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Forum Justiz 1 FORUM JUSTIZ 18. April 2005 Regierungsviertel am Steiger 99096 Erfurt Grußwort des Thüringer Justizministers Harald Schliemann Seite 5 Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Joachim Jentsch Die Bundesrepublik Deutschland auf dem Weg zur Kleinstaaterei? Seite 8 Pressestimmen Seite 24

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Forum Justiz 1

FORUM JUSTIZ

18. April 2005

Regierungsviertel am Steiger 99096 Erfurt Grußwort des Thüringer Justizministers Harald Schliemann

Seite 5

Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Joachim Jentsch Die Bundesrepublik Deutschland auf dem Weg zur Kleinstaaterei?

Seite 8

Pressestimmen

Seite 24

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„Im Zuständigkeitsgefüge von Bund und Ländern knirscht es“: Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Joachim Jentsch beim Forum Justiz

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Grußwort von Justizminister Harald Schliemann Guten Tag meine Damen und Herren Lieber Herr Professor Jentsch

Das Forum Justiz hat Tradition in Thüringen. Das heutige Forum wird zu den besonderen Glanzpunkten dieser Reihe zählen. Ihre Person, Ihr Name ist seit Anfang der 90er Jahre fest mit Thüringen verbunden. Waren Sie es doch, der die Justiz in Thüringen aufge-baut und in der ersten Legislaturperiode von 1990 – 1994 das Justizressort als Minister geführt haben. Sie haben hervorragende Arbeit für Thüringen geleistet. Was nichts daran ändert, dass wir heute über die eine oder andere Nachjustierung nachdenken müssen. Die Zahl der Amtsgerichte muss an die sich ändern-den Realitäten angepasst werden. Seit nunmehr fast neun Jahren sind Sie als Bundes-

verfassungsrichter in Karls-ruhe einer der höchsten Richter unseres Staates. Es freut mich besonders, dass Sie am Ende Ihrer derzeiti-gen Amtszeit als Bundesver-fassungsrichter heute zu Gast beim Forum Justiz sind. Sie sind dem Freistaat Thüringen verbunden ge-blieben. Zumindest – aber nicht nur - über die Frie-drich-Schiller-Universität in Jena, wo Sie bereits seit 1994 zur Ausbildung un-seres juristischen Nach-wuchses in Thüringen bei-tragen. Lieber Herr Professor Jentsch, das von Ihnen ausgewählte Thema: „Die Bundesrepublik auf dem Weg zur Kleinstaaterei?“ könnte nicht aktueller sein.

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Heute Vormittag erhielt Justizstaatssekretär Man-fred Scherer aus Berlin die Einladung als delegiertes Mitglied der Föderalismus-kommission an einer Fort-setzungsrunde dieser Kom-mission teilzunehmen. Warum überhaupt Födera-lismus? Wäre es nicht viel einfacher Zentralismus zu haben? Einfacher ist Zentra-lismus immer gewesen. Die Frage ist, ob es zuträglicher ist. Gerade dieser Teil unse-res Vaterlandes hat 40 Jahre lang mit einem zentralis-tisch geführten Staat eigene Erfahrungen gesammelt. Alles kommt aus Berlin – mit dieser Devise fingen bereits 1933 massive Schwierigkeiten an. Von daher finde ich manche Diskussion schlicht dane-ben, die den Föderalismus nur als Finanzierungspro-blem begreifen. Dieser An-satz greift zu kurz. Ob wir allerdings mit unserer der-zeitigen Konstruktion des Föderalismus und der

Rechtsprechung dazu im-mer auf dem richtigen Weg sind, darüber werden wir weiter nachdenken müssen. Eine gute Ordnung des Bundes zu den Ländern ist nach wie vor erstrebens-wert. Das föderale System muss erneuert und die Handlungsfähigkeit der Län-der gestärkt werden. Wir brauchen eine klare Abgren-zung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern. Die gesamte Entwicklung geht seit Jahrzehnten dahin, dass die Gesetzgebungskompe-tenzen der Länder - die nach dem Grundgesetz der Regelfall sind - durch den Bund zunehmend ausge-höhlt werden. Nehmen wir nur die Beispiele Studienge-bühren oder Altenpflege, die durch das Bundesverfas-sungsgericht zugunsten der Länder und damit auch zugunsten des Föderalis-mus entschieden worden sind. Auch Thüringen hat erst im vergangenen Jahr gemeinsam mit Bayern und Sachsen mit einer Ver-

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fassungsklage gegen die Hochschulnovelle aus dem Jahr 2002 („Juniorprofes-sur“), die von den Karls-ruher Richtern positiv beschieden worden ist,

einen Sieg für den Födera-lismus erzielt. Lieber Herr Professor Jentsch, wir sind sehr gespannt auf Ihren Vortrag. Das Forum gehört Ihnen.

Rund 120 Gäste verfolgten den Vortrag von Prof. Jentsch

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Die Bundesrepublik Deutschland auf dem Weg zur Kleinstaaterei? Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Joachim Jentsch 1. Einleitung. Die Fragestellung mag angesichts der fortschrei-tenden europäischen Inte-gration auf den ersten Blick wenig nahe liegend erschei-nen. Doch dieser Eindruck täuscht. Bei Lichte betrach-tet scheint es vielmehr gerade die Europäisierung zu sein, die Dezentrali-sierungsbestrebungen be-fördert - gleichsam als Ge-genausschlag des Pendels. Jedenfalls ist auffällig, dass sich der Trend zu regionalen Entscheidungs-strukturen in fast allen europäischen Staaten auf-zeigen lässt. Selbst das traditionell zentralistische Frankreich - la grande nation une et indivisible - ist seit den späten siebziger Jahren in Bewegung gera-ten. Unter dem Banner der Regionalisierung und der Dezentralisierung hat es

tiefgreifende Änderungen des staatlichen Aufbaus in Gang gesetzt. Die Kontro-verse um den Sonderstatus für die Insel Korsika ist der sichtbare und symbol-trächtige Höhepunkt.

Der Nationalstaat ist dabei zwischen gewaltige Mühl-steine geraten: die kompe-tenzansaugende Europa-ebene einerseits. Ihre gewal-tige regulatorische Kraft kann schon damit beschrie-ben werden, dass die Vor-gaben aus Brüssel zwi-schenzeitlich auf über 80.000 Druckseiten Papier angewachsen sind. Bösarti-ge Stimmen bezeichnen die EU deshalb ja auch als Europäische Gemeinschaft für Druck und Papier. Auf der anderen Seite bedrängt ihn die regionale Länder-ebene, die durch ihre größere Bürgernähe die auf-

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keimenden Identifikations-bedürfnisse der Bürger na-turgemäß besser aufgreifen und bedienen kann als der großräumiger angelegte Bundesstaat. Insoweit passt auch der historische Anklang des Begriffs der Kleinstaaterei durchaus ins Bild, denn auch zu Zeiten des Heiligen Römischen Reichs deut-scher Nation war die Staats-gewalt ja – trotz des zentra-len Dachs – tatsächlich auf viele kleine Fürstentümer übergegangen. Holschnitt-artig betrachtet lässt sich daher durchaus die These wagen, dass gerade die fortschreitende Europäi-sierung eine wesentliche Ursache für die gegenwärtig zu beobachtende Hinwen-dung zur Länderebene ist. Denn der Bundesstaat erlei-det einen Funktionsverlust, sowohl von oben als auch von unten.

2. Keine grundsätzliche

Kritik am Föderalismus. Ins Bild passt natürlich auch die nicht abebbende

Diskussion über die Reform des Föderalismus (und den Zustand des Landes an sich). Dabei ist allerdings bemerkenswert, dass schon die bundesstaatliche Ord-nung für sich genommen unter ständigem Rechtferti-gungszwang steht. Im Ge-gensatz zu anderen ver-fassungsrechtlichen Grund-prinzipien wie etwa dem Rechtsstaat oder der Demo-kratie, die ihre Legitimation offenbar aus sich selbst heraus zu beziehen vermö-gen, sieht sich der Födera-lismus immer wieder grund-sätzlichen Angriffen ausge-setzt. Vielfach beklagt wird insbesondere die Schwer-regierbarkeit föderaler Sys-teme, die manche bis zur Gefahr der Unregierbarkeit gesteigert sehen.

Soweit dieser Einwand besa-gen will, dass sich der Zen-tralstaat leichter regieren lässt als der Bundesstaat, ist dem nicht zu widerspre-chen. Diese Folge ist eben-so gewollt wie die, dass Regieren in einer Demokra-

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tie schwieriger ist als in ei-ner Diktatur. Gewaltenteili-ge Staatskonzeptionen füh-ren stets zu einer Verkom-plizierung des politischen Prozesses. Die Behauptung der Unregierbarkeit dage-gen hält der Prüfung wohl nicht stand. Jedenfalls steht entgegen, dass immer mehr Staaten - gerade auch in Osteuropa - eine Dezentra-lisierung ihrer einheitsstaat-lichen Strukturen anstre-ben. An der Debatte über die grundsätzliche Untaug-lichkeit des bundesstaat-lichen Aufbaus werde ich mich daher nicht beteiligen. Richtig ist aber natürlich, dass an den Details ge-arbeitet werden muss, denn im Zuständigkeitsgefüge von Bund und Ländern knirscht es. In der öffent-lichen Diskussion steht das Kompetenzgefüge des Grundgesetzes - also die Aufteilung der Staatsgewalt auf Bund und Länder – daher zu Recht auf dem Prüfstand.

Dabei ist insbesondere der Bundesrat in den Focus geraten. Mit seinen zahl-reichen Mitbestimmungs-rechten verwässere er - so lautet der vielfach erhobene Vorwurf - die Grenzziehung zwischen Bundes- und Länderzuständigkeiten und verhindere so eine konzepti-onelle Gesetzgebung des Bundes. Vielfach ist gar von „Blockade“ die Rede. Un-zweifelhaft kann auch konstatiert werden, dass die Ausgestaltung der Gewal-tenteilung im Bundesstaat und die Transparenz des Gesetzgebungsverfahrens unter den langwierigen und undurchschaubaren Kon-sensverfahren leidet.

3. Defizite des bestehen-

den Systems aus Sicht des Wählers.

Noch gewichtiger erscheint mir jedoch, den Bürger in den Blick zu nehmen, ihn, von dem alle Staatsgewalt ausgeht und der sie zuvör-derst in den Wahlen ausübt. Er kann seinen Vertreter im

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Parlament doch nur dann verantwortungsbewusst "mandatieren", wenn er dessen Gesetzgebungszu-ständigkeiten auch kennt. Schließlich spricht der Wähler demjenigen Politi-ker und derjenigen Partei sein Vertrauen aus, von denen er erwartet, dass sie seine Interessen am wirk-samsten wahrnehmen. Ge-rade weil der gewählte Ab-geordnete frei von Weisun-gen ist und der Wähler das Mandat während der Wahl-periode nicht entziehen kann, ist es um so wichti-ger, dass der Bürger seiner Stimmabgabe verlässliche Determinanten zugrunde legen kann.

Die Verfassungsrechtslage ist aber so, dass dem Wähler häufig verborgen bleibt, wofür er bei der Wahl den Vertretungs-auftrag erteilt. Tatsächlich ist selbst für Fachleute oft kaum durchschaubar, wer denn nun zur Regelung ei-ner bestimmten Materie berufen ist. Artikel 72 Ab-

satz 2 des Grundgesetzes etwa - die Schaltnorm im Kompetenzverteilungsgefü-ge der konkurrierenden Ge-setzgebungszuständigkeit - macht die Regelungsbefug-nis des Bundes davon ab-hängig, ob die Herstellung gleichwertiger Lebensver-hältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftsein-heit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesge-setzliche Regelung erforder-lich machen. Diese Frage lässt sich keinesfalls einfach so und damit auch aus der Sicht des Wählers prognos-tizieren. Zur konkurrieren-den Gesetzgebung zählen aber bedeutende Rechtsge-biete, vom Zivil- und Straf-recht über die öffentliche Fürsorge, das Recht der Wirtschaft, das Arbeits- und Sozialversicherungsrecht, das Gesundheitswesen, den Schutz beim Verkehr mit Lebens- und Genussmitteln bis hin zur Fortpflanzungs-medizin und Gentechnolo-gie. Sie stehen häufig im

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Zentrum politischer Ausein-andersetzungen.

Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat diese Fas-sung des Artikels 72 Absatz 2 des Grundgesetzes im Jahre 1994 im Interesse der Stärkung der Kompetenzen der Länder getroffen. Zu-gleich hat er dem Bundes-verfassungsgericht den Auf-trag erteilt zu prüfen, ob vom Bundesgesetzgeber er-lassene Rahmengesetze oder im Regelungsbereich der konkurrierenden Ge-setzgebung erlassene Ge-setze erforderlich sind im Lichte der Tatbestands-merkmale des Artikels 72 Absatz 2 des Grundge-setzes. Weil das Kriterium der Erforderlichkeit aber auch wertende Elemente beinhaltet, ist politischer Streit zwischen den poten-tiellen Gesetzgebern Bund und Länder über die Inhaberschaft der jeweiligen Gesetzgebungszuständig-keit vorprogrammiert. Die-sen Streit muss das Bun-desverfassungsgericht ent-

scheiden. Erst nach seiner Entscheidung steht fest, wem es zukommt, die an-stehende Frage zu regeln. Für Bund und Länder mag es sich dabei auch um eine Machtfrage handeln; für den Wähler hingegen bedeutet es, nicht zu wissen, ob der von ihm zu wählende Bundes- oder Landtagsab-geordnete zur Regelung gerade dieser ihm wichtigen Frage berufen ist. Überspitzt formuliert ließe sich durchaus die These for-mulieren, dass aus der Un-durchsichtigkeit des jewei-ligen Zuständigkeitsträgers auch ein legitimatorisches Defizit für die Abgeordne-ten entsteht. Wenn die Wähler bei der Stimmab-gabe gar nicht mehr vorher-sehen können, in welchen Bereichen der Kandidat überhaupt potentielle Ent-scheidungsmacht entfalten kann, schlägt diese Intrans-parenz auch auf die Qualität des erteilten Mandats zu-rück. Im Übrigen ergibt sich aus dieser Intransparenz

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auch ein ganz praktisches Problem: Denn wenn ein unzufriedener Bürger gar nicht mehr weiß, wer ei-gentlich für ein – aus sei-ner Sicht falsches – Re-gelungswerk verantwortlich ist, so ist er auch nicht mehr in der Lage, sein "Sanktionsinstrument" der Stimmabgabe zielführend einzusetzen. Dabei erscheint durchaus fraglich, ob diese Unsicher-heit bei der Gesetzgebungs-zuständigkeit mit der Ver-fassungsänderung von 1994 tatsächlich beab-sichtigt war. Zur Erinne-rung: Sie war eine von den Ländern ausgehende Ant-wort auf die jahrzehnte-lange - vom Bundesverfas-sungsgericht geduldete – Ausweitung der Zuständig-keiten des Bundes im Rahmen der konkurrieren-den und der Rahmengesetz-gebung. Hatte zuvor der Bund insoweit fast so etwas wie die Kompetenz-Kompe-tenz gehabt - weil das Bundesverfassungsgericht

es in der Regel billigte, wenn der Bund ein Bedürfnis nach bundesein-heitlicher Gesetzgebung an-nahm -, so hätten die Länder nun gern geregelt, dass der Bund nur aufgrund der Zustimmung des Bun-desrates gesetzgeberisch tätig werden darf. Damit wäre die Kompetenz-Kom-petenz bei den Ländern gelandet, eine Lösung, mit der sich wiederum der Bund nicht anfreunden konnte. Die Übertragung der end-gültigen Entscheidung darü-ber, ob eine bundesgesetz-liche Regelung erforderlich ist, auf das Bundesverfas-sungsgericht, war schließ-lich so etwas wie ein Kom-promiss zwischen Bund und Ländern. Ein guter Kompromiss, weil politischer Streit nun am Ende anhand rechtlicher Kriterien entschieden wird. Ein schwieriger Kompro-miss aber wegen der dem Bürger im vorhinein häufig nicht mehr erkennbaren Zuordnung von Gesetzge-

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bungszuständigkeiten. Schwierig aber auch des-halb, weil dem Bundesver-fassungsgericht politische Entscheidungsmacht da-durch zuwächst. Denn mit der Entscheidung über die materielle Frage der Erfor-derlichkeit einer bundesge-setzlichen Regelung ent-scheidet es nolens volens auch über unterschiedliche politische Gestaltungskon-zepte. Diejenigen, die unse-ren Staat auf dem Wege zum "verfassungsgericht-lichen Jurisdiktionsstaat" sehen, werden zukünftig möglicherweise auf Ent-scheidungen des Bundes-verfassungsgerichts ver-wiesen können, die auf der neuen Regelung des Arti-kels 72 Abs. 2 GG beruhen. Sie sollten dieserhalb aber nicht das Bundesverfas-sungsgericht kritisieren, das die Verfassung nach bes-tem Wissen und Gewissen anwendet. Sie müssen sich schon an den verfassungs-ändernden Gesetzgeber wenden, der die anzuwen-dende Regel verantwortet.

Dabei soll hier keine Kritik am Kriterium der Erforder-lichkeit zur Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern geäußert werden. Überlegenswert er-scheint mir aber, diese Frage verstärkt auf die Zuweisung der Rechtsge-biete an sich anzuwenden und die Gesetzgebungskata-loge einer erneuten Prüfung zu unterziehen. Nicht alles was seit jeher zur kon-kurrierenden Bundeszustän-digkeit gehört, eignet sich für die scharfe Erforderlich-keitskontrolle im Einzelfall. Manche Materie muss mög-licherweise - im Hinblick auf das zusätzliche Erfordernis des Artikels 72 Absatz 2 GG - in die ausschließliche Kompetenz des Bundes überführt werden. Niemand wird ernstlich daran denken, für Thüringen ein eigenes Arbeitsrecht einzuführen oder ein eigenständiges Re-gelungsregime im Bereich des Rentenversicherungs-rechts. Alle diese Materien - übrigens selbst das Bür-gerliche Gesetzbuch - un-

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terfallen nach derzeitigem Stand aber der kon-kurrierenden Gesetzgebung und sind daher nur bei Berücksichtigung der stren-gen Erforderlichkeitsmaß-stäbe dem Zugriff des Bundes geöffnet. Diese Aufgabenteilung ist wirk-lichkeitsfremd und ent-spricht nicht den gesell-schaftlichen Rahmenbe-dingungen in diesem Land. Umgekehrt könnten wohl andere Bestimmungen im Katalog der konkurrieren-den Bundeszuständigkeit ganz gestrichen und so den Ländern übertragen wer-den, weil hier bei realis-tischer Betrachtungsweise die Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen Rege-lung ohnehin nicht nach-gewiesen werden kann.

Durch eine derartige Auf-teilung wäre dem jeweiligen Gesetzgeber das Rechts-gebiet definitiv und ohne Abstimmungserfordernisse zugeordnet. Der beschrie-bene "Katalogisierungsan-

satz" mag schematischer anmuten als die derzeitige Regelung der Zuordnung von Fall zu Fall. Für ihn streiten jedoch die größere Klarheit und die geringere Belastung des Bundesver-fassungsgerichts mit von Kompetenzfragen verdeck-ten Entscheidungen über politische Konzepte. Nicht zuletzt würde auf diese Weise die Vermittlung der Staatsgewalt durch das Volk gestärkt: Dem Wähler jeden-falls wäre klarer ersichtlich, welchen Aufgabenbereich der von ihm gewählte Abge-ordnete tatsächlich besitzt. Dies alles sollte jedenfalls hinreichender Anlass für die (neu aufgelegte) Föderalis-muskommission sein, sich der Regelung des Artikel 72 Absatz 2 GG anzunehmen. Sie ist nicht aller Weisheit Schluss. Das festzustellen, muss auch einem Mitglied der Gemeinsamen Verfas-sungskommission, die Ur-heber dieser Regelung aus dem Jahr 1994 ist, erlaubt sein.

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4. Das Zuständigkeitsge-füge im Bereich des Hochschulrechts.

Ein besonders plastisches Beispiel für die Regelungs-schwäche des Bundes - an dem der Vorwurf der Klein-staaterei ja auch wiederholt erhoben wurde - ist das Hochschulwesen. Denn hier werden die beschränk-ten Regelungsmöglichkei-ten des Bundes im bestehenden Rechtsgefüge deutlich. Man mag dies - etwa hinsichtlich der Ein-heitlichkeit der Zugangs- und Qualifikationsvoraus-setzungen - bedauern. Klar-gestellt werden muss aber auch an dieser Stelle, dass das Bundesverfassungsge-richt mit den hierzu er-gangenen Entscheidungen nichts anderes getan hat, als die mit der Verfassungs-änderung des Jahres 1994 entstandene Lage zur Geltung zu bringen. Kritik ist daher - wenn überhaupt - nicht in Karlsruhe anzubrin-gen, sondern in Berlin.

Der mit den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts zur Juniorprofessur und zum Verbot von Studienge-bühren ausgelöste Aufruhr ist eigentlich nur durch ein Missverständnis zu er-klären, das in unserem Land tief verankert ist. Danach bedeutet Einheitlichkeit Stärke und Vielfalt Schwäche. Das Modell des Bundesstaats und der föde-rale Wettbewerb sind in Deutschland nie ganz heimisch geworden. Vor-herrscht die Überzeugung, dass die existentiellen Probleme der Nation dem Bund anzuvertrauen sind. Für die weniger brisanten dürfen die Länder zuständig sein. Ladenschluss und Gaststättenrecht meinte die Bundesjustizministerin den Ländern überantworten zu können. Sie hat es spaßig gemeint, aber in Deutsch-land lacht man darüber überhaupt nicht. Denn Zen-tralismus und Einheitlich-keit haben die Vermutung der Effizienz auf ihrer Seite.

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Dezentralität und Vielfalt sind der Ineffizienz ver-dächtig. Eine solche Einschätzung läuft natürlich Gefahr, die Verfassungslage zu ver-kennen. So meinte Frau Ministerin Bulmahn, das Urteil zur Juniorprofessur habe die ganze Diskussion der Föderalismuskommis-sion in Frage gestellt (Stuttgarter Zeitung,28. August 2004). Man fragt sich dann aber schon, aus welchem Verfassungs-verständnis heraus diese Kommission gearbeitet hat. Nach der Verfassung ist nicht der Bund grundsätz-lich zur Gesetzgebung berufen, es sind vielmehr die Länder. So steht es in Artikel 70 GG. Nur wenn und soweit dem Bund ausdrücklich Kompetenzen eingeräumt worden sind, ist er zur Regelung berufen. Ich erinnere mich noch gut an die Gemeinsame Verfas-sungskommission aus Mit-gliedern des Bundestags und des Bundesrats, die

von 1992 bis 1994 tagte und deren Mitglied ich war. Es verging wohl keine Sitzung, in der wir Ländervertreter der Bundestagsseite diese Grundregel nicht "vorgebe-tet" haben: Die Gesetzge-bungszuständigkeit der Länder ist die Regel, die des Bundes die Ausnahme!

Um nun zur Regelungskom-petenz des Bundes im Hochschulbereich zurück-zukehren, muss zunächst klargestellt werden, dass es sich hier um eine sogenann-te Rahmenkompetenz han-delt. Der Bund ist damit als Gesetzgeber zwar im Spiel, seine Zuständigkeit ist je-doch in vierfacher Hinsicht begrenzt:

(a) Seine Vorschriften dür-

fen nur einen Rahmen abstecken.

(b) Er darf grundsätzlich

weder Detailregelungen erlassen noch unmittel-bar geltende Vorschrif-ten.

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(c) Eine Regelung durch den Bund muss erfor-derlich sein.

(d) Und: Seine Vorschriften

dürfen nur allgemeine Grundsätze enthalten.

a) Zum Rahmencharakter Die Rahmengesetzgebung ist eine kooperative Ge-setzgebung von Bund und Ländern, so dass hier die Gesetzgebungsbefugnisse der Länder neben der des Bundes erhalten bleiben. Das unterscheidet die Rahmengesetzgebung von der konkurrierenden Ge-setzgebung: Dort sind ent-weder die Länder oder der Bund zuständig. Bei der Rahmengesetzgebung darf der Bund aber nur begrenzt gestalten. Er darf den Rahmen vorgeben aber nicht das Bild selbst in allen Einzelheiten ausmalen. Die Vorgaben müssen auf inhaltliche Konkretisierung und Ausfüllung durch die Länder angelegt sein. Die Länder müssen im Stande bleiben, innerhalb des

Bundesrahmens politisch selbstverantwortlich Recht zu setzen. Das, was den Ländern in eigener Verant-wortung und mit eigenem politischen Gestaltungs-willen zu regeln verbleibt, muss zudem von substanti-ellem Gewicht sein. Es muss ihnen die Möglichkeit lassen, die Sachmaterie entsprechend den beson-deren Verhältnissen des Landes zu regeln. Dem würde widersprechen, wenn der Landesgesetzgeber nur zwischen engen vorgegebe-nen rechtlichen Möglichkei-ten wählen könnte. Rahmenvorschriften des Bundes richten sich also in erster Linie an den Landesgesetzgeber. Dies hat der verfassungsändern-de Gesetzgeber 1994 aus-drücklich klargestellt. Der Bund erlässt demnach Rahmenvorschriften "für die Gesetzgebung der Länder". Nur noch ausnahmsweise darf er unmittelbar den Bürger bindendes Recht erlassen.

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b) Keine in Einzelheiten ge-henden oder unmittelbar anwendbare Regelungen

Der Spielraum des Bundes wird durch die zweite Ein-schränkung weiter be-grenzt. Er darf nur noch ganz ausnahmsweise als Rahmengesetzgeber un-mittelbar geltende Rechts-sätze und partielle Vollre-gelungen erlassen. Vor 1994 war ihm das auf der Grundlage der Recht-sprechung des Bundesver-fassungsgerichts dann er-laubt, wenn an der ein-heitlichen Regelung ein be-sonders starkes und legiti-mes Interesse bestand. Bedingung war, das Gesetz als Ganzes musste dem Landesgesetzgeber noch Spielraum lassen und da-rauf angelegt sein, von diesem auf Grund eigener Entschließung ausgefüllt zu werden. 1994 schrieb der verfas-sungsändernde Gesetzge-ber die begrenzende Aus-nahmeregelung ausdrück-

lich in die Verfassung (Art. 75 Abs. 2 GG). Unmittelbar geltende Vorschriften und partielle Vollregelungen un-terliegen seither verschärf-ten Anforderungen. Solche Ausnahmeregelungen sind besonders rechtfertigungs-bedürftig. Der Bundesge-setzgeber muss für diese Abweichung vom Regelfall eine überprüfbare Begrün-dung liefern. Materiell dürfen sie in quantitativer Hinsicht das zu beurteilende Gesetz als Ganzes nicht dominieren. Auch in qualitativer Hin-sicht müssen sie eine prägende Ausfüllung des Rahmengesetzes durch den Landesgesetzgeber weiter-hin erlauben. Es muss er-sichtlich sein, dass das Ge-setz ohne sie verständiger-weise nicht erlassen wer-den kann. Sie müssen also schlechthin unerlässlich sein. Das sind - es sei konstatiert - strenge Voraus-setzungen.

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c) Die Regelung durch den Bund muss erforderlich sein

Hat der Rahmengesetzge-ber die ersten beiden Hür-den genommen, so baut sich vor ihm eine dritte auf: Die bundesgesetzliche Re-gelung muss zur Her-stellung gleichwertiger Le-bensverhältnisse im Bun-desgebiet oder zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im ge-samtstaatlichen Interesse erforderlich sein. Auch diese "Erforderlichkeits-klausel" ist 1994 in das Grundgesetz gekommen. Bei ihrer Anwendung wird immer wieder die Ziel-setzung "Herstellung gleich-wertiger Lebensverhältnisse" mit der Verbesserung der Lebensverhältnisse in Deutschland verwechselt. Doch eine Kompetenzbe-gründung nach der Über-zeugung es besser zu können gibt es nicht. Auch in der Diskussion um das 5. HRGÄndG wurde immer wieder die notleidende Hochschullandschaft be-

schworen. Das bundes-staatliche Rechtsgut gleich-wertiger Lebensverhältnisse ist aber erst dann bedroht und der Bund erst dann zum Eingreifen ermächtigt, wenn sich die Lebensver-hältnisse zwischen den Ländern in unerträglicher, das bundesstaatliche Sozial-gefüge beeinträchtigender Weise auseinander ent-wickelt haben oder wenn sich eine derartige Entwick-lung konkret abzeichnet. So hat das Altenpflegeurteil des Bundesverfassungsgerichts diese Klausel interpretiert. Das Urteil vom 27. Juli letz-ten Jahres zur "Juniorprofes-sur" stellt fest: "Solche Gefahrenlagen sind vom Bund weder vorgetragen noch ersichtlich."

Beruft sich der Bund darauf, dass eine bundesgesetzliche Regelung zur "Wahrung der Rechtseinheit" erforderlich ist, so muss er berück-sichtigen, dass unterschied-liche Rechtslagen für die Bürger die notwendige Fol-ge des bundesstaatlichen

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Aufbaus sind. Einheitliche Rechtsregeln können also nur dann erforderlich wer-den, wenn eine unterschied-liche rechtliche Behandlung desselben Lebenssachver-halts erhebliche Rechtsun-sicherheiten und damit un-zumutbare Behinderungen für den länderübergreifen-den Rechtsverkehr erzeu-gen kann. Das Urteil zur Juniorprofessur stellt hierzu fest: "Eine Rechtszersplitte-rung im Hochschul- und Hochschuldienstrecht wur-de bis zum Erlass des Fünften Änderungsgesetzes nicht beklagt, die personelle Mobilität der Wissenschaft-ler an deutschen Hochschu-len ist darüber hinaus gewährleistet."

Zur "Wahrung der Wirt-schaftseinheit" schließlich ist der Bund dann zur Gesetz-gebung berechtigt, wenn es um die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Wirt-schaftsraums der Bundesre-publik Deutschland geht. Dies ist allerdings nicht schon dann der Fall, wenn

die Länder eine sachlich nicht optimale Regelung wählen. Die Überzeugung "Wir können es besser" begründet auch hier keine verfassungsrechtliche Kom-petenz. In der Entscheidung zur Juniorprofessur meint das Bundesverfassungsge-richt, die Veränderung der Personalstruktur im 5. HRGÄndG könnte allenfalls unter dieser Zielvorgabe ("Wahrung der Wirtschafts-einheit") gerechtfertigt sein. Das wäre dann der Fall, wenn nur so erhebliche Wettbewerbsnachteile für den Hochschulstandort Deutschland zu vermeiden wären. Derartige Gründe seien aber weder ersichtlich noch habe der Bund sie hinreichend dargelegt. Die Regelungen des Fünften Änderungsgesetzes orien-tierten sich dem Schwer-punkt nach nicht an der Zielvorgabe der Wirtschafts-einheit. Ziel der Regelung sei vielmehr die Konkur-renzfähigkeit des Wissen-schaftsstandorts. Somit sei die "Wirtschaftseinheit" der

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Bundesrepublik Deutsch-land der Intention des Gesetzgebers nach allen-falls mittelbar tangiert. Selbst die Gesetzesbegrün-dung stelle nur auf die "Funktionsfähigkeit des deutschen Hochschulsys-tems" ab und rekurriere an keiner Stelle auf wirtschaft-liche Implikationen.

d) Allgemeine Grundsätze Eine letzte Hürde stellt sich dem Bund als Gesetzgeber im Hochschulbereich mit der Verfassungsregel, dass er nur Vorschriften über "die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens" erlas-sen darf. Die Entstehungsgeschichte dieser Regelung belegt, dass der Bund im Hoch-schulbereich zu einer außerordentlich zurückhal-tenden Gesetzgebung ver-pflichtet sein soll. Mit der Formulierung "Allgemeine Grundsätze" hat der verfas-sungsändernde Gesetzge-ber den Rahmencharakter zusätzlich hervorgehoben.

Im Vergleich zu anderen Rahmenkompetenzen, die dem Bund eingeräumt sind, muss er also ein Weniger an Normierungsbefugnis in Kauf nehmen.

So neu ist das übrigens nicht. Schon vor der Grund-gesetzänderung des Jahres 1994 hatte das Bundesver-fassungsgericht auf die Ver-fassungsrechtslage hinge-wiesen, die sich aus dem Zusammenspiel von be-grenzendem Wortlaut, Rahmencharakter und Erfor-derlichkeitsvoraussetzung im Sinne der damaligen Bedürfnisklausel ergebe. Es hat damals festgehalten, der Gesetzgebung des Bundes seien im Bereich des Hoch-schulwesens mehrfach Grenzen gesetzt. Deshalb dürfe der Bund, soweit überhaupt eine Erforder-lichkeit gegeben sei, in einem Rahmengesetz nur die Grundsätze für das Hochschulwesen regeln, die ihrerseits wiederum nur allgemeiner Natur sein

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dürften (vgl. BVerfGE 66, 270 <285>). e) Ergebnis Insgesamt sind die Gestal-tungsmöglichkeiten des Bundes – insbesondere im Bereich der Rahmengesetz-gebung – seit 1994 aus-drücklich beschränkt. Die-ses Ergebnis war durchaus gewollt, es sollte die Länder vor einer weiteren Auszeh-rung ihrer Zuständigkeiten bewahren. Ob damit des Guten zu viel getan wurde, sei hier dahingestellt. Fest steht aber, dass die Weichen damit zu den Ländern hin gestellt sind. De lege lata befindet sich die Bundesrepublik daher

durchaus auf dem Weg in die Kleinstaaterei. 5. Schluß. Abschließend kann daher durchaus die im Titel auf-gegriffene These in provo-zierender Form bestätigt werden: Der Bund wird zu-nehmend aus der gesell-schaftsregulierenden Ge-staltung verdrängt. Schuld hieran ist aber nicht die Rechtsprechung des Bun-desverfassungsgerichts; Ur-sache für diese Entwicklung ist vielmehr die Weichen-stellung der Verfassungs-änderung des Jahres 1994, für die es eben gute Gründe gab, die aber durchaus korrigierbar ist.

Tradition in Thüringen: Justizminister und Gastgeber Harald Schliemann (r.) und Bundesverfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch

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Pressestimmen dpa vom 18. April 2005 Thüringer All

gemeine vom 19. April 2005

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Thüringische Landeszeitung vom 19. April 2005 Ostt

hüringer Zeitung vom 26. April 2004

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Südthüringer Zeitung vom 26. April 2005 Die Welt vom 26. April 2005 Thüri

ngische Landeszeitung vom 26. Ap

ril 2005
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Neues Deutschland vom 26. April 2005

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Herausgeber: Thüringer Justizministerium Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Werner-Seelenbinder-Straße 5 99096 Erfurt

Titellayout: Löwe-Werbung, Erfurt

Fotos: Thüringer Justizministerium

Druck: Justizvollzugsanstalt Hohenleuben Eigenbetrieb Druckerei