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Herausgegeben von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme Redaktion: Karin Schawe Texte: Iris Groschek, Kristina Vagt Die Gedenkstätte Bullenhuser Damm – Geschichte des Ortes, der Opfer und der Erinnerung

Die Gedenkstätte Bullenhuser Damm – Geschichte …media.offenes-archiv.de/NG_KurzBullenhuserDamm RZ_110406.pdfMit der Gedenkstätte ist die Hoff- nung verbunden, dass die Geschich-te

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Herausgegeben von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme Redaktion: Karin Schawe Texte: Iris Groschek, Kristina Vagt

Die Gedenkstätte Bullenhuser Damm – Geschichte des Ortes, der Opfer und der Erinnerung

Inhalt 4 Vorwort

8 DasKonzentrationslagerneuen- gammeunDseineaussenlager 10 Das außenlager Bullenhuser Damm 13 Verfolgung der jüdischen Bevölkerung 14 Medizinische Experimente 16 Die auflösung der lager

18 DaS VERBREChEn aM 20. aPRIl 1945 19 Die Kinder 36 Die Betreuer der Kinder 41 Die sowjetischen häftlinge

42 DIE JURIStISChE aUFaRBEItUnG naCh 1945 43 Die Curio-haus-Prozesse 49 Spätere Verfahren

52 DIE GESChIChtE DES GEDEnKEnS 54 Die Erinnerung in der nachkriegszeit 54 Spurensuche 55 Entstehung und Entwicklung der Gedenkstätte 57 Formen des Gedenkens 59 Zeittafel

62 DIE GEDEnKStÄttE hEUtE 64 PlandergedenkstätteBullenhuserDamm 66 literaturundQuellen 67 abkürzungenderabbildungsnachweise 68 ÖffnungszeitenundFührungen 69 impressum

Ruchla Zylberberg auf dem Dreirad, nicht datiert. (ANg) Eduard (links) und Alexander Hornemann, ca. 1942. (ANg) Die Schule Bullenhuser Damm im zerstörten Rothenburgsort nach Kriegsende. Aufnahme wahrscheinlich 1945. (DA HH)

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Die Ermordung von 20 jüdischen Kindern in dem ehemaligen Schul- gebäude am Bullenhuser Damm in Hamburg-Rothenburgsort am 20. April 1945 gehört zu den vielen verabscheuungswürdigen Taten während der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten.Der »Kindermord vom Bullenhuser Damm« ist heute international bekannt, über ihn wird im Museum in Auschwitz, im United States Holocaust Museum und in Yad Vashem berichtet, seine Geschichte ist Gegenstand von Theaterstücken und Filmen. Nach den Namen der Kinder sind heute Schulen und Straßen unter anderem in Frankreich, Italien, den Niederlanden und Deutschland benannt.Zwanzig Kinder im Alter von 5 bis 12 Jahren, je zehn Jungen und

Mädchen aus ganz Europa, von ihrem Zuhause mit ihren Familien im Zuge der »Judendeportationen« gewalt- sam fortgeschafft, ihren Eltern im Konzentrationslager Auschwitz entrissen, anschließend für fünf Monate Opfer medizinischer Versuche im Konzentrationslager Neuengamme und zuletzt kurz vor Kriegsende zur Verwischung der Spuren dieser Taten im Keller einer Hamburger Schule von SS-Männern erhängt – jahrzehntelang war ihre Geschichte nahezu vergessen, bis Ende der 1970er-Jahre die Spuren-suche begann nach ihren Ange- hörigen, die die Schoah überleben konnten. Der Journalist Günther Schwarberg fand Geschwister, Neffen und Nichten, Cousins und Cousinen, ja sogar einige Mütter und Väter der Kinder. Gemeinsam mit

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VORwORt

Blick in die Ausstellung der Gedenkstätte, 2011. Foto: Michael Kottmeier. (ANg)

Erinnerung an die Betreuer der Kinder in der Ausstellung, 2011. Foto: Michael Kottmeier. (ANg) Darstellung der Curio-Haus- Prozesse und Materialsammlung, 2011. Foto: Michael Kottmeier. (ANg) Eingang zu der Gedenkstätte Bullenhuser Damm. (ANg)

Symbolische Koffer der Kinder in der Ausstellung, 2011. Foto: M. Kottmeier. (ANg)

ein Lernort – viele Schulklassen kommen hierher, um das Schicksal der 20 Kinder und der Erwachsenen kennenzulernen.Mit der Gedenkstätte ist die Hoff- nung verbunden, dass die Geschich-te der Opfer unvergessen bleibt.

Dr. Detlef Garbe, Direktor der KZ-Gedenkstätte Neuengamme

7VORWORT6

ihnen und engagierten Hamburger Bürgerinnen und Bürgern grün- dete er die Vereinigung »Kinder vom Bullenhuser Damm e.V.«. Im Schul- gebäude entstand 1980 eine kleine Gedenkstätte, die fast 20 Jahre lang privat unterhalten wurde, ehe sie 1999 in städtische Trägerschaft über- nommen und der KZ-Gedenkstätte Neuengamme angegliedert wurde.Im Jahr 2011 wurde nach einem Umbau unter Einbeziehung weiterer Räume eine neue Dauerausstellung eröffnet. Die zweisprachige Aus- stellung ist insbesondere an junge Menschen gerichtet. Sie informiert über die Nutzung des Gebäudes als KZ-Außenlager, über die Verfol-gungswege der aus Polen, Frank-reich, den Niederlanden, Italien und Jugoslawien deportierten Kinder, über die an ihnen im KZ Neuen-gamme vorgenommenen medizi-nischen Versuche und ihre Tötung, über den zur gleichen Zeit verübten

Mord an ihren vier Betreuern und bis zu 30 sowjetischen Häftlingen. Außerdem dokumentiert sie die Auseinandersetzung mit dem Ver- brechen nach 1945, die Entwick- lung der Gedenkstätte und die inter- nationale Erinnerungskultur. In der Ausstellung finden sich zahlreiche neu recherchierte Materialien und Medien für eine vertiefende Aus- einandersetzung mit diesen Themen.Neben der neuen Dauerausstellung haben künstlerische Formen der Auseinandersetzung und Beschäfti-gung mit dem Verbrechen einen wichtigen Platz in der Gedenkstätte, so wie das große Wandbild von Prof. Jürgen Waller mit dem Titel »21. April 1945, 5 Uhr morgens«, das einen besonderen Bezugspunkt für die pädagogische Arbeit bildet . In dem von der Künstlerin Lili Fischer gestalteten Rosengarten, der ursprünglich durch Schülerinnen und Schüler angelegt wurde, können

Rosen zum Gedenken an die Ermordeten gepflanzt werden. Und seit 1995 erinnert eine Bronzeplastik von Anatoli Mossitschuk an die ermordeten sowjetischen Häftlinge. In Zukunft werden Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit erhalten, ihre Projektarbeiten, die in der Gedenk-stätte entstehen, auszustellen.Die Gedenkstätte Bullenhuser Damm ist eine Außenstelle der KZ-Gedenk-stätte Neuengamme. Sie ist ein wichtiger Gedenkort und zugleich

Lagerausbau. 1944 werden die Häftlingsbaracken teilweise durch massive Steingebäude ersetzt. Foto: SS. (ANg) Lorenaufzug des neuen Klinker-werks. (Institut für Zeitgeschichte, München) Häftlinge an der Dove Elbe 1941/42. Foto: SS. (NIOD)

9Das KZ NeueNgamme uND seiNe ausseNlageR

Außenlagernungefähr40000Häft-linge–ca.28000Männerundüber12000Frauen–fürWirtschaft,Wehrmacht,StaatundSSarbeitenmussten,warenimHauptlagerNeuengammezurselbenZeit13000Männerinhaftiert.

Häftlinge bei Aufräumungsarbeiten in Hamburg-Hammerbrook, 1943. (StA HH)

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DaS KOnZEntRatIOnSlaGER nEUEnGaMME UnD SEInE aUSSEnlaGER

Ende1938richtetedieSSineinerstillgelegtenZiegeleiinHamburg-NeuengammeeinAußenlagerdesKZSachsenhausenein,dasimFrüh-sommer1940vergrößertunddannalseigenständigesKZdirektderInspektionderKonzentrationslagerunterstelltwurde.AnlassfürdieLagergründungwardieZiegelpro-duktionfürinHamburggeplantenationalsozialistischeGroßbauten.ZehntausendeMenschenausallenbesetztenLändernEuropaswurdenwährenddesKriegesvonderGestapounddemSicherheitsdienstderSSalsKZ-HäftlingenachNeuen-gammedeportiert.GründefürdieEinweisungwarenzumeistihrWider-standgegendiedeutscheBesat-zungsherrschaft,AuflehnunggegenZwangsarbeitoderrassistischmotivierteVerfolgung.

ImKZNeuengammewurdennachgegenwärtigenErkenntnissenmehrals80000Männerund13500Frauenregistriert,weitere5900MenschenwarenindenLagerbücherngarnichtodergesonderterfasst.Insgesamtkamenmindestens42900MenschenimHauptlagerNeuengamme,indenAußenlagernundimZugederLagerräumungenumsLeben.DasRüstungsministeriumunddieIndustriefordertenab1942verstärktdenEinsatzvonKZ-HäftlingenalsArbeitskräfte.DaraufhinentstandeninderNähevonProduktionsstätten,BaustellenundRüstungsbetriebenzahlreicheAußenlager,diemeistenimletztenKriegsjahr.Insgesamtwurdenmehrals85AußenlagerdesKZNeuengammeimgesamtennordwestdeutschenRaumerrichtet.DieLebensbedingungenderHäft-

lingeindenAußenlagernwarengeprägtdurchSS-Terror,überan-strengendeArbeit,fehlendenAr-beitsschutz,mangelhaftemedizi-nischeVersorgung,UnterernährungundunzureichendeUnterbringunginoftnurprovisorischenUnterkünften.WährendimMärz1945inden

Pausenbetrieb auf dem Schulhof der Schule Bullenhuser Damm, 1911. (StA HH) Die Schule Bullenhuser Damm inmitten der Häuserruinen, nach Juli 1943. (DA HH) Die dänischen Häftlinge wurden im April 1945 von den »Weißen Bussen« des Dänischen und des Schwedischen Roten Kreuzes vom Bullenhuser Damm abgeholt und in das »Skandinavierlager« im KZ Neuengamme gebracht, April 1945. (MDF)

lagersdesKZNeuengammeindemleerstehendenGebäudeamBullenhuserDamm.1000KZ-Häft-lingesollteninRothenburgsortfürdieSS-eigeneFirmaDeutscheErd-undSteinwerkeGmbH(DESt)arbeiten.ImHerbst1944gabdieStadtHamburgdasGebäudeandieSSab.BisEndeNovember1944wurdedieehemaligeSchulezumAußen-lagerumgebaut.DieFensterdesGebäudeswurdenvergittertundSchuleundSchulhofmitStacheldrahtumzäunt.DieerstenHäftlinge,dieüberwiegendausPolenundderSowjetunionkamen,trafenimDe-zember1944ein.SiewurdenzunächstzuAufräumungsarbeitenundbeiderAufbereitungvonZiegelnderzerstörtenGebäudeeingesetzt.AusTrümmerschuttsolltenaußer-demneueSteinehergestelltwerden.ImBerichtdesSS-StandortarztesdesKZNeuengamme,Dr.AlfredTrzebinski,vom29.März1945

wurdefürdasAußenlagereinBestandvon592KZ-Häftlingenangegeben.Eswarenzeitweisezusätzlichüber200dänischeHäft-lingeamBullenhuserDammunter-gebracht,diedasDänischeunddasSchwedischeRoteKreuzimApril1945nachVerhandlungenmitderSSnachDänemarkevakuierenkonnten.ImApril1945räumtedieSSdasAußenlagerundtransportiertedieHäftlingeinsogenannte»Auf-fanglager«wiedasKriegsgefange-nenlagerSandbostel.

11Das KZ NeueNgamme uND seiNe ausseNlageR

VerschiedeneAußenlagerwarenauchdirektinHamburg,außerhalbdesKonzentrationslagersNeuen-gamme,errichtetworden,umFirmenkostengünstigArbeitskräftezurVerfügungzustellen.KZ-HäftlingewurdenaußerdembeiderTrümmer-beseitigung,beiderLeichenbergungundbeiderBombenräumungindurchLuftangriffezerstörtenStadt-teileneingesetzt.EinesdieserAußenlagerentstandamBullenhuserDammineinerehema-ligenSchule.DieseSchulewar1910alsletzteSchulefürdievielenKinderimneuenStadtteilBillwerderAus-schlag,heuteRothenburgsort,er-richtetworden.DerStadtteilhattesichzwischen1871und1894entwickelt.UnteranderemwarenArbeiterfamilienausdemGebiet,aufdemdieHamburgerSpeicherstadtentstand,dorthinumgesiedeltworden.Um1900lebteninRothen-burgsort40000Menschen.Dieneue

VolksschulemitgetrenntenTraktenfürJungenundMädchenamBullenhuserDamm92–94botPlatzfür30Klassen.NachderMachtüber-nahmederNationalsozialisten1933wurdeauchderdortigeSchulalltagdurchdasneuepolitischeSystemgeprägt.AufdemSchulhoffandenFahnenappellestatt.DieSchüle-rinnenundSchülerwurdenmitdem»Hitlergruß«begrüßtundbekameninneuenUnterrichtsfächernwie»Vererbungslehre«und»Rassen-kunde«einrassistischesWeltbildvermittelt.Am27./28.Juli1943wurdeRothen-burgsortbeieinemBombenangriffderbritischenundderUS-amerika-nischenLuftwaffeweitgehendzer-stört.IndemerhaltengebliebenenSchulgebäudeamBullenhuserDammfandkeinUnterrichtmehrstatt.AbAugust1944verhandeltenver-schiedeneHamburgerBehördenüberdieEinrichtungeinesAußen-

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Das außenlager Bullenhuser Damm

Das Außenlager Bullenhuser Damm mit der Lagerumzäunung, kurz nach der Räumung, 1945. (Stadtteilarchiv Hamm) Jüdische Frauen und Kinder aus Ungarn auf dem Weg in die Gaskammern des Vernichtungslagers Auschwitz-Birke-nau, Mai/Juni 1944. (USHMM)

13Das KZ NeueNgamme uND seiNe ausseNlageR

Victors Bikernicks, geb. 27.10.1906, letzter Wohnort Jatelos (Lettland), gest. 11.2.1945Władysław Brodzinski, geb. 24.9.1905 in Kwasiowo (Polen), gest. 6.3.1945Geurt Brunekreeft, geb. 19.9.1886 in Barneveld (Niederlande), gest. 5.3.1945Grigorys Cerjonoks, geb. im Juli 1907, letzter Wohnort Rudki (Ukraine), gest. 19.2.1945Holger Feldborg Gantriis, geb. 6.1.1924, letzter Wohnort Slagelse (Dänemark), gest. 4.4.1945Ernst Gerhard Hinrich Hibbeler, geb. 31.8.1912 in Königsberg, gest. 23.2.1945Gawrilo Iwanow, geb. im März 1905 in Lum (Lettland), gest. 25.2.1945Iwan Iwanow, geb. 6.1.1916, letzter Wohnort Luni (Sowjetunion), gest. 7.2.1945Pawel Kanosonek, geb. 22.3.1921, letzter Wohnort Budeishki (Sowjetunion), gest. 14.3.1945Josef Klyzulis, geb. 11.8.1913 in Zuchnikow (Lettland), gest. 9.3.1945Gashr Kurwics, geb. 7.11.1904 in Kastrevemu (Estland), gest. 8.3.1945Hans Frederik Larsen, geb. 7.8.1912 in Frederiksberg (Dänemark), gest. 1.4.1945Niels Hieronimus Haae Laub, geb. 23.1.1924, gest. 28.3.1945Josef Obzienko, geb. 2.11.1913 in Dnepropetrowsk (Ukraine), gest. 19.2.1945

Von 14 häftlingen, die im außenlager Bullenhuser Damm starben, sind die namen bekannt:

12 DasAußenlagerBullenhuserDamm

Verfolgung der jüdischen Bevölkerung

BereitsnachderMachtübernahme1933hattendieNationalsozialistendiejüdischenDeutschennachundnachausderGesellschaftausge-schlossen,indemsiedenvorhan-denenAntisemitismusnutztenundradikalisierten.MitdemÜberfallderdeutschenWehrmachtaufbenach-barteLänderverändertesichauchdasLebenderdortwohnendenjüdischenBevölkerunginbedroh-licherWeise.JüdinnenundJudenwurdenzunehmendausdemAlltagausgegrenzt,inGettosoderLagergesperrtundschließlichsystematischermordet.DiezwanzigjüdischenKinder,dienochkurzvorKriegsendeamBullenhuserDammermordetwurden,stammtenausPolen,Frank-reich,denNiederlanden,ItalienundJugoslawien.SieundihreFamilienhattenmeistenseinenlangenVer-folgungsweghintersichundandereLagernurknappüberlebt,alssiezwischenAprilundAugust1944im

VernichtungslagerAuschwitz-Birke-nauankamen.DortwurdendieKinderundihreMütternichtwiediemeistenanderenDeportiertenselek-tiertundsofortgetötet,sondernindasFrauenlagergebracht.Im»Kinderblock11«brachtedieSSdieMädchenundJungengesondertunter,andenenmedizinischeVer-suchedurchgeführtwurdenoderdiefürsolcheVersuchevorgesehenwaren.DerSS-ArztDr.JosefMengelesuchtedortzehnMädchenundzehnJungenfürTuberkulose-ExperimenteimKZNeuengammeaus,siewarenzwischenfünfundzwölfJahrealt.Am26.November1944wurdendieseKinderinBegleitungvonvierweiblichenHäftlingenundunterBewachungeinesSS-MannesineinenverschlossenenWaggongesperrt,derdanneinemnormalenZuginRichtungHamburgangehängtwurde.

Das KZ Neuengamme, 1945. Der Pfeil kennzeichnet das Krankenrevier IV, in dem die für die medizinischen Ver- suche ausgewählten Häftlinge untergebracht waren. (BStU) Röntgenbild des Häftlings Iwan Tschurkin aus Kalinin. Ihm wurden am 11.10.1944 durch den auf dem Röntgenbild sicht- baren Katheter Tbc-Bakterien in die Lunge eingeführt. (BStU) Der Häftling Anton Hölzel hebt den Arm der acht- jährigen Lea Klygerman hoch, damit die Narbe der Lymph- drüsenoperation für das Foto sichtbar wird, 1945. (BStU)

miteinemhohenBretterzaunabgetrennt.AuchdenKinderninjizierteHeißmeyerTbc-BakterienindieHautoderdirektindieLunge.SiebekamenbaldhohesFieberundHustenundwurdenmattundschwach.ObwohldieAnwesenheitderKindergeheimgehaltenwerdensollte,wusstenvieleHäftlingevonihnen.DenHäftlingenwurdebeiTodesstrafeverboten,mitdenKindernzusprechen.

15Das KZ NeueNgamme uND seiNe ausseNlageR14

Medizinische Experimente

IndenKonzentrationslagernwurdenHäftlingeauchfürmedizinischeVersuchemissbraucht.ÄrzteundÄrztinnennutztendieihnengebotenenMöglichkeiten,andenentrechtetenMenschenihreExperimentedurchzuführen.DerReichsführerSS,HeinrichHimmler,fördertesolcheExperi-menteindenKonzentrationslagern.ImKZNeuengammekonntederArztDr.KurtHeißmeyerabJuni1944ineinereigensfürihneingerichtetenSonderabteilunganHäftlingenVersuchedurchführen.HeißmeyerwollteeineBehandlungsmethodederdamalsverbreitetenbakteriellenInfektionskrankheitTuberkulose(Tbc)finden.Entgegenderherr-schendenMeinungindermedizi-nischenForschungnahmeran,dassTbc,dievorallemdieLungenbefällt,durcheinenzweiten,künstlicherzeugtenInfektionsherdgeheiltwerdenkönnte.Heißmeyerglaubte

auch,dass»rassischminderwertige«MenschenanfälligerfürTbcseienals»rassischhochwertige«.ErinfiziertewährendseinerVersuchebiszu100erwachseneHäftlinge,unterihnenvielesowjetischeHäftlinge,mitvirulenten,alsoansteckendenTbc-Bakterien.WegendervielzugeringenEssensrationenimLagersollensichHäftlingemitderAussichtaufbessereVerpflegungauchfreiwilligfürdieVersuchegemeldethaben.ObwohlsichderGesund-heitszustandseinerVersuchsper-sonenbiszumHerbst1944ver-schlechterthatteundvielevonihnenandenExperimentengestorbenwaren,forderteHeißmeyerfürweitereVersuchediezwanzigKinderausdemKZAuschwitzan.Siekamenam28.November1944imKZNeuengammean.ZuihrerUnterbringungwurdeeinTeilderKrankenrevierbarackeIVabgeteilt.DerBereichvordemEingangwurde

Dr.KurtHeißmeyer(1905–1967)DerArztDr.KurtHeißmeyerwarvon1938bis1945alsOberarztimSana-toriumHohenlychen75KilometernördlichvonBerlintätig.ImFrühjahr1944stellteereinfluss-reichenSS-Leuten,diesichdortzurErholungaufhielten,seineÜberle-gungenfürTuberkuloseversucheanMenschenvor.EinigevonihnensetztensichbeiHeinrichHimmlerfürseinVorhabenein.HeißmeyerwolltesichmitdenErgebnissenseinerVersuchewissenschaftlichprofilieren.ZurDurchführungderVersuchefuhrerregelmäßigindasKZNeuen-gamme,bliebjedochnurtageweise.WährendseinerAbwesenheitmusstenÄrzteundPfleger,dieselbstHäftlingewaren,dieVersuchsper-sonenversorgenundteilweiseOperationenwiedieEntfernungvonLymphdrüsendurchführen.

Befreite Häftlinge im »Auffang- lager« Wöbbelin, 2.5.1945. (USHMM) Das ehemalige Außenlager Bullenhuser Damm, 1945. Die Pfähle des Lagerzauns stehen noch, der Stacheldraht ist bereits entfernt. (MDF) Die brennende »Cap Arcona«, 3.5.1945. (IWM)

17Das KZ NeueNgamme uND seiNe ausseNlageR16

Die auflösung der lager

AbSommer1944beganndieSS,frontnaheKonzentrationslagerzuräumen.DieHäftlingeundkriegs-wichtigeProduktionsanlagenwurdenindasReichsinnereverlegt,wozahlreicheneueKZ-Außenlagerentstanden.AlsimFrühjahr1945auchdieseLagergeräumtwurden,standenkaumnochAusweichlagerzurVerfügung.DieAuflösungdesNeuengammerLagerkomplexesbegannam24.März1945mitderRäumungderAußenlagerimEmsland.TausendevonHäftlingenwurdeninsogenannte»Auffang-lager«wieWöbbelinoderBergen-Belsengebracht,indenensieohneNahrung,ohnemedizinischeVer-sorgungundunterkatastrophalenhygienischenBedingungensichselbstüberlassenblieben.AlsimApril1945diebritischenTruppenimmerweiteraufHamburgvorrückten,räumtedieSSumden14.April1945auchdasAußen-

lagerBullenhuserDammundbrachtedieHäftlingeunteranderemindas»Auffanglager«SandbostelbeiBremervörde.EsbliebennurdiebeidenSS-MännerEwaldJauchundJohannFrahmvorOrt.Am19.April1945wurdedieRäu-mungdesHauptlagersinNeuen-gammeangeordnetunddieErmor-dungvonHäftlingenvorbereitet,umSpurenverübterVerbrechenzuverwischen.DieSSwarsichderBrisanzdermedizinischenExperi-menteandenKindernbewusstundwolltemitderTötungderKinderundihrerBetreuernochkurzvorKriegsendeOpferundZeugenbeseitigen.Diessollteheimlichgeschehen.DeshalbwurdedasgeräumteAußenlagerBullenhuserDammzurDurchführungderAktiongewählt.ÜberlebendeHäftlinge,diesichvondenBetreuernverabschie-denkonnten,berichtetenspäter,dieSShättealsangeblichesTransportziel

derKinderTheresienstadtgenannt.Am20.Aprilwurdendie20Kinder,vierHäftlinge,diesiebetreuthatten,sowiesechssowjetischeHäftlingeausdemKZNeuengammeindasbereitsgeräumteAußenlagerBullenhuserDamminHamburg-Rothenburgsortgebracht.ZuvorhattendasSchwedischeunddasDänischeRoteKreuznachVerhandlungenmitderSSdieletztenskandinavischenHäftlingeinderAktionder»WeißenBusse«ausdemKZNeuengammenachDänemarkevakuiert.DieseHäftlingewarenausdemgesamtenReichsgebietimKZNeuengammezusammengeführtworden.BiszuseinerendgültigenRäumungdientedasKZNeuengammenochalsHinrichtungsstätte.Am21.und23.AprilexekutiertedieSS58Männerund13FrauenausdemPolizeigefängnisFuhlsbüttelimKZNeuengamme.

Zwischendem20.unddem26.AprilbrachtedieSSdieletzten9000HäftlingedesKZNeuengammenachLübeckundpferchtesieaufder»CapArcona«undweiterenSchiffenzusammen.Nahezu7000vonihnenkamenam3.Mai1945beiderirrtümlichenBombardierungderSchiffedurchdiebritischeLuft-waffeinderLübeckerBuchtumsLeben.Währenddessenmussteein600bis700MannstarkesRestkomman-dovonHäftlingendasLagerinNeuengammeaufräumenundBarackenvonStrohundUnratreinigen.GezieltließdieSSauchdieSpurenihrerVerbrechenverwischen.DieAktenwurdenverbranntundPrügelbockundGalgenbeseitigt.DieletztenHäft-lingeundSS-LeuteverließendasLageram2.Mai1945,kurzbevorbritischeTruppendasLagererreichten.

»Es gibt Spuren davon, dass wir da waren. Und das ist sehr wichtig. Denn wenn es keine Namen gibt, wird es vergessen … einfach so.« Rose Grumelin, Mutter von Eleonora und Roman Witoński, 2010

19Das VeRbRecheN am 20. apRil 1945

DerTransportmitden20Kindern,ihrenvierBetreuernundsechssowjetischenHäftlingenausdemKZNeuengammetrafspätabendsam20.April1945aufdemehema-ligenSchulhofhinterdemGebäudeamBullenhuserDammein.DieSS-MännerbrachtenzunächstdieerwachsenenHäftlingeindasGebäudeunderhängtensieimHeizungskeller.DieKinderwurdendieTreppehinunterindenerstenRaumdesKellers–denehemaligenUmkleideraumderSchulturnhalle–geführt.Dortmusstensiesichentkleiden.IneinemweiterenRauminjiziertederSS-ArztDr.AlfredTrzebinskiihnenMorphium.DieKinder,diedanachnochLebenszei-chenvonsichgaben,erhängtederSS-MannJohannFrahm–wahr-scheinlichgemeinsammitweiteren

SS-Männern–indemdanebenliegendenhinterstenRaumdesKellers.AnschließendwurdemiteinemzweitenTransporteineweitereGruppesowjetischerHäftlingeausdemAußenlagerSpaldingstraßezumBullenhuserDammgebracht.BeieinemFluchtversuchwurdenmehreredieserHäftlingevonSS-Männernerschossen,einigekonntenentkommen.AlleanderenwurdenebenfallsimHeizungskellererhängt.AmfolgendenMorgenbeseitigtendieTäterdieSpurendesVerbre-chens.DieLeichenbrachtensieindasKrematoriumdesKZNeuen-gamme.DieKleiderderKinderverbrannteJohannFrahmimHeiz-kesselderDuschennebendemUmkleideraum.

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LangewarendieIdentitätderKinder,ihreHerkunftunddieSchicksaleihrerFamilienunbekannt.FürfünfderKindergiltdiesbisheute.EinzelneAngehörige–Vater,Mutter,Geschwister,TanteoderCousin–hattenGettosundKonzentrations-lagerüberlebt.Dochtrotzjahrzehn-telangermühevollerSuchebliebensieimUngewissen,wasmitdenKinderngeschehenwar.VielederÜberlebendenhattenaufgrundderDeportationzudemihrenBesitzunddamitauchihrepersönlichenErinnerungsstückeverloren.AlsErinnerungandieKinderbliebennurdiewenigenFotos,dieVerwandte,dieemigriertoderuntergetauchtwaren,aufbewahrenkonnten.Erstmehrals30JahrenachderErmordungderKinder,alsderHam-burgerJournalistGüntherSchwar-

bergsichumdieKlärungihrerIden-titätbemühte,erfuhrenAngehörigevondemSchicksalderKinder.BeiseinenRecherchenfüreine1979inderZeitschrift»Stern«veröffentlichtenArtikelserieüberdasVerbrechenkamenersteKon-taktezuüberlebendenFamilien-angehörigeninmehrerenLändernzustande.GüntherSchwarberggründete1979gemeinsammitAngehörigenderKinder,ehemaligenHäftlingendesKZNeuengammeundengagiertenHamburgerinnenundHamburgerndieVereinigung»KindervomBullenhuserDamme.V.«mitdemZiel,dieÖffentlichkeitüberdasVerbrechenam20.April1945zuinformierenundeineGedenkstätteinderSchuleBullenhuserDammzuschaffen.

DaS VERBREChEn aM 20. aPRIl 1945

Die Kinder

Eduard Reichenbaum mit seinem älteren Bruder Jerzy und seinem Vater in Kattowitz, 1937. (Privatbesitz) Jacqueline Morgenstern, 1938. (Privatbesitz) Jacqueline Morgenstern mit ihren Eltern, nicht datiert. (ANg)

Eduard ReichenbaumEduard Reichenbaum wurde am 15. November 1934 in Kattowitz in Polen geboren. Seine Familie nannte ihn Edulek. Sein Vater Ernst Reichen- baum arbeitete als Buchhalter in der Filiale eines deutschen Verlags. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg zog die Familie mit Eduard und seinem zwei Jahre älteren Bruder Jerzy in den Ort Piotrków Trybunalski bei Łódź, wo die Großeltern wohnten. 1943 wurde die Familie in das Zwangsarbeits- lager Bliżyn bei Radom verschleppt. Dort mussten Eduard und Jerzy in einem Kommando arbeiten, das Socken für die Wehrmacht pro- duzierte. Der neunjährige Eduard entging in Bliżyn einer Selektion, bei der fünfzig Kinder unter zehn Jahren deportiert und ermordet wurden. Sein Vater, der wegen seiner guten Deutschkenntnisse im Lagerbüro arbeitete, hatte sein Geburtsdatum gefälscht. Im September 1944 wurde

die Familie in das KZ Auschwitz deportiert. Jerzy und sein Vater kamen in das Männerlager, wo der Vater im November starb. Eduard kam mit seiner Mutter Sabina Reichenbaum zunächst in das Frauenlager. Später wurde er in die Kinderbaracke verlegt. Sabina Reichenbaum wurde im November 1944 in ein Außenlager des KZ Buchenwald in Lippstadt gebracht. Zum selben Transport gehörte auch Mania Herszberg, die Mutter von Riwka Herszberg. Eduard Reichenbaum wurde am 28. November 1944 in das KZ Neuen-gamme gebracht und am 20. April 1945 am Bullenhuser Damm ermordet. Erwar10Jahrealt.JerzyReichenbaumwurdebeiderRäumungdesKZAuschwitzindieweiterwestlichliegendenKonzen-trationslagerSachsenhausenundMauthausengebrachtundüberlebte.NochimselbenJahremigrierteder

20 DieKinder

dreizehnjährigeJungenachIsrael,1947folgteihmseineMutter.SiesuchtennachEduard,docherst1984erfuhrJerzy,dersichinzwischenJitzhaknannte,durcheinenArtikelinderisraelischenZeitung»Maariv«vomSchicksalseinesBrudersEduard.JitzhakReichenbaumbesuchtregel-mäßigdieGedenkfeiernamBullen-huserDammundsprichtmitJugend-lichenüberdasSchicksalseinesBruders.NachEduardReichenbaumistseit1993eineStraßeinHamburg-Burgwedelbenannt.

Jacqueline Morgenstern JacquelineMorgensternwurdeam26.Mai1932inParisgeboren.IhrVaterCharlesMorgensternunddessenBruderLéopoldbesaßeneinFriseurgeschäft.IhreMutterSuzanneMorgensternwarSekretärin.NachdemdiedeutscheWehrmachtParisbesetzthatte,musstendieBrüderMorgensternihrGeschäft

1941aneinenNichtjudenabtreten.1943flohzuerstCharlesMorgen-stern,dannSuzannemitihrerTochterJacquelinenachMarseille,dasindernichtbesetztenZoneFrankreichslag.DortwurdedieFamilieverhaftet,indasSammellagerfürJudeninDrancybeiParisgebrachtundam20.Mai1944indasKZAuschwitzdeportiert.JacquelinesMutterwurdedortermordet.IhrVaterkamkurzvorderBefreiungdesLagersmitdemletztenTransportindasKZDachaubeiMünchen.ErstarbnachderBefrei-ungimMai1945.Jacquelinewurdeam28.November1944indasKZNeuengammegebrachtundam20.April1945amBullenhuserDammermordet.Siewar12Jahrealt.JacquelinesTanteDorothéaundihrOnkelLéopoldMorgensternwarenindererstenZeitvorderDeportationgeschützt,daLéopoldMorgen-sternsArbeitals»kriegswichtig«galt.1943wurdeerdennochverhaftet.

21Das VeRbRecheN am 20. apRil 1945

Philip Carel Hornemann mit seinen Söhnen Eduard (oben) und Alexander am Strand von Scheveningen, 1938. (ANg) Elisabeth Hornemann mit ihren Söhnen Alexander und Eduard, nicht datiert. (ANg)

DorothéaMorgenstern,dieeinKinderwartete,tauchteunter.SieversteckteihreKinderbeinichtjüdi-schenFamilien.Erst1979erfuhrenDorothéaMorgensternundihrSohnHenridurchGüntherSchwarbergvonJacquelinesErmordunginHamburg.JacquelinesIdentitätgaltschondamalsalseindeutigerwiesen,daaufeinerRöntgenaufnahme,dieKurtHeißmeyerbeiseinenmedi-zinischenVersuchenhatteanfertigenlassen,ihrNameverzeichnetwar.HenriMorgensternkamzuderGedenkfeierfürdieOpferderMordeamBullenhuserDammam20.April1979.ErwarGründungsmitgliedderVereinigung»KindervomBullenhuserDamme.V.«undenga-giertesichbesondersstarkfürdieStrafverfolgungArnoldStrippels.NachJacquelineistseit1993derJacqueline-Morgenstern-WeginHamburg-Burgwedelbenannt.

Eduard und Alexander Hornemann Eduard,derälterederbeidenBrüderHornemann,wurdeam1.Januar1933geboren.SeineFamilienannteihnEdo.AlexanderHornemannwurdeam31.Mai1936geboren.ErwurdeLexjegenannt.DieFamilielebteinEindhovenindenNiederlan-den.EduardsundAlexandersVaterPhilipCarelHornemannarbeitetebeiderFirmaPhilips.NachderBesetzungderNiederlandedurchdiedeutscheWehrmachtwurdeerEnde1941mit100jüdischenKollegenineinerSonderabteilungderFirmazusammengefasst.SeineFrauElisabethverstecktesichmitAlexanderaufeinemBauernhof,währendEduardaufeinemanderenHofuntergebrachtwurde.Als1943diejüdischenBeschäftigtenderFirmaPhilipsindasKonzentrations-lagerVughtverschlepptwurden,folgteElisabethHornemannihrem

22 DieKinder

MannmitdenbeidenSöhnen.Am3.Juni1944wurdedieFamilievonVughtindasKZAuschwitzdeportiert.ElisabethHornemannstarbdortimSeptember1944anTyphus.EduardundAlexanderwurdenindieKinderbarackeverlegt.PhilipCarelHornemannwurdekurzvorderBefreiungdesKZAuschwitzindasKZDachaugebrachtundvondortindasKZSachsenhausen.AufdiesemTransportstarberam21.Fe-bruar1945.EduardundAlexanderHornemannwurdenam28.Novem-ber1944indasKZNeuengammegebrachtundam20.April1945amBullenhuserDammermordet.Eduardwar12Jahrealt,seinBruderAlexander8Jahre.AusderFamilieüberlebteAnsvanStaveren,dieSchwestervonElisabethHornemannundTantevonEduardundAlexander.SiehattesichbiszurBefreiungderNiederlandeversteckt.Langehofftesie,ihrebeidenNeffenwürden

zurückkommen.Erst1979erfuhrsievondemSchicksalderbeidenJungen.BiszuihremTod2008standsieinKontaktmitderVereinigung»KindervomBullenhuserDamme.V.«.InHamburg-BurgwedelerinnertdieBrüder-Hornemann-StraßeanEduardundAlexanderHornemann.

Marek SteinbaumMarekSteinbaum(oderSzteinbaum)wurdeam26.Mai1937geboren.DieFamiliebesaßeinekleineLederfabrikinRadominPolen.AusdemGettoRadomwurdedieFamilieSteinbaumüberdasZwangsarbeitslagerPionkibeiRadomwahrscheinlichAnfangOktober1944indasKZAuschwitzdeportiert.MareksVaterRachmilSteinbaumkamvondortindieKonzentrationslagerBuchenwaldundGroß-RosenundineinAußen-lagerdesKZNatzweiler-StruthofbeiStuttgart.MareksMutterMania

23Das VeRbRecheN am 20. apRil 1945

SteinbaumwurdeimNovember1944indasAußenlagerGeorgenthaldesKZGroß-Rosendeportiert.AuchMarekJames’Mutter–ZelaJames–unddieMuttervonEleonoraundRomanWitoński–RuczaWitońska–warendortinhaftiert.MarekSteinbaumwurdeam28.November1944indasKZNeuen-gammegebrachtundam20.April1945amBullenhuserDammermordet.Erwar7Jahrealt.DieElternRachmilundManiaSteinbaumüberlebtendieKonzen-trationslager.NachdemZweitenWeltkriegwohntensieeinigeJahreinMemmingeninBayern.1947wurdeihreTochterLolageboren,1949wandertensieindieUSAaus.1981versuchteGüntherSchwarbergimRahmenseinerRecherchen,Verbindungzuihnenaufzunehmen,dochsiewünschtenkeinenKontakt.IhreTochterLolaerfuhr1993vonMareksSchicksal.Am20.April1999

nahmsieanderGedenkfeierfürdieKindervomBullenhuserDamminHamburgteil.NachMarekStein-baumistseit1993eineStraßeinHamburg-Burgwedelbenannt.

Bluma MeklerBlumaMeklerwurdeinSandomierz,einerkleinenStadtanderWeichselinPolen,geboren.SiehattezweiSchwesternundzweiBrüder.IhreElternSaraundHerschel(Hersh)MeklerbesaßeneinenLandhandel.IhrVaterwarauchReligionslehrerimCheder,einerjüdischenSchulefürJungen.DasGettoSandomierz,indemdieFamilienachderBesetzungderStadtdurchdiedeutscheWehrmachtlebenmusste,wurdeimJanuar1943aufgelöst.DiemeistenBewohnerinnenundBewohnerdesGettoswurdenEndeOktober1942inBełżecermordet.AnderewurdenAnfang1943indasVernichtungs-lagerTreblinkaoderindasZwangs-

24 DieKinder

arbeitslagerinSkarżysko-Kamiennadeportiert.WieBlumaMekler,dievonihrenElternauchBlumelegenanntwurde,indasKZAuschwitzkamundwasmitihrenElterngeschah,istnichtbekannt.BlumaMeklerwurdeam28.November1944indasKZNeuengammegebrachtundam20.April1945amBullenhuserDammermordet.Siewar11Jahrealt.BlumasältererBruderAlterüberlebtedasKZAuschwitz.BlumasjüngereSchwesterShifrawurdeabOktober1942erstimGettoSandomierzundspäteranverschiedenenOrteninPolenversteckt.NachderBefreiungkamsieineinWaisenhausinLublin.1947wanderteShifraMekler,späterShifraMor,nachPalästinaaus.1992lassieineinerZeitungüberdasSchicksalderKindervomBullen-huserDammunderkanntedenNamenihrerSchwesterBluma.1998besuchteShifraMordasersteMal

dieKindertagesstätteinHamburg-Burgwedel,dieimMai1997nachihrerSchwesterbenanntwordenwar.

Ruchla ZylberbergRuchlaZylberbergwurdeam6.Mai1936inZawichost,75KilometersüdöstlichvonRadom,geboren.AlsdiedeutscheWehrmachtPolenbesetzte,flohenmehrereMitgliederderFamilieimHerbst1939indieSowjetunion,auchihrVaterNisonZylberberg.ErwollteseineFamilienachholen,dochwardieswegendesdeutschenÜberfallsaufdieSowjetunionam22.Juni1941unmöglich.SeineFrauFajgawurdemitRuchlaundihrerzweiJahrejüngerenSchwesterEsterindasKZAuschwitzdeportiert.FajgaundEsterZylberbergwurdendortermordet.RuchlaZylberbergwurdeam28.November1944indasKZNeuengammegebrachtundam20.April1945amBullenhuser

25Das VeRbRecheN am 20. apRil 1945

Familie Mekler, nicht datiert. (ANg) Nison und Fajga Zylberberg mit ihren Töchtern Ruchla (vorne links) und Ester (vorne rechts) am Strand, ca. 1939. (ANg)

Dammermordet.Siewar8Jahrealt.RuchlaZylberbergsVaterNisonüberlebteundkehrte1946nachPolenzurück.1951wanderteerindieUSAaus.SeinBruderHenrykkammitseinerFamilie1958nachHamburg.AlsGüntherSchwarberg1979im»Stern«eineArtikelserieüberdasSchicksalderKindervomBullenhuserDammveröffentlichte,erkanntenMitgliederderFamilieZylberbergRuchlaaufeinemFoto.1981wurdeihreIdentitätdurchihrenVaterbestätigt.1983besuchteNisonZylberbergdieGedenkstätteBullenhuserDamm.Ernahm1986andem»InternationalenTribunal«gegenArnoldStrippelteil.ZurGedenkfeieram20.April1995kamereinweiteresMalnachHam-burg.NisonZylberbergstarb2002.NachRuchlasinddieZylberberg-straßeundderZylberbergstieginHamburg-Burgwedelbenannt.

Lea KlygermanLea(oderLola)Klygermanwurdeam28.April1937inOstrowiec,50KilometersüdlichvonRadom,geboren.ZusammenmitihrerMutterEsterundihrerzweiJahrejüngerenSchwesterRifkawurdesieAnfangAugust1944ausdemZwangsarbeits-lagerOstrowiecindasKZAuschwitzdeportiert,dassieam3.Augusterreichte.DortwurdeihrdieHäft-lingsnummerA16959eintätowiert.LeasVaterBerekKlygermanwurdeausdemZwangsarbeitslagerBliżyn beiRadomnachAuschwitzdepor-tiertundvondortimOktober1944indasKZSachsenhausenundspäterindasKZBuchenwaldgebracht.DortstarberimFebruar1945.LeaKlygermankamam28.Novem-ber1944indasKZNeuengammeundwurdeam20.April1945amBullenhuserDammermordet.Siewar7Jahrealt.

26 DieKinder

EsterKlygermanüberlebteundkehrtenachPolenzurück.DieSuchenachihrenTöchternLeaundRifkablieberfolglos.Inden1970er-JahrenwanderteEsterKlygermannachIsraelaus.SieheirateteerneutundbekameineTochter,Amalia.AmaliaerfuhrdurcheineAngehörigeeinesanderenamBullenhuserDammermordetenKindesvondemSchicksalihrerälterenSchwesterLea,wollteihreMutteraberschützenundberichteteihrnichtdavon.

Sergio de SimoneSergiodeSimonewurdeam29.No-vember1937geboren.ErlebtemitseinenElterninNeapel.SeinVaterEdoardodeSimone,einSchiffsoffi-zier,warkatholisch.SeineMutterGizella,geborenePerlow,warJüdin.EdoardodeSimonewurdealsZwangsarbeiternachDortmundverschleppt.DadieSituationinNeapelaufgrundvonBombenan-

griffendurchdieAlliiertenunsichererschien,zogGizelladeSimonemitihremSohnSergioimSommer1943zuVerwandtennachFiumeinNord-italien.Dortwurdendersechs-jährigeSergio,seineMutterundsiebenweitereFamilienmitgliederam21.März1944verhaftet,indasSammellagerRisieradiSanSabbabeiTriestgebrachtundam4.April1944indasKZAuschwitzdeportiert.SergiomusstedortalsLäuferarbei-ten,biserfürdiemedizinischenVersucheindasKZNeuengammegebrachtwurde.Am20.April1945wurdeeramBullenhuserDammermordet.Erwar7Jahrealt.SergiosMutterGizelladeSimonekamimFrühjahr1945indasKZRavensbrück.Dorterlebtesie,schwererkrankt,dieBefreiung.ImNovember1945kehrtesienachItalienzurück,wosieihrenMannwiedertraf.DieElternsuchtennachihremSohnSergio.Siewusstenab

27Das VeRbRecheN am 20. apRil 1945

Sergio de Simone, nicht datiert. (ANg) Sergio de Simone (links) mit zwei seiner Tanten, seiner Großmutter, seiner Mutter und seinen Cousinen, September 1943. (ANg)

Endeder1940er-Jahre,dasservomKZAuschwitzineinKonzentra-tionslager»imWesten«gekommenwar.EdoardodeSimonestarb1964,ohneetwasüberdasSchicksalseinesSohneserfahrenzuhaben.GizelladeSimoneerfuhr1983vondemVerbrechenamBullenhuserDammundnahmam20.April1984anderGedenkfeierinHamburgteil.Siewollteabernichtglauben,dassSergiototwar,undhofftebiszuihremTod,dassernochlebte.NachSergiowurde1993derSergio-de-Simone-StieginHamburg-Burgwedelbenannt.

Riwka HerszbergRiwkaHerszbergwurdeam7.Juni1938inZduńskaWolabeiŁódźinPolengeboren.IhrVaterMoszeHerszbergwardortGeschäftsführereinerkleinenTextilfabrik.ImSommer1944wurdeRiwkamitihrenElternüberPiotrkówTrybunalskiindas

KZAuschwitzdeportiert.RiwkasVaterwurdeimJanuar1945indasKZBuchenwaldgebrachtunddortam7.April1945ermordet.RiwkaundihreMutterManiawarenimKZAuschwitzimFrauenlagerunter-gebracht.RiwkasolleinemSS-MannaufgrundihrerÄhnlichkeitmitseinerTochtergefallenhabenunddadurchderVergasungentgangensein.Am23.November1944wurdeManiaHerszbergineinAußen-lagerdesKZBuchenwaldinLipp-stadtgebracht,ebensowieSabinaReichenbaum,dieMuttervonEduardReichenbaum.RiwkaHersz-bergkamam28.November1944indasKZNeuengammeundwurdeam20.April1945amBullenhuserDammermordet.Siewar6Jahrealt.ManiaHerszbergüberlebteundkehrtenachPolenzurück,umnachRiwkazusuchen.SpäteremigriertesieindieUSAundlebteinBoston.Sieerfuhr1980vondemmöglichen

28 DieKinder

SchicksalihrerTochter,konnteRiwkaaberaufdenFotos,dieKurtHeiß-meyerbeidenmedizinischenVersuchenhatteanfertigenlassen,nichterkennen.EllaKozlowski,eineCousineRiwkaHerszbergs,diebeiderUntersuchungsstellefürNS-GewaltverbrecheninTelAvivarbeitete,hatte1979aufeinemSuchplakatvonGüntherSchwarbergdenNamenvonRiwkaentdecktundKontaktzudemJournalistenaufge-nommen.EllaKozlowskiwurdeinBerlingeboren.AlsJüdinmusstesieinden1930er-JahrendasGymnasi-uminBerlinverlassen.SielebtebeiVerwandteninderTschechoslowakeiundinPolen.ÜberdieGettosZduńskaWolaundŁódźwurdesieinverschiedeneKonzentrationslager,darunteraucheinAußenlagerdesKZNeuengamme,deportiert.NachihrerBefreiungemigriertesienachIsrael.

Eleonora und Roman Witoński RomanWitoński,vonseinerFamilieRomekgenannt,wurdeam8.Juni1938inRadominPolengeboren.SeineSchwesterEleonorakamam16.September1939zurWelt.IhreFamilienanntesieLenka.EineWochevorihrerGeburt,am9.September1939,hattendeutscheTruppenRadombesetzt.SSundPolizeizogenmitihremHauptquar-tierindieStraße,inderdieFamilieWitońskiwohnte.DerVaterderbeidenKinder,SewerynWitoński,warinRadomKinderarzt.Ab1941musstedieFamilieimGettoRadomleben.Am21.März1943,amjüdischenFeiertagPurim,brachtenSS-MännerRoman,seinejüngereSchwesterEleonoraundseineElternmitüber150weiterenMenschenzumaltenjüdischenFriedhofvonSzydłowiec,30Kilometersüdwest-lichvonRadom,undbegannenmiteinerMassenerschießung.

29Das VeRbRecheN am 20. apRil 1945

Riwka Herszberg, ca. 1939. (ANg) Rucza Witońska mit ihrem Sohn Roman, Sommer 1940. (ANg)

SieermordetenauchSewerynWitoński.SeineFrauRuczaWitońskaverstecktesichmitRomanundEleonorahinterGrabsteinen.DieSSentdecktesieundbrachtesiezurückinsGetto.DieErschießungdesVatersmusstendieKindermitansehen,sielebtendanachimGettoRadominfurchtbarerAngstvorderSS.EndeJuli1944wurdeRuczaWitońskamitihrenKindernüberdasZwangsarbeitslagerPionkibeiRadomindasKZAuschwitzdeportiert.SiekamenindasFrauenlager.DortwurdeRuczaWitońskavonihrenKinderngetrenntundindasAußen-lagerGeorgenthaldesKZGroß-Rosengebracht.RomanWitońskiundseineSchwesterEleonorawurdenam28.November1944indasKZNeuengammegebrachtundam20.April1945amBullenhuserDammermordet.Romanwar6Jahrealt,Eleonora5Jahre.

RuczaWitońskasuchtenachderBefreiungihreKinderunterandereminAuschwitzundinRadom.IhrBruderhattewahrscheinlichschonfrühausderBerichterstattungüberdieCurio-Haus-ProzesseinHamburgvomSchicksalderKindererfahren,ihraberdarübernichtsgesagt,umsiezuschützen.RuczaWitońskawandtesichanInstitutionen,diebeiderSuchenachverschollenenAngehörigenhalfen.SiefragteauchnachanderenKindern,mitdenensieimKZAuschwitzzusammengewesenwar.Schon1946bekamsieübereinenbelgischenSuch-dienstKontaktzuderÄrztinPaulinaTrocki,dieihrberichtete,dasssiealsHäftlingdesKZAuschwitzzwanzigKindervonAuschwitzindasKZNeuengammebegleitethabe.RuczaWitońskagingnachFrank-reich,heiratetedortundnahmdenNamenRoseGrumelinan.1951wurdeihrSohnMarc-Alaingeboren.

30 DieKinder

1981nahmGüntherSchwarbergKontaktzuRoseGrumelin-Witońskaauf.ErschriebandieAdresse,unterdersie1950eineSuchanfrageandenInternationalenSuchdienstgerichtetundsichnachihrenundanderenKindernausRadomerkun-digthatte.AuseinerListederNach-namenderKinder,diederdänischeArztDr.HenryMeyer,einehemaligerHäftling,indemBuch»RapportfraNeuengamme«1945veröffentlichthatte,warihmbekannt,dassunterdenKinderneinMädchenmitNamen»Witonska«war.EinJungemitdemNamen»Witonski«wardortnichtvermerkt.GüntherSchwarbergzeigteRoseGrumelin-WitońskadieFotosderKinder,dieKurtHeißmeyerbeiseinenmedizinischenVersuchenanfertigenließ.SieerkanntedaraufihrebeidenKinder.Siebesuchte1982dasersteMaldieGedenkstätteBullenhuserDamm.InHamburg-Burgwedelerinnertdie

Geschwister-Witonski-StraßeanEleonoraundRomanWitoński.

Georges-André KohnGeorges-AndréKohnwurdeam23.April1932inParisgeboren.SeinVaterArmandKohnwurde1940GeneralsekretärderRothschild-Stiftung,diedasjüdischeKranken-hausinParisbetreute.Georges-AndrésMutterSuzanneKohnstammteausderalteingesessenenjüdisch-französischenFamilieNêtre.Georges-AndréhattedreiältereGeschwister:Antoinette,PhilippeundRose-Marie.DieFamilieKohnwarnachderBesetzungFrankreichsdurchdiedeutscheWehrmachtaufgrundderStellungArmandKohnsnochprivilegiert.SuzanneKohntrat1942mitihrenKindernzumKatholizismusüber,inderHoff-nung,sovorderantisemitischenVerfolgunggeschütztzusein.DieganzeFamiliewurdeaberdennoch

31Das VeRbRecheN am 20. apRil 1945

Georges-André Kohn bei seiner Erstkommunion, 1944. (ANg)

am18.Juli1944verhaftetundindasSammellagerDrancybeiParisgebracht.AusdemletztenDeportationszug,derDrancyam17.August1944inRichtungAuschwitzverließ,konntennachdreiTagenGeorges-AndrésGeschwisterPhilippeundRose-MariegegendenWillenihresVatersmitweiterenHäftlingenflüchtenundsichbiszurBefreiungFrankreichsverstecken.ArmandKohnkamindasKZBuchenwald.SuzanneKohnundihreTochterAntoinettewurdenindasKZBergen-Belsenverschlepptundstarbendort.Georges-AndrésGroßmutterwurdeimKZAuschwitzermordet.Georges-AndrékamindasKinder-lagerdesKZAuschwitz.Erwurdeam28.November1944indasKZNeuengammegebrachtundam20.April1945amBullenhuserDammermordet.Erwar12Jahrealt.

ArmandKohnerfuhr1946durcheinenehemaligenHäftling,dassGeorges-AndréindasKZAuschwitzgebrachtwordenwar.Erstarb1962,ohneGenaueresüberdasSchicksalseinesjüngstenSohneserfahrenzuhaben.Georges-AndrésBruderPhilippeKohnerfuhr1979,wasmitseinemBruderinHamburggesche-henwar.ErwarmitanderenVer-wandtenderermordetenKinderMitbegründerderVereinigung»KindervomBullenhuserDamme.V.«,umdieErinnerungandieMordevom20.April1945amBullenhuserDammwachzuhalten.NachGeorges-AndréKohnistseit1992eineStraßeinHamburg-Burgwedelbenannt.

Marek JamesMarekJameswurdeam17.März1939inPolengeboren.ErwohntemitseinenElternAdamundZelaJamesinderStraßeTraugutta52inRadom.

32 DieKinder

NachderBesetzungderStadtdurchdiedeutscheWehrmachtmusstedieFamiliebis1943imGettoRadomleben.ÜberdasZwangsarbeitslagerPionkibeiRadom,daseinerPulver-fabrikangeschlossenwar,wurdenalledreiimSommer1944indasKZAuschwitzdeportiert.MarekerhieltdortdieHäftlingsnummerB1159.MareksVaterAdamJameswurdeineinAußenlagerdesKZSachsen-hausendeportiert.ImHerbst1944wurdeauchZelaJamesvonihremSohngetrenntundineinAußenlagerdesKZGroß-Rosengebracht.MarekJameswurdeam28.Novem-ber1944indasKZNeuengammegebrachtundam20.April1945amBullenhuserDammermordet.Erwar6Jahrealt.MarekJames’Elternüberlebten.SiewohntennachdemZweitenWeltkrieginSüddeutschland,wosie1947einenweiterenSohnbekamen.1949emigriertedieFamilieindie

USA,woihrzweiterSohnnochheutelebt.RoseGrumelin-WitońskaerkannteMarekJamesundandereKinderausRadomaufFotos,diederJournalistGüntherSchwarbergihrzeigte.EswarendieFotos,dieKurtHeißmeyerbeiseinenmedi-zinischenVersuchenanfertigenließ.1993versuchteGüntherSchwarberg,auchKontaktzuZelaJamesaufzu-nehmen,dochkonntesiesichnichtentschließen,daraufeinzugehen.ImJahr2010nahmMarekJames’BruderMarkJameserstmalsKon-taktzurVereinigung»KindervomBullenhuserDamme.V.«auf.NachMarekJamesisteineStraßeinHamburg-Burgwedelbenannt.

Mania AltmanManiaAltmanwurdeam7.April1938alsTochterdesSchuhmachersShirAltmanundseinerFrauPolainRadominPolengeboren.DieFamiliehatteeinegroßeVerwandtschaft.

33Das VeRbRecheN am 20. apRil 1945

Die Geschwister Georges-André, Rose-Marie, Philippe und Antoinette Kohn (von links), um 1939. (ANg) Adam James mit seinem Sohn Marek, 1940. (ANg)

UnteranderemlebteninRadomShirAltmanssechsGeschwistermitihrenFamilien.AusdemGettoRadomwurdedieFamilieAltmanüberdasZwangsarbeitslagerPionkibeiRadomimSommer1944indasKZAuschwitzdeportiert.ManiasVaterwurdeindasKZMauthausengebrachtunddortindenletztenKriegswochenermordet.PolaAltmankamnachderTrennungvonihrerTochterManiaausdemKZAuschwitzimOktober1944ineinAußenlagerdesKZGroß-Rosen.ManiaAltmanwurdeam28.Novem-ber1944indasKZNeuengammegebrachtundam20.April1945amBullenhuserDammermordet.Siewar7Jahrealt.PolaAltmanwurdeimMai1945befreit.1951emigriertesiemitihremSchwagerChaimAltmanindieUSA.PolaAltmanwusstebiszuihremTodnichtsüberdasSchicksalihrerTochter.Siestarb1971inChicago.

ManiasOnkelChaimAltman,derinNewYorklebte,erfuhr1982durcheinenArtikelvonMarc-AlainGrumelin,demBrudervonEleonoraundRomanWitoński,inderZeitung»VoiceofRadom«vomKindermordamBullenhuserDammunddemSchicksalseinerNichte.1992wurdeeineStraßeinHamburg-BurgwedelnachManiaAltmanbenannt.

Surcis GoldingerSurcisGoldingerkamausPolen,wahrscheinlichausOstrowiec.SiewarzehnoderelfJahrealt,alssieam28.November1944indasKZNeuengammegebrachtwurde.Am20.April1945wurdesieamBullenhuserDammermordet.DerName»Goldinger«stehtaufeinerListederNachnamenderKinder,diederdänischeArztDr.HenryMeyer,einehemaligerHäftling,indemBuch»RapportfraNeuengamme«1945veröffentlichte.

34 DieKinder

1949fragteRoseGrumelin-Witońska,dieMuttervonEleonoraundRomanWitoński,beimInternationalenSuchdienstnachverschiedenenihrbekanntenKindern,darunterauchnacheinemMädchennamens»SurcisGoldfinger«.DerInternatio-naleSuchdienstteilteihrmit,dassdasMädchenmöglicherweiseam3.August1944miteinemTransportvon306GefangenenausdemZwangsarbeitslagerOstrowiecindasKonzentrationslagerAuschwitzgekommensei.NachSurcisGoldingeristseit1999einSpielhausinHamburg-Burgwedelbenannt.

H. Wassermann – R. Zeller – Lelka Birnbaum – W. JungliebAuchübervierweitereKinder,dieamBullenhuserDammermordetwurden,istfastnichtsbekannt.IhreNachnamensteheninderListe,diederdänischeArztDr.HenryMeyer,einehemaligerHäftling,indemBuch»RapportfraNeuen-gamme«1945veröffentlichte.DarunteristeinachtjährigesMädchenausPolenmitdemNamen»Wassermann«.KurtHeißmeyernotierteaufeinemNotizblattmitUntersuchungsdatenfürdiesesKinddieAnfangsbuchstaben»H.W.«.NachH.Wassermannistseit2003derWassermannparkinHamburg-Burgwedelbenannt.AuchderName»Junglieb«eineszwölfjährigenJungenausJugosla-wienistinderListevonHenryMeyeraufgeführt.HeißmeyernotierteaufdemNotizblattmitUntersuchungs-datenfürdiesesKinddieAnfangs-

35Das VeRbRecheN am 20. apRil 1945

Mania Altman, nicht datiert. (ANg) Dr. Kurt Heißmeyer hatte für jedes Kind, an dem er Versuche durchführte, ein Notizblatt angelegt, auf dem die Nummer, die das Kind auf einer Marke um den Hals trug, sowie die Anfangsbuch- staben des Namens stehen. Aufgeführt sind auch die Tage, an denen es mit Tuber- kulosebakterien infiziert wurde. (BStU)

buchstaben»W.J.«.InHamburg-Burgwedelistseit1995eineStraßenachW.Jungliebbenannt.EinzwölfjährigenMädchenausPolenhießLelkaBirnbaum.AufdemDeckblattzueinerRöntgenaufnahmefürdiemedizinischenExperimentevonHeißmeyeristihrvollerNamenotiert.1996wurdeneineStraßeinHamburg-BurgwedelundeineKindertagesstätteinHamburg-St.PaulinachLelkaBirnbaumbenannt.MitdemNamen»Zeller«hatHenryMeyereinenzwölfjährigenJungenausPoleninseinerListeaufgeführt.HeißmeyernotierteaufdemNotiz-blattmitUntersuchungsdatenfürdiesesKinddieAnfangsbuchstaben»R.Z.«.DerVornameistwahrschein-lichRoman.NachRomanZelleristseit1995einPlatzinHamburg-Burgwedelbenannt.

Die Betreuer der Kinder

DiefranzösischenHäftlingsärzteProf.GabrielFlorenceundDr.RenéQuenouilleunddieniederländischenHäftlingspflegerDirkDeutekomundAntonHölzel,alsWiderstands-kämpferimKZNeuengammeinhaftiert,warenzurBetreuungderKinderimKrankenrevierIVaeingeteiltworden.AlsZeugendermedizinischenExperimentewurdensieam20.April1945ebenfallsamBullenhuserDammermordet.IhreIdentitätwar–andersalsbeidenermordetenKindern–schoninderfrühenNachkriegszeitbekannt,daüberlebendeHäftlinge,diemitihnenimKrankenrevierzusammengearbei-tethatten,übersieberichteten.

Prof. Gabriel FlorenceGabrielFlorencewurdeam21.Juni1886imElsassgeboren.ErwarProfessorderbiologischenundmedizinischenChemieanderUniversitätvonLyonundMitglied

36 DieKinder

derfranzösischenNominierungskom-missionfürdenNobelpreis.Wäh-rendderdeutschenBesatzungengagierteersichfürseinejüdischenKollegen.ErschlosssichEnde1943demComitéMédicaldelaRésistancean,einerOrganisation,indersichMedizinerdendeutschenBesatzernwidersetzten.Am4.März1944verhaftetedieGestapoGabrielFlorence.ErwurdezunächstindasGefängnisMontlucbeiLyon,dannam7.Juni1944indasKZNeuen-gammegebracht.WegenseinergutenDeutschkenntnissewurdeeralsÜbersetzereingesetzt.EndeJuli1944teiltedieSSihnfürdasKran-kenrevierein.NachAnkunftderzwanzigKinderhatteerdieAufgabe,ihreKrankenaktenzuführenundimLaborUntersuchungenvorzuneh-men.GabrielFlorenceversuchte,dieTuberkulosebakteriendurchAb-kochenabzutöten,bevorsiedenKinderninjiziertwurden.Derehe-

maligeHäftlingPaulWeißmann,derebenfallsimKrankenreviereingesetztwar,erinnertesichspäteranseineletzteBegegnungmitGabrielFlorenceamAbendvordessenErmordung:»[Er]packteseinepaarHabseligkeitenzusammen.BevorerdenKrankenbauverließ,drückteerjedemvonunsdieHandmiteinem›Aurevoir‹,zumirabersagteerleise:›IchglaubeankeinWiedersehen.‹«Am20.April1945wurdeGabrielFlorenceamBullen-huserDammvonSS-Männernerhängt.SimoneFlorence,dieschonfrühdurchehemaligeMithäftlingevomSchicksalihresManneserfahrenhatte,bemühtesich1949umeineStrafverfolgungKurtHeißmeyers.1953wurdeProf.GabrielFlorencefürseinemedizinischenForschungenposthummitdemHenri-Labbé-PreisfürBiochemiederAcadémiedesSciencesdesInstitutdeFranceausgezeichnet.

37Das VeRbRecheN am 20. apRil 1945

Gabriel Florence, 1942. (ANg) Zeichnung »Professeur Florence de l’Université de Lyon« von Bertrand de Vogüé, 9.9.1944. (ANg) Der ehemalige Häftling Paul Faure erinnerte sich nach seiner Befreiung an eine Bemerkung von Gabriel Florence: »Wenn ich dir alle Grausamkeiten berichten würde, deren ich Zeuge war, wirst du es kaum glauben wollen.«

Dr. René QuenouilleRenéQuenouillewurdeam6.De-zember1884inSarlat-la-CanédainFrankreichgeboren.NachseinemMedizinstudiumeröffneteer1925einePraxisalsRöntgenarztinVilleneuve-Saint-GeorgesbeiParis.ErwarMitgliedderKommunis-tischenPartei.1935wurdeerstellvertretenderBürgermeistervonVilleneuve-Saint-Georges.ErsetztesichbesondersfürdieReformdesstädtischenGesundheitswesensinseinerStadtein.RenéQuenouilleundseineFrauYvonneschlossensichwährendderdeutschenBesat-zungderfranzösischenWiderstands-gruppe»PatriamRecuperare«an.DieMitgliederhalfenalliiertenFallschirmspringernbeiderFluchtindasunbesetzteSüdfrankreich.RenéundYvonneQuenouilleundzweiihrerTöchterwurdenam3.März1943vonderGestapoverhaftet.WährendseineFrauund

seineTöchterwiederfreigelassenwurden,wurdeRenéQuenouilleindasGefängnisFresnesbeiParisgebrachtundzunächstzumTodeverurteilt.Am16.Oktober1943deportierteihndieSSjedochindasKZMauthauseninOberösterreich.ErwurdedortalsHäftlingsarzteingesetzt.Am17.Juli1944wurdeerindasKZNeuen-gammegebracht.DortführteerdieRöntgenabteilungdesKranken-reviers.NachAnkunftderzwanzigKinderhatteerdieAufgabe,siemedizinischzubetreuen.Am20.April1945wurdeRenéQuenouilleamBullenhuserDammvonSS-Männernerhängt.InVilleneuve-Saint-Georgesistseit1980eineKindertagesstättenachRenéQuenouillebenannt.

Dirk DeutekomDirkDeutekomwurdeam1.Dezem-ber1895inAmsterdamgeboren.

38 DieBetreuerderKinder

ErlerntedenBerufdesTischlers,späterarbeiteteeralsBuchdrucker(Typograph).ErwarverheiratetundhatteeineTochter.DieFamilielebteinAmsterdam.Am10.Mai1940marschiertediedeutscheWehr-machtindieNiederlandeein.DirkDeutekomschlosssicheinerkleinenWiderstandsgruppean,derenMitgliedersichauseinemkatholischenJugendtreffpunktkannten.Am18.Juli1941wurdeDirkDeutekomvomSicherheits-dienstderPolizeiinseinerWohnunginAmsterdamverhaftetundalspolitischerHäftlingüberdasDurch-gangslagerAmersfoortindasKZBuchenwalddeportiert,woeram2.April1942ankam.ErerhieltdieHäftlingsnummer2912.Am6.Juni1944wurdeerzusammenmitAntonHölzelindasKZNeuengammetransportiert.DortwurdeeralsHäftlingspflegerimKrankenreviereingesetztundimNovember1944

zurBetreuungderzwanzigKindereingeteilt,andenenKurtHeißmeyerseinemedizinischenVersuchedurchführte.Am20.April1945wurdeDirkDeutekomamBullen-huserDammvonSS-Männernerhängt.

Anton HölzelAntonieHölzel,genanntAnton,wurdeam7.Mai1909inDeventerindenNiederlandenalsKindeinersozialdemokratischenArbeiterfamiliegeboren.AlsjungerManngingernachDenHaag.ErgründeteeineFamilieundarbeitetealsKraftfahrerundalsKellnerineinemKaffee-haus.AntonHölzelwarMitgliedderKommunistischenPartei.Am10.September1941wurdeervonderSicherheitspolizeiinDenHaagverhaftet,weilereineverboteneZeitungbezogenhatte.AusdemDurchgangslagerAmersfoortwurdeeralspolitischerHäftlingindas

39Das VeRbRecheN am 20. apRil 1945

René Quenouille, nicht datiert. (ANg) Ende 1944 zeigte René Quenouille dem französischen Häftling Pierre Veyssière trotz Verbotes die »Sonderab- teilung Heißmeyer«. Pierre Veyssière berichtete später, René Quenouille habe damals zu ihm gesagt: »Das Einzige, was ich wollte, als ich dich hierher führte, war, dass du die Kinder siehst, damit du eines Tages ihre Existenz und die Experimente bezeugen kannst.« Anton Hölzel, ca. 1936. (ANg)

»Le revier des grands malades« (Krankenrevier für Schwerkranke), 30.8.1944. Zeichnung des französischen Häftlings Lazare Bertrand. (MOL)

KZBuchenwalddeportiert,woeram31.März1942ankam.ErerhieltdieHäftlingsnummer2195.ImKZBuchenwaldwurdeeralsHäft-lingspflegerimKrankenrevierein-gesetzt.Am6.Juni1944brachteihndieSSzusammenmitDirkDeutekomindasKZNeuengamme.Auchdort

In der Nacht vom 20. zum 21. April 1945 erhängten die SS-Männer Wilhelm Dreimann, Heinrich Wiehagen und Johann Frahm im Heizungskeller der Schule Bullen-huser Damm mindestens 24 sowjetische Häftlinge und die vier Betreuer der Kinder. Die ersten sechs der ermordeten sowjetischen Häftlinge waren gemeinsam mit dem Transport der Kinder und ihrer Betreuer aus dem KZ Neuengamme gekommen. Sie waren dort im Lagergefängnis, dem sogenannten Arrestbunker, festgehalten worden. Die Gründe für ihre Ermordung sind nicht bekannt. Später in der Nacht wurde aus dem drei Kilometer ent- fernten Außenlager Spaldingstraße eine zweite Gruppe von 18 bis 24 sowjetischen Häftlingen geholt, um sie am Bullenhuser Damm zu töten. Auch die Gründe dafür sind bisher nicht geklärt. Einige dieser Häftlinge sollen geflüchtet und mindestens drei

40 DieBetreuerderKinder

durch die SS-Männer Adolf Speck und Heinrich Wiehagen auf der Flucht erschossen worden sein. Die anderen Männer wurden in Gruppen zu viert in den Heizungs- keller geführt und dort an Heizungs-rohren erhängt. Warum diese Häftlinge sich noch im Außenlager Spaldingstraße befanden, das bereits am 17. April 1945 geräumt worden war, ist nicht bekannt. Das Lager Spaldingstraße gehörte mit 2000 Häftlingen zu den größten Außen- lagern des KZ Neuengamme. Es war wegen seiner unmenschlichen Lebensbedingungen berüchtigt. In dem Lager sind etwa 800 Häftlinge umgekommen.

41Das VeRbRecheN am 20. apRil 1945

Die sowjetischen häftlinge

wurdeerimKrankenreviereingesetztundimNovember1944zurBetreu-ungderzwanzigKindereingeteilt,andenenKurtHeißmeyermedizi-nischeVersuchedurchführte.Am20.April1945wurdeAntonHölzelamBullenhuserDammvonSS-Män-nernerhängt.

Karteikarte des Befehlshabers der Sicher- heitspolizei und des Sicherheitsdienstes in Den Haag, 1942: Der Erkennungsdienst der Staatspolizeistelle in Den Haag erfasste die persönlichen Daten Anton Hölzels nach seiner Verhaftung. Als Grund für seine Inhaftierung wird der Bezug der verbotenen Zeitung »De Waarheid« (Die Wahrheit) angegeben. (NIOD)

Angeklagte im ersten Curio-Haus-Prozess, 1946. (ANg)

Die am 20. April 1945 am Bullen-huser Damm von SS-Angehörigen begangenen Morde an den 20 jüdi- schen Kindern, ihren 4 Betreuern und mindestens 24 sowjetischen Häftlingen wurden 1946 durch ein britisches Militärgericht anhand der Aussagen der Täter rekonstruiert. Der Befehl zur Tötung der Kinder war vermutlich am 20. April 1945 von einer SS-Dienststelle in Berlin gekommen. Der Kommandant des KZ Neuengamme, Max Pauly, befahl daraufhin dem SS-Standortarzt, Dr. Alfred Trzebinski, die Kinder zu töten. Trzebinski holte am selben Abend mit den SS-Männern Wilhelm Dreimann, Heinrich Wiehagen und Adolf Speck die Kinder und ihre vier Betreuer im Krankenrevier IVa und sechs sowjetische Häftlinge aus dem Lagergefängnis.

Sie alle wurden am Bullenhuser Damm ermordet. Aus dem Außen- lager Spaldingstraße wurde noch eine zweite Gruppe sowjetischer Häftlinge geholt, um sie am Bullen- huser Damm zu töten. Die Gründe sind bisher nicht geklärt. An den Morden waren neben den SS-Män-nern aus dem KZ Neuengamme auch die SS-Männer Ewald Jauch und Johann Frahm beteiligt, die nach der Räumung des Außenlagers Bullenhuser Damm vor Ort geblie-ben waren. Nach Aussagen von Trzebinski, Jauch, Frahm und Dreimann war auch Arnold Strippel als befehlshabender Offizier an den Morden beteiligt. Strippel war als »Stützpunktleiter« für alle Hamburger Außenlager des KZ Neuengamme verantwortlich. Sein Dienstsitz war das Außenlager Spaldingstraße.

42 43Die JuRisTische auFaRbeiTuNg Nach 1945

DIE JURIStISChE aUFaRBEItUnG naCh 1945

Die Curio-haus-Prozesse 1946 führte ein britisches Militär- gericht Prozesse gegen SS-Ange- hörige wegen der Verbrechen im KZ Neuengamme. Die Prozesse sind nach dem Verhandlungsort, dem Curio-Haus in der Rothenbaum-chaussee in Hamburg, benannt. In den Prozessen wurden auch die Morde am Bullenhuser Damm rekon- struiert. Das britische Militärgericht befand hierfür im ersten Curio-Haus-Prozess drei der 14 angeklagten SS-Angehörigen für schuldig und

verurteilte sie zum Tode: Wilhelm Dreimann, Adolf Speck und Dr. Alfred Trzebinski. Im dritten Curio-Haus-Prozess im Juli 1946 wurden Ewald Jauch und Johann Frahm ebenfalls zum Tode verurteilt. Die fünf Verurteilten wurden im Oktober 1946 in Hameln hingerichtet. Nicht vor Gericht standen Heinrich Wiehagen, der kurz vor Kriegsende umgekommen war, und Arnold Strippel, den die Ermittlungsbehör-den nicht aufgespürt hatten.

Erster Curio-Haus-Prozess, 1946. (ANg) Auch der ehemalige Kommandant des KZ Neuen- gamme, Max Pauly (1), sagte zu den Morden am Bullenhuser Damm aus. Britische Wachen vor dem Curio-Haus, 1946. (ANg) Ankläger im ersten Curio-Haus-Prozess, 1946. (ANg)

maxPauly(1907–1946)Max Pauly war ab August 1942 Kommandant des KZ Neuengamme. Er erhielt den Befehl einer überge-ordneten SS-Dienststelle in Berlin zur Tötung der Kinder und gab ihn an Alfred Trzebinski weiter. Pauly kam aus Wesselburen in Dithmarschen. Er war von Beruf Ein- zelhandelskaufmann. 1930 trat er in die NSDAP und 1932 in die SS ein. Pauly wurde am 3. Mai 1946 im ersten Curio-Haus-Prozess zum Tode verurteilt und am 8. Oktober 1946 hingerichtet.

Dr.alfredtrzebinski(1902–1946)Der SS-Standortarzt Dr. Alfred Trzebinski war an der Ermordung der zwanzig Kinder beteiligt. Er versuchte, sich im Curio-Haus- Prozess zu entlasten. Er habe vom Kommandanten Max Pauly den Befehl zur Tötung der Kinder erhal-

ten und sei von Arnold Strippel unter Druck gesetzt worden, ihn auszufüh-ren. Er habe den Kindern Morphium injiziert, um ihre Schmerzen zu lindern, und Johann Frahm habe die Kinder erhängt. Er selbst sei währenddessen in das Außenlager Spaldingstraße gegangen, um dort Krankenakten zu studieren. Das Lager war jedoch fast drei Kilometer entfernt und bereits am 17. April 1945 geräumt worden. Die anderen Angeklagten sagten aus, Trzebinski sei an den Morden direkt beteiligt gewesen. Alfred Trzebinski kam aus Jutrosin im heutigen Polen. Er trat 1932 in die SS und 1933 in die NSDAP ein. Von 1929 bis 1941 führte er eine Land- arztpraxis in Sachsen. 1941 wurde er Lagerarzt im KZ Auschwitz. Nach drei Monaten erfolgte die Verset- zung in das KZ Lublin-Majdanek. Im August 1943 wurde er Standort-arzt im KZ Neuengamme. In dieser

44 DieCurio-Haus-Prozesse

Funktion war er für die medizinische Versorgung im Hauptlager und in den Außenlagern verantwortlich und an der Einrichtung der Sonderabtei-lung für die medizinischen Experi-mente Kurt Heißmeyers beteiligt. Trzebinski tauchte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Nord-friesland unter. Er ließ sich die Blutgruppentätowierung, an der er als SS-Angehöriger erkennbar war, entfernen und gab sich als Wehr-machtsarzt aus. Ab August 1945 war er als Arzt im Entlassungslager der britischen Armee für deutsche Kriegs- gefangene in Hesedorf bei Bremer-vörde tätig. Am 1. Februar 1946 wurde er verhaftet und am 3. Mai 1946 im ersten Curio-Haus-Prozess zum Tode verurteilt. Trzebinski wur- de am 8. Oktober 1946 hingerichtet.

adolfspeck(1911–1946)SS-Oberscharführer Adolf Speck bewachte zusammen mit Heinrich

Wiehagen am 20./21. April 1945 die sowjetischen Häftlinge auf dem ehemaligen Schulhof, bevor sie in das Gebäude geführt wurden. Er sagte im ersten Curio-Haus-Prozess aus, Häftlinge hätten ihm bei einem Fluchtversuch Salz ins Gesicht gestreut. Er habe daraufhin einen Häftling erschossen, Heinrich Wiehagen zwei weitere. Sieben seien entkommen. Er und Wiehagen hätten diese dann bis in die Morgen-stunden gesucht. Adolf Speck, geboren in Kiel, war von Beruf Arbeiter. Er absolvierte 1939 eine Ausbildung beim Polizei- bataillon in Itzehoe und trat 1940 in die SS ein. Er wurde zunächst an der Ostfront und in den Nieder- landen eingesetzt. 1943 kam er als Wachmann in das KZ Neuengamme. Ab Sommer 1943 war Speck Kommandoführer im Klinkerwerk und ab Dezember 1943 der Ferti- gungsstelle. Er galt als gewalttätiger

45Die JuRisTische auFaRbeiTuNg Nach 1945

Der Kommandant des KZ Neuen- gamme, Max Pauly, bei der Verleihung von Verdienstabzeichen, ca. 1944. (ANg) Alfred Trzebinski in der Uniform der Waffen-SS, nicht datiert. (ANg) Diese erkennungsdienstlichen Fotos von Adolf Speck nahmen die britischen Ermittlungsbehörden nach seiner Festnahme 1945 auf. (TNA)

Antreiber und Kontrolleur. Er war mit dem Lagerkommandanten Max Pauly befreundet. Nachdem Speck im Mai 1945 eine Gruppe von 250 Häftlin-gen nach Flensburg gebracht hatte, meldete er sich dort bei der Schutz- polizei und tarnte sich als Polizist. Speck wurde am 3. Mai 1946 im ersten Curio-Haus-Prozess zum Tode verurteilt und am 8. Oktober 1946 hingerichtet.

wilhelmDreimann(1904–1946)Der Rapportführer Wilhelm Drei- mann holte die Kinder und ihre Betreuer zusammen mit Trzebinski, Wiehagen und Speck im Kranken- revier IVa des KZ Neuengamme ab. Dreimann sagte im ersten Curio-Haus-Prozess aus, er habe eine Transportliste mit dem Ziel There- sienstadt erhalten und die Kinder und ihre Betreuer hätten bei der Gestapo in Hamburg abgeliefert werden sollen. Auch ehemalige

Häftlinge berichteten von dem angeblichen Transportziel There- sienstadt. Wahrscheinlich dienten diese falschen Angaben zur Ver- schleierung des tatsächlichen Planes, die Kinder und ihre Betreuer zu ermorden. Dreimann erhängte mit Wiehagen und Frahm die erwachse-nen Häftlinge und nach Aussage von Frahm zumindest auch die ersten beiden Kinder. Dreimann wurde in Osdorf, heute ein Stadtteil von Hamburg, geboren. Da er als Holzbildhauer in Detmold nicht genügend verdiente, bewarb er sich 1939 bei der Landespolizei und wurde 1940 zur KZ-Bewachung nach Neuengamme versetzt. Dort führte er eine große Zahl Exekuti-onen eigenhändig aus. Von Häftlin-gen wurde er »Henker von Neuen-gamme« genannt. Dreimann wurde am 3. Mai 1946 im ersten Curio-Haus-Prozess zum Tode verurteilt und am 8. Oktober 1946 hingerichtet.

46 DieCurio-Haus-Prozesse

ewaldJauch(1902–1946)SS-Oberscharführer Ewald Jauch war an der Ermordung der Kinder beteiligt. Nach seiner Aussage im Prozess schickte er die Kinder vom Umkleideraum zu Trzebinski, der sie »geimpft« habe. Dass Frahm sie erhängt habe, sei ihm nicht bewusst gewesen. Später habe er die sowje- tischen Gefangenen beim Entkleiden bewacht. Jauch versuchte sich damit zu entlasten, dass er wegen eines gebrochenen Fußes nur ein- geschränkt beweglich gewesen sei und deshalb nicht an den Tötungen habe teilnehmen können. Johann Frahm sagte aus, Jauch habe die Kinder in den Raum gebracht, in dem sie erhängt wurden. Ewald Jauch kam aus Schwenningen im Schwarzwald und war von Beruf Kaufmann. Er trat 1932 in die NSDAP und 1934 in die SS ein. Von 1940 bis 1944 wurde er zunächst als Wach-mann, dann als Rapportführer im

KZ Neuengamme eingesetzt. Ab Dezember 1944 war er Lagerführer im Außenlager Bullenhuser Damm. Nach Räumung des Lagers im April 1945 blieben er und Johann Frahm vor Ort in dem ehemaligen Schul- gebäude. Jauch wurde am 31. Juli 1946 im dritten Curio-Haus-Prozess zum Tode verurteilt und am 11. Oktober 1946 hingerichtet.

JohannFrahm(1901–1946)SS-Oberscharführer Johann Frahm war an der Ermordung der Kinder beteiligt und erhängte mit Wilhelm Dreimann und Heinrich Wiehagen die erwachsenen Häftlinge. Nach Frahms Aussage im dritten Curio-Haus-Prozess habe der Arzt Dr. Alfred Trzebinski den Kindern eine Spritze gegeben, sodass sie eingeschlafen seien. Die Kinder, die noch Lebenszeichen von sich gege- ben hätten, seien von Dreimann und ihm selbst »an Haken wie Bilder an

47Die JuRisTische auFaRbeiTuNg Nach 1945

Wilhelm Dreimann in der Uniform der Waffen-SS, 1.8.1941. (ANg) Ewald Jauch (rechts) und Wilhelm Dreimann auf dem am KZ Neuengamme vorbeiführenden Neuengammer Heerweg im April 1941. Beide SS-Männer hatten 1940 ihren Dienst im KZ Neuengamme angetreten. (ANg)

der Wand aufgehängt« worden. Dreimann bestritt seine Beteiligung. Johann Frahm aus Kleve in Dithmar-schen, von Beruf Arbeiter, trat 1933 der SS und 1937 der NSDAP bei. 1939 wurde er im KZ Sachsenhausen ausgebildet. Nach einer Stationie-rung in Norwegen kam er zurück ins KZ Sachsenhausen. Ab November 1942 tat er Dienst im KZ Neuen-gamme, ab 1944 unter dem Rapport- führer Wilhelm Dreimann in der Lagerschreibstube. Frahm kehrte Ende Mai 1945 zu seiner Familie nach Kleve zurück. Ende Oktober 1945 wurde er dort von britischen Ermittlern wegen seiner Beteiligung an den Morden am Bullenhuser Damm verhaftet. Im Internierungs- lager in Neumünster gestand er seine Beteiligung an den Morden. Frahm wurde am 31. Juli 1946 im dritten Curio-Haus-Prozess zum Tode verurteilt und am 11. Oktober 1946 hingerichtet.

Heinrichwiehagen(1901–1945)SS-Hauptscharführer Heinrich Wie- hagen erhängte mit Johann Frahm und Wilhelm Dreimann die erwachse-nen Häftlinge im Heizungskeller. Später bewachte er mit Adolf Speck die sowjetischen Häftlinge im Lkw auf dem ehemaligen Schulhof. Nach Aussage Specks erschoss Wiehagen zwei dieser Häftlinge, als sie flüchten wollten. Heinrich Wiehagen aus Oberroeding-hausen im Sauerland trat am 1. Mai 1933 in die NSDAP ein. Bevor er seinen Dienst im KZ aufnahm, war er Lehrer in Duisburg. Wiehagen gehörte zur Bewachung auf den Häft- lingsschiffen in der Lübecker Bucht, die am 3. Mai 1945 von der britischen Luftwaffen irrtümlich bombardiert wurden. Er soll dort von Häftlingen erschlagen worden sein, nachdem er auf andere Häftlinge im Wasser geschossen hatte.

48 DieCurio-Haus-Prozesse

HansFriedrichPetersen(1897–1967)SS-Unterscharführer Hans Friedrich Petersen war Fahrer in der Poststelle des KZ Neuengamme und fuhr den Lkw, mit dem am 20. April 1945 die zwanzig Kinder, ihre vier Betreuer und die ersten sechs sowjetischen Häftlinge vom KZ Neuengamme zum Bullenhuser Damm gebracht wurden. Petersen wurde in Stuttgart geboren. Er starb 1967 in Sønderborg in Dänemark. Er wurde nicht in den Curio-Haus-Prozessen angeklagt und auch später nicht als Zeuge vernom-men.

Spätere Verfahren

DerProzessgegendenarztDr.KurtHeißmeyerDer Arzt Dr. Kurt Heißmeyer hatte 1944/45 die medizinischen Experi-mente an Erwachsenen und Kindern im KZ Neuengamme durchgeführt. Er war in der Nacht, als die Kinder und ihre Betreuer ermordet wurden, nicht am Bullenhuser Damm an- wesend. Heißmeyer tauchte 1945 unter. Von 1946 bis 1963 praktizierte er unter seinem Namen als Lungen-facharzt in der sowjetischen Besat-zungszone bzw. in der DDR. Er hatte in Magdeburg eine eigene Klinik. Obwohl das Ministerium für Staats- sicherheit der DDR Heißmeyer seit den 1950er-Jahren überwachte, wurde er erst im Dezember 1963 wegen der von ihm im KZ Neuen-gamme durchgeführten medizi-nischen Versuche verhaftet. Mithilfe von Aussagen ehemaliger Häftlinge des KZ Neuengamme und von Unter- lagen Heißmeyers wurden seine

49Die JuRisTische auFaRbeiTuNg Nach 1945

Johann Frahm in der Uniform der Waffen-SS, 1942. (ANg) Kurt Heißmeyer, nicht datiert. (BStU)

medizinischen Experimente an Menschen rekonstruiert. Er bestritt, dass die Versuche lebensgefährlich gewesen seien. Ehemalige Häft-lingsärzte bezeugten aber, dass sich der Gesundheitszustand der Ver- suchspersonen dramatisch ver-schlechtert hatte. Geprüft wurde auch, ob Heißmeyer die Tötung der Kinder in Auftrag gegeben hatte. Er sagte aus, dass er in der zweiten Aprilhälfte 1945 im KZ Neuengamme gewesen sei, die Kinder und alle Beweise für die Experimente aber nicht mehr vorgefunden habe. Heißmeyer soll sich nach der Aus- sage von Alfred Trzebinski jedoch dafür eingesetzt haben, die Kinder und Beweise zu beseitigen. 1966 wurde Heißmeyer vom Bezirksge-richt Magdeburg wegen »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« zu lebenslanger Haft verurteilt. Er starb im August 1967 in der Haftanstalt in Bautzen.

BemühungenumeinenProzessgegenarnoldstrippelArnold Strippel war seit Mai 1944 als »Stützpunktleiter« für alle Hamburger Außenlager des KZ Neuengamme verantwortlich und damit auch für das Außenlager Bullenhuser Damm zuständig. Er war nach Aussagen mehrerer Täter an den Morden am Bullenhuser Damm verantwortlich beteiligt. Arnold Strippel (1911–1994) kam aus Unshausen in Hessen und machte eine Lehre als Zimmermann. Er begann seine Laufbahn bei der SS 1934 als Wachmann im Konzen- trationslager Sachsenburg. In den folgenden Jahren war er in verschie-denen Konzentrationslagern einge- setzt, unter anderem in Buchenwald, Lublin-Majdanek in Polen, Ravens-brück sowie Vught in den Niederlan-den. Arnold Strippel zählte in den Curio-Haus-Prozessen 1946 nicht zu den Angeklagten, da er nach

50 SpätereVerfahren

Kriegsende untergetaucht war. Angeklagte SS-Leute haben Strippel als Beteiligten an den Morden am Bullenhuser Damm schwer belastet. Nach Aussage Alfred Trzebinskis im ersten Curio-Haus-Prozess hatte er den SS-Obersturmführer Arnold Strippel über den Befehl zur Tötung der Kinder informiert. Strippel habe auf dessen Ausführung bestanden. Strippel wurde 1948 festgenommen und vom Landgericht Frankfurt 1949 wegen im KZ Buchenwald began- gener Morde zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt. Strippel gelang es, eine Wiederaufnahme des Verfah- rens zu erreichen, in dem seine Beteiligung an den Tötungen von Häftlingen im KZ Buchenwald nur noch als Beihilfe zum Mord gewertet und mit einer geringen Gefängnis-strafe geahndet wurde. 1969 aus der Haft entlassen, erhielt Strippel mehr als 100 000 DM Haftentschädigung. Die Staatsanwaltschaft Hamburg

51Die JuRisTische auFaRbeiTuNg Nach 1945

SS-Lagerausweis des SS-Oberschar- führers Arnold Strippel, 4.4.1935. (BArch) Henri Morgenstern (vorne links) und Mitglieder der Organisation »Fils et Filles des Déportés juifs de France« fordern am 20. April 1982 in Hamburg einen Prozess gegen Arnold Strippel. (Privatbesitz) Das »Internationale Tribunal«, 1986. (ANg)

ermittelte Mitte der 1960er-Jahre gegen Strippel wegen der Morde am Bullenhuser Damm. Dieses Verfah-ren wurde 1967 »mangels Beweises« eingestellt. Die Ermittlungen wurden auf Initiative der Vereinigung »Kinder vom Bullenhuser Damm e.V.« 1980 wieder aufgenommen. 1983 wies die Hamburger Justiz- senatorin die Staatsanwaltschaft an, Anklage gegen Strippel zu erheben. Um auf das der deutschen Justiz vorgeworfene Versagen im Fall Arnold Strippel hinzuweisen, führte der Verein 1986 ein »Internationales Tribunal« mit Angehörigen der Ermordeten, ehemaligen Häftlingen des KZ Neuengamme und promi-nenten Juristen durch. 1987 stellte das Landgericht Hamburg das Ver- fahren wegen gutachterlich beschei- nigter Verhandlungsunfähigkeit des Beschuldigten ein. Strippel starb 1994 im Alter von 83 Jahren.

52 53Die geschichTe Des geDeNKeNs

DIE GESChIChtE DES GEDEnKEnS

NachdemZweitenWeltkriegver-gingenvieleJahre,bisdieMordeandenKindern,ihrenBetreuernunddensowjetischenHäftlingenvoneinergrößerenÖffentlichkeitwahr-genommenwurden.DieTathergängewurden1946indenCurio-Haus-ProzessenzwarrekonstruiertunddiebisdahingefasstenTäterzumTodeverurteilt,docheinöffentlichesGedenkenandieOpferfandnichtstatt.Erst1963ließderHamburgerSenateineGedenktafelfürdieKinderundihreBetreuerimSchulgebäudeamBullenhuserDammanbringen.1979nahmderJournalistGüntherSchwarberg,KontaktzumehrerenAngehörigenderermordetenKinderaufundberichteteineinerArtikel-serieim»Stern«überdasVerbrechenunddieOpfer.

ZueinerGedenkfeieram20.April1979kamenauchVerwandtederKinderausdemAusland.Siegrün-detenmitengagiertenHamburge-rinnenundHamburgerndieVer-einigung»KindervomBullenhuserDamme.V.«,umdieErinnerungandieOpferwachzuhalten.DerVereineröffnete1980inzweiKellerräumenderSchuleeineGedenkstättemiteinererstenAus-stellung.1983entstandderRosen-garten.FürdiesowjetischenHäft-lingewurde1985amEingangzumRosengarteneinDenkmalerrichtet.Bis1999wurdedieGedenkstättevomVereinbetrieben,seitdemistsieinstädtischerTrägerschaftundeineAußenstellederKZ-GedenkstätteNeuengamme.SieistzueinemwichtigenErinne-rungsortinHamburggeworden.

Gedenktafel für Sergio de Simone im Rosengarten der Gedenkstätte Bullenhuser Damm, 2007. (ANg)

Die Erinnerung in der nachkriegszeit

ImAugust1948nahmdieSchuleBullenhuserDammihrenBetriebwiederauf.DenSchülerinnenundSchülernwurdendieMordever-schwiegen.Abdenspäten1950er-JahrenbesuchtenehemaligeHäftlingedesKZNeuengammedasSchulgebäude,umderOpferzugedenken.Verein-zeltwurdendieMordeamBullen-huserDammauchinPublikationenthematisiert,ohnejedocheinegrößereÖffentlichkeitzufinden.NachjahrelangenForderungenvonehemaligenHäftlingenweihteSchulsenatorWilhelmDrexeliusdann1963eineGedenktafelfürdieKinderundihrevierBetreuerimSchulgebäudeamBullenhuserDammein.DerTextderTafelbenanntedasGeschehenallerdingsnurvage,dieermordetensowje-tischenHäftlingewurdenüberhauptnichterwähnt.

Spurensuche1978veröffentlichtederehemaligeHäftlingdesKZNeuengammeFritzBringmanndasBuch»KindermordamBullenhuserdamm«.Docherst1979begannnachderVeröffent-lichungeinerArtikelserievonGüntherSchwarbergim»Stern«eineintensiveöffentlicheAuseinander-setzungmitdenMorden.AusgehendvonbereitsvorhandenenInformati-onenhatteGüntherSchwarbergeigeneRecherchendurchgeführt.ErkonnteauchaufeineListemitdenNachnamensowieAngabenzuHerkunft,AlterundGeschlechtvon19der20KinderzurückgreifendiederdänischeArztDr.HenryMeyer,einehemaligerHäftling,1945veröffentlichthatte.NebenFotogra-fienderKinder,diewährendderExperimenteimKZNeuengammeangefertigtwordenwaren,standenihmaußerdemNotizblättervonDr.KurtHeißmeyerzurVerfügung,aufdenendieserdenKindernNum-

54

mernvon1bis20zugeordnetundzusätzlichdieAnfangsbuchstabenihrerVor-undNachnamenundihrAlternotierthatte.DasVersteckderFotosundNotizblätterhatteHeißmeyerdenErmittlungsbehördeninderDDRnachseinerVerhaftungimJahr1963mitgeteilt.GüntherSchwarbergsandteSuch-plakatemitFotosderKinder,diewährenddermedizinischenVer-sucheangefertigtwordenwaren,auchinsAuslandundfandAngehöri-gemehrererKinder.SieberichtetenihmüberdieKinderundgabenihmFotos.GüntherSchwarbergs»Stern«-SerieerschienkurznachderAusstrahlungderUS-amerikanischenFernsehserie»Holocaust«überdasLebeneinerfiktivendeutsch-jüdischenFamilieimdeutschenFernsehen,durchdiesichvieleMenschenzumerstenMalfürdieVerbrechenandenJudeninteressierten.

Entstehung und Entwick- lung der Gedenkstätte

Die1979vonAngehörigenderermordetenKinder,ehemaligenHäft-lingendesKZNeuengammeundHamburgerinnenundHamburgerngegründeteVereinigung»KindervomBullenhuserDamme.V.«veran-staltetjährlicheGedenkfeiern,umandieMordezuerinnern.Seit1979kommenjedesJahrmehrereHundertMenschenam20.AprilindieSchuleamBullenhuserDamm.1980eröffnetederVereindieGe-denkstättemiteinererstenkleinenAusstellungindenihmvonderSchul-behördeüberlassenenKellerräumenderSchule.DurchseinEngagementerhieltderVereinmitUnterstützungeinzelnerHamburgerPolitikerinnenundPolitikereinefinanzielleFörderungderStadtHamburg,obwohleigent-lichdas1981eröffneteDokumenten-hausinNeuengammealszentralerGedenkortfüralleOpferdesKon-zentrationslagersNeuengamme

55Die geschichTe Des geDeNKeNs

Die Einweihung der ersten Gedenktafel in der Schule Bullenhuser Damm, 30.1.1963. (ANg) Nachdem Kurt Heißmeyer 1963 verhaftet worden war, teilte er das Versteck einer Kiste auf dem Gelände des ehemaligen SS-Sanatoriums Hohenlychen mit, in der er Unterlagen seiner Experimente aufbewahrt hatte. (BStU) Günther Schwarberg während seiner Rede auf der Gedenkfeier am 20. April 1979. (ANg)

geplantwar.DieWeiterentwicklungderGedenkstätte,dielangeprivatbetriebenwurde,erfolgteinmehrerenSchritten.1983legtenSchülerinnenundSchülerundderVereindenRosen-gartenan,dervonderKünstlerinLiliFischer1985weiterausgestaltetwurde.Rosenbeetewurdenange-legt,WacholderbüscheundeineTrauerweidegepflanztundinderMittedesGartenseineachteckigePergolamitBänkenaufgestellt.AmZaunsindkleineGedenktafelnausGranitsteinmitPorträtfotosaufPorzellanundTextenzumAndenkenandieKinderundihreBetreuerangebracht.Zum40.JahrestagderBefreiung1985wurdeamEingangzumRosengarteneinevomsowjetischenKulturministeriumgestifteteBronze-plastikdesKünstlersAnatoliMossitschukaufgestellt,umandieermordetensowjetischenHäftlinge

zuerinnern.DasGedenkenandie20KinderundihrevierBetreuerhattedieErinnerungandie24sowjetischenHäftlingestarkindenHintergrundtretenlassen.IndenCurio-Haus-Prozessen1946warendieseMordenichtnäheruntersuchtwordenundauchindenfolgendenJahrzehntenhatteeskeineintensivenAnstrengungengegeben,dieIdentitätendersowjetischenHäft-lingeunddieGründefürihreErmordungzuklären.ImErmittlungs-verfahrengegenArnoldStrippelinden1980er-JahrenwarendieseMordezwarGegenstandderUnter-suchunggewesenundeswarKontaktmitsowjetischenBehördenaufgenommenworden,dochsinddieIdentitätendersowjetischenHäftlingebisheuteungeklärt.1987wurdeimTreppenhausdesvonderGedenkstättegenutztenBereichesderehemaligenSchuledasWandbild»21.April1945,5Uhr

56 EntstehungundEntwicklungderGedenkstätte

morgens«desKünstlersJürgenWallerinstalliert.NachAufgabedesSchulbetriebs1987schiendieExistenzderGedenk-stättezeitweisegefährdet,siebliebaberweiterderÖffentlichkeitzugänglichunderhieltinZusammen-arbeitmitderKZ-GedenkstätteNeuengamme1994schließlicheineneueDauerausstellung.NachderÜberführunginstädtischeTräger-schaft1999wurdedieGedenkstätteBullenhuserDammeineAußenstellederKZ-GedenkstätteNeuengamme.ErweitertundneugestalteterhieltsieauchzusätzlicheExponate.ImJahr2011entstandnacheinerNeukonzipierungundeinernochma-ligenräumlichenErweiterungderGedenkstättedieaktuelleAusstel-lung,indieneueForschungsergeb-nisseeingeflossensindunddieeineintensiveAuseinandersetzungmitdiesemOrtermöglicht.

Formen des Gedenkens

SeitihrerEröffnung1980wirddieGedenkstättevonvielenMenschenbesucht,diesichüberdasVerbre-chen,seineHintergründeunddieNachgeschichteinformierenunddiederErmordetengedenkenwollen,daruntersehrvieleSchulklassenundJugendgruppen.DieGeschichtederTatunddieBio-grafienderamBullenhuserDammermordetenKindersindindenletztenJahrzehnteninternationalbekanntgeworden,ihrerwirdanvielenOrtenweltweitgedacht.NebendenGedenkfeiernentwickel-tensichauchandereFormendesGedenkensundderErinnerung.SowurdenimHamburgerNeubauge-bietBurgwedelseit1992Straßen,einParkundeinSpielhausnachdenermordetenKindernbenannt.Jeweilsam20.AprilfindetdortebenfallseineGedenkfeierstatt.DasHamburgerThalia-Theaterentwi-ckelteTheaterstückemitJugend-

57Die geschichTe Des geDeNKeNs

Schülerinnen und Schüler im ent- stehenden Rosengarten, 1983. (ANg) Denkmal für die ermordeten sowjetischen Häftlinge am Eingang des Rosengartens, 20.4.1985. (ANg) Günther Schwarberg mit Riwka Herszbergs Cousine Ella Kozlowski (2. von rechts) am Riwka-Herszberg-Stieg in Hamburg-Burgwedel, 1993. (ANg)

Zeittafel

1910 EinweihungderSchuleBullenhuserDamm 1933 30.1.:MachtübernahmederNationalsozialisten 1935 ErlassderNürnbergerGesetze 1938 9.11.:PogromgegendiejüdischeBevölkerunginDeutschland 13.12.:ErrichtungdesKZNeuengamme 1939 1.9.:BeginndesZweitenWeltkriegesmitdemdeutschen ÜberfallaufPolen 1941 ErrichtungvonGettosfürdiejüdischeBevölkerunginPolen 1942 Wannsee-KonferenzinBerlin 1943 GroßflächigeBombardierungHamburgs 27./28.7.:ZerstörungdesStadtteilsRothenburgsort 1944 26.11.:TransportderzwanzigKinderausdemKZAuschwitz indasKZNeuengamme Dezember:EinrichtungdesAußenlagersBullenhuserDamm 1945 27.1.:BefreiungdesKZAuschwitzdurchdiesowjetischeArmee 20.4.:MordamBullenhuserDamm.AbschlussderRettungs- aktion»WeißeBusse«desSchwedischenRotenKreuzes 3.5.:BefreiungHamburgsdurchdiebritischeArmee. Nahezu7000HäftlingedesKZNeuengammesterbeninder LübeckerBucht. 8.5.:EndedesZweitenWeltkriegesinEuropa VeröffentlichungdesBuches»RapportfraNeuengamme«mitder ListederNamenvon19deramBullenhuserDammermordeten Kinder

59Die geschichTe Des geDeNKeNs

lichenundErwachsenenzumKindermordamBullenhuserDamm.SchulklassenbeschäftigensichmitdemKindermordamBullenhuserDammundinszenierenselbstAuf-führungenundLesungenodergestaltendenGedenkortkünst-lerisch.DasSchicksalderzwanzigKinderbeschäftigtMenscheninvielenLändern.Zeitungsartikel,Bücher,TheaterstückeundFernsehdokumen-tationenhabendasVerbrechenunddieBiografienderOpferbekanntgemacht.

InVeronawurde1996einSpielplatzmiteinemRosengarten,inNeapel1997eineSchulenachSergiodeSimonebenannt.Seit2007istinMailandeinzentralerParkdemAndenkenderzwanzigermor-detenKindergewidmet.Imnieder-ländischenEindhovenfindenimGebrüder-Hornemann-ParkGedenk-feiernstatt,inFrankreichwurde2008eineWanderausstellunggezeigt.ImMuseumAuschwitzundinande-renGedenkstättenweltweitwerdenBiografienderKinderpräsentiert.

58 FormendesGedenkens

Artikel in einer französischen Zeitschrift über die Benennung der Georges-André-Kohn-Straße (Eine Straße wird künftig den Namen eines jüdischen französischen Kindes, das von den Nazis gequält wurde, tragen), L’événement du Jeudi, 25.6.1992. Das Schulgebäude am Bullenhuser Damm, Juni 1945. (ANg)

1946 3.5.:TodesurteilegegendreiTäterdurcheinbritischesMilitär- gerichtimerstenCurio-Haus-Prozess 31.7.:TodesurteilegegenzweiTäterdurcheinbritisches MilitärgerichtimdrittenCurio-Haus-Prozess 1948 EinrichtungeinesGefängnissesinNeuengamme aufdemehemaligenKZ-Gelände WiedereröffnungderSchuleBullenhuserDamm 1963 30.1.:EinweihungdererstenGedenktafelinderSchule BullenhuserDamm 1965 EinweihungdesinternationalenMahnmalsaufdemehemaligen KZ-GeländeinNeuengamme 1966 VerurteilungKurtHeißmeyersinderDDR 1967 EinstellungdesErmittlungsverfahrensderHamburgerStaats- anwaltschaftgegenArnoldStrippel 1979 22.–26.1.:AusstrahlungderFernsehserie»Holocaust«im deutschenFernsehen 8.3.–12.4.:VeröffentlichungderArtikelserie»DerSS-Arztund dieKinder«im»Stern« GründungderVereinigung»KindervomBullenhuser Damme.V.« 1980 EröffnungdererstenAusstellungindenKellerräumender SchuleBullenhuserDammdurchdenVerein 1981 Eröffnungdes»Dokumentenhauses«miteinerAusstellung überdasKZNeuengammeaufdemehemaligenKZ-Gelände

60 Zeittafel

1983 EröffnungdesRosengartens 1985 EinweihungdesDenkmalsfürdieermordetensowjetischen Häftlinge 1986 InternationalesTribunal 1987 SchließungderSchuleBullenhuserDamm 1992 ErsteBenennungenvonStraßennachdenermordetenKindern inHamburg-Burgwedel 1995 EmpfangvonAngehörigenderermordetenKinderdurchdie PräsidentinderHamburgischenBürgerschaftimHamburger Rathaus 1999 DieGedenkstätteBullenhuserDammwirdeineAußenstelle derKZ-GedenkstätteNeuengamme. 2001 AusstellungüberdieKindervomBullenhuserDammim HamburgerRathaus 2005 EröffnungderKZ-GedenkstätteNeuengammenachErweiterung undUmgestaltungmitneuenDauerausstellungenundeinem Begegnungs-undStudienzentrumamOrtdesehemaligen Häftlingslagers 2011 20.4.:EröffnungdererweitertenGedenkstätteBullenhuser DammmiteinerneuenAusstellung

61Die geschichTe Des geDeNKeNs

Philippe und Denise Kohn im Keller der Schule Bullenhuser Damm, 20.4.1979. (StA HH) Mahnmal für die Kinder vom Bullenhuser Damm auf dem Roman-Zeller-Platz in Hamburg- Burgwedel, 13.7.2001. (ANg) KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Hauptausstellung, 2010. (ANg)

Am20.April2011wurdeinderräumlicherweitertenGedenkstätteBullenhuserDammeineneueDauer-ausstellungeröffnet.ImMittelpunktderAusstellungstehendieMordeanden20Kindernundmindestens28Erwachsenen.DieAusstellunginformiertaberauchüberdieGeschichtedesGebäudesalsSchuleundalsAußenlagerdesKZNeuengamme.SieberichtetvonderVerfolgungjüdischerMenschenindenvonderdeutschenWehr-machtbesetztenLändernundüberdiemedizinischenVersucheanKindernundErwachsenenimKZNeuengamme.DieGeschichtedesOrtesnach1945,derUmgangmitdenTätern,dieErinnerungandasVerbrechenunddieEntwick-lungderGedenkstättesindebenfallsThemenderAusstellung.

ZentralesElementisteingeschwun-genesPodestmitzwanzigsymbo-lischenKoffern,dieInformationenüberdieLebensgeschichtenderKinderundihrerFamilienenthalten.IneinemweiterenAusstellungsraumkönnenThemenmithilfevonQuellenwieSchriftdokumenten,FotosundInterviewsmitAngehörigenderermordenKindervertieftwerden.BesondersdieserBereichlädtzumforschendenLernenein.DieRäume,indenendieMordebegangenwurden,sindleerbelassen.ZitatederTäterausdenProzessenvon1946gebenandenKellerwän-denHinweiseaufdenTathergang.DieAusstellungmitihrenvielfältigenInformationeninDokumenten,AbbildungenundInterviewsistfürdiepädagogischeArbeitmitGruppensehrgutgeeignet.Es

62 63Die geDeNKsTÄTTe heuTe

DIE GEDEnKStÄttE hEUtE

könnenFührungenundProjekteinderGedenkstättemitderHilfevonGedenkstättenpädagoginnenund

-pädagogendurchgeführtwerden.WährendeinesProjektskönnensichKleingruppeninderAusstellungvertiefendmiteinzelnenThemenbe-reichenoderBiografienbeschäftigen.FürGesprächestehteinSeminar-

raumzurVerfügung.Schüler-undJugendgruppenhabenzusätzlichdieMöglichkeitzuindividuellenKooperationsprojekten.IndenRäumlichkeitenkönneneigeneProjektarbeiten,diewährendderBeschäftigungmitderGedenkstätteunddemhistorischenGeschehenentstehen,ausgestelltwerden.

Beratung zu Angeboten der Gedenkstättenpädagogik: Dr. Iris Groschek KZ-Gedenkstätte Neuengamme Tel. 040 428131-521 [email protected]

Die Lebensgeschichten der Kinder und ihrer Familien, 2011. Foto: M. Kottmeier. (ANg)

Ausstellungsraum zu Spuren- suche und Erinnerung mit verschie-denen Medienangeboten, 2011. Foto: Michael Kottmeier. (ANg) Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule Büchen beim Pflanzen einer Rose im Rosengarten der Gedenkstätte Bullenhuser Damm, 2009. (Privatbesitz)

Plan der Gedenkstätte Bullenhuser Damm

64 65Die geDeNKsTÄTTe heuTe

WC

HAUPTEINGANG

SEMINARRAUM

Spurensuche und Erinnerung

Das KZ-Außenlager

Medizinische Experimente

Verfolgung und Deportation

Die Kinder

Die Betreuer der Kinder

Die TäterDie Schule

TaträumeDas Verbrechen

INFORMATION

ZUM ROSENGARTEN

67Die geDeNKsTÄTTe heuTe

QuellenArchiv der KZ-Gedenkstätte Neuengamme: Bestände Häftlingsberichte, Sammlung

Günther Schwarberg, Sammlung Hans Schwarz

Staatsarchiv Hamburg: Bestände 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht Strafsachen,

332-5 Standesämter, 353-2 II Wohnungsamt II, 361-2 VI Oberschulbehörde VI,

361-3 Schulwesen Personalakten

Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der

ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, Berlin: Verfahren gegen Kurt

Heißmeyer

Internationaler Suchdienst, Archiv, Bad Arolsen: Kinder- und Korrespondenzakten

abkürzungenderabbildungsnachweise

ANg Archiv der KZ-Gedenkstätte Neuengamme

BArch Bundesarchiv

BStU Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes

der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, Berlin

DA HH Denkmalschutzamt Hamburg

IWM Imperial War Museum, London

MOL Musée de l’Ordre de la Libération, Paris

MDF Museet for Danmarks Frihedskamp 1940 – 1945, Kopenhagen

NIOD Nederlands Instituut voor Oorlogsdocumentatie, Amsterdam

StA HH Staatsarchiv Hamburg

TNA The National Archives, London

USHMM United States Holocaust Memorial Museum, Washington, D.C.

Der Herausgeber hat sich bemüht, alle Rechteinhaber der Abbildungen ausfindig

zu machen. Das ist leider nicht in allen Fällen gelungen. Wir bitten daher nicht

benachrichtigte Rechteinhaber, sich an den Herausgeber zu wenden.

66

LiteraturWolfgang Benz /Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der national-

sozialistischen Konzentrationslager. Bd. 5: Hinzert, Auschwitz, Neuengamme.

München 2007

Willi Bredel: Unter Türmen und Masten. Geschichte einer Stadt in Geschichten.

Schwerin 1960

Fritz Bringmann: Kindermord am Bullenhuserdamm. SS-Verbrechen in Hamburg 1945:

Menschenversuche an Kindern. Frankfurt am Main 1978

Marc Buggeln: Arbeit & Gewalt. Das Außenlagersystem des KZ Neuengamme,

Göttingen 2009

Herbert Diercks: Gesucht wird: Dr. Kurt Heißmeyer, in: Beiträge zur Geschichte der

nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland 9 (2005), S. 102–115

Marco Kühnert: Die Ermordung sowjetischer Gefangener am Bullenhuser Damm

und die Reaktionen von Justiz und Memorialkultur, in: Oliver von Wrochem (Hrsg.):

Das KZ Neuengamme und seine Außenlager. Geschichte, Nachgeschichte, Erinne-

rung, Bildung. Berlin 2010, S. 151–163

Otto Prokop/Ehrenfried Stelzer: Die Menschenexperimente des Dr. med. Heißmeyer

(Medizinische und kriminalistische Erhebungen), in: Kriminalistik und forensische

Wissenschaften 1 (1970), Nr. 3, S. 67–104

Gerhard Rundberg/Henry Meyer: Rapport fra Neuengamme. Svensk Røde Kors’

Hjælpeaktion blandt Fanger fra Koncentrationslejre i Tyskland i Tiden 7. Marts–

5. Maj 1945. Kopenhagen 1945 (dänische Ausgabe; die schwedische Ausgabe

erschien 1945 in Stockholm unter dem Titel: Rapport från Neuengamme.

Svenska Röda korsets hjälpaktion bland koncentrationslägerfångar i Tyskland tiden

den 7 mars–5 maj 1945)

Lord Russell of Liverpool: Geißel der Menschheit. Kurze Geschichte der Nazikriegs-

verbrechen. Berlin (DDR) 1955

Günther Schwarberg: Der SS-Arzt und die Kinder. Bericht über den Mord vom

Bullenhuser Damm. Hamburg 1979

literatur und Quellen

68

Gedenkstätte Bullenhuser Damm

Bullenhuser Damm 92

20539 Hamburg

S-Bahn-Station »Rothenburgsort«,

Linien S2 und S21

ÖFFNUNGSZEITEN:

Sonntag, 10.00 bis 17.00 Uhr

und nach Vereinbarung

Der Eintritt ist frei.

ANMELDUNGKOSTENPFLICHTIGER

FÜHRUNGENUNDPROJEKTE:

Museumsdienst Hamburg

Tel. 040 428131-0

www.museumsdienst-hamburg.de

PÄDAGOGISCHEBERATUNG:

Dr. Iris Groschek

KZ-Gedenkstätte Neuengamme

Tel. 040 428131-521

[email protected]

WEITEREINFORMATIONEN:

KZ-Gedenkstätte Neuengamme

Tel. 040 428131-500

Fax 040 428131-501

[email protected]

www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de

Die Gedenkstätte Bullenhuser Damm

ist eine Außenstelle der KZ-Gedenkstätte

Neuengamme.

Öffnungszeiten und Führungen