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Diagnostik und Therapie von Schilddrüsenerkrankungen Thomas Müller Leitender Oberarzt Allgemein- und Viszeralchirurgie Albklinik Münsingen

Diagnostik und Therapie von Schilddrüsenerkrankungen · 0 keine Struma Ia palpabel, nicht sichtbar Ib palpabel und sichtbar bei Reklination II sichtbar ohne Reklination III sehr

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Diagnostik und Therapie von Schilddrüsenerkrankungen

Thomas MüllerLeitender Oberarzt Allgemein- und Viszeralchirurgie Albklinik Münsingen

Inhalt des Vortrags

Die Schilddrüse

Gewebeveränderungen: Knoten und Kropf

Funktionsstörungen: Über- und Unterfunktion

Diagnose

Behandlung

Schilddrüsenanatomie

Schmetterlingsförmiges Organ mit zwei Lappen die über einen schmalen Streifen miteinander verbunden sind.

Liegt vor der Luftröhre unterhalb des KehlkopfesNormale Größe (Volumen): ♂ 25 ml

♀ 18 mlentspricht den beiden Daumenendgliedern des entsprechenden Patienten

Wichtig: anatomische Nähe zu Nebenschilddrüsen (Calcium-Bildung) und Stimmbandnerv (Nervus laryngeus recurrens)

Schilddrüsenanatomie

Schilddrüsenfunktion

Bildung der Schilddrüsenhormone Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4) aus Jod und Eiweißbausteinen.

Schilddrüse ist dringend auf Jod angewiesen um die Hormone zu bilden.

Jodmangel = SchilddrüsenhormonmangelBildung von Calcitonin (senkt den Calciumspiegel)

Jod

Lebenswichtiges Spurenelement

Täglicher Bedarf: Säuglinge 40-80 µgKinder 100-180 µgJugendliche 200 µgErwachsene 200 µgSchwangere 230 – 260 µg

JodmangelTrotz Verbesserung der Jodzufuhr in den letzten 20

Jahren liegt ein Drittel der Bevölkerung unter der von der WHO geforderten Mindestmenge von 180-200 µg pro Tag

Jodzufuhr

Regelkreislauf der Schilddrüsenhormone

Regulation der Schilddrüsenfunktion durch Hypothalamus und Hirnanhangsdrüse (Hypophysenvorderlappen).

Bildung des Hormons TSH (Thyroidea stimulierendes Hormon) und Abgabe in den Blutkreislauf.

TSH fördert Bildung und Ausschüttung von T3 und T4 in der Schilddrüse.

Wirkungen der Schilddrüsenhormone

Erhöhung von: Herzfrequenz, BlutdruckErweiterung der BlutgefäßeSteigern den Umsatz des Zucker-, Fett- und

Bindegewebsstoffwechsel (Energieverbrauch)Steigern Aktivität von Schweiß-und Talgdrüsen und der

DarmmotorikWachstum und Entwicklung des NeugeborenenSeelisches Wohlbefinden: Sexualität, Fruchtbarkeit

Erkrankungen der Schilddrüse30% der Bevölkerung in Deutschland haben einen Kropf,

Knoten oder beides zusammen

Bei Älteren über 45 Jahren sogar jeder Zweite

Männer und Frauen gleich betroffen

Zwei Arten von Erkrankungen:1. Gewebeveränderungen2. Funktionsstörungen

Gewebeveränderungen

1. Struma (Kropf)2. Knoten (heiß/kalt)3. Tumore

(Bösartigkeit/Metastasen)4. Entzündungen5. Zysten

„Heiße“ Knoten

überaktives Gewebe, Jodaufnahme

Unkontrollierte Schilddrüsenhormonbildung= autonome Knoten

mehrere autonome Knoten = multifokale Autonomie

Knoten in der Regel gutartig

lösen langfristig eine Überfunktion aus

„Kalte“ Knoten

inaktives Gewebe

keine Jodaufnahme, keine Schilddrüsenhormonproduktion

meist Zysten, Vernarbungen oder Verkalkungen

aber: in 2-5% bösartige Veränderungen möglich

Karzinom

Sehr selten: 20-30 Personen pro Million EinwohnerKalte Knoten: Risiko der Entartung ( bis zu 5%)

Papilläres Karzinom (85%)Follikuläres Karzinom (15%)Medulläres Karzinom (5%)Anaplastisches Karzinom (1%)Andere bösartige Knoten (Metastasen)

Funktionsstörungen

Überfunktion (Hyperthyreose)

zuviel Schilddrüsenhormon im Blutheiße KnotenAutonomie Morbus Basedow (autoimmun)

Überfunktion (Hyperthyreose)

ÜberfunktionHaarausfall ↑

Reizbarkeit

Schwitzen

ZitternBlutdruck↑↑

Puls ↑↑

Heißhunger

Durchfall

Muskelschwäche

Funktionsstörungen

Unterfunktion (Hypothyreose)

zuwenig Schilddrüsenhormon im BlutHashimoto-Thyreoiditisnach Schilddrüsen-OP oder Radiojodtherapiehormonelle Ursache (Hypophysenerkrankung)bei Neugeborenen (keine oder zu kleine SD)

Unterfunktion (Hypothyreose)

UnterfunktionHaarausfall↑↑

Depression

Kältegefühl

Blutdruck↓Puls↓

Gewicht↑

Verstopfung

Blutfette↑↑

Muskelschwäche

Untersuchungen bei Verdacht auf Schilddrüsenerkrankung

Anamnese (Krankheitsgeschichte)Klinische SymptomeLaborwerte: TSH, FT3, FT4, Calcium, Antikörper

(Immunursache), ev. Calcitonin bei Verdacht auf Bösartigkeit.

Sonographie (Ultraschall)SzintigraphieHNO: Stimmbandnervenkontrolle (N. recurrens)Ev. Feinnadelpunktion zum Erhalt einer Gewebeprobe

WHO-Klassifikation

0 keine StrumaIa palpabel, nicht sichtbarIb palpabel und sichtbar bei

ReklinationII sichtbar ohne ReklinationIII sehr groß, sichtbar aus der

Distanz

Labor Schilddrüsenfunktionsstörung

FT4/F3 TSH Überfunktion (manifest) ↑ ↓Überfunktion (latent) = ↓Normal (Euthyreose) = =Unterfunktion (latent) = ↑Unterfunktion (manifest) ↓ ↑

Schilddrüsenknoten Sonographie und Szintigraphie

Szintigraphie Sonographie

heiß echoarm-echoreich

autonomes Adenom

kalt echofreiechogemischtsolide

ZysteRegeneratBösartigkeit

Szintigraphie

Sonographie

Feinnadeluntersuchung

Bei verdächtigen Knoten > 1 cmBei schnell wachsenden KnotenTherapeutisch bei großen

ZystenProblem: falsche SicherheitNicht durchführbar bei

Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten

Diagnose klar – was nun ?Abhängig von der Diagnose ergeben sichunterschiedlicheTherapiemöglichkeiten

medikamentös

Radiojodtherapie

Operation

Therapie der Unterfunktion

Gabe von Schilddrüsenhormon

25 – 200 Mikrogramm täglich (meist lebenslang)

regelmäßige Kontrolluntersuchungen (Blutwerte TSH)

Einnahme der Tablette 30 min vor dem Frühstück

Therapie der Überfunktion

Blockierung der Schilddrüse mit MedikamentenThyreostatika z.B. Carbimazol

ß-Blocker zur Therapie von Symptomen (Herzrasen)

Radiojodbehandlung

Operation

Therapie des Morbus Basedow

Zuerst medikamentös (Thyreostatika) für mindestens6 – 12 Monate

Auslassversuch

Bei Wiederauftreten der Überfunktion definitive Therapie

RadiojodtherapieOperation: vollständige oder nahezu vollständige Entfernung der Schilddrüse

Therapie Schilddrüsenkarzinom

Vollständige Entfernung der Schilddrüse

Entfernung von Lymphknoten

Radiojodtherapie ca. 4 Wochen nach OP

Lebenslange Einnahme von Schilddrüsenhormon

Nachsorge: Sonographie, Blutwerte (TSH, Thyreoglobulin, Szintigraphie)

Therapie von Struma nodosa und Jodmangelkropf

Primär medikamentös(Jodid/L-Thyroxin)

Radiojodtherapie

Chirurgie (OP)

Medikamentöse Therapie

Kombinationstherapie mit Jod und Schilddrüsenhormon

Ziel: Beseitigung des Jodmangels durch Jodgabe und Verkleinerung der Schilddrüse durch das Schilddrüsenhormon

Verkleinerung der Schilddrüse innerhalb von 6 – 12 Monaten um ca. 30% möglich

Radiojodbehandlung

Ziel: Verkleinerung der Schilddrüse

Radiojod = radioaktive Form des Jods (Kapsel)

Zerstört Schilddrüsengewebe „von innen“

Stationäre Behandlung (3-5 Tage) in einer nuklearmedizinischen Abteilung

Nur bis zu einer bestimmten Schilddrüsengröße möglich

Notwendigkeit der chirurgischenTherapie

Strumagröße Grad II-IIIMechanische Beeinträchtigung

Einengung der Luftröhre (Atemnot)Einengung der Speiseröhre (Schluckbeschwerden)Stauung der HalsvenenStrumawachstum hinter dem Brustbein

Überfunktion (Hyperthyreose)Bösartigkeit (Karzinom)Rezidiv (Wiederaufgetretenes knotiges

Schilddrüsenwachstum)

Ziele der Schilddrüsenoperation

Funktionelles Vorgehenalle knotigen Areale werden entfernt, gesundes Gewebe wird belassen.

Ausnahme Schilddrüsenkarzinomkomplettes Entfernen der Schilddrüse ggf. mit Lymphknoten

Schonung von Nebenschilddrüsen, Stimmbandnerv undangrenzenden Organen

Neuromonitoring, Lupenbrille

Formen der operativen Schilddrüsenentfernung

Ausschälen eines Knotens (Enukleation)

Lappenentfernung einseitig/beidseitssubtotal (1-4 ml großer Rest verbleibt)fast-total (weniger als 1 ml verbleibt)total ( kein Rest verbleibt)

Lappenentfernung eine Seite total, Gegenseite subtotal (OP nach Dunhill)

Operationsverfahren

Enukleation subtotal

Operationsverfahren

Subtotal beidseits OP nach Dunhill

Neuromonitoring

Aufsuchen des Stimmbandnerven (Nervus laryngeus recurrens)

Funktionsprüfung durch Ableitung eines elektrischen Potentials

Neuromonitoring

Nebenschilddrüsen

4 Stück, 2 pro Seite

Calcium-Haushalt, Parathormon

werden belassen

Replantation möglich

bei Erkrankung operative Entfernung Hyperparathyreoidismus

Komplikationen in der Schilddrüsenchirurgie

Erst-OP Folge-OP

Recurrensparesedauerhaft

0,5 – 3 % 10 – 20 %

Calciummangeldauerhaft

0,1 – 1 % 1 – 5 %

Blutung 1 – 4 % 1 – 4 %

Wundinfekt 1 – 2 % 1 – 2 %

Vorbereitung in der AlbklinikErstgespräch und Beratung in der viszeralchirurgischen

SprechstundeAnmeldung telefonisch: 07381-1817200

Überweisung vom HausarztBefunde mitbringen: Blutwerte,Sonographie, Szintigraphie,

ev. Zytologie (Ergebnis Feinnadelpunktion).Bei Notwendigkeit einer OP, Vereinbarung Termin

stationäre Aufnahme, ev. zeitgerechtes Absetzen von Medikamenten (ASS,Methformin)

Veranlassung einer HNO-ärztlichen Prüfung der Stimmbandnerven vor OP.

Stationäre Behandlung in der Albklinik

Stationäre Aufnahme ein Tag vor OP alternativ auch nüchtern am OP-Tag.

OP-Vorbereitung: chirurgische Aufklärung, Gespräch mit Narkosearzt, je nach Begleiterkrankungen ev. Zusatzuntersuchungen.

OP-Tag: Dauer der OP ca. 90 Minuten, anschließend Überwachung auf der Intensinvstation bis zum nächsten Tag.

Am 1. Tag Entfernung aller Drainagen und Kanülen.Ab 3. Tag Entlassung möglich. Gespräch über feingewebliches

Ergebnis und Schilddrüsenhormoneinnahme. Merkblatt.Weitere Kontrollen der Schilddrüsenwerte 4-6 Wochen nach OP

später 2-3 mal jährlich und Nachsorge durch den Hausarzt.

ZusammenfassungKnotenschilddrüsen sind in Deutschland Erkrankungen

mit sehr hoher Häufigkeit.Chirurgische Ersteingriffe sind komplikationsarm.Vermeidung eines Wiederauftretens der Erkrankung

durch OP und nachfolgender konsequenter Schilddrüsenhormonbehandlung

Überfunktionstherapie nach medikamentöser Vorbehandlung durch OP oder RJT

Problem: Erkennen von KarzinomenExzellente Prognose bei Karzinomen

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit