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31 LITERATUR 14. Jahrg., Heft 4/2013, S. 31–36, Elsevier GmbH, www.elsevier.de/ostmed Korrespondenzadresse: Kerstin Schmidt Staudach 20 88145 Hergatz [email protected] Der Weihnachtstipp Das Motto für die kommenden Weihnachtstage sollte heißen: inne- halten, Ruhe finden, nachdenken und neue Ideen schöpfen. Zeit für Familie, Freunde und Hobbys, Zeit für Bücher! Neben den gewohnten Fachrezensio- nen erwartet Sie wie jedes Jahr in Heſt 4 im Folgenden zuerst ein fachfrem- der Lesetipp, der Ihnen in den (hoffentlich) etwas ruhigeren Tagen zwischen den Jahren eine Gedanken- reise bescheren soll. Warum sind es diesmal sogar zwei nicht osteopathi- sche Bücher? Weil es in den vorge- stellten Büchern „Verbrechen“ von F. v. Schirach und „Kriegsenkel“ von S. Bode zwar um unterschiedliche Inhalte geht, es aber doch entschei- dende verbindende Elemente zwi- schen diesen Büchern gibt. Finden Sie es heraus. Nehmen Sie die Stimmung auf, die diese Bücher ausstrahlen, und erfahren Sie darin viel über sich selbst. Anschließend soll Ihnen die Vorstel- lung zweier Neuerscheinungen fri- schen Schwung für das anstehende Neue (osteopathische) Jahr geben. Die Rezensenten schildern diesmal sehr umfangreich, detailliert und ehrlich ihre Meinung zum komplexen ema Rückenschmerz im Buch „Integrative Osteopathie bei Rückenschmerz“ von T. Kia und zu „Sportosteopathie“ von M. Corts. An dieser Stelle möchte ich mich ein- mal bei allen Buchautoren bedanken, die sich die gigantische Mühe machen, uns an ihrer wissenschaſtlichen Arbeit, ihren Erfahrungen und Gedanken mit- tels ihrer Schriſten teilhaben zu lassen. Osteopathische Medizin LITERATUR Ferdinand von Schirach Verbrechen Stories 208 Seiten (Paperback) Piper, 2010 ISBN: 978-3-492-25966-8, € 8,99 Ferdinand von Schirach ist ein sehr ge- fragter deutscher Strafverteidiger und ein kluger Essayist, einige seiner Fälle waren mehr als nur spektakulär. Sein Großvater: Reichsjugendführer Baldur von Schirach, seine Großmutter Hen- riette: Tochter des Hitler-Fotografen Heinrich Hoffmann, sein Vater: ehrba- rer Kaufmann in München. Derglei- chen muss man erwähnen, aber es tut nichts zur Sache. Zur Debatte steht sein erstes Buch. 2009 erschienen und aus dem Stand 54 Wochen auf der Spiegel-Bestseller- Liste: VERBRECHEN. Die Rechte wur- den in mehr als 40 Länder verkauſt. „Verbrechen“ ist (wie auch das zweite Buch „Schuld“) eine Sammlung krimi- neller Begebenheiten: elf Fälle aus Schirachs Kanzlei. Er tritt als Ich-Er- zähler auf. An sich nichts Ungewöhn- liches, wären da nicht dieser bislang unbekannte, sehr individuelle Ansatz und sein Stil. Schirach versteht seine Fälle als Geschichten. Die Anklage- schriſt des Staatsanwaltes ist die Ge- schichte des Falles, der Verteidiger ergründet und erzählt die des Ange- klagten. Dabei sucht Schirach kein Ver- brechen. Die Dinge sind geschehen, Täter und Ergebnis bekannt. Begeben- heiten in den menschlichen Niederun- gen. Es gilt, die Motive zu finden, sie zu beleuchten und klar werden zu lassen. Nicht aus Sicht der Täter, sondern aus der des Begleiters, der der Verteidiger nun mal ist. Ohne Pathos, ohne fal- sches Mitleid, scheinbar unberührt. Wiederum – und das ist seine Kunst – nicht ohne Sympathie für die Täter. Na ja, für einige. Da gibt es diesen Bankräuber, dessen Geschichte vor und nach seinem Ver- brechen gleichermaßen spannend ist und sich beinahe selbst auebt. Man ist voller Sympathie, als er endlich Le- bensaufgabe und Glück findet und mit- einander verbinden kann. Ja, man ist bereit, mit dem Schwamm über seine zweite Tat zu wischen und dafür die verwünschte deutsche Bürokratie ver- antwortlich zu machen. Aber Schuld ist nun einmal Schuld. Und der schmale Grat, auf dem der Verteidiger die best- mögliche Linie finden muss, ist nicht die des Normalbürgers. Dass ein angesehener Arzt nach vierzig Jahren seine Frau erschlägt, leuchtet ein. Jedenfalls hier. Die Faktenlage lässt beinahe gar keine andere Lösung zu, die Tat ist – scheint‘s – „alternativlos“. Ein Danke geht ebenfalls an die vielen fleißigen Rezensenten, die sich nicht scheuen, ihre Meinung dazu kundzu- tun, und somit einen effizienten und konstruktiven Dialog anregen. In die- sem Sinne – allen eine besinnliche Zeit und viel Spaß beim Stöbern! Kerstin Schmidt, Rubrikleitung

Der Weihnachtstipp

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Osteopathische MedizinL I T E R AT U R

14. Jahrg., Heft 4/2013, S. 31–36, Elsevier GmbH, www.elsevier.de/ostmed

Korrespondenzadresse:

Kerstin SchmidtStaudach 2088145 Hergatz

[email protected]

Der WeihnachtstippDas Motto für die kommenden Weihnachtstage sollte heißen: inne-halten, Ruhe fi nden, nachdenken und neue Ideen schöpfen. Zeit für Familie, Freunde und Hobbys, Zeit für Bücher! Neben den gewohnten Fachrezensio-nen erwartet Sie wie jedes Jahr in Heft 4 im Folgenden zuerst ein fachfrem-der Lesetipp, der Ihnen in den (hoff entlich) etwas ruhigeren Tagen zwischen den Jahren eine Gedanken-reise bescheren soll. Warum sind es diesmal sogar zwei nicht osteopathi-sche Bücher? Weil es in den vorge-stellten Büchern „Verbrechen“ von F. v. Schirach und „Kriegsenkel“ von S.  Bode zwar um unterschiedliche Inhalte geht, es aber doch entschei-dende verbindende Elemente zwi-schen diesen Büchern gibt. Finden Sie

es heraus. Nehmen Sie die Stimmung auf, die diese Bücher ausstrahlen, und erfahren Sie darin viel über sich selbst. Anschließend soll Ihnen die Vorstel-lung zweier Neuerscheinungen fri-schen Schwung für das anstehende Neue (osteopathische) Jahr geben. Die Rezensenten schildern diesmal sehr umfangreich, detailliert und ehrlich ihre Meinung zum komplexen Th ema Rückenschmerz im Buch „Integrative Osteopathie bei Rückenschmerz“ von T. Kia und zu „Sportosteopathie“ von M. Corts. An dieser Stelle möchte ich mich ein-mal bei allen Buchautoren bedanken, die sich die gigantische Mühe machen, uns an ihrer wissenschaft lichen Arbeit, ihren Erfahrungen und Gedanken mit-tels ihrer Schrift en teilhaben zu lassen.

Osteopathische MedizinL I T E R AT U R

Ferdinand von Schirach

Verbrechen

Stories208 Seiten (Paperback)Piper, 2010 ISBN: 978-3-492-25966-8, € 8,99

Ferdinand von Schirach ist ein sehr ge-fragter deutscher Strafverteidiger und ein kluger Essayist, einige seiner Fälle waren mehr als nur spektakulär. Sein Großvater: Reichsjugendführer Baldur von Schirach, seine Großmutter Hen-riette: Tochter des Hitler-Fotografen

Heinrich Hoff mann, sein Vater: ehrba-rer Kaufmann in München. Derglei-chen muss man erwähnen, aber es tut nichts zur Sache.Zur Debatte steht sein erstes Buch. 2009 erschienen und aus dem Stand 54 Wochen auf der Spiegel-Bestseller-Liste: VERBRECHEN. Die Rechte wur-den in mehr als 40 Länder verkauft . „Verbrechen“ ist (wie auch das zweite Buch „Schuld“) eine Sammlung krimi-neller Begebenheiten: elf Fälle aus Schirachs Kanzlei. Er tritt als Ich-Er-zähler auf. An sich nichts Ungewöhn-liches, wären da nicht dieser bislang unbekannte, sehr individuelle Ansatz und sein Stil. Schirach versteht seine Fälle als Geschichten. Die Anklage-schrift des Staatsanwaltes ist die Ge-schichte des Falles, der Verteidiger ergründet und erzählt die des Ange-klagten. Dabei sucht Schirach kein Ver-brechen. Die Dinge sind geschehen, Täter und Ergebnis bekannt. Begeben-heiten in den menschlichen Niederun-gen. Es gilt, die Motive zu fi nden, sie zu beleuchten und klar werden zu lassen.

Nicht aus Sicht der Täter, sondern aus der des Begleiters, der der Verteidiger nun mal ist. Ohne Pathos, ohne fal-sches Mitleid, scheinbar unberührt. Wiederum – und das ist seine Kunst – nicht ohne Sympathie für die Täter. Na ja, für einige.Da gibt es diesen Bankräuber, dessen Geschichte vor und nach seinem Ver-brechen gleichermaßen spannend ist und sich beinahe selbst aufh ebt. Man ist voller Sympathie, als er endlich Le-bensaufgabe und Glück fi ndet und mit-einander verbinden kann. Ja, man ist bereit, mit dem Schwamm über seine zweite Tat zu wischen und dafür die verwünschte deutsche Bürokratie ver-antwortlich zu machen. Aber Schuld ist nun einmal Schuld. Und der schmale Grat, auf dem der Verteidiger die best-mögliche Linie fi nden muss, ist nicht die des Normalbürgers.Dass ein angesehener Arzt nach vierzig Jahren seine Frau erschlägt, leuchtet ein. Jedenfalls hier. Die Faktenlage lässt beinahe gar keine andere Lösung zu, die Tat ist – scheint‘s – „alternativlos“.

Ein Danke geht ebenfalls an die vielen fl eißigen Rezensenten, die sich nicht scheuen, ihre Meinung dazu kundzu-tun, und somit einen effi zienten und konstruktiven Dialog anregen. In die-sem Sinne – allen eine besinnliche Zeit und viel Spaß beim Stöbern!

Kerstin Schmidt, Rubrikleitung

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