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Deutsche Rechts- und Verfassungsgeschichte Dr. Stephan Schuster Die germanische Zeit

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A. QuellenB. BegriffsbestimmungenC. Das Recht der germanischen Zeit

I. VorbemerkungII. StaatsbildungIII. Die älteste RechtsbildungIV. Familie und SippeV. StrafrechtVI. PrivatrechtVII. Fazit

Gliederungsübersicht:

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• aus germanischer Zeit keine unmittelbaren undnur wenige mittelbare Quellen

• schriftliche Zeugnisse stammen ausschließlichvon römischen Autoren

• Hauptquellen:

» Cäsar, De bello gallico, VI 21-28 (58-50 v.Chr.);» vor allem aber: Tacitus, „Germania“ / De origine

et situ Germanorum – Von der Geographie undKultur der Germanen (98 n. Chr.)

A. Quellen

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Seite aus dem Codex Argenteus, einer Abschrift der Wulfilabibel (6.-8. Jhdt.)

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B. BegriffsbestimmungenI. „Germanen“

„Die ersten, die den Rhein überschritten und dieGallier vertrieben hätten, die jetzigen Tungrer,seien damals Germanen genannt worden. Sohabe der Name eines Stammes, nicht einesganzen Volkes, allmählich weite Geltung erlangt:zuerst wurden alle nach dem Sieger, aus Furchtvor ihm, als Ger-manen bezeichnet, bald abernannten auch sie selbst sich so, nachdem derName einmal aufgekommen war.“ (Tacitus,Germania II)

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II. „Germania“Der Begriff Germania bezeichnet das Siedlungsgebietder Germanen, unterteilt in:

• Germania Magna

• Germania Inferior

• Germania Superior

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Römisches Reich 116 n. Chr.

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III. Germanische Stämme

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C. Das Recht der germanischen ZeitI. Vorbemerkung

• Recht der germanischen Zeit wird häufig als primitivbezeichnet, oft aber auch – mit anerkennendem Akzent,als urwüchsig (so schon der Grundton bei Tacitus)

• Große Ähnlichkeit mit dem sehr frühen recht andererKulturvölker, z.B. dem altrömischen Recht (vor den XIITafeln), besonders aber mit dem Recht der Griechen,wie es sich aus der Ilias oder der Odyssee gewinnenlässt

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II. Staatsbildung1. Civitates

• Die Siedlungsgemeinschaften der einzelnen Stämmebezeichnet Tacitus als civitates

• Die einzelnen Stämme bildeten kein einheitlichesStaatsgefüge, sondern zahlreiche selbstständigeGemeinwesen (civitates) bestanden nebeneinander

• z.T. miteinander verbündet, häufig waren Kriegeuntereinander

• ein Stamm/eine civitas verfügte alsSiedlungsgemeinschaft über ein bestimmtesSiedlungsgebiet

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Rekonstruktion eines germanischen Wohnhauses (Moesgaard Museum bei Aarhus, Dänemark

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Abb. aus: Paul Herre, Deutsche Kultur des Mittelalters in Bild und Wort, Leipzig 1912

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2. Verfassung der civitates

a) Sozialstruktur innerhalb der civitates(Standesgliederung)

Stände:• Sklaven (faktisch verhältnismäßig gute Stellung, in etwa der eines

Kleinpächters entsprechend)

• Freigelassene (standen nur wenig über den Sklaven)

• Freie [Frilinge, Kerle] (zumeist Bauern, Hauptmasse der Bevölkerung)

• Adlige (nobiles): Abgrenzung von den gewöhnlichen Freien wohl eherunscharf; Wort- und Heerführer mit eigener Gefolgschaft

• principes: „Fürsten“, treffender wohl mit „Häuptlinge“ zu übersetzen;später auch Könige (zunächst Heerkönige)

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b) Inhaber der höchsten Gewalt• höchste Gewalt stand der Gesamtheit der Waffen

tragenden Freien zu; Ausübung im Thing (dazusogleich)

• aber: allenfalls demokratische Verfassungselemente, dieMacht der principes, der Fürsten, oder besser:Häuptlinge, darf keinesfalls unterschätzt werden

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c) principes

„(…) Über kleinere Dinge beschließen dieFürsten allein, über bedeutendere alle,jedoch in der Weise, dass auch das,worüber das Volk zu entscheiden hat, vonden Fürsten vorbehandelt wird.(…)“ (Tacitus, Germania, XI)

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d) Thing (Tacitus: concilium)

„(…) Sie kommen zusammen, wenn nichtetwas Unvorhergesehenes und Plötzlicheseintritt, an bestimmten Tagen, wenn derMond beginnt oder voll wird. (…)“(Tacitus, Germania, XI)

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Thingplatz Stoltebüll (Kreis Schleswig-Flensburg)

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„(…) Wie es der Masse gefällt, so setzen siesich hin, in Waffen. Schweigen wird durch diePriester geboten, die dann auch das Rechthaben, zur Ordnung anzuhalten. Darauf wirdder König oder der Fürst je nach dem Alter,dem Adel, dem Kriegsruhm und derBeredsamkeit angehört, mehr auf Grund dererprobten Fähigkeit zu raten als der Macht zubefehlen. Wenn die Meinung Missfallen erregthat, lehnen sie sie mit Gebrüll ab; hat siegefallen, schlagen sie die Framen zusammen:mit den Waffen zu loben ist die ehrenvollste Artder Zustimmung. (…)“ (Tacitus, Germania, XI)

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Germanische Ratssitzung. Zeichnung nach einem Relief an der Marc-Aurel-Säule in Rom(fertig gestellt 196 n.Chr.)

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e) Königtum

• seit dem 1. Jhdt. n. Chr. gewinnt dasKönigtum stark an Bedeutung

• Wahl durch das Thing

• Kunnic als der Erste der adeligen Sippen;religiöser Führer, Friedens- und Erntegarant;Innhaber der Gesamtherrschaft, Träger desKönigsheils

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„Bei ihnen [scil. den Burgunden] heißt der Königallgemein Hendinos. Nach alter Sitte muss ersein Amt niederlegen und zurücktreten, wennunter seiner Regierung das Kriegsglückschwankt oder die Erde keine reiche Saat trägt,ähnlich, wie auch die Ägypter derartigeUnglücksfälle ihren Königen zuschreiben.“(Ammianus Marcellinus, 330-400 n. Chr., rerumgestarum libri, XXVIII, 5, 14)

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Schmuck einer germanischen Dame, 1. Jhdt. n. Chr.(Foto: Archäologische Bodenforschung des Kantons Basel-Stadt)

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III. Die älteste Rechtsbildung

• Gewohnheitsrecht, autonome, ungesetzteRechtsordnung; Ausfluss gemeinsamer Werte undAnschauungen

• wohl eher „natürliches Recht“ als Naturrecht(rechtsphilosophische Bezeichnung für das Recht,das dem durch soziale Normen geregeltengesetzten oder positiven Recht vorhergeht undübergeordnet ist; jeder Mensch von Natur ausInhaber bestimmter Rechte)

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IV. Familie und Sippe

Begriffe: Sippe / Familie / Hausgemeinschaft

• Hohe Bedeutung der Familienbande (vor allem beiFehde-/Sühnesachen, im Erbrecht,Landbesiedelung, auch im Heerwesen und beipolitischen Belangen)

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1. Sippe (von indogerm. „sibja“)• Friedensgemeinschaft• Schutzgemeinschaft• Rechtsverband mit autonomer Gerichtsbarkeit• Wehreinheit• Siedlungsgemeinschaft

2. Hausgemeinschaft• enger und streng hierarchisch geordneter Verband der

Nachkommen eines Hausvaters, der die munt (lat. manus= Hausgewalt) innehat

• frouwa (Hausmutter) kommt die Schlüsselgewalt zu

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V. Strafrecht1. Das Gerichtswesen

• Thing, das als höchstes Gericht über besonders schwereRechtsfälle urteilte; Gerichtslinde

• Gau-Gerichte (vom Höchsten des Gaus/princeps geleitet)die für die weniger wichtigen Fälle zuständig waren.

• Sippengerichtsbarkeit: Gerichtsbarkeit fürAngelegenheiten, die ausschließlich die Sippe betrafen, lagbei dieser

• Schiedsgerichte: nur zuständig, wenn sich die Parteiendem Gericht unterwerfen (litis contestatio = Einwilligung indie Klage

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2. Der Rechtsgang –zentrales Moment der Gewaltausübung

a) Das Verfahren vor dem Thing

b) Die Unrechtsfolgen

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„(…) Man kann beim Thing auch Klage führen und Gefahrfür Leib und Leben anhängig machen. Die Strafen sindunterschieden nach dem Vergehen. Verräter undÜberläufer hängen sie an den Bäumen auf, Feiglinge, imKrieg Versagende und Unzüchtige versenken sie, indemsie ein Geflecht darüber werfen, in Morast und Sumpf. DieVerschiedenheit der Todesstrafe hat den Sinn, dass manVerbrechen in der Bestrafung öffentlich zeigen müsse,Schandtaten verbergen. Aber auch für kleinere Vergehengibt es nach ihrem Maß Strafe: mit einer Anzahl Rosseoder Vieh werden die Überführten geahndet. Ein Teil derGeldstrafe wird an den König oder Stamm, ein Teil dem,der gerächt wird, selber oder seinen Verwandten gezahltGewählt werden in denselben Versammlungen auch dieFürsten, die Recht in den Gauen und Dörfern sprechen.(…)“ (Tacitus, Germania XII)

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Moorleiche von Windeby

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c) Leichtere Verbrechen• Leichtere Verbrechen, auch Totschläge,

wurden i.d.R. nicht gerichtlich geahndet,sondern ziehen Familienfehden nachsich. Bei diesen sind die Sippengenossenzu wechselseitiger Unterstützungverpflichtet

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„(…) Man muss unter allen Umständen dieFeindschaften wie die Freundschaften des Vatersoder eines Blutsverwandten übernehmen. (…)“(Tacitus, Germania, XXI)

„(…) Die Feindschaften dauern jedoch nichtunversöhnlich fort; sogar Totschlag lässt sich miteiner bestimmten Anzahl von Groß- und Kleinviehsühnen, und das ganze Haus empfängt dieGenugtuung, zum Nutzen für die Öffentlichkeit, weilFeindschaften in Verbindung mit Freiheitgefährlicher sind. (…)“ (Tacitus, Germania, XXI)

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VI. Privatrecht1. Erbrecht

Erbrecht nur innerhalb der Familien, vgl. Tacitus, Germania, XX:„nullum testamentum“

2. Kaufrecht• zu großen Teilen Tauschhandel• im Kontakt mit den Römern erlangt dann zusehend der Geldkauf

Bedeutung

3. Sonstiges• Darlehen und Zinsen unbekannt• möglich aber: Treugelöbnisse, die unbedingt gehalten werden

mussten, auch wenn sie bedenklichen Inhalts waren (z.B.Schuldknechtschaft, falls gesamtes Vermögen beim Würfelspielverloren)

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Fazit• große Ähnlichkeit mit dem sehr frühen Recht anderer Kulturvölker,

z.B. dem altrömischen Recht (vor den XII Tafeln), besonders abermit dem Recht der Griechen, wie es sich aus der Ilias oder derOdyssee gewinnen lässt; z.T. auch Übereinstimmungen mit demalttestamentarischen jüdischen Recht

• das frühe germanische Recht mag ein archaisches Recht sein,häufig wird es zu Unrecht als primitiv bezeichnet

• mag es hinter dem Recht der antiken Hochkulturen auch weitzurückbleiben, dennoch funktionierendes Rechtssystem