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Die Bio Brüter

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AtlanIm Auftrag der Kosmokraten

Nr. 691

Die Bio-BrüterIn den Händen der Gen-Experimentatoren

von Peter Terrid

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Im Jahr 3818 wird Atlan aus seinem Dasein als Orakel von Krandhorherausgerissen. Sein neuer Einsatzort ist die Galaxis Alkordoom, wo eineEntwicklung im Gang ist, die das weitere Bestehen der Mächte der Ordnung inFrage stellt.

Bereits die ersten Stunden von Atlans Aufenthalt in Alkordoom zeigen auf, wiegefährlich die Situation ist. Der bestandene Todestest und der Einsatz imKristallkommando beweisen jedoch längst Atlans hohes Überlegenheitspotential.Dennoch hätte der Arkonide längst seine geistige Gesundheit oder gar seinLeben verloren, hätten die Celester, nach Alkordoom entführte Terra-Abkömmlinge, oder ANIMA, das von den Kosmokraten ausgesandte Raumschiff,nicht zugunsten Atlans eingegriffen.

In seinem Bestreben, mehr über die Zusammenhänge in Alkordoom zuerfahren, speziell im Hinblick auf die sogenannten Facetten und deren Lenker,den sogenannten Erleuchteten, ist unser Herr bereits große Risikeneingegangen, wie beispielsweise die gewagten Unternehmungen in derSonnensteppe beweisen.

Gegenwärtig ist Atlan in den Sektor Janzonborr verschlagen worden, der vonder geheimnisvollen Facette Yog-Mann-Yog beherrscht wird. Eine der Weltendieses Sektors ist Zuynam. Dort herrschen DIE BIO-BRÜTER…

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Die Hauptpersonen des Romans:

Atlan – Der Arkonide auf dem Planeten Zuynam.ANIMA – Atlans lebendes Raumschiff.Sitortode, Olavv und Detomee – Bio-Experimentatoren von Zuynam.Hunkle-Bha -Ein Raumfahrer macht einen wertvollen Fang.Kjaer – Ein unvollkommenes Wesen.

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1.

Haxxan wußte, daß er dem Tod verfallen war, wenn man ihn erwischen sollte,aber er ängstigte sich nicht davor.

Da zu seinem Vorhaben äußerste Kaltblütigkeit erforderlich war, hatte seinSchöpfer ihn vorsichtshalber gar nicht erst mit Gefühlen ausgestattet. Auch daserkannte Haxxan nicht als Mangel. In respektvoller Haltung kauerte er vor seinemHerrn und wartete auf die genaue Beschreibung der Aufgabe, die er zubewältigen hatte.

»Du wirst warten, bis es ganz dunkel geworden ist«, sagte Sitortode ruhig.Auch er wußte, daß Haxxan bei diesem Unternehmen sehr leicht zu Todekommen konnte, aber der Gewinn, den Sitortode sich von dem Coup versprach,war so hoch, daß Sitortode ohne zu zögern ein Dutzend Geschöpfe von HaxxansArt geopfert hätte.

»Dann schleichst du dich ein. Du hast dir die Unterlagen eingeprägt?«»Ganz genau, Herr. Ich habe keine Einzelheit vergessen.«»Es ist wichtig, daß du das richtige Material stiehlst. Mit schlechter Beute

kann ich nichts anfangen. Und Detomee wird ihr Labor sicher sehr wirkungsvoll zuschützen wissen. Du hast daher von mir die ausdrückliche Erlaubnis, jedenWiderstand zu brechen.«

»Gilt das auch für Detomee selbst?« fragte Haxxan interessiert.Sitortode zögerte einen Augenblick lang. Daß sein Vorhaben gegen

geschriebene und ungeschriebene Regeln Zuynams verstieß, war ihm sehr wohlbewußt. Er war bereit dazu, weil er in seiner Notlage keinen anderen Auswegmehr sah. Seine Forschungen waren so weit gediehen, daß er einfachweitermachen mußte, und dazu brauchte er das Material, das Detomee unterVerschluß hielt.

»Detomee ist zu schonen, auch die anderen wissenschaftlichen Mitarbeiter.Gewaltsam vorgehen darfst du gegen Handlanger und Material, aber nicht gegenZuynamer.«

»Ich habe verstanden und werde mich daran halten«, versprach Haxxan.Unterwürfig, wie es sich für einen Handlanger schickte, verabschiedete er

sich von seinem Herrn und Schöpfer.Zuyster, einziger großer Mond des Planeten Zuynam war bereits aufgegangen

und goß sein milchiges Licht über die Stadt. In Bolerc, der größten Stadt desPlaneten, war es ruhig geworden. Nur in wenigen Gaststätten waren nochBesucher anzutreffen. Haxxan bewegte sich nahezu geräuschlos durch dieStraßen der Stadt. Sein Ziel kannte er genau. Detomees Haus mitangegliedertem Labor lag am Rand der Stadt in einer Mulde, umgeben von

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einem der prächtigsten Parks, die der Planet aufzuweisen hatte. Jede einzelnePflanzenart, die dort wuchs und blühte, verdankte ihre besonderen Eigenschaftender Forscherin Detomee.

Haxxan blieb auf der Anhöhe stehen und sah auf das Gebäude hinab.Sämtliche Lichter waren erloschen, mit Ausnahme der beiden großenLaborfenster am Kopfteil des Schlangenhauses. Großflächig gewölbt wirkten siewie zwei riesige, helle Augen, die ins Nirgendwo starrten. Passenderweisebefand sich der Zugang zu den Labors dort, wo bei einer echten Schlange dasMaul zu finden gewesen wäre.

Haxxan wußte, daß er mit allerlei Fallen zu rechnen hatte. Materialdiebstählewaren unter eifersüchtigen Forschern in letzter Zeit geradezu Mode geworden.Forschungsmaterial hoher Güte war knapp, und der ständige Wettstreit derForscher um Ruhm, Anerkennung und materiellen Gewinn zwang die wenigerBemittelten geradezu zum Diebstahl. Das war allgemein bekannt, und dieForscher, die kostbares Material in ihren Labors verwahrten, trafenentsprechende Sicherheitsvorkehrungen.

Haxxan erreichte das Haus und blieb stehen. Aufregung und Angst waren ihmfremd, dennoch war er auf der Hut. Es war nichts zu sehen, und an Geräuschengab es nur das leise Klingeln der metallischen Blätter gegeneinander, wenn derWind über den Bewuchs des Hauses strich.

Ein leises Vibrieren des Bodens verriet, daß im Innern des Hauses nochschwere Maschinen liefen. Haxxan hätte gerne gewußt, um was für Maschinen essich handelte, denn bis zu diesem Augenblick hatte er von irgendwelchenSicherungsmaßnahmen nichts entdeckt. Es sah so aus, als sei Detomeeüberhaupt nicht daran gelegen, ihr Hab und Gut vor unerlaubtem Zugriff zuschützen. Haxxan erreichte die Eingangstür. Langsam stellte er sich auf dieZehenspitzen und lugte ins Innere des Labors. Der Anblick, der sich ihm bot, warihm wohlvertraut. Die üblichen Gerätschaften waren zu sehen. Brutschränke,Zuchtkammern, ein erstklassiges Hochleistungsmikroskop mit angeschlossenerPositronik und einem überdimensionalen Farbmonitor als Darstellungsgerät.Allein die Apparaturen zur Gen-Analyse waren zwei Vermögen wert.

Haxxan überprüfte Fenster und Türen, aber er fand keine Alarmanlage.Vorsichtig öffnete Haxxan die Tür. Sie war nicht verschlossen, und Haxxans

Zweifel an diesem Unternehmen wuchsen noch mehr. Die Leichtigkeit, mit der erin Detomees Haus eindringen konnte, war mehr als verblüffend, sie stankgeradezu nach einer Falle.

Ein anderes Wesen als Haxxan hätte in dieser Lage Reißaus genommen,aber das Geschöpf des Bio-Brüters Sitortode hatte keine andere Wahl, als denAuftrag fortzusetzen.

Das Labor war hell erleuchtet, und Haxxan hatte auch keine großen

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Schwierigkeiten, den Schrank zu finden, der die erhoffte Beute enthielt –Bioplasma, das Sitortode für seine Forschung so dringend benötigte. Immerhin,der Schrank wenigstens war versperrt. Ein kompliziertes Impulsschloßverhinderte, daß jemand unbefugt die schwere Stahltür bewegte.

Für diesen Fall war Haxxan bestens ausgerüstet. Vorsichtig fuhr er ausseinem kugeligen Plasmakörper, der im Licht der Laborbeleuchtung leichtgrünlich schillerte, ein Pseudoglied aus, mit dem er an den Rändern der Türherumzutasten begann. Nach schneller Suche hatte er gefunden, was erbenötigte, eine mikroskopisch kleine Lücke zwischen der Tür und der Zarge. EinHaar wäre zu dick gewesen, in diese Ritze hineinzupassen, aber Haxxanbrauchte nur eine Öffnung, die drei Zehntausendstel Millimeter dick war, unddieser Spalt war erheblich breiter. Haxxan ließ einen Teil seines Körpers in denTresor hineinwachsen. Langsam ließ er ein Kettenmolekül seineshochspezialisierten Leibes in den Tresor hineingleiten, bis er fast zwei Drittelseiner Körpermasse eingeschleust hatte.

Der Tresor war sehr geräumig. Eine entsprechend große Menge Plasma wardort gelagert. Haxxan suchte im Innern nach dem Lichtschalter und fand ihn auch.Außerdem formte er ein Auge aus, mit dem er den Inhalt des Panzerschranksbegutachten konnte.

Die ersten Proben, die er fand, waren ziemlich wertlos. Was Sitortodebenötigte, war erstklassiges Material, das noch einen gewissen Anteil an Psi-Potential enthielt. Nur daraus ließen sich biotechnische Meisterleistungenentwickeln. Nach kurzer Suche hatte Haxxan etwas gefunden, das seinem Herrndas Herz schneller schlagen lassen würde. Erstklassiges Material; das Siegelbewies, daß es sich um Ware von Purtupf handelte.

Haxxan streckte seine Hände nach dem Behälter aus. Er wog schwer, esmußten mindestens zehn Kilo Plasma sein, die darin enthalten waren, genug umein Dutzend hochwertiger Züchtungen zu beleben.

Jetzt galt es, mit dieser kostbaren Beute aus dem Panzerschrank wiederherauszukommen. Da Forscher, mitunter zur Zerstreutheit neigten und sichgelegentlich mitsamt ihren Kostbarkeiten in den Tresoren einsperrten, gab eseine ziemlich primitive Vorrichtung, den Tresor von innen zu öffnen. Für ein sohochspezialisiertes Geschöpf wie Haxxan war es nicht weiter schwierig, in dasZahlenschloß einzudringen und die Mechanik abzutasten. Haxxan brauchte nureine halbe Minute, dann hatte er den Kode gefunden und die Tür des Tresorsgeöffnet. Er überlegte einen Augenblick lang, ob er irgend etwas mit demrestlichen Inhalt des Panzerschranks anfangen sollte, entschloß sich dann aber,das übrige Plasma unangetastet zu lassen. Am besten war es, den Schrankwieder zu schließen und alle Spuren zu verwischen.

Haxxan stieß einen Seufzer aus, als er wieder im Freien war. Noch immer

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schien niemand etwas von dem Einbruch bemerkt zu haben. *

»Gut gemacht«, lobte Sitortode sein Geschöpf. Mit einer gnädigenHandbewegung wurde Haxxan entlassen.

Mit Gier betrachtete Sitortode die Beute. Es war tatsächlich das Siegel vonPurtupf, das auf dem Behälter prangte, ein reichlich seltsames Siegel, denn eszeigte einen Planeten, der von einer Art energetischer Kugelschaleeingeschlossen war und ansonsten völlig leblos wirkte. Sitortode wußte, daß dergeheimnisvolle Purtupf auf einer Welt namens Tauwerk lebte, die noch niemandzu Gesicht bekommen hatte. War das Siegelbild eine Darstellung dieser Welt?

»Gleichgültig«, murmelte Sitortode. Seine Hände zitterten ein wenig, als erden Behälter nach Entfernung des Siegels öffnete. Das Siegel und dieSiegelschnüre mit ihren seltsamen Kodierungen überließ er dem Abfallvernichter.Das gleiche tat Sitortode mit dem Behälter selbst, nachdem er das hellgrünstrahlende Plasma in ein anderes Gefäß gepackt hatte.

Nun mochte Detomee nach ihrem kostbaren Plasma forschen und behaupten,Sitortode habe es in seinem Besitz. Nichts würde sie beweisen können. Daseinzige Verbindungsglied war Haxxan, und den gedachte Sitortode noch indieser Nacht einzuschmelzen. Danach gab es dann überhaupt keine Spurenmehr.

Mit Behagen sog Sitortode den Duft des frischen Plasmas ein. Es rochgeradezu nach den Psi-Potentialen, die darin enthalten waren.

»Das wird dein Ruin sein, alte Plasmahexe«, stieß Sitortode gehässig hervor.Niemals konnte Detomee diesen Verlust wieder ersetzen. Zehn Kilo des

besten Plasmas, das Purtupf zu bieten hatte, mußten ihre Finanzen soangespannt haben, daß sie sich bald nicht einmal mehr einen Liter primitivsterNährlösung würde leisten können.

»Haxxan, komm her!«Obwohl Haxxan sich ausrechnen konnte, was ihm bevorstand, zögerte er

keinen Augenblick. Willig bequemte er sich in den großen Brutbehälter undbreitete sich darin aus. Sitortode übergoß den Leib des Kunstgeschöpfs miteinem flüssigen Strukturknacker, der nur ein paar Minuten brauchte, um ausHaxxan wieder einen beliebig veränderbaren Plasmabrei zu machen. Eine KulturImplantationsviren stand ebenfalls bereit, außerdem verfügte Sitortode über eineerkleckliche Sammlung jederzeit einsatzbereiter Wandlungsgene, die er inErmangelung von wirklich gutem Plasma bisher nicht hatte einsetzen können.Darunter war ein Kode für eine Pflanze, von der Sitortode seit langem träumte.Sein Meisterwerk sollte Frohsinn und Heiterkeit stiften, ab und zu auch zu

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Verhörzwecken verwendbar sein und ihm mindestens eine Medaille eintragen,vielleicht sogar einen hohen Rang im Forschungsrat von Zuynam.

In bester Stimmung machte sich Sitortode an die Arbeit. Er verknüpfte dieGenkodes miteinander, danach nahm er einen Teil des Haxxan-Plasmas undvermischte es mit einer sehr kleinen Probe des gestohlenen Materials. Mehrwürde nach seiner Schätzung nicht nötig sein. Diese Rohmasse mit demgewünschten Formgen zu infizieren war eine Arbeit, die zur Routine eines Bio-Brüters gehörte. Tausendfach durchgespielt waren auch die nächsten Handgriffe,mit denen Sitortode das vorbereitete Plasma in den Brutschrank packte.Sorgfältig zusammengestellte Nährlösungen, Schnellwuchspräparate und idealeKlimavoraussetzungen taten ein Übriges.

Sitortode konnte sogar sehen, wie sich der Zellbrei veränderte.»Unglaublich«, murmelte er. Dieses neue Plasma von Purtupf war das beste

Material, das jemals ein Forscher auf dem Planeten Zuynam in die Händebekommen hatte.

Das Plasma begann sich zu strukturieren. Individuelle Zellgruppen bildetensich und begannen damit, ihre speziellen Funktionen zu entwickeln. Wurzelnwurden ausgebildet und fanden auf dem sich entsprechend veränderndenUntergrund der Brutschale einen Halt. Ein Keimling entstand und sproß mitunerhörter Geschwindigkeit in die Höhe. Die Blätter wuchsen so rasch, daß esaussah, als würden sie von einem Sturmwind bewegt. Und im gleichen Tempobildete sich die Blüte aus, ein Wunder an Farbenpracht, genau wie es Sitortodegewollt hatte.

Langsam entfaltete sich die Blüte, und nie zuvor hatte sich Sitortode sofrohgemut gefühlt.

Bis zu dem Augenblick, an dem er erkennen müßt, daß die PflanzeSporenkapseln auszubilden begann, die in Sitortodes Programm nicht enthaltenwaren. Hastig schaltete Sitortode den Brutschrank aus, aber die Reaktion kam zuspät.

Es waren zwei Meisterleistungen, die hier aufeinandertrafen.Da war zum einen Sitortodes Prachtgewächs, das seine Wirkung auf den

Forscher nicht verfehlte, denn Sitortode fand das, was sich in den nächsteMinuten abspielte, ungemein erheiternd.

Dieses Schauspiel war ohne Zweifel Detomee zu verdanken. DurchSitortodes Gehirn schoß die Einsicht, daß er ein betrogener Betrüger war, demDetomee in genau berechneter Absicht ein längst von ihr vorprogrammiertesMaterial in die Hände gespielt hatte.

Mit rasender Geschwindigkeit wuchs die Pflanze weiter, dann platzte dieSporenkapsel auf und verstreute explosionsartig ihren Inhalt im Labor. Wo dieSporen auf Nährboden trafen, begannen sie sofort damit, neue Pflanzen wachsen

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zu lassen, noch schneller als bei dem ersten Exemplar, das inzwischen einenMeter in die Höhe geschossen war und fortlaufend neue Sporenkapselnentwickelte. Die Sporen landeten auf dem Rest des Haxxan-Plasmas, siebefielen das gestohlene Material, setzten sich auf Erdboden und in Staubwinkelnab, verunreinigten andre Kulturen und begannen mit atemberaubendem Tempo,Sitortodes Labor förmlich zu erobern.

Und in diesem explodierenden Dschungel stand Sitortode, der nicht anderskonnte und lachte…

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2.

Detomee machte eine wütende Handbewegung und ließ das Reagenzglas inden Abfallkonverter fliegen. Seit zehn Stunden arbeitete sie an dieserVersuchsreihe, und die Ergebnisse waren nur kümmerlich zu nennen.

»Es fehlt das Plasma«, stellte Detomee seufzend fest, ein Satz, der in diesenTagen vielen Wissenschaftlern Zuynams über die Lippen kam. Detomee sank ineinen bequemen Sessel.

Die erste Stunde des Tages war ein reines Vergnügen gewesen. Kurz nachdem Erwachen hatte Detomee den Diebstahl bemerkt, den sie schon seitgeraumer Zeit erwartet hatte. Irgendeiner ihrer Kollegen war so dreist gewesen,sie bestehlen zu lassen. Und der Dieb war auch prompt auf Detomees Trickhereingefallen und hatte das sorgfältig vorbereitete Plasma mitgehen lassen.

Es war ein übler Schabernack, und Detomee wußte das sehr gut. Aber eserheiterte sie, sich vorzustellen, wie ihr Produkt das Labor eines eifersüchtigenKollegen in ein Tollhaus verwandelte. Mehr Grund zur Freude hatte die Forscherinnicht, denn ihre Experimente stockten. Olavv war am anderen Ende der Leitung,und er machte ein sehr vergnügtes Gesicht.

»Hast du es schon gehört? Sitortode, hat mit einem Experiment Pech gehabt.Sein Haus ist unter irgendeinem euphorisierenden Unkraut förmlichverschwunden.«

»Ach«, machte Detomee interessiert. Also Sitortode war der Halunkegewesen.

»Man hat ihn in eine Klinik bringen müssen, weil er derart überdreht gewesenist, daß er pausenlos gelacht hat, auch als das ganze Zeug binnen wenigerMinuten zerfallen ist. Jetzt sieht sein Labor aus wie ein Komposthaufen, und esstinkt ganz erbärmlich.«

»Jeder macht ab und zu Fehler«, meinte Detomee philosophisch. »Wennman nichts Besseres zur Hand hat…«

Olavv stieß einen Seufzer aus.Bei fast jeder Zusammenkunft von Wissenschaftlern aller Disziplinen kam

früher oder später dieses Thema auf, es schien bei einigen Bio-Brütern zu einerfixen Idee geworden zu sein.

Alles hing vom Plasma ab. Frisch mußte es sein, und Psi-Potentiale mußte esenthalten, wenn es für die Forschung taugen sollte. Früher hatte man Plasma vonTauwerk bezogen, aber seit dort ein gewisser Purtupf das Kommando führte,waren die Preise für Plasma förmlich explodiert. Keiner konnte die Summenbezahlen, die Purtupf forderte.

»Ich habe gehört, die Landree-Expedition soll sich gemeldet haben«, wußte

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Olavv zu berichten.»Und?«»Angeblich haben sie Tauwerk vor drei Tagen entdeckt, aber seither fehlt jede

Nachricht von der Expedition. Das wäre dann das siebzehnte Unternehmendieser Art, das mit einem Fehlschlag endet. Allmählich wüßte ich wirklich gerneinmal, was es mit diesem Planeten auf sich hat.«

»Purtupf weiß seine Geheimnisse zu schützen«, antwortete Detomee.»Woran arbeitest du zur Zeit?« wollte Olavv wissen.Detomee zögerte einen Augenblick lang. Sie hatte selbstverständlich keine

Lust, einen Rivalen über den letzten Stand ihrer Forschungen zu unterrichten, aufder anderen Seite wäre es unhöflich gewesen nicht zu antworten. Sie nahmZuflucht zu einer Ausrede, die sie seit längerer Zeit in Gebrauch hatte.

»Ich arbeite weiter an Mobikopf«, antwortete sie. Olavv verzog das Gesicht zueinem spöttischen Grinsen.

»Immer noch nicht gut genug für deine Ansprüche?« fragte er.»Selbst etwas Gutes läßt sich noch verbessern«, gab Detomee philosophisch

zurück. »Und wie geht es dir?«Olavv stieß einen Seufzer aus.»Ich warte, daß sich Hunkle-Bha endlich wieder bei mir meldet. Sollte er

genügend Plasma mitbringen, kannst du etwas von mir kaufen.«»Das werde ich mir überlegen«, antwortete Detomee. Sie glaubte nicht

daran, daß es dem Raumfahrer Hunkle-Bha gelingen würde, irgendwobrauchbares Plasma aufzutreiben, und selbst wenn es ihm gelingen sollte,würden Detomee die Mittel fehlen, Material von Olavv zu erwerben. Olavv winkteDetomee noch einmal zu, dann trennte er die Verbindung. Nachdenklich kehrteDetomee in ihr Labor zurück.

Sie hätte jetzt tatsächlich gern an Mobikopf weitergearbeitet, aber das ließsich aus zwei Gründen nicht machen. Der erste Grund war der Plasmamangel,der andere Grund war noch schwerwiegender: Mobikopf war verschwunden.Schon vor geraumer Zeit war das Kunstwesen, aus Detomees Labor geflüchtet,und bisher hatte sich keine Spur von ihm finden lassen. Ihr bestes Geschöpfverfügte über einige Para-Eigenschaften, die bei falschem Gebrauch großenSchaden anrichten konnten. Wie fast alle Forscher auf Zuynam hatte Detomeegehofft, ihr fertiges Produkt eines Tages im sogenannten Adlerhorst vorstellen zudürfen. Hätte Mobikopf das Wohlwollen von Yog-Mann-Yog gefunden, wäreDetomees Zukunft strahlend und hell geworden. Es war lange her, daß ein Bio-Produkt von Zuynam bei Yog-Mann-Yog hoch in Ansehen gestanden hatte. Inletzter Zeit hatten andere Welten stets den Erfolg eingeheimst, und langsamwurde die Lage auf Zuynam wirklich kritisch.

»Es hilft nichts«, murmelte Detomee. »Ich muß weiterarbeiten.«

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Eine Schar ihrer Handlanger war damit beschäftigt, das Labor aufzuräumenund zu säubern. Es war eine buntgemischte Schar, importiert von einer ganzenReihe von Planeten des Sektors. Wie üblich auf Zuynam war jeder derHandlanger ein erhebliches Stück kürzer als sein Herr; die Bewohner Zuynamsschätzten es nicht, wenn ihr Personal sie überragte.

Versonnen betrachtete Detomee die Handlanger. Sie wußte, daß es einigeKollegen gab, die wegen der allgemeinen Plasmanot nicht einmal davorzurückschreckten, ihre Handlanger für Versuche einzusetzen. Vor allem Sitortodestand in dem Ruf, in der Wahl seiner Mittel nicht zimperlich zu sein, was ihm denboshaften Spitznamen »Plasmakoch« eingetragen hatte. Auch Olavv, vonInsidern »Biostürmer« genannt, galt als ziemlich skrupellos.

Wieder meldete sich der Kommunikator, und diesmal war es Sitortode, deram andren Ende der Leitung zu finden war. Er, machte einen sehr ärgerlichenEindruck. Die Wirkung von Detomees Streichs schien nachgelassen zu haben.

»Ich schlage vor, daß wir den Vorfall vergessen«, sagte er ohne Umschweife.»Meinetwegen«, gab Detomee zurück.»Immerhin hat er ein Gutes«, fuhr Sitortode fort. »Er zeigt, wie weit Purtupf

uns bereits gebracht hat. Wenn es so weitergeht, werden wir uns nochgegenseitig umbringen müssen, um weiterarbeiten zu können.«

»Von Müssen kann keine Rede sein«, widersprach Detomee kalt. »So wenigwie vom Stehlen. Es war deine Entscheidung.«

»Meinetwegen«, räumte Sitortode ein. Er hatte offenkundig keine Lust, inmoralische Erörterungen verwickelt zu werden. »Ich schlage vor, daß wir nocheine Expedition nach Tauwerk ausrüsten.«

»Die achtzehnte dann«, rechnete Detomee vor. »Glaubst du, es wird sichnoch jemand finden, der bereit ist, in dieser Sache sein Leben zu riskieren?«

»Haben wir eine andere Wahl?« fragte Sitortode scharf. »Wenn wir nicht sehrbald im Adlerhorst ein Wesen vorstellen können, das Yog-Mann-Yog gefällt, wirdZuynam in Vergessenheit geraten. Nicht einmal Gebrauchszüchtungen wird manvon uns noch annehmen.«

»Schwarzmalerei«, entgegnete Detomee, die sehr wohl wußte, daß Sitortodegrundsätzlich recht hatte.

»Du brauchst dich nicht daran zu beteiligen«, versetzte Sitortode grimmig.»Notfalls werde ich diese Expedition allein führen. Aber ich werde einigehochqualifizierte Wissenschaftler mitnehmen, nicht das Räubergesindel, das sichnormalerweise nach Tauwerk auf den Weg macht.«

»Und du hoffst, daß du es schaffen wirst?«»Tauwerk wird, so heißt es, von einem Etwas umgeben, das sich ›Ring der

Hölle‹ nennt. Gleichgültig, um was es sich dabei handelt, ein fähiges Team solltein der Lage sein, das Geheimnis zu lüften und den Weg zu Purtupf zu öffnen.«

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»Was du sagst, klingt einigermaßen richtig«, gestand Detomee zu. »Aber einProblem werden wir schwerlich lösen können. Dafür brauchen wir Leute, die miteinem Raumschiff umgehen können. Und das ist, wie du weißt, nicht gerade dieStärke von uns Zuynamern.«

»Ich habe an Hunkle-Bha gedacht«, sagte Sitortode sofort. »Allerdings wirder sehr teuer sein. Wie sieht es aus, willst du dich an der Aktion beteiligen?«

Detomee zögerte. Mit Sitortode zusammenzuarbeiten war einezweischneidige Angelegenheit. Es ließ sich nicht bestreiten, daß er einer derbesten Bio-Brüter war, die Zuynam jemals hervorgebracht hatte. Ebenso klarallerdings war die Tatsache, daß er im Zusammenleben ein Scheusal war,aufgeblasen, eitel und intrigant. Es ließ sich auch nicht verkennen, daß er deutlichparanoide Züge aufwies. Ein paar Tage, womöglich Wochen, mit Sitortode in derEnge eines Raumschiffs verbringen zu müssen, war keine Vorstellung, mit derman Detomee locken konnte. Auf der anderen Seite war Sitortode zweifellos imRecht, wenn er behauptete, daß dringend etwas getan werden mußte.

»Ich werde mich beteiligen«, versprach Detomee schließlich.»Ich werde zusehen, daß ich brauchbare Raumfahrer auftreiben kann«, fuhr

Sitortode fort. »Sobald sich Hunkle-Bha bei mir gemeldet hatte, nehme ichKontakt zu dir auf. Einverstanden?«

Detomee machte eine zustimmende Geste, dann trennte sie die Verbindung. *

»Eine weiße Sonne«, stellte Dhonat trocken fest. »Acht Planeten.«Vor wenigen Augenblicken war ANIMA in diesem Sonnensystem

angekommen, mit letzter Kraft, wie nicht zu übersehen war. Die Ereignisse derjüngsten Zeit hatten die Reserven ANIMAS stark angeschlagen, das Raumschiffbrauchte dringend eine Ruhepause, um seine Kräfte wiederherstellen zu können.War dieses System dazu geeignet?

»Sektor Janzonborr«, setzte Dhonat seine Erklärung fort.»Kontrolliert von Facette Yog-Mann-Yog«, ergänzte Wasterjajn Kaz.»Was ist über diese Facette bekannt?« wollte ich wissen. Wasterjajn Kaz

wiegte die Köpfe.»Wenig bis nichts«, antwortete er.Yog-Mann-Yog hält sich im Hintergrund, läßt andere für sich arbeiten, je

schmutziger, um so mehr.ANIMA schlug eine Parkbahn ein, außerhalb der Bahn des sonnenfernsten

Planeten. Ihre Bewegungen waren langsam geworden, und als die Parkbahnerreicht war, verfiel sie in eine Art Starre. Als Hilfe bei künftigen Abenteuer war sieso vorläufig nicht zu gebrauchen.

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»Kannst du uns wenigstens eine Schleuse öffnen, damit wir die KORALLE füreinen Erkundungsflug einsetzen können?« fragte ich bei ANIMA nach.

»Das ist möglich«, gab ANIMA mit leiser Stimme zurück. »Aber mehr kannich im Augenblick nicht tun.«

»Es genügt uns«, antwortete ich. »Wer will mich begleiten?«»Ich bleibe lieber an Bord«, sagte Dhonat sofort. »Mit einem tragbaren

Hyperfunkgerät können wir ja Verbindung halten.«»Einverstanden«, sagte ich. Damit war das Erkundungsteam perfekt.Sowohl Wasterjajn Kaz als auch die beiden Kjokerinnen Kjok-Almergund und

Kjok-Duun würden mich an Bord der KORALLE begleiten.Das Beiboot war nach kurzer Zeit startklar und entfernte sich langsam von

ANIMA, deren Körper nun wie zu Kristall erstarrt schien. EineVerständigungsprobe mit Dhonat verlief zufriedenstellend.

Kjok-Almergund kümmerte sich um die Ortungseinrichtungen der KORALLE.Die Meßwerte kamen schnell und zügig.

Acht Planeten hatte die weißgelbe Sonne, die dem Heimatgestirn derTerraner sehr ähnlich war. Die äußeren Planeten waren für unsere Lebensformenungeeignet, klein und überaus kalt, oder riesengroß mit einer sturmgepeitschtenAtmosphäre aus Giftgasen. Lebensfeindlich mußte auch der innerste Planetgenannt werden, ein glühheißer Einseitendreher.

»Nummer zwei scheint bewohnbar zu sein«, erklärte Kjok-Almergund.Kjok-Duun machte eine Geste der Zustimmung.»Er wird auch bewohnt«, erklärte sie. »Ich kann Funksprüche auffangen.

Hyperwellen, also ist man dort unten technisch schon recht fortgeschritten.«Ich preßte die Lippen aufeinander. Natürlich war es nicht schlecht, einen

Planeten mit einer intelligenten Spezies zu finden. Auf der anderen Seite gab esdas Risiko, daß jemand mit entsprechender technischer Ausrüstung dieKORALLE oder ANIMA entdeckte und angriff.

Langsam stieß die KORALLE auf den Planeten herab. Wir ließen uns Zeit,um keinen Argwohn zu erregen.

Der Raumschiffsverkehr in der näheren Umgebung des Planeten waraußerordentlich schwach entwickelt.

Ein einziges Schiff sahen wir starten, ansonsten gab es nur ein paarRelaissatelliten, die den Planeten auf stabilen Parkbahnen umflogen. Der zweitePlanet der gelbweißen Sonne hatte zwei Monde, die ihn auf einfachenUmlaufbahnen umkreisten. Alles in allem ein harmlos aussehendesSonnensystem.

Einen erfreulichen Anblick bot auch der Planet selbst. Die Oberfläche wiesviele blaue Meeresflächen auf, darüber die weißen Streifen der Bewölkung. Esgab ausgedehnte Landflächen, und wie die Infrarotauswertung ergab, war der

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Planet dicht besiedelt.»Mehr als zehn Städte mit jeweils drei Millionen vermuteten Einwohnern«,

verkündete Kjok-Almergund. »Unmittelbar auf unserem Kurs liegt die größtesichtbare Stadt. Wollen wir dort landen?«

Ich nickte.»In der Nähe der Stadt«, schlug ich vor. »Nach Möglichkeit an einem Ort, an

dem wir die KORALLE verstecken können.«Niemand schien uns zu bemerken. Die KORALLE sank tiefer und tiefer,

durchdrang die obersten Schichten der Atmosphäre und wurde noch langsamer.Der Boden schien näher zu kommen, und wenig später setzte das Beiboot sicherauf dem Boden des Planeten auf.

In der Ferne waren die Häuser der Stadt zu sehen, die in einem Tal lag,ringsum von Wäldern und weitgedehnten Rasenflächen umgeben.

Es sah nach einem Idyll aus, aber aus langer Erfahrung wußte ich, daß einsolcher Anblick nicht selten trügerisch war. Wir verließen die KORALLE.

Die Luftaufbereitungsanlagen ANIMAS waren hervorragend, aber mit derFrischluft, die uns nun um die Nasen wehte, ließ sich selbst die beste Bordluftnicht vergleichen. Seltsame Düfte schwangen darin mit, von der Stadt her truguns der Wind eine ganze Skala von Gerüchen herüber.

Es war eine Komponente darin, die mir auf wenig angenehme Weise vertrautvorkam, aber ich vermochte den Geruch im ersten Augenblick nicht zuidentifizieren. Dann aber fiel es mir wieder ein…

Krankenhaus, schoß es mir durch den Kopf. Von der Stadt her kam einschwaches Aroma nach Desinfektionsmitteln, die anscheinend im ganzenUniversum den gleichen wenig angenehmen Geruch hatten.

»Sehen wir uns die Stadt an«, schlug ich vor.Wir machten uns auf den Weg und sammelten dabei fleißig Informationen. Ab

und zu wandte ich den Kopf und sah nach unserem Boot; es war sicher zwischenFelsen und Bäumen versteckt, und das dichte Gehölz, durch das wir unserenWeg bahnen mußten, würde das Schiff wohl für einige Zeit vor Entdeckungschützen. Die einzelnen Städte des Planeten waren durch Gleiterkorridoremiteinander verbunden. An einem dieser energetischen Korridore spazierten wirentlang, und aus den Hinweisschildern in alkordischer Sprache konnten wirentnehmen, daß unser Ziel Bolerc hieß und allem Anschein nach die Hauptstadtdes Planeten war.

In den an uns vorbeijagenden Gleitern saßen die Einwohner des Planeten, aufdie wir ab und zu einen flüchtigen Blick werfen konnten.

Die vorherrschende Lebensform auf dieser Welt war annähernd hominid mitzwei Armen, zwei Beinen, Rumpf und Kopf. Charakteristisch schien zu sein, daßsie in der Regel sehr schlank und hochgewachsen waren, der Durchschnitt schien

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knapp unter zwei Metern Körpergröße zu liegen. Typisch auch die Hautfarbe, einseltsames Grau.

Als wir den Stadtrand von Bolerc erreichten und endlich begehbare Straßenvorfanden, auf denen wir unseren Marsch fortsetzen konnten, wurden diese erstenEindrücke bestätigt. Vorherrschende Lebensform auf dem Planeten wartatsächlich das grauhäutige Volk, aber daneben gab es eine Unmenge andererLebensformen, insektoide, reptilienhafte und andere mehr. Mir fiel sofort auf, daßin diesem Völkergewimmel ein Merkmal charakteristisch war – dieFremdgeschöpfe waren ausnahmslos kleiner als die durchschnittlichenGrauhäutigen.

So viele unterschiedliche Lebensformen waren in der Stadt vertreten, daß wirvier entschieden weniger Aufsehen erregten, als ich angenommen hatte. Offenbarwar man in Bolerc an allerlei seltsame Geschöpfe gewohnt, das konnte unsereArbeit nur erleichtern.

Während ich noch die Auslagen in einem Schaufenster ansah undherauszufinden versuchte, was hier angeboten oder hergestellt wurde, hielt nebenuns ein Gleiter.

»He du,«, rief mich eine energische Stimme an. Ich drehte mich herum undsah in das Gesicht eines Hominiden, der mich einen Augenblick lang verwundertanstarrte.

»Wo ist deine Handlangermarkierung«, fragte mein Gegenüber. Er mustertemich von oben bis unten.

»Du bist kein Handlanger«, murmelte er dann. In die dunklen Augen trat einAusdruck, der mir gar nicht gefallen wollte. »Und du bist auch kein Bewohner vonZuynam. Bei Doomhirns Schein, du kommst von einer anderen Welt des Sektors,nicht wahr, und das sind deine Handlanger. Wirklich tolle Kreationen. Ich kann dasPsi-Potential förmlich schnuppern. Komm, du wirst mein Gast sein, steig ein…«

Und so begann mein Kontakt mit Sitortode, dem Plasmakoch.

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3.

Hunkle-Bha war ganz und gar nicht zufrieden mit seiner Arbeit. Seit siebenWochen kreuzte er mit seinem Schiff durch den Sektor Janzonborr, und es warnichts dabei herausgekommen, was er seinen Geschäftspartnern gutenGewissens hätte anbieten können. Zwar war einer von den Laderäumen recht gutgefüllt, aber die zähflüssige Algenpaste, die Hunkle-Bha besorgt hatte, konnteman wohl kaum hochklassigen Forschern wie Olavv als Arbeitsmaterial anbieten.Aber mehr hatte sich beim besten Willen nicht auftreiben lassen, und irgendwannwaren auch Hunkle-Bhas Belastungsgrenzen erreicht. Er war des ewigenSuchens und Feilschens müde, und seine Tage in einem nur von Roboternbevölkerten Raumschiff zuzubringen, war nichts, womit man den Urthener hättereizen können.

Sein Schiff, die ZAHRRAG, war ein alter Kahn, selbst im letzten Winkel warendie entnervenden Arbeitsgeräusche des Antriebs zu hören. In den Leitungenknisterte und krachte es mitunter, und seit eine der Zuführungen desSanitärsystems gebrochen war, herrschte ein übler Gestank in den Räumen derZAHRRAG.

Er stieß einen Seufzer aus, als mit Ächzen und Krachen die ZAHRRAG ausdem Hyperraum in das Normaluniversum zurückkehrte. Natürlich hatte dermarode Antrieb die Befehle der Steuerpositronik nicht exakt befolgt, mit demErgebnis, daß die ZAHRRAG weitab vom eigentlichen Rückkehrpunktrematerialisiert war.

»Elender Kasten«, schimpfte der Urthener und versetzte dem Schaltpult vorihm einen heftigen Fußtritt.

Fast sieben Stunden brauchte man vom gegenwärtigen Standort derZAHRRAG bis nach Zuynam, wenn man so schnell reiste wie ein Lichtstrahl. DieZAHRRAG war unter günstigen Bedingungen vielleicht in der Lage, die Streckein einem Tag zurückzulegen.

Hunkle-Bha erwog seine Möglichkeiten. Wenn sich, was nicht auszuschließenwar, das Triebwerk bei der Ausführung der positronischen Steuerbefehle einweiteres Mal irrte, konnte aus einem kurzen Hyperraummanöver leicht eineKatastrophe werden. Hunkle-Bha blieb daher nichts anderes übrig, als sich fürden langweiligen Anflug mit Unterlichtgeschwindigkeit zu entscheiden.

Danach hatte er Zeit, sich um sich selbst zu kümmern. Zu tun gab es nichtsehr viel an Bord der ZAHRRAG, eine gründliche Werftinspektion war es, wasdas Schiff dringend brauchte, und das Innere für diese Prozedur aufzuräumenwidersprach dem Sinn für Faulheit der für Hunkle-Bha typisch war.

Gelangweilt beschäftigte er sich daher damit, die Funkfrequenzen abzuhören

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und die Raumortung das System erkunden zu lassen. Auf den üblichenFrequenzen war nichts anderes zu hören als die nüchterne Unterhaltung vonBordfunkern und Bodenstellen. Bei der Raumortung sah es nicht anders aus. Dieeinzige Neuigkeit war das Auftauchen eines Meteoriten, der eine sehr weite undbemerkenswert schnelle Reise durch den Leeraum gemacht haben mußte, dennHunkle-Bha konnte sich nicht entsinnen, diesen kosmischen Kleinkörper beiseinem letzten Anflug auf Zuynam gesehen zu haben. Außerdem pflegtenHimmelskörper von solch geringer Größe auf so weiten Umlaufbahnen in allerRegel in Schwärmen aufzutauchen. Dieser aber war offenkundig allein.

Gewohnheitsmäßig ließ Hunkle-Bha seine Ortung eine Fernanalyse desMeteors vornehmen. Vielleicht fand sich konzentriertes Nickel oder ein andererRohstoff, der sich verkaufen ließ.

Hunkle-Bha stieß einen Laut der Verwunderung aus.Der Himmelskörper war höchst seltsam. Zum einen schien er die Meßwerte

des Orters zu verfälschen – sie kamen nicht so klar und deutlich, wie man eshätte erwarten sollen. Zum anderen waren sie alles andere als eindeutig. Worausauch immer der seltsame Meteor bestehen mochte, aus taubem Gestein undNickel allein jedenfalls nicht.

»Die entscheidende Frage«, murmelte Hunkle-Bha. »Hinfliegen oder nicht?«Der Meteor war ein beträchtliches Stück entfernt, und Hunkle-Bha hätte

seinen Kurs erheblich ändern müssen, um nahe genug an ihn herankommen zukönnen. Lohnte das Objekt diesen Aufwand?

Hunkle-Bha verließ sich in solchen Fällen nicht nur auf die Ortungs- undAnalysegeräte an Bord seines Schiffes. Er richtete sich auch nach dem, was ersein Gefühl für Umstände nannte. Und dieser Riecher verriet ihm immerdeutlicher, daß der geheimnisvolle Meteor ein außer’ ordentlich interessantesObjekt zu sein schien.

Hunkle-Bha änderte den Kurs und richtete die Nase seines Schiffes auf denKurs des Meteors, der langsam durch den Raum driftete. Hunkle-Bha machtesich auch die Mühe, anhand der Kursdaten des Meteors dessen Bahnverlauf zurekonstruieren. Die Auswertung der Positronik ergab eine weitere Überraschung.

Nach dem rekonstruierten Bahnverlauf hätte das Objekt schon vor vielenJahren im Meßbereich der Ortungssysteme aufgetaucht sein müssen. Hunkle-Bha hätte es kennen müssen.

»Seltsam«, murmelte der Urthener. Die ZAHRRAG näherte sich demfraglichen Objekt. Die Fernanalyse wurde dennoch nicht deutlicher. Es war, alssei das Objekt hinter einem schwachen Anti-Ortungsfeld verborgen.

Einer der Meßwerte ließ Hunkle-Bha aufmerken. Selbst aus der verfälschtenAnalyse ging ziemlich eindeutig hervor, daß dieser geheimnisvolle Meteor lebte.

Jetzt gab es nach Hunkle-Bhas Kenntnisstand zwei Möglichkeiten, aus denen

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sich unterschiedliche Konsequenzen ergaben. Die erste Möglichkeit sah auf denersten Blick harmlos aus. Es war möglich, daß sich irgendeine besonders zäheKleinlebeform auf dem Meteor befand. Bakterien, Pilze oder andere Lebewesendieser Art, die Weltraumbedingungen aushalten konnte, waren für die Forscherauf Zuynam sicher von großem Interesse, wenn auch vielleicht gefährlich.Weltraumfeste Krankheitserreger waren das letzte, was Hunkle-Bha nachZuynam einfliegen wollte.

Anders sah die Sache aus, wenn es sich um höhere Lebensformen handelte.Hunkle-Bha hatte von einer Spezies dieser Art noch nie etwas gehört, und er warsicher, daß auch kein anderer jemals ein solches Volk entdeckt hatte.Infolgedessen mußte es in großem Umfang etwas besitzen, was nicht nur imSektor Janzonborr knapp geworden war, sondern rar in der ganzen GalaxisAlkordoom: Psi-Potentiale.

Gleichgültig, welche dieser Möglichkeiten zutraf, der Meteor war in jedem Fallein hochwichtiges Forschungsobjekt für die Wissenschaftler auf Zuynam.

Um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein, überschüttete Hunkle-Bha denMeteor, den er inzwischen mit bloßen Augen auf dem Schirm erkennen konnte,mit einer betäubenden Strahlung, die an anderen Orten zum Ruhigstellen vonBeuteplasma oder zum Einfangen von Sklaven verwendet wurde. Das Leben inoder auf dem Meteor überstand dieses Feuer offenbar ohne Schaden. An derdeutlich meßbaren Lebensausstrahlung des Meteors änderte sich nichts.

»Endlich einmal ein Fund«, murmelte Hunkle-Bha zufrieden, als er mitTraktorstrahlen den Meteor zu fassen bekam. Im Näherkommen unterzog Hunkle-Bha seinen Fang einer weiteren Analyse, und was er zu sehen bekam, versetzteihn förmlich in Entzücken. Was er da im Schlepptau hatte, war das schönste undbeste Bioplasma, das man sich nur denken konnte, allerdings in einer völligneuen, fast kristallinen Form.

Hunkle-Bha lachte laut.Dieser Fang würde ihn zum reichen Mann machen. Es sah ganz danach aus,

als sollte dies Hunkle-Bhas Glückstag werden. *

»Bioplasma, sagst du? Hochwertiges Plasma, nicht den Schund, den dusonst immer ablieferst?«

Hunkle-Bha nahm Olavv die Frage offenbar nicht einmal übel. Auf dem kleinenSchirm des Kommunikators konnte Olavv sein Gegenüber verwegen grinsensehen.

»Das beste, was es jemals gegeben hat«, beteuerte Hunkle-Bha. »Nochbesser als die Ware von Purtupf.«

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»Aha«, machte Olavv. Er konnte sich ausrechnen, was mit dieser Bemerkunggemeint war: das Plasma würde teuer sein, entsetzlich teuer sogar. Auf deranderen Seite war zum ersten Mal seit sehr langer Zeit wieder wirklich gutesPlasma im Handel, und diese Tatsache wog alle anderen Bedenken auf.

»Ich werde dir die Ware abkaufen«, sagte Olavv eilig.»Wieviel?« fragte Hunkle-Bha zurück.Olavv riß die Augen weit auf. Was Hunkle-Bha mit dieser Frage zum Ausdruck

brachte, war eine Ungeheuerlichkeit ersten Ranges.»Ist es denn soviel?« wollte Olavv wissen.Die Stimme des Raumfahrers hatte einen überheblichen Ton, wie ihn Olavv

nie zuvor bei Hunkle-Bha wahrgenommen hatte.»Mehr als genug, um drei Dutzend Labors damit für lange Zeit zu versorgen«,

beteuerte Hunkle-Bha.»Dann nehme ich alles«, entfuhr es Olavv. Er wußte, daß er seine

Möglichkeiten bis zum äußersten würde anspannen müssen, um dieseTransaktion finanziell verkraften zu können. Wenn er sich verkalkulierte, war ernicht nur ruiniert, sondern er würde sich als Sklave verkaufen müssen.

»Das wird nicht billig sein«, gab Hunkle-Bha zurück. »Obwohl ich dir als altemKunden natürlich einen Sonderpreis machen werde. Schließlich ersparst du mireine Menge Arbeit mit deinem Angebot.«

Olavv unterdrückte ein Lächeln.Wenn die Angaben von Hunkle-Bha stimmten, dann konnte Olavv bei dieser

Transaktion nicht nur endlich genug Plasma für seine Forschung bekommen.Dank der allgemeinen Knappheit konnte er für den Rest auch außerordentlichePreise herausschlagen und zu einem steinreichen Mann werden. Allein dasGerücht, es sei endlich wieder hochwertiges Bio-Plasma im Handel, würde diePreise noch ein Stück höhertreiben als sie jetzt schon standen.

Nur einen Haken gab es bei der Sache. In der Zwischenzeit durfteselbstverständlich kein übliches Plasma von Tauwerk hereinkommen, das diePreise gedrückt hätte. Aber damit war nicht zu rechnen. Ein Robotsender derletzten Expedition nach Tauwerk hatte das Scheitern auch dieses Unternehmensbekannt gemacht; wieder einmal hatte es keinen einzigen Überlebendengegeben. Die Umstände arbeiteten für Olavv, jetzt galt es, die Gunst der Stundezu nutzen.

»Nenne deinen Preis«, forderte er Hunkle-Bha auf.Der Raumfahrer zögerte ein wenig, dann nannte er eine, Summe, die Olavv

ein ungläubiges Ächzen entlockte.»Bist du übergeschnappt?« entfuhr es dem Forscher. »Niemals zuvor ist eine

solche Summe für Plasma bezahlt worden.«»Das mag sein, der Kilopreis ist enorm«, gab Hunkle-Bha zu. »Aber wenn du

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eine Probe des Materials siehst, wirst du bereit sein, noch höherzugehen. Glaubemir, das Zeug trieft geradezu vor Psi-Potentialen.

Es ist unglaublich, ich habe so etwas noch nie zuvor erlebt, und du weißt, daßich in diesem Gewerbe keine Grünkralle bin.«

Olavv schluckte. Selbst wenn er sich als Sicherheit anbot, Haus und sonstigesEigentum verkaufte und belieh, was es nur zu beleihen gab, diese Summe konnteer allein niemals aufbringen.

Olavv überlegte. Er kannte Hunkle-Bha, und er wußte, daß der Raumfahrereine Schlitznase war. Aber er war weder ein Betrüger noch ein Hochstapler. ImPreis mochte er noch ein wenig heruntergehen, aber mehr würde nicht zuerreichen sein.

»Wann und wo kann ich das Material besichtigen?«»Ich werde dir einen Ort und eine Zeit nennen. Ich habe meine Beute sicher

versteckt.«»Auf Zuynam?«»Auf Gaukler, dem dritten Planeten«, entgegnet Hunkle-Bha. »Ich kenne dort

ein paar absolut sichere Verstecke aus früheren Zeiten, weißt du.«Olavv erinnerte sich. Hunkle-Bha hatte eine bewegte Vergangenheit hinter

sich, mal geschmuggelt, mal ein wenig herumgeraubt, und die eine oder anderegewinnbringende Entführung ging wohl auch auf sein Konto. Aber da er niemalsgenügend Härte und Skrupellosigkeit aufgebracht hatte, um ein wirklicherfolgreicher Weltraumbandit zu sein, hatte er sich auf andere Geschäfte verlegt,die mit weniger Risiko verbunden waren.

»Also wann?«»Sobald die Finanzierung klar ist. Ich weiß, daß es dich einige Mühe kosten

wird, das Geschäft zu machen, aber ich traue dir, und ich möchte am liebsten mitdir abschließen«, antwortete Hunkle-Bha. »Ich gebe dir Zeit, das Geld zubesorgen. Ich nehme auch saubere Wertgegenstände, wenn dir das hilft. Und wirmüssen uns beeilen. Wenn die Sache herumposaunt wird, haben wir bald denOrdnungsdienst auf dem Hals, und dann bekommst du von dem Plasma nur einkleines Glas, mehr nicht.«

Der Ordnungsdienst war eingerichtet worden, um die knappen Vorräte anForschungsmaterial gerechter zu verteilen und kriminelle Handlungen zuunterbinden. In Wirklichkeit sah die Sache so aus, daß der Rat derOrdnungsdienste das beste Material für sich behielt.

»Einverstanden«, sagte Olavv. »Du meldest dich wieder bei mir?«»In zwei bis drei Tagen«, antwortete Hunkle-Bha, dann trennte er die

Verbindung. Während des ganzen Gesprächs hatte er nicht die geringsteAndeutung gemacht, wo er sich aufhielt, aber anhand der geringfügigenLautstärkewechsel und Farbänderungen hatte Olavv unschwer herausfinden

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können, daß sich Hunkle-Bha im freien Weltraum aufhielt und damit für Olavvunerreichbar war.

»Was nun?« murmelte Olavv. Ruhelos ging er in seinem Wohnraum auf undab. »Wen will ich beteiligen?«

Es gab zwei Namen, die sich geradezu aufdrängten, die einzigen Forscher,die Olavv kannte, die annähernd finanzkräftig genug waren, dieses Abenteuergeldlich durchzustehen: Detomee und Sitortode. Auf der anderen Seite wareneben diese beiden die größten Rivalen von Olavv. Als Teilhaber an dem Geschäftkonnten sie erwarten, von der Beute einen beachtlichen Batzen abzubekommen,und das würde auch ihren Forschungen neuen Auftrieb geben. Was hatte Olavvdavon, wenn er mit ungeheurem Aufwand neues Plasma besorgte und am Endevon dem wenig loyalen Sitortode oder der hochbegabten Detomee bei derHerstellung eines neuen Supergeschöpfs geschlagen wurde.

»Es hilft nichts«, stieß Olavv schließlich hervor. »Wenigstens einen von denbeiden muß ich in das Geschäft mit hereinnehmen.«

Lieber den weniger guten Forscher und Halunken Sitortode oder dieerheblich ehrlichere aber auch wissenschaftlich bessere Detomee? Das war jetztdie alles entscheidende Frage.

Es war die Angst vor einem vollständigen Fehlschlag, die Olavv dazu bewog,Detomee anzurufen. Er fand die Kollegin in einer gereizten Stimmung.

»Du schon wieder. Hast du neue schlechte Nachrichten?«»Gute, ausnahmsweise. Es wird davon abhängen, wie weit du bereit bist,

dich finanziell zu engagieren.«Detomee setzte ein säuerliches Lächeln auf.»Was hast du anzubieten?« fragte sie lauernd. »Ich glaube langsam nicht

mehr an das große Wunder, das uns aus der Patsche helfen wird.«»Und doch ist es geschehen«, meinte Olavv lächelnd. Er bemerkte, daß es

ihn tatsächlich freute, bei Detomee als Überbringer guter Nachrichten aufzutreten.Sollte er sich am Ende gar in sie verliebt haben?

»Drücke dich deutlicher aus«, sagte Detomee gereizt. »Ich liebe dasHerumrätseln nicht, wenn es sich vermeiden läßt.«

Ohne auf Einzelheiten einzugehen berichtete Olavv, was er mit Hunkle-Bhabesprochen hatte. Detomee zeigte sich ungläubig.

»Das meinst du nicht im Ernst«, entfuhr es ihr, als er Hunkle-Bhas Preisnannte.

»Er sagt es, und ich weiß, daß die Ware diese Summe wert ist«, erklärteOlavv. »Ich habe zusammengerechnet, was ich allein aufbringen kann, aber eswird nicht reichen, selbst wenn ich bis an die Sklavereigrenze herangehe.«

»Das willst du wirklich riskieren?« wollte Detomee wissen.»Haben wir eine andere Wahl?« fragte Olavv zurück.

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»Es sieht nicht danach aus«, gab Detomee zu. »Aber selbst zu zweit wird esnoch sehr gewagt bleiben. Sollten wir nicht…«

»Sitortode? Unter keinen Umständen. Ich will ihn nicht dabeihaben. Er ist einGauner.«

Gegen dieses Argument hatte Detomee nichts vorzubringen.»Überlege es dir«, drängte Olavv. »Dir brauche ich wohl nicht zu sagen, wie

wichtig das für unsere Zukunft und für die Lage von Zuynam ist. Und späterwerden wir Hunkle-Bha dazu anheuern, dem Ursprung des Materialsnachzugehen. Vielleicht finden wir dann endlich eine Quelle, die uns von Tau werkund diesem Scheusal Purtupf unabhängig macht. Und noch eines – vergiß beideinen Überlegungen Majbel nicht.«

Detomee nickte. Natürlich kannte sie den Namen, nur die Person, diedahintersteckte, war ein Geheimnis. Majbel, von dem es hieß, er werde noch indiesem Jahr 5000 d.E. ein Geschöpf vorstellen, das alle bisherigen Kreationender Bio-Brüter von Zuynam und anderer einschlägiger Welten übertreffen würde.Dieses sagenumwobene Geschöpf hatte noch niemand gesehen, aber dieSpekulationen darüber hatten Sensationscharakter. Für Zuynam wäre es eineKatastrophe gewesen, hätten sie sich bewahrheitet.

»Vielleicht ist die Quelle, die Hunkle-Bha gefunden hat, die gleiche, aus derauch Majbel sein Material schöpft.«

Olavv stieß ein Lachen aus.»Wenn das wahr wäre…«, murmelte Detomee.»Dann wäre Majbel erledigt, und wir hätten endlich den Erfolg, den wir

brauchen. Und Yog-Mann-Yog wäre zufrieden mit uns…«Detomee stimmte in sein Lachen ein. Es wäre zu schön, der Facette zu

gefallen, die über Janzonborr herrschte.

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4.

»Wir müssen einfach ins Geschäft kommen. Du weißt doch selbst, wiekritisch die Lage ist.«

Mein Gastgeber redete auf mich ein, als habe er es mit einemSchwachsinnigen zu tun. Er schien mich für den Abgesandten oder Beauftragteneines geheimnisvoll-mächtigen Wesens zu halten, das Purtupf hieß und etwas mitdem Leben auf Zuynam zu tun hatte. Wenn ich Sitortode, so hieß meinGastgeber, richtig verstand, ging es um Plasma, das unbedingt gebraucht wurde.Dank des Extrasinns hatte ich auch herausfinden können, daß es sich dabei nichtum Material für irgendwelche Reaktoren handelte, sondern um biologischesZuchtmaterial, das auf Zuynam in riesigen Mengen für wissenschaftlicheForschung verbraucht wurde. Sitortode war, wie er prahlerisch behauptete, derführende Wissenschaftler des Planeten, und ganz besonders ihm hätte ichPlasma anbieten sollen, nicht seinen unsauber arbeitenden Kollegen, die ihnständig mit Anschlägen und Intrigen am Arbeiten zu hindern suchten.

»Ewig kann Purtupf doch so nicht weitermachen«, sagte er. »Er weiß doch,daß wir sein Plasma brauchen, und bisher haben wir seine Preise ja auchbezahlt, auch wenn sie in letzter Zeit ein wenig arg angestiegen sind. Aberimmerhin, sein Material ist das Geld wert, darum verstehe ich nicht, daß er nichtmehr liefert. Oder will er uns etwa erpressen? Hat er sich mit anderen Weltenzusammengetan, die er lieber beliefern will? Oder steckt Yog-Mann-Yog dahinter?Ich weiß, daß wir ihm seit langer Zeit kein wirklich gutes Geschöpf mehr habenpräsentieren können, aber das lag nicht an uns. Ohne Material können wir einfachnicht arbeiten. Und wie sollen wir Geschöpfe mit herausragenden Psi-Potentialenzüchten, wenn man uns das Material dazu verweigert.«

»Ich weiß von dieser Sache nichts«, behauptete ich wahrheitsgemäß.Sitortode lächelte überlegen.»Nicht doch«, sagte er. »Ich weiß genau, wen ich vor mir habe. Ich habe dich

gesehen, und ich habe deine Handlanger gesehen, das hat mir genügt. DreiHandlanger von diesem Format, das kann nur einem überaus bedeutenden Mannzugestanden werden.«

Meinen Begleitern wäre es sicher nicht recht gewesen, als meine Handlangerbezeichnet zu werden und damit auf den Status eines besseren Haustiersherabgestuft zu werden. Aber im Augenblick konnte das zu unserem Vorteil sein.Sitortode hatte sie, ohne mich auch nur zu fragen, zu irgendwelchen Arbeiteneingeteilt, zusammen mit seinen eigenen Handlangern, und damit bot sich dendreien die Möglichkeit, das Personal dieses exzentrischen Wissenschaftlers einwenig unter die Lupe zu nehmen und weitere Details über die Struktur und die

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Charakteristika von Zuynam zu erfahren.Was Sitortode als seine Arbeit bezeichnete, hatte ich sehen können. Zu

seinen Meisterschöpfungen, wie er sie nannte, gehörte ein Fratzenschneider, einWesen, das praktisch aus nichts anderem bestand als aus einem Gesicht,dessen Ausdruck unablässig wechselte und dabei Stimmungen in jeder nurdenkbaren Nuance ausdrückte.

»Du mußt ein Beauftragter von Purtupf sein, es gibt einfach keine andereMöglichkeit. Ich kenne alle anderen einflußreichen Leute auf Zuynam. Schließlichbin ich, bei aller Bescheidenheit, jemand von Rang und Ruf.«

»Daran gibt es keinen Zweifel«, antwortete ich.Inzwischen wüßte ich, daß die Zuynamer tatsächlich so aussahen, wie ich sie

aus bruchstückhaften Informationen dank des Extrahirns zusammengesetzt hatte.Grauhäutig, hochgewachsen, annähernd humanoid und seltsam greisenhaftwirkend. Selbst die wenigen Kinder, die ich auf dem Weg zu Sitortodes Hausgesehen hatte, hatten diese vergreisten Gesichter gezeigt.

»Wann also können wir mit der nächsten Lieferung von Purtupf rechnen?«wollte Sitortode wissen. Seine Stimme klang drängend.

»Das hängt von vielerlei Umständen ab«, antwortete ich ausweichend.»Manches muß bedacht werden.«

»Versuche nicht, mir auszuweichen. Ich kenne diese Taktik, und bei mirverfängt sie nicht.«

Der Zuynamer hatte also meinen Trick durchschaut. In seinem Gesicht standMißtrauen zu lesen.

»Will er den Preis noch weiter in die Höhe treiben?«»Möglich«, antwortete ich.Sitortode sprang auf und marschierte erregt im Zimmer auf und ab.

Ausgesprochen unpassend fand ich, daß sein Gesichtsgeschöpf zu diesem Bildeinen verträumten Ausdruck zeigte, der überhaupt nicht zur Stimmung paßte.

»Wir werden uns das nicht mehr lange gefallen lassen«, drohte derWissenschaftler. »Du kannst Purtupf ausrichten, daß wir schon Mittel und Wegefinden werden, Tauwerk zu besuchen. Schließlich ist der Planet ja nicht weitentfernt, und mit seinem geheimnisvollen Höllenring werden wir auch fertig.«

Ohne es zu wollen, lieferte er mir eine Information nach der anderen. DasMosaik war zwar noch lange nicht so komplett, daß ich darin einen Sinn hätteerblicken können, aber nach und nach bekam ich einen immer tieferen Einblick indie wesentlichen Strukturelemente der Galaxis Alkordoom, zu deren Herrscherndie Facette Yog-Mann-Yog gehörte, in deren Sektor Janzonborr ich mich aufhielt.

In Janzonborr, wie anscheinend überall, veranstaltete man eine wahreTreibjagd auf Psi-Potentiale. Was genau darunter zu verstehen war, war nochimmer nicht vollständig geklärt. Es konnte sich dabei sowohl um psionische

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Kräfte ganz allgemein handeln, als auch um spezielle Para-Begabungen,vielleicht sogar um jene geheimnisvollen Persönlichkeitsfelder, die ab und zuauch als Vitalkraft oder Lebensenergie bezeichnet wurden. Was es auch war, dieFacetten gierten danach. Der Verdacht lag nahe, daß die verbrecherischeStruktur, die für Alkordoom charakteristisch zu sein schien, nicht zuletzt auf dieSucht oder den unbedingten Bedarf der Facetten nach Psi-Potentialenzurückzuführen war. Natürlich drängten sich mir Vergleiche auf, beispielsweisemit den Herrschern der Magellanschen Wolken oder den Blues. Auch an denplophosischen Obmann Iratio Hondro mußte ich denken. In all diesen und etlichenanderen Fällen war eine ganze Machtstruktur auf dem Vorhandensein einerChemikalie oder einer Droge aufgebaut gewesen. Bei den Herren von Magellanwar sie zur Unsterblichkeit der Machthaber erforderlich gewesen, die Blueshatten das sogenannte Baby-Hormon gebraucht, um die Riesenmengen Molkexverarbeiten zu können, aus denen sie die schier unüberwindlichen Panzerungenihrer Schiffe gefertigt hatten. Und Iratio Hondro hatte sich seine Untergebenendienstbar gemacht, indem er ihnen ein Gift verabreicht hatte, dessen tödlicheWirkung nur durch regelmäßige Injektionen eines Gegenmittels verhindert werdenkonnte. Und ich selbst, war ich in gewissem Sinn nicht auch von der DrogeZellaktivator abhängig?

Der wesentliche Unterschied bestand allerdings darin, daß für meinenZellaktivator niemand zu leiden oder gar zu sterben brauchte. Immerhin konnte ichmir aber sehr gut vorstellen, mit welcher Besessenheit Machthaber nach demMittel fahndeten, das sie zur Durchsetzung ihrer Ziele brauchten, vor allem dann,wenn sie vital davon abhängig waren.

Lag der Fall in dieser Galaxis ähnlich? Ich wußte es nicht, und ich ahnte, daßes auch wenig Sinn haben mochte, Sitortode danach zu befragen. Mochte erauch ein hervorragender Wissenschaftler sein, ich war sicher, daß er nicht überentscheidende Informationen verfügte. Im Gesamtrahmen Alkordooms war er vielzu unbedeutend, um über solche Dinge informiert zu sein.

Sitortode hatte mir viel Zeit zum ’ Nachdenken gelassen. Vermutlich nahm eran, daß ich über sein Angebot nachdachte. Er räusperte sich vernehmlich.

»Nun, wie sieht es aus?« fragte er hartnäckig. »Bekomme ich wieder Warevon Purtupf?«

Ich schüttelte den Kopf. Offenbar hatte Sitortode bei aller Intelligenz nochimmer nicht begriffen, daß ich nicht Purtupfs Unterhändler war.

»Nein also«, stieß Sitortode hervor. Geräuschvoll zog er den Atem durch dieZähne.

»Ich bin nicht Purtupfs Gesandter«, erklärte ich. »Ich habe mit ihm nicht dasgeringste zu schaffen. Wenn du unbedingt Plasma von Purtupf haben willst, dannredest du mit dem falschen Mann.«

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Sitortode machte eine wegwerfende Handbewegung. Er war von der Idee,über mich an Plasma heranzukommen, derart besessen, daß er zu keiner klarenlogischen Analyse der Lage mehr imstande schien.

»Dann bist du Vertreter einer anderen Plasmaquelle«, behauptete Sitortode.Ich hatte die Wahl. Ich konnte ihm nun aufrichtig erzählen, wer ich war und was

ich auf Zuynam suchte. Ratsam war das nicht. Nach Sitortodes Auskünftenarbeiteten die Forscher auf Zuynam hauptsächlich auf das Ziel hin, der FacetteYog-Mann-Yog irgendwelche Züchtungen vorzustellen; sie schienen sehr von ihrabhängig zu sein. Sich in dieser Lage als Kämpfer gegen die Tyrannei derFacetten erkennen zu geben, wäre einem Selbstmord gleichgekommen. Setzteich das verdeckte Spiel hingegen fort, mußte Sitortode früher oder später sehrwütend auf mich werden. »Was kostet euer Plasma, wie gut ist es, und wannkannst du wieviel davon liefern? Es interessiert mich nicht, für wen du arbeitest.Ich brauche Plasma, alles andere ist mir gleichgültig.«

Einer von Sitortodes Handlangern tauchte auf und machte eineUnterwerfungsgeste.

»Besuch für dich, Herr«, sagte der Handlanger, ein unterarmlangesSpinnengeschöpf mit siebzehn Beinen und einer schrillen Stimme.

»Wer ist es?«»Die ehrenwerte Detomee«, verkündete das Spinnengeschöpf.Sitortode zog die Stirn in Falten und warf mir einen scheelen Blick zu.»Was hat sie hier zu suchen?« fragte er lauernd. »Hast du dich etwa auch

schon mit ihr in Verbindung gesetzt? Willst du uns gegeneinander ausspielen?«Ich schüttelte den Kopf.»Frage sie«, schlug ich vor. »Ich kenne Detomee nicht, und sie wird mich

nicht kennen.«Sitortode machte eine herrische Geste, und das Spinnentier hastete aus dem

Raum. Wenig später trat eine Frau ein.Auf den ersten Blick hätte ich auf eine bemerkenswert attraktive Großmutter

getippt, eine jener Frauen, die ihre Ausstrahlung auch im hohen Alter nichtverloren. Erst auf den zweiten Blick entdeckte ich, daß Detomee eine junge Frauwar. Rechnete man den greisenhaften Anstrich der Zuynamer weg, war sieauffällig hübsch.

»Es muß etwas Wichtiges sein, das dich herführt«, bemerkte Sitortode beider Begrüßung. Detomee sah sich eher amüsiert um.

»Wie ich sehe, hast du die Spuren des kleinen Zwischenfalls restlosbeseitigen können«, sagte sie freundlich. Der spöttische Unterton war nicht zuüberhören. » Atlan, ein Gast von mir. Seine Handlanger hast du wahrscheinlichdraußen im Garten gesehen.«

»Ich habe nicht darauf geachtet«, antwortete die Frau. Sie begrüßte mich

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freundlich. Ihr Blick hatte aber auch eine sehr neugierig forschende Komponente,ungefähr die eines Tierfängers, der sich schon überlegt, an welchen Zoo er seineBeute veräußern will.

»Was führt dich her?« wollte Sitortode wissen. »Wolltest du dich bei mirentschuldigen, Chromosomenmanipulateurin?«

»Ich mich entschuldigen? Ich wüßte nicht, wofür. Ich wollte nur wissen, wie esdir geht. Ich habe womöglich…«

Sie unterbrach sich und sah mich an.»Was versteht er von unserem Beruf?« fragte sie und deutete auf mich. »Ein

Kollege von einer anderen Welt?«»Wir betreiben ein wenig Meinungsaustausch«, behauptete Sitortode

lächelnd. »Mehr nicht.«Detomee lächelte und stellte mir ein paar Fragen. Es war offenkundig, daß

sie mich aushorchen wollte. Ich antwortete, so gut ich konnte. Zwar hatte ich nieeine Ausbildung in Genforschung genossen, aber dank des fotografischenGedächtnisses und des Logiksektors brachte ich Antworten zuwege, die wohlrecht überzeugend ausfielen. Sitortode wirkte jedenfalls ein wenig verblüfft.Detomees Blick wirkte sehr nachdenklich.

»Ich habe dir ein Angebot zu machen«, sagte die Genforscherin schließlich.Ich konnte ihr ansehen, daß sie nach geeigneten Formulierungen suchte, um dasAngebot vortragen zu können. Ich sollte nicht erfahren, worum es ging, obwohl iches längst wußte. Natürlich um Plasma, wahrscheinlich um Purtupf, für den ichmich immer stärker zu interessieren begann.

»Laß hören«, meinte Sitortode freundlich, er lehnte sich in seinem Sessel einwenig zurück. Das Signal kam an, Detomee runzelte die Stirn.

»Sehr begierig scheinst du nicht zu sein«, bemerkte sie spitz. »Um zur Sachezu kommen. Ich sehe eine Möglichkeit, den leidigen Engpaß wenigstens einwenig abzumildern. Das Unternehmen ist allerdings mit erheblichem finanziellemRisiko verbunden.«

»Das glaube ich gern«, meinte Sitortode freundlich. Sein Desinteresse warentweder echt oder hervorragend gespielt. Detomee jedenfalls zeigte sich vonseinen Antworten unangenehm überrascht.

»Du hast doch nicht etwa schon selbst…«, begann sie. Sitortode lächeltevielsagend.

»Ein Forscher meines Formats hat viele Möglichkeiten«, antwortete er mithörbarer Überheblichkeit. »Ich bin nicht gezwungen, auf jedes Wagniseinzugehen, wenn ich meine Verbindungen spielen lassen kann.«

Detomee warf mir einen abschätzigen Blick zu.»Du willst dich also nicht beteiligen«, fragte sie nach.»Nein«, antwortete Sitortode. »Ich gehe andere Wege als ihr.«

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»Dann brauchen wir uns ja wohl nicht länger zu unterhalten«, sagte Detomeeund stand auf. Sie wirkte ziemlich ratlos, als sie uns verließ. Sitortode sah ihr mithöhnischem Gesichtsausdruck nach, bevor er sich wieder zu mir umdrehte.

»Du scheinst sie wirklich nicht zu kennen«, meinte er nachdenklich. »Und duhast gehört, was ich ihr geantwortet habe. Wie also kommen wir ins Geschäft?Du hast gesehen, daß ich es ernst mit dir meine.«

»Ich habe kein Plasma zu verkaufen«, antwortete ich, um endlich Ruhe zuhaben. Die inneren Querelen dieses Planeten gingen mich nichts an, ich hatteauch keine Lust, mich in irgendwelche Intrigenspiele hineinziehen zu lassen. Beisolchen Aktionen zahlte man in der Regel drauf.

Sitortode stieß eine zuynamische Verwünschung aus.»Hör auf, mich hereinlegen zu wollen«, rief er. »Ich habe dich mit Detomee

reden hören, du verstehst etwas von unserem Gewerbe, das ist ganz offenkundig.Und dann mußt du auch wissen, wie man an Plasma herankommt. Ich habe michumgehört, angeblich hat Purtupf seit einiger Zeit auch nichts mehr an andereForschungswelten geliefert. Was also hat dein Besuch auf Zuynam zu bedeuten?Willst du uns aushorchen?«

Ich beschloß, bei dieser Ausrede zu bleiben.»So ist es«, gab ich nach verlegenem Zögern zu. »Auch bei uns ist das

Grundmaterial aufgezehrt, wir können einfach nicht mehr weiterarbeiten. Und dahat man sich bei uns überlegt, ob nicht vielleicht auf Zuynam etwas zu findenwäre. Schließlich genießt Zuynam einen gewissen Ruf in unseren Kreisen.«

Sitortode sah mich lauernd an.»Dann war es also kein Zufall, daß du meinen Weg gekreuzt hast«, stellte er

fest. »Du hast vorher schon gewußt, wer ich bin, und dich nach deiner Landungsofort mit dem bedeutendsten Forscher Zuynams in Verbindung gesetzt.«

Wenn man von der Summe seiner Fähigkeiten und Begabungen dieSelbstüberschätzung abzog, blieb am Ende ein Minus übrig. Ein derartaufgeblasener Hohlkopf war mir selten über den Weg gelaufen. Aber das hießnicht, daß man ihn nicht ernst zu nehmen brauchte. Wahrscheinlich war er einunerbittlicher Gegner, wenn er Grund dazu hatte.

»Es ist spät geworden«, sagte Sitortode nach einigen Zögern. »Überlege esdir, ob wir nicht zusammenarbeiten wollen. Es wird dein Schaden nicht sein.«

Sitortode stand auf. Er hatte mir einen großen Raum in seinem weitläufigenHaus als Gästezimmer zur Verfügung gestellt. Meine sogenannten Handlangerwaren inzwischen mit den ihnen übertragenen Arbeiten fertig geworden undwarteten auf mich, um mich bedienen zu können. Ich wartete, bis Sitortode dasZimmer verlassen hatte. Noch während ich seine Schritte auf dem Gang verhallenhören konnte, fragte ich Wasterjajn Kaz nach seinen Erkenntnissen.

Was er sagte, deckte sich weitgehend mit dem, was ich bereits wußte.

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Interessant war vor allem, daß sich die Nachricht von meinem Auftauchen beiSitortode herumgesprochen hatte, vor allem unter den Handlangern, die erheblichintensivere Kontakte untereinander hatten, als ihre Herren wohl annahmen.

»Das Wichtigste zuletzt«, sagte Wasterjajn Kaz langsam. »Mit dem tragbarenHyperfunkgerät habe ich kurz Kontakt zu ANIMA aufgenommen. Dhonat hat sichgemeldet. Die Verbindung war sehr schlecht, ich habe ihn kaum verstehenkönnen. Es sieht so aus, als wäre ANIMA angegriffen worden. Dhonat hat voneiner Gefahr gesprochen, aber er konnte nicht genau sagen, wie diese Gefahrbeschaffen war.«

»Und?« fragte ich.Wasterjajn Kaz wiegte die Köpfe.»Danach ist die Verbindung zusammengebrochen«, sagte er ziemlich

kläglich. »Mehr kann ich nicht berichten, ich hatte auch keine Gelegenheit, ANIMAein weiteres Mal anzufunken.«

Ich preßte die Lippen aufeinander. Diese Nachricht paßte mir gar nicht insKonzept. Das Material, das ich hatte sammeln können, wies nach, daß dieBewohner Zuynams nicht gerade Kämpfertypen waren, daher hatte ich mich inSicherheit gewiegt. Aber während ich mit Sitortode völlig zweckloseRedestunden verbracht hatte, war ANIMA angegriffen worden. Und im Augenblickkonnte ich nichts tun, um ihr zu helfen.

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5.

»Ich bin ganz sicher, daß er es ist«, behauptete Detomee energisch. »Ichhabe ihn getestet, er ist zweifelsfrei vom Fach, aber er arbeitet nicht auf Zuynam.Er kennt nicht einmal die einschlägige Standardfachliteratur unseres Planeten.«

»Und woher willst du wissen, daß er ausgerechnet Majbel ist?« wollte Olavvwissen. Er war ein wenig verwirrt, denn selbst in seinen kühnsten Träumen hatteer nicht damit gerechnet, daß eines Tages die vielumschwärmte Detomee auf derKante seines Bettes sitzen würde. Olavv fühlte sich ausgesprochen unbehaglichin dieser Situation. Er hatte fast den ganzen Abend damit verbracht, über Hunkle-Bha und dessen Angebot nachzudenken, und um endlich einschlafen zu können,hatte er sich einen kräftigen Schlummertrunk genehmigt. Jetzt war er leichtangeschlagen und wußte nicht, wie er dem Zusammentreffen die Peinlichkeitnehmen konnte.

»Überlege«, sagte Detomee. Sie nahm die Finger zu Hilfe. »Punkt eins:Hunkle-Bha meldet sich bei dir und hat ein sensationelles Angebot an Plasma,verbunden mit dem Risiko, daß einige der besten Forscher Zuynams sich beidiesem Handel völlig ruinieren. Praktisch zur gleichen Zeit taucht einPlanetenfremder auf, ein Forscher wie wir, ich habe da keine Zweifel. Es mußMajbel sein.«

Olavv richtete sich langsam auf und zog die Bettdecke enger um sich.Detomee hatte ein Fenster geöffnet, und von draußen blies es ziemlich kühlherein.

»Von Majbel berichtet man sich geradezu Wunderdinge«, sagte er fröstelnd.Immerhin half ihm der kalte Wind allmählich wieder etwas klarer zu werden. »Esheißt, daß Majbel an Geschöpfen arbeiten soll, die alles übertreffen, was manbisher gesehen hat.«

Detomee nickte.»Ich habe eine Probe seiner Arbeit gesehen«, verkündete sie. »Zuerst habe

ich meinen Augen nicht getraut, aber dann ließ es sich nicht mehr bezweifeln. Erhat ein Lebewesen mit Intelligenz erschaffen.«

»Das können andere auch«, behauptete Olavv. »Ich zum Beispiel…«Detomee winkte ab.»Ist auch eines mit zwei intelligenten Köpfen dabei?« fragte sie. »Ich habe so

etwas noch nicht fertiggebracht, nicht einmal ansatzweise. Und dieser Fremde, ernennt sich Atlan, wahrscheinlich ein Pseudonym, nimmt eine solche Kreation alsHandlanger mit auf Reisen, ganz nebenbei, als sei das völlig normal. Kannst dudir vorstellen, was dieser Forscher noch in der Hinterhand haben muß? Glaubemir, so einer hat es nicht nötig, bei Purtupf um Plasma zu schnorren, der

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bekommt, was er braucht.«Olavv schluckte.»Das meinst du nicht im Ernst«, stieß er erschüttert hervor.»Was erschreckt dich daran so sehr?« wollte sie wissen.Olavv stieß einen tiefen Seufzer aus.»Ich habe bereits abgeschlossen mit Hunkle-Bha«, offenbarte er, nun

hellwach. »Die Verträge mit meinen Banken sind unterschrieben, ich kann nichtmehr zurück. Das ist mein Ende. Wenn Sitortode über diesen Majbel an Plasmaherankommt, dann ist unser Geschäft mit Hunkle-Bha nichts mehr wert. Wir sinddann erledigt.«

Detomee wurde blaß. Daran hatte sie nicht gedacht.»Du hast recht«, sagte sie nach kurzem Zögern. »Los steh auf!«»Was hast du vor?« wollte Olavv wissen.»Wir müssen etwas unternehmen, bevor es zu spät ist«, sagte Detomee

entschlossen. »Jetzt stecken wir derartig in Schwierigkeiten, daß wir alles wagenmüssen, wenn wir nicht jämmerlich enden wollen.«

»Das ist mir durchaus klar!« behauptete Olavv. »Aber was genau willst dutun?«

Detomee setzte ein verwegenes Lächeln auf.»Wir werden ihn entführen.«» Du meinst doch nicht etwa…«»Doch«, sagte Detomee. »Wir werden uns diesen Atlan oder Majbel

schnappen. Und nun mach zu, wir haben keine Zeit zu verlieren.«Seufzend kroch Olavv aus dem Bett und zog sich an. Detomee hatte sich

unterdessen mit ihrer Wohnung in Verbindung gesetzt und ihre Handlangeralarmiert. In weniger als einer Stunde würden sie gesammelt bei Olavvs Hauseintreffen. Auch Olavv weckte seine Handlanger auf. Zusammen mit DetomeesPersonal kamen die beiden auf eine recht ansehnliche Einsatztruppe, insgesamtfast fünfzig Handlanger der unterschiedlichsten Erscheinungsform.

»Für Geheimniskrämerei ist jetzt nicht die richtige Zeit«, sagte Detomee.»Also, was hast du noch zu bieten an einsatzfertigen Produkten? IrgendeinBakterium, Würgepflanzen oder etwas, das wir brauchen können?«

»Ich muß erst nachsehen«, beeilte sich Olavv zu beteuern, der großeSchwierigkeiten hatte, mit Detomees Tempo fertig zu werden.

Eine Probe im Labor ergab, daß Olavv noch das eine oder andere Mittelhatte, das er in die Waagschale werfen konnte, wenn es hart auf hart ging. SeineGesichtszüge verfärbten sich, als Detomee ihn nach Waffen fragte.

»Nichts dergleichen«, sagte er heftig. »Ich bin Forscher, kein Kämpfer. Mitsolchem Zeug habe ich mich nie abgegeben. Es ist mir entschieden zugefährlich. Man kann nie wissen, was aus’ einem wird, wenn man mit solchen

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Mitteln arbeitet.«»Du hast die freie Wahl«, gab Detomee hart zurück. »Einsatz aller Mittel oder

Sklavenmarkt. Ich bin dafür, mich zu wehren. Vor allem, wenn es um einenErzhalunken wie Sitortode geht, der vor nichts zurückschreckt, wenn es um seineZiele geht.«

»Ich habe eine Betäubungswaffe«, gab Olavv schließlich zu. »Für den Fall,daß eines meiner Versuchsgeschöpfe renitent werden sollte. Aber bisher habeich das Ding nie gebraucht.«

»Dann wird heute vermutlich der Tag sein«, meinte Detomee und nahm dieWaffe an sich.

Im Garten hatten sich inzwischen die Handlanger versammelt. Detomeewinkte sie heran.

»Ich brauche ein paar Freiwillige für einen sehr gefährlichen Auftrag«, gab siebekannt. Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort:

»Für Einsatzbereitschaft und Verschwiegenheit werde ich mich erkenntlichzeigen.«

Sie kannte ihre Handlanger, und diese kannten ihre Arbeitgeberin. Detomeewar noch nie knauserig gewesen. Vor allem die als Sklaven angekauftenHandlanger drängten sich nach vorn. Sie hofften darauf, daß Detomee siefreigab, wenn der Einsatz abgeschlossen war.

»Habt ihr mitgebracht, was ich angefordert habe?« fragte Detomee. Einer derHandlanger, ein stämmiger Farther, trat vor und hielt das Glasbehältnis hoch.Eine goldfarbene Staubwolke wehte um die Blüte, die darin zu sehen war.

»Sehr gut«, meinte Detomee. »Damit kommen wir schon weiter. Ihr anderengeht nach Hause zurück und paßt auf, daß niemand kommt.«

Gehorsam trollten sich die Handlanger. Olavvs Leute blieben achtungsvollstehen. Detomee suchte drei kräftige Gestalten heraus und gab ihnenAnweisungen, einen Transporter fertig zu machen. Auch das geschah mit großerSchnelligkeit.

»Und das Zeug willst du wirklich mitnehmen?« fragte Olavv und sah auf denGlaskolben, den er in Detomees Auftrag aus seinem Labor geholt hatte.

»Es wird uns gute Dienste leisten«, antwortete Detomee. »Und nun kommt.«Der Transporter war startklar. Ein wenig verwundert stellte Olavv fest, daß

Detomee die gesamte Ladefläche hatte abdichten lassen. Fast einen Meter hochschwappte in dem Laderaum das Wasser. Am Arbeitsgeräusch desGleitermotors ließ sich ablesen, daß das Fahrzeug für solche Aufgaben eigentlichnicht gedacht war.

»Was, bei allen Göttern, hast du vor?« fragte Olavv. Nach dem ersten Schockkehrte nun die Wirkung des Schlummertrunks zurück. Auch Olavvs Gang war nichtmehr der sicherste.

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»Warte es ab«, sagte Detomee kurz angebunden. Sie hatte begriffen, daß sieden eigentlichen Teil der Arbeit selbst würde erledigen müssen. Auf Olavv war indieser Lage kein Verlaß. Mit nicht geringer Verwunderung stellte sie fest, daß esfür sie bei weitem nicht so schwerwiegende Gründe für dieses Unternehmen gabwie für Olavv. Während Detomee sich auf den Sitz des Fahrers setzte, begannsie sich verwundert zu fragen, warum sie das für Olavv tat. Der Gedanke, in Olavvverliebt zu sein, war naheliegend, erschien ihr aber seltsam absurd. Olavv machtegerade an diesem Abend keinen sonderlich anziehenden Eindruck, eher einenreichlich hilflosen. Detomee beschloß, die Lösung dieser Frage auf spätereZeiten zu vertagen.

Der Gleiter ruckte an. Heftig klatschte das Wasser im Laderaum gegen dieTrennwand zwischen Lastraum und Fahrerkabine. Der ganze Gleiter wurde vondieser Bewegung ergriffen und schwankte heftig.

Detomee war noch nie eine gute Gleiterpilotin gewesen; an diesem Abendübertraf sie sich selbst. Olavv kam aus dem Schwitzen nicht mehr heraus. Mitverglastem Blick sah er zu, wie Detomee mit höchster Geschwindigkeit durch dienächtlichen Straßen raste, alle Verkehrsregeln mißachtete und dem Gleiter allesabverlangte, was die Maschinen nur hergaben.

»Du scheinst es sehr eilig zu haben«, wagte er einmal einzuwenden, als dasFahrzeug Anstalten machte, sich auf die Seite zu legen und von der Fahrbahn zustürzen. Detomee bedachte ihn mit einem verweisenden Blick, danach hielt Olavvvorsichtshalber den Atem an, wenn eine Kurve erreicht war.

Normalerweise brauchte man eine… Stunde von Olavvs Behausung bis zuSitortodes aufwendiger Unterkunft. Detomee schaffte es in einem Drittel der Zeit.Sie stellte den Gleiter ein paar hundert Schritt von Sitortode Haus entfernt ab.

»Komm«, sagte sie und stieg aus.»Muß das wirklich sein?« erkundigte sich Olavv, der einen auffällig käsigen

Eindruck machte.»Wenn du lieber Sklave werden willst, dann nur zu. Ich kenne jemanden, der

fast jeden Preis bezahlen würde, um dich zu kaufen. Und was dieser Jemand mitdir anstellen wird, wenn er erst freie Verfügungsgewalt über dich hat, und dazunoch bei dieser Plasmanot… muß ich ins Detail gehen?«

Die Vorstellung, ausgerechnet von Sitortode für irgendwelche Bio-Experimente verwendet zu werden, entsetzte Olavv so sehr, daß er zum zweitenMal an diesem Abend mit einem Schlag wieder nüchtern wurde.

»Ich komme«, sagte er hastig.Detomee schlich mit einer Gewandtheit auf das Haus zu, daß Olavv sich zu

fragen begann, ob Detomee nicht entschieden zuviel Übung in dieser Kunst hatte.Augenscheinlich war sie nicht zum ersten Mal in dieser Art unterwegs.

»Sie schlafen alle«, sagte Detomee leise.

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Keines der Fenster war erleuchtet, nur ein paar Leuchtkörper im Gartenbrannten noch. Das war kein Zufall, Detomee entdeckte sofort den Käferkäfig inder Nähe der Lampe. Sitortode lockte mit dem Licht Insekten an, mit denen erspäter herumexperimentieren konnte, ein Zeichen, wie tief er schon gesunkenwar, wenn er sich damit zufriedengeben mußte.

»Hm«, machte Detomee. Der Anblick der Insektenfalle brachte sie auf einenGedanken. In ihrer Ausrüstung befand sich ein hochwirksamesSchnellwuchspräparat. Sitortode hatte dessen Wirkung schon einmal studierendürfen. Detomee zupfte ein paar wilde Beeren vom nächstbesten Strauch,tauchte sie kurz in die Flüssigkeit und ließ sie dann in die Falle kullern.

Wie sie nicht anders erwartet hatte, fielen die Insekten sofort darüber her.Detomee lächelte zufrieden. Sitortodes Beschäftigung war für die nächstenStunden gesichert.

Auf weichen Sohlen tappte sie weiter. Sie schlich einmal um das Haus herum,den verängstigten Olavv hinter sich wie einen Schatten. Im Innern war es ruhig.

»Dort muß Majbel schlafen«, stellte Detomee fest und deutete auf ein Fenster.»Woher weißt du das?« wollte Olavv wissen.Detomee gab keine Antwort. Sie wußte es, weil sie Sitortodes Abneigung

gegen Frischluft kannte, und dieses Fenster stand weit offen. Die Antwort aufOlavvs Frage hätte folgerichtig die nächste Frage nach sich gezogen, woherDetomee diese Lebensgewohnheit von Sitortode kannte, und dann hätteDetomee entweder lügen müssen oder eingestehen, daß sie vor langer Zeiteinmal ein Verhältnis mit Sitortode gehabt hatte. Der Vorfall lag lange zurück, undnicht zuletzt das Tohuwabohu des Auseinandergehens war Ursache für den Zwistzwischen Detomee und Sitortode, der es nie verwunden hatte, daß es Detomeeund nicht er gewesen war, der die Beziehung hatte enden lassen.

Detomee griff zu der Betäubungswaffe, die in ihrem Gürtel steckte. Olavv rißdie Augen weit auf und wollte danach greifen, aber eine energischeKörperdrehung Detomees und ein warnender Blick ließen ihn zurückprallen.

Detomee schlich sich an das Fenster heran. Vorsichtig spähte sie ins Innere.Da war der Fremde und schlief friedlich.Detomee hob die Waffe und drückte ab. Der Fremde bäumte sich einmal kurz

auf und sackte dann zusammen. Detomee winkte ein paar ihrer Handlanger zusich.

»Seid leise. Niemand darf euch hören!« warnte Detomee. »Schafft ihnheraus.«

»Das ist verboten, Herrin«, wagte einer der Handlanger zu bemerken. »Wennman uns erwischt…«

»Wenn nicht, seid ihr frei«, meinte Detomee.Es dauerte nicht lange, bis der ziemlich kurz gewachsene Fremde auf dem

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Rasen neben dem Haus lag. Er gefiel Detomee überhaupt nicht, aber auf dasAussehen kam es jetzt nicht an.

»Schafft ihn zum Gleiter«, bestimmte sie. Die Handlanger nahmen denreglosen Körper auf und trugen ihn fort. Detomee folgte ihnen, nicht ohne ein paarihrer Mitbringsel in Sitortodes Garten ausgestreut zu haben.

Die Pflanze mit dem goldfarbenen Blütenstaub bekam einen Standort, beidem der Wind die feinen Staubfahnen langsam zum Haus hinüberwehte. ZumAbschied beträufelte Detomee ihr Gastgeschenk noch mit demSchnellwuchsmittel, dann machte sie sich davon. Sitortode würde ein paarÜberraschungen erleben, wenn er aufwachte – und das würde so bald nicht derFall sein.

Der goldfarbene Blütenstaub von Detomees Kreation hatte eine starkbetäubende Wirkung. Wer ihn einatmete, verfiel in tiefen, traumreichen Schlaf.Die Träume dieses Schlafes waren außergewöhnlich farbenprächtig undberauschend, und so war es nicht verwunderlich, daß Detomee ihre Versuche mitdieser Pflanze mit größter Vorsicht betrieben hatte. Das Schnellwuchsmittelwürde dafür sorgen, daß Sitortode mindestens einen Tag lang nicht erwachte,und da die Pflanze für solche rabiate Kuren nicht gedacht war, würde er beimErwachen nur ein paar verdorrte Blätter mehr in seinem Garten finden.

»Und nun?« fragte Olavv. Detomee kniete neben Majbel nieder und nahm denKolben zur Hand, den Olavv die ganze Zeit über wie seinen Augapfel gehütethatte.

»Tu das nicht!« warnte Olavv, aber Detomee hatte bereits ein paar Tropfender irisierenden Flüssigkeit in den Mund des Bewußtlosen geschüttet. Erneutwurde der Körper von Zuckungen durchlaufen und erstarrte dann wieder.

»Ins Wasser mit ihm«, ordnete Detomee an. Majbels Körper versank imWasser des Laderaums und verschwand völlig darin.

»Die Wirkung wird aber nicht lange anhalten«, warnte Olavv eindringlich.»Lange genug«, gab Detomee zurück.Wasserpflanzen, mit dem Schnellwuchsmittel bearbeitet, brauchten nur eine

knappe halbe Stunde, um die Oberfläche des transportablen Beckens mit einerdicken Schicht prächtiger Blüten zu bedecken. Detomee konnte sie während derFahrt wachsen sehen. Danach war von dem Fremden nicht mehr das geringstezu erkennen.

»Nun zu Akt zwei«, ordnete Detomee an. »Hast du eine Ahnung, wo in derNähe deines Hauses die nächste Streife des Ordnungsdiensts Patrouille macht?«

Glavvs Augen schienen bei dieser Frage hervorquellen zu wollen. Er strecktebeide Arme weit von sich.

»Du mußt völlig verrückt geworden sein«, stieß er hervor. »Das letzte, was wir

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uns jetzt erlauben dürfen, ist eine Kontrolle durch den Ordnungsdienst.«»Es ist das Wichtigste überhaupt«, entgegnete Detomee. Auf dem Rückweg

fuhr sie erheblich disziplinierter, aber das änderte sich, je weiter sich der Gleitervon Sitortodes Haus entfernte. In der Nähe von Olavvs Unterkunft verlangsamteDetomee die Fahrt. Schließlich hielt sie sogar an, ein paar tausend Schritte vonOlavvs Haus entfernt.

»Beim Erleuchteten«, stieß Olavv schreckweiß hervor, »das hat uns nochgefehlt, eine Streife. Und sie kommen genau auf uns zu.«

»Ruhe bewahren, nur keine Panik«, sagte Detomee beschwörend.»Sie werden uns kontrollieren. Sie werden den Körper finden, und dann…«»Keine Panik«, sagte Detomee abermals. Sie drehte sich um, und dann

wurden Olavvs Augen noch größer, als Detomee sanft ihre Nase an der seinen zureiben begann. Mit derlei Intimitäten in einem solchen Augenblick hatte er nichtgerechnet.

Zu ihrer Verwunderung bemerkte Detomee, daß sie über ihrer Beschäftigungdie näher kommende Streife völlig vergaß und tatsächlich ein wenig erschrak, alssie angesprochen wurde.

»Was macht ihr hier«, erklang eine befehlsgewohnte Stimme. Detomeetrennte sich von Olavv, der wie hypnotisiert dreinsah.

»Ähem«, machte Detomee verlegen. Es waren zwei Ordnungsdienstler, diedie Lage sofort erkannt hatten und anzüglich grinsten. »Wir, also wir…«

»Stell keine dummen Fragen, Artaff«, mischte sich der zweiteOrdnungsdienstler ein. »Du hast schließlich Augen im Kopf. Die Dokumente,wenn ich bitten darf.«

Immer noch verlegen, nestelte Detomee ihre Identitätskarte hervor und gabsie dem Ordnungsdienstler, der sie routinemäßig in seiner Kontrollpositronikverschwinden ließ. Nach kurzer Zeit leuchte eine orangefarbene Lampe auf undsignalisierte, daß gegen Detomee kein Haftbefehl vorlag. OlavvsIdentitätsprüfung dauerte etwas länger, weil er in seiner Verlegenheit mehrereMinuten brauchte, bis er die Karte gefunden hatte. Das Ergebnis war identisch.

»Steht nicht hier herum. Schließlich gibt es auch Häuser«, meinte Artaffmürrisch und winkte Detomee von der Straße. Detomee ließ den Gleiter langsamanfahren, und die Streife blieb zurück.

»Wie bist du nur auf diese Idee gekommen«, wollte Olavv wissen und wischtesich den Schweiß von der Stirn.

»Natürlich werden die Daten von dieser Kontrolle ein paar Wochen langgespeichert bleiben«, antwortete Detomee. »Und ebenso selbstverständlich wirdSitortode seine Verbindungen spielen lassen. Wenn er das Verschwinden seinesGastes bemerkt, wird er zuerst an uns beide denken. Und dank seinerhervorragenden Verbindungen wird er dann feststellen, daß wir beide hier

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gesehen worden sind, weitab von seinem Haus. So bekommen wir unser Alibi.«»Ach so, darum«, murmelte Olavv enttäuscht. Detomee lachte.»Vorwärts«, sagte sie. »Wir haben noch allerhand zu tun.«

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6.

Einen Kater wie diesen hatte ich seit sehr langer Zeit nicht mehr gehabt. Inmeinem Schädel schienen Impulstriebwerke zu toben. Ich wollte einen Seufzerausstoßen, aber meine Stimmbänder versagten. Statt dessen spürte ich, wie mirein Schwall Wasser durch den Mund spülte. Unwillkürlich versuchte ich den Atemanzuhalten, aber das ging nicht.

»Du kannst unter Wasser atmen, kein Grund zur Panik«, gab das Extrahirndurch. Ich begriff gar nichts mehr. Vorsichtig öffnete ich die Augen.

Unmittelbar über meinem Gesicht schwankten weiße Fäden langsam hin undher, dazwischen waren grüne Flächen zu sehen, und ich erkannte, daß ich mirirgendwelche Wasserpflanzen von unten ansah. Die Schmerzen in meinenGliedern und die knappe Zusatzinformation des Extrahirns ließen mich begreifen.Ich war mit einer Betäubungswaffe ausgeschaltet und dann in einen Teichgeworfen worden. Und ganz offenkundig konnte ich unter Wasser tatsächlichleben.

Ich wußte, daß dergleichen möglich war. Auf der Erde – wie lange lag dasschon zurück? – - hatten Forscher es fertiggebracht, durch bestimmteMedikamente Mäuse dazu zu befähigen, unter Wasser leben zu können. Inentsprechend Sauerstoff reichem Wasser konnten die Lungen aus dem Wasserebensoviel Sauerstoff aufnehmen wie aus Atemluft. Aber niemals war meinesWissens versucht worden, ein solches Experiment mit einem Menschen zuwagen.

Am eigenen Leib mußte ich erfahren, daß es durchaus möglich war, einenMenschen zum Unterwasserwesen umzugestalten. Nachdem sich mein ersterSchrecken gelegt hatte, fand ich den Aufenthalt im Wasser gar nicht einmalunangenehm.

Ich drehte den Kopf zur Seite und sah grünliche Kacheln. Offenbar hatte manmich in einem Becken untergebracht. Aber wer war »man«? Unwillkürlich dachteich an die junge Zuynamerin, die ich bei Sitortode gesehen hatte. Außer ihr…

Ich verbesserte mich. Von Wasterjajn Kaz wußte ich, daß mein Auftauchen beiSitortode sich herumgesprochen hatte. Nicht nur Detomee wußte, daß ichSitortodes Gast war, auch andere Bio-Brüter waren darüber informiert. Jederkam in Frage; und das machte mein Los keineswegs besser. Es sah ganzdanach aus, als hätte ich die Kontrolle über mein Handeln längst verloren undwäre zum hilflosen Spielball fremder Interessen geworden.

Langsam richtete ich mich auf. Ich wollte die Wasserpflanzen ein Stück zurSeite schieben und mir die Umgebung ansehen. Außerdem wollte ichherausfinden, ob es mir möglich war, meinen Status als Unterwassermensch aus

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eigener Kraft zu ändern.Meine Hände fanden den Rand des Beckens, ich zog mich in die Höhe. Die

Wurzeln der Pflanzen bedeckten meinen Kopf, den ich sehr vorsichtig in die Höhestreckte.

Fehlschlag.Ein wütender Hustenanfall ließ mich in mein Gefängnis zurücksinken. Meine

Lungen vertrugen die Normalluft nicht mehr. Vorerst war ich gezwungen, meinAmphibienleben weiterzuführen. Immerhin hatte ich sehen können, daß ich ineinem Labor gelandet war. Die Fensteröffnungen hoch unter der Decke verrieten,daß es im Keller lag. An den Wänden hatte ich unheilverkündende Gerätschaftensehen können: Skalpelle, Scheren, Sägen und dergleichen mehr, und die sterileAtmosphäre des Raumes ließ mich noch mehr an einen Leichenkeller denken.

Noch einmal versuchte ich mich selbst zu befreien, aber nach einemneuerlichen Erstickungsanfall gab ich auf. Mir blieb nichts anderes übrig, als zuwarten und die Nachwirkungen des Betäubungsschusses zu durchleiden.

Nach meiner Schätzung hatte ich so zwei Stunden verbracht, und meinSchädel fühlte sich allmählich wieder einigermaßen normal an, als das Geräuscheiner Tür erklang, die geöffnet und geschlossen wurde. Schritte näherten sich mir.Es waren zwei Personen, die sich über das Becken beugten.

Trotz der Verzerrung durch das optisch andere Medium Wasser erkannte ichDetomee, die durch eine Lücke im Pflanzenbewuchs auf mich herabsah.

»Wir werden uns nun unterhalten«, erklang es aus einem kleinenLautsprecher im Becken. Auch die Stimme klang ganz anders, als ich sie inErinnerung hatte. »Du kannst mit Handzeichen antworten, mit Ja oder Nein. Bistdu bereit?«

Ich verneinte sofort.Detomees Gesichtszüge wurden von den leichten Bewegungen des Wassers

stark verzerrt.»Wir haben auch andere Mittel«, sagte Detomee.»Wir können beispielsweise das Wasser allmählich ablassen.«»Ich bin sicher, du hast schon ausprobiert, wie es ist, wenn du den Kopf aus

dem Wasser steckst.«Mit Handzeichen versuchte ich Detomee verständlich zu machen, daß bei

dieser Befragung herzlich wenig herauskam, wenn als Antworten nur Ja oderNein möglich waren.

Sie schien das zu begreifen. Die beiden Köpfe verschwanden. Von demDialog über mir bekam ich nur verschwommene Fetzen mit. Es klang, als wärendie beiden Zuynamer in Streit geraten.

Wenig später erschien Detomee wieder. Sie ließ eine Schreibtafel insWasser gleiten, dazu einen Spezialstift, mit dem ich auf dieser Tafel schreiben

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konnte. So ließ sich eine Unterhaltung schon leichter führen.Das Ergebnis sah so aus, wie ich es befürchtet hatte. Die beiden Zuynamer

waren so fixiert auf das Thema Bio-Plasma, daß sie jede abweichende Auskunftvon mir schlichtweg als Lüge abtaten. Und ich hatte keine Lust, meine Kartenaufzudecken und den beiden zu verraten, was ich in ihrem Sonnensystem zusuchen hatte.

Meine anfängliche Besorgnis wich sehr bald. Detomee und ihr Partner hattensich ein solches Verhör wohl ganz anders vorgestellt, und sie kamen mit meinenAntworten nicht zurecht. Nach drei Stunden ergebnisloser Fragerei gaben diebeiden auf.

»Ich habe Hunger«, teilte ich mit. »Wenn ich nicht bald etwas zu essenbekomme, werde ich das Bewußtsein verlieren.«

Ich lieferte dieser Lüge noch eine hochwissenschaftlich klingendeBegründung nach, und sie schluckten die Informationen. Trotz allerKommunikationshindernisse war nicht zu übersehen, daß ihnen das ganzeAbenteuer über den Kopf zu wachsen begann. Wieder hörte ich sie erregtdiskutieren.

»Wir werden dich wieder in die normale Umgebung zurückbefördern«,versprach Detomee schließlich. »Wenn du uns versprichst, keinen Fluchtversuchzu unternehmen.«

Ich hatte keine Lust, auf solche Erpressungen einzugehen. Statt dessenbeschäftigte ich mich damit, den beiden Krämpfe und Ohnmachtsanfällevorzutäuschen. Wasser spritzte hoch auf, als ich in dem Becken zu rasen und zutoben begann, dann schlaff zusammensackte und mich wieder aufbäumte.

Ohne eine Antwort auf ihre Forderung abzuwarten, machten die beiden sichan die Arbeit. Eine bestimmte Droge sollte meine Atmung ein zweites Malumstellen.

Die Krämpfe und Anfälle der nächsten Stunde brauchte ich nicht zusimulieren. Es war eine Tortur höchsten Grades, der ich mich unterziehen mußte.Mein Körper revoltierte gegen die biochemische Mißhandlung, die ihm angetanwurde, und hätte ich nicht einige Entspannungs- und Konzentrationstechnikenangewandt, die ich auf der Erde gelernt hatte, wäre die Prozedur nochschmerzlicher verlaufen.

Als ich endlich wieder zur Ruhe kam, war ich völlig erschöpft. Dennoch gönnteich mir keine Ruhe. Ich mußte etwas unternehmen, um wieder Kontakt zu meinenGefährten aufnehmen zu können. Sie waren noch in Sitortodes Hand, und dortwollte ich sie keinesfalls lassen.

*

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Sitortode mußte sich an der Türzarge festhalten, um nicht umzufallen. SeineKnie zitterten, sein Herz schlug rasend schnell. Nur mit äußersterWillensanstrengung vermochte er sich gegen die Traumbilder zu wehren, diedurch seinen Schädel wogten. Mit aller Kraft kämpfte er gegen die Versuchungan, sich irgendwo zusammenzurollen und zu schlafen.

Vor zehn Minuten war er erwacht, und ein Blick auf seine Uhr hatte ihmverraten, daß etwas mit ihm geschehen sein mußte. Der Schock hatteausgereicht, ihn mit einem Schlag hellwach werden zu lassen, wenn auch nur fürkurze Zeit.

Sitortode brach in die Knie. Er zog sich wieder in die Höhe. Er mußteschnellstens ins Labor. Nur dort gab es vielleicht eine Möglichkeit, die Wirkungder Droge abzumildern oder gar aufzuheben.

Sitortode bemühte sich, möglichst flach zu atmen. Überall in seinem Haushing goldfarbener Staub in der Luft, und Sitortode war Wissenschaftler genug, ihnsofort als gefährlich einzustufen.

Die Tür zum Labor schwang auf. Sitortode machte einen Schritt und fiel fast inden Raum hinein. Mit letzter Kraft schaffte er es, die Tür wieder zufallen zu lassenund die Lufterneuerung einzuschalten, dann brach er zusammen.

Vier Stunden später kehrte er aus dem Reich der Träume zurück. Dashermetisch abgeriegelte Labor war nahezu frei von Blütenstaub gewesen, unddie wenigen Schwaden des Traumpulvers waren von den Filtern derLufterneuerung abgesaugt worden.

»Detomee«, stieß Sitortode wütend hervor. Es gab nur diese eine Erklärungfür seinen Zustand.

Zur Ausrüstung des Labors gehörten selbstverständlichAtemschutzvorrichtungen. Ab und zu arbeitete Sitortode bei seinen Experimentenmit giftigen Dämpfen und anderen riskanten Stoffen. Der kleinste Fehler konnteverhängnisvoll werden. Sitortode hatte da einschlägige Erfahrungen.

Er nahm eine Schutzmaske und zog sie über, dann erst verließ er das Laborund sah sich in seinem Haus um. Es sah dort aus, wie er es erwartet hatte –seine Handlanger lagen in tiefem Schlaf, auch die Gefährten Atlans schliefen.Das Gästezimmer aber war leer.

»Das wirst du büßen, Detomee«, stieß Sitortode wütend hervor. Er warf einenBlick aus dem Fenster, und was er dort zu sehen bekam, reizte ihn noch mehr.Wütend ballte er die Fäuste.

Detomee verstand ihr Handwerk, das mußte Sitortode neidvoll anerkennen.Sein Garten war eine Ruine, der Erfolg jahrelanger Bemühungen war in einerNacht vernichtet worden. Von den Ziersträuchern waren gerade noch Strünke zuerkennen, die Bäume hatten weder Blätter noch Nadeln. Statt dessen tummeltensich Hunderte von faustgroßen Insekten auf dem Boden, unterarmlange Raupen

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krochen über alles hinweg, was freßbar war, und das einzige Grünzeug, dasdiese lästigen Krabbler verschont hatten, war eine rankenreiche Dornenpflanze,die zwei Drittel von Sitortodes Grundstück bereits überwuchert hatte. Es würdeTage kosten, das Zeug zu entfernen, und Monate würden vergehen müssen, bisdas Gelände wieder einen einigermaßen vorzeigbaren Eindruck machte.

Sitortode löste Alarm aus. Es gab diesen Spezialalarm in jedem Labor, inzwei verschiedenen Versionen. Die eine betraf den Forscher und sein Laborselbst, der zweite Alarm rief außerdem den Ordnungsdienst zu Hilfe. Sitortodehatte sich für die erste Variante entschieden.

Automatisch wurden alle Ausgänge des Hauses luftdicht verriegelt.Gleichzeitig sprang eine spezielle Lüftung an, die aus der umlaufenden Luft jedenFremdkörper herausfilterte und sofort dem Konverter zuführte. Auf diese Weisesollte im Notfall erreicht werden, daß ein zufällig freigesetztes gefährlichesBakterium keine Chance hatte, in die Außenwelt zu entweichen. Außerdemwurden von der Automatik alle Räume mit einer ionisierenden Strahlung geflutet,die sämtliche Kleinlebewesen tötete, einschließlich der normalen Bakterienflora,die beispielsweise auf Sitortodes Haut zu finden war.

Sitortode biß die Zähne aufeinander. Obwohl die Strahlung unsichtbar war,griff sie den Körper doch erheblich an. Es war ein feiner, sehr lästiger Schmerz,aber er gehörte unausweichlich zu dem Programm. Der Alarm dauerte eine halbeStunde lang, dann konnte Sitortode sicher sein, daß von dem hypnotisierendenBlütenstaub kein Molekül mehr in der Luft herumschwirrte.

Sitortode benutzte die Wartezeit, um einen Plan zu schmieden. DieseSchmach würde er nicht auf sich sitzen lassen. Daß Detomee den Kollegen voneiner anderen Welt einfach entführt hatte, war eine Ungeheuerlichkeit.

»Aber warum?« fragte sich Sitortode. Welche Informationen hatte Detomeebesessen, die Sitortode verborgen geblieben waren? Atlan hatte doch immerwieder beteuert, an der Plasmanot nichts ändern zu können. Was hatte er dannfür einen Wert für Detomee?

»Majbel«, murmelte Sitortode schließlich. Es war die einzig denkbareErklärung für Detomees Anschlag. Und es gab auch nur einen einzigen Grund,warum Detomee zu solchen Mitteln griff. Alles drehte sich um Plasma, und wennDetomee solche Aktionen durchführte, dann mußte sie schon sehr sicher sein, ihrZiel erreichen zu können. Das Risiko, das Detomee dabei einging, warabenteuerlich hoch.

Sitortode wußte, daß er ebenfalls keine andere Wahl mehr hatte als die, aktiveinzugreifen. Der infame Bio-Angriff von Detomee hatte Sitortodes Rufangeschlagen und einen Teil seines Vermögens vernichtet. Wenn Detomee jetztauch noch an Plasma herankam…es war nicht auszudenken.

Der Bio-Brüter erwog seine Möglichkeiten. Obwohl ihn der Gedanke

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überhaupt nicht erfreute, kam er zu dem Schluß, daß es nur noch einen Ort gab,an dem er seine Pläne verwirklichen konnte. Auf der Oberfläche von Zuynam, woes von Ordnungsdienstlern wimmelte, gab es dafür keine Chance, nur imWeltraum.

Allmählich kamen auch die Handlanger in Sitortodes Haushalt wieder zu sich.Zwei hatten die Desinfektion nur mit viel Glück lebend überstanden und fielen alsHilfskräfte aus. Den anderen gab Sitortode seine Anweisungen.

Die Begleiter von Atlan hatte Sitortode eingesperrt. Mit einemBetäubungsgas setzte er sie außer Gefecht. Handlanger brachten die drei an denvereinbarten Treffpunkt. Der erste Teil von Sitortodes Plan war damit in dieWirklichkeit umgesetzt.

Der zweite Abschnitt war erheblich riskanter. Sitortode mußte alles aufs Spielsetzen. Entweder gewann er dieses Spiel, dann war ihm der Rang als führenderForscher Zuynams nicht mehr zu nehmen, oder er verlor alles, vielleicht sogar dasLeben.

*

»Ich kann es einfach nicht glauben«, stieß Detomee hervor. Ihr Gesichtdrückte Fassungslosigkeit aus.

»Es ist so«, antwortete ich ruhig.Im Augenblick taten mir die beiden fast leid, sie waren völlig erschüttert. Der

riskante Einsatz war vergeblich gewesen. Es gab bei mir kein Plasma zu holen.»Sitortode hat mir nicht glauben wollen«, fuhr ich fort. »Und seine falsche

Zuversicht hat euch geblendet.«»Er wird alles daran setzen, dich wieder in seine Gewalt zu bringen«, sagte

Olavv bedrückt. »Ich kenne Sitortode. Wenn er gereizt ist, bringt er alles fertig.«»Es wird doch wohl eine Ordnungsmacht auf Zuynam geben, die ihm das

Handwerk legen kann«, sagte ich.Dank des Zellaktivators hatte ich mich von dem nächtlichen Abenteuer recht

gut erholt, allerdings machte ich’ mir jetzt Sorgen um Wasterjajn Kaz und diebeiden Kjokerinnen. Sie waren noch bei Sitortode, und es bedurfte nur geringerMühe, sie als Faustpfänder gegen mich einzusetzen.

Die Lage, in der wir uns befanden, war geradezu aberwitzig, eine einzigeKette von Mißverständnissen und Fehlspekulationen. Leider hatte diesesMißverständnis inzwischen das Ausmaß einer sich selbst erfüllendenProphezeiung erreicht und war daher nicht mehr so leicht aus der Welt zuschaffen. Allein hätte ich es vielleicht noch geschafft, Sitortode von meinerWertlosigkeit für ihn zu überzeugen, aber nach den Aktionen von Detomee undOlavv war damit nicht mehr zu rechnen.

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»Wir könnten ihn über den Kommunikator anrufen und ihm dasMißverständnis erklären«, meinte Olavv. Detomee sah ihn an und machte eineGeste der Verneinung.

»Er wird uns niemals glauben«, sagte sie matt. »Unsere Lage isthoffnungslos.«

»Uns bleibt immer noch Hunkle-Bha«, warf Olavv ein.Detomee richtete sich auf. Sie nickte langsam.»Das stimmt«, sagte sie leise und nachdenklich. »Du hast recht, noch ist nicht

alles verloren. Und wenn wir Sitortode zum Ausgleich für den Schaden etwas vondem Material überlassen…? Ob er sich damit zufriedengeben wird?«

»Bestimmt«, behauptete Olavv zuversichtlich.Ich hörte nur mit halber Aufmerksamkeit hin, weil ich zugleich an meine

Freunde in Sitortodes Hand denken mußte und an das noch immer ungeklärteSchicksal von Dhonat und ANIMA. Hätte ich an dieser Stelle aufmerksamerhingehört, wäre mir wahrscheinlich mancher nachfolgende Ärger erspartgeblieben. So aber geriet ich in einen Strudel von Ereignissen, die mich mehr alseinmal in Gefahr bringen sollten.

»Ich rufe Sitortode an«, sagte Detomee entschlossen. Sie stand auf und gingzum Kommunikator hinüber. Der Blick, mit dem Olavv ihren Bewegungen folgte,war bezeichnend.

In dem allgemeinen Getümmel gab es offensichtlich auch eine zarteRomanze. Olavvs Gesichtsausdruck hatte etwas Verklärtes.

»Er meldet sich nicht«, sagte Detomee nach etlichen Versuchen. Sie furchtedie Stirn.

»Vielleicht liegt er noch schlafend in seinem Labor herum«, vermutete Olavv.Detomee sah auf die Uhr und schüttelte den Kopf.

»Das glaube ich nicht«, murmelte sie. »Aber ausgeschlossen ist es nicht.Wollen wir hinfahren?«

Die Lösung war einfach und naheliegend. Ich stimmte ihr zu. Es war dereleganteste Weg, aus der Sache wieder herauszukommen, ohne weiterenSchaden anzurichten. Ich hatte auch längst eingesehen, daß ich auf diesemPlaneten keine grundlegend neuen Erkenntnisse über Janzonborr und Yog-Mann-Yog würde gewinnen können. Die Bio-Brüter von Zuynam waren ausgesprocheneFachidioten, die sich nur für das interessierten, was unmittelbar mit ihrerForschung zusammenhing. Für übergreifende Zusammenhänge hatten sie keineZeit.

Das Phänomen war mir nicht neu. Ich hatte es auf Arkon, auf der Erde und anvielen anderen Orten kennengelernt. Wissenschaftler dieser Art warenÜberzeugungstäter; sie hingen mit jeder Faser an ihrer Arbeit. IhreForschungsergebnisse aus anderen Gründen in Frage zu stellen, dazu waren sie

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nicht fähig, es hätte die Arbeit eines ganzen Lebens völlig entwertet. Hinzu kam,daß Spitzenforschung in fast allen Gesellschaftssystemen, die ich kannte, miteiner Gloriole umgeben war. Es war das Bild des einsamen Genies, das anvorderster Front der Forschung den Kenntnisstand des Volkes erweitert. Von daaus zu der entsetzlichen Einsicht zu kommen, als nützlicher Idiot irgendwelcherskrupelloser Machthaber entscheidend am Unglück ganzer Völker beteiligt zusein, war ein zu weiter Weg für die meisten Betroffenen. Und das galtinsbesondere dann, wenn der Forschungsgegenstand auf den ersten Blicklebensfreundlich und fortschrittlich aussah, wie zum Beispiel bei Forschungen,wie sie die Bio-Brüter von Zuynam betrieben.

Es gab aber auch Forscher, die all das kannten und dennoch keine Skrupelkannten, wenn es um ihre Arbeit ging – beispielsweise Sitortode.

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7.

Wir traten aus dem Haus. Es dämmerte schon, und in der Ferne konnte mandie gelbweiße Scheibe der Sonne den Horizont berühren sehen. Über Bolercstrich ein kühler Wind. Detomees Gleiter, nun ohne Transportbecken für mich,stand vor dem Haus.

»Ein bemerkenswert schönes Haus«, lobte ich. Das Schlangengebäudegefiel mir, vor allem die glitzernden Reflexe, die Licht und Wind über dieOberfläche des Hauses zittern ließen.

»Ein herrliches Gebäude«, lobte auch Olavv.Unser Ziel war Sitortodes Haus. Noch zweimal hatte Detomee versucht, ihren

Kollegen zu erreichen, aber Sitortode war nicht an den Apparat gegangen.Allmählich begann sich Detomee Sorgen zu machen, ob sie mit ihren Züchtungenin Sitortodes Garten nicht zu weit gegangen war und dem Forscher womöglichgeschadet hatte.

In diesem Bezirk von Bolerc war es ruhig. Verkehrslärm war nicht zu hören.Als privilegierte Forscherin wohnte Detomee in einer Region, die sehr dünnbesiedelt war. Die einzelnen Gebäude, meist Kombinationen von Wohnhaus undLabor, waren in der Regel mindestens einen Kilometer voneinander entfernt.Weniger bedeutende Forscher wohnten in anderen Bezirken enger aneinander,und die wissenschaftliche Unterschicht war in den Stadtzentrenzusammengepfercht, in denen sich Wohnsilos und Forschungskasernenaneinanderreihten. Ich hatte es kaum glauben wollen, aber Detomee und Olavvhatten es mir eindringlich erklärt: Fast ganz Zuynam arbeitete nur für diesen einenZweck. Überall in den Labors wurde experimentiert und geforscht. Immer neueEntwürfe wurden ausgebrütet, durchdiskutiert und dann in kompliziertenVersuchsreihen experimentell überprüft.

Zuynam war ein planetenumspannender Riesenkonzern, der alles herstellte,was sich aus biologischem Material nur erstellen ließ. In einigen Städten hatteman sich auf Mikrobiologie konzentriert. Dort wurden Nutzpilze verbessert,Mikroben gezüchtet, die Schwermetalle aus den Meeren herausfilterten und inihren Körpern anreicherten. Andere Lebewesen hatten keine andere Aufgabe alsdie, genau jene blei- oder goldhaltigen Mikroben zu fressen und derenMetallgehalt zu akkumulieren. In einer Nahrungskette, die insgesamt siebzehnverschiedene Lebensformen umfaßte, wurde so das Metall angereichert, bis essich im Endprodukt wirtschaftlich nutzen ließ. Das Endprodukt war ein seltsamesReptil, das dank einer gezielten genetischen Manipulation große Mengenmetallener Eier legte, die dann nur noch eingesammelt und weiterverarbeitetwerden mußten.

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Andere Forschungsabteilungen, meist weniger berühmt, stellten Blumen undBlüten her, verbesserten die Fruchtbarkeit von Erntepflanzen, oder basteltenbuchstäblich aus genetischen Einzelteilen Schädlingsbekämpfer mit gezieltentwickelten Eigenschaften zusammen: schädlich für eine ganz bestimmteGetreidekrankheit, aber ungefährlich für alle anderen Lebewesen. In sogenanntenGenbanken waren Genkodes gesammelt, deren Wirkung genau bekannt war. Siekonnten wie Mosaiksteine abgerufen und in ein Konzept eingepaßt werden.

Detomees Schnellwuchsmittel war ein solches Produkt, das ihr großen Ruhmeingetragen hatte. Mit seiner Hilfe konnten lange Forschungsreihen erheblichschneller abgeschlossen werden.

Kern der Forschung auf Zuynam aber waren intelligente Kunstgeschöpfe, undauch dort gab es eine Vielzahl von Züchtungen. Offenbar waren auf einigenWelten im Sektor Janzonborr Spiele üblich, die sich in nichts von denaltrömischen Gladiatorenkämpfen unterschieden. Kandidaten suchtenregelmäßig Zuynam auf, ließen sich die Muskulatur verbessern, Blutkörperchenentwickeln, die mehr und schneller Sauerstoff und Nahrung an die Muskelzellenliefern oder durch gezielte Eingriffe das Lungenvolumen vergrößern konnten.

Schwerreiche Spielfanatiker gaben künstliche Modellathleten in Auftrag,Läufer, Springer, Faustkämpfer. In langwierigen und überaus blutigenTestkämpfen wurden die besten Exemplare ausgewählt und die Ergebnissedieser Tests weiter entwickelt und noch einmal verbessert. Ich schauderte, wennich daran dachte.

»Du bekommst Besuch, Detomee«, sagte Olavv und deutete mit der Handauf einen Punkt am Rand des Gesichtskreises. Er kam mit einer Schnelligkeitnäher, die auf einen Gleiter schließen ließ. Detomee wölbte die buschigenBrauen.

Ein weiterer Gleiter tauchte auf. Er kam von der anderen Seite. BeideFahrzeuge kamen über Land, sie benutzten nicht die offiziellen Straßen.

Ich sah, wie sich Detomee verfärbte.»Sitortode«, sagte sie hastig. »Ich bin mir ganz sicher.«»Zurück ins Haus!« bestimmte ich. Die beiden Forscher standen wie

angewurzelt. Ich mußte sie anbrüllen, um sie wieder zur Besinnung zu bringen.Sitortode griff uns an, und das allein reichte aus, die beiden völlig aus derFassung zu bringen.

Wir stürzten zurück ins Haus. Die beiden Gleiter kamen rasch näher. Dreiandere Fahrzeuge gesellten sich zu ihnen. Offenbar bot Sitortode auf, was immerer zu bieten hatte.

»Was können wir ihm entgegensetzen?« wollte ich wissen. »Was für Waffenhabt ihr im Haus?«

»Waffen?« fragte Olavv entgeistert. »Du meinst richtige Waffe, die töten

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können?«Detomee sah mich ähnlich entgeistert an. Hilflos schüttelte ich den Kopf. Die

beiden waren imstande, mit Leben herumzumanipulieren, wie es ihnen gefiel, unddabei nahmen sie sehr wenig Rücksicht auf ihre Geschöpfe. Aber einen Strahlerin die Hand zu nehmen, wäre ihnen niemals eingefallen.

»Wir haben nur die Betäubungswaffe, die… du weißt schon.«Ich wußte gar nichts, reimte mir aber einiges zusammen.»Dann müssen wir uns mit anderen Mitteln verteidigen«, bestimmte ich.

»Überlegt einmal, was für Mittel ihr noch in euren Labors zur Verfügung habt.«Olavv rollte mit den Augen.»Das kann ich nicht verantworten«, stieß er hervor. »Außerdem wären Jahre

der Arbeit damit zerstört.«Detomee hatte Alarm ausgelöst und ihr Haus in eine luftdichte Festung

verwandelt. Kameras zeigten uns, was sich draußen abspielte.Sitortode war gekommen, und er hatte eine beachtliche Streitmacht

aufgeboten.»Sieh nur«, rief Olavv schreckensbleich aus. »Er hat Roboter.«Es waren die ersten Maschinen dieser Art, die ich auf Zuynam zu sehen

bekam. Normalerweise zogen die Forscher dieser Welt der Hexenküchen anderedienstbare Geister vor. Die Art Roboter allerdings, die Sitortode ins Gefechtführte, waren Kampfmaschinen – nicht gerade die neuesten Modelle, aber sichernoch genügend funktionstüchtig, um uns ordentlich zu schaffen zu machen.

»Woher mag er die nur haben«, rätselte Detomee.»Wenn wir seine Quelle kennen, hilft uns das nicht weiter«, sagte ich.Es waren fünf Robots, jeder mit einer modernen Hochenergiewaffe

ausgerüstet. Auf schmalen Panzerketten kamen sie näher gerollt. Begleitetwurden sie von knapp fünfzig Handlangern, von denen ich einen Teil bereits beiSitortode gesehen hatte. Sie waren bewaffnet, zwar nur mit Betäubungswaffen,Knüppeln und Messern, aber für uns Eingeschlossene war es eine entschiedenzu große Streitmacht.

Von meinen Begleitern fehlte jede Spur. Vermutlich hatte Sitortode siezurückgelassen.

Rücksichtslos walzten die Robots die Zierhecke nieder, die den näherenBereich des Hauses von dem Rest des Grundstücks abgrenzte. Detomee stießeinen Seufzer aus.

»Ergebt euch!« war Sitortodes Stimme zu hören. »Kommt heraus, und eswird euch nichts geschehen. Und vergeßt nicht, meinen Gast Majbelmitzubringen, den ihr mir entführt habt.«

In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken.»Er hält mich noch für Majbel«, sagte ich leise. »Und er ist noch interessiert

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an mir. Das kann uns eine Chance einräumen.«»Was für’ eine? Ich kann keine sehen«, murmelte Olavv niedergeschlagen.»Sitortodes Roboter und seine Handlanger werden Befehl haben, mich zu

schonen. Bis sie begriffen haben, daß ich mit euch zusammenarbeite, wird vielZeit vergehen, mindestens ein paar Zehntelsekunden.«

Sich der eigenen Haut zu wehren, war wirklich nicht Sache der Bio-Brüter. Diebeiden sahen mich an, als hätte ich einen Kalauer zum Besten gegeben. Auf ihreHilfe in diesem Kampf konnte ich nur sehr begrenzt rechnen, wahrscheinlichwürde ich den größten Teil der Arbeit allein erledigen müssen.

»Fordere Bedenkzeit«, sagte ich zu Olavv. »Und dann zeigt mir, was ihr ineuren Labors noch zur Verfügung habt.«

Olavv verschwand aus dem Wohnraum und Detomee führte mich in ihr Labor.»Ich weiß nicht, wonach du suchst«, sagte Detomee ratlos. »Wir haben

unsere Produkte niemals auf solche Möglichkeiten hin untersucht.«Olavv kehrte zurück.»Er läßt uns eine Viertelstunde Zeit«, berichtete er niedergeschlagen. Ich

deutete auf den Panzerschrank im Laborraum.»Was ist da drin?« wollte ich wissen.»Meine letzten Arbeiten«, antwortete Detomee. »Sie sind noch geheim,

teilweise noch nicht ganz fertig. Ich glaube nicht, daß etwas dabei ist, was dugebrauchen könntest.«

»Das zu entscheiden überlaß mir«, gab ich zurück. »Los, mach auf!«Ich führte mich auf, als wäre ich Herr im Haus, aber anders waren die beiden

verschreckten Forscher nicht in Bewegung zu bringen. Folgsam öffnete Detomeedie Tür. Dahinter stapelten sich Dokumente, aber im oberen Fach desmannshohen Panzerschranks entdeckte ich eine Reihe kleiner Flaschen,sorgfältig verschlossen und mit peinlicher Genauigkeit etikettiert.

»Detomees Verbesserung«, las ich auf einem der kleinen Schilder. »Wasverbirgt sich hinter diesem Namen?«

Olavv hüstelte verlegen.»Ich habe versucht, das Schnellwuchsmittel zu verbessern«, gestand er dann

ein. »Ich habe es gestern in Detomees Schrank eingeschlossen. Ich wollte es ihrschenken…«

Seine Verlegenheit wurde noch größer. Weltfremder Forscher, verliebt bisüber beide Ohren, einen seltsamen, herumkommandierenden Fremden im Haus,Roboter und kampflüsterne Handlanger im Garten – das alles war wohlentschieden zuviel für den Zuynamer.

»Ist das Präparat wirksam?« wollte ich wissen.Olavv nickte heftig.»Zu wirksam«, sagte er. »Das Potenzierungsgen arbeitet viel zu stark.

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Testpflanzen wuchsen in Minuten in die Höhe, haben sich aber nur ein paarStunden gehalten und waren danach unbrauchbar. Außerdem sind damitbehandelte Pflanzen unfruchtbar. Ich habe daran gearbeitet…«

»Eisenfresser«, las ich weiter. »Was ist das?«»Ein Insekt von Ohhgras«, antwortete Detomee. »Es nimmt Eisen in jeder

beliebigen Form auf und gibt es als pures Ferro-Granulat wieder von sich. Ichhabe gehofft, auf diese Weise ein Mittel zu finden, Eisenerzvorkommen vongeringer Qualität abbaubar zu machen.«

»Genau passend für unsere Zwecke«, entschied ich. Ich nahm noch zweianderen Phiolen aus dem Fach.

»Was hast du vor?« fragte Detomee erschüttert. Olavv sah mich verzweifeltan, als sei ich damit beschäftigt, ihm das Haus über dem Kopf anzuzünden.

»Ich werde Sitortode ein wenig beschäftigen. Ihr könnt in der Zwischenzeitden Ordnungsdienst zu Hilfe rufen.«

»Das wird eine Hilfe sein«, stieß Detomee hervor. »Wir werden uns etwasanderes einfallen lassen müssen.«

Während die beiden beratschlagten, fütterte ich die Ergebnisse vonDetomees Forschungsarbeit mit Olavvs verbessertem Schnellwuchsmittel. DasZeug wirkte hervorragend. Ich konnte förmlich sehen, wie sich die Probenveränderten.

»Ich komme heraus!« rief ich in den Garten. Detomee hatte die Beleuchtungeingeschaltet. In dem Licht der Lampen waren Sitortode und seine Privatarmeedeutlich zu erkennen. Als wolle er mir helfen, hatte Sitortode seine fünf Robots inseiner Nähe versammelt.

»Unsinn, er will damit nur Eindruck schinden«, gab des Extrahirn durch.Ich öffnete das Tor zum Garten und trat langsam hinaus. Die Waffenarme der

Robots ruckten nach oben und suchten ihr Ziel. Einen Sekundenbruchteil späterhatten sie mich erkannt und identifiziert. Sitortodes Befehle wurden sichtbar, dieWaffenarme kehrten in die Sicherheitsstellung zurück. Das war es, was icherreichen wollte.

»Ich bedaure, daß meine Freunde Detomee und Olavv so mit dir verfahrensind«, sagte Sitortode mit scheinheiliger Freundlichkeit. »Sei mir willkommenund kehre in mein gastfreundliches Haus zurück. Und diesen beiden werde icheine Lektion erteilen. Was trägst du da?«

»Gastgeschenke, sozusagen«, antwortete ich grinsend. »Während du dasHaus belagert hast, habe ich mich ein wenig bei den beiden umgesehen und einpaar Andenken eingesteckt.«

Sitortode, der sofort den Inhalt dieser Bemerkung begriff, begann laut zulachen – der Streich schien ihm zu gefallen. Ich lachte ebenfalls, lauter und lauter,bis mir die Tränen über das Gesicht liefen. Sehr anzustrengen brauchte ich mich

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dabei nicht; es war ein typisches Merkmal von Arkoniden, daß ihnen bei solchenGelegenheiten schnell die Augen feucht wurden, ein Zeichen größter seelischerAnspannung.

Ich machte eine Geste, als wollte ich mir die salzige Feuchtigkeit aus denAugenwinkeln wischen, und bei dieser Gelegenheit verlor ich meine Mitbringsel.Wunschgemäß sprangen die Flaschen auf den steinernen Platten desGartenweges entzwei. Ich stieß eine Verwünschung aus.

Ratlos oder erschreckt machte ich zwei Schritte zurück.»So ein Mißgeschick«, entfuhr es mir.Unmittelbar vor Sitortode begannen die Chemikalien ihre Wirkung zu tun. Es

war ein faszinierender Anblick. Zuckend bewegten sich die Keimlinge über denBoden. Weiße Fäden schossen aus den dunkelgrünen Körpern hervor, kralltensich im Boden fest und gruben sich darin ein. In rasender Geschwindigkeit schoßdas Rankengewächs in die Höhe, breitete handtellergroße Blätter aus undarbeitete sich an den Robots hoch.

Ich begann zu laufen, zurück zum Haus. Hinter mir erklang ein bösartigesSummen. Ein Schwarm Insekten machte sich an die Arbeit.

Ich hörte das Knirschen, mit dem sich die Waffenarme der Robots zubewegen begannen. Die ersten Ranken vermochten sie noch mit der Kraft ihrerHydraulik zu zerreißen, aber dann erwies sich das Pflanzenwerk als stärker. Alswürden sie von einer unsichtbaren Spinne in Kokons eingewoben, so schnellwucherte um die fünf Robots herum ein Gespinst aus Ranken und klebrigenBlättern, die ihnen jede Bewegungsmöglichkeit nahmen.

Derweil machten sich die Eisenfresser an die Arbeit und bohrten sich in dieStahlleiber der Robots.

Sitortodes Flüche klangen mir in den Ohren, als ich schnellstens die Tür vonDetomees Haus hinter mir schloß. Keinen Augenblick zu früh, denn im nächstenAugenblick flog mit lautem Getöse der erste der fünf Robots in die Luft. DieEisenfresser mußten sich in Windeseile bis zum Reaktor durchgefressen haben.Es konnte nicht mehr lange dauern, bis auch die anderen vier zerstört waren.

Ich drehte mich um.Brennende Teile flogen durch die Luft. Die Explosion hatte auch die

Kleberanken zerfetzt, und deren Einzelstücke suchten sich, sobald sie auf demBoden gelandet waren, neuen Halt und wucherten erneut in die Höhe. VonDetomees Garten würde nach diesen Stunden nicht mehr viel übrigbleiben.

»Bei Doomhirns Licht, was hast du getan?« rief Detomee beim Anblick desBrandes. Krachend detonierte der zweite Robot.

Eine der Maschinen begann wild um sich zu schießen. Schüsse trafenDetomees Haus, ließen Scheiben zerbersten und setzten einen der Räume inBrand. Sofort setzte die Sprinkleranlage ein und löschte das Feuer.

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Sitortode tobte. Jetzt wußte er, daß ich nicht mit ihm zusammenarbeitete. Undich wußte, daß der Kampf noch nicht entschieden war. Ich mußte den Mannstellen und fangen. In keinem Fall durfte ich ihn nach Hause zurückkehren lassen,wo er sich an Wasterjajn Kaz, Kjok-Duun und Kjok-Almergund sein Mütchenkühlen konnte. Seine Rache an meinen Gefährten durfte ich unter keinenUmständen zulassen.

»Her mit der Betäubungswaffe«, bestimmte ich. »Ich werde Sitortode fangen.«

»Bist du sicher, daß dir das gelingen wird?« fragte Olavv, der mich wie einWundertier anstarrte.

»Daß es mir gelingen wird nicht, aber wohl, daß ich es versuchen werde.«Das Magazin der Betäubungswaffe war geladen. Durch einen Seitenausgang

schlich ich mich ins Freie.Detomees Garten hatte sich völlig verändert. Überall zuckten die Ranken des

Klebegewächses, und ich mußte höllisch aufpassen, daß ich nicht von einerdieser Ranken getroffen wurde. An den Robots hatte ich sehen können, welcheKlebekraft das Zeug entwickelte. Einer der Handlanger von Sitortode war in dieFalle geraten, von ihm waren nur noch ein paar wild herumwirbelnde Arme undBeine zu sehen. Der Handlanger schrie jämmerlich. Mit einem Schuß betäubteich ihn, und dadurch hörte der Griff der Würgepflanze schlagartig auf.

Zwei andere stellten sich mir in den Weg, aber sie waren zu langsam, ummich behindern zu können. Mit zwei Schüssen schaltete ich sie aus.

Wo war Sitortode?Vermutlich bei einem seiner Gleiter, der ihn in Sicherheit bringen sollte. Ich

setzte mit weiten Sprüngen über die gefährlichen Abschnitte des Gartens hinweg.Erhellt wurde mein Weg von den brennenden Robots. Inzwischen waren alle fünfaus dem Kampf ausgeschieden, von ihnen war nur noch lichterloh brennenderSchrott übriggeblieben. Die verbrennende Hydraulikflüssigkeit ließ Wolkenätzenden Qualm über den Garten wehen. Hustend und spuckend traten etlichevon Sitortodes Handlangern den Rückzug an.

Ich schlug einen weiten Bogen, da ich Sitortode von hinten angreifen wollte.Ich erreichte einen der Gleiter, die ihn und seine Kumpane hergebracht hatten. Eskostete nicht viel Mühe, das Gefährt fahruntauglich zu machen. Auch der zweiteGleiter war verlassen.

Endlich entdeckte ich Sitortode. Er stand schwankend am Rand des Gartensund knirschte mit den Zähnen.

Offenbar hatte er das Geräusch meiner Schritte gehört. Er fuhr herum.Ich sah blankes Entsetzen in seinen Zügen, als ich die Betäubungswaffe auf

ihn richtete. Dann sah ich in seiner Hand eine kleine grünlich schimmerndeFlasche.

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»Fallen lassen!« rief ich.Sitortode stieß ein höhnisches Gelächter aus. Auf seiner Stirn stand

großperliger Schweiß. Er holte zum Wurf aus.Meine Hand ruckte nach oben. Ich drückte ab. Hemmungen hatte ich nicht,

denn ich wußte, daß ich nur eine betäubende Waffe besaß, aber Sitortodereagierte, als stünde er vor einem Desintegrator. Er warf sich zur Seite. MeinSchuß verfehlte ihn, aber Sitortode stolperte und stürzte.

Ich hörte das Splittergeräusch von Glas, dann einen gräßlichen Schrei. Icherstarrte.

Langsam richtete sich Sitortode wieder auf. Seine Hände waren blutig,offenbar war ihm das Glas in der Hand zersplittert, aber es waren nicht diesekleinen Wunden, die ihn dazu brachten, mich haßerfüllt und von panischer Furchtzugleich besessen anzustarren.

Ich ahnte, was geschehen war.Mit einem besonders abscheulichen Produkt seiner Forschung hatte uns

Sitortode den Garaus machen wollen. Und nun war er Opfer seiner eigenenMachenschaften geworden, er hatte die Waffe ungewollt gegen sich selbstgerichtet.

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8.

Er wurde Kjaer genannt.Einen wirklichen Namen hatte er nicht, denn er verdankte seine Entstehung

einer Laune des Bio-Brüters, der ihn einmal geschaffen hatte. Das Ergebnisdieses Schöpfungsprozesses war eher kümmerlich geraten.

Kjaer hatte einen weichen verformbaren Leib von auffallend heller Farbe.Betrachter erinnerte er nicht selten an ein Stück Teig, das weiterer Verarbeitungbedurfte.

Ähnlich kümmerlich und unfertig wie seine äußere Gestalt schien auch KjaersInnenleben ausgefallen zu sein. Er besaß eine Stimme, auch wenn kein Mund anseinem Körper zu sehen war. Hoch und piepsig erklang dieses Organ, manchmalsackte es um zwei bis drei Oktaven ab, was sehr lustig klang und mit dazubeigetragen hatte, daß Kjaers Erzeuger sein Produkt nicht einfach wiedereingeschmolzen hatte. Kjaer plapperte recht viel, meist dummes oder albernesZeug, er war an den unmöglichsten Stellen zu finden und ganz offenkundig völlignutzlos. Versuche, ihn mit irgendwelchen Arbeiten zu beschäftigen, waren stetsfehlgeschlagen. Kjaer stiftete bei solchen Versuchen nur Schaden, man konnteihn nicht einmal dazu verwenden, ein Labor aufzuräumen. Nur als Versuchsobjekterwies er sich ab und an als nützlich.

Kjaers Erzeuger hatte eine paar Tinkturen und Chemikalien an ihm erprobt,aber außer Färb Veränderungen hatte Kjaer keinerlei Reaktion gezeigt, so daßder Forscher nach relativ kurzer Zeit auf weitere Versuche dieser Art verzichtethatte. Auf der Suche nach dem biochemischen Grund für Kjaers Immunitätgegenüber. Drogen und biochemischen oder genetischen Manipulationen warnichts herausgekommen.

Kjaer galt als primitiv, roh, unfertig und nutzlos. Ab und zu hatte er seinen Herrnund Erzeuger zum Lachen gebracht, und einmal hatte sein Schöpfer ihn beieinem Glücksspiel als Einsatz riskiert und verloren.

Von dieser Nacht an hatte Kjaer des öfteren den Besitzer gewechselt. ImFreundeskreis des Kjaer-Erschaffers hatte es bald als Ulk gegolten, Kjaer alsGeschenk weiterzureichen, stets verbunden mit der Aufforderung, diesesGeschöpf entscheidend zu verbessern. Natürlich war bei solchen Versuchennichts herausgekommen, niemand hatte sich auch nur die Mühe gemacht.

Kjaer hatte das alles mit dem ihm eigenen Gleichmut hingenommen. Ervertrug die gröbsten Späße, und die offene Mißachtung anderer Kunstgeschöpfenahm er ungerührt hin. Versuche, ihn zum Spaß ein wenig zu quälen, wie es unterHandlangern nicht selten üblich war, waren von vornherein zum Scheiternverurteilt. Kjaer schien weder über körperliches noch über seelisches

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Schmerzempfinden zu verfügen.Die Besitzerwechsel fanden in der Regel nachts statt, und meistens waren die

Beteiligten an solchen Geschäften stark angetrunken.So hatte es Kjaer nicht allzu schwer gehabt, sich selbständig zumachen. Es

gab in Bolerc eine ganze Reihe von Forscherinnen und Forschern, die fest davonüberzeugt waren, daß Kjaer gerade ihnen gehörte, aber da niemand auf denBesitz eines solchen Geschöpfs sonderlichen Wert legte, konnte Kjaer innerhalbgewisser Grenzen tun und lassen, was er wollte. Wenn er Futter brauchte, tauchteer irgendwo auf und gab sich mit allem zufrieden, was man ihm vorsetzte. Kjaerwar die personifizierte Anspruchslosigkeit. Nach solchen Mahlzeiten pflegte erein wenig in der Gegend herumzuliegen, sich malerisch um irgendwelche Möbelzu kringeln oder flach an der Decke zu kleben. Das war seine Art, sich für dieMahlzeiten zu bedanken. Oder er watschelte unbeholfen eine lange Treppehinunter, ein Anblick, der Kinder und Erwachsene gleichermaßen zum Lachenreizte.

Hätte sich jemand näher mit Kjaer beschäftigt, so hätte er möglicherweiseeinige recht verblüffende Entdeckungen machen können, beispielsweise die, daßKjaer intelligent war, so intelligent, daß sein erster Entschluß nach seinerSchöpfung gewesen war, diese Intelligenz niemals offen zu zeigen.

Seinem Schöpfer geistig weit überlegen, hatte Kjaer sofort erkannt, daß er indiesem unförmigen Körper keine Möglichkeiten hatte, seine Fähigkeitenauszuspielen. Also blieb für Kjaer nur eine Rolle als Überlebenschance übrig, diedes Clowns, und diese Rolle hatte er lange Zeit hindurch hervorragend gespielt.Vergessen hatte Kjaer nichts, kein Schimpfwort, keine abfällige Bemerkung. SeinKörper war elastisch und widerstandsfähig, sein Geist nicht minder. Aber jederHohn, jede Mißachtung war in diesem Geist gespeichert und wartete darauf,gerächt zu werden.

Er ließ seinen Haß niemanden merken. Aber insgeheim verfolgte Kjaer seinePläne, und er wußte sie auf seine besondere Art auch in die Wirklichkeitumzusetzen.

Die schlimmsten Peiniger, die es in seinem Leben gegeben hatte, warenbereits tot. Kjaers Haß machte weder vor Handlangern noch vor Forschern Halt.Seinen Schöpfer hatte er dazu gebracht, sich mit einem seiner Gifte zufälligselbst umzubringen. Ein paar Handlanger, die ihn wochenlang gequält hatten,hatte Kjaer mit einer heimtückischen Krankheit angesteckt.

Einer der übelsten Leuteschinder, die Kjaer jemals begegnet waren, war derberühmte Sitortode, zur Zeit der angebliche Besitzer von Kjaer.

Kjaer lag flach auf dem Boden und betrachtete die Lage. Sie gefiel ihm. Erhatte alles genau gesehen. Wie Sitortode sein Bakteriengift aus demPanzerschrank geholt hatte, wie er nach dem ersten fehlgeschlagenen Angriff auf

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Detomees Haus Anstalten gemacht hatte, dieses Bakteriengift gegen Detomeeund deren Freunde anzuwenden. Kjaer hatte den Fremden auftauchen sehen,eine Waffe in der Hand, leider nur eine Betäubungswaffe. Und mit großemVergnügen hatte Kjaer verfolgt, wie Sitortode dem Schuß auszuweichen versuchthatte, wie er gestürzt war. Der Schrei des Entsetzens, den Sitortode ausgestoßenhatte, war für Kjaer eindeutig gewesen. Sitortode hatte sich selbst infiziert, ermußte nun das Opfer seiner eigenen Tücke werden, und Kjaer fand, daß das nureine gerechte Strafe war.

Teile des Gartens standen in Flammen, außerdem hatte Detomee dieAußenbeleuchtung eingeschaltet. Schwankend stand Sitortode vor demFremden, der Atlan hieß und mit Sicherheit nicht das war, was zu sein er vorgab.In einem Winkel von Sitortodes Haus verborgen, hatte Kjaer die Unterhaltung derbeiden belauscht, und anders als Sitortode hatte Kjaer sofort gewittert, daßdiesen Fremden ein Geheimnis umgab. Und für Geheimnisse aller Art hatte Kjaerschon immer eine Schwäche gehabt.

»Ihr müßt mir helfen«, stieß Sitortode hervor. Er hielt sich die blutende Hand.»Ein seltsames Ansinnen von einem Mann, der gerade versucht hat, uns zu

überfallen«, sagte Atlan kalt. Er hielt die Waffe auf Sitortode gerichtet. Dieanderen Handlanger des Forschers drückten sich furchtsam im hinteren Teil desGartens herum. Als Detomee und Olavv mit ihren Handlangern den Gartenbetraten, suchten sie eilig das Weite. Da sie die Gleiter nicht benutzen konnten,die sie hergebracht hatten, würden sie geraume Zeit zu Fuß laufen müssen.

Kjaer duckte sich tiefer in den Graben, der ihm als Versteck diente.Aufmerksam hörte er der Unterhaltung zu.

»Wir müssen ihn in jedem Fall erst einmal verbinden. Die Scherben scheinenein größeres Blutgefäß verletzt zu haben«, sagte Atlan. Detomee sah ihrenRivalen aus zusammengekniffenen Augen an.

»Schurke«, stieß sie hervor.»Für moralische Wertungen haben wir jetzt keine Zeit«, entgegnete Atlan.In der Stimme dieses Mannes schwang etwas mit, das Kjaer faszinierte. Atlan

trat freundlich und ruhig auf, aber alles an ihm wirkte so entschieden undselbstsicher, wie es Kjaer bei keinem anderen je zuvor kennengelernt hatte. HätteKjaer es nicht besser gewußt, hätte er darauf getippt, eine der Facetten oder garden Erleuchteten selbst vor sich zu haben.

Vorsichtig folgte Kjaer den Forschern, die in Detomees Haus zurückkehrten.Durch eines der zerschossenen Fenster gelangte Kjaer in das Innere desHauses. Im Zweifelsfall hätte er es auch geschafft, sich durch eine Mauerritzehineinzuzwängen. Sein unscheinbarer, schlaffer Körper war zu Leistungen fähig,die niemand bei ihm vermutet hätte.

Nach kurzer Zeit hatte Kjaer in Detomees Haus einen Winkel gefunden, in

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dem er sich hervorragend verstecken und alles belauschen konnte. In das Gebälkdes Wohnzimmers geschmiegt, hörte er zu und sah von oben auf die dreiForscher und Atlan herab.

Sitortode ächzte ab und zu. Noch immer war seine Stirn von dickenSchweißperlen bedeckt. Olavv legte ihm gerade einen Verband an.

»Ich muß so schnell wie möglich in mein Haus zurück«, sagte Sitortode. »Nurdort kann ich wirksame Hilfe finden.«

»Ein Fallensteller in der eigenen Falle«, bemerkte Detomee spitz. »Wirhaben Zeit. Wir werden warten, bis der Ordnungsdienst kommt, und dann werdenwir dich den Behörden übergeben. Das kann natürlich ein wenig dauern.«

Sitortode knirschte mit den Zähnen.»Dem Ordnungsdienst habe ich auch einiges zu erzählen«, zischte er

grimmig. »So oder so, wir sitzen in derselben Falle.«Kjaer betrachtete das Gesicht von Atlan. Er prägte sich die Züge genau ein.

Vielleicht fand sich später eine Verwendung für diesen Mann. Olavv hielt Kjaer fürwenig geeignet, er war zu nervös. Lediglich Detomee behielt einigermaßen dieNerven.

Sitortode stand auf.»Ich werde jetzt heimkehren«, verkündete er. »Ihr könnt ja versuchen, mich

daran zu hindern.«Er sah Atlan an.»Vergiß nicht, daß deine Handlanger in meiner Gewalt sind. Wenn ich nicht

rechtzeitig meinen Leuten gewisse Befehle gebe…«Er versuchte einen Trick, das war offenkundig, jedenfalls für Kjaer. Das

Kunstwesen sah aber auch, daß Atlan unmerklich zusammengezuckt war. Für ihnschienen seine Handlanger nicht nur lebendes Inventar zu sein, über das mannach Belieben verfügen konnte. Kjaer hatte sogar die Ahnung, daß Atlan sich umseine Handlanger ernstlich Sorgen machte.

»Pah«, machte Atlan, begleitet von einer wegwerfenden Handbewegung. »Ichkann mir ja neue Handlanger suchen.«

Er log, das spürte Kjaer ganz genau. Die Entwicklung der Dinge begann ihnzu interessieren.

»Wie du meinst«, sagte Sitortode. Er wandte sich zum Gehen, aber Atlan warmit einem Satz bei ihm und packte ihn am Genick. Hart stieß er Sitortode zurückin den Sessel.

»Nicht so schnell«, sagte Atlan scharf.Sitortode wirkte wie erstarrt. Mit einem körperlichen Angriff hatte er nicht

gerechnet. Dergleichen war auf Zuynam unüblich.»Wo sind meine Fr… Handlanger?«Kjaer war von Heiterkeit erfüllt. So ruhig und selbstsicher Atlan auch sein

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mochte, an diesem Punkt war er offensichtlich empfindlich. Es war gut, das fürdie Zukunft zu wissen.

»Ich bringe dich zu ihnen, aber nur, wenn wir als erstes zu meinem Hausfahren. Ich brauche das Gegenmittel…«

Zum ersten Mal sprach Sitortode die Tatsache an, daß er seinem eigenenheimtückischen Anschlag zum Opfer gefallen war. Atlan sah Olavv und Detomeean. »Was meint ihr?«

Olavv hatte einen Vorschlag zu machen.»Ich werde hierbleiben und dafür sorgen, daß das Haus wieder hergerichtet

wird. Ihr könnt zu Sitortode fahren. Wenn ihr nach einer gewissen Zeit nichtwieder hier seid, oder euch bei mir gemeldet habt, werde ich denOrdnungsdienst rufen und Sitortodes Haus stürmen lassen.«

»Einverstanden«, erklärte Detomee. Sie lächelte boshaft. »Ich bin sehrgespannt darauf zu erfahren, womit sich Sitortode vergiftet hat. Es wird sicheretwas ganz Besonderes sein, nicht wahr, Kollege?«

Kjaer schaffte es, schnell genug aus dem Haus zu sein, und er hatte Glück.Atlan und seine Begleiter bestiegen den Gleiter, den sich Kjaer als Versteckausgesucht hatte.

Die Fahrt zu Sitortodes Haus verlief nahezu schweigend. Nur ab und zu stießSitortode ein leises Ächzen aus. Er schien zu leiden, wurde immer unruhiger.

»Fahr schneller«, sagte er, und der fast flehentliche Unterton seiner Stimmewar ein akustischer Hochgenuß für den versteckten Kjaer.

*

Sitortodes Hände zitterten, als er die Ampulle in die Injektionspistole einlegte.Seine Zähne klapperten hörbar. Seine Haut war fahl, an einigen Stellen wies siegrünliche Verfärbungen auf.

Mit leisem Zischen injizierte sich Sitortode das Mittel in die Blutbahn, dannsank er erschöpft in einen Sessel.

»Was war das für ein Präparat?« fragte Detomee mit der Neugierde derForscherin.

»Flechtmoos«, antwortete Sitortode leise. »Leicht modifiziert.«Detomee stieß einen Laut des Erschreckens aus.»Was hat es mit diesem Flechtmoos auf sich?« wollte Atlan wissen.Detomee schüttelte fassungslos den Kopf.»Ich habe dir vieles zugetraut, Sitortode, aber das nicht«, sagte sie leise. An

Atlan gewandt, fuhr sie fort:»Flechtmoos ist eine Krankheit, die zuerst die Haut befällt und dann immer

tiefer in den Leib eindringt. Sie frißt den Körper langsam, aber sicher auf. Die

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Krankheit ist begleitet von ungeheuren Schmerzen, aber sie beeinträchtigt nichtdas Denken und Fühlen des Kranken. Wir haben den Erreger vor vielen Jahrenisoliert und unschädlich gemacht, jetzt gilt Flechtmoos als praktisch ausgerottet.«

»Nicht in dieser Variante«, erklärte Sitortode. »Ich habe den Erreger soabgewandelt, daß er praktisch nur ein paar Minuten lang lebensfähig ist, danachstirbt er ab. Und die Heilung ist ebenfalls fraglich.«

»Du bist sehr offen«, meinte Detomee befremdet.Sitortode stieß ein höhnisches Lachen aus.»Es wird euch jetzt gar nichts anders mehr übrigbleiben, als mit mir

zusammenzuarbeiten«, sagte er giftig. Er fixierte Atlan. »Du bist in jedem Fallinfiziert worden, die anderen wahrscheinlich nicht. Wenn dir also etwas am Lebendieses Mannes Atlan oder Majbel liegt, dann wird uns nichts anderesübrigbleiben, als schnellstens hochwertiges Plasma zu besorgen, und zwar nichtirgendeines, sondern das aus der Quelle Purtupf. Ich habe meine letztenReserven dieses Plasmas dazu gebraucht, das Gegenmittel zu entwickeln, unddieses Plasma war alles andere als frisch. Vielleicht hat die Injektion mirgeholfen, aber Atlan wird nur zu retten sein, wenn wir nach Tauwerk fliegen undPurtupf um eine Portion seines Plasmas erleichtern.«

Kjaer war auf die Reaktion Atlans gespannt. Sie fiel für ihn überraschend aus.»Wer sagt dir, daß mein Metabolismus auf den Erreger überhaupt reagiert«,

antwortete er gelassen. »Ich habe jedenfalls keine Angst vor dem Flechtmoos.«»Rede keinen Unsinn«, mischte sich Detomee ein. »Ich gebe ihm nur ungern

recht, aber in diesem Fall gibt es wirklich keinen anderen Weg, vorausgesetzt, erhat uns die Wahrheit erzählt.«

Sitortode lachte wieder.»Ihr könnt es ja abwarten«, schlug er vor. »Ohne mein Fachwissen und meine

speziellen Kenntnisse werdet ihr jedenfalls kein Präparat gegen das Flechtmoosentwickeln können. Du weißt besser als jeder andere, wie lange es dauern kann,ein solches Medikament ohne Voraussetzungen zu entwickeln. Habt ihr die Zeit,Detomee?«

Die Forscherin stieß eine Verwünschung aus.Sitortode stand auf. Sein Atem ging nun ruhiger, und die Flecken auf seiner

Haut waren verschwunden. Kjaer fand das sehr bedauerlich.»Ich habe ein Raumschiff startklar«, sagte Sitortode. »Die GENSTRUKTUR

wartet auf uns. Ich habe mich übrigens erkundigt, Atlan oder Majbel, in der Zeitvor deinem Auftauchen auf Zuynam ist kein normales Schiff gelandet. Ich folgeredaraus, daß du mit einem eigenen Schiff gekommen bist. Richtig?«

Sitortode schien wieder Oberwasser zu bekommen. Atlan nickte nur kurz.»Kannst du ein modernes Raumschiff lenken?« fragte Sitortode.Atlan nickte. Die Aussicht, sich mit einer mörderischen Krankheit angesteckt

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zu haben, schien ihn nicht im geringsten zu beeindrucken. Entweder hatte er dieGefahr in ihrer ganzen Größe nicht begriffen, oder er war sich seiner Sacheüberaus sicher, und das fand Kjaer ganz besonders interessant.

»Dann wirst du die GENSTRUKTUR fliegen. Deine Handlanger sind übrigensan Bord, und sehr viel Zeit haben wir nicht mehr.«

Atlan rieb sich gemächlich das Kinn, während Detomee aufgeregt im Raumauf und ab wanderte.

»Ich werde mit Olavv beraten«, sagte sie schließlich und verließ den Raum.Sitortode sah ihr spöttisch nach.

»Nun, Atlan, wie gefällt dir mein Angebot? Dein Leben und das deinerHandlanger gegen einen Flug nach Tau werk.«

»Es ist nicht meine Art, mich Erpressungen zu beugen«, antwortete derWeißhaarige. Die Ruhe seiner Stimme hätte Sitortode warnen sollen, fand Kjaer,aber der Bio-Brüter schien dafür keinerlei Empfinden zu haben. Einmal mehrwurde ihm der Blick auf die Realität von seiner Eitelkeit gründlich verstellt.

Detomee kam in den Raum gestürzt. Sie wirkte verzweifelt.»Der Ordnungsdienst«, rief sie. »Sie müssen etwas bemerkt haben,

wahrscheinlich die Explosionen. Gerade wollte ich mit Olavv reden, da sind siegekommen. Sie haben ihn verhaftet. Es heißt, er habe den berühmten ForscherMajbel entführt.«

Sitortode murmelte einen Fluch.»Hat man dich gesehen?« fragte er hastig.Detomee nickte.»Und am Hintergrund hat man dein Haus erkannt«, fügte sie hinzu. »Der

Offizier hat gesagt, daß ich bei dir bin, bevor ich die Verbindung trennen konnte.«»Dann sind sie in Kürze hier«, murmelte Sitortode. Gehetzt sah er sich um.»Was wollen wir jetzt tun?« fragte Detomee ratlos. Hilfesuchend blickte sie

Atlan an. »Der Ordnungsdienst wird uns festnehmen, und dann gibt es für unskeine Hoffnung mehr. Sie werden dir ebensowenig glauben, wie es Sitortodegetan hat.«

Sitortode hatte unterdessen seinen Panzerschrank wieder geöffnet. SeinVorrat an Elixieren schien bemerkenswert groß zu sein.

Für Kjaer, den heimlichen Lauscher, wurde die Angelegenheit immeraufregender.

In der Ferne war das Heulen von Sirenen zu hören.»Hier, schluckt das«, rief Sitortode und drückte Atlan und Detomee eine Pille

in die Hand. Eine schluckte er selbst.»Wozu soll das gut sein?« fragte Detomee.»Es wird unsere Flucht erleichtern, vielleicht erst möglich machen«,

antwortete Sitortode. Er hielt eine grellblau markierte Stahlflasche in der Hand.

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»Eigentlich wollte ich das Yog-Mann-Yog einmal vorstellen, er hätte es sichergebrauchen können«, sagte Sitortode grimmig. »Nun, früher oder später wird erohnehin davon erfahren. Die Wirkung wird ihm gefallen.«

Er ging zum nächsten Fenster hinüber und öffnete es. Bevor Atlan oderDetomee ihn hindern konnten, hatte er das Ventil der Stahlflasche geöffnet. Einweißer Nebel sprühte hinaus ins Freie.

»Jetzt brauchen wir nur abzuwarten«, erklärte Sitortode zufrieden.

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9.

Mindestens eine Hundertschaft Ordnungsdienstler hatte Sitortodes Hausumstellt. Sogar eine Gruppe Roboter war in Stellung gegangen.

»Nur eine Zeitfrage«, behauptete Sitortode. »Wir müssen sie hinhalten, dannhaben wir gewonnen.«

»Was hast du getan, ich will es wissen«, schrie Detomee ihren Kollegen an.»Nur ein gewisses Virus in die Luft gesprüht«, sagte Sitortode kalt. »Ein Virus

mit ganz besonderen Eigenschaften. Ihr werdet euch bald davon überzeugenkönnen.«

»Du bist ein Scheusal«, zischte Detomee. »Ein widerlicher Verbrecher, derseine Fähigkeiten nur dazu nutzt, Unheil zu stiften.«

»Ach was, ich wehre mich nur meiner Haut, das ist alles. Ich habe großePläne, die wichtig sind für unsere ganze Zunft, für Zuynam und alle Forscher aufdiesem Planeten. Wenn ich endlich das Plasma bekomme, das ich brauche,dann werde ich eine Kreation vorstellen können, die Yog-Mann-Yog die Spracheverschlagen wird. Dein legendärer Mobikopf ist nichts dagegen, selbst wennalles wahr wäre, was du von ihm zusammengefabelt hast. Und beim Erreichendieses Zieles sind mir alle Mittel recht! Außerdem, du wirst es später erfahren,hat das Virus, das ich gerade ausgestreut habe, keine besonders gefährlicheWirkung. Nützlich ist es trotzdem, sogar sehr nützlich.«

Kjaer in seinem Versteck hatte genug gehört. Es war an der Zeit, etwas zuunternehmen, und Kjaer wußte auch ganz genau, was er zu tun hatte. Geräuschlosentfernte er sich aus dem Versteck, kroch am Boden entlang und schlüpfte ausdem Raum. Durch seinen privaten Ausgang, von dessen Existenz Sitortodenichts wußte, verließ Kjaer das Haus.

Die Umgebung war taghell erleuchtet. Die Ordnungsdienstler hattenScheinwerfer aufgestellt, die das Haus und den Garten bestrahlten. Kjaer konntesehen, daß mindestens dreißig Hochenergiewaffen auf Sitortodes Haus gerichtetwaren. Die Eingeschlossenen saßen in einer Falle, aus der ein Entrinnen völligausgeschlossen schien. Kjaer war sehr gespannt darauf zu erfahren, mit welchemTrick Sitortode dennoch zu seinem Schiff GENSTRUKTUR kommen wollte.

Langsam arbeitete sich Kjaer weiter. Er wollte nach Möglichkeit nicht entdecktwerden, aber bei der Beleuchtung ließ es sich nicht vermeiden, daß man ihndennoch fand.

»He, hier ist etwas«, rief einer der Ordnungsdienstler. Grobe Fäuste packtenKjaer und zerrten ihn die die Höhe. Schlaff hing der Körper des Kunstwesens inden Händen des Ordnungsdienstlers.

»Herbringen!« befahl einer der Offiziere.

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Kjaer war nur wenig um seine Sicherheit besorgt. Im Zweifelsfall gab es für ihneinige Möglichkeiten, von deren Existenz niemand außer ihm etwas wußte.

»Das Ding kenne ich«, konnte Kjaer hören. Vorsichtshalber hatte Kjaer seineSehorgane eingefahren. »Kjaer, dieser Nichtsnutz. Gehört er jetzt Sitortode?«

»Es sieht so aus«, antwortete eine andere Stimme.»Was machen wir mit ihm«, fragte der Ordnungsdienstler. Die Antwort des

Offiziers erschreckte Kjaer bis ins Mark.»Es wird Zeit, daß dieses sinnlose Geschöpf verschwindet. Wenn einer von

einer anderen Welt Kjaer sieht, könnte er glauben, wir brächten nichts Besseresfertig als diesen biologischen Schrott. Töte ihn.«

Bevor Kjaer auch nur reagieren konnte, antwortete der Ordnungsdienstler:»Nein.«»Was soll das heißen? Du wirst dieses Vieh töten, auf der Stelle.«»Nein, das werde ich nicht tun«, gab der Gemeine ’zurück – Kjaer wußte, daß

den Ordnungsdienstler diese Widersetzlichkeit den Kopf kosten konnte. Aufdiesem Gebiet war man im Ordnungsdienst von Zuynam alles andere alszimperlich.

»Urag, komm her. Ihr beide auch. Nehmt diesen Mann fest. Er hat den Befehlverweigert.«

»Wir denken nicht daran«, antwortete der Angesprochene. »Wir führen keineBefehle mehr aus.«

Kjaer spürte, daß er fallen gelassen wurde. Auf dem Boden öffnete er wiederdie Augen.

Er sah den Offizier und drei offenbar meuternde Ordnungsdienstler. DasGesicht des Offiziers drückte Wut aus.

»Das wird euch den Kopf kosten«, schrie er. Er machte eine herrische Geste.»Ich brauche einen Kommunikator.«

»Hol dir einen, wenn du ihn brauchst«, erklang es als Antwort. Dem Offizierquollen fast die Augen aus dem Kopf.

»Überall Meuterer? Seid ihr völlig verrückt geworden?« schrie er mit sichüberschlagender Stimme. Kjaer setzte ihm nach, als der Offizier zu seinemGleiter hinüberrannte und selbst eine Verbindung mit dem Hauptquartierherstellte.

»Meine Truppen meutern, sie verweigern den Befehl«, erklärte der Offizierseinem Vorgesetzten. »Was soll ich tun?«

»Die gehorsamen Männer zusammenfassen und die Meuterer festnehmen.«»Ich denke nicht daran«, antwortete der Offizier zu Kjaers Verwunderung.»Das ist ein Befehl!« erklang es aus dem Lautsprecher.»Ich nehme keine Befehle mehr an«, gab der Offizier zurück. »Von

niemandem mehr. Mit dem Gehorchen ist jetzt Schluß.«

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Langsam dämmerte Kjaer, welche Wirkung das Mittel hatte, das Sitortode sogroßzügig versprüht hatte. Ganz offensichtlich hatte es vor allem einepsychotrophe Wirkung. Vermutlich putschte es die Willenskraft des Infizierten aufund hinderte ihn daran, sich irgendwelchen Anweisungen zu fügen. Die FähigkeitBefehle zu geben, wurde dadurch allerdings nicht beeinträchtigt.

Das Durcheinander war bald komplett. Eine Vielzahl von Ordnungsdienstlernerteilte sich wechselseitig Befehle und verweigerte ebenso hartnäckig derenAusführung. Die Stimmung verschlechterte sich rapide, es kam zu erstenRaufhändeln.

Kjaer hatte genug gesehen. Ihm konnte das Mittel nichts anhaben, so hoffte erjedenfalls.

Er schloß sich einem Ordnungsdienstler an, der sich ungefragt einen Gleiterder Truppe nahm und zum Rückflug ansetzte. Kjaer kroch auf die Ladefläche undversteckte sich dort.

Dem Planeten standen chaotische Zeiten bevor. Auf den ersten Blick mochtedie Wirkung des Virus ja recht spaßig sein, aber bei näherem Hinsehenentpuppte sie sich als lebensgefährlich. Verbotsschilder entlang der Gleiterroutenwaren für den Fahrer ebenso unannehmbar wie mündliche Befehle.Infolgedessen fuhr er in einem Stil nach Bolerc, der selbst dem abgebrühtenKjaer an den Nerven zerrte. Wenn der Ordnungsdienstler in einen Unfallverwickelt wurde, bei dem der Reaktor beschädigt wurde, dann war auch Kjaer inGefahr.

Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte sich Kjaer versucht, sein Geheimnis zulüften, aber er sagte sich, daß er damit seine Lage nicht verbessern konnte. Dererkrankte Ordnungsdienstler würde seine Befehle ebenso konsequentverweigern wie alle anderen auch.

Kjaer sah sich auf der Straße um. Es war geschehen, was er befürchtet hatte.Der Wind hatte Sitortodes Gebräu nach Bolerc hineingeweht, und ein Krankersteckte den anderen an.

Chaos herrschte in der Stadt. Zuynamer rannten durcheinander, beschimpftenund verfluchten sich. Schlägereien brachen aus. Männer und Frauen verließenihre Posten, um sich mit anderen anzulegen. Vermutlich würde es nicht langedauern, bis die Seuche auf andere Städte übergriff und damit das Leben aufZuynam praktisch zum Erliegen brachte.

Vor einer Gaststätte hielt der Ordnungsdienstler endlich an, und Kjaer sah zu,daß er so schnell wie möglich das Fahrzeug verließ.

Kjaer war mit Sitortode zufrieden. Diese Krankheit paßte sehr gut zu Yog-Mann-Yogs Plänen. Auf einem unruhigen, widerborstigen Planeten ausgestreut,würde die Seuche das öffentliche Leben des Planeten binnen weniger Tage völligzusammenbrechen lassen. Erst wenn die Wirkung sich allmählich verlor und die

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Betroffenen gesundeten, würden sie wieder die Vorteile einer straffen undenergischen Führung zu schätzen lernen, und wer im Sektor Janzonborr warbesser geeignet, Planeten zu beherrschen als Yog-Mann-Yog? Bei der Facettewürde Sitortode mit dieser Kreation sicherlich auf Wohlwollen stoßen.

Einstweilen aber hinderte Sitortodes Gebräu Kjaer daran, seine Ziele zuverfolgen.

Allmählich schälte sich heraus, daß die Krankheit sehr verschiedene Abläufehatte. Während sie bei vielen Zuynamern lediglich dazu führte, daß sie alleBefehle verweigerten, heizte sie bei vielen Handlangern aller nur denkbarenErscheinungsformen Haß und Wut über die lange Unterduckung durch dieZuynamer an. Es zeichnete sich ab, daß die Handlanger in kurzer Zeit zu einer ArtRachefeldzug aufbrechen würden. Auch das konnte den Planeten ruinieren.

Kjaer schlängelte sich in ein Dienstgebäude hinein. In den Büros war es leer,die Angestellten hatten ihre Arbeit im Stich gelassen. Zufrieden musterte Kjaerdas Durcheinander.

Schließlich entdeckte er, was er benötigte. Einen Anschluß, der zu einemHyperfunksender führte. Kjaer fuhr ein Pseudoglied aus und begann einen ganzbestimmten Anschluß zu wählen. Er mußte einige Zeit warten, bis sich seinGesprächspartner meldete.

»Hier Kjaer«, meldete sich das Kunstwesen. »Ich rufe den Diamanten desZwillings.«

»Kontakt«, lautete die knappe Antwort. Sehr gesprächig war dieserKontaktmann Kjaers nie gewesen, das Kunstwesen störte es nicht.

»Nachrichten von Zuynam?« fragte der Diamant.Kjaer hatte dieses Wesen noch nie gesehen, und die Stimme wurde während

des Hyperfunkkontakts deutlich erkennbar verfremdet. Kjaer wußte nur eines, ersprach mit einem Vertrauensmann der Facette Yog-Mann-Yog.

Seit geraumer Zeit unterhielt Kjaer diese Kontakte. Er war ein überausfleißiger Datensammler, und in unregelmäßigen Abständen gab er seineInformationen über verschiedene Kanäle an Yog-Mann-Yog oder einen seinerBeauftragten weiter.

Selbstverständlich sorgte Kjaer bei diesen Gelegenheiten dafür, allePersonen, die ihn gequält und mißhandelt hatten, in ein möglichst schlechtesLicht zu setzen, und der Erfolg hatte in den seltensten Fällen lange auf sich wartenlassen.

»Auf Zuynam bahnen sich Entwicklungen an, die für die Facette vonBedeutung sind«, antwortete Kjaer. »In diesem Augenblick versucht eine Gruppeentschlossener Wissenschaftler, mit einem Privatschiff nach Tauwerk zu fliegen.Sie wollen den ›Ring der Hölle‹ aufbrechen oder irgendwie durchqueren.«

»Das wäre nicht das schlechteste«, ließ sich der Diamant vernehmen.

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»Dieser Purtupf wird zusehends dreister. Er glaubt sich über andere erhaben.Aber Unternehmungen dieser Art sind schon oft gestartet worden. Das ist keinGrund, mich unmittelbar anzusprechen.«

»Dieses Mal kann die Sache anders ausgehen. An Bord des Schiffes, esheißt GENSTRUKTUR, befinden sich außer zweien der fähigstenWissenschaftlern Zuynams auch noch andere Wesen, darunter eine Person, diesich Atlan nennt, aber ebensogut der legendäre Majbel sein könnte.«

Die Reaktion, auf der anderen Seite war zunächst einmal Schweigen.»Information sicher?« fragte der Diamant des Zwillings dann knapp.»Wahrscheinlich«, gab Kjaer zurück. »Mein Gefühl sagt mir, daß Atlan oder

Majbel es schaffen wird, Purtupfs Abwehrwall zu durchdringen. Ich schlage vor,daß man sich dieses Mannes versichert.«

Wieder bekam Kjaer eine Zeitlang nichts zu hören. Der Diamant des Zwillingshatte offenbar damit zu tun, die Informationen zu verarbeiten und entsprechendeBefehle zu geben.

Währenddessen konnte Kjaer auf den Straßen Bolercs das Chaos sichausbreiten sehen. In einer weiteren Erkrankungsphase wurden die Infiziertenplötzlich träge und lustlos, waren zu nichts mehr zu bewegen und schlichen mitmatten Bewegungen auf den Straßen herum. Andere rollten sich in dernächstbesten Ecke zusammen und begannen zu schlafen.

»Einverstanden«, meldete sich der Diamant wieder bei Kjaer. »Ich habe denEhernen angewiesen, drei Aufklärer vom Typ CHARON startklar zu machen. Erwird begleitet von fünf Stählernen, Zuynam anfliegen und dich dort auflesen. Duwirst von Zuynam abberufen.«

Kjaer wußte nicht, ob er sich über diese Information freuen sollte. Den Ruf derStählernen Horde kannte er wie jeder Bewohner von Janzonborr. Hart,kompromißlos, unerbittlich in ihrem Vorgehen, nur Yog-Mann-Yog Untertan odereinem von ihm Beauftragten, waren sie der Schrecken aller, die mit ihnen zu tunbekamen. Für eine Welt wie Zuynam, auf der es kaum Roboter gab, war dasAufgebot, das sich in diesen Minuten in Marsch setzte, schon sehr beachtlich zunennen. Kjaer konnte daraus folgern, welchen Stellenwert man seinenInformationen beimaß. Indirekt war es auch ein Vertrauensbeweis, daß derDiamant nur auf Kjaers Informationen hin eine solche Maßnahme ergriff.

»Es muß ein Treffpunkt vereinbart werden«, fuhr der Diamant fort. »Erwartedie Aufklärer auf dem Raumhafen von Bolerc. Dort werden sie dich an Bordnehmen. Du bist sicher, daß das Ziel der GENSTRUKTUR Tauwerk ist?«

»Völlig sicher«, antwortete Kjaer. »Was für weitere Befehle bekomme ich?Wie soll ich mit den Aufklärern verfahren, wer hat dort Befehle zu geben?«

»Du wirst die Anordnungen des Ehernen ausführen. Er hat Anweisung, deineInformationen zu berücksichtigen. Wir sind mit deiner Arbeit zufrieden.«

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Kjaer freute sich über das Lob. Worte wie diese bekam man als geheimerMitarbeiter der Facette Yog-Mann-Yog so gut wie nie zu hören, und in Kjaers Fallbedeutete es obendrein, daß man ihn als den vollwertigen Mitarbeiter begriff, derer auch war.

»Ich werde bereit sein«, sagte Kjaer zum Abschluß. Er trennte die Verbindungund verließ das Gebäude.

Totenstill war es draußen geworden. Überall lagen schlafende oder garbewußtlose Zuynamer herum. Es regnete heftig, und die Schläfer wurden kräftigdurchnäßt. Die Ärzte und Kliniken würden in den nächsten Tagen allerhand zu tunbekommen, ihnen stand viel Arbeit bevor.

In der Ferne sah Kjaer Flammen zum Himmel schlagen. Die Revolte’ derHandlanger wurde offenkundig fortgesetzt, und die Sklaven aus denHexenküchen schienen gewillt zu sein, sich niemals wieder derart unterdrückenzu lassen. Kjaer als Kenner der Verhältnisse wußte, daß dieser Aufstand nachkurzer Zeit niedergeschlagen werden würde, auch wenn die Handlanger ihrenHerren teilweise im Verhältnis eins zu zehn an Zahl überlegen waren. DieHandlanger verfügten nicht über die Mittel, ihre Ansprüche auch durchsetzen zukönnen, und den mitunter niederträchtigen Möglichkeiten der Bio-Brüter hattensie nichts entgegenzusetzen.

Bis die Aufklärer auf Zuynam eintreffen konnten, mußte noch einige Zeitvergehen. Kjaer beschloß, diese Frist nach seiner Laune zu nutzen. Mühevollbewegte er sich durch die nächtlichen Straßen, auf den unförmigen Kasten zu, indem der Ordnungsdienst sein Hauptquartier hatte. Schon einige Male hatte Kjaerversucht, dort einzudringen, aber es war ihm nicht gelungen. Für dieausgeklügelten Sicherheitsmaßnahmen reichten seine Fähigkeiten nicht aus.

An diesem Abend hatte er mehr Glück. Die Wachen am Eingang lagenschnarchend in ihren Zimmern. Vorsichtig schlich sich Kjaer weiter. In deruntersten Etage fand er einen Lageplan des ganzen Gebäudes, der ihm zeigte,wo es Besprechungszimmer gab. Kjaer war sich sicher: Irgendwo in diesemHaus gab es noch ein paar Bio-Brüter, die der Krankheit aus dem einen oderanderen Grund nicht erlegen waren. Sie würden Gegenmaßnahmen planen, unddarüber wollte Kjaer etwas in Erfahrung bringen.

Er benutzte die Lüftungsschächte, um sich vorwärtszuarbeiten. Die harteIonenstrahlung zur Abwehr von Mikroorganismen war zwar auch für seinenMetabolismus eine Tortur, aber er nahm die Quälerei auf sich.

Nach einiger Zeit war er am Ziel. Verborgen in einer Lüftungsbox konnte erden Rat des Ordnungsdiensts bei seiner Besprechung belauschen. Was er zuhören bekam, war erschreckend.

»Die Handlanger revoltieren, überall auf Zuynam.«»Das ist nicht die erste Handlangerrevolte«, wurde dem Sprecher

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entgegengehalten. Kjaer erkannte Fadranse, den Sprecher des Rates, einenMann, dem der Ruf unbeugsamer Härte und skrupelloser Eigensucht vorausging.

»Aber es ist die erste planetenweite Revolte, und wenn diese Kreaturen ersteinmal spüren, daß so etwas möglich ist, werden wir nie wieder völlig sicherleben und arbeiten können. Ich schlage vor, die Handlanger auszutauschen.«

Kjaer konnte mit diesen Worten eine Zeitlang nichts anfangen, aber dannbegriff er. Was der Rat da plante, war nicht mehr und nicht weniger als einTodesurteil für alle auf Zuynam lebenden Handlanger.

»Und wie wollen wir das mit unseren beschränkten Mitteln machen?«Fadranse wußte auch auf diese Frage eine Antwort.»Wir halten die entsprechenden Mittel bereit«, verkündete er. »Schon vor

langer Zeit wurden sie entwickelt, sie können jederzeit eingesetzt werden. IhreWirkung ist absolut sicher.«

Jetzt begriff Kjaer auch, warum es so wenige Roboter auf Zuynam gab. Siewaren mit so breitgestreuten Mitteln nicht zu beeinflussen, wenn es ausirgendeinem Grund zu einem Konflikt kommen sollte.

»Das wird den Planeten ruinieren«, bekam Kjaer zu hören.»Die Revolte ebenfalls«, entgegnete Fadranse kalt. »Ich schlage vor, diesen

Ultimaten Plan durchzuführen.«Es gab eine Abstimmung unter den Mitgliedern des Rates. Fadranse mit

seinem mörderischen Vorhaben unterlag, nur eines der achtzehn Mitgliederstimmte mit ihm. Kjaer konnte das Gesicht des Zuynamers sehen, als das,Abstimmungsergebnis verkündet wurde. Es zeigte für Kjaer offen, daß Fadransenicht willens war, sich an die Abstimmung zu halten. Er würde auf eigene Fausthandeln.

Kjaer schlängelte sich durch die Lüftungsschächte. Fadranse hatte geradeden Besprechungsraum verlassen. Wahrscheinlich war er jetzt auf dem Weg zuirgendeinem Versteck, von dem aus er seine mörderische Aktion einleiten wollte.

Kjaer wartete seine Chance ab. Er wußte, es war die einzige, die er hatte.Flach an der Decke klebend, hielt er aus, bis Fadranses massige Gestalt

genau unter ihm war, dann ließ sich Kjaer fallen. Er schlang seinen Körper umden Hals des Zuynamers…

Als Kjaer sich einige Minuten später aus dem Gebäude entfernte, fühlte ersich sehr seltsam. Ein Glücksgefühl durchströmte ihn. Zum ersten Mal hatte er esgewagt, seine Möglichkeiten einzusetzen. Er war nicht so wehrlos, wie er selbstimmer geglaubt hatte. Der tote Fadranse auf dem Flur war ein deutlicher Beweisdafür.

Ein wenig betroffen war Kjaer nur von einer Tatsache. Zum ersten Mal inseinem Leben hatte er etwas getan, das man mit Abstrichen als gute Tatbezeichnen konnte. Er hatte den Mord an zahllosen Handlangern verhindert, auch

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an solchen, deren Tod er sich sehnsüchtig gewünscht hatte.Verwirrt mußte Kjaer zu der Einsicht kommen, daß sein Charakter nicht von

Grund auf gefühllos und schlecht war, wie er immer geglaubt hatte. Sein Weltbildgeriet dadurch erheblich ins Wanken.

Vorher aber war noch eines zu tun. Kjaer wollte um jeden Preis das Ende vonSitortode erleben. Er machte sich auf den Weg zum Raumhafen.

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10.

Das Schiff sah nicht übel aus, eine schlanke, elegante Konstruktion ausschimmerndem Stahl. An der hoch aufragenden Bordwand war der Name desSchiffes zu lesen. GENSTRUKTUR war zwar nicht gerade ein üblicher Name fürein Raumschiff, aber die Forscher von Zuynam dachten offenbar nur in denKategorien ihrer Arbeit.

Es war in unserer unmittelbaren Umgebung ruhig. In der Ferne konnten wirBolerc sehen, erleuchtet von einigen Großfeuern. Ich konnte nur hoffen, daßSitortodes biochemische Waffe keine allzugroßen Verwüstungen anrichtete.

Auf dem Weg hatten wir einen Vorgeschmack von dem bekommen, was sichin der Stadt abspielte. Fast die ganze Bevölkerung gebärdete sich wiewahnsinnig. Nach einem Anfall von Befehlsverweigerung war Apathie gefolgt, jetztverfielen die Zuynamer in eine hektische Betriebsamkeit. Was mich besonderserschreckte, war die Reaktion der Handlanger. Sie mußten zu Millionen aufdiesem Planeten leben, und selbst die Glücklichen unter ihnen führten einausgesprochenes Sklavendasein. Ich konnte hur hoffen, daß sie nicht versuchten,die Gunst dieser Stunden zu nutzen und sich für die Unterdrückung an ihrenHerren zu rächen.

»Gräßlich«, flüsterte Detomee neben mir. Der Fahrtwind des Gleiters hatte ihrHaar verwirbelt, und in der schwachen Innenbeleuchtung von Sitortodes Gleiterwar der greisenhafte Anstrich ihres Gesichts nicht mehr recht zu bemerken. Sosah sie recht hübsch aus.

Sitortode hielt an.»Ich hoffe, du kommst mit dem Schiff zurecht«, sagte er. Ich nickte. Zwar gab

es sehr unterschiedliche Technologien, was Raumschiffsantriebe anging, abernach meinen Erfahrungen setzte sich in einer Galaxis in der Regel das eine oderandere Modell als Standard durch. Und mit den Standardtypen der GalaxisAlkordoom war ich bereits vertraut gemacht worden.

Unwillkürlich blickte ich hinauf zum Sternenhimmel. Irgendwo dort oben warANIMA, für mich ebenso unerreichbar wie einer der Sterne. Im Augenblick sah ichkeine Möglichkeit, etwas für sie zu tun. Noch hatte Sitortode meine Freunde alsGeiseln, und nach den Kostproben seines Charakters war das Schlimmste zubefürchten, wenn ich mich nicht Sitortodes Willen beugte.

Mit einem Impulsgeber ließ Sitortode die Schleuse auffahren. EinTransportband schob sich ins Freie. Wir stiegen auf und wurden ins Innerebefördert. Ein Antigravlift brachte uns in die Zentrale.

»Wo sind meine Handlanger?« fragte ich. »Bevor wir starten, will ich siesehen.«

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»Ich bin es, der hier Bedingungen stellt«, antwortete Sitortode, »nicht du.Starte erst.«

Ich fügte mich. Noch spielte ich die Rolle so, wie Sitortode es sich vorstellte.Daß ich dank meines Zellaktivators die heimtückische Krankheit nicht zu fürchtenbrauchte, die Sitortode als Waffe gegen Detomees Haus eingesetzt hatte,brauchte ich ihm nicht auf die Nase zu binden. Sich einstweilen unerschütterlichruhig zu geben, paßte zu dem Bild, das ich bisher geliefert hatte, aberirgendwann mußte ich wohl oder übel melodramatisch zusammenbrechen undmeine Furcht vor dem Flechtmoos äußern. Dann konnte Sitortode getrostglauben, mich in der Hand zu haben. Er würde eine Überraschung erleben.Vorher aber durfte ich nicht kapitulieren. Bei aller Selbstüberschätzung warSitortode nicht dumm genug, einen vorzeitigen Zusammenbruch zu glauben.

Ich nahm auf dem Sitz des Piloten Platz. Ein paar glitzernde Schuppen auf derPolsterung zeigten mir, daß das Schiff früher einmal von einem Reptilienwesengesteuert worden sein mußte. Die Art und Weise, wie sich Sitortode im Innernbewegte, ließ den Schluß zu, daß er selbst mit der GENSTRUKTUR noch nichtallzu vertraut war. Auch das konnte sich als nützlich erweisen. In diesem lautlosenDuell mußte ich den kleinsten Vorteil nutzen, zumal ich an mehreren Frontengleichzeitig anzutreten hatte.

Die Aufgabe, die sich mir stellte, war gewaltig.Ich mußte Wasterjajn Kaz und die beiden Kjokerinnen aus Sitortodes Gewalt

befreien, danach hatte ich mich um Dhonat und ANIMA zu kümmern. Und erstdanach konnte ich weiter dem Auftrag der Kosmokraten folgen und meinenKampf gegen die Macht der Facetten und des Erleuchteten aufnehmen. Von derGefahr EVOLO war überhaupt noch nicht die Rede gewesen. Diesen Gegnerhatte ich wohl erst noch zu suchen, bevor ich gegen ihn antreten konnte.

In dieser Lage blieb mir nur zu hoffen, daß die Kosmokraten mich nichtmaßlos überschätzten, wenn sie allen Ernstes glaubten, daß ich all das zubewältigen imstande war.

Zu meinem Ärgernis unterschied sich die GENSTRUKTUR in einigen Punktenvon den Typen, die ich kannte. Ich beschloß, das zu meinem Vorteil zu nutzen.Noch war ich sicher, daß sich ANIMA im System aufhielt, und solange wir dasMuttergestirn von Zuynam nicht verlassen, hatten, besaß ich noch einigeMöglichkeiten, etwas für ANIMA zu unternehmen. Wurde ich hingegen umLichtjahre von ihr entfernt, wurden die Aussichten zunehmend schlechter.

Ich ließ die Maschinen der GENSTRUKTUR anlaufen und machte dabeiabsichtlich ein paar Fehler. Das Kreischen und Dröhnen aus den Tiefen desSchiffes machte Sitortode sichtlich nervös.

Lag es an der Beleuchtung in der Zentrale, oder verfärbte sich SitortodesHaut ein zweites Mal? Sie schien mir schon wieder jenen grünlichen Schimmer zu

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haben, den ich zum ersten Mal gesehen hatte, unmittelbar nachdem er sich selbstmit dem Flechtmoos angesteckt hatte. Auf beiden Seiten schien der Einsatzimmer größer werden zu wollen.

»Wenn du Hilfe brauchst, dann sage es«, bemerkte Sitortode scharf. »MeineHandlanger werden jeden deiner Befehle ausführen.«

»Das wird einstweilen nicht nötig sein«, antwortete ich.»Ich werde sie dennoch rufen«, erklärte Sitortode. Während er sich darum

kümmerte, nahm Detomee in einem der hintersten Winkel der Zentrale Platz. Siewirkte gebrochen. Ich ahnte, daß es vor allem die Verhaftung ihres FreundesOlavv war, die sie schockiert hatte. Nun, in dem allgemeinen Durcheinander aufZuynam sollte es Olavv wohl möglich sein, zu entkommen, und danach würde manauf Zuynam anderes zu tun haben, als sich darum zu kümmern.

Ein paar von Sitortodes Handlangern strömten in die Zentrale. Ich sah, wieDetomee aufschrak.

»Glyff!« rief sie verwundert.Sitortode lachte hämisch.»Du siehst, ich bin gut informiert«, sagte er boshaft. »Glyff, von dem du

geglaubt hast, er sei dir treu ergeben, arbeitet seit einigen Jahren für mich, und erhat mir gerade etwas sehr Schönes berichtet. Wenn diese Panne mit demFlechtmoos nicht passiert wäre, würde ich mich sofort darum kümmern, so werdeich die Angelegenheit später in Angriff nehmen. Du weißt, wovon ich spreche,nicht wahr? Olavvs Freund, dieser Raumfahrer Hunkle-Bha, hat im Weltraumeinen Plasmaklumpen entdeckt und nach Gaukler gebracht. Dort hält er ihnversteckt, eine Riesenmenge hervorragenden Materials.«

Sitortode stockte.Alles Training und alle Selbstbeherrschung half nichts. Als Sitortode von dem

Plasmaklumpen geredet hatte, war mir ANIMA sofort in den Sinn gekommen, undmeine unwillkürlich heftige Reaktion war Sitortode nicht entgangen. Er starrtemich eine Zeitlang intensiv an. Ich spürte, wie Wut und ein Gefühl der Ohnmacht inmir aufstiegen. Nun war auch noch ANIMA in die Fänge dieses gewissenlosenSchurken gelangt.

Sitortode leckte sich die Lippen.»Wir reden später darüber«, sagte er mit scheinheiliger Freundlichkeit.

»Bringe erst einmal das Schiff in den Raum.« .Ich hatte keine andere Wahl. Die Maschinen der GENSTRUKTUR nahmen

die Arbeit auf und ließen das Schiff in den Himmel steigen. DieBeschleunigungswerte waren nicht schlecht, aber das Schiff wirkte ein bißchenseitenlastig. Ich unterstützte diesen Trend durch behutsame Steuerkommandos,und so schlingerte die GENSTRUKTUR auf einem recht wackligen Kurs hinauf inden Himmel. Sitortode preßte die Lippen aufeinander.

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Das Schiff so zu steuern, daß es gerade richtig aussah, war eine schwierigeArbeit, zumal mit einer fremden Technik. Kein Wunder, daß mir bald der Schweißauf der Stirn stand. Sitortode sah es und zog daraus die Schlußfolgerungen, dieich erhoffte. Er traute mir zu, mit der GENSTRUKTUR umzugehen, aber nichtohne Hilfe.

Nach kurzer Zeit erreichten wir den freien Raum, und ich ließ dieGENSTRUKTUR mit höchsten Beschleunigungswerten durch das System rasen.

»Jetzt brauche ich die Koordinaten von Tauwerk«, erklärte ich.Sitortode hielt sie bereit. Zu meinem Erstaunen war Tauwerk, dieser

geheimnisvolle Planet, gar nicht einmal weit von Zuynam entfernt. Nur knappviereinhalb Lichtjahre trennten die beiden Welten voneinander. Und bei dieserGelegenheit bekam ich auch heraus, wo der geheimnisvolle Adlerhorst lag, mittenim Sektor Janzonborr, 5977 Lichtjahre von Zuynam entfernt. Mein fotografischesGedächtnis speicherte die Daten.

»Jetzt wollen wir miteinander reden«, schlug Sitortode vor. Er setzte sichbequem hin, seine Haltung hatte etwas Herausforderndes.

»Du kennst diesen Plasmaklumpen«, begann Sitortode. »Ich vermute, daß duihn sogar sehr gut kennst. Damit du siehst, daß wir miteinander arbeiten können,mache ich dir einen Vorschlag. Du kannst ablehnen, wenn du willst.«

Sitortode grinste. Ich war sicher, daß er sein Angebot so formulieren würde,daß ich es nicht ablehnen konnte. Auch im Umgang mit solchen Vorschlägenhatte ich meine Erfahrungen.

»Du wirst mir helfen, Tauwerk zu finden und zu Purtupf vorzudringen. Ichmache kein Hehl daraus, ich will mit Purtupf keinen Handel abschließen.«

Wieder grinste er. Es bereitete ihm offensichtlich Behagen, uns in seine Pläneeinzuweihen, und ich kannte mich mit Gangstermethoden genügend aus, um zuwissen, was das für uns zu bedeuten hatte. Nach einem Erfolg würde Sitortodejeden Mitwisser seiner Pläne ausschalten.

»Ich will ihm Tauwerk abnehmen«, erklärte Sitortode. »Wenn er uns keinPlasma mehr liefern will, dann werde ich es eben in Besitz nehmen, danach habeich genügend Material zum Arbeiten. Auf deinen Plasmaklumpen bin ich dannnicht mehr angewiesen. Ich werde dir sogar dabei helfen, ihn für dichzurückzuerobern.«

»Olavv hat den Klumpen bereits von Hunkle-Bha gekauft«, mischte sichDetomee ein. Sitortode grinste nur, er zwinkerte mir zu. Von einem Schurken zumanderen, sollte das Zwinkern wohl ausdrücken. Ich reagierte nicht darauf.

»Auch das werden wir erledigen«, versprach Sitortode.Ich kalkulierte durch, wie der Plan in seinem Kopf wohl aussehen mochte.

Zunächst wollte er mit Detomees und meiner Hilfe Tauwerk erreichen, Purtupfumbringen und die Macht auf diesem Planeten an sich reißen. Damit hatte er

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nach den bisherigen Umständen auch ganz Zuynam in der Hand. Danach würdeich ihm höchstwahrscheinlich dabei helfen dürfen, den Raumfahrer Hunkle-Bhaund Olavv auszuschalten und Sitortode in den Besitz von ANIMA zu bringen. Wardas erst gelungen, war ich an der Reihe zu sterben. Dieser Sitortode war einHalunke durch und durch, ich mußte in jedem Augenblick auf der Hut sein vor ihm.

Ich tat, als müßte ich darüber nachdenken. Bis zu diesem Augenblick hatte ichmich geheimnisvoll gegeben, aber nicht verbrecherisch. Ich durfte nicht zu raschauf Sitortodes Pläne eingehen, wenn ich ihn nicht mißtrauisch stimmen wolle.

»Hört sich nicht schlecht an«, murmelte ich. Ich leckte mir scheinbar nervösdie Lippen. »Wie sieht es aus mit…«

Ich stockte. Sitortode begriff sofort, worauf ich anspielte.»Mit Purtupfs Plasma kein Problem«, verkündete er großsprecherisch. »Ein

Tag höchstens, dann habe ich genug von dem Gegenmittel.«»Das wird auch nötig sein«, bemerkte ich. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr.

Sitortodes Haut hatte sich an einigen Stellen verfärbt. Dunkelgrüne Fleckenwaren auf seinem Gesicht erschienen. Sitortode stutzte, dann stand er auf undging zum nächstbesten Gegenstand hinüber, in dem er sich spiegeln konnte. Ichsah, daß er blaß wurde.

»Laß mich darüber nachdenken«, bat ich. Ich drehte mich mitsamt demPilotensitz herum, so daß Sitortode mein Gesicht nicht sehen konnte.

Es war eine schwierige Aufgabe, aber grundsätzlich zu lösen. Man hätte dasVerfahren als autosuggestive Psychosomatik bezeichnen können.

Von jeher hatten es Hypnotiseure verstanden, auch auf die Körper ihrerKlienten einzuwirken. Ein völlig harmloses Pflaster auf die Haut geklebt, dazu dieSuggestion, es handele sich um ein Senfpflaster, und nach kurzer Zeit zeigte sichdie Haut an der betreffenden Stelle gerötet. War der Hypnotiseur wirklich gut,konnte er auf diese Weise Verbrennungen bis zur Entwicklung regelrechterBrandblasen hervorrufen. Auf die gleiche Art und Weise mußte es möglich sein,daß ich mir ein paar hübsche rote Flecken auf den Körper zauberte, die Sitortodedavon überzeugen sollten, daß ich tatsächlich von dem Flechtmoos befallen war.Ich war gespannt, ob der Zellaktivator dieses Psychospielchen mitmachen würde.

Es gehörte sehr viel Geduld und Konzentrationsvermögen dazu. Ich brauchevon außen sichtbare, überprüfbare körperliche Reaktionen. Der altePennälertrick, sich selbst Magenschmerzen vor Prüfungen zu verschaffen, reichtedafür nicht aus.

Es gelang. Nach fünf Minuten zeigten sich die ersten zarten Rötungen. In dennächsten Tagen würde es mir sicher gelingen, diese Verfärbungen auszubreiten.

»Ich nehme an«, sagte ich und drehte mich um. Sitortode machte einzufriedenes Gesicht. Er sah mich an, und an dem boshaften Lächeln, das füreinen kurzen Augenblick über sein Gesicht flog, erkannte ich, daß er die Flecken

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gesehen und sich seinen Reim darauf gemacht hatte.»Als Verbündete sollten wir Vertrauen zueinander haben«, fuhr ich fort.

»Meine Handlanger haben mir bei der Steuerung meines Schiffes geholfen. Eswäre nützlich, sie auch jetzt einzusetzen.«

»Hmm«, machte Sitortode zögernd. Der Vorschlag gefiel ihm nicht.»Ich kann es auch allein schaffen«, beteuerte ich. Ohne Schwierigkeiten

gelang es mir, meine Stimme vibrieren zu lassen. »Aber es wird dann langsamergehen, du verstehst?«

Sitortode grinste verächtlich. Er glaubte mich durchschaut zu haben.Endlich war er hinter meine Maske gestiegen. Ein großer Sprüchemacher,

aber in wirklicher Not genauso feige und verzagt wie andere, aber immer nochbemüht, die Maske des Unerschütterlichen aufrechtzuerhalten. Es war das Spiel,das er selbst in einer solchen Lage gespielt hätte. Um es zu durchschauen, hättees einer Portion an Selbstkritik bedurft, deren ich Sitortode nicht für fähig hielt.

»Einverstanden«, sagte er. »Ich lasse sie frei, sie können dir helfen. Aberglaube nicht, daß du mich hereinlegen kannst. Ich bin auf der Hut.«

Er verschwand aus der Zentrale. Detomee kam zu mir geeilt.»Trau ihm nicht«, beschwor sie mich mit leiser Stimme. »Er will dich betrügen,

er will Olavv hintergehen.Und den Plasmaklumpen will er für sich selbst haben.«Ich nickte.Die Blicke, die Sitortode während unserer Unterhaltung ab und zu in

Detomees Richtung geworfen hatte, hatten mir gezeigt, daß er noch mehr habenwollte. Er wollte Detomee für sich, weniger aus Gründen der Zuneigung alsvielmehr aus Rachsucht. Er vertrug keine Niederlagen, Sitortode war gerissenund wendig, dazu skrupellos.

Ich ahnte, daß ich alles würde aufbieten müssen, um diesen Gegner zubezwingen. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich noch nicht, daß dies noch diegeringste Aufgabe der nächsten Tage werden würde. Noch ahnte ich nicht, wases mit dem »Ring der Hölle« auf sich hatte.

ENDE

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Der Arkonide segelte sozusagen unter falscher Flagge, als er die Welt derBio-Brüter betrat.

Nun muß er in der gleichen Art und Weise weitermachen, als ergezwungenermaßen den Planeten Tauwerk anfliegt, der von Purtupf beherrschtwird.

Was anschließend geschieht, das interessiert die stählerne Horde…DIE STÄHLERNE HORDE – so lautet auch der Titel des nächsten Atlan-

Bandes, der ebenfalls von Peter Terrid geschrieben wurde.