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Abschied vom Bankgeheimnis Die Bilanz des Steuerstreits Deutsche zahlten 5,6 Mrd. Euro Strafsteuern Bisher zeigten sich 114 000 Deutsche bei ihrem Fiskus an. Sie hatten bei Finanzinstituten in der Schweiz und anderen Ländern Vermögens- werte von rund 100 Milliarden Euro versteckt. ogar Staatsanwälte und So- zialhilfebezüger machten mit bei Deutschlands be- liebtem Volkssport, raunen Rechtsanwälte hinter vor- gehaltener Hand. Sie ver- steckten Vermögenswerte vor ihrem Fiskus im Ausland. Gemäss einer Um- frage der «Nordwestschweiz» bei den Finanzministerien der deutschen Bun- desländer reichten seit Februar 2010 mittlerweile 113 743 steuersäumige Bankkunden eine Selbstanzeige ein. Im Schnitt 850 000 Euro Das führte dazu, dass der deutsche Fiskus bisher Nachsteuern und Ver- zugszinsen in der Höhe von 5,6 Mil- liarden Euro kassierte. Wer wie viel Kapital im Ausland versteckt hat, er- heben die Bundesländer nicht. Dazu sagt Björn Henschel, Rechtsanwalt und Selbstanzeige-Spezialist der Ham- burger Kanzlei Wülfing Zeuner Re- chel: «Wir betreuen Kleinanleger, die vielleicht 200 000 Euro in der Schweiz angelegt haben, aber auch Grossverdiener, die Erträge von Ver- mögenswerten von 10 bis 12 Millionen Euro nachdeklarieren müssen.» Im Schnitt belaufen sich die im Aus- land parkierten Vermögenswerte pro steuersäumigen Kunden auf rund 850 000 Euro. Diese Schätzung hält der Steuerexperte und Rechtsanwalt Markus Baumgartner aufgrund der von ihm bearbeiteten Fälle für plausi- bel. Baumgartners Kanzlei führt Büros in Zürich und mehreren deutschen Städten. Das hinterzogene Kapital be- lief sich also auf total rund 97 Milliar- S den Euro. Das entspricht 106 Milliar- den Franken. Erträge auf diesem Kapi- tal nicht versteuert haben Bankkun- den aus allen Schichten, sagt Baum- gartner: «Darunter hat es Beamte, Un- ternehmer und sogar Konzernlei- tungsmitglieder von Firmen, die zum deutschen Leitindex DAX zählen.» Der Hauptharst der Steuersünder hat sein Geld in der Schweiz depo- niert, wie das Beispiel von Baden- Württemberg zeigt: Seit August 2014 zeigten sich dort 524 Steuerpflichtige an, die ihr Geld in Österreich parkiert hatten. 876 waren Kunden luxembur- gischer Banken. Fast 30 000 hingegen benutzten die Dienste schweizerischer und liechtensteinischer Finanzinstitu- te. Dazu Henschel: «Viele Kunden ver- teilten das Geld auf mehrere Schwei- zer Banken und deponierten einen kleineren Teil in Österreich.» Der Fall Hoeness machte Angst Statistisch erfassen die Bundeslän- der Selbstanzeigen von Kunden aus- ländischer Geldhäuser seit Februar 2010. Damals erwarb Nordrhein-West- falen CDs mit Daten der Credit Suisse (siehe Box). Danach ist das jährliche Auf und Ab der Zahl der Selbstanzei- gen auch eine Folge persönlicher Dra- men im Steuerstreit mit Deutschland: Steuersünder meldeten sich 2013 reu- mütig, weil sie nicht wie der Wurstfa- brikant und Präsident des FC Bayern, Uli Hoeness, im Gefängnis landen wollten. Oder sich nicht wie die Frau- enrechtlerin Alice Schwarzer öffent- lich als Steuerhinterzieher anprangern lassen wollten. Obendrein lohnte es sich, noch vor Anfang 2015 reinen Tisch zu machen. Seither gelten schärfere Spielregeln. Wer jährlich Erträge von mehr als 25 000 Euro hinterzogen hatte, blieb nur noch straffrei, wenn er einen Zu- schlag auf die Nachsteuern – und Zin- sen – bezahlte. Zuvor lag diese Grenze bei 50 000 Euro. Daher ist es kein Wunder, dass die Zahl der Selbstanzei- gen in diesem Jahr dramatisch gesun- ken ist. Dazu sagt der Sprecher der Bankiervereinigung, Thomas Sutter: «Die Zahlen bestätigen, was wir erwar- tet haben. Als klar war, dass Deutsch- land die Abgeltungssteuer ablehnt, for- derten die Banken ihre Kunden auf, ih- re steuerliche Situation zu klären.» Ein Grossteil der Kunden der CS, der UBS und der grossen Schweizer Privatbanken habe sich bereits beim Fiskus gemeldet, bestätigen auch deutsche Anwälte, die steuersäumige Landsleute bei der Selbstanzeige be- gleiten. Sie betreuen entsprechend auch deutlich weniger solche Fälle als in den zwei vergangenen Jahren. «Er- ledigt ist das Thema aber nicht», sagt Henschel: «Wir spüren, dass nun auch zunehmend kleinere Bankinstitute Strategien entwickeln, wie sie mit Kunden umgehen sollen, die unver- steuertes Geld bei ihnen parkiert ha- ben. Die melden sich nun bei uns.» Das Geschäft mit den Steuerhinter- ziehern bleibt trotz sinkenden Fallzah- len für Anwälte lukrativ. Je nachdem wie komplex der Fall ist, verrechnen sie pro Fall 5000 bis 15 000 Euro. Die Massenarbeit, bei der es darum geht, Erträge auf im Ausland parkierten Gel- dern nachzuversteuern, sei weitge- hend gemacht, sagt Baumgartner: «Was wir jetzt erhalten, sind die kom- plexen Fälle.» Dabei gehe es beispiels- weise darum, genau abzuklären, aus welchen Quellen die von Unterneh- mern hinterzogenen Gelder stammen. Oder es gibt Klienten, die zerstritten sind, Erben oder mehrere Teilhaber von Firmen.» Dazu kommt: In EU-Ländern gilt der automatische Informationsaustausch ab 2017. Daher verzeichnet Henschels Kanzlei nun einen Anstieg von Kun- den luxemburgischer oder österreichi- scher Banken: «Ihre Institute machten bis anhin kaum Druck auf Leute mit unversteuerten Geldern.» Der deut- sche Fiskus profitiert also weiter von Mehreinnahmen seiner Steuersünder. VON ROMAN SEILER Die Selbstanzeigen nahmen 2015 stark ab Febr. 2010 2011 2012 2013 2014 Nov. 15 Total Baden-Württemberg 7456 982 2452 6739 10601 3065 31295 Nordrhein-Westfalen* 5259 764 1388 4509 7551 2915 22386 Bayern* 3800 500 1000 3900 5900 1700 16800 Hessen* 3467 450 492 2844 3495 981 11729 Rheinland-Pfalz 1858 344 730 2409 4196 1790 11327 Niedersachsen 1453 174 342 1431 2523 1056 6979 Berlin 854 193 303 966 1272 466 4054 Hamburg 683 133 187 637 1090 120 2850 Schleswig-Holstein* 591 51 116 445 571 251 2025 Saarland 222 69 62 299 785 110 1547 Bremen 151 17 42 181 458 48 897 Sachsen* 80 10 30 156 287 126 689 Brandenburg 67 21 16 114 258 96 572 Thüringen 45 24 13 68 162 15 327 Sachsen-Anhalt 25 4 3 33 72 43 180 Mecklenburg-Vorpommern 15 0 10 30 29 2 86 26026 3736 7186 24761 39250 12784 113743 *Die Zahlen dieser Bundesländer beziehen sich nur auf Kunden von Schweizer Banken Quelle: Finanzministerien der Bundesländer 2010 2011 2012 2013 2014 2015 0 5 10 15 20 25 30 35 40 in Tausend von Februar 2010 bis November 2015 GRAFIK: NCH/MTA ANZAHL SELBST ANZEIGEN 26 026 3736 7186 39 250 24 761 12 784 SACHSEN- ANHAL T 5.5 Mio. 180 BA YERN 1161 Mio. 16 800 THÜRINGEN 8.1 Mio. 3 2 7 SCHLESWIG- HOLSTEIN 212 Mio. 2025 NORDRHEIN- WESTF ALEN 1200 Mio. 22 386 RHEINLAND- PF ALZ 463.6 Mio. 11 3 2 7 BADEN- RTTEMBERG 71 7 Mio. 3 1 295 SAARLAND 108.3 Mio. 1547 HESSEN 895 Mio. 11 729 NIEDERSACHSEN 210 Mio. 6979 HAMBURG 236 Mio. 2850 BREMEN 46 Mio. 897 NORDWESTSCHWEIZ SAMSTAG, 21. NOVEMBER 2015 WIRTSCHAFT 9 Im Februar 2010 erwarb Nord- rhein-Westfalen für 2,5 Millionen Eu- ro Daten von Credit-Suisse-Kunden. Weitere CD-Käufe, auch in anderen Bundesländern, folgten. Anfang 2013 scheiterte das Ab- geltungssteuer-Abkommen mit Deutschland am Widerstand der von Sozialdemokraten, Grünen und Linken regierten Bundesländer. Es hätte Steuerhinterziehern ermög- licht, sich anonym zu regularisieren. Nun kommt der automatische In- formationsaustausch (AIA): Ab 2018 übermitteln Geldhäuser Daten über Konten und Depots ausländischer Kunden an deren Fiskus. Die ent- sprechende Botschaft zum Abkom- men mit allen 28 EU-Mitgliedern wird der Bundesrat voraussichtlich noch vor Ende Jahr veröffentlichen. Nordrhein-Westfalen geht weiter gegen Banken vor, die Steuerhinter- zieher betreut haben. Die Schweiz müsse ihre Rechtsordnung verteidi- gen, fordert Thomas Sutter von der Bankiervereinigung: «Es ist Aufgabe des Eidgenössischen Justizdeparte- ments, dauernd darauf zu pochen, dass Finanzminister von deutschen Bundesländern nicht direkt bei Ban- ken intervenieren und Anfragen zur Betreuung von Kunden durchfüh- ren.» Dafür müssten Rechtshilfege- suche eingereicht werden. SO LIEF DER ST EUERST REIT Kein Ende in Sicht MECKLENBURG- VORPOMMERN 4.4 Mio. 86 BRANDENBURG 13.9 Mio. 5 72 BERLIN 272 Mio. 4054 SACHSEN 5. 7 Mio. 689 ANZAHL SELBST ANZEIGEN ZUSÄTZLICHES STEUER- AUFKOMMEN IN MIO. EURO TOT AL IN ALLEN BUNDES- LÄNDERN: 5,56 MIA. EURO Herr Minister Schmid, in Baden- Württemberg sind 29 895 Selbst- anzeigen von Schweizer oder liechtensteinischen Bankkunden eingegangen. Sind das mehr oder weniger, als Sie erwartet haben? Nils Schmid: Es ist nicht wichtig, ob ich die Zahl der Selbstanzeigen für hoch oder niedrig halte. Wichtig ist, dass die Selbstanzeigen erstattet wurden, dass Erträge nachgemeldet und Steuern nachgezahlt wurden. Allein in Baden-Württemberg sind in den vergangenen fünf Jahren mehr als 700 Millionen Euro Steuern nachgezahlt worden. Das ist eine gu- te Nachricht für alle ehrlichen Steu- erzahler. Im August 2010 lehnte die Lan- desregierung Baden-Württem- bergs den Ankauf einer CD mit Daten von Bankkunden ab. Sie waren damals noch nicht im Amt. Wie hätten Sie gehandelt? Steuergerechtigkeit heisst, dass der Ehrliche nicht der Dumme sein darf. Deshalb müssen wir den Druck auf Steuerbetrüger aufrechterhalten. Solange wir noch keinen verlässli- chen Informationsaustausch im in- ternationalen Kapitalverkehr haben, ist der Ankauf von Steuer-CDs mit validen Daten ein wichtiges Instru- ment, diesen Druck zu erzeugen. Das hätten wir vor fünf Jahren ge- nauso getan, wie wir das heute tun würden. Warum? Ich bin fest davon überzeugt, dass das richtig und lohnenswert ist. Die Erfahrung zeigt doch: Wann immer Steuersünder nach dem Kauf von Steuer-CDs damit rechnen müssen, aufzufliegen, steigt die Zahl der Selbstanzeigen und es werden Steu- ern nachgezahlt. Das ist Geld, das der Allgemeinheit zusteht, mit dem der Staat seinen Aufgaben nach- kommt – sei es im Bereich der Bil- dung, der Infrastruktur oder der Si- cherheit. Werden Ihnen oder anderen Bundesländern heute noch Da- ten von Bankkunden angeboten? Seien Sie sicher: Wenn uns valide Daten angeboten werden, werden wir sie ankaufen. Sie zählten zu den Gegnern der Abgeltungssteuer, welche es steu- ersäumigen Deutschen ermög- licht hätte, Vermögenswerte in der Schweiz anonym zu regulari- sieren. Würden Sie noch immer gleich entscheiden? Ich bin weiterhin der Ansicht, dass die Abgeltungssteuer abgeschafft werden sollte. Sie ist im Kern unge- recht, weil sie insbesondere Zinsein- künfte aus grossen Vermögen gerin- ger besteuert als Einkünfte von Ar- beitnehmerinnen und Arbeitneh- mern. Kapitaleinkünfte sollten wie alle anderen Einkünfte künftig wie- der dem persönlichen Steuersatz unterliegen und damit entspre- chend dem Prinzip der Leistungsfä- higkeit besteuert werden. Aufgrund von Befragungen von Selbstanzeigern leitete Nord- rhein-Westfalen Untersuchungen gegen Geldhäuser und Bankmit- arbeiter ein, die der Beihilfe zur Steuerhinterziehung bezichtigt wurden. Gibt es auch in Baden- Württemberg solche Untersu- chungen? Sie können fest davon ausgehen, dass auch in Baden-Württemberg solche sogenannten Verbandsgeld- bussen festsetzt werden, wenn diese angezeigt und möglich sind. Gibt es eine koordinierte Politik der Bundesländer zur Bekämp- fung von Steuerhinterziehung, aber auch zu Käufen von Daten von Bankkunden, Untersuchun- gen gegen ausländische Banken? Die Entscheidung über den Ankauf von Steuer-CDs trifft jedes Bundes- land eigenständig, das gilt auch für Ermittlungen durch Oberfinanzdi- rektionen und Staatsanwaltschaften sowie für die Festsetzung von Ver- bandsbussen. Aber natürlich gibt es einen Austausch. Schliesslich haben wir das grosse gemeinsame Ziel, für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen. Gibt es auch eine Zusammenar- beit über die nationalen Grenzen hinaus? Es gibt eine internationale Koordi- nierung in der Bekämpfung von Steuerhinterziehung. Der Bundestag hat erst vor wenigen Tagen ein Ge- setz beschlossen, das den Weg für den automatischen Informations- austausch von Finanzdaten ab dem Jahr 2017 freimacht. Ein entspre- chendes Abkommen haben rund 50 Staaten vor einem guten Jahr unter- zeichnet, inzwischen sind etwa 20 weitere Länder beigetreten. Dazu gehören auch ehemalige Steuer- oasen wie die Schweiz, Österreich oder die Cayman-Inseln. *Das Interview mit Finanzminister Nils Schmid wurde schriftlich geführt. Baden-Württemberg Finanzminister Nils Schmid ist überzeugt, dass sich der Kauf von Daten über Steuerhinterzieher lohnt. «Wir kaufen solide Daten» VON ROMAN SEILER Seit 2009 ist Nils Schmid (42) Landes- vorsitzender der Sozialdemokrati- schen Partei Deutschland (SPD) in Baden-Württemberg. 2011 kam es zum Machtwechsel: Seither regiert ei- ne rot-grüne Koalition das Bundes- land. Schmid ist stellvertretender Mi- nisterpräsident. Er leitet das Ministe- rium für Finanzen und Wirtschaft. Schmid studierte in Tübingen Rechts- wissenschaften. Mit seiner Frau hat er eine fünfjährige Tochter. Nils Schmid PERSÖNLICH «Steuergerechtigkeit heisst, dass der Ehrliche nicht der Dumme sein darf. Deshalb müssen wir den Druck auf Steuerbe- trüger aufrecht erhalten.» Die in Basel ansässige Modefirma wird ihre am Hauptsitz neu angestellten Mit- arbeitenden in Euro bezahlen. Die Ge- werkschaft Unia akzeptiert das nicht und prüft jetzt eine Klage. «Wir müssen dazu aber noch zusätzliche Fakten wie etwa die vorgesehenen neuen Verträge haben, um genau analysieren zu kön- nen, in welche Richtung die Klage ge- hen soll», sagt Hansueli Scheidegger von der Unia in Basel. Die Ge- werkschaft habe dem CEO von Tally Weijl ei- nen entsprechenden Brief geschrieben und verlange detaillierte Auskunft über das ge- plante Vorgehen und die neuen Verträge. In Artikel 323b Absatz 1 des Obligatio- nenrechts (OR) wird festgehalten, dass der Lohn in der Landeswährung ge- schuldet ist. Dieser Artikel ist allerdings nicht zwingend und kann unter bestim- men Umständen umgangen werden. Zwingend hingegen ist der Artikel 324 OR, der die Überwälzung des Unter- nehmerrisikos auf die Arbeitnehmer verbietet. «Währungsschwankungen zählen klar auch zum Unternehmerrisi- ko», sagt Scheidegger. Somit würden alle neu angestellten- Mitarbeitenden gezwungen das Wäh- rungsrisiko zu übernehmen und Lohn- schwankungen in Kauf zu nehmen. «Diese faktische Diskriminierung der einheimischen Arbeitnehmer können wir nicht hinnehmen», so Scheidegger. Geradezu schizophren findet er, dass wegen der Euro-Löhne die eigenen An- gestellten faktisch ermuntert würden, in Deutschland und Frankreich einzu- kaufen, um die Währungsdifferenz wie- der auszugleichen. Gleichzeitig führe der Detailhandel eine Kampagne gegen den Einkaufstourismus. «Ich bin ja ge- spannt, wie die anderen Detaillisten, die in Basel unter dem Einkaufstouris- mus leiden, reagieren werden.» Und Scheidegger setzt noch eins drauf. Auch beim Einkauf sehe er keine Anzeichen, dass Tally Weijl auf die Ver- besserung der Arbeitsbedingungen in Produzentenländern wie China, Bang- ladesch oder Indien hinarbeite. Es exis- tierten soziale Qualitätslabels wie etwa die Clean Clothes Campaign (CCC), de- nen sich viele Impor- teure freiwillig unterzö- gen, nur Tally Weijl in- teressiere auch das nicht. Bei Tally Weijl sei offensichtlich nur Pro- fitmaximierung ange- sagt, so Scheidegger. Die «Erklärung von Bern» (EvB) reklamier- te 2014, dass Tally Weijl nicht an der CCC mitmache. CCC ist ein internatio- nales Netzwerk, das sich für bessere Arbeitsbedingungen und die Stärkung der Arbeitnehmer in der globalen Be- kleidungsindustrie einsetzt. Tally Weijl entgegnete der EvB, dass die Firma einen Verhaltenskodex habe, in welchem klar auf die ILO-Konventio- nen verwiesen werde und der von allen Lieferanten unterzeichnet werden müs- se. Dies gelte auch für die Sublieferan- ten, und darin sei auch die Zahlung der gesetzlich festgelegten Mindestlöhne enthalten. Zusätzlich würden die Fabri- ken in regelmässigen Abständen vom internen Quality-Team vor Ort sowie von einer unabhängigen Audit-Agentur überprüft. Euro-Löhne Dass der Mode- detailhändler neu Angestell- ten den Lohn in Euro auszah- len will, verstosse gegen das Obligationenrecht, findet die Gewerkschaft. VON ST EFAN SCHUPPLI Unia prüft Klage gegen Tally Weijl «Wir brauchen zusätzliche Fakten, um die Richtung der Klage festlegen zu können.» Hansueli Scheidegger Unia Die Maschinen-, Elektro- und Metallin- dustrie ächzt unter dem starken Fran- ken: Die Aufträge brechen weg, die Um- sätze ein. Stellen werden abgebaut oder verlagert. Hinweise, dass die Tal- sohle erreicht ist, gebe es kaum, schreibt Swissmem in einer Mitteilung gestern. Der Verband der MEM-Indus- trie rechnet in den kommenden Mona- ten mit einem weiteren Stellenabbau. Viele Betriebe stünden derzeit vor der Frage, welche industriellen Tätigkeiten in der Schweiz noch wirtschaftlich be- trieben werden können, schreibt der Verband. Arbeiten mit geringer Wert- schöpfung hätten einen zunehmend schweren Stand. Durch die Überbewer- tung des Frankens werde dieser Struk- turwandel beschleunigt. Zwischen Januar und September san- ken die Auftragseingänge um 14 Pro- zent. Die Umsätze gingen im gleichen Zeitraum um 7 Prozent zurück. Dazu kommt der Druck auf die Marge. Über ein Drittel der Unternehmen rechnet mit einem operativen Verlust. (SDA) Swissmem rechnet mit weiterem Stellenabbau in der Schweiz Industrie In der Auseinandersetzung um die Markteinführung der gentechnisch ver- änderten Maissorte «Agrisure Viptera» in den USA reagiert der Agrochemie- konzern Syngenta mit Gegenklagen. Die Basler haben nach Informationen des «Wall Street Journal» mehrere grosse Rohstoffhändler vor den Kadi gezerrt. Handelshäuser wie Cargill oder Archer Daniels Midland (AMD) seien ebenfalls verantwortlich für die Verlus- te, die amerikanische Landwirte im Zu- ge dieser Affäre erfahren haben, zitiert das Blatt aus der Klageschrift. (SDA) Saatgut Syngenta verklagt US-Rohstoffhändler Nach dem Frankenschock kehrt beim Schaffhauser Industriekonzern Georg Fischer (GF) wieder Normalität ein: Die Mitarbeitenden müssen nicht länger unbezahlte Mehrarbeit leisten. Ab nächstem Jahr gilt wieder die Arbeits- zeit von 40 Stunden pro Woche statt 44. Angesichts des positiven Effekts an- derer ergriffener Massnahmen sowie ei- ner leicht entspannten Währungssitua- tion beende GF in Absprache mit sei- nen Personalvertretungen die Erhö- hung der Arbeitszeit per Ende Dezem- ber 2015, teilte das Unternehmen gestern mit. (SDA) Industrie GF hebt Arbeitszeit- Erhöhung auf

Die Bilanz des Steuerstreits - selbstanzeige-wzr. · PDF fileBisher zeigten sich 114 000 Deutsche bei ihrem ... Erben oder mehrere Teilhaber ... Bayern* 3800 500 1000 3900 5900 1700

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Abschied vom BankgeheimnisDie Bilanz des Steuerstreits

Deutschezahlten5,6 Mrd. EuroStrafsteuernBisher zeigten sich 114 000 Deutsche bei ihremFiskus an. Sie hatten bei Finanzinstituten in derSchweiz und anderen Ländern Vermögens-werte von rund 100 Milliarden Euro versteckt.

ogar Staatsanwälte und So-zialhilfebezüger machtenmit bei Deutschlands be-liebtem Volkssport, raunenRechtsanwälte hinter vor-gehaltener Hand. Sie ver-

steckten Vermögenswerte vor ihremFiskus im Ausland. Gemäss einer Um-frage der «Nordwestschweiz» bei denFinanzministerien der deutschen Bun-desländer reichten seit Februar 2010mittlerweile 113 743 steuersäumigeBankkunden eine Selbstanzeige ein.

Im Schnitt 850 000 EuroDas führte dazu, dass der deutsche

Fiskus bisher Nachsteuern und Ver-zugszinsen in der Höhe von 5,6 Mil-liarden Euro kassierte. Wer wie vielKapital im Ausland versteckt hat, er-heben die Bundesländer nicht. Dazusagt Björn Henschel, Rechtsanwaltund Selbstanzeige-Spezialist der Ham-burger Kanzlei Wülfing Zeuner Re-chel: «Wir betreuen Kleinanleger, dievielleicht 200 000 Euro in derSchweiz angelegt haben, aber auchGrossverdiener, die Erträge von Ver-mögenswerten von 10 bis 12 MillionenEuro nachdeklarieren müssen.»

Im Schnitt belaufen sich die im Aus-land parkierten Vermögenswerte prosteuersäumigen Kunden auf rund850 000 Euro. Diese Schätzung hältder Steuerexperte und RechtsanwaltMarkus Baumgartner aufgrund dervon ihm bearbeiteten Fälle für plausi-bel. Baumgartners Kanzlei führt Bürosin Zürich und mehreren deutschenStädten. Das hinterzogene Kapital be-lief sich also auf total rund 97 Milliar-

Sden Euro. Das entspricht 106 Milliar-den Franken. Erträge auf diesem Kapi-tal nicht versteuert haben Bankkun-den aus allen Schichten, sagt Baum-gartner: «Darunter hat es Beamte, Un-ternehmer und sogar Konzernlei-tungsmitglieder von Firmen, die zumdeutschen Leitindex DAX zählen.»

Der Hauptharst der Steuersünderhat sein Geld in der Schweiz depo-niert, wie das Beispiel von Baden-Württemberg zeigt: Seit August 2014zeigten sich dort 524 Steuerpflichtigean, die ihr Geld in Österreich parkierthatten. 876 waren Kunden luxembur-gischer Banken. Fast 30 000 hingegenbenutzten die Dienste schweizerischerund liechtensteinischer Finanzinstitu-te. Dazu Henschel: «Viele Kunden ver-teilten das Geld auf mehrere Schwei-zer Banken und deponierten einenkleineren Teil in Österreich.»

Der Fall Hoeness machte AngstStatistisch erfassen die Bundeslän-

der Selbstanzeigen von Kunden aus-ländischer Geldhäuser seit Februar2010. Damals erwarb Nordrhein-West-falen CDs mit Daten der Credit Suisse(siehe Box). Danach ist das jährlicheAuf und Ab der Zahl der Selbstanzei-gen auch eine Folge persönlicher Dra-men im Steuerstreit mit Deutschland:Steuersünder meldeten sich 2013 reu-mütig, weil sie nicht wie der Wurstfa-brikant und Präsident des FC Bayern,Uli Hoeness, im Gefängnis landenwollten. Oder sich nicht wie die Frau-enrechtlerin Alice Schwarzer öffent-lich als Steuerhinterzieher anprangernlassen wollten.

Obendrein lohnte es sich, noch vorAnfang 2015 reinen Tisch zu machen.

Seither gelten schärfere Spielregeln.Wer jährlich Erträge von mehr als25 000 Euro hinterzogen hatte, bliebnur noch straffrei, wenn er einen Zu-schlag auf die Nachsteuern – und Zin-sen – bezahlte. Zuvor lag diese Grenzebei 50 000 Euro. Daher ist es keinWunder, dass die Zahl der Selbstanzei-gen in diesem Jahr dramatisch gesun-ken ist. Dazu sagt der Sprecher derBankiervereinigung, Thomas Sutter:«Die Zahlen bestätigen, was wir erwar-tet haben. Als klar war, dass Deutsch-land die Abgeltungssteuer ablehnt, for-derten die Banken ihre Kunden auf, ih-re steuerliche Situation zu klären.»

Ein Grossteil der Kunden der CS,der UBS und der grossen SchweizerPrivatbanken habe sich bereits beimFiskus gemeldet, bestätigen auchdeutsche Anwälte, die steuersäumigeLandsleute bei der Selbstanzeige be-gleiten. Sie betreuen entsprechendauch deutlich weniger solche Fälle alsin den zwei vergangenen Jahren. «Er-ledigt ist das Thema aber nicht», sagtHenschel: «Wir spüren, dass nun auchzunehmend kleinere BankinstituteStrategien entwickeln, wie sie mitKunden umgehen sollen, die unver-steuertes Geld bei ihnen parkiert ha-ben. Die melden sich nun bei uns.»

Das Geschäft mit den Steuerhinter-ziehern bleibt trotz sinkenden Fallzah-len für Anwälte lukrativ. Je nachdemwie komplex der Fall ist, verrechnensie pro Fall 5000 bis 15 000 Euro. DieMassenarbeit, bei der es darum geht,Erträge auf im Ausland parkierten Gel-dern nachzuversteuern, sei weitge-hend gemacht, sagt Baumgartner:«Was wir jetzt erhalten, sind die kom-plexen Fälle.» Dabei gehe es beispiels-

weise darum, genau abzuklären, auswelchen Quellen die von Unterneh-mern hinterzogenen Gelder stammen.Oder es gibt Klienten, die zerstrittensind, Erben oder mehrere Teilhabervon Firmen.»

Dazu kommt: In EU-Ländern gilt derautomatische Informationsaustausch

ab 2017. Daher verzeichnet HenschelsKanzlei nun einen Anstieg von Kun-den luxemburgischer oder österreichi-scher Banken: «Ihre Institute machtenbis anhin kaum Druck auf Leute mitunversteuerten Geldern.» Der deut-sche Fiskus profitiert also weiter vonMehreinnahmen seiner Steuersünder.

VON ROMAN SEILER

Die Selbstanzeigen nahmen 2015 stark ab

Febr. 2010 2011 2012 2013 2014 Nov. 15 Total

Baden-Württemberg 7456 982 2452 6739 10601 3065 31295Nordrhein-Westfalen* 5259 764 1388 4509 7551 2915 22386Bayern* 3800 500 1000 3900 5900 1700 16800

Hessen* 3467 450 492 2844 3495 981 11729

Rheinland-Pfalz 1858 344 730 2409 4196 1790 11327

Niedersachsen 1453 174 342 1431 2523 1056 6979

Berlin 854 193 303 966 1272 466 4054

Hamburg 683 133 187 637 1090 120 2850

Schleswig-Holstein* 591 51 116 445 571 251 2025

Saarland 222 69 62 299 785 110 1547

Bremen 151 17 42 181 458 48 897

Sachsen* 80 10 30 156 287 126 689

Brandenburg 67 21 16 114 258 96 572

Thüringen 45 24 13 68 162 15 327

Sachsen-Anhalt 25 4 3 33 72 43 180

Mecklenburg-Vorpommern 15 0 10 30 29 2 86

26026 3736 7186 24761 39250 12784 113743*Die Zahlen dieser Bundesländer beziehen sich nur auf Kunden von Schweizer BankenQuelle: Finanzministerien der Bundesländer

2010 2011 2012 2013 2014 20150

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in Tausend von Februar 2010 bis November 2015

GRAFIK: NCH/MTA

ANZAHL SELBSTANZEIGEN

26 026

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SACHSEN-ANHALT

5.5 Mio.180

BAYERN

1161 Mio.16 800

THÜRINGEN

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SCHLESWIG-HOLSTEIN

212 Mio.2025

NORDRHEIN-WESTFALEN

1200 Mio.22 386

RHEINLAND-PFALZ

463.6 Mio.11 327

BADEN-WÜRTTEMBERG

717 Mio.31 295

SAARLAND108.3 Mio.1547

HESSEN

895 Mio.11 729

NIEDERSACHSEN

210 Mio.6979

HAMBURG236 Mio.2850

BREMEN

46 Mio.897

NORDWESTSCHWEIZ

SAMSTAG, 21. NOVEMBER 2015 WIRTSCHAFT 9

■ Im Februar 2010 erwarb Nord-

rhein-Westfalen für 2,5 Millionen Eu-

ro Daten von Credit-Suisse-Kunden.

Weitere CD-Käufe, auch in anderen

Bundesländern, folgten.

■ Anfang 2013 scheiterte das Ab-

geltungssteuer-Abkommen mit

Deutschland am Widerstand der

von Sozialdemokraten, Grünen und

Linken regierten Bundesländer. Es

hätte Steuerhinterziehern ermög-

licht, sich anonym zu regularisieren.

■ Nun kommt der automatische In-

formationsaustausch (AIA): Ab 2018

übermitteln Geldhäuser Daten über

Konten und Depots ausländischer

Kunden an deren Fiskus. Die ent-

sprechende Botschaft zum Abkom-

men mit allen 28 EU-Mitgliedern

wird der Bundesrat voraussichtlich

noch vor Ende Jahr veröffentlichen.

■ Nordrhein-Westfalen geht weiter

gegen Banken vor, die Steuerhinter-

zieher betreut haben. Die Schweiz

müsse ihre Rechtsordnung verteidi-

gen, fordert Thomas Sutter von der

Bankiervereinigung: «Es ist Aufgabe

des Eidgenössischen Justizdeparte-

ments, dauernd darauf zu pochen,

dass Finanzminister von deutschen

Bundesländern nicht direkt bei Ban-

ken intervenieren und Anfragen zur

Betreuung von Kunden durchfüh-

ren.» Dafür müssten Rechtshilfege-

suche eingereicht werden.

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SO LIEF DER STEUERSTREIT

Kein Ende in Sicht

MECKLENBURG-VORPOMMERN

4.4 Mio.86

BRANDENBURG13.9 Mio.

572

BERLIN

272 Mio.4054

SACHSEN

5.7 Mio.689

ANZAHL SELBSTANZEIGEN

ZUSÄTZLICHES STEUER-AUFKOMMEN IN MIO. EUROTOTAL IN ALLEN BUNDES-LÄNDERN: 5,56 MIA. EURO

Herr Minister Schmid, in Baden-Württemberg sind 29 895 Selbst-anzeigen von Schweizer oderliechtensteinischen Bankkundeneingegangen. Sind das mehr oderweniger, als Sie erwartet haben?Nils Schmid: Es ist nicht wichtig,ob ich die Zahl der Selbstanzeigenfür hoch oder niedrig halte. Wichtigist, dass die Selbstanzeigen erstattetwurden, dass Erträge nachgemeldetund Steuern nachgezahlt wurden.Allein in Baden-Württemberg sind inden vergangenen fünf Jahren mehrals 700 Millionen Euro Steuernnachgezahlt worden. Das ist eine gu-te Nachricht für alle ehrlichen Steu-erzahler.

Im August 2010 lehnte die Lan-desregierung Baden-Württem-bergs den Ankauf einer CD mitDaten von Bankkunden ab. Siewaren damals noch nicht imAmt. Wie hätten Sie gehandelt?Steuergerechtigkeit heisst, dass derEhrliche nicht der Dumme sein darf.Deshalb müssen wir den Druck aufSteuerbetrüger aufrechterhalten.Solange wir noch keinen verlässli-chen Informationsaustausch im in-ternationalen Kapitalverkehr haben,ist der Ankauf von Steuer-CDs mitvaliden Daten ein wichtiges Instru-ment, diesen Druck zu erzeugen.Das hätten wir vor fünf Jahren ge-nauso getan, wie wir das heute tunwürden.

Warum?Ich bin fest davon überzeugt, dassdas richtig und lohnenswert ist. DieErfahrung zeigt doch: Wann immerSteuersünder nach dem Kauf vonSteuer-CDs damit rechnen müssen,aufzufliegen, steigt die Zahl derSelbstanzeigen und es werden Steu-ern nachgezahlt. Das ist Geld, dasder Allgemeinheit zusteht, mit demder Staat seinen Aufgaben nach-kommt – sei es im Bereich der Bil-dung, der Infrastruktur oder der Si-cherheit.

Werden Ihnen oder anderenBundesländern heute noch Da-ten von Bankkunden angeboten?Seien Sie sicher: Wenn uns valideDaten angeboten werden, werdenwir sie ankaufen.

Sie zählten zu den Gegnern derAbgeltungssteuer, welche es steu-ersäumigen Deutschen ermög-licht hätte, Vermögenswerte inder Schweiz anonym zu regulari-sieren. Würden Sie noch immergleich entscheiden?Ich bin weiterhin der Ansicht, dassdie Abgeltungssteuer abgeschafftwerden sollte. Sie ist im Kern unge-recht, weil sie insbesondere Zinsein-künfte aus grossen Vermögen gerin-ger besteuert als Einkünfte von Ar-beitnehmerinnen und Arbeitneh-mern. Kapitaleinkünfte sollten wiealle anderen Einkünfte künftig wie-der dem persönlichen Steuersatzunterliegen und damit entspre-chend dem Prinzip der Leistungsfä-higkeit besteuert werden.

Aufgrund von Befragungen vonSelbstanzeigern leitete Nord-rhein-Westfalen Untersuchungengegen Geldhäuser und Bankmit-arbeiter ein, die der Beihilfe zur

Steuerhinterziehung bezichtigtwurden. Gibt es auch in Baden-Württemberg solche Untersu-chungen?Sie können fest davon ausgehen,dass auch in Baden-Württembergsolche sogenannten Verbandsgeld-bussen festsetzt werden, wenn dieseangezeigt und möglich sind.

Gibt es eine koordinierte Politikder Bundesländer zur Bekämp-fung von Steuerhinterziehung,aber auch zu Käufen von Datenvon Bankkunden, Untersuchun-gen gegen ausländische Banken?Die Entscheidung über den Ankaufvon Steuer-CDs trifft jedes Bundes-land eigenständig, das gilt auch für

Ermittlungen durch Oberfinanzdi-rektionen und Staatsanwaltschaftensowie für die Festsetzung von Ver-bandsbussen. Aber natürlich gibt eseinen Austausch. Schliesslich habenwir das grosse gemeinsame Ziel, fürmehr Steuergerechtigkeit zu sorgen.

Gibt es auch eine Zusammenar-beit über die nationalen Grenzenhinaus?Es gibt eine internationale Koordi-nierung in der Bekämpfung vonSteuerhinterziehung. Der Bundestaghat erst vor wenigen Tagen ein Ge-setz beschlossen, das den Weg fürden automatischen Informations-austausch von Finanzdaten ab demJahr 2017 freimacht. Ein entspre-chendes Abkommen haben rund 50Staaten vor einem guten Jahr unter-zeichnet, inzwischen sind etwa 20weitere Länder beigetreten. Dazugehören auch ehemalige Steuer-oasen wie die Schweiz, Österreichoder die Cayman-Inseln.

*Das Interview mit Finanzminister Nils

Schmid wurde schriftlich geführt.

Baden-WürttembergFinanzminister Nils Schmidist überzeugt, dass sichder Kauf von Daten überSteuerhinterzieher lohnt.

«Wir kaufensolide Daten»

VON ROMAN SEILER

Seit 2009 ist Nils Schmid (42) Landes-

vorsitzender der Sozialdemokrati-

schen Partei Deutschland (SPD) in

Baden-Württemberg. 2011 kam es

zum Machtwechsel: Seither regiert ei-

ne rot-grüne Koalition das Bundes-

land. Schmid ist stellvertretender Mi-

nisterpräsident. Er leitet das Ministe-

rium für Finanzen und Wirtschaft.

Schmid studierte in Tübingen Rechts-

wissenschaften. Mit seiner Frau hat er

eine fünfjährige Tochter.

Nils Schmid

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PERSÖNLICH

«Steuergerechtigkeitheisst, dass der Ehrlichenicht der Dumme seindarf. Deshalb müssen wirden Druck auf Steuerbe-trüger aufrecht erhalten.»

Die in Basel ansässige Modefirma wirdihre am Hauptsitz neu angestellten Mit-arbeitenden in Euro bezahlen. Die Ge-werkschaft Unia akzeptiert das nichtund prüft jetzt eine Klage. «Wir müssendazu aber noch zusätzliche Fakten wieetwa die vorgesehenen neuen Verträgehaben, um genau analysieren zu kön-nen, in welche Richtung die Klage ge-hen soll», sagt HansueliScheidegger von derUnia in Basel. Die Ge-werkschaft habe demCEO von Tally Weijl ei-nen entsprechendenBrief geschrieben undverlange detaillierteAuskunft über das ge-plante Vorgehen unddie neuen Verträge.

In Artikel 323b Absatz 1 des Obligatio-nenrechts (OR) wird festgehalten, dassder Lohn in der Landeswährung ge-schuldet ist. Dieser Artikel ist allerdingsnicht zwingend und kann unter bestim-men Umständen umgangen werden.Zwingend hingegen ist der Artikel 324OR, der die Überwälzung des Unter-nehmerrisikos auf die Arbeitnehmerverbietet. «Währungsschwankungenzählen klar auch zum Unternehmerrisi-ko», sagt Scheidegger.

Somit würden alle neu angestellten-Mitarbeitenden gezwungen das Wäh-rungsrisiko zu übernehmen und Lohn-schwankungen in Kauf zu nehmen.«Diese faktische Diskriminierung dereinheimischen Arbeitnehmer können

wir nicht hinnehmen», so Scheidegger.Geradezu schizophren findet er, dasswegen der Euro-Löhne die eigenen An-gestellten faktisch ermuntert würden,in Deutschland und Frankreich einzu-kaufen, um die Währungsdifferenz wie-der auszugleichen. Gleichzeitig führeder Detailhandel eine Kampagne gegenden Einkaufstourismus. «Ich bin ja ge-spannt, wie die anderen Detaillisten,die in Basel unter dem Einkaufstouris-mus leiden, reagieren werden.»

Und Scheidegger setzt noch einsdrauf. Auch beim Einkauf sehe er keineAnzeichen, dass Tally Weijl auf die Ver-besserung der Arbeitsbedingungen inProduzentenländern wie China, Bang-ladesch oder Indien hinarbeite. Es exis-tierten soziale Qualitätslabels wie etwadie Clean Clothes Campaign (CCC), de-

nen sich viele Impor-teure freiwillig unterzö-gen, nur Tally Weijl in-teressiere auch dasnicht. Bei Tally Weijl seioffensichtlich nur Pro-fitmaximierung ange-sagt, so Scheidegger.Die «Erklärung vonBern» (EvB) reklamier-

te 2014, dass Tally Weijl nicht an derCCC mitmache. CCC ist ein internatio-nales Netzwerk, das sich für bessereArbeitsbedingungen und die Stärkungder Arbeitnehmer in der globalen Be-kleidungsindustrie einsetzt.

Tally Weijl entgegnete der EvB, dassdie Firma einen Verhaltenskodex habe,in welchem klar auf die ILO-Konventio-nen verwiesen werde und der von allenLieferanten unterzeichnet werden müs-se. Dies gelte auch für die Sublieferan-ten, und darin sei auch die Zahlung dergesetzlich festgelegten Mindestlöhneenthalten. Zusätzlich würden die Fabri-ken in regelmässigen Abständen vominternen Quality-Team vor Ort sowievon einer unabhängigen Audit-Agenturüberprüft.

Euro-Löhne Dass der Mode-detailhändler neu Angestell-ten den Lohn in Euro auszah-len will, verstosse gegen dasObligationenrecht, findet dieGewerkschaft.

VON STEFAN SCHUPPLI

Unia prüft Klagegegen Tally Weijl

«Wir brauchenzusätzliche Fakten,um die Richtung derKlage festlegenzu können.»Hansueli Scheidegger Unia

Die Maschinen-, Elektro- und Metallin-dustrie ächzt unter dem starken Fran-ken: Die Aufträge brechen weg, die Um-sätze ein. Stellen werden abgebautoder verlagert. Hinweise, dass die Tal-sohle erreicht ist, gebe es kaum,schreibt Swissmem in einer Mitteilunggestern. Der Verband der MEM-Indus-trie rechnet in den kommenden Mona-ten mit einem weiteren Stellenabbau.Viele Betriebe stünden derzeit vor derFrage, welche industriellen Tätigkeitenin der Schweiz noch wirtschaftlich be-

trieben werden können, schreibt derVerband. Arbeiten mit geringer Wert-schöpfung hätten einen zunehmendschweren Stand. Durch die Überbewer-tung des Frankens werde dieser Struk-turwandel beschleunigt.

Zwischen Januar und September san-ken die Auftragseingänge um 14 Pro-zent. Die Umsätze gingen im gleichenZeitraum um 7 Prozent zurück. Dazukommt der Druck auf die Marge. Überein Drittel der Unternehmen rechnetmit einem operativen Verlust. (SDA)

Swissmem rechnet mit weiteremStellenabbau in der Schweiz

Industrie

In der Auseinandersetzung um dieMarkteinführung der gentechnisch ver-änderten Maissorte «Agrisure Viptera»in den USA reagiert der Agrochemie-konzern Syngenta mit Gegenklagen.Die Basler haben nach Informationendes «Wall Street Journal» mehreregrosse Rohstoffhändler vor den Kadigezerrt.

Handelshäuser wie Cargill oderArcher Daniels Midland (AMD) seienebenfalls verantwortlich für die Verlus-te, die amerikanische Landwirte im Zu-ge dieser Affäre erfahren haben, zitiertdas Blatt aus der Klageschrift. (SDA)

Saatgut

Syngenta verklagtUS-Rohstoffhändler

Nach dem Frankenschock kehrt beimSchaffhauser Industriekonzern GeorgFischer (GF) wieder Normalität ein: DieMitarbeitenden müssen nicht längerunbezahlte Mehrarbeit leisten. Abnächstem Jahr gilt wieder die Arbeits-zeit von 40 Stunden pro Woche statt44. Angesichts des positiven Effekts an-derer ergriffener Massnahmen sowie ei-ner leicht entspannten Währungssitua-tion beende GF in Absprache mit sei-nen Personalvertretungen die Erhö-hung der Arbeitszeit per Ende Dezem-ber 2015, teilte das Unternehmengestern mit. (SDA)

Industrie

GF hebt Arbeitszeit-Erhöhung auf