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Die Denkmäler rund um das Hauptgebäude der Humboldt-Universität

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Die Denkmäler rund um das Hauptgebäude der Humboldt-Universität

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H U M B O L D T - U N I V E R S I T Ä T Z U B E R L I N 3

Die Denkmäler vor dem Hauptgebäude der Universität bilden ein

markantes Entree, das in Deutschland seinesgleichen sucht. Ihre

Entstehungsgeschichte ist nicht nur eine Geschichte des Ringens

um die Würdigung herausragender Wissenschaftlerpersönlichkeiten,

sondern auch der Entschlossenheit und Beharrlichkeit jener, die die

Denkmäler initiierten und ihre Aufstellung verwirklichten.

Mit großer Feierlichkeit erfolgte am 28. Mai 1883 die Einweihung der

Denkmäler

· für Alexander von Humboldt, geschaffen von Reinhold Begas

Marmor, Höhe der Figur: 2,50 m, Höhe des Sockels: 3,20 m

· und für Wilhelm von Humboldt, geschaffen von Martin Paul Otto

Marmor, Höhe der Figur: 2,50 m, Höhe des Sockels: 3,20 m

· Standort beider Denkmäler: Unter den Linden, links und rechts des

Ehrenhofs vor dem Hauptgebäude

Alexander von Humboldt (1769 – 1859), Naturforscher, Geograph, Kos-

mograph, Forschungsreisender und Diplomat, entmythisierte mit

seinen Forschungen endgültig die Natur und leistete wesentliche Bei-

träge zur Meeres-, Wetter-, Klima- und Landschaftskunde. Er förderte

so fast alle Naturwissenschaften der damaligen Zeit. Mit seinen be-

rühmten „Kosmos-Vorlesungen“ (61 an der Berliner Universität und

16 an der Singakademie, dem heutigen Maxim-Gorki-Theater) begeis-

terte er weite Kreise für das moderne naturwissenschaftliche Weltbild

und wird berechtigterweise als „Vater der populärwissenschaftlichen

Vor träge“ bezeichnet.

Die Denkmäler rund um das Hauptgebäude

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4 Die Denkmäler rund um das Hauptgebäude

In Vorbereitung der Säkularfeier für Alexander von Humboldt 1869,

die in ganz Berlin festlich begangen wurde, richteten auf Initiative

Rudolf Virchows, Professor für Pathologie und Anatomie und Direk-

tor des Pathologischen Instituts der Berliner Universität, 30 bekannte

Berliner Persönlichkeiten eine Petition an das zu dieser Zeit in Berlin

tagende Zollparlament, um Mittel für ein Alexander-von-Humboldt-

Denkmal zu erhalten. Doch dieses fühlte sich nicht zuständig und

verwies darauf, dass die finanziellen Mittel vom ganzen deutschen

Volk kommen müssten. Daraufhin gründete sich am 1. Juli 1869, wie-

derum auf Anregung Virchows, ein Komitee mit dem Ziel, ein Natio-

naldenkmal „als Zeichen dankbarer Erinnerung der Zeitgenossen“ an

dem Universalgelehrten zu errichten.

Von der außerordentlichen Popularität Humboldts zeugen die zahl-

reichen Spenden, die nicht nur aus Deutschland, sondern aus der

ganzen Welt eintrafen. Innerhalb eines Jahres wurden 100.000 Mark

gespendet. Nachdem ein Gesuch des Komitees an den König um ei-

nen repräsentativen Standort ohne Antwort blieb, wurde die Univer-

sität um einen Aufstellungsort gebeten. Diese stimmte dem Vorha-

Die Schriftenrollen mit Siegeln zu Füßen Wilhelm von Humboldts ver-

weisen auf seine Reformen im preußischen Unterrichtswesen, deren

Kernstück die Einführung des humanistischen Gymnasiums und die

Gründung der Berliner Universität war. Thron und Sockel sind mit anti-

ken Bildzitaten verziert und sollen die überragende Rolle Humboldts bei

der Durchsetzung der klassizistischen Kunstauffassung in Deutschland,

insbesondere durch die Förderung klassizistischer Künstler, verdeutli-

chen. Die zahlreichen antiken Symbole und Allegorien des Sockels er-

innern an seine umfangreichen philologischen, altertums-, rechts- und

staatswissenschaftlichen Forschungen und Schriften, die großen Ein-

fluss auf die spätere Linguistik und die Sprachphilosophie ausübten.

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ben unter der Bedingung zu, dass auch für Wilhelm von Humboldt

(1767 – 1835), dem Gründer der Universität, ein Denkmal errichtet

wird. Als Standorte wurden zwei Plätze am Zaun des Vorhofs der

Alma Mater ausgewählt, an der Straße Unter den Linden, aber noch

auf Universitätsgelände. Daher rühren die Ausbuchtungen im Zaun,

in denen noch heute die Statuen stehen.

Weil das gesammelte Geld nur für die Ehrung Alexander von

Humboldts bestimmt war, wandte sich das Denkmal-Komitee 1874

an den Kaiser mit der Bitte, die finanziellen Mittel für eine Wilhelm-

von-Humboldt-Statue zur Verfügung zu stellen. 1875 gab Wilhelm I.

seine Zustimmung und 1876 standen die Mittel zur Verfügung, so

dass ein künstlerischer Wettbewerb ausgeschrieben werden konnte,

an dem sich 20 Bildhauer beteiligten.

Die geniale Idee des in Rom arbeitenden deutschen Bildhauers Martin

Paul Otto (1846 – 1893), Wilhelm als Schreibgelehrten auf einen thron-

artigen Sessel mit einem Buch in der Hand zu setzen, überzeugte die

Jury sofort. Seit Jahrhunderten war der Thron als Machtsymbol Kö-

nigen und Päpsten vorbehalten, nun eroberten ihn Wissenschaftler

und Künstler.

Den Auftrag für das Alexander-von-Humboldt-Denkmal erhielt Rein -

hold Begas (1831 – 1911), der 1876 am Anfang einer großen Künstler-

karriere stand und zwanzig Jahre später mit seinem als „Neubarock“

bezeichneten Stil nicht nur die Denkmäler Berlins, sondern das Schaf-

fen einer ganzen Bildhauergeneration in Deutschland be stimmte.

Begas musste seinen ersten Entwurf, eine mit Lorbeer bekränzte Ko-

lossalbüste, dem von Otto angleichen, so dass Alexander nun gleich-

falls sitzend dargestellt ist, allerdings auf einer baumstammähnlichen

Sitzgelegenheit. An diese ist ein Herbarium gelehnt, aus dem die Spit-

zen getrockneter Pflanzen herausragen, als Verweis auf die umfang-

reichen Sammlungen, die Humboldt von seinen Reisen mitgebracht

hat, ergänzt von einem Globus. Das Symbol der Weltkugel wiederholt

sich auf dem rechten Relief, auf dem eine Frau ihren Arm um einen

Knaben gelegt hat, der in kindlicher Wissbegier in ein Buch mit Abbil-

dungen geometrischer Figuren schaut und zu deren Füßen ein Junge

hockt, der den Globus mit einem Zirkel vermisst. Es können Sinn-

bilder der Neugier des Wissenschaftlers und der naturwissenschaft-

lichen Forschung sein – der Junge, der das Buch liest, könnte aber

auch Wilhelm darstellen, während der Knabe, der die Erdkugel ver-

misst, Alexander sein soll, der auf seinen Forschungsreisen wissen-

schaftliche Messgeräte verwendete und als einer der ersten die Reisen

wissenschaftlich vorbereitete und systematisch auswertete. Die rück-

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seitige Tafel, die verschollen ist, zeigte ebenfalls einen Globus, der von

einem Knaben gehalten wurde. Auf dem linken Relief ist eine Frau-

engestalt als Personifizierung der Wissenschaften zu sehen, an deren

Brüste zwei Knaben sinnbildlich Weisheit saugen. Aber auch eine In-

terpretation als Allegorie der Caritas – der Nächstenliebe – ist denkbar,

da sich Alexander zeitlebens engagiert für andere Menschen einsetze,

sei es für die Förderung von Wissenschaftlern, für die Habilitation

jüdischer Gelehrter, für die sieben aus Göttingen ausgewiesenen Pro-

fessoren oder als er öffentlich die Sklaverei auf Kuba anprangerte oder

den Gefallenen der Märzrevolution 1848 seine Referenz erwies.

Auf der Einweihungsfeier 1883 charakterisierte Virchow Alexander

von Humboldt als den zweiten Entdecker Südamerikas, eine Bezeich-

nung, die von Simon Bolivar geprägt wurde, der Humboldt 1823 einen

„descubridor del Nuevo Mundo“ (Entdecker der Neuen Welt) genannt

hatte. 1844 bewertete Carl Ritter Humboldts spektakuläre Lateiname-

rikareise von 1799 bis 1804 als „wissenschaftliche Wiederentdeckung

der Neuen Welt“. Daran knüpft die von der Universität Havanna 1939

gestiftete Inschrift auf der Vorderseite des Denkmals an: „Al Segundo

Descubridor de Cuba. La Universidad de la Habana 1939“ (Dem zwei-

ten Entdecker Kubas. Die Universität Havanna 1939).

1985 wurden Gips-Abformungen von den Plastiken hergestellt, denn

es gab Überlegungen, Marmorduplikate anzufertigen. Die Kopien

aus Gips wurden 2005 von der Staatlichen Gipsformerei restauriert,

finanziert aus Mitteln der Kustodie. Seit Mai 2006 stehen sie an der

Rudower Chaussee in Adlershof: Alexander im Institut für Geogra-

phie und Wilhelm im Institut für Psychologie, gleichsam als Gruß

aus der Mitte Berlins an den Naturwissenschaftlichen Campus der

Universität.

Eilhard-Mitscherlich-Denkmal, geschaffen von Ferdinand Hartzer,

eingeweiht am 1.12.1894

Bronze, Höhe der Figur: 240 cm, Höhe des Sockels: 250 cm

Standort: vor dem Ostflügel, am Kastanienwäldchen

Bereits im Mai 1868, als noch an keines der zukünftigen Denkmäler

der Alma Mater zu denken war, erreichte die Universität ein Gesuch

zur Aufstellung eines Mitscherlich-Denkmals, das jedoch durch den

Akademischen Senat abschlägig beschieden wurde. Im Herbst 1891,

nachdem die Humboldt-Denkmäler aufgestellt und 1882 das beein-

druckende Ehrenmal für Albrecht von Graefe von Rudolf Siemering

vor der Charité enthüllt war, fand nunmehr erneut eine Sammlung

für ein Mitscherlich-Denkmal statt. 30.000 Mark wurden gespendet

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und die Vertreter des Mitscherlich-Denkmal-Komitees teilten dem

Rektor im Oktober 1893 mit, dass sie die Statue, geschaffen vom Bild-

hauer Ferdinand Hartzer, der Universität als Geschenk übergeben

möchten.

Der Akademische Senat befürwortete umgehend die Aufstellung des

Denkmals und bat den Minister um Zustimmung für einen Standort

im Kastanienwäldchen neben der Universität.

Der Bildhauer Ferdinand Hartzer (1838 – 1906) hatte, entsprechend

seinem künstlerischen Credo, ein Werk geschaffen, das Realismus

und Idealismus zur Symbiose bringt.

Das Angesicht des Wissenschaftlers weist eine sehr große Porträtähn-

lichkeit auf. Die Figur, Gelehrtenstolz und Selbstbewusstsein aus-

strahlend, hielt ursprünglich in der vorgestreckten linken Hand die

Nachbildung eines, inzwischen verloren gegangenen, gezüchteten

Feldspatkristalls, denn Mitscherlich war für seine fesselnden und sehr

anschaulichen Experimentalvorlesungen bekannt. Geblieben ist der

Habitus des Dozierens, jetzt als typische Geste des Hochschullehrers

Eilhard Mitscherlich (1794 – 1863), Chemiker und Mineraloge, seit 1822

Professor für Chemie an der Berliner Universität, 1854 zum Rektor ge-

wählt, wurde durch die von ihm entwickelten analytischen Bestimmungs-

methoden für Atomgewichte chemischer Elemente berühmt. Als Erster

stellte er künstlich eine größere Anzahl von Mineralien her und initiierte

1858 die Einführung der Gasbeleuchtung im Universitätsgebäude.

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lesbar. Der wehende Mantel wirkt einerseits idealisierend, anderseits

erinnert er an das eilige Hasten des Professors durch die Räume der

Universität. Bei der Darstellung der Kleidung wählte der Künstler wie-

derum realistische Attribute: Kleidung im Stil der Zeit, wie die faltige

Weste, das Jackett mit gewölbtem Kragen und die gebundene Schleife.

Hermann-von-Helmholtz-Denkmal, geschaffen von Ernst Herter,

eingeweiht am 6.6.1899

Marmor, Höhe der Figur: 290 cm, Höhe des Sockels: 260 cm

Standort: zentral im Ehrenhof

Die Geschichte des Helmholtz-Denkmals beginnt mit einer Groß-

zügigkeit Wilhelms II. Am 22. Dezember 1894 wurde eine große

Gedenkfeier für Helmholtz veranstaltet, auf der, wie es in einer Ver-

lautbarung heißt, „Seine Majestät, der Kaiser, die Errichtung eines

Denkmals für den Gefeierten anregte und die Bewilligung eines Bei-

trages von 10.000 Mark sowie eines für die Aufstellung geeigneten

Platzes zu verheißen geruhte.“

Am 13. Februar 1895 konstituierte sich ein Denkmal-Komitee, das ei-

nen Aufruf zur Sammlung von Geldspenden veröffentlichte, der rasch

von Erfolg gekrönt war. Nach einem Wettbewerb um die künstlerische

Umsetzung des Denkmals entschied sich das Komitee im November

1896 für das Modell des Bildhauers Ernst Herter.

Parallel zur Errichtung des Helmholtz-Denkmal wurde über die Auf-

stellung eines Denkmals für Heinrich von Treitschke (1834 – 1896)

debattiert, der am 28. April 1896 verstorben war. Treitschke, Professor

für Geschichte an der Berliner Universität seit 1873 und Geschichts-

schreiber der Hohenzollern, galt als ein sehr umstrittener Historiker.

Mit seinen deutschnationalen und antisemitischen Anschauungen

und Äußerungen hatte er sowohl zahlreiche Gegner wie auch An-

hänger.

Rektor und Senat stimmten der Aufstellung eines Treitschke-Denk-

mals unter der Bedingung zu, dass dieses sich am Helmholtz-Denk-

mal orientieren solle. Doch die verschiedenen Aufstellungsvorschläge

fanden nie die Zustimmung aller Beteiligten. Sicher lagen die Gründe

hierfür nicht nur in der Frage der ästhetischen Beziehung zwischen

den beiden Denkmälern.

Während für das Treitschke-Denkmal im Mai 1898 erst die Hälfte der

benötigten Geldsumme vorhanden war, ging die Vorbereitung für das

Helmholtz-Denkmal zügig voran. Im Juni 1899 konnte die feierliche

Enthüllung des Ehrenmals für Hermann von Helmholtz stattfinden,

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für das der Künstler Ernst Herter vom Kaiser mit dem „Roten-Ad-

ler-Orden 3. Klasse“ ausgezeichnet wurde.

Ernst Herter (1846 – 1917) orientierte sich in seinem künstlerischen

Schaffen weitgehend an der naturalistischen Kunstauffassung des

Neubarocks, entwickelte aber dennoch bis 1899 eine eigene Hand-

schrift. Im Helmholtz-Denkmal verbindet er die naturalistische und

realistische Sichtweise, insbesondere in der Ausbildung der Physio-

gnomie und des Zeitkostüms, mit klassizistischen Elementen in

den antikisierenden Draperien. Das Denkmal zeigt den Gelehrten

als freistehende, lebensgroße Figur mit einem Talar, unter dem ein

Hermann von Helmholtz (1821 – 1894), Physiker und Physiologe, einer

der Begründer der modernen Naturwissenschaften; umfasste in For-

schung und Lehre nahezu vollständig die Physiologie und Physik seiner

Zeit, bestimmte das Gesetz von der Erhaltung der Energie und als Erster

die Wellenlängen des ultravioletten Lichts, bewies die Allgemeingültig-

keit des „Prinzips der kleinsten Wirkung“, entdeckte den Ursprung der

Nervenfasern, begründete die wissenschaftliche Meteorologie und die

Ophthalmologie. Ein spektakuläres Resultat seiner umfassenden Arbei-

ten zur Physiologie des Sehens war 1850 die bahnbrechende Erfindung

des Augenspiegels. Nach Helmholtz ist die höchste wissenschaftliche

Auszeichnung der Akademie der Wissenschaften, die Helmholtz-Me-

daille, benannt.

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Frack erkennbar ist. Der Hals ist geschmückt mit dem „Orden Pour

le Mérite“, der höchsten staatlichen Auszeichnung für wissenschaft-

liche Leistungen im Kaiserreich. Die linke Hand stützt sich auf Bü-

cher, die auf einem reich mit Ornamenten verzierten Pfeiler liegen.

Dieser ist an der Eckkante mit der Statue der vielbrüstigen Diana von

Ephesus dekoriert, von den Griechen Artemis genannt, der großen

Lebensspenderin, der Ernährerin der Menschen, die hier als Allegorie

der zeugenden Mutter Natur, deren Geheimnisse Helmholtz enthüllt

hat, zu deuten ist. Die Symbole seines Forschungsgebietes – Stimm-

gabel und Augenspiegel – sind auf den Flächen daneben dargestellt.

Die Figur ist aus weißem Tiroler Marmor hergestellt, der Sockel aus

bayrischen braunrotem Marmor in weißen, grünen und gelblichen

Tönen geflammt, der bei diesem Denkmal zum ersten Mal zur An-

wendung kam.

Theodor-Mommsen-Denkmal, geschaffen von Adolf Brütt,

eingeweiht am 1. November 1909

Marmor, Höhe der Figur: 170 cm, Höhe des Sockels: 110 cm

Standort: im Ehrenhof, vor dem Westflügel

Schon wenige Monate nach Mommsens Tod konstituierte sich ein Ko-

mitee zur Errichtung eines Denkmals. Bereits im Mai 1904 war die

Hälfte der veranschlagten 80.000 Mark für eine Plastik vorhanden

und ein Wettbewerb ausgeschrieben. Sieben namhafte Bildhauer wur-

den gebeten, Entwurfsskizzen anzufertigen.

1901 hatte der Akademische Senat die Aufstellung des Hein-

rich-von-Treitschke-Denkmals für den Vorgarten der Universität be-

schlossen. Da im Jahre 1904 der durch das Finanzministerium ge-

sammelte Geldfonds ausreichend war, konnte das Treitschke-Komitee

nunmehr den Bildhauer Rudolf Siemering (1835 – 1905) mit der Aus-

führung beauftragen.

Damit traten diese beiden Denkmale in Konkurrenz, eine Konkur-

renz, die auch inhaltlicher Natur war, denn Mommsen und Treitschke

waren auch zu ihren Lebzeiten Antipoden in den ideologischen Aus-

einandersetzungen am Ende des 19. Jahrhunderts. Mommsen hatte

sich vehement gegen den sich damals zunehmend etablierenden

Antisemitismus in Deutschland positioniert und gleiche Chancen im

Wissenschaftsbetrieb für jüdische Gelehrte gefordert.

Ungeachtet der sehr unterschiedlichen politischen Anschauungen der

beiden Historiker stimmten alle Seiten, vom Kaiser bis zum Akademi-

schen Senat, der Aufstellung beider Denkmäler zu.

Während man sich über die Standorte relativ schnell einigte –

das Mommsen-Denkmal im westlichen Teil des Ehrenhofes, das

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Treitschke-Denkmal auf der östlichen Seite – wird diesmal das Mate-

rial der Kunstwerke zum Zankapfel. Wilhelm II. forderte beide Komi-

tees auf, die ausgewählten Modelle in Marmor auszuführen und nicht,

wie von den Künstlern entworfen, in Bronze. Er begründete die For-

derung mit dem Hinweis auf die aus Marmor gefertigten Denkmäler

für die Humboldts und für Helmholtz. Da der Künstler des Treitsch-

ke-Denkmals, Rudolf Siemering, inzwischen verstorben war, weigerte

Theodor Mommsen (1817 – 1903), Althistoriker und Jurist, Wegbereiter der

modernen Altertumswissenschaft, seit 1861 Professor für alte Geschichte

an der Berliner Universität, 1874 zum Rektor gewählt. In seinem Werk

„Römisches Staatsrecht“ (1871) entwickelte er ein völlig neues System

der Rechtsbetrachtung. Seine Hauptarbeit an der Akademie der Wis-

senschaften, deren Mitglied er war, galt dem Corpus inscriptionum La-

tinarum, dessen Leitung ihm übertragen wurde. Er initiierte, leitete oder

beriet unermüdlich Quellenausgaben, so die Auctores Antiquissimi, die

Monumenta Germaniae Historica, die Digesten, den Codex Theodosia-

nus und die Prosopographia Imperii Romani, und rief die deutsche Li-

mes-Forschung ins Leben. Für seine Quelleneditionen und Arbeiten zur

Römischen Geschichte erhielt er 1902 als erster Wissenschaftler den No-

belpreis für Literatur.

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sich das Komitee, an diesem Entwurf grundlegende Änderungen vor-

zunehmen und die Figur wurde in Bronze gegossen.

1906 entschied sich das Mommsen-Denkmal-Komitee einstimmig

für den Entwurf des Weimarer Bildhauers Adolf Brütt (1855 – 1939).

Auch wenn Brütt künstlerisch als ein Weggenosse von Begas be-

zeichnen werden kann, begann er, sich nach der Fertigstellung seiner

Statuen für die Siegesallee vom Neubarock zu trennen, neue Gestal-

tungsmittel auszuprobieren und galt nunmehr, seit 1893 Mitglied der

Münchner Sezession, als Vertreter der frühen Moderne.

Überzeugend vermittelt das Mommsen-Denkmal seine Suche nach

neuen Ausdrucksmitteln. Alle überflüssigen Details werden zuguns-

ten sachlicher, schon fast wieder klassizistischer Linien zurückge-

drängt. Dabei harmonisiert die Klarheit der Form mit der ruhigen

klassischen Wirkung des Marmors. Gleichwohl werden in der Tra-

dition der Denkmalauffassung am Ende des 19. Jahrhunderts starke

Emotionen vermittelt. Trotz der Sitzhaltung wird durch die Neigung

des Kopfes und insbesondere durch die starke Mimik des Gesichts

sowie durch die Anspannung der linken Hand, die energisch auf

das Buch weist, eine achtunggebietende Spannung des Körpers ver-

mittelt, die Haltung eines Wissenschaftlers, der an seinen erarbeitet-

en Erkenntnissen festhält und diese unbeirrt vertritt.

Am 9. Oktober 1909 wurde das Treitschke-Denkmal enthüllt und

am 1. November 1909, dem sechsten Todestag Mommsens, dessen

Denkmal.

1935 wurden die Denkmäler von Helmholtz, Mommsen und Treitsch-

ke in die Universitätsstraße versetzt und die meisten Bäume im Eh-

renhof, bis auf den großen Ahorn- und den Ginkgobaum, gerodet,

denn für die im Jahre 1936 stattfindenden Olympischen Spiele und

zur 700-Jahr-Feier Berlins benötigten die Nationalsozialisten große

Aufmarschflächen.

Eingehaust überstanden alle drei Denkmäler den Zweiten Weltkrieg.

1951 wurde das Treitschke-Denkmal allerdings aus der Universitäts-

straße entfernt und eingeschmolzen.

Die Helmholtz- und die Mommsen-Statue verblieben bis 1988 dort,

dann wurden sie zwecks Erneuerung in eine Restaurierungswerkstatt

gebracht.

Als 1989 die „Wende“ kam, forderten Universitätsangehörige so-

gleich die Rückholung der beiden Denkmäler in den Ehrenhof der

Universität. Am 23. Mai 1991, anlässlich einer Konferenz der Momm-

sen-Gesellschaft, enthüllte der Rektor der Universität, Professor Hein-

rich Fink, das Denkmal erneut im Vorgarten des Universitätshaupt-

gebäudes. 1994 konnte die Präsidentin der Humboldt-Universität,

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Professor Marlis Dürkop, das Helmholtz-Denkmal an seinem alten

Platz wieder der Öffentlichkeit übergeben.

Max-Planck-Denkmal, geschaffen von Bernhard Heiliger,

entstanden 1948-49, enthüllt am 16.10.2006

Bronze, Höhe der Figur mit Plinthe: 205 cm, Höhe des Sockels: 50 cm

Standort: im Ehrenhof, vor dem Westflügel

Schon auf der ersten Plenarsitzung der Akademie der Wissenschaften

nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Errichtung eines Max-Planck-

Denkmals angeregt.

Max Planck (1858 –1947), Nobelpreisträger für Physik, war seit 1889

Professor an der Berliner Universität. 1913/14 übte er das Amt des

Rektors aus und von 1912–1938 das des Sekretars der Physikalisch-ma-

thematischen Klasse der Akademie der Wissenschaften. 1914 erhielt

er die Helmholtz-Medaille, und von 1930 –37 sowie von 1945 –46 war

er Präsident der Kaiser-Wilhelms-Gesellschaft, der Vorläuferin der heu-

tigen Max-Planck-Gesellschaft. Planck führte das nach ihm benannte

Wirkungsquantum „h“ ein, eine universelle physikalische Konstante

für die kleinste in der Natur vorkommende Wirkung. Mit seinem im

Jahr 1900 formulierten Strahlungsgesetz gab er den Anstoß für die

Entwicklung der Quantentheorie, die eine grundlegende Umgestaltung

der Physik einleitete.

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Wenige Monate nach Plancks Tod bildete sich unter Leitung des

Akademiepräsidenten Johannes Stroux (1946 – 1947 Rektor der

Humboldt-Universität) eine Kommission zur Aufstellung eines Max-

Planck-Denkmals, dessen zukünftiger Standort der Ehrenhof der

Universität sein sollte.

Zu diesem Zeitpunkt war geplant, alle drei Denkmäler, die in der

Universitätsstraße standen, wieder an ihren ursprünglichen Platz zu

bringen. Mit dem Planck-Denkmal sollte ein Symbol für den Neuan-

fang der Universität gesetzt werden und gemeinsam mit dem Ehren-

mal des von Planck hoch verehrten Helmholtz, seinem Lehrer und

Vorgänger auf dem Lehrstuhl, sollten beide Denkmäler auf die große

Tradition der Berliner Physik verweisen.

Fünf Bildhauer wurden zur Teilnahme am Wettbewerb eingeladen.

Eine Jury aus den Mitgliedern der Denkmal-Kommission der Akade-

mie und Vertretern der Berliner Universitäten und Hochschulen, des

Kulturministeriums und des Kulturbundes entschied sich im Herbst

1948 für den Entwurf von Bernhard Heiliger (1915 – 1995), dem sei-

nerzeit der Ruf vorausging, eine der stärksten Begabungen in der pla-

stischen Gestaltung zu sein. Planck galt stets als ein hervorragender

Hochschullehrer – und als diesen hat ihn Heiliger geformt.

Zum Jahreswechsel 1949/50 war der Denkmalsockel montiert. Auf

der Vorderfront sollte der Name „Max Planck“ stehen, auf der Rück-

seite die Inschrift: „Dem Erneuerer der theoretischen Physik / Dem

Begründer der Quantentheorie / Dem Wegbereiter der neuen Atom-

lehre / Errichtet von der Deutschen Akademie der Wissenschaften

zu Berlin / Im Verein mit der Humboldt-Universität“. Der 19. Januar

1950 war der geplante Termin für die Enthüllung des Denkmals mit

anschließender Feierstunde. Anfang Januar gab es jedoch ein Rund-

schreiben des Akademiepräsidenten mit der Mitteilung, dass sich hin-

sichtlich des Aufstellungsortes neue Gesichtspunkte ergeben hätten.

Die Einweihung wurde nicht vollzogen und eine offizielle Begründung

für die Nichtaufstellung des Denkmals im Ehrenhof der Universität

nie veröffentlicht. Walter Friedrich (1949 – 1952 Rektor der Humboldt-

Universität), selbst Schüler und großer Verehrer Plancks, führte in

einem Brief aus, dass das Denkmal nicht geeignet sei, die große Be-

deutung von Max Planck zu repräsentieren. Der Sache gerechter wird

wohl die Annahme sein, dass es vor allem politische Gründe gab, das

Denkmal nicht im öffentlichen Raum der Stadtmitte aufzustellen,

denn Heiliger wechselte im Herbst 1949 von der Kunsthochschule

Weißensee zur Kunsthochschule in Charlottenburg, wo er bis zu sei-

ner Emeritierung im Jahre 1986 als Professor für Bildhauerei tätig war,

also aus der neu gegründeten DDR nach West-Berlin. Die Ablehnung

bezog sich vermutlich mehr auf den Künstler als auf das Kunstwerk.

Im Schaffen Bernhard Heiligers markiert das Planck-Denkmal eine

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Zäsur. Zum einen gelingt ihm mit dieser Skulptur der künstlerische

Durchbruch, zum anderen steht sie am Anfang einer künstlerischen

Phase, in der er eine große Anzahl beeindruckender Porträtplasti-

ken schuf, mit eigenwilligen Lösungen zwischen Individualität und

Abstrak tion.

Auch sein Planck-Denkmal verbindet realistische und nichtgegen-

ständliche Kunstauffassung. Alle Details werden zugunsten einer

durchgehenden Linie zurückgedrängt. Die Figur steht auf einem nied-

rigen Sockel, ihre linke Hand stützt sich auf ein angedeutetes Katheder,

während die rechte Bewegung andeutet, um die Worte des Lehrenden

zu unterstreichen. Beide Hände berühren sich und bilden so mit Ober-

körper und Kopf eine „Wölbung“, die in den späteren Plastiken Heili-

gers als zentrales stilistisches Element fungiert und hier vom Künstler

bereits ausgebildet ist.

Markant auch die künstlerische Form der Brille, die sich ebenfalls bei

späteren Porträts wiederfindet. „Der Kopf mit der Brille, so wie ich das

damals gelöst habe, war völlig neu: eine Brille so zu machen, daß die

Scheibe oben vorsteht, mit einem Punkte drin“, beschreibt der Künst-

ler 1991 seine Darstellung.

Bernhard Heiliger gilt heute als einer der Wegbereiter der deutschen

Plastik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seine figürlichen

Arbeiten überschritten schon bald die Grenzen zur freien Form und

strebten zu einer Dynamisierung des Raumes.

Im Frühjahr 1950 wird das Denkmal übergangsweise im Foyer des

neu bezogenen Akademiegebäudes am Gendarmenmarkt aufgestellt,

wenige Monate später in den Vorgarten des Gästehauses der Akade-

mie in Zeuthen verlegt. Erst im Frühjahr 1973 findet die Skulptur auf

Initiative einiger Physiker vor dem Akademieinstitut für Hochenergie-

physik in Zeuthen, dem heutigen DESY-Zeuthen, einen würdigeren

Standort.

Seit den 1990er Jahren gab es an der Humboldt-Universität immer

wieder Überlegungen und Initiativen, das Max-Planck-Denkmal an

dem ursprünglich hierfür vorgesehenen Standort aufzustellen. Anläss-

lich der Immatrikulationsfeier am 16. Oktober 2006 wurde die Statue

vom Präsidenten der Universität, Professor Christoph Markschies,

feierlich enthüllt. Er hatte am Jahresanfang, unmittelbar nach Beginn

seiner Amtszeit, den letzten erfolgreichen Anstoß dazu gegeben, das

Denkmal als Dauerleihgabe von der Berlin- Brandenburgischen Akade-

mie der Wissenschaften zu erhalten.

Dr. Angelika Keune, Kustodin

Jeannie Voges, Studentin der Kunstwissenschaften

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16 Die Denkmäler rund um das Hauptgebäude

Lise-Meitner-Denkmal, geschaffen von Anna Franziska Schwarzbach,

enthüllt am 10.07.2014

Figur: Bronze, Höhe: 157 cm, Sockel: Naturstein,

Größe: H: 107 x B: 194 x T: 167 cm,

Standort: im Ehrenhof, vor dem Ostflügel

Lise Meitner (1878 – 1968), Kernphysikerin, mit ihrer experimentellen

Grundlagenforschung trug sie maßgeblich zur Erschließung neuer

physikalischer Wissenschaftsfelder bei. 1906 Promotion an der Wiener

Universität als zweite Frau auf dem Gebiet der Physik, 1909 Entdeckung

des radioaktiven Rückstoßes gemeinsam mit Otto Hahn, 1912 erste

Assistentin an der Berliner Universität bei ihrem Mentor Max Planck,

1913 Wissenschaftliches Mitglied des Kaiser-Wilhelm-Instituts für

Chemie, 1922 Habilitation als erste Physikerin Preußens, 1926 Berufung

zur außerordentlichen Professorin als erste Frau an der Berliner Uni-

versität. Von 1935 bis 1938 gemeinsam mit Hahn und Fritz Straßmann

Bestrahlungsexperimente, die Ende 1938 zur ersten erfolgreichen Kern-

spaltung führten. Lise Meitner interpretierte, benannte und berechnete

die Ergebnisse des Experiments mit ihrem Neffen O. R. Frisch im Exil,

nachdem sie im Sommer 1938 aufgrund der antisemitistischen Verfol-

gung durch die Nationalsozialisten aus Deutschland fliehen musste.

Trotz mehrfacher Aufforderungen verweigerte sie ihre Mitwirkung am

Bau der Atombombe und setzte sich nach Kriegsende weltweit für eine

friedliche Nutzung der Kernenergie ein. Sie war Mitglied zahlreicher

wissenschaftlicher Akademien und lebte bis zu ihrem Tod 1968 in

Stockholm und Cambridge.

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H U M B O L D T - U N I V E R S I T Ä T Z U B E R L I N 17

Im Jahre 2006 begann die Initiative von Dr. Angelika Keune zur Er-

richtung eines Denkmals für Lise Meitner, eine der bedeutendsten

Naturwissenschaftlerinnen des 20. Jahrhunderts.

Hintergrund war, dass im großen Kunstschatz der Universität, zu

dem u.a. acht Denkmäler, 127 Büsten, Medaillons und Gedenktafeln,

60 Gemälde und über 200 Zeichnungen und Graphiken mit den

Porträts ehemaliger Gelehrter der Universität zählen, lediglich zwei

Wissenschaftlerinnen dargestellt werden. Als Kustodin der Kunst-

sammlung der Humboldt-Universität und langjährige Stellvertreterin

der zentralen Frauenbeauftragten war es Dr. Keune ein wichtiges An-

liegen, auch Wissenschaftlerinnen durch künstlerische Darstellungen

in öffentliche Präsenz zu rufen.

Lise Meitner gehörte zur ersten Generation von Frauen, die an der

Universität erfolgreich wissenschaftlich arbeitete. Wie Lise Meitner

wurden mehr als die Hälfte von ihnen Opfer der antisemitischen Ver-

folgung durch die Nationalsozialisten, erhielten Lehrverbot und wur-

den aus der Universität und später aus Deutschland vertrieben. Das

Denkmal für Lise Meitner sollte daher sowohl an die erste Wissen-

schaftlerinnengeneration als auch an alle Wissenschaftlerinnen und

Wissenschaftler erinnern, deren Karriere nach antisemitischer Verfol-

gung und Vertreibung weitgehend endete, die ermordet wurden oder

den Freitod wählten.

Nach Zustimmung der Universitätsleitung begann Dr. Keune mit

der Suche nach Unterstützerinnen und Unterstützern sowie po-

tenziellen Sponsoren. Als erstes sagte die Helmholtz-Gemeinschaft

Deutscher Forschungszentren ihre finanzielle Mithilfe zu, es folgten

das Helmholtz-Zentrum Berlin der Helmholtz-Gemeinschaft so-

wie die Max-Planck-Gesellschaft, Nachfolgerin der Kaiser-Wilhelm-

Gesellschaft. 2009 wurde die Denkmalsidee zu einer gemeinsamen

Initiative von Frau Dr. Keune und der zentralen Frauenbeauftragten

der HU, Dr. Ursula Fuhrich-Grubert, ab 2011 unterstützt vom neu-

gewählten Präsidenten, Professor Jan-Hendrik Olbertz. Gemeinsam

konnten sie die Zusage der Senatsverwaltung erwirken, einen Teil der

Kunst-am-Bau-Mittel aus dem Umbau der Mensa im Hauptgebäude

für das Denkmal zu verwenden. Durch die finanzielle Unterstützung

weiterer Sponsoren und Universitätsangehöriger, insbesondere vieler

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Technik, Service und Verwal-

tung, gelang es Ende des Jahres 2012 die notwendige Summe von

100.000,00 € zu bewältigen.

Am 1. Februar 2013 wurde ein Kunstwettbewerb für alle Bildhaue-

rinnen und Bildhauer in Europa und Israel ausgelobt. Im April 2013

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18 Die Denkmäler rund um das Hauptgebäude

forderte eine Auswahlkommission dann vier Künstlerinnen und

Künstler sowie eine Künstlergruppe auf, ihre Denkmalsmodelle ein-

zureichen. Die Wettbewerbsbeiträge wurden im Juni 2013 dem Preis-

gericht anonym vorgestellt und der Entwurf der Berliner Bildhauerin

und Medailleurin Anna Franziska Schwarzbach, Jahrgang 1949, zur

Realisierung empfohlen. Am 10. Juli 2014 wurde mit einem feier-

lichen Festakt, in Anwesenheit der Bundesministerin für Bildung

und Forschung, Professor Johanna Wanka, das erste Denkmal für

eine Wissenschaftlerin in Deutschland eingeweiht.

Auf einem hohen Beton-Sockel steht eine selbstbewusste Frauenfi-

gur in nachdenklichem Gestus. Das Podest umschließt eine schmale

Treppe mit hohen Stufen, an dessen Ende, auf einer zerklüfteten Ober-

fläche, die Plastik steht. An der linken Seite ist eine physikalischen

Berechnung aus dem Notizbuch von Lise Meitner aus dem Jahre 1935

erkennbar und auf der rechten die Formel der Kernreaktion.

In ihrem Wettbewerbsentwurf schreibt Schwarzbach: „Hervorra-

gende Frauen wurden kaum auf Sockel gehoben. Wie schwer muss

es für eine Frau gewesen sein, wissenschaftlich zu arbeiten, wie viel

schwerer noch, wissenschaftlich geachtet zu werden. Dies brachte

mich auf die Idee, den Sockel möglichst breit zu machen, um in Ge-

danken der vielen ‚Nichtaufgesockelten‘ gedenken zu können.“ Hier

trafen sich Überlegungen der Künstlerin mit dem Anliegen der Un-

terstützerinnen und Unterstützer und insbesondere der Initiatorin.

Der Sockel, als immanenter Teil des Kunstwerkes, biete bemerkens-

wertes Potential Erinnerungsarbeit zu leisten, so Dr. Keune anlässlich

der Einweihungsfeier des Denkmals. Das wuchtige Postament mit

seinen Schrunden, Rissen und Brüchen assoziiere gleichsam das 20.

Jahrhundert als ein, so Osip Mandelstam, „Wolfshundjahrhundert“,

mit dessen Verheerungen und Grausamkeiten. Nur die vordere So-

ckelseite mit dem Namenszug Lise Meitners in ihrer Handschrift ist

spiegelglatt und erinnert in seiner Schräge an jüdische Grabsteine.

Der hintere Sockelteil scheint dagegen als berste er, sei es durch die

großen Entdeckungen der Physik im 20. Jahrhundert, an denen Lise

Meitner beteiligt war, sei es durch die Entdeckung der Atomkraft,

durch die Verwüstungen der Kriege oder der Ermordung von Millio-

nen jüdischer Menschen durch den Nationalsozialismus.

Nicht nur die Karrierestufen, die plötzlich abbrachen, auch der Riss

auf der Sockeloberseite verweist auf die Biographie Meitners. Sie war

gezwungen, ihren Weg in einer anderen Welt, im Ausland, auf der an-

deren Seite des Sockels, weiterzugehen. Sie, die ihr Leben stets selbst

bestimmen wollte, wurde dennoch oftmals um ihre wissenschaftliche

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Anerkennung gebracht – durch die über Jahrhunderte tradierte Miss-

achtung der von Frauen geleisteten Arbeit, aber auch durch dieses

„Wolfshundjahrhundert“.

Meitners Kleid, am Halsausschnitt eher verspielt, anklingend an die

von der Wissenschaftlerin geliebten Häkelkragen, wird unmerklich

immer zerklüfteter und geht allmählich in die Verwerfungen des

hinteren Sockelteils über. Doch bei der Figur auf dem Postament do-

miniert der Ausdruck von Selbstbewusstsein und Würde. Obgleich

die Figur äußerst zart gegenüber den anderen Statuen im Ehrenhof

erscheint, ist sie doch überlebensgroß modelliert, denn Lise Meitner

war nur 1,49 groß. Der Künstlerin ist eine äußerst bewegte Figur ge-

lungen. Die Füße zeigen zum Hauptportal des Universitätsgebäudes,

das Gesicht zum Eingang des Ehrenhofes, dem Eintretenden zuge-

wandt. Dadurch ist eine Drehung und starke Bewegung in das Kleid

eingeformt. Unterstrichen wird dieser Gesamteindruck durch eine

leichte Neigung der Figur nach vorn sowie durch die Haltung der

Arme, einer Geste des Dozierens und Erklärens.

Anna Franziska Schwarzbach widmete einen großen Teil ihres

Werkes dem Porträt und der menschlichen Figur. Neben zahlreichen

Arbeiten für den öffentlichen Raum vielerorts in Deutschland, sind

es auch die kleinen Plastiken, die ihr Schaffen prägen: Amazonen,

Plagegeister, Irrlichter, Zwerge. Bei der Arbeit am Denkmal konnte sie

auf ihre jahrzehntelange Erfahrung im Bereich des figurativen Arbei-

tens sowie einem großen Werk an Gedenkplastiken und -medaillen

zurückgreifen. Auch die Vielzahl der von ihr geschaffenen Porträts au-

ßergewöhnlicher Frauen, wie das der Bauhaus-Malerin und Bildhau-

erin Marianne Brandt, der ersten Unternehmerin der Niederlausitz,

Benedicta Margaretha Freifrau von Löwendal, der Mathematikerin

Milena Einstein-Maric´, erste Lebensgefährtin Albert Einsteins (der

von manchen Wissenschaftlern übrigens ein Anteil an der Relativi-

tätstheorie zugesprochen wird), der Bildhauerin Ingeborg Hunzinger,

der Widerstandskämpferin Käthe Niederkirchner oder der mit 23 Jah-

ren im KZ-Bergen-Belsen ermordeten Jüdin Betty Reis.

Mit diesem Zeitgenossenschaft und Tradition verbindenden Denkmal

von Anna Franziska Schwarzbach wird nicht nur die außerordentliche

Forschungs- und Lebensleistung einer starken Frauen-Persönlichkeit

geehrt und konkrete Berliner Wissenschafts- und Universitätsge-

schichte repräsentiert, sondern auch die Sichtbarkeit von Frauen in

der Wissenschaft gestärkt.

Malte Heitmann,

Absolvent der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin

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