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MMW-Fortschr. Med. Sonderheft 1 / 2013 (155. Jg.) 41 Der Weckhund Mit Hilfe eines Hundes gelang es einer Patientin mit Narkolepsie und Schlafapnoe, wieder ins Leben zurück- zufinden. _ Eine 35-jährige, massiv übergewichtige Frau mit exzes- siver Tagesmüdigkeit aufgrund einer Narkolepsie, einer Schlafapnoe und eines Hypoapnoe-Syndroms verfiel jeweils wenige Minuten nach dem Hinsetzen in den Schlaf. Der Zu- stand war so ausgeprägt, dass sie in öffentlichen Verkehrs- mitteln einschlief und von einer Aufsicht jeweils unsanft geweckt wurde. Die Schlafattacken traten 3- bis 6-mal pro Tag auf. Zu- sätzlich bestand eine bipolare Störung. In Phasen der De- pression schlief die Patienten bis zu 16 Stunden pro Tag. Im Lauf der Jahre erfolgten Therapieversuche mit Moda- finil, Methylphenidat, Lithium, Lamotrigin, Carbamazepin und verschiedenen Kombinationen von Antidepressiva, Neuroleptika und Benzodiazepinen. Eine cPAP-Therapie nahm sie nur phasenweise in Anspruch. Abhängig vom Zustand ihrer psychischen Erkrankung unternahm sie gelegentlich Behandlungsversuche beim HNO-Arzt und beim Pneumologen, ließ sich dann aber auch wieder wochenlang gehen. Über eine Wohlfahrtsorganisation kam die Patientin in Kontakt mit trainierten Hunden, die Menschen mit Seh- oder Hörbehinderung das Leben erleichtern sollten. Ein Tierpfleger bildete einen Hund für sie so aus, dass er am Morgen beim Klang des Weckers die Patientin mit Lecken und, falls erforderlich, zarten vorsichtigen Bissen ins Ohr weckte. Auch beim Klang des Handyklingeltons oder ande- ren Gelegenheiten wie in der U-Bahn, der Straßenbahn oder im Bus weckte der Hund die Patientin auf. Auf diese Weise war es ihr möglich, sich wieder frei in der Stadt zu bewegen und am sozialen Leben teilzunehmen. Kommentar Der Mensch macht sich die besonderen Fähigkeiten von Hunden zunutze, um seine gesundheitlichen Defizite auszugleichen. Blin- denhunde kennen wir seit Langem. Von Weckhunden hat man bisher noch nicht gehört. O. Le Bon und P. Linkowski (Korres.: [email protected]): A shaggy dog story. BMJ 2012; 345: e7751 © BMJ 2012; 345: e7751

Der Weckhund

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Page 1: Der Weckhund

MMW-Fortschr. Med. Sonderheft 1 / 2013 (155. Jg.) 41

Der Weckhund Mit Hilfe eines Hundes gelang es einer Patientin mit Narkolepsie und Schlafapnoe, wieder ins Leben zurück-zufinden.

_ Eine 35-jährige, massiv übergewichtige Frau mit exzes-siver Tagesmüdigkeit aufgrund einer Narkolepsie, einer Schlafapnoe und eines Hypoapnoe-Syndroms verfiel jeweils wenige Minuten nach dem Hinsetzen in den Schlaf. Der Zu-stand war so ausgeprägt, dass sie in öffentlichen Verkehrs-mitteln einschlief und von einer Aufsicht jeweils unsanft geweckt wurde.

Die Schlafattacken traten 3- bis 6-mal pro Tag auf. Zu-sätzlich bestand eine bipolare Störung. In Phasen der De-pression schlief die Patienten bis zu 16 Stunden pro Tag.

Im Lauf der Jahre erfolgten Therapieversuche mit Moda-finil, Methylphenidat, Lithium, Lamotrigin, Carbamazepin und verschiedenen Kombinationen von Antidepressiva, Neuroleptika und Benzodiazepinen. Eine cPAP-Therapie nahm sie nur phasenweise in Anspruch.

Abhängig vom Zustand ihrer psychischen Erkrankung unternahm sie gelegentlich Behandlungsversuche beim HNO-Arzt und beim Pneumologen, ließ sich dann aber auch wieder wochenlang gehen.

Über eine Wohlfahrtsorganisation kam die Patientin in Kontakt mit trainierten Hunden, die Menschen mit Seh- oder Hörbehinderung das Leben erleichtern sollten. Ein Tierpfleger bildete einen Hund für sie so aus, dass er am Morgen beim Klang des Weckers die Patientin mit Lecken und, falls erforderlich, zarten vorsichtigen Bissen ins Ohr weckte. Auch beim Klang des Handyklingeltons oder ande-ren Gelegenheiten wie in der U-Bahn, der Straßenbahn oder im Bus weckte der Hund die Patientin auf. Auf diese Weise war es ihr möglich, sich wieder frei in der Stadt zu bewegen und am sozialen Leben teilzunehmen.

– Kommentar

Der Mensch macht sich die besonderen Fähigkeiten von Hunden zunutze, um seine gesundheitlichen Defizite auszugleichen. Blin-denhunde kennen wir seit Langem. Von Weckhunden hat man bisher noch nicht gehört.

■ O. Le Bon und P. Linkowski (Korres.: [email protected]): A shaggy dog story. BMJ 2012; 345: e7751

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