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Informationen für Top-Entscheider in Politik, Verwaltung und Betrieben
FinanzderivateVom Problemlöser zum Problem
2
Impressum
Herausgeber: Rödl & Partner GbR
Inhalt: Martin Wambach ([email protected]), Dirk Adams ([email protected])
Gestaltung: Karolina Krysta ([email protected])
Bezug: Rödl & Partner GbR
Kranhaus 1, Im Zollhafen 18
50678 Köln
Tel. +49 (2 21) 94 99 09-0
Fax +49 (2 21) 94 99 09-900
Nachdruck und Wiedergabe – auch auszugsweise – nur mit Genehmigung von Rödl & Partner. Bei der Zusammen-
stellung von Texten und Grafiken wurde mit größter Sorgfalt vorgegangen. Trotzdem können Fehler nicht vollständig
ausgeschlossen werden. Die Herausgeber übernehmen keine Gewähr.
Bildnachweis: © Tobif82/Fotolia.com, © Christy Thompson/Fotolia.com, © Zoran Zivkovic/istockphoto.com, © Aliaksandr Autayeu/Fotolia.com, © Pali Rao/istockphoto.com, © Maksym Dykha/istockphoto.com
Inhaltsverzeichnis
Eine Bestandsaufnahme: Vom Problemlöser zum Problem 4
Risikominimierung statt Zinsoptimierung 5
Derivate – wichtiges Hintergrundwissen 6
Das Spiel mit den Zahlen 8
Die Bedeutung von Zinskurven für die Schuldenportfoliogestaltung 11
Unsere Empfehlungen zur weiteren Vorgehensweise 15
Rödl & Partner: Wir sind Ihr verlässlicher Beratungspartner 16
Ihre Ansprechpartner 16
3
Vor diesem Hintergrund wollen wir Top-Entscheidern
eine Orientierung zu den Themen Derivate und kom-
munale Schuldenstrategie geben. Diese Veröffent-
lichung knüpft damit nahtlos an unsere Broschüren
„Masterplan Haushaltssanierung“ und „Der kommu-
nale Entschuldungsplan“ an.
Sie kennen uns als langjährigen und leistungsfähigen
Partner in der Beratung und Prüfung von Kommu-
nen. Ihr Erfolg ist unser Erfolg. Ein wichtiger Aspekt
für nachhaltigen Erfolg ist, konkrete Vorstellungen zu
haben und diese auch zu vertreten. Die Aktualität des
Derivatethemas verlangt klare Vorstellungen. Zu die-
sem Zweck beziehen wir sehr deutlich Stellung und
bieten Ihnen konkrete Empfehlungen und Hilfestel-
lungen zur Verbesserung der Situation an.
Köln, im Februar 2012
Martin Wambach
Geschäftsführender Partner
Finanzderivate: Vom Problemlöser zum Problem
Informationen für Top-Entscheider in Politik, Verwaltung und Betrieben
Bis in die 1990-er Jahre war die kommunale Kreditaufnah-
me von einer langfristigen Finanzierungspraxis geprägt.
D. h. Kredite wurden mit langen Laufzeiten, häufig 30
Jahre und möglichst langen Zinsbindungsfristen, in der
Regel 10 bis 15 Jahre, abgeschlossen. Geprägt durch die
kamerale Haushaltswirtschaft spielten die Kongruenz von
Investition und Finanzierung und andere betriebswirt-
schaftliche Überlegungen regelmäßig keine besondere
Rolle. Über die Jahre entwickelten sich auf diese Weise
betragsmäßig umfangreiche Schuldenportfolios, ohne
dass eine besondere Strategie – es sei denn die des „lan-
gen Finanzierens“ – erkennbar war. Anfang des 21. Jahr-
hunderts änderte sich die Situation unter dem Konsolidie-
rungsdruck, der auf kommunalen Haushalten lastete. Das
kommunale Schuldenportfolio wurde zum Gegenstand
von Konsolidierungs- und Kostenoptimierungsstrategien.
Vorschub erhielt diese Entwicklung durch eine „normal-
steile“ Zinskurve, mit niedrigeren Zinsen am kurzen und
höheren Zinsen am langen Ende sowie dem Aufkommen
von Finanzderivaten, besser Zins- und Währungsderiva-
ten. Bankenexpertenteams ermittelten attraktive Einspar-
potenziale, auf die sich die hochverschuldeten Kommu-
nen gerne einließen. Heute, gut zehn Jahre später, stellen
wir fest, dass die gewünschten Einsparungen selten er-
reicht wurden. Im Gegenteil, durch den Einsatz vielfältiger
Finanzderivate hat sich vielerorts die Situation weiter ver-
schlechtert, da die Derivate zu großen Verlusten führen.
Darüber hinaus haben die kommunalen Schuldenportfo-
lios durch den Einsatz dieser Instrumente eine Komplexität
erreicht, die weitere Gefahren befürchten lässt.
4
Eine Bestandsaufnahme: Vom Problemlöser zum Problem!
Das sollten Sie über den Einsatz von Derivaten in der
kommunalen Haushaltswirtschaft wissen:
> Aus der Verpflichtung zur Sparsamkeit und Wirt-
schaftlichkeit kommunaler Haushaltsführung lässt
sich keine Verpflichtung zum Einsatz von Finanz-
derivaten ableiten.
> Es gibt keine allgemeingültigen betriebswirtschaft-
lichen Kennzahlen zur wirtschaftlichen Vorteilhaf-
tigkeit bzw. dem finanzwirtschaftlichen Risiko von
kommunalen Schuldenportfolios. Die häufig anzu-
treffenden Kennzahlen „Cashflow at Risk“, „Value
at Risk“ und „Duration“ sind an sich nicht geeignet,
Entscheidungen über den Einsatz von Derivaten zu
treffen.
> Aktives Schuldenmanagement ist kein zentrales
Konsolidierungsfeld für „klamme“ Kommunalhaus-
halte. Ein nachhaltiges Schuldenmanagement kann
auch ohne Derivate betrieben werden.
> Nachhaltig lassen sich durch Einsatz von Derivaten
keine Einsparungen oder Gewinne realisieren. Ge-
winnchancen bedeuten auch immer entsprechende
Risiken; damit begibt man sich in den Bereich der
Spekulation (Zinsen, Währungen).
> Optimierungen eines Schuldenportfolios sind grund-
sätzlich auch ohne den Einsatz von Derivaten mög-
lich. Es gilt, sich hier keinen falschen Druck machen
zu lassen.
> Derivate sind immer ein Nullsummenspiel, das heißt,
sie schaffen niemals „frische“ Zahlungsmittel, son-
dern verteilen sie nur um. Was der eine Derivate-
verwender erhält, das büßt der andere ein.
> Hinter dem Begriff „Zinsoptimierung“ verbergen
sich in der Regel komplexe Derivate, d. h. struktu-
rierte Finanzprodukte. Auf der Grundlage von Prog-
nosen sollen Zinsoptimierungsderivate Zahlungs-
überschüsse erwirtschaften. Die Zwillingsfunktion
zu Prognose ist Risiko. Zinsoptimierungsderivate sind
margenstark; d. h. interessant für Banken.
> Für herkömmliche Payer- oder Receiverswaps gilt:
Ganz gleich, wie man sie einsetzt: Swapfrei lässt
sich ein identisches Ergebnis in aller Regel einfacher
erzielen. Denn Zinslasten sind ausschließlich durch
die Zinsbindungsfrist determiniert. Ohne Risikoerhö-
hung vermögen Derivate – gleichviel, wie sie konst-
ruiert sein mögen – keine „Zinssenkungen“ zu leis-
ten, die nicht auch derivatefrei zu erreichen wären.
> Als einzig möglicher sinnhafter Anwendungsbereich
von Zinsderivaten verbleibt die Risikominimierung
durch den Einsatz von sog. Forwards oder Caps. Al-
lerdings bedürfen auch diese Instrumente einer kla-
ren Einsatzstrategie.
> Derivateeinsatz ist kein Ausdruck von Modernität im
kommunalen Schuldenmanagement.
> Bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Deri-
vaten sind alle Kosten zu erfassen. Die direkten und
indirekten Abschlusskosten der Derivate, die damit
zusammenhängenden externen Beratungskosten
sowie die internen Mehrkosten durch Controlling
der Derivate.
> Devisenderivate sind reine Spekulation und damit
nicht Gegenstand kommunaler Haushaltswirtschaft.
> Ohne klare und umfassende Dienstanweisung sollte
von einem Derivateinsatz abgesehen werden.
Fazit: Derivate erhöhen die Komplexität von Abwicklung, Kontrolle und Rechnungslegung bei begrenztem
Nutzen. Sie sind aktuell mehr Problem, denn Lösung. Die Konsequenz muss ein nachhaltiges Schuldenmanage-
ment mit einer klaren Investitions- und Finanzierungsstrategie unter ggf. gezieltem Derivateeinsatz zur Risikomin-
derung, nicht zur Zinsoptimierung sein. Auf die Agenda des Schuldenmanagements gehört daher ihre Reduktion
bezüglich Anzahl, Komplexität und Kosten.
5
Risikominimierung statt Zinsoptimierung
Grundlagen
Derivate sind Verträge, die Zahlungsansprüche und
-pflichten zwischen zwei Parteien begründen, wobei
zumeist der Betrag mindestens einer Zahlung nicht im
Vorhinein feststeht, sondern aus anderen Finanzgrößen
in künftigen Zeitpunkten ermittelt wird (lat.„derivare“
= „ableiten“).
Zinsderivate sind prinzipiell solche Derivate, bei denen
die Ableitung sich auf Zinssätze bezieht; mittlerweile
nimmt man es mit diesem Prinzip aber nicht mehr so
genau und referenziert auch auf zinsfremde Größen,
insbesondere Devisenkurse.
Ebenfalls zu den Zinsderivaten zählen solche Kreditge-
schäfte, bei denen der Zahlungsfluss erst längere Zeit
nach Vertragsabschluss stattfindet, der künftige Zins-
satz jedoch bereits bei Vertragsabschluss unveränderlich
festgelegt wird.
Die wichtigsten Arten von Zinsderivaten
Forward-Kontrakte schreiben Zinskonditionen für Zeiträume fest, die erst in der Zukunft beginnen.
Swaps schaffen laufende Zahlungsansprüche und -verpflichtungen zwischen zwei Vertragsparteien, die in der
Regel darauf hinauslaufen, dass die Zahlungsansprüche der ersten Partei (= Zahlungspflichten der zweiten Partei)
von keinerlei Bedingungen abhängen, während die Zahlungsansprüche der zweiten Partei (= Zahlungspflichten
der ersten Partei) der Höhe nach von bestimmten Bedingungen abhängig sind (wie Marktzinssätzen, Zinssatz-
differenzen oder gar Devisenkursen).
Zinsoptionen (insb. Caps/Floors) begründen eine asymmetrische Konstellation zwischen den Vertragsparteien: Der
Käufer einer Zinsoption erwirbt das Recht auf eine bedingte, marktzinsabhängige Zahlung, deren Höhe schlimms-
tenfalls null werden kann, jedoch nicht negativ. Der Verkäufer wird dementsprechend bei Fälligkeit der Option
bestenfalls nichts zahlen müssen, aber auf keinen Fall etwas bekommen; zum Ausgleich dieser asymme-trischen
Position gebührt ihm bei Vertragsbeginn eine Prämienzahlung vom Optionskäufer.
6
Derivate – wichtiges Hintergrundwissen
Mit Derivaten lassen sich im kommunalen Schulden-
management zwei elementare, d. h. völlig voneinander
unabhängige Strategien verfolgen:
> Strategie der Risikominderung: Der Derivateeinsatz
dient der Kompensation von Unsicherheiten über die
Höhe künftiger Zahlungen aus Kreditverträgen, in-
dem zwei für sich je riskante Einzelpositionen (Kredit
einerseits, Derivat andererseits) zu einer zusammen
weniger riskanten – im Extremfall gar risikolosen –
Gesamtposition (Kredit plus Derivat) „verbunden“
werden.
> Strategie der „Zinsoptimierung“: Der Derivateein-
satz gilt dem Versuch der Erwirtschaftung von Zah-
lungsüberschüssen aus den Derivaten für sich.
Beide Strategien weisen fundamentale Unterschiede
auf:
Kreditbezug: Während bei der Risikominderung die
Abstimmung zwischen Derivat- und Kreditzahlungen
im Mittelpunkt der strategischen Bemühungen steht,
wird dieser bei der „Zinsoptimierung“ lediglich arti-
fiziell hergestellt. Dies geschieht häufig, indem sowohl
Bank als auch Kommune über das zinsoptimierende
Derivat feste Zahlungspflichten – anstatt der natürli-
chen Beschränkung auf jene eine Partei, die per Saldo
festzahlungsverpflichtet ist – auferlegt werden, wobei
die Festzahlungspflicht der Bank betraglich jener aus
irgendeinem zugedachten Festzinskredit des kommu-
nalen Schuldenportfolios gleicht. Zuweilen wird selbst
diese „verschämte Referenz“ zum Kredit unterlassen
und einfach ein glatter Festsatz für beide Parteien ver-
einbart. Das eigentliche „Optimierungselement“ voll-
zieht sich in jedem Fall über die Einfassung einer mehr
oder minder komplex definierten Zahlungsformel, die
regelmäßig der Kommune variable Zahlungspflichten
auferlegt, welche an bestimmte Finanzmarktgrößen
anknüpfen, die mit ihrem Schuldenportfolio wenig bis
nichts zu tun haben, z.B. Devisenkurse.
Prognoseabhängigkeit: Der Erfolg „zinsoptimieren-
der“ Derivateeinsätze ist abhängig vom Prognoseerfolg
der beratenden Bank, z.B. bei Devisenkursprognosen
für die Laufzeit des Derivates von typischerweise meh-
reren Jahren. Die Strategie der Risikominderung durch
Derivate hingegen ist weniger prognosebezogen, im
Extremfall praktisch vollständig prognoseunabhängig,
nämlich dann, wenn Zahlungspflichten aus Kredit und
Derivat perfekt negativ korrelieren, also insbesondere
eine Erhöhung der Kreditzahlungspflicht exakt durch
einen entsprechenden Zahlungsanspruch aus dem De-
rivat ausgeglichen wird.
Komplexität versus Transparenz: Für Risikominde-
rungen kommen in der Regel einfache Swaps, Caps
oder Forwards zum Einsatz, die mittels hoher Standar-
disierung am Markt Vergleiche zwischen verschiedenen
Derivateanbietern ermöglichen. Im Zentrum „zinsopti-
mierender“ Maßnahmen dagegen stehen regelmäßig
hochkomplexe Derivatekonstruktionen, deren Ausprä-
gungen jede Bank zudem so individuell gestaltet, dass
ein Marktvergleich kaum möglich ist.
Kosten: In der Überprüfung der Kostenkalkulationen
von Derivaten zeigt sich regelmäßig, dass die komplexe-
ren, „zinsoptimierenden“ Derivate um ein Mehrfaches
höhere Bankmargen in sich tragen als ihre einfacheren,
risikomindernden Pendants.
Ist es ein finanzwirtschaftliches „Naturgesetz“, dass die „zinsoptimierenden“ Derivate riskant sein müssen?
Ja, weil ihr Gelingen unstreitig von unsicheren Prognose-
erfolgen abhängt. Die prognostizierte Größe muss unsi-
cher sein, weil anderenfalls gar keine Chance bestünde,
mit einer Prognose Geld zu verdienen.
Welche „zinsoptimierenden“ Derivate sind empfehlenswert? Welchen Sinn hat der Devi-senbezug für Kommunen?
Falls nicht andere Geschäfte mit Fremdwährungsbe-
zug bestehen – keinerlei. Dies gilt für sämtliche „zins-
optimierenden“ Derivate – es sei denn, man wäre der
Meinung, die eigenen Prognosen oder jene der be-
gleitenden Bank seien so exzellent, dass sie neben den
hohen Bankmargen noch derart erkleckliche Zahlungs-
überschüsse gestatteten, dass sich ihr Risiko rechtfer-
tigte. Diese Meinung beinhaltet aber unvermeidlich die
Überzeugung, künftige Kurse oder Zinssätze besser
vorhersagen zu können als zigtausende professioneller
7
Finanzmarktteilnehmer, deren kollektives Wissen sich
gleichsam sekündlich in Kursen und Marktzinssätzen
niederschlägt. Wer diesem hohen Anspruch gerecht
würde, könnte eine Kommune mit „zinsoptimieren-
den“ Derivatgeschäften tatsächlich recht schnell ent-
schulden. Kann dieser Anspruch nicht erfüllt werden,
sind langfristig erhebliche Verluste zu erwarten. Diese
rein theoretisch ableitbare Folgerung hat inzwischen
traurige empirische Evidenz.
Nicht besonders schädlich, aber regelmäßig unnütz: Der einfache Swap
Auch unter den risikomindernden Maßnahmen ist nicht
alles einer Realisierung würdig. Dies betrifft vor allem
die in etlichen Schuldenportfolien zu findende Kom-
bination von variabelverzinslichem Euriborkredit mit
einem konventionellen Payerswap, der auf die Fristig-
keit des Euriborkredites abgestimmt ist. Die Kommune
verpflichtet sich mit dem Payerswap zur Zahlung eines
Festsatzes und erhält den variablen Satz (Euribor). Es
resultieren synthetische Festzinskredite. Eine Festzins-
position als solche mag sinnvoll sein. Jedoch ist im Ver-
gleich zum üblichen Festzinsdarlehen nichts gewonnen:
im Gegenteil sind die Kosten der Kombination häufig
höher als die eines fristengleichen Festzinsdarlehens
ohne Swap. Zudem sind Kreditgeber und Swappartner
oftmals verschiedene Adressen und somit erzeugt der
Swap vermeidbare Ausfallrisiken. Auch die höhere Flexi-
bilität der Zinsswaps spricht nicht für ihren kommunalen
Einsatz, weil Kommunen diese in der Regel ohnedies bis
zum Vertragsablauf „durchhalten“; eine andere Absicht
wäre im Übrigen auch für die Bildung einer bilanziellen
Bewertungseinheit von Swap und Grundgeschäftsdarle-
hen problematisch.
Was bleibt? Cap und Forward
Somit bleiben nur zwei einfache Instrumente, deren
Verwendung empfehlenswert sein kann. Mit einem
Forward-Kontrakt entledigt sich die Kommune für künf-
tigen feststehenden Kredit- bzw. Prolongationsbedarf
des Zinsänderungsrisikos. Der Forward beseitigt zusam-
men mit den Risiken allerdings auch die Chancen (noch)
niedrigerer Zinsen.
In diesem Kontext kann der Cap eine interessante Al-
ternative sein, weil er die Zinsrisiken über das Capni-
veau hinaus eliminiert, jedoch nach unten alle Zins-
änderungschancen erhält. Grundsätzlich tritt die
Zinsschutzwirkung von Caps mit deren Vertragsschluss
ein und eignet sich somit insbesondere für unmittelbar
bevorstehende Kreditaufnahmen, die mit einer günsti-
gen kurzfristigen Zinsbindung versehen werden sollen.
Mit einem Forward-Cap schließlich ist dies auch für spä-
tere Kreditaufnahmen möglich.
Es gibt keinen Königsweg
Auch bei Derivaten gilt freilich: Es gibt keinen Königs-
weg. Womöglich wird man im späteren Rückblick er-
kennen, dass ein Verzicht auf jegliche Derivate die „bil-
ligste“ Variante gewesen wäre. Es ist leider unmöglich,
dies vorher festzustellen. Ebenso wenig gibt es Instru-
mente, mit deren Verwendung unabhängig vom künf-
tigen Zinsszenario die Zinsbelastung stets die geringste
sein würde. Die Ziele Risikominderung und Zinskosten-
senkung lassen sich im Nullsummenspiel Derivate nicht
simultan verwirklichen. Es gibt keine Derivate, die risi-
kolos die Zahllast eines Schuldenportfolios verringern.
Der Grund für diesen ernüchternden Befund ist einfach:
Die Banken als Derivatekontrahenten haben nichts zu
verschenken und müssen die Risiken aus Derivaten ih-
rerseits am Finanzmarkt „glattstellen“. Finanzmärkte
gehören zu den wettbewerbsreichsten Plätzen unserer
Volkswirtschaften – dort wird es niemals Geschäfte ge-
ben, deren Abschluss unabhängig von der künftigen
Marktentwicklung wesentliche Gewinne verspräche.
Der künftige Gewinn aus einem Finanzgeschäft kann
dann – und nur dann – den üblichen Zins überragen,
wenn eine hinreichend große Wahrscheinlichkeit be-
steht, dass ebendieser Gewinn nicht eintritt. An diesem
elementaren finanzwirtschaftlichen Prinzip vermag kein
noch so ziseliertes Derivat etwas zu ändern. Insofern
sollten folgende beispielhafte Produkte „Doppel-Digi-
talswap“, „Invers-CMS-Stufenswap“, „CHF-Plus-Swap
mit Aktivierungsschwelle“, "EUR-CHF Zinsdifferenz
Memory Swap"„USD-Quanto-Swap mit Schutzkorri-
dor“, „Flip-Swap“, „Kündbarer Flexi-Swap mit Wand-
lungsrecht“ nicht Gegenstand der kommunalen Agen-
da sein.
8
Das Spiel mit den Zahlen
Value at Risk, Cashflow at Risk, Duration: Lassen Sie sich nicht in die Irre führen!
Häufig wird auf Kennzahlen verwiesen, um die Zweck-
mäßigkeit und Vorteilhaftigkeit des Derivateeinsatzes in
kommunalen Schuldenportfolios zu verdeutlichen. Pro-
blematisch an diesen Zahlenspielen ist jedoch, dass ein
Mehrwert zumeist nicht erzielt wird. Vielmehr handelt
es sich um Verkaufsstrategien auf vermeintlich einleuch-
tender Zahlenbasis.
Die Marge der Bank beim Abschluss eines Derivatekon-
traktes bzw. der Marktwert des Kontraktes eine logische
Sekunde nach dessen Abschluss geben eine gewisse
Indikation seiner Wirtschaftlichkeit sowie des mögli-
chen Interessenkonfliktes der Bank, die regelmäßig Be-
ratungs- und Kontrahentenpartei in einem ist. Hieraus
lassen sich Rückschlüsse ziehen, ob das Eigeninteresse
treibender Faktor für die Empfehlung eines Derivates ist
oder ob ein tatsächlicher wirtschaftlicher Mehrwert den
Ausschlag gegeben hat.
Häufig wird auf die Kennzahlen Value at Risk, Cashflow
at Risk und die Duration verwiesen, die nachfolgend
kurz erläutert werden sollen.
Value at Risk
Der „Value at Risk“ ist eine auf einen bestimmten künf-
tigen Zeitpunkt bezogene Größe. Seine Bezugsgröße ist
üblicherweise der Wert aller nach diesem Zeitpunkt auf-
tretenden Zahlungen in diesem Zeitpunkt. Unter „Value
at Risk“ versteht man wörtlich so etwas wie den „riskier-
ten Wert“, jedoch ist er kein klassischer „worst-case“,
sondern basiert auf einer Wahrscheinlichkeitskonzep-
tion. Im Schuldenmanagement kann der Value at Risk
angeben, welche Barwerterhöhung mit einer vorgege-
benen Wahrscheinlichkeit (z.B. 95 Prozent) nicht über-
schritten werden wird.
>> Die Aussage: „Der Value at Risk unseres Schuldenportfolios beträgt eine Million. Euro.“ hat also eine Bedeutung der Art: „Wir vermuten, dass die Wahrscheinlichkeit, dass der Barwert unserer heutigen Schulden in einem Jahr um mehr als eine Million Euro größer sein wird als ihr heutiger Barwert (alternativ: erwarteter künftiger Barwert), höchstens 5 Prozent beträgt.“ <<
Kritik:1. Der Barwert des Schuldenportfolios ist für den
Schuldenmanager eine strenggenommen be-
langlose Größe. Sie erlangt ausschließlich in je-
nem Falle zahlungswirksame Bedeutung, dass
eine Kommune plante, in näherer Zukunft ihre
sämtlichen Schulden zu einem Zeitpunkt voll-
ständig zu tilgen. Für den üblichen Fall aber,
dass eine Bedienung der Schulden mit den
planmäßigen, in den jeweiligen Kreditverträgen
vereinbarten Raten erfolgt, ist es unerheblich,
welche zwischenzeitlichen Schwankungen die
gedanklich-rechnerische Größe des Schulden-
portfoliobarwertes vollführen mag. Die künf-
tige Finanzlage der Kommune wird von den
künftigen Ein- und Auszahlungen sowie etwai-
ger Anschlusszinssätze determiniert, nicht vom
Barwert ungeleisteter Zahlungen. Der Barwert
gibt lediglich eine Indikation dieser Zahlungen,
wobei seine Indikatorqualität jedoch hinter der
des einfachen Schuldennennwertes zurück-
bleibt.
2. Der Value at Risk adressiert jene „schlimmen“
Fälle eines steigenden Schuldenportfoliobar-
wertes, also nur Fälle sinkender Zinsen. Damit
wirkt er in hohem Maße kontraproduktiv. Wel-
cher Schuldenmanager einer deutschen Kom-
mune fürchtet Zinssenkungen? Nur jener, der
sich in der Kunstwelt der „Bald-alles-auf-einen-
Schlag-tilgen“-Kommune befindet. Alle ande-
ren werden über niedrige Zinsen kaum klagen
wollen.
Diesen Problemen versucht die Praxis zuweilen durch
Umdefinition der Referenzgröße abzuhelfen, d.h. nicht
auf den Barwert des Schuldenportfolios, sondern etwa
auf den Zinsaufwand einer bestimmten Periode abzu-
stellen. Damit ist man aber eigentlich schon beim fol-
genden Begriff:
9
Cashflow at Risk
Der Cashflow at Risk funktioniert nach dem gleichen
Prinzip wie der Value at Risk, mit dem einen Unterschied,
dass nicht ein künftiger Portfoliobarwert, sondern direkt
eine der Höhe nach unbekannte, (nach dem Zeitpunkt
in der Regel bekannte) Zahlung Objekt der Wahrschein-
lichkeitskonzeption ist. Auch dabei wird im kommuna-
len Schuldenmanagement aus Vereinfachungsgründen
regelmäßig auf den künftigen Marktzinssatz als unbe-
kannter Einflussgröße künftiger Zahlungen abgestellt.
Alle anderen Aspekte werden üblicherweise vernach-
lässigt. Endprodukt einer Cashflow at Risk-Konzeption
kann dann beispielsweise nur eine Aussage sein wie:
>> „Mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent wird die am 15.10.2012 fällige Zinszahlung (für den variabelverzinslichen Kredit Nr. x im Schuldenport-folio) den Referenzwert um nicht mehr als 120.000 Euro überschreiten.“ bzw. „Der Cash-Flow at Risk für diesen Tag ist 120.000 Euro.“ <<
Kritik:Dank seiner Zahlungsorientierung ist der Cashflow
at Risk grundsätzlich brauchbarer als der Value at
Risk. Jedoch geht seine Verdichtung in einer abstrak-
ten Wahrscheinlichkeitsgröße mit einem Informati-
onsverlust einher.
Duration
Das Durationskonzept entstammt dem Wertpapierma-
nagement, also der Sicht eines Anleihegläubigers. Unter
ganz engen Prämissen ist die Duration jener Zeitpunkt,
zu dem das Vermögen eines Investors, der Zinseinnah-
men wieder anlegt, unabhängig davon ist, ob die Zinsen
steigen oder fallen (weil Zinssteigerungen den Barwert
negativ beeinflussen, die Wiederanlage aber positiv).
Aus mathematischen Gründen ist die Duration zudem
auch ein Maß für die Zinssensitivität.
Kritik:Die Propagierung der Duration als Steuerungsinstru-
ment im Schuldenmanagement ist abzulehnen. Zum
einen stört ihre Barwertorientierung, zum ande-
ren unterstellt ihr Einsatz, dass Zinszahlungen stets
durch Aufnahme neuer Kredite finanziert würden.
Daher kann keine sinnvolle Empfehlung zur Dura-
tionsgestaltung gegeben werden. Etwas anderes
gälte wiederum nur, wenn eine Kommune plante,
zu einem bestimmten künftigen Tag ihr Schulden-
portfolio per Kredittilgung zu erlöschen. Selbst für
diesen extremen Fall setzt das Konzept für eine brei-
te Anwendung voraus, dass eine Tilgung stets zum
Barwert möglich wäre, also ggf. negative Vorfällig-
keitsentschädigungen gewährt würden.
10
Die barwertorientierten Konzepte vermögen nicht zu überzeugen
Eine Kommune ist von einer Veränderung des Barwer-
tes ihrer künftigen Zahlungspflichten – anders als ein
womöglich stets ausstiegswilliger Investor in festver-
zinslichen Wertpapieren, dessen Untersuchungsfeld die
Konzepte entlehnt sind – praktisch nicht betroffen. Der
Barwert des Schuldenportfolios ist eine abstrakte Grö-
ße, die in keinem Zeitpunkt Zahlungsrelevanz besitzen
Orientierung gibt allein der zahlungsstromorientierte Ansatz
wird. Echte Zahlungen hingegen treten in bestimmten
Zeitpunkten wirklich auf. Kurzum: Wir raten von der
Anwendung des Barwertkonzeptes für das Schulden-
portfolio ab und empfehlen ein einfaches zahlungsori-
entiertes Verfahren.
Nur mit einer zahlungsstromorientierten Szenarioana-
lyse können die möglichen zukünftigen Zahlungslas-
ten einfach und zutreffend beschrieben werden. Für
alternative Marktzinsszenarien wird berechnet, welche
Zinspflichten bzw. Zahlungsströme aus künftigen Kre-
ditprolongationen entstehen werden. Die aufwendige
wie unzuverlässige Zumessung exakter numerischer
Wahrscheinlichkeiten wie im Value at Risk-Konzept
kann dabei unterbleiben. Selbst wenn sie gelänge: Die
Erkenntnis, dass Zinsszenario XYZ eine Wahrscheinlich-
keit von 37,2 Prozent oder 28,5 Prozent hat, bringt
keinen relevanten Entscheidungsmehrwert. Die Zukunft
bleibt unsicher.
Beispielhaft veranschaulicht die nachfolgende Aussage
die Schwierigkeit der direkten Interpretation:
>> „Der Value at Risk unseres Schuldenportfolios per 31.12.2012 beträgt bei einer 95-Prozent-Vorga-bewahrscheinlichkeit 8,06 Millionen Euro.“ <<
Deutlich wird, dass die Kennzahl Value at Risk rein syn-
thetisch ist. Der Value at Risk sucht eine Wahrschein-
lichkeit für den „Wenn-Teil“ solcher Aussagen. Er führt
zur optisch zwar angenehmen Verdichtung in einer ein-
zigen Kennzahl, die jedoch ein mathematisches Kunst-
produkt ist. Die stete Unvorhersehbarkeit der Zukunft
wird demnach hinter dieser Kunstzahl verborgen.
Die zahlungsstrombasierte Szenarioanalyse ist konzep-
tionell einfacher und „ehrlicher“: Sie ermöglicht klare
Wenn-Dann-Aussagen wie beispielsweise
>> „Wenn das Marktzinsniveau dauerhaft um zwei Prozentpunkte steigt, werden unsere kumulier-ten Zinslasten in den Jahren 2013 bis 2018 auf ca. 24 Millionen Euro ansteigen.“<<
Die Aussagekraft dieser Darstellung ist um ein Vielfa-
ches greifbarer als der Bezug zum Value at Risk.
11
Die Bedeutung von Zinskurven für die Schuldenportfoliogestaltung
Eines ist gewiss: Ohne eine strategisch-planvolle Finan-
zierungspolitik gibt es kein zielgerichtetes, nachhaltiges
Schuldenmanagement. Und bevor man sich, wie gerade
gezeigt, auf Kennzahlen verlässt, deren Verbesserung
die Lösung darstellen soll, gilt es, den Markt und das
Umfeld zu verstehen.
Das Maß aller Dinge: Die Zinsstruktur
Zinsstruktur heißt die wichtige Erscheinung, dass Zins-
sätze realer Finanzmärkte eine Fristigkeitsstruktur be-
sitzen. Der Zinssatz ist eine Funktion der zwischen den
Kreditparteien vereinbarten Zinsbindungsfrist. In der
Regel besitzen verschiedene Zinsbindungsfristen auch
verschiedene Zinssätze, man unterscheidet drei ideal-
typische Verlaufsformen: normale, flache und inverse
Zinsstrukturkurven. Nur bei der flachen Zinsstruktur sind
keine Unterschiede im Zinsniveau vorhanden, während
unter einer normalen Struktur ein Anstieg entlang der
Fristigkeit gegeben ist und unter der inversen Struktur
ein Abstieg. Die empirisch vorherrschende Form ist – der
Name sagt es demnach recht – die normale Zinsstruktur.
Die vorstehende Grafik zeigt die drei in der Praxis auf-
tretenden Zinsstrukturkurven: 1973: Normale Zinsstruk-
turkurve, 1990: flache Zinsstrukturkurve und 1991 eine
inverse Zinsstrukturkurve.
Zinsstrukturkurven der deutschen Bundesbank zu unterschiedlichen Zeitpunkten
Laufzeit in Jahren
Zins
satz
(p.a
.)
Quelle: Deutsche Bundesbank,
Eigene Darstellung
Aus der Analyse der Zinsstrukturkurve lassen sich für
den Einsatz von Finanzderivaten einfache Heuristiken
ableiten:
> In Zeiten mit flacher Zinsstrukturkurve können Fi-
nanzderivate keinen wirtschaftlichen Mehrwert brin-
gen. Lange und kurze Zinsbindung sind weitgehend
mit demselben Zins belegt.
> Nur bei Unterschieden im Zins bei langer bzw. kurzer
Zinsbindungsfrist ergeben sich grundsätzlich Ansatz-
punkte für den Einsatz von Finanzderivaten.
12
Eckpunkte eines nachhaltigen Schuldenmanagements
Das kommunale Schuldenmanagement dient dem Ziel,
die kommunale Selbstverwaltung aller Angelegenheiten
der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze zu
gewährleisten; im Zuge dessen ist die Haushaltswirt-
schaft sparsam und wirtschaftlich zu planen. Dazu ist
es erforderlich, eine möglichst hohe Planungssicherheit
herzustellen, die gewährleistet, dass die Kommune je-
derzeit über die erforderliche, fristenkongruent erlang-
te Liquidität verfügt, um ihre Planungsziele erreichen
zu können. Dies soll zu möglichst geringen Kosten,
mit einem Höchstmaß an Sicherheit, gelingen. Auf die
Zweckmäßigkeit einer zahlungs-
strombasierten Planung wurde
bereits oben hingewiesen.
Für ein nachhaltiges Schulden-
management gilt es jedoch noch
zwei weitere Überlegungen zu
berücksichtigen. Zum einen die
sog. fristenkongruente Finan-
zierung. Damit ist eine Finanzie-
rung gemeint, die sich am wirt-
schaftlichen Werteverzehr des
Investitionsobjekts orientiert. D.
h. die Fristigkeit der Investition
orientiert sich an der Nutzungs-
dauer; oder anders ausgedrückt,
die Abschreibung entspricht der
Tilgung. Dieser Ansatz ist in der Betriebswirtschaftslehre
auch als „Goldene Bilanzregel“ bekannt. Mit der Um-
stellung auf ein kaufmännisches Rechnungswesen kön-
nen Kommunen ihre Finanzierungspraxis zunehmend
besser an betriebswirtschaftlichen Zielen ausrichten.
Für ein nachhaltiges Schuldenmanagement gilt es, eine
weitere interessante Beobachtung zu berücksichtigen.
Aus der nachfolgenden Grafik wird ersichtlich,
> dass die kurze Zinsbindungskondition stärker
schwankt als die längere, und zum anderen
> die zumeist normale Zinsstruktur, weil der Einjah-
ressatz (ZB_1) häufiger unter dem Zehnjahressatz
(ZB_10) liegt als umgekehrt.
Durchschnittlich fordert der Gläubiger also einen umso
höheren Zinssatz, je länger die Zinsvereinbarung gilt.
Aus diesem Grundsatz folgt: Der Erwartungswert der
über die Kreditlaufzeit zu zahlenden Zinssumme sinkt
mit der Zinsbindungsfrist.
Analyse alternativer Restschuldverläufe
Die Grafiken zeigen die alternativen Restschuldverläufe
für vier verschiedene Beginnjahre (1975, 1980, 1985
und 1990). Die lange Zinsbindungsfrist wird durch zehn-
jährige Zinsbindung repräsentiert, die bei Auslauf starr
um 10 Jahre verlängert wurde, was jeweils zweimal er-
forderlich war. Die Konditionen dieser Zinsbindungen
entstammen also den Jahren 1975-1985-1995, 1980-
1990-2000, 1985-1995-2005 und 1990-2000-2010.
Die Annuität wurde jeweils durch Erhöhung des Zinses
aus der erstmaligen Zinsbindung um einen Prozentpunkt
gewonnen und auf diesem Niveau für die gesamte
Finanzierungsdauer belassen. Dieser Zehnjahresstrate-
gie wurden jeweils die Ergebnisse einer revolvierenden
Einjahresstrategie gegenübergestellt, deren Annuität
dem Niveau der korrespondierenden Zehnjahresvariante
gleichgestellt wurde. Der Kreditnehmer bringt also bis
zur vollständigen Tilgung bei beiden Strategien jeweils
den selben Zahlungsstrom zur Bedienung seiner Schuld
auf. In allen vier Vergleichsfällen ist dabei die Finanzie-
rung auf Basis der kurzen Zinsbindung früher beendet,
wenngleich in den ersten Jahren der Entschuldungsdau-
er teils die längere Zinsbindung geringere Restschuld-
Zinshistorie: ZB_10 versus ZB_1
Laufzeit in Jahren
Zins
satz
13
bestände aufweist, wie in zwei der vier
Grafiken zu erkennen ist. Diese Ergeb-
nisse sind ein natürlicher Reflex von so-
wohl der höheren Zinssatzvolatilität der
kurzen Zinsbindung als auch von ihrem
geringeren Durchschnittssatz.
Der offensichtliche darlehensindividuel-
le Zinssatzvorteil der kurzen Zinsbindung
geht jedoch in einem Schuldenportfolio
mit der unvermeidlichen Folge einher,
dass alljährlich die gesamte kurzfristig
gebundene Kreditschuld prolongiert
werden muss, während der langfristig
zinsgebundene Teil des Schuldenportfo-
lios naturgemäß jährlich nur zu einem
Bruchteil prolongiert werden muss und
insoweit eine Streuung über verschie-
dene Jahre der Zinsbindungsausläufe
ermöglicht.
Von dieser Streuungsmöglichkeit sollte
je nach Risikoeinstellung für einen Teil
des Portfolios durchaus Gebrauch ge-
macht werden. Jedoch bedingt dies eine
gezielte Portfolioabstimmung der kre-
ditindividuellen Zinsbindungsausläufe
untereinander – womöglich unter Ein-
satz der oben beschriebenen Forwards.
Um die in kommunalen Schuldenport-
folios häufig zu findenden „Spitzen und
weißen Flecken“ auf der Karte der Zins-
bindungsausläufe zu glätten, empfiehlt
sich mitunter auch die Vereinbarung
unüblicher Fristigkeiten (wie z.B. 7 oder
13 Jahre).
Dem höheren Zinsanpassungsrisiko bei
der kurzen Zinsbindung – insbesondere
auch im sog. Kassenkreditbereich – ist
zu gedenken durch
> Beobachtung des Zinsniveaugefü-
ges, verbunden mit dem Wechsel
auf eine längere Zinsbindung ab
einem gewissen, maximal tragba-
ren Zinsniveau oder gefahrenärmer
durch
Laufzeit in Jahren
Rest
schu
ld
Laufzeit in Jahren
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14
> den Abschluss einer Zinssicherungsvereinbarung
(Cap), die zumindest den Schaden aus sehr hohen
Zinssätzen ausgleicht und damit die Gefahr des
kommunalen „Ruins“ bannt.
Der Cap geht freilich mit dem Nachteil einer Prämien-
zahlung einher, deren Höhe abhängig ist von dem spezi-
fischen Capsatz und seiner Laufzeit sowie der Marktlage.
Die Strategie wird nur dann einen wesentlichen Vorteil
erbringen, wenn der Zinssatzvorteil den Prämiennachteil
hinreichend übersteigt. Daher darf der Capsatz nicht zu
niedrig gewählt werden. Werden erzielte Zinsersparnisse
– ceteris paribus – zudem der Tilgung zugedacht, kann
die Strategie der Kurzfristzinsbindung eine erhebliche
Entschuldungsbeschleunigung bewirken.
Zum effizienten Einsatz von Zinsderivaten – Dienstanweisungen für das Schuldenmanagement
Das kommunale Schuldenmanagement steht erneut
im Umbruch. War es vor Jahren die Entdeckung der
Zinsderivate, welche die Probleme im Schuldenportfo-
lio mindern helfen sollten, so sind diese vielerorts vom
Problemlöser zum Problemauslöser entartet. Negative
Zahlungssalden und negative Marktwerte scheinen eher
Regel denn Ausnahme geworden zu sein.
Vor diesem Befund raten wir Ihnen dringend, konkrete
Dienstanweisungen zu schaffen, die den Derivateein-
satz auf verbindliche Regeln festlegen. Dieser Thematik
kommt auch vor dem Hintergrund einer ordentlichen
Geschäftsverteilung bzw. dem Vermeiden eines sog.
Organisationsverschuldens hohe Bedeutung zu. Bei
der Ausgestaltung dieser Regeln sind einige finanzwirt-
schaftliche Grundsätze von Derivaten zu beachten, die
der folgend skizzierte Kriterienkatalog adressiert – und
zwar beschränkt auf solche Aspekte, die unseres Erach-
tens in der aktuellen Diskussion um Musterrichtlinien
nicht oder unzureichend gewürdigt werden. Sie werden
hier nicht ausführlich reflektiert, sondern in ihrer Bedeu-
tung angerissen.
1 Derivateansatz„Zinskostenoptimierung und Risikominimierung“ –
diese beiden oben ähnlich genannten Ziele einer De-
rivatenutzung werden regelmäßig gleichsam in einem
Atemzug genannt, ohne die fundamental ganz unter-
schiedlichen Voraussetzungen dieser Paradigmen klar
voneinander zu scheiden: nämlich, dass Ersteres bei
zahlreichen Derivateanwendungen einer gehörigen
Prognosegüte bezüglich künftiger Finanzmarktpreise
bedarf, während Letzteres auch prognosefrei verfolgt
werden kann. Hätte allein dieser Punkt immer die ge-
bührende Achtung gefunden, so wären einige Deri-
vatekatastrophen wohl unterblieben. Wir empfehlen
die Verabschiedung einer erläuternden Präambel der
Dienstanweisung. Sollen oder müssen Prognosen zum
Einsatz kommen, so gibt eine Festlegung der zulässigen
Prognoseparameter die nötige Anwendungssicherheit.
2 ZinsbindungsstrategieTheoretische wie empirische Untersuchungen zeigen,
dass die Zinsbindungswahl der mit Abstand wichtigste
Parameter im Schuldenmanagement und somit mittel-
bar auch beim Derivateeinsatz ist. Die Dienstanweisung
sollte ein grundsätzliches Bekenntnis zur Zinsbindungs-
strategie enthalten, wahlweise unter Beigabe konkreter
Entscheidungsmetriken.
3 Konnexität, Nominalwert und Duplikations-portfolio
Die übliche Definition von Konnexität stellt auf Kon-
gruenz von Nominalbetrag, Währung und Laufzeit ab.
Diese Regelung ist für eine Dienstanweisung zu unbe-
stimmt, weil sie mühelos formal eingehalten, jedoch
durch komplexe, in zahlreichen Derivaten eingelassene
Zahlungsbemessungsformeln ökonomisch unterlaufen
wird. Eine sinnhafte Bestimmung benötigt eine harte,
wirtschaftliche Konnexitätsdefinition, die z.B. am Volu-
15
men jenes Duplikationsportfolios („Hedge“) ausgerich-
tet wird, das die Bank zur Absicherung ihrer eigenen
Derivateposition konstruiert. Für den Fall, dass dessen
Zusammensetzung nicht in Erfahrung gebracht werden
kann, empfiehlt sich ohnedies die Festschreibung eines
Verzichtes.
4 Bankmargen / Negative anfängliche MarktwerteDie Marge der Bank beim Abschluss eines Derivate-
kontraktes bzw. der Marktwert des Kontraktes eine
logische Sekunde nach dessen Abschluss geben eine
gewisse Indikation seiner Wirtschaftlichkeit sowie des
möglichen Interessenkonfliktes der Bank, die regelmä-
ßig Beratungs- und Kontrahentenpartei in einem ist.
Daher empfiehlt sich eine Festschreibung, unter wel-
chen Bedingungen von Marge, Marktwert und seiner
Dokumentation ein Abschluss statthaft ist.
5 Umstrukturierungsvorschläge von BankenIn der Praxis begegnet man häufig dem Fall einer bank-
seitig initiierten Umstrukturierung negativ gediehener
Derivate sowie des zunächst zahlungs- und weitgehend
wertneutralen Austausches eines verlustreichen Deri-
vates durch einen risikoreicheren Ersatz. Freilich kann
man einen Swap nicht einfach „ausschalten“ und ist
damit seiner negativen Konsequenzen ledig; diese müs-
sen stets auf andere Instrumente und/oder Zeitpunkte
verteilt werden. Die Dienstanweisung sollte dem miss-
bräuchlichen Einsatz von Zinsderivaten als vermeintliche
„Geldmaschinen“ vorbeugen und einen engen Rahmen
für Umstrukturierungsmaßnahmen setzen.
6 Einbezug KreditinstituteDie Verabschiedung einer Dienstanweisung für Derivate
ändert nichts an der Rechtsgültigkeit solcher Verträge,
die ihren Regeln nicht genügen. Es ist für die Experten
einer Bank jedoch ein unwesentlicher Aufwand, die
Übereinstimmung ihrer Derivateprodukte mit einer pro-
fessionell abgefassten Dienstanweisung ihrer kommu-
nalen Kunden festzustellen und ggf. zu testieren. Hier-
auf sollte im Sinne einer zusätzlichen Verfestigung der
Bindungswirkung einer Dienstanweisung hingearbeitet
werden.
Häufig empfehlen Banken nach einer Analyse des Schul-
denportfolios ein Bündel von Swapverträgen, die der
Absicherung zahlreicher, oftmals erst Jahre später zur
Zinsprolongation anstehender Festzinsdarlehen dienen.
Die hierbei regelmäßig zum Einsatz kommenden For-
wardswaps bergen die operative Gefahr, dass im Zeit-
punkt des Zinsbindungsauslaufes dem vormaligen For-
wardswap nicht mehr gedacht wird. In der Praxis führt
dies zu dem mitunter teuren Umstand, dass eine doppel-
te Festzinsverpflichtung zum Tragen kommt - aus Swap
einerseits und einer neuen Festzinsbindung andererseits.
Diesem verdrießlichen, leider häufig zu findenden Fall
vorzubeugen, empfiehlt sich die Aufnahme einer ent-
sprechenden Verfahrensanweisung. Diese könnte etwa
die Anfertigung „wasserdichter" Wiedervorlagedoku-
mente, ein besonderes Vieraugenprinzip oder gar den
Passus enthalten, dass solche Swaps nur dann zulässig
sind, wenn die betreuende Bank sich bei Abschluss ver-
pflichtet, später rechtzeitig auf die Einhaltung der kor-
rekten Zinsbindungsprolongation (oft ein Euriborsatz)
beim zugrundegelegten Kredit hinzuweisen.
Unsere Empfehlungen zur weiteren Vorgehensweise
> Machen Sie das Thema Derivate zur Chefsache. Veranlassen Sie einen sofortigen Stopp zum Abschluss weiterer
Derivate ohne vorherige umfangreiche Risikoanalyse.
> Erstellen Sie eine Risikoanalyse. Dazu gehören die vollständige Bestandsaufnahme aller Derivate und eine Be-
wertung der damit verbundenen Risiken. Klären Sie, inwieweit in Ihrer Aufbau- und Ablauforganisation die
Verantwortlichkeiten für den Abschluss, die Nachverfolgung und Kontrolle der Derivate „wasserdicht“ sind.
> Entwickeln Sie belastbare Szenarien zum schrittweisen Ausstieg aus den unwirtschaftlichen bzw. nicht-zielfüh-
renden Derivaten.
> Ermitteln Sie die vollständigen Kosten des Derivateeinsatzes inklusive Organisations- und Beratungskosten. Für
die spätere Bewertung der Vorteilhaftigkeit des Derivateeinsatzes sind diese Informationen wichtig.
> Entwickeln Sie Eckpunkte eines nachhaltigen Schuldenmanagements für die Neuausrichtung Ihrer Finanzpolitik.
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Rödl & Partner GbRKranhaus 1, Im Zollhafen 18
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Rödl & Partner: Wir sind Ihr verlässlicher Beratungspartner
Als Botschafter der Wirtschaft ist Rödl & Partner an
87 eigenen Standorten in 39 Ländern aktiv. Die inte-
grierte Kanzlei für Recht, Steuern, Unternehmens-
beratung und Wirtschaftsprüfung verdankt ihren dy-
namischen Erfolg über dreitausend unternehmerisch
denkenden Mitarbeitern.
Seit 1993 haben wir uns mit dem Unternehmensbereich
Public Management Consulting auf die Beratung und
Prüfung von Kommunen und deren Betrieben speziali-
siert. Mehr als 150 Mitarbeiter unterstützen kommuna-
le Entscheider täglich in allen rechtlichen, steuerlichen
und wirtschaftlichen Aufgaben. Unser Team „Wealth,
Risk & Compliance“ ist dabei erster Ansprechpartner für
alle Themen rund um das Asset- und Schuldenmanage-
ment.
Zu unseren Aufgaben zählen u. a.:
> Bestandsaufnahmen des gesamten Derivateportfo-
lios, die finanzanalytische Einordnung sowohl der
Einzelderivate für sich, als auch im Kontext des De-
rivateportfolios, als auch in Verbindung zum Schul-
denportfolio,
> die Analyse und Aufbereitung des finanzwirtschaft-
lichen Spektrums der Handlungsmöglichkeiten oder
die Ableitung von Optimierungsmöglichkeiten be-
züglich des Derivatebestandes sowie ggf. neu zu
kontrahierender Kredit- oder Derivateverträge,
> die Begleitung bei Planung und Umsetzung eines
nachhaltigen Schuldenmanagements,
> die Unterstützung bei Vertragsverhandlungen über
den Abschluss bzw. die Auflösung von Derivaten,
> die Unterstützung bei der Erstellung von Dienstan-
weisungen für das Schuldenmanagement.
Ihre Ansprechpartner
Martin WambachWirtschaftsprüfer
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