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W. SCHULZ~, : Die Erkrankung an extrapulmonaler Tuberkulose als Arbeits. u. Dienstunfall 71 O'GRADY, F., and R. L. RILEY: Experimental airborne tuberculosis. Fortsehr. Tuberk.- Forsch. 12, 150 (1963). O~r, A.: Umwelt und Tuberkulose. Handbueh dot Tuberkulose, Bd. I, 637. Stuttgart: Thiemo 1958. POULSE~, A. : A tuberculosis epidemic on the Faroer Islands. Acta tuberc, scan& 21, 58 (1947). R.~NTSCH, F. E. : Lungenschul] und Tuberkulose. Med. Sachverst~ndig. 62, 247 (1966). RILEr, R.L., C. C. ~IILL~, %V.I~-YKA, N. WEINSTOCK, P. B. STOREY, L.N. SULTAN, l%I. C. RILEY, and W. F. WELLS: Aerial dissemination of pulmonary tuberculosis. A two-year study of contagion in a tuberculosis ward. Amer. J. Hyg. 79, 185 (1959). ScnwAnE, H. K.: Tuberkulose und Trauma. Beitr. K/in. Tuberk. 187, 175 (1968). SERI, I., B. HORY.~TH U. P. Cr.A~m: Zur Frage der tuberkul6sen Superinfcktion. Tubcrk.-Arzt 14, 767 (1960). STEAD, W . W . : Pathogenesis of the sporadic case of tuberculosis. New Engl. J. Med. 277, 1008 (1967). STEFF~NS, W. : Verletzungen der Lungen und des Brustkorbes. Frfihverlauf und Sp~itfolgcn mit besonderer Berficksiehtigung der Lungentbk. Kritische Beobachtungen fiber 3 Jahr- zehnte an fast 4000 Verletzten des Weltkrieges 1914/18. Arbeit und Gesundheit. Stuttgart: Thieme 1951. STEII~BRUCK, P.; Die Bedeutung der Superinfektion ffir die Entstehung der Erwachsenen- tuberkulose. Z. Tuberk. 115, 235 (1961). THOrn,S VO~ AQuIN: Summa Contra Genres 3, 13. UEHLINGER, E. : Die pathologische Anatomic der tuberkulSsen Spllterstinfektion. Ergebn. ges. Tuberk.- u. Lung.-Forsch. 11, 1 (1953). VOLLm~BER, H. H. : Begutachtung der Tuberkulose als Berufskrankheit und als Arbeitsunfall. Beitr. Klin. Tuberk. 130, 12 (1965). WELLA~O, T~.: Lungentuberkulose als Arbeits- und Dienstunfall. Miinchen: Felicia Zcug- pfang 1957. ZOLLINGER, :E.: Lungen~uberkulose und Trauma. Beitr. Klin. Tuberk. 64,1 (1926). Richtlinicn des Zusammenhangs einer Tuberkulose mit einem Unfall. Schweiz. mcd. Wschr. 58, 813 (1928). Die Erkrankung an extrapulmonaler Tuberkulose als Arbeits- und Dienstunfall im Sinne des Unfall- versicherungs -Neuregelungsgesetzes Praxis der ~irztlichen Begutachtung W. SCtIULZE, Cuxhaven * Herr J~NTO~NS hat in seinem Referat in erster Linie dig Frage der Infektion mit Tuberkuloseerregern als Arbeitsunfall herausgestellt~. Er hag dabei kritiseh die Bedeugung yon Prim~-, Super- und Reinfektion gewfirdigt. Im 3. Teil seines Vortrages is~ er dann bereits kurz auf die Frage ,,Trauma und Tuberkulose" ein- gegangen. Bei der extrapulmonalen Tuberkulose, die bis auf bestimmte, noah naher zu bespreehende, Ausnahmen dureh h~matogene Streuung entsteht, wird nur in seltenen F$11en, n~mlich bei der sogenannten Impftuberkulose, eine Infektion als Arbeigsunfall anzunehmen sein. Nur wenn extrapulmonale Organmanifestationen * Chefarzg Dr. WOLVaX~G SelrcrLZZ, Hamburgisches Seehospital, Nordheim-Stiftung, 2194 Cuxhaven-Sahlcnburg.

Die Erkrankung an extrapulmonaler Tuberkulose als Arbeits- und Dienstunfall im Sinne des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes Praxis der ärztlichen Begutachtung

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W. SCHULZ~, : Die Erkrankung an extrapulmonaler Tuberkulose als Arbeits. u. Dienstunfall 71

O'GRADY, F., and R. L. RILEY: Experimental airborne tuberculosis. Fortsehr. Tuberk.- Forsch. 12, 150 (1963).

O~r, A.: Umwelt und Tuberkulose. Handbueh dot Tuberkulose, Bd. I, 637. Stuttgart: Thiemo 1958.

POULSE~, A. : A tuberculosis epidemic on the Faroer Islands. Acta tuberc, scan& 21, 58 (1947). R.~NTSCH, F. E. : Lungenschul] und Tuberkulose. Med. Sachverst~ndig. 62, 247 (1966). RILEr, R.L., C. C. ~IILL~, %V. I~-YKA, N. WEINSTOCK, P. B. STOREY, L.N. SULTAN, l%I. C.

RILEY, and W. F. WELLS: Aerial dissemination of pulmonary tuberculosis. A two-year study of contagion in a tuberculosis ward. Amer. J. Hyg. 79, 185 (1959).

ScnwAnE, H. K.: Tuberkulose und Trauma. Beitr. K/in. Tuberk. 187, 175 (1968). SERI, I., B. HORY.~TH U. P. Cr.A~m: Zur Frage der tuberkul6sen Superinfcktion. Tubcrk.-Arzt

14, 767 (1960). STEAD, W . W . : Pathogenesis of the sporadic case of tuberculosis. New Engl. J. Med. 277,

1008 (1967). STEFF~NS, W. : Verletzungen der Lungen und des Brustkorbes. Frfihverlauf und Sp~itfolgcn

mit besonderer Berficksiehtigung der Lungentbk. Kritische Beobachtungen fiber 3 Jahr- zehnte an fast 4000 Verletzten des Weltkrieges 1914/18. Arbeit und Gesundheit. Stuttgart: Thieme 1951.

STEII~BRUCK, P.; Die Bedeutung der Superinfektion ffir die Entstehung der Erwachsenen- tuberkulose. Z. Tuberk. 115, 235 (1961).

THOrn,S VO~ AQuIN: Summa Contra Genres 3, 13. UEHLINGER, E. : Die pathologische Anatomic der tuberkulSsen Spllterstinfektion. Ergebn.

ges. Tuberk.- u. Lung.-Forsch. 11, 1 (1953). VOLLm~BER, H. H. : Begutachtung der Tuberkulose als Berufskrankheit und als Arbeitsunfall.

Beitr. Klin. Tuberk. 130, 12 (1965). WELLA~O, T~.: Lungentuberkulose als Arbeits- und Dienstunfall. Miinchen: Felicia Zcug-

pfang 1957. ZOLLINGER, :E.: Lungen~uberkulose und Trauma. Beitr. Klin. Tuberk. 64,1 (1926). Richtlinicn

des Zusammenhangs einer Tuberkulose mit einem Unfall. Schweiz. mcd. Wschr. 58, 813 (1928).

Die Erkrankung an extrapulmonaler Tuberkulose als Arbeits- und Dienstunfall im Sinne des Unfall-

versicherungs -Neuregelungsgesetzes Praxis der ~irztlichen Begutachtung

W. SCtIULZE, Cuxhaven *

Her r J~NTO~NS ha t in seinem Referat in erster Linie dig Frage der Infek t ion mi t Tuberkuloseerregern als Arbeitsunfall herausgestellt~. E r hag dabei kritiseh die Bedeugung yon P r i m ~ - , Super- und Reinfektion gewfirdigt. I m 3. Teil seines Vortrages is~ er dann bereits kurz au f die Frage , ,Trauma und Tuberkulose" ein- gegangen.

Bei der ext rapulmonalen Tuberkulose, die bis auf best immte, noah naher zu bespreehende, Ausnahmen dureh h~matogene Streuung entsteht , wird nur in seltenen F$11en, n~mlich bei der sogenannten Impftuberkulose , eine Infekt ion als Arbeigsunfall anzunehmen sein. Nur wenn extrapulmonale Organmanifestat ionen

* Chefarzg Dr. WOLVaX~G SelrcrLZZ, Hamburgisches Seehospital, Nordheim-Stiftung, 2194 Cuxhaven-Sahlcnburg.

72 W. SCHULZE ."

in der Folge einer als Arbeitsunfall anerkannten Lungsntuberkulose auftreten, wird man sis Ms mittelbare Unfallfolgen ansehen. Der Gutachter, der sieh mit der Beurteilung der extrapulmonalen Tuberkulose als Arbeitsunfall zu befassen hat, wird wesentlich h/~ufiger als der Lungenfacharzt mit der Angabe des Erkrank- ten konfrontiert, dal] ein Trauma die Ursache der zu begutaehtenden tuberkulSsen Ver/~nderungen sei.

Infolge der h~ufigen Traumatisierung des Stfitz- und Bewegungsapparates im t~glichen Alltag wird die Entstehung oder Verschlimmerung einer Knoehen- und Gelenktuberkulose a]s Folge eines Unfalles, insbesondere sines Arbeit~- unfalles, ziemlich oft behauptet und ein Antrag auf Gew~hmng von Unfallrente gestellt. Ich habe deshalb 1100 Krankenbl~ttter von Kranken mit osteoartieul/trer Tuberkulose aus der Nordheim-Stiftung durchgesehen. Von diesen schuldigten 102, also fast 10%, einen Unfall als Ursaehe ihres Leidens an, ein Verh~ltnis, wie es den Angaben yon H. SC~IDT bei 4138 F/~llen entspricht. Entsprechend dem Ergebnis der Sehmidtsehen Untersuehung hielten clio Angaben der meisten Kranken fiber den Unfatlzusammenhang einer kritisehen Uberprfifung nieht stand. Nur bei etwa einem Ffinftel yon den 102 Kranken, die ihr Leiden auf einen Unfall zuriickfiihrten, konnte ernstlieh fiber einen direkten oder indirekten Znsammenhang zwisehen dem angeschuldigten Unfall und dem tuberkulSsen Prozel] diskutiert werden. Bei den fibrigen Kranken war das Unfallereignis un- bewiesen oder unerheblich. Von einigen Patienten wurdo es sogar naehweislieh erst nachtr~glich angegeben, weft sie nach einer Ursache ffir ihre Krankheit suchten.

Nut in einem einzigen Fall wurde yon der Berufsgenossenschaft eine osteo- articul~re Tuberkulose als Unfallfolge anerkannt. Dabei hat es sich naeh meinem Ermessen zudem noch um eine Fehlentseheidung gehandelt. Dreimal warde eine voriibergehende, aber nieht riehtungweisends Verschlimmerung einer bestehenden ]atenten Tuberkulose durch das Unfallereignis ffir wahrscheinlieh gehalten. Bei 32 Patlenten wurden durch einen relativ banalen Unfall tuberkul6se Sketetherde aufgedeckt. Unter diesen waren 8, die bereits vor dem Unfall Zeichen der tuber- kulSsen Erkrankung des Bewegungsapparates aufwiesen.

1)ITZEI~, RA_NDERATH und GEISSEND6RFER best/~tigen unsere Erfahrungen, dab eine Knoehen- und Gelenktuberkulose monatelang bestehen kann, ohne kliniseh erhebliche Erscheinungen zu machen und die Arbeitsf/~higkeit wesentlich zu beeintr/~chtigen. Das hat sogar das Reichsversicherungsamt 1929 in einer Ent- scheidung festgeste]lt.

Auffallend hoch war inunserem Krankengut die Gruppe von/~lteren Patienten, die sehon eine Gelenk- oder Wirbels/~ulenverbildung aus der Jugendzeit mit- gebraeht hatten. Angeblich hatte sich diese im AnschluB an einen Unfall ent- wiekelt. Bei den Erkrankten handelte es sieh meistens um geistig einfaeh struk- turierte Mensehen aus den 0stgebieten und aus der Landwirtsehaft, bei denen es naeh Flucht, Umsisdlung und unter den sehlechten Lebensbedingungen der Nach- kriegszeit zur Reaktivierung alter tuberkul6ser Herde oder zur AbseeBbildung gekommen war, diesmal ohne naehweisbares Unfallereignis. Die Angaben der Patienten lauteten damn etwa so: ,,Ieh bin als Kind vom Heuwagen gefallen und muBte deshalb l~ngere Zeit im Gips liegen, seither habe ieh eine steife Hfifte."

Die Erkrankung an extrapulmonaler Tuberkulose Ms Arbeits- und Dienstunfall 73

Die Auswertung unserer Krankenbl'~tter zeigt also, dab die Diskussion der M6glichkeit der traumatischen Entstehung einer extrapulmonalen Tuberkulose einen sehr realen Hintergrund ftir die Versicherungstr~ger, insbesondere fiir die Tr/iger der Unfallversicherung, hat.

Die Einstellung der J~rzte zu diesor Frago war im Laufe der Zeit wechselnd. In alten Arbeiten findet man noch die Auffassung, dab eine Knochen- und Gelenk- tuberkulose h/iufig nach einem Trauma entstehe. RICttARD VON VOLKMANN glaubte noch, dab etwa 70% seiner Kranken die Skelettuberkulose nach einem Unfall bekommen h~tten. Nach dem 1. Weltkrieg wurdo clio Einstellung der meiston Autoren kritiseher. Viele yon ihnen lehnt, en dio traumatische Entstehung einer osteoarticulgren Tuberkulose vSllig ab. B6HLER wies darauf hin, dab er nach 80000 frischen Unf~llen niemMs die Entw~cklung einer posttraumatischen Tuberkulose beobachtet habe. Dennoch ~ r d immer wieder glaubhaft yon Einzel- f/illen berichtet, beidenen eino posttraumatische Skelet- oder Weichteiltuberkulose wahrscheinlich gemacht werden konnte.

Wie JE~TGENS schon erwKhnte, hat L~RCH deshalb kritisch auf die Frag- wiirdigkeit von statistischen Erhebungen hingewiesen. Er stellt heraus, dab lediglich bei 1 yon 150000 Einwohnern der Bundesrepublik ein Unfall und eine Skelcttubcrkulose gleichzeitig zu erwarten sind. Er folgert daraus, dab es nicht m6glich ist, die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhanges zwischen Trauma und Skelettuberkulose unter Hinweis auf die grol]en Unfallbeobachtungszahlen von B6nL~R and MAa~us grunds/itzlich abzulehnen. Selbst ein Beobachtungskollektiv yon 80000 Verletzten sei eben statistisch noch zu klein, um fiberhaupt Skelet- tuberkulosen beobachten zu kSnnen.

Der Gutachter mug also in jedem einzelnen Falle kritisch alle verffigbaren Angaben und Befunde abw/i.gen, um zu einer Individualentscheidung zu kommen. Die klassischen Grundforderungen fiir die Zusammenhangsbcgutachtung yon Trauma und extrapulmonaler Tuberkulose dienen dabei als Richtliifie:

1. Die Tuberkulose muB erwiesen sein,

2. dcr Unfall mull erwiesen sein,

3. dam Trauma mug erheblich gewesen sein,

4. Unfall- und Erkrankungsor$ mfissen im alIgemeinen fibereinstimmcn,

5. eine bereits vor dem Unfall bestehende aktive Tuberkulose mull ausge- schlossen werden,

6. die Entstehung der extrapulmonalen Organtuberkulose muB in bestimmter zeitlieher Beziehung zum Unfallereignis stehen, die in etwa den Latenzzeiten zwischen t terdsetzung und Manifestation der verschiedenen Organtuberkulosen entspricht; bei l/ingeren intervallen zwischen Trauma und Manifestation tier klinischen Krankheitszeichen sollen Brfickensymptome vorhanden sein. - - Bei der Annahme der Verscbllmmerung einer bestehenden Tuberkulose (lurch elnen Unfall muB die zeitliche Ent, wicklung den bekannten klinischen Erfahrungen entsprechen, d.h. das Intervall zwischen Trauma und Manifestwerden der Krank- heitszeichen sollte 3 Wochen nicht unter- und 6 Monate nicht iiberschreiten.

AuBer den sogenannten Leichentuberkeln bei Tier/irzten, Sektionsgehilfcn und Pathologen ist die Sehnenscheidentuberkulose bei Fleischern die wichtigste Form der $raumatisch bedingten prim£ren oder sekund~ren Inoculationstuber-

74 W. SeHv~Z~:

kulose oder Impftuberkulose. Hierbei spricht man vom ,,infizierenden Trauma". Naeh LANG sind vier Ffinftel aller Sehnenscheidentuberkulosen im Bereich der Hand durch eine exogene Infektion, nicht durch eine h5matogene Streuung be- dingt. Im Gegensatz zu BURCKHART sind wir mit LEDERLE, BROSIG, GSBEL und J~_NSEN der Ansicht, da~ die Sehnenscheidentuberkulose bei Fleisehem um ein Vielfaches hgufiger ist aIs bei der fibrigen BevSlkcrnng. Gelegentllch kann eine jahrelang bestehende, nicht behandelte Schnenscheidentuberkulose auf das Hand- gelenk fibergreifen. Wir haben in einem solchen Falle den Zusammenhang bejaht.

Naeh Sanierung der Rindviehbestgnde wird die Sehnenscheidentuberkulose bei Fleisehern sicher nur noeh selten beobachte~ werden. Der Naehweis yon bovinen Mycobakterien wird gefordert, meist ist er aber nachtrgglieh kaum noeh zu erbringen. So muis man zumindest mit erheblicher Wahrscheinlichkeit an- nehmen kSnnen, dal~ der Erkrankte durch bovine Stgmme infiziert wurde, d.h. es muis eh~e ausrcichende Exposition gegenfiber entsprechendcm tuberkulSsen Material vorgelegen haben. Dann ist aueh eine kleine Verletzung der Haut und des Subcutangewebes geeignet, den Krankheitserregern als Eintrittspforte zu dienen.

Gelegentlich wird die MSglichkeit diskutiert, ob ein mit menschlichen Keimen infiziertes Rind wiederum einen anderen Menschen anstecken kSnne. Deshalb glauben einige Autoren darauf hinweisen zu mfissen, dais man sich auf die Forde- rung nach dem Naehweis des Typus bovinus bei Anerkennung der Sehnen- seheidentuberkulose der l~Ietzger a]s Unfallfolge oder Berufskrankheit nicht un- bedingt festlegen soll. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daJ] entsprechend der Berufskrankheitenverordnung die Sehnenscheidentuberkulose beim Metzger als Berufskrankheit gewertet wird, obgleich in vielen F&llen streng genommen der Tatbestand des Arbeitsunfalles gegeben ist.

Andere extrapulmonale Impftuberkulosen dureh direkte Infekte nach Be- schneidung oder Verletzung durch zerbrochene Sputumglgser sind extrem selten. ConjunctivaIe Prim~rherde dureh Anspritzen von tuberkulSsem Material werden heute praktisch nicht mehr beobachtet.

Von wcsentlicher Bedcutung ffir die Unfallzusammenhangs-Bcgutachtung bei extrapulmonaler Tuberkulose sind die sogenannten Kontusionstuberl~ulosen. Die Entstehung eines tuberkulSsen Herdes an einem durch einen UnfaI1 vorgeschgdig- ten Locus minoris resistentiae ist, wie JENTGENS schon andeutete, heute um- sbritten. Nach A. W. FISCHER ist sie nie eindeutig bewiescn worden. Das Reichs- vcrsicherungsamt hat 1929 entsehieden, dais die Theorie, dais ein Locus minoris resistentiae als Ursachc einer Tuberkulose angesehen werden muis, aufgegeben worden sci.

Andererseits hat aber z.B. SCn~AMM fiber die Entstehung einer Tuberkulose nach Pfannendachplastik bei Hfiftdysplasie geschrieben. SOHi~LL~R ha~ nach Hohl- und KlumpfuBredressionen Knochentuberkulose entstehen sehen. SCHMIDT besch~:ieb den Ubergang einer Adoleszentcnkyphose in eine Spondylitis tuberculosa und die Entstehung einer Coxitis nach Hfiftgelenksluxa~ion. Zudem berichtete er fiber cine Ellenbogengelenkstuberkulose nach Fraktur. SCHWA]3~. sah eine Tuberkulose nach Obersehenkelmarknagelung wegen Femurfraktur, RIsxo und HAR~n~ beobachteten eine osteoarticul~re Tuberkulose nach Schenke]hals- nagelung. W~hrend HACKETAL eine Weichteiltuberkulose am Unterschenkel be-

Die Erkrankung an extrapulmonaler Tuberkulose als Arbeits- und Dienstunfall 75

schrieb, fanden ZE~r~L eine spezifische Schadeldachosteomyelitis nach Trauma bei einem often LungentuberkulSsen und LERCH eine Ansehlu0tuberkulose nach SteckschuBverletzung am axillaren Scapularand. Diese Beispielc k6nnten noch beliebig erweitert werden.

Auf Grund dieser Beobachtungen wird heute besonders wieder yon Pathologen (JANseN) die MSgliehkeit diskutiert, dab eine Tuberkulose doeh an einem durch ein Trauma vorgeschadigten Ort entstehen kSnne. Neben der Absiedlungstheorie yon im Blur l<reisenden Bakterien am Locus minoris resistentiae ~ r d daran ge. dacht, dab eine zum Zeitpunk~ des Unfalles bestehende latente tIistobacillose irritiert wird. Auf jeden Fall mfissen aber naeh JANSEN Trauma, Baeill/imie und Hyperergie zusammentreffen, wenn eine lokale posttraumatische Tuberkulose entstehen soll. Das Trauma allein mit nachfolgenden Ver~nderungen in der terminalen Strombahn und Permeabilit~itsstSrungen der Capillarw/inde geniigt nicht, urn irgendwann spater eine bevorzugte Absiedlung yon Tuberkuloseerregern am betroffenen KSrperteil zu bedingen. Meist wird es jedoeh so sein, dab ein Unfallereignis einen bereits bestehenden, abet bis dahin latenten Tuberkuloseherd trifft. Auf Grund der Untersuchungsergebnisse yon RANDV.RAT~ wissen wir, dab in vielen F/illen bei Autopsien LungentuberkulSser latente kleine Knochenherde gefunden werden. Es ist daher erstaunlich, dab selbst nach erheblicher Gewalt- einwirkung auf ausgedehnte bekannte Skeletherde nur selten Aktivierung eintritt.

Um die Problematik ffir den Gutaehter aufzuzeigen, mSchte ieh aus unserem Material einige Beispiele anfiihren, bei denen allerdings keine Unfallzusammen- hangsbegutachtung erfolgte, weil ffir die nachgewiesenen Unfalle kein Ver- sicherungssehutz bestand:

1. Ein 13j/ihriges Madchen stiirzte yon der Treppe und braeh sich dabei das Schlfisselbein, fiel aber glelchzeitig kr/iftig auf den Rficken. 3 Monate sparer er- krankte es an Rfickenschmerzen. Es wurde eine frisehe Spondylitis tubereulosa diagnostiziert. Zur Zeit des Treppensturzes hatte die Mutter eine offene Lungen- tuberkulose.

2. Eine weitere jugendliche Patientin fiel 1958 nachweisbar auf den Riicken. Sic wurde krank gesehrieben und gerSntgb. Der Wirbels/iulenbefund war unauf- fallig. Nach 4 Jahren erhielt sie in der Hoehbahn einen Stol~ in den Rficken, worauf wieder Beschwerden auftraten. Unmittelbar nach dem StoI~ wurden neue RSntgen-Bflder angefertigt, die einc altere, aber noch floride Spondylitis tuber- culosa erkennen liel3en. Wahrend des Zeitpunktes des ersten Unfalles bestand Kontak t mit einem often tuberkul6sen Familienmitglied.

3. Ein besonders problemreieher Fall ist der einer jugendliehen Patientin, bei dcr ein Kniegelenk nach einer Fatellarfraktur 1957 versteifte. 1960 wurde deshalb eine Narkosemobilisation ohne Erfolg durchgefiihr~. Es traten danach zusatzlich Sehmerzen und Gelenkergfisse auf. 1961 frakturierte anlal~lieh eines Autounfalles der Unterschenkel desselben Beines. Nach Gipsabnahme wurde das noch ge- schwollene Kniegelenk punktiert. Im Eiter wurden Tuberkelbakterien nachge- wiesen. Die Resektion des inzwischen starker zerst6rten Gelenkes war nicht zu umgehen. Retrospektiv wird man bereehtigten Grund zu der Annahme haben, dab bereits die bei dem Kind ungewShnliche Versteifung des Kniegelenkes nach der Patellarfraktur 1957 als Zeichen einer latenten Tuberkulose zu werten ist.

76 W. SCHtr~E:

Es ist aber erstaunlich, wie wenig die sp~teren erhebIichen Traumatisierungen des Gelenkes den schieksalmat]igen Ablauf der Gonitis tuberculosa beeinfluSt haben.

Vom lokalisierenden Trauma wird das mobillsierende Un]allereignis unter- schieden. Dabei kann es zur lokalen Exacerbation oder zur h~matogenen Streuung kommen. Beide Ereignisse werden nur selten beobachtet. Selbst 0bersehenkel- frakturen bei ausgedehnter Hfiftgclenkstuberkulose, die wegen der Knochen- atrophie des Femurs gar nicht so selten sind, bewirken fast nie eine h~matogene Streuung und nur selten eine voriibergehende lokale Exacerbation. H~ufiger beobachtet man danach sogar eine bessere Heilung des tuberkulSsen Prozesses, was wohl auf die nach dem Unfall erforderliche exakte Rutfigstellung, auf die posttraumatisehe Ityper~mie und aufdie Stellungsverbesserung zuriickzuffihren ist.

Die richtungsgebende Verschlimmerun~ eLner bis dahin latent bestehenden oder bereits bekannten extrapulmonalen Organtuberkulose ist ebenfalls sehr selten und kann dann angenommen werden, wenn der weitere Verlauf der Erkrankung ungiinstig yon dem bei einem vergleiehbaren nicht traumatisierten Herd abweicht. Bei 3 unserer Patienten kam es nach relativ kurzer Zeit, aber nicht unmittelbar naeh einem Unfallereignis (3--6Wochen) zu einer Querschnittsl~hmung bei Spondylitis tubereulosa. Die Beantwortung der Frage, ob die zum Unfallzeitpunkt bereits bestehende Spondylitis tuberculosa durch das Trauma so richtungs- gebend verschlimmert ~ r d e , dab es dadurch zur Abszedierung und Rfickenmarks- kompression kam, entfiel, well keine versieherungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben waren. In einem solchen Fall h~tte ich aber keine Bedenken, die richtungs- gebende Verschlimmerung der Wirbeltuberkulose durch das Unfallereignis zu bejahen.

Die vori~bergehende Versehlimmerung einer bestehenden Tuberkulose durch einen Unfall ffir mehrere Monate wird man schon eher einmal annehmen k6nnen, wenn der Unfall erheblieh gewesen ist und den Ort der Organtuberkulose sicher getroffen hat. Ein Beispiel sei dazu angefiihrt:

Ein vor 10 Jahren an Pleuritis exsudativa erkrankter Po]izist stiirzte vom Motorrad, wobei es zu einer schweren Beckenprellung kam. Die Beine wurden ihm bei dem Unfall auseinandergerissen. 5 Monate nach dem Unfall kam es zur Ausbfldung eines kalten Abscesses an der Innenseite des linken 0berschenkels, der yon einer Schambeintuberkulose ausging. Nach Ausr£umung des Abscesses erfolgte glatte Heflung ohne Folgen.

Die vorfibergehende Verschlimmerung der Tuberkulose dutch den Unfall wurde als Dicnstunfallfolge anerkannt.

Wie Herr JE~TG~S sehon ausfiihrte, kann es zur Exacerbation einer Tuber- kulose, also auch einer extrapulmonalen Tuberkulose, kommen, wenn eLu schwerer Unfall und seine Folgen, wie zum Beispiel Kaehexie, zu einer Sehwhchung der unspezifischen und spezifischen Infektionsresistenz geffihrt haben. Bei Lymph- knotentuberku]ose besteht die M6glichkeit der Exacerbation nach Traumen und unspezifischen Entziindungen im Quellgebiet, zum Beispiel nach Kieferverletzun- gen und Zahnextraktionen. Aueh hierbei wird es sich meist nur um eine voriiber- gehende und nicht richtungsweisende Verschlimmerung eines bestehenden Leidens handeln, die mit dem Abklingen des akuten Schubes beendet sein wird.

Die Erkrankung an extrapuhnonaler Tuberkulose als Arbeits- und Dienstunfall 77

In den meisten F/illen ffihrt, wie ieh bereits am Anfang erw/thnt habe, der Unfall lediglioh zur Aufdeckung eines bis dahin latenten Knochenherdes, weft n~mlieh anl/iBlieh des Unfalles erstmalig eine RSntgen-Untersuchung erfolgt. Wir beobachten immer wieder, dab m/~Big ausgedehnte tuberkulSse Gelenk- und Knochenprozesse durch den Unfallarzt fibersehen werden, weft dieser einfach nicht an die MSglichkeit einer gleichzeitig bestehenden Tuberkulose denkt. Wenn es gelingt, die ersten RSntgen-Bilder und nieht nur den Durehgangsarztbefund zu bekommen, entdeekt man oft auf diesen sehon gewisse Zeichen der Tuberkulose. Da es in solchen F~llen, wie wir mehrfach erlebt haben, zu einem jahrelangen, sich durch alle Instanzen hinziehenden, Sozialgerichtsstreit kommen kann, ist der naehtr/igliche Naehweis einer schon zum Unfallzeitpunkt bestehenden Tuber- kulose von besonderer Bedeutung.

Die Bewertung eines Unfalltraumas als pathogenetischer Faktor fiir die Mani- festation einer endogenen ttauttuberkulose gestaltet sich wesentlich schwieriger. Immerhin w/rd man nach NIKOLOWSKI gelegentlich im Einzelfall das Unfall- ereignis als provozierendes oder lokalisationsbestimmendes Moment auch ffir den Lupus vulgaris nieht ausschlieBen kSnnen. Vielleicht hSren wir in der Diskussion noeh etwas zu diesem Thema, zu dem ich ans eigener Erfahrung leider wenig bel- tragen kann.

Die traumatische Entstehung einer Tuberkulose der tiefergelegenen inneren Organe wird im Gegensatz zu den Erkranknngen der Haut , der Knoehen, der Gelenke und der Lymphknoten nur selten behauptet und noeh seltener anzu- erkennen sein. Es wfirde den Rahmen dieser (~bersicht sprengen, alle theoretischen M6gliehkeiten der traumatischen Entstehung der versehiedenen extrapulmonalen Tuberkuloseformen zu bespreehen.

Eingehende Diskussionen mit Gyn£kologen und Urologen maehen es deutlich, dal~ nur die Frage der unfallbedingten Verschlimmerung einer bestehenden Genital- oder Urotuberkulose yon praktiseher Bedeutung ist. So kann es nach stumpfen Bauehtraumen zu Peritonitis bei Tuberkulose der Ilioeoecalregion, der _Appendix, der Mesenteriallymphknoten, des weiblichen Genitale und der umschriebenen tuberkulSsen Pelveoperitonitis kommen. Ehae Pyosalpinx kann platzen oder ein latenter ProzeB im Genitale exaeerbieren.

Naeh I4~;~UBm ist die h~matogene Streuung aus dem Genitalorgan ohnehin sehr selten und schwer beweisbar, die unfallbedingte ist naeh meiner Kenntnis bisher nieht beschrieben worden. ]3OniON berichtet yon einem Mann, der an einer l~nger bestehenden einseitigen Nierentuberkulose litt und aus 15 m H6he in kaltes Wasser fiel. Es entwiekelte sieh sofort ein schweres Krankheitsbild. _Am 20. Tag naeh dem Unfall erfolgte der Exitus. Die Sektion ergab eine al~o Nieren- und Blasentuberkulose, eine frische Miliartuberkulose in der linken Lunge, in Milz, Leber und Nebenniere. BtrscH gibt in Ubereinstimmung mit SCHEV, LE und GLOO~ an, dab die eindeutige Entstehung einer Urotuberkulose durch Unfall bisher nieht bekannt geworden ist. Der yon LrNa)NF,~ ver6ffentliehte, in der I)DI~ aner- kannte Fall dfirfte einer kritischen Uberprfifung nicht standhalten. Beziiglieh der mitnnlichen Genitalorgane geben SCKVLTHEISS und V~tL]~NSIECK lediglich an, dab im allgemeinen eine Tuberkulose yon Prostata, Samenblase, Samenleiter, Nebenhoden mad Hoden als vorbestehende Krankheit anzusehen ist. Nut bei

78 Ausspraehe

sicherem Ausschlul3 einer vorbestehenden Tuberkulose kSnne ein UnfaUzu- sammenhang diskutiert werden.

Alle diese Betrachtungen sind meist theoretisch. Anerkannte Uro- und Genitaltuberkulosen als Arbeitsunfall sind mir bisher, wenn man von den F~llen von BODEN und LI~D~E~ absieht, nicht bekarmt geworden.

Z~sammen]assend mul~ festgestellt werden, dab die Entstehung einer extra- pulmonalen Tuberkulose nach einem Arbeitsunfall ein aul3ergewShnlieh seltenes Ereignis £st. Aueh richtungsgebende Verschleehtertmgen einer bestehenden extra- pulmonalen Tuberkulose dureh ein Trauma werden kaum beobachtet. Etwas h~tufiger sieht man die voriibergehende Verschlimmerung eines extrapulmonalen tuberkulSsen Organherdes naeh einem Unfall. Da nach A. W. FISCHER, GEISS~N- DSRFE:a u/ld R~INHARD die iiberwiegende Wahrseheinliehkeit von vornherein gegen den Zusammenhang einer extrapulmonalen Tuberkulose mit einem Unfall sprieht, muB man, wenn man dennoeh ihre traumatische Entstehung oder Ver- sehlimmerung annehmen will, nachweisen, warum in diesem Einzelfall entgegen der statistischen Unwahrseheinliehkeit doeh eine Anerkennung zu erfolgen hat. Jeder Einzelfall ist also als Sonderfall nach kritiseher Prfifung der zutreffenden Gegebenheiten zu beurteilen. Stets muB man dabei, wie GEISSENDSRFER betont, ernsthaft die Frage priifen, ob nicht ein rein zufalliges Zusammentreffen yon Trauma und tuberkulSser Erkrankung vorliegt.

Ausspraehe E. J~NSE~r, Bremen-Obemeuland: hIach der herrschenden Lehrmeimmg, den P~eferaten yon GODAU und J~TG~rs und den hSehst- riehterliehen Entseheidungen des Bundessozialgeriehts kSnnen die Prim~rinfektion und die Reinfektion den Ta~bestand eines _h_rbeitsunfalls erffillen. Im Rahmen der Tuberkulose als Arbeitsunfall stehC jedoch die Superinfektion yon eh mad je im Kreuzfeuer der wissenschaft- lichen ~Ieinungen.

Naeh der ~omenklatur des DZK (1951/1952) kSnnen sowohl bei einer noeh ak$iven, aber nieht mehr fortsehreitenden, als auch bei einer ruhcnden Tuberkulose dureh elne zus~tzllche Infektion erhebliehen Ausmal~es Reaktivierungen yon tuberkul6sen Restherden mit der MSg- lichkeit lymphogener, h~matogener und bronchogener Metastasen ausgelSst oder mater Um- st~inden eine Neuherdbildung in der Lunge gesetzt werden. Naeh der Neufassung der Gesichts- punkte zur Nomenklatur bei der Begutachtung der Tuberkulose, die das DZK 1966 heraus- gegeben hat, karm dutch eine aerogene Superinfektion eine Neuherdbildung aueh in der Lunge auftreten. Die Exacerbation bestehender Herde als Folge einer Superinfektion wird hingegen f/~ problematisch angesehen, da pathologiseh-anatomisch, rSntgenologisch und ktinisch nur schwer zu entseheiden sei, ob der Wiederaufbrueh tuberkulSser Herde die Folge yon Super- infektlonen oder die Folge nieht spezifiseher exogener oder endogener Ursaehen ist.

In diesem Zusammenhang soil nieht in Abrede gestellt werden, dal3 die Exacerbation yon Altherden h~ufig auf unspezifisehe Fakt~ren (physisehe und psychische Belastung, grippale Infekte) zuriickzufiihren ist. Audererseits diirfen Kltere Tuberkulinstudien und moderne Forschungsergebnisse fiber die Superinfektion nieht vernaehl~issigt werden. So maeht~ LIESr~M~/Sr~R (1937) darauf aufmerksam, dab selbst homSopathisehe Dosen von Tuberkulin zu Herdreaktivierungen ffihren k6rmen. GRLW (1941) s~ellte den Begriff der exogen stimulier- ten endogenen Reinfektion auf, Naeh den Tuberkulin-Studien yon LIEBER~rrSr~, U~CaOLrZ (1956) und E. JEtcs]~¢ k6nnen berufliche Superinfektionen eine beaehtliche Tuberkulinisierung erzielen.

Die MSgliehkeit der Superinfektion wurde dutch den Naehweis yon Doppelinfektionen mit humanen und bovinen sowie mit bovinen und avi~ren Erregem und chemiseh etiket~ierten

Aussprache 79

Tuberkelbacillen aulier Zweifel gesetzt. Da der Nachweis der Superinfektion beim Mensehen nur unt~r bestimmten Bedingungen erbracht werden kann, ist die geringe Anzahl der bisher publizierten F~lle kein Beweis fiir die Seltenheit dieses Vorkommnisses.

It. J]~rroE~s unterschied bei der Superinfektion die massive und flieflende Infektion. Unter einer massiven Infektion oder UberfaUinfektion verstehe ich die innerhalb weniger

Stunden dutch hartn~ckigeHustenatt~eken erfolgte Keimaussaat in die tmmittelbare Um- gebung sines schwerkranken OffentuberkulSsen -- beispielsweise bei der Pfiege yon Sehwer- kranken im pr~fmalen Stadium. ICKERT spraeh in solehen Situationen yon dem Streukegel einer Maschinengewehrgarbe, der kaum jemand entgehen karm.

Unter flieflender Infektion verstehe ieh die yon dem Tr~ger einer bekannten oder unbekann- ten offenen pulmonalen oder extrapulmonalen Tuberkulose ausgehende Durchseuchung der Umgebung. Je nach der Quantititt des Keimangebotes kann auch hierbei eine kritische Infek* tionsgef~hrdung der Umgebung, auch eines Mitarbeiters, erfolgen, der im Erkrankungsfall nieht olme weiteres die Merkmale eines Arbeitsunfalls zu eigen sind.

Abgesehen yon der mSglichen Ubeffallinfektion kann es m.E. im Zuge der protrahierten Superinfektion auch auf dem Wege der Sensibilisierung zu einer Herdreaktion, nilmlich zu Exacerbationen yon Altherden oder Narbenfeldern kommen. Die Wechselbeziehungen zwischen Allergiegrad und Herdreaktion sind uns namentlich aus den Tierexperimenten gel~ufig. Mit dieser Konzeption stehe ich in gewissem Gegensatz zu dem Entscheid des Bundessozialgcriehts yore 26. 9. 1961. Hiernach hielt der Senat die Auffassung yon DR~F~m (1961), daI] laufende, nieht massive Bakterienaufnahmen zu einer zunehmenden Sensibilisierung fldhren, auf deren Boden der letzte entscheidende Bakteriensehub ein tuberkulSses Gesc|mhen in Gang setzt und daher als Teilursache zu gelten hat, ftir unriehtig. Nach Ansicht des Senats ist dieser letzte, ent- seheidende Bakteriensehub keine wesentlieh mitwirkende Teilursaehe, sondern, sofern er sieh aus den friiheren Sehiiben nicht Ms massiver Sehub hervorhebt, nur ein gleichartiges Glied in der Kette wiederholter, auf mehr als eine Arbeitsschicht verteilter Bacilleniibertragungen. Diese Ansieht beriicksichtigt allerdings nicht den Kausalzusammenhang in naturwissensehaft- lichem Sinn. M.E. hebt sich n~mlich die letzte Baeillenaufnahme aus dem Gesamtgesehehen als wesentliche Bedingung, und damit als wesentlich mitwirkende Teilursache lmraus, da sie den letzten Tropfen darstellt, der den Krug zum ~berlaufen bringt, bzw. zur krankmachenden Infektion fiihrt. Auch U~HOLTZ (1964) bezeichnete im Zuge der Sensibilisierung die letzte, sch~dliche Infektion als hervorragend, andersartig und einmalig.

In diesem Zusammenhang mSehte ieh Ihnen nicht verschweigen, dal3 selbst im Arbeits- ausschu0 fiir Tuberkulose-Gesetzgebung und Tuberkulose im Rahmen der Unfallversicherung keine vSllige Ubereinstimmung der kontr~ren Lehrmeinungen erzielt werden konnte. LEDERER hat daher empfohlen, im Interesse einer mSglichst wirk|ichkeitsnahen Urteilsbildung in der Begutachtung eine KompromifllSsung anzustreben.

G. GoDA~ hat in der klaren Diktion seines Referates u.a. mit Recht herausgestellt, dab auch ein kurzfristiger Kontakt nach der medizinischen Lehrmeinung geeignet sein kSnnte, eine Superinfektion zu verursaehen. Es miit~te daher rechtlich auch unerheblich sein, ob sich dieses intensive Ausgesetztsein wiederholt hat. Mit anderen Worten kSrmen sowohl bei kurz- fristiger wie aueh bei l~ngerer Kontaktzeit, selbst bei Ausklammerung des Sensibilisierungs- vorganges, infolge Keimmassierungen, beispielsweise dutch katarrhalisctm Infekte, aueh bei fiieBender Superinfektion Superinfekte gesetzt werden, die sich ausnahmsweise in einer Arbeitssehleht ereignen. Bei der Anerkennung soleher Superinfekte als Arbeitsunfall ist die Namensnennung der Infektionsquelle wie auch die Hinzuziehung gezielter Zeugenaussagen fiber die hygienischen Bedingungen des Arbeitsplatzes eine unabdingbare Voraussetzung.

Nach den ansonsten untersehiedlichen Subjekt- und Objektbeziehungen yon seiten des Juristen und Mediziners hat uns G. GODA~ damit einen Weg aus der auswegslosen Sackgasse aufgezeigt, der gleiehermai]en yon Medizinern, Juristen und Natumvissenschaftlem kfinftighin ohne groi]e Bedenken besehritten werden kann.

AnschlieBend halte ich in Ubereinstimmung mit U~OLTZ die Vorbedingungen ffir die Anerkennung einer Lungentuberkulose als Arbeitsunfall fiir gegeben, we,m

1. die Anst~ekung auf der Arbeitsstiitte erfo|gt ist, 2. die An~uteekung im zeit|ichen Zusammenhang mit dem Ausbrueh der Krankheit steht, 3. die Ansteekung eine Erstinfektion oder Reinfektion ist,

80 F. LANGE :

4. die Krankheit Folge einer sich rasch wiederholenden, zeitlich begrenzten Superinfektion nach Art einer massiven Uberfallinfektion isL

5. die Krankheit auf einer pro~rahierten Superinfektion beruht, die durch einen liinger dauemden, engen, betriebsbedingten Kontakt mit einer flieBenden Infektionsquelle, z.B. einem hochinfektifsen Arbeitskollegen, verursacht wird.

Der nach diesen Gesichtspunkten zu flikrende Nachweis einer unfallmtiflig bedingten tuberkulSsen Infektion ist nur in Ausnahmef/~llen bei sorgf/iltiger Abwiigung aller Begleit- umst~nde zu erbringen, so dab einer sinnwidrigen Ausweimng des Unfallbegriffs enge Grenzen gesetzt sind und die Einreihung der Tuberkulose in die BKVO nieht angetastet wird.

JOST STEI~H£USER, Staumiihle bei Paderborn (Tbk-Krankenhaus fiir Justizgefangene), besprach die Begutaehtung der Tbk-Erkrankten, die sieh ihre Infektion nachweislich in Haft- anstalten zuzogen. In 6monatigen Intervallen werden in den Haftanstalten in Nordrhein- Westfalen durch RRU die Einsitzenden kontrolliert. Jedoch kommt es hin und wieder vor, dai~ frisch Erkrankte in die Tbk-Justizkrankenh~user eingewiesen werden, die darm gegen die die Gesundheit iiberwachenden Anstaltsiirzte Strafanzeige wegen unterlassener Hilfe- leistung stellen und eine Berentung vom Fiskus fordern. -- Meines Erachtens ist eine Friih- berentung der Tbk-Erkrankten beim heutigen Stand der Tbk-Behandlung zu vermeiden, und die Erkrankten sollten so bald wie mfglich wieder arbeiten kfnnen.

Elektronisehe Datenverarbeitung in der Tuberkulosefiirsorge F~rrHJOF LANGE, Duisburg *

Anl/~Blieh der Frfihjahrstagung der Rheiniseh-Wesbf/ilisehen-Vereinigung fiir Tuberkulose und Lungenkrankheiten im M/~rz 1966 hat ARENS in seinem Vortrag erw/ihnL dab der Arbeltskreis der Tbk..Ffirsorgei~rzbe im Reg.-Bez. Diisseldorf sich mit den Vorarbeiten fiir eine Medizinisehe Dokumentation beschiiftige.

Diese Arbeiten shad seit einigen Monaten abgesehlossen, und ich darf Ihnen im Auf~rage des Arbeitskreises fiber das Ergebnis berlehten. Dabei mfissen allerdings Theorie, grunds/~tzliche Probleme und teehnisehe Details der Datenverarbeitung unberficksichtigt bleiben; sie wiirden den Rahmen dieses Kurzreferates sprengen.

Die Tuberkuloseffirsorge ist das Sammelbecken und die Schaltstelle aller Be- funde, die einen Tuberkulosekranken, dessert Umgebung, Krankheitsverdaehtige oder Genesene betreffen. Hier schlummert soviel wertvolles Material, das, richtig ausgewertet, wegen tier groi]en Zahlen jedem Fragesteller die notwendigen exakten Auskiinfte vermitteln k6nnte.

Die noch jetzt in der Bundesrepublik erscheinenden wissensehaftliehen Arbeiten kfnnen sieh naturgcm&l] nur auf Zahlen und Daten beziehen, die zum Zeitpunkt der Ver6ffentliehung meistens wleder iiberholt sind. Wir laufen so hinter den Dingen her, k6nnen den wirklichen Trend nur ungeniigend beobachten. Es kommt noeh hinzu, dab die wissensehaftliehe Arbeit, wenn sie kritiseh vorgenommen wird, of~ wegen der zahlreiehen andersar~igen Formbl/~tter mit versehiedenen Fragestellungen den Auswerter vor uniiberwindliehe Sehwierigkeiten stellt. Um

* St~dt. Obermedizinalrat Dr. FRITHJOF LAI~GE, Facharzt ffir Lungenkrankheiten, 4100 Duisburg-Hamborn, Paralle/stral]e.