefällt mir besonders, dass Abwasser nicht als Restprodukt, sondern als Quelle für Brauchwasser und Energie be-trachtet wird. Mein Wissen an den verschiedensten Orten der Welt an-wenden zu können und gleichzeitig immer Neues zu lernen, ist immer wieder spannend für mich.“

Dania Al Jiroudis berufliche Stationen:

Planung, Bau und Vertrieb der ersten Biogasanlage für grüne Energie aus nachwachsenden Rohstoffen in Chișinău, der Hauptstadt Moldawiens

1 München2–6 Naher Osten7 Südafrika8–9 Osteuropa

10–11 Großbritannien12 Indien (Aufbau)13 Brasilien (Aufbau)

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T e x T › Robert Uhde

Wer das Prüflabor der Brunel Car Syner-gies GmbH in Bochum betritt, steht dort vor mitunter tonnenschweren Prüfständen, mit denen sich beispielsweise Fahrwerkskompo-nenten von Autos oder Bremsen für Wind-kraftanlagen untersuchen lassen. Mit um-fangreichen Tests und Material-Analysen un-terstützen die rund 35 Messtechniker und Ver-suchsingenieure der 100-prozentigen Tochter der Brunel GmbH Unternehmen bei der Ent-wicklung und Fertigung neuer Modelle und Systeme. „Neben servohydraulischen Unter-suchungen setzen wir auch Umweltsimula-tionen, Druckprüfungen oder Qualitätssiche-rungen um“, so Peter Bolz, Leiter von Brunel Car Synergies.

Bislang wurden diese Leistungen über-wiegend von Herstellern und Zulieferern aus der Fahrzeug- und Verkehrstechnik nachge-fragt. Da sich die Testverfahren aber auch für die Entwicklung von Innovationen in ande-ren Branchen einsetzen lassen, arbeitet Bru-nel Car Synergies inzwischen auch für Kunden aus der Windenergie oder dem Schiffbau. „So können wir Synergieeffekte nutzen und un-sere Erfahrung in der Planung, Durchführung und Auswertung von Tests einbringen“, so Bolz. Ein Beispiel für die Ausweitung des Ge-schäftsfeldes ist die Zusammenarbeit mit der Stromag WEP aus Unna, die Scheibenbremsen

für moderne Windkraftanlagen konstruiert und produziert. Anfang 2010 hatte das Unter-nehmen Brunel Car Synergies beauftragt, die theoretische Auslegung einer neu entwickel-ten Bremse zu überprüfen und verschiedene Bremsbeläge zu testen.

Bei dem untersuchten Bauteil handelt es sich um eine so genannte Azimut-Bremse, mit der die Kabine einer Windenergieanlage nach der Drehung in den Wind wieder festgesetzt wird. „Die Bremsen sind während dieser Dre-hung nie ganz gelöst. Sie schleifen bewusst, um die Positionsregelung zu vereinfachen“, beschreibt Peter Bolz den Hintergrund der rund zwei Monate andauernden Untersu-chungen. „Die Folge sind mehr oder weniger laute Geräusche, die insbesondere bei Wind-parks in der Nähe von Wohngebieten stö-

Maßgeschneiderte Prüfstandstechnik

Ob Achskomponenten in Fahrwerken, Antriebswellen in Schiffsmotoren oder Bremsvorrichtungen für Windkraftanlagen – moderne technische Systeme bestehen aus komplexen Bauteilen und unterschiedlichsten Materialien. Um deren Belastbarkeit und damit die Sicherheit von Nutzern und Betreibern zu gewährleisten, realisiert die Brunel Car Synergies GmbH umfangreiche Bauteil-prüfungen.

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rIAL-AnALysen sTeIgT

PorTräTs

Nach seinem Maschinenbau-Studium war Thomas Puls (41, im Bild links) in ver-schiedenen Positionen für die Thyssen-Krupp-Krause-Gruppe tätig. 2006 kam er zu Brunel und wurde 2009 Leiter Prüf-standbau bei der Car Synergies GmbH.

Ebenfalls seit 2006 bei Brunel ist Peter Bolz (52, rechts im Bild). 2007 übernahm er die Leitung der Brunel Car Synergies GmbH. Zuvor war der Maschinenbau-Ingenieur als Sachverständiger sowie Consultant im internationalen Berg- und Tunnelbau tätig.

Audio-Version unter: www.brunel.de/podcast

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› 24Azimut-Bremsen halten und kontrollieren die Gondel einer Windkraftanlage. Mit diesem Prüfstand werden die enor-men Belastungen, die auf die Bremsen und ihre Beläge einwirken, simuliert.

rend sind.“ Um einen möglichst lautlosen Betrieb und durch optimierte Reibung eine verlängerte Lebensdau-er zu gewährleisten, wurden die Belastungen auf die Bremse im Prüflabor in Bochum simuliert. Dazu wur-de ein speziell geformtes, vier Zentimeter dickes Stahl-element, das so genannte Schwert, zwischen die Brems-beläge eingespannt und mithilfe einer Hydraulikvor-richtung durch die Beläge gezogen. Zum einen konnten so durch die Belastung auftretende Verformungen des Bauteils gemessen werden. Zum anderen wurden im Verlauf der Prüfung verschiedene Bremsbeläge getes-

tet und hierzu mithilfe des Prüfstandes auch die Schwingungen, die von großer Bedeutung für das Geräuschproblem sind, nachempfun-den. „Eine besondere Herausforderung war die Dimen sion“, so Bolz. „Denn ausgehend von den enormen Kräften, die auf die Brem-sen einwirken, mussten wir bei unseren Tests eine hydraulische Kraft von 500 kN, also dem Äquivalent von 50 Tonnen, aufbringen.“

Auf Basis der Testergebnisse entschied sich die Stromag WEP dazu, die Bremsen mit

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dem neuen Reibbelag „Silentio“ auf den Markt zu bringen, der bei gleicher Brems-wirkung deutlich geräuschärmer als der ur-sprüngliche Belag ist. Zudem bestätigten die Resultate die in der Konstruktionsphase bei Stromag am Computer durchgeführten Rech-nungen, mit deren Hilfe bereits im Vorfeld die inneren Spannungen und Dehnungen der Bremse simuliert wurden. Auch künftig wird die Stromag WEP Brunel Car Synergies in die Optimierungen ihrer Bremsen einbeziehen. So müssen Bauteile für den Offshore-Bereich Salzsprühtests oder Korrosionstests beste-hen, um für die besonderen Klimabedingun-gen auf dem Meer gerüstet zu sein. Die ent-sprechenden Prüfstände für diese und ande-re Tests werden überwiegend von Brunel Car Synergies selbst entwickelt. So optimierte der hausinterne Prüfstandbau mithilfe von CAD und mittels einer FEM-Analyse bei dem ab-geschlossenen Stromag-Projekt insbesonde-re den Übergang vom Schwert zum Hydrau-likzylinder: Dabei wurde der Flansch deut-lich verkleinert und im Durchmesser dem Schwert angepasst, um so sicherzustellen, dass das Bauteil bei den Tests nicht abreißen kann. „Unsere Mitarbeiter verfügen also so-wohl über breites Branchenwissen als auch über Know-how bezüglich der Hard- und Soft-ware“, so Peter Bolz.

Neben den Bauteilprüfungen entwickeln die Bochumer auch Anlagen, auf denen die

Kunden eigene Untersuchungen durchführen können. „Dieses Gebiet macht einen erheblichen Anteil unse-res Geschäfts aus“, so Thomas Puls, Bereichsleiter Prüf-standbau bei Brunel Car Synergies. „Zuletzt haben wir die Mechanik für einen Schiffsdieselprüfstand entwi-ckelt.“ Der Ausgangspunkt für den Auftrag der Siemens AG war ein Prüfstand, dessen Mechanikanteil bereits vor zwei Jahren von Brunel Car Synergies geplant und realisiert worden war und der nun in leicht modifizier-ter Form erneut geliefert wurde.

Die rund fünf Meter lange und insgesamt rund zehn Tonnen wiegende Anlage umfasst eine 2,5 Tonnen schwere E-Maschine und eine ebenso schwere Wasser-wirbelbremse. Diese Kombination dient als Belastungs-einheit für den zu prüfenden Schiffsmotor: Sie simu-liert den Antriebswiderstand des Schiffes. Den Großteil des Widerstands liefert dabei die Wasserwirbelbrem-se, während der E-Motor dynamische Belastungsspit-zen überlagert. Damit die Schwingungen des gewalti-gen Prüfstandes das übrige Gebäude nicht beeinflus-sen, ruht die Anlage auf einem rund 90 Tonnen schwe-ren, federnd im Keller gelagerten Betonfundament. „Mit dem Prüfstand ist es möglich, verschiedene Be-lastungsszenarien in Echtzeit nachzustellen und so die Leistungsfähigkeit des Schiffsmotors zu testen“, erklärt Puls. „Basis der Tests sind Anforderungsprofile, die mög-lichst exakt die spätere Nutzung der Schiffsdiesel wi-derspiegeln. Das Belastungsmoment kann dabei flie-ßend bis zu einem Wert von 40.000 Newtonmetern erhöht werden.“ Auf Wunsch des Kunden verfügt die neue Anlage über Temperaturfühler im Antriebsstrang, mit denen eventuelle Überhitzungen und Verschleiß-erscheinungen rechtzeitig erkannt werden. Außerdem wurde eine zusätzliche Einheit fest montiert, um den Antriebsstrang auch per Hand in Bewegung setzen zu können.

„Bei der Planung dieses Prüfstandes konnten wir auf eine bereits bestehende Konstruktion aufbauen“, blickt Thomas Puls zurück. „In den meisten Fällen ferti-gen wir die Anlagen jedoch komplett neu – als maßge-schneiderte Prototypen, die exakt den Ansprüchen un-serer Kunden entsprechen. Unser Ziel ist es, diese Leis-tung künftig noch stärker auf weitere Branchen auszu-weiten.“

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› 25 Der Schiffsdieselprüfstand besteht aus den Komponen-ten E-Maschine, Wasserwir-belbremse, Kupplungseinheit und Anschlusswelle. Insge-samt wiegt die Testeinheit zehn Tonnen.

PrüfsTänDe enTsPrechen ex AKT Den VorgA-

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Schwimmende Solaranlage

Die Ingenieure des Rostocker Entwick-lungszentrums Brunel Transport & Energy (BTE) sind auf innovative Lösungen für den Anlagenbau, die maritime und Offshore-In-dustrie sowie den Stahlbau spezialisiert. Pe-rebo mit Sitz in Wismar entwickelt, plant und baut Schwimmsysteme. Gemeinsam haben die Experten ein Konzept für eine neun Hek-tar umfassende schwimmende Photovoltaik-anlage entwickelt, das weltweit auf Wasser-flächen nahezu jeder Größenordnung über-tragbar ist. Mit solchen Solaranlagen können sonst ungenutzte Flächen optimal zur Ener-giegewinnung verwertet werden. Die Natur stören sie dabei nicht – im Gegenteil: „Die So-laranlage spendet Schatten, sodass sich der See in den Sommermonaten langsamer er-wärmt und entsprechend weniger Wasser verdunstet“, beschreibt Andreas Bunde, Lei-ter von BTE. Dadurch sinkt der Grundwasser-spiegel weniger stark, die Algenbildung geht zurück. Eine Entfernung der Anlage von 20 bis 50 Metern vom Ufer gewährleistet, dass Brutvögel nicht beeinträchtigt werden. „Offe-ne Wasserzonen innerhalb der Anlage verhin-dern zudem negative Auswirkungen auf die Fischbestände, während Wasservögel die Ele-mente unterhalb der Solarmodule als künst-liche Inseln nutzen können“, fasst Bunde zu-sammen.

Bei der Entwicklung der Anlage wurde ein See mit 25 Metern Tiefe und einer Größe von 15 Hektar angenommen. Die Anlage, so groß wie etwa 12 Fußballfelder, besteht aus 27.000

Solarmodulen, die auf rund 1.000 Schwimm-plattformen von je 45 Quadratmetern Größe installiert werden. Getragen werden sie von etwa 11.000 Auftriebskörpern. In dieser Di-mension würde die Anlage jährlich 6,5 Me-gawatt Strom liefern. Im Vergleich zur her-kömmlichen Stromerzeugung mit Kohle oder Gas lassen sich damit pro Jahr 5.000 Ton-nen Kohlendioxid oder 100 Hektar Maisan-bau für Biogasanlagen einsparen. „Geplant ist, den Strom über Kabel zu Transformato-ren und Wechselrichtern und schließlich zum örtlichen Umspannwerk fließen zu lassen“, so Bunde. „Sämtliche Mittelspannungsanlagen befinden sich an Land und ließen sich für Re-paraturen und Wartung teilweise oder ganz abschalten.“

Da die Technik einer schwimmenden So-laranlage erstmals für eine so große zusam-menhängende Fläche berechnet, konstruiert und simuliert wurde, musste ein ganz neu-es, innovatives Festigkeitskonzept entwor-fen werden. Starre Konstruktionen und flexi-ble Verbindungen werden dabei miteinander vereint und zudem wird eine optimale Ver-ankerung des Bauwerks auf dem Grund des Sees gewährleistet. Sebastian Bieler, Projekt-leiter und geschäftsführender Gesellschafter von Perebo, beschreibt die Herausforderun-

T e x T › Claudia Schulz

Photovoltaikanlagen werden in der Regel auf Dächern von Gebäuden oder auf großen Freiflächen installiert und wandeln dort Sonnenlicht in Energie um. Eine solche Anlage auf einem See zu betreiben, ist jedoch eine unkonventionelle Idee, der sich die Partner Perebo GmbH & Co. KG und Brunel Transport & Energy verschrieben haben.

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Seit 2010 arbeitet Andreas Bunde (51) bei Brunel Transport & Energy, im März 2011übernahm er die Leitung des Entwick-lungszentrums. Der Diplom-Ingenieur für Schiffsmaschinenbau verfügt über um-fangreiche Erfahrungen in den BereichenKonstruktion im Rohrleitungsbau und Projektierung von Schiffsmaschinenanla-gen sowie als Projektleiter für Schiffsan-triebe von LNG-Tankern.

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gen

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sPeK TruM

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gen bei der Konzepterstellung: „Die techni-schen Randbedingungen bezüglich Konstruk-tion und Baumethodik sowie Funktionalität und Stabilität sind sehr komplex. Schließlich soll unsere Anlage bei allen Witterungsbedin-gungen 25 Jahre lang funktionieren.“ Die Pe-rebo-Ingenieure entwickelten und konstruier-ten unter Verwendung des 3-D-CAD-Tools So-lid Works vorrangig die Schwimmplattformen und deren Verbindungselemente. Diese flexi-blen Spezialverbindungen – vom deutschen TÜV als Systemkomponenten zertifiziert und durch Perebo für das Projekt nochmals spezi-fiziert – sind ein entscheidender Faktor dafür, dass die Anlage den hohen Anforderungen gewachsen ist.

Für die konstruktive Vorbereitung des ge-samten Bauwerks arbeiteten die Experten von Perebo und BTE sehr eng zusammen. Auf Basis von CAD-Modellierungen und der Fini-te-Elemente-Methode entwickelten die Ros-tocker die Stützkonstruktionen und die Veran-kerungslösungen der Schwimmplattformen. „Bei der Konstruktion galt es einerseits, die

Beanspruchungen aus Umweltbedingungen wie beispielsweise Wellenbewegungen sowie Schnee und Eis zu berücksichtigen“, erklärt Andreas Bunde. „Andererseits muss die Anla-ge sowohl ihre Eigenlast als auch das Gewicht der elektrotechnischen Verbindungselemente tragen.“ Pontonbrücken aus Stahl dienen zur Verankerung des Bauwerks auf dem Grund des Sees sowie als aussteifende Elemente. „So geben sie der Photovoltaikanlage den nöti-gen Halt“, erläutert Bunde. Da diese Brücken über Arbeitsboote erreichbar sind, ermögli-chen sie zudem die Begehung des Bauwerks zu Wartungszwecken. Wie alle verwendeten Komponenten sind sie nach Ende der geplan-ten Laufzeit zu 100 Prozent recyclingfähig. Die Konstruktion dieser Brücken wurde auf Grundlage der erforderlichen Lastableitun-gen der Solartische, der Rahmenträger und der Verankerungssysteme vorgenommen. Als Simulationstools zur Bestimmung von Wind- und Wellenlasten dienten die Systeme RSTAB, RFEM und ANSYS.

„Eine solch umfassende Ingenieurleis-tung kann nur auf Basis vielfältiger Referenz-erfahrungen im konstruktiven Ingenieurbau, in der Strukturmechanik sowie in der Aus-wertung von Umweltbedingungen erbracht

› 2611.000 Auftriebskörper sollen 1.000 Schwimmplattformen tragen, auf denen 27.000 Solarmodule installiert werden können. Die ent-sprechenden technischen Zeichnungen wurden mit AutoCAD, INVENTOR und Solid Works erstellt.

› 2 6

PonTonbrücKen Aus sTAhL geben

Der AnLAge hALT

PorTräT

Sebastian Bieler (35) studierte Bauinge-nieurwesen in Wismar. Seine Schwer-punkte: Konstruktiver Ingenieurbau, Grundbau und Baumanagement. Nach dem Studium war der Diplom-Ingenieur zunächst in einem Ingenieurbüro im Fachbereich Konstruktiver Ingenieurbau tätig. Seit 2006 ist er geschäftsführender Gesellschafter der Perebo GmbH & Co. KG.

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sPeK TruM

der Spez ial ist 45

› 27Die Qualität der Schwimm-plattformen und der Verbindungselemente ist ausschlaggebend für die Stabilität der Solaranlage. Neben ihrer Eigenlast muss sie zusätzliches, variables Gewicht beispielsweise durch Schnee und Eis tragen sowie Wellenbewegungen standhalten.

› 2 7

werden“, so Bunde. Fünf BTE Spezialisten arbeiteten an dem Konzept mit. Ihre Fachgebiete: Schiffstheorie, An-lagenbau, Ausrüstung, Baugründung und Wasserbau. Das Team erstellte in Abstimmung mit Perebo mit den Systemen AutoCAD und INVENTOR technische Zeich-nungen, erarbeitete eine Machbarkeitsstudie inklusive der überschlägigen Strukturvordimensionierungen zur Massenabschätzung und plante den Entwurf. Zudem prüfte es die Voraussetzungen für die Genehmigung einer solchen Anlage. Eine Herausforderung, denn „die Vorschriften waren bezüglich ihrer Anwendungsberei-che und Gültigkeiten nicht immer eindeutig“, so Bunde. Schließlich ist ein „Solarsee“ eine Land- und Offshore-Anlage zugleich. So waren die relevanten Stahlbauver-ordnungen und die Normen für die Lastenermittlung maßgebend. Hinsichtlich der wetterbedingten Belas-tungen mussten zusätzlich Binnengewässer-Normen in Verbindung mit speziellen Nachweismethoden deut-scher und amerikanischer Vorschriften aus dem Off-shore-Bereich berücksichtigt werden. Die BTE Spezia-listen fungierten also bereits in der Planungsphase als Schnittstelle zu Perebo, zu Solarmodulherstellern sowie zu den Zulieferern für die Verankerungssysteme. „Die-

se Funktion würden wir auch in der Umset-zungsphase erfüllen“, blickt Bunde in die Zu-kunft. Vor einem möglichen Baubeginn stün-de jedoch zunächst ein sorgfältiges Prüfver-fahren: Ein staatlich vereidigter Prüfingenieur müsste vor der Ausführungsplanung und Re-alisierung alle Daten und Berechnungen un-tersuchen sowie die Konstruktion prüfen und genehmigen. Die fortwährende Kommunika-tion mit allen Beteiligten ist also bei der Ab-wicklung von anspruchsvollen Großprojekten ebenso relevant wie die rein technische Ar-beit. „Denn“, so Andreas Bunde, „um für den gesamten Projektablauf Planungssicherheit zu schaffen, gehört die frühzeitige Abstim-mung aller Schritte dazu. Schließlich werden die Kosten in der Planung bestimmt – und Planungsfehler lassen sich beim späteren Bau kaum mehr korrigieren.“

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CH4CO2

NachwachsendeRohstoffe

Gülle

Bioabfälle

Bio-Erdgas für Fahrzeuge

Bio-Erdgas für Haushalte

Fernwärme

Elektrizität

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Biogas entsteht bei der Vergärung organischer Rohstoffe. Diesen Prozess machen sich Betreiber von Biogasanlagen zunutze – beispielsweise in der Landwirtschaft und in Kläranlagen. Angeschlossene Blockheizkraftwerke wandeln das Biogas in regenerative Energie um.

biogasanlage

subsTrATLAger unD gärrücKsTAnDsLAgerung: Die Rohstoffe für die Biogasgewinnung, bestehend aus Bioabfällen sowie Maissilage und Getreide, wer-den in einem Substratlager (1) gesammelt. Das Substrat wird mehrmals täglich in ei-nen Gärbehälter, den Fermenter (2), eingespeist. Zusätzlich kann Gülle aus umliegen-den Ställen direkt zugeführt werden. Nach dem Prozess der Energieumwandlung ge-langt der Gärrest in den Gärrestbehälter (3) und wird anschließend in der Landwirt-schaft als Düngemittel verwendet.

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CH4CO2

NachwachsendeRohstoffe

Gülle

Bioabfälle

Bio-Erdgas für Fahrzeuge

Bio-Erdgas für Haushalte

Fernwärme

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energIegeWInnung Durch ferMenTIerung: Im Fermenter (2) wird das Substrat auf 35 bis 55 Grad Celsius erwärmt – bis zu dreißig Tage lang. Während dieser Zeit werden Nährstoffe wie Kohlen-hydrate und Fette in Faul- und Gärprozessen von Bakterien unter anaeroben Bedingungen zersetzt. Bei dem Abbau durch die Mikroorganismen wird ein Gasgemisch freigesetzt, das hauptsächlich aus Methan-gas (CH4) und Kohlendioxid (CO2) besteht. Aufgrund der permanenten Umwälzung des Substrats durch Rührwerke kann dieses Biogas entweichen und aufgefangen werden. Um einen möglichst hohen Gaser-trag zu erzielen, kann der Vergärungsprozess in mehreren Fermentern wiederholt werden. Schließlich wird das Biogas entwässert, entschwefelt und in einem Verdichter (4) auf den für die weitere Nutzung erforderlichen Druck gebracht.

uMWAnDLung In sTroM, WärMe unD bIo-erDgAs: In angeschlossenen Blockheizkraftwerken (5) wird das Biogas in Strom und Wärme umgewandelt. Durch das Gas angetriebene Verbrennungsmotoren erzeugen Elek-trizität, die über Transformatoren ins öffentliche Stromnetz eingespeist wird. Die bei den Motoren abfallende Wär-me dient zu etwa einem Drittel der Beheizung der Fermenter selbst (6), der Rest wird über Fernwärmenetze zum Beheizen von Industrieanlagen, Privathaushalten und Schwimmbädern genutzt. Nach der Reinigung kann das Rohbiogas zu Biomethan aufbereitet werden (7). Dieses wird dem Erdgasnetz (8) zugeführt und sowohl als Treib-stoff für erdgasbetriebene Fahrzeuge als auch für die Gasversorgung von Privathaushalten genutzt.

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der Spez ial ist48

Ein Exoskelett lernt laufen

Ihre Lehrer hätten wohl keinen Cent darauf gewet-tet, dass diese beiden Bayern eines Tages Unterneh-mer werden würden. Denn Ralph Hohenwarter (35) und Marcus Büttner (33) beendeten ihre Schulzeit mit einem qualifizierten Hauptschulabschluss. Inzwischen ist Ho-henwarter diplomierter Maschinenbau-Ingenieur, Bütt-ner war zeitweise Niederlassungsleiter bei einem Inge-nieurdienstleister in Ravensburg. Als Unternehmensbe-rater haben sie sich 2009 unter dem Namen AIS ConTec selbstständig gemacht, wobei AIS für Advanced Indust-rial Scouts und ConTec für Consultant Technology steht.

Zu ihren ersten Erfolgen zählt, dass sie ein mittel-ständisches Unternehmen mit 158 Mitarbeitern vor der Insolvenz bewahrten. Statt auf Personalabbau setzten die Berater auf einen Richtungswechsel in der Unter-nehmensstrategie. Mit der Idee für ein neues Produkt retteten sie den auf Stanztechnik spezialisierten Ferti-gungsbetrieb vor dem Untergang – und das binnen 14 Tagen. Die Firma laufe inzwischen wieder „richtig gut“.

Wenn Hohenwarter und Büttner in ein Unterneh-men kommen, versuchen sie, die Schwachstellen zu identifizieren, und erstellen ein Spektrum möglicher Vorgehensweisen. Berücksichtigt werden einerseits die Fertigungstoleranzen und Funktionsweisen der Maschi-nen, andererseits aber auch die Qualifikation der Mitar-beiter sowie deren Ideen und Lösungsansätze. Danach erarbeiten sie eine Strategie, deren Umsetzung sie bei Bedarf bis zur Abwicklung der ersten Aufträge beglei-ten. „Unser Ziel ist es, in den angeschlagenen Firmen zeitnah Maßnahmen zu ergreifen, um sie neu am Markt

zu positionieren – und zwar, ohne dass sie da-bei große Summen investieren müssen“, er-läutert Ralph Hohenwarter. Denn das können viele Kunden in einer solchen Situation nicht. Das positive Feedback des Stanztechnik-Be-triebs gibt ihrem individuellen Ansatz recht: Sie seien gekommen, hätten die Ärmel hoch-gekrempelt und losgelegt.

Die Lösung kniffliger technischer Proble-me hat die Geschäftspartner stets fasziniert. Eine Dokumentation über ein militärisches Projekt der USA weckte ihren Ehrgeiz, ihr Exo-skelett zu entwickeln. Gezeigt wurde eine Ap-paratur, die es Soldaten ermöglicht, beson-ders schwere Lasten zu tragen. Der Doku-mentation nach ist diese Apparatur technisch ausgereifter als alle medizintechnischen Exo-skelette. Für die beiden Tüftler war das der Anreiz, sich näher mit der zivilen Nutzung sol-cher Stütz- und Gehhilfen zu befassen. Denn zwar ist das Prinzip der Exoskelette längst be-kannt, „doch einige technische Probleme sind nach wie vor nicht befriedigend gelöst“, sagt Büttner. So werden entweder zusätzlich Krü-cken benötigt oder die Gehhilfen müssen über einen Joystick gesteuert werden. „Un-ser Entwurf funktioniert hingegen intelligent und reagiert automatisch auf seinen Träger“, erläutert Ralph Hohenwarter. Kernstück ist ein Gleichgewichtssensor, der Schwerpunkt-

T e x T › Marco Heinen

Bewegungshilfen für Querschnittsgelähmte gibt es schon – Verbesserungsbedarf allerdings auch. Ralph Hohenwarter und Marcus Büttner wollen das ändern. Den Gründern der technischen Unternehmensberatung AIS ConTec könnte mit ihrem automatisch gesteuerten Exoskelett eine Innovation gelingen, die Betroffenen eine große Hilfe bietet.

› 28Anders als das Exoskelett unterstützt HAL (Hybrid Assistive Limb) die Musku-latur des gesamten Körpers: 2007 stellten Ingenieure der Universität Tsukuba (Japan) diesen Roboteranzug vor, der heute in Pflegeeinrichtungen und Rehabilitationszentren eingesetzt wird. Anhand von Elektroden werden die Gehirnströme der Muskelsen-sorik gemessen und in Steu-erbefehle für die Arm- und Beinstützen umgewandelt.

gehhILfe MIT gLeIchgeWIchTs-

sensorIK

unTernehMerIscher rIchTungsWechseL

sTATT PersonALAbbAu

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verlagerungen des Gelähmten registriert, mittels eines von Büttner und Hohenwarter entwickelten Algorithmus den beabsichtigten nächsten Schritt berechnet und dann selbst-tätig die Stütz- und Bewegungselemente an-steuert. Somit könnten auch Menschen wie-der gehen, die ihre Beine überhaupt nicht mehr bewegen können. Das Ergebnis könn-te für Querschnittsgelähmte ein deutliches Mehr an Lebensqualität bedeuten.

Die Regelungstechnik des Exoskeletts ist bereits fertig entwickelt, eine positive medi-zinische Expertise liegt vor. Begutachtet hat das Konzept Dr. Johannes Schauwecker, Or-thopäde an der Klinik für Orthopädie und Un-fallchirurgie des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München. Was AIS ConTec noch fehlt, sind Partner, die das Vor-haben finanziell vorantreiben – die Entwick-lungskosten liegen bei etwa 500.000 Euro. Der Kontakt zu einem Forschungsinstitut ist geknüpft, der Abschluss eines Kooperations-

vertrages könnte Mitte 2011 erfolgen. Wenn alles gut geht, wird der Prototyp gegen Ende der zweiten Jahreshälfte 2011 fertig sein. Bütt-ner und Hohenwarter sind sich bewusst, dass sie mit ihrer Ankündigung Hoffnungen we-cken. „Diese Verantwortung spornt uns zu-sätzlich an“, versichert Ralph Hohenwarter.

Beide wissen voneinander, dass sie ähn-lich ticken und Herausforderungen als moti-vierend empfinden. Kennengelernt haben sie sich bei BMW, wo sie als Kollegen im Bereich Elektrotechnik tätig waren. „Wir haben her-vorragend zusammengearbeitet“, erinnert sich Hohenwarter. Danach trennten sich ihre beruflichen Wege, doch sie hielten Kontakt und sprachen 2006 zum ersten Mal über die Gründung einer eigenen Firma. Denn bei aller Entschlossenheit, mit der sie sich ihren beruf-lichen Aufgaben bis dahin gestellt hatten: Ihr Wunsch, auf eigene Rechnung zu arbeiten so-wie Ideen nach ihren eigenen Vorstellungen schnell und unkompliziert umzusetzen, wur-de zunehmend stärker.

Dabei ergänzen sich die beiden Familien-väter nicht nur in Bezug auf ihre Arbeitswei-se. Beide hatten in ihrer beruflichen Laufbahn

hoffnung beI beTroffenen WächsT:

„DIe VerAnTWorTung sPornT uns An“

PorTräTs

Marcus Büttner (re.)Nach seinem qualifizierten Haupt-schulabschluss absolvierte der heute 33-Jährige eine Lehre als Konstruktions-mechaniker in München. Anschließend war er als Projektmitarbeiter für BMW im Musterbau tätig. Dort arbeitete er in der Abteilung für Crash-Analyse und an elektrotechnischen Projekten.

Ralph Hohenwarter (li.)Nach seinem Hauptschulabschluss holte Hohenwarter die Hochschulreife nach und absolvierte in Regensburg ein Maschinenbaustudium. Auf einer Kontaktmesse wurde der Niederbayer von einem Münchener Ingenieurdienst-leister rekrutiert. Vor der Gründung von AIS ConTec war der heute 35-Jährige als freiberuflicher Ingenieur tätig.

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der Spez ial ist 51

› 29Algorithmen sorgen für mehr Lebensqualität: Ende 2011 soll der erste Prototyp des Exoskeletts geplante Bewe-gungsabläufe berechnen und die jeweiligen Stützelemente eigenständig ansteuern können.

› 2 9

Schlüsselerlebnisse, die sie dazu veranlassten, sich neue Ziele zu setzen. Hohenwarter besuchte zunächst in Straubing die Hauptschule und absolvierte anschlie-ßend eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker bei einem Hersteller für Abgasanlagen. „Eines Tages habe ich fest-gestellt, dass ich das nicht bis an mein Lebensende ma-chen will“, erzählt er. Trotz Warnungen kündigte er sei-nen Job, holte die Hochschulreife nach und studier-te Maschinenbau mit Schwerpunkt Produktionstech-nik. Über einen Ingenieurdienstleister kam er zu BMW. Marcus Büttner machte seinen Hauptschulabschluss in München und wurde Konstruktionsmechaniker im Be-reich Feinblechbautechnik. Sein Weg führte ihn eben-falls zu BMW, wo er an mehreren Projekten mitarbei-tete. Hier konnte er sich in verschiedenen Abteilungen nicht nur als Ideengeber profilieren, sondern es mach-te auch bei ihm „Klick“: „Ich habe festgestellt, dass ich eigentlich viel mehr kann“, erinnert sich der Münchner.

Mit dem Exoskelett stellen die beiden nun ihre technische Kompetenz als Entwickler unter Beweis. Ho-henwarter und Büttner arbeiten mit großem Engage-ment daran, sie wollen zu einem Ergebnis kommen. Wie

es dann weitergeht? Schwer zu sagen. Wahr-scheinlich werden sie sich eine neue techni-sche Herausforderung suchen.

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Innerhalb von zehn Jahren eine Milli-on Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Stra-ßen bringen zu wollen, ist ein ehrgeiziges Ziel. Doch es ist erreichbar. Eine solch ambitionier-te Maßgabe hat den Vorteil, dass die Anstren-gungen im Bereich der Entwicklung von Elek-troautos noch einmal intensiviert werden. Denn eines ist klar: Die Zukunft der individu-ellen Mobilität gehört dem elektrischen An-trieb. Nicht nur, dass die Vorräte an fossilen Brennstoffen sich in absehbarer Zeit verknap-pen und irgendwann ganz zu Ende gehen werden, auch eine signifikante Absenkung der Schadstoffemissionen im Straßenverkehr lässt sich anders nicht realisieren.

Zur Umsetzung der Vorgabe sind auch wir Techniker gefragt, Lösungen zu finden, um die bisherigen Nachteile des Elektroantriebs zu beseitigen. Das bedeutet vor allem eine deutliche Verbesserung der Batterie-Techno-logie, denn die gegenwärtigen Reichweiten von serientauglichen Elektrofahrzeugen lie-gen im günstigsten Fall bei etwa 150 Kilome-tern. Werden Klimaanlage oder Heizung be-nutzt, reduziert sich die Fahrstrecke deutlich. Für Großbetriebe, kommunale Einrichtungen oder Berufspendler stellt das keinen wirkli-

In jeder Ausgabe unseres Magazins beantworten Brunel Spezialisten Ihre Leserfrage. Diesmal: Madalina Petcu und Felix Gottschalk, die beide im Bereich der Batterieentwicklung für Elektrofahrzeuge tätig sind.

PorTräT

Brunel Spezialistin Madalina Ecaterina Petcu arbeitet am VW-Technologiezen-trum für Elektrotraktion in Isenbüttel bei Wolfsburg. Das Aufgabengebiet der 25-Jährigen ist die Simulation und Model-lierung von Lithium-Ionen-Batterien. Die gebürtige Rumänin studierte Technische Physik in Bukarest und Hannover.

chen Nachteil dar: Die Fahrzeuge bleiben im Nahbereich und die Batterien lassen sich auf dem Firmengelände oder über Nacht zuhause aufladen. Für den spontanen Wochenendaus-flug und die Fahrt in den Urlaub genügt das aber nicht.

Im derzeitigen Entwicklungsstadium wer-den die bislang hauptsächlich verwendeten Nickel-Metallhydrid-Akkumulatoren durch Li-thium-Ionen-Batterien abgelöst. Deren Ener-giedichte liegt bei 200 Wattstunden pro Kilo-gramm. Im Laufe der nächsten fünf Jahre soll-te es gelingen, diesen Wert auf 500 Wattstun-den pro Kilogramm zu erhöhen. Dann wären Fahrstrecken von etwa 200 Kilometern mög-lich. Da dies jedoch noch nicht genug ist, um den Verbrennungsmotor ablösen zu können, wird Grundlagenforschung mit Alternativen wie Lithium-Fluor-Batterien betrieben, von denen Wissenschaftler sich Energiedichten von bis zu 2.000 Wattstunden pro Kilogramm und gleiche Reichweiten wie mit Benzinmo-toren versprechen.

Weit fortgeschritten ist die technische Entwicklung bei der Haltbarkeit der Batterien. Moderne Energiespeicher haben eine Lebens-dauer von etwa 2.000 Zyklen. Das entspricht

Bis zum Jahr 2020 sollen eine Million Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen fahren. Welche Voraussetzungen müs-sen dafür geschaffen werden?

T e x T › Dipl.-Physikerin Madalina Ecaterina Petcu und Dipl.-Ing. Felix Gottschalk

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PorTräT

Felix Gottschalk studierte an der TU Ham-burg-Harburg Informatikingenieurwesen, heute lebt er in Berlin. Nach seinem Abschluss im November 2008 kam er zu Brunel und unterstützt seit Dezember 2008 die Volkswagen Konzernforschung in Wolfsburg. Dort ist der 28-Jährige im Bereich Entwicklung und Test von Batterie managementsystemen tätig.

im Alltag einer Laufleistung von mindestens fünf bis zehn Jahren. Eine hohe Lebensdauer ist wichtig, weil Batterien teuer sind. Inklusive der elektromechanischen Komponenten und Steuerelemente machen sie derzeit fast die Hälfte der Kosten eines Elektroautos aus. Das wird sich ändern. Zum einen sinken die Pro-duktionskosten mit zunehmenden Stückzah-len. Zum anderen wird an neuen Materialien zum Beispiel für die Elektroden geforscht, die nicht nur besser und sicherer sind, sondern auch kostengünstiger.

Parallel zur technischen Entwicklung wird aber auch der Ausbau einer entsprechenden Infrastruktur nötig sein sowie ein Umdenken in der Gesellschaft. Das bedeutet in erster Li-nie die Bereitstellung von öffentlich zugäng-lichen Ladestationen. Diese müssen als soge-nannte Schnellladesysteme ausgelegt sein, die Gleichstrom nutzen und innerhalb von ei-ner halben Stunde eine entleerte Batterie auf 80 Prozent ihrer Kapazität laden können. Zum Vergleich: Das vollständige Aufladen an der heimischen Wechselstrom-Steckdose dauert

sechs bis acht Stunden. Zudem wäre der Auf-bau von Carsharing-Strukturen plus eine Ver-knüpfung von E-Autos und ICE-Verbindungen für Langstreckenreisende eine Lösung.

Trotz aller Bemühungen wird man den Elektroantrieb zunächst aber auch in Verbin-dung mit Hybridkonzepten sehen müssen. Die Kombination aus Elektromotor und Ver-brennungsmaschine ist technisch ausgereift und kann bereits zu einer Reduzierung der Umweltbelastung beitragen, zumal in städ-tischen Bereichen, wo phasenweise der elek-trische Antrieb genügt. Wir werden also bis 2020 eher eine Zweiteilung erleben: Für den Stadt- und Kurzstreckenverkehr dienen Elek-troautos, für Mittel- und Langstrecke Hybrid-fahrzeuge. Dagegen müssen für den Betrieb mit einer Brennstoffzelle, die durch die Reak-tion von mitgeführtem Wasserstoff mit Sau-erstoff aus der Umwelt den benötigten Strom direkt an Bord des Autos produziert, noch zahlreiche technische und infrastrukturelle Probleme gelöst werden.

›30Insgesamt gibt es in Deutsch-land über 800 E-Tankstellen. Bis zum Jahresende 2011 soll es an über 30 Ladestationen in Deutschland möglich sein, Strom kostenlos zu tanken. Ermöglicht wird dies von RWE und dem ADAC.

› 3 0

hybrIDKonZePTe bLeIben reLeVAnT

Haben auch Sie eine Frage zu einer Technologie oder einem naturwissenschaftlichen Phänomen? Dann senden Sie diese an [email protected].

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AusbLIcK

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Als gebürtiger Niederländer und General Manager der Brunel GmbH kenne ich beide Seiten und kann die-sem Statement von Prof. Dr. Christoph M. Schmidt und Dr. Michael Kvasnicka, Experten vom Rheinisch-Westfä-lischen Institut für Wirtschaftsforschung, voll zustim-men.

In Deutschland hat die Arbeitnehmerüberlassung nach wie vor mit Vorbehalten zu kämpfen. Die Grün-de liegen hierzulande vor allem in den Anfängen: In den 1970er Jahren waren in der Branche vorrangig weniger qualifizierte Menschen beschäftigt. Daher wird die Ar-beitnehmerüberlassung noch heute mit geringer Be-zahlung und fehlenden Sicherheiten für die Mitarbei-ter verbunden. Leider gibt es zudem schwarze Schafe, die diese Vorbehalte schüren. Doch die Branche hat sich stark verändert. Tarifverträge und Festanstellungen sind die Regel und die Zahl der Akademiker in Projekt-arbeit steigt, denn seitens der Wirtschaft gibt es einen großen Bedarf an flexiblen hochqualifizierten Experten.

Trotz der Vorbehalte und Hürden in Sachen Arbeit-nehmerüberlassung sind die Deutschen doch für zahl-reiche EU-Staaten ein Vorbild. Denn hier ist die Projekt-arbeit etabliert, während sie in einigen anderen Län-dern noch in den Kinderschuhen steckt. Zukünftig ist es daher wichtig, dieses Thema europäisch zu betrachten. Denn in einer zunehmend globalisierten Wirtschaft

geht es weniger darum, die Branche in einem Land zu entwickeln, vielmehr muss länderübergreifend das Be-wusstsein für eine flexible und agile Arbeitswelt ge-weckt werden.

Ihr Gerjan Mazenier

Arbeit mit Zukunft„Gemessen am Beschäftigungsanteil ist im europäischen Vergleich zwar das Vereinigte Königreich Spitzenreiter in der Arbeitnehmerüberlassung. Hierzulande aber gelten vor allem die Niederlande als Vorbild für eine erfolgreiche Organisation und Entwicklung der Branche durch die Tarifparteien, die sowohl dem Interesse von Unternehmen für Flexibilität als auch dem Bedürfnis von Arbeitnehmern nach Beschäftigungssicherheit (Flexicurity) angemessen Rechnung zu tragen suchen.“

Prof. Dr. Christoph M. Schmidt, Präsident des RWI, und Dr. Michael Kvasnicka, Wissenschaftler am RWI (Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung, Essen, 2011)

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AusgAbe 17 || April 2011

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„Klug fragen können ist die halbe Weisheit.“

Francis Bacon, englischer Philosoph und Staatsmann, 1561–1626

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