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Das Standardwerk Die HUGENOTTEN Geschichte, Glaube und Wirkung Eberhard Gresch

Die Hugenotten - Leseprobe

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Hugenotten sind die von der Reformation unter Johannes Calvin geprägten, in ihrer Heimat Frankreich aber lange Zeit nicht geduldeten evangelischen Christen. Dieser Einführungsband bietet einen gut lesbaren und fakten-reichen Überblick über das Reformationswerk Johannes Calvins, die beweg-te Geschichte der Hugenotten in Frankreich und die Eingliederung dieser Glaubensfl üchtlinge in den Zufl uchtsländern. Ergänzt wird die Darstellung durch zahlreiche Abbildungen und Karten, eine ausführliche Zeittafel, ein umfangreiches Begriffslexikon und einen weltweiten hugenottischen Reise-führer. Praktische Hinweise zur familienkundlichen Forschung ermöglichen die Spurensuche nach eigenen hugenottischen Vorfahren.

Das Buch, für die vierte Aufl age grundsätzlich überarbeitet, ist sowohl ein übersichtlicher Grundkurs als auch ein allgemeinverständliches Nach schlage-werk für jene, die auf gezielte Fragen eine Antwort suchen.

Eberhard Gresch, Jahrgang 1938, evangelisch-reformierter Konfession, ist Vor-standsmitglied der Deutschen Hugenotten-Gesellschaft. Seit über 20 Jahren befasst er sich intensiv mit der Geschichte der Hugenotten.

9 783374 022601

ISBN 978-3-374-02260-1

EUR 19,80 [D]

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Die HUGENOTTEN Geschichte, Glaube und Wirkung

Eberhard Gresch

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Evangelische Verlagsanstalt · Leipzig

Eberhard Gresch

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Die Deutsche Bibliothek – Bibliographische Information

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet

über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

4., überarbeitete Auflage 2009

© 2005 by Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig

Printed in Germany · H 6973

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag/Layout: Kai-Michael Gustmann

Druck und Binden: CPI – Clausen & Bosse, Leck

ISBN 978-3-374-02260-1

www.eva-leipzig.de

Titelbilder:

François Dubois (1529–1584). Die Bartholomäusnacht. Ölbild. Lausanne, Musée cantonal des beaux-arts.

Johannes Calvin

Ernst Albert Fischer-Cörlin (1853–1932). Empfang von Refugiés durch den großen Kurfürsten. Ölbild. Bad Karlshafen, Deutsches Hugenotten- Museum.

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Vorwort zur vierten Auflage

Seuls ceux qui connaissent le passé peuvent créer l’avenir – Nur wer die Vergangenheit kennt, kann auch die Zukunft gestalten.

Im 16. Jahrhundert, dem Zeitalter der Reformationen, entstand neben der bereits vorhan-denen römisch-katholischen Kirche und den orthodoxen Ostkirchen aus der römischen Kirche heraus eine dritte christliche Kirche: die protestantische Kirche. Diese spaltete sich von Anfang an in drei Hauptzweige auf: in die lutherische, die reformierten und die anglikanischen Kirchen.

Hugenotten sind die französischen Protestanten. Sie sind Kinder der reformierten Reformation, und zwar in der Form, wie sie weitgehend vom Franzosen Johannes Cal-vin geprägt wurde. Er war ein am römischen Recht geschulter Jurist und hatte sich selbst grundlegend theologisch gebildet. Wichtige Orientierungen waren für ihn der Humanismus, die antike Philosophie und das göttliche Gesetz. Seine Antwort auf die anstehenden Probleme des 16. Jahrhunderts blieb nicht beim Heil des einzelnen Men-schen stehen, sondern war auf eine durchgreifende Reform des gesamten kirchlichen und weltlichen Lebens gerichtet. Mit seinem Ruf nach Bildung, Verantwortung, Enga-gement und Verdienste anstatt des Herausstellens von (Geburts-)Privilegien traf er den Nerv des aufstrebenden Bürgertums. So fand seine Reformation unter maßgeblicher Beteiligung der Stadtbürger statt. Im schweizerischen Genf, wo Calvin hauptsächlich wirkte, begann sie als politische Reform, ehe er die Genfer Kirche zum Vorbild auch für andere Kirchen machte.

Im Vergleich zu anderen Glaubensrichtungen hatten die Hugenotten nicht nur andere Glaubensinhalte, sondern glaubensbedingt auch andere Verhaltens- und Lebensweisen. Im katholischen Frankreich wurde ihr Glaube bis zur Französischen Revolution meistens nicht geduldet. Deshalb verließen fast 200 000 ihre Heimat. Den anderen versuchte dann der Staat, den katholischen Glauben mit drastischen Maßnahmen aufzuzwängen. Hugenotten flüchteten in viele Länder der Alten und Neuen Welt. Dort hinterließen sie, ihre Nachfahren und auch ihre Nacheiferer deutliche Spuren. Heutzutage gelten sie als Wegbereiter der Gewissensfreiheit und als Beispiel für Standhaftigkeit und die Notwen-digkeit religiöser und bürgerlicher Toleranz. An mehreren Zufluchtsorten sind sie – un-ter Beachtung ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten – auch Beispiel für die Eingliederung von Flüchtlingen, ebenso für eine praktizierte Toleranz. Die Geschichte der calvinischen Reformation und der Hugenotten ist ein wesentlicher Teil der Weltgeschichte.

Das Buch wendet sich an einen breiten historisch-kirchlich interessierten Leserkreis. Es dient zur ersten und umfassenden Orientierung. Es ist, in gut lesbarer Form, vor-zugsweise für Leser in Deutschland geschrieben. Dabei ist besonders an Hugenotten-Nachfahren gedacht. Die zahlreichen Hinweise zu Personen, Orten, Sachen und histo-rischen Ereignissen sollen das Verständnis erleichtern und die Geschichte verdeutlichen. Darüber hinaus sollen sie Unterstützung für das Lesen weiterführender Literatur geben. Um eine Vielzahl von Verweisen zu vermeiden, wurde auf Wiederholungen nicht ganz verzichtet. Einige weiterführende Informationen sind im Anhang in den Anmerkungen zu finden.

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Naturgemäß steht zunächst Frankreich im Vordergrund der Betrachtung. Recht de-tailliert ist Deutschland als Aufnahmeland beschrieben. Die Kapitel der einzelnen Terri-torien enthalten auch Angaben zur Territorial- und Kirchengeschichte. Über 500 Sied-lungsplätze der Hugenotten außerhalb Frankreichs werden benannt und großenteils auch beschrieben. In einer Zeittafel (170 Zeitangaben) sind die wichtigsten Daten der reformierten Kirchengeschichte, insbesondere des 16. und 17. Jahrhunderts, aufgelistet. Erläuterungen zu der von Calvin geprägten Form des Glaubens, zum reformierten Prote-stantismus und zum Christentum allgemein sind auch im Begriffs-Lexikon (270 Begriffe) zu finden. Auf geringe Unterschiede in der reformierten Kirchenfamilie wird nicht ein-gegangen. Noch weltweit vorhandene hugenottische Spuren sind in einem Reiseführer zusammengestellt. Auch Hinweise zum Aufsuchen hugenottischer Vorfahren werden gegeben. Ein spezielles französisch-deutsches Wörterverzeichnis könnte beim Lesen an-derer Texte hilfreich sein. Umfangreiche Register ermöglichen die Nutzung des Buches als Nachschlagewerk.

Eine Diskussion einzelner Gesichtspunkte der Hugenottengeschichte wie auch ein Vergleich mit anderen Reformationen hätten den Rahmen dieses Sachbuches gesprengt. Aus Platzgründen wurde auch auf Literatur-Belegstellen verzichtet. Die aufgeführten 330 Literaturhinweise geben genügend Anregung zu einer vertiefenden Beschäftigung mit dem Thema. Von den zahlreichen fremdsprachigen Veröffentlichungen werden nur ei-nige wenige genannt. Ausdrücklich sei auf die Veröffentlichungen der Hugenotten-Ge-sellschaften hingewiesen. Das in Kapitel 5.1 genannte Hugenotten-Lexikon von Bischoff enthält Literaturangaben (Stand 1992) zu allen deutschen Orten mit Hugenotten-An-siedlungen, Angaben zu vorhandenen Kirchenbüchern sowie die beste und vollständige kartenmäßige Erfassung hugenottischer Siedlung in den deutschen Territorien in den Grenzen nach dem Westfälischen Frieden von 1648.

Der Aufbau des Buches als Kombination von einführendem Grundkurs, Nachschla-gewerk und Reiseführer macht es besonders geeignet für Konfirmanden, Schüler hö-herer Klassen, Studenten und Geschichtslehrer. Vergleichbares gab es bislang nicht. Das Buch ist auch ein Beitrag zum Calvinjahr 2009, in dem am 10. Juli seines 500. Ge-burtstages gedacht wird. Es soll die enorme Bedeutung dieses Reformators vermitteln helfen. Am Gedankengut Calvins, und am Schicksal, Verhalten und an der Wirkungs-geschichte der Hugenotten – Unterdrückung, Martyrium, Flucht, Ansiedlung und Ein-gliederung in der Fremde – wird der Leser die Bedeutung dieses Themas auch für die heutige Zeit erkennen.

Das Buch erfuhr bislang eine freundliche Aufnahme. Für die vierte Auflage sind nun einige Textteile überarbeitet und die Literaturhinweise dem neuesten Stand angepasst worden. Die Aktualisierung der Register führte der Verlag durch. Möge sich das Buch auch weiterhin als nützlich erweisen, Anregungen geben und neues Interesse wecken.

Dresden, im Oktober 2008 Eberhard Gresch

Vorwort

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Inhalt

Bild-, Karten- und Abkürzungsverzeichnis 9

1. Die Herausbildung des reformierten Protestantismus 1.1 Reformatoren der ersten Generation 11 1.2 Reformatoren der zweiten Generation 14 1.3 Was ist evangelisch-reformiert? 20 1.4 Reformierte Bekenntnisschriften und Kirchenordnungen 22 1.5 Die Anfänge der Reformation in Frankreich 24 2. Die Hugenotten in Frankreich 2.1 Was sind Hugenotten? 27 2.2 Konfessioneller Bürgerkrieg in Frankreich 29 2.3 Das Duldungsedikt von Nantes 34 2.4 Frankreich unter der Regierung Heinrichs IV. 35 2.5 Hugenottische Lebenswelt 37 2.6 Die anwachsende Unterdrückung der Hugenotten 46 2.7 Das Widerrufsedikt von Fontainebleau 1685 51 2.8 Massenflucht aus Frankreich 52 2.9 Der lange Weg zur Toleranz 53 2.10 Der französische Protestantismus im 19. und 20. Jahrhundert 57

3. Die Dreieinheit der calvinischen Reformation 60 3.1 Religiöse Neuordnung und kirchliche Neugestaltung 61 3.2 Herausbildung neuer sozialer Verhaltensweisen 64 3.3 Calvin – Reformator von Genf aus 65 3.4 Der verfälschte Calvin 66 4. Das hugenottische Refuge im Überblick 4.1 Anzahl und Aufnahme der hugenottischen Flüchtlinge 69 4.2 Hugenotten-Privilegien 72 4.3 Einfluss der Hugenotten im Refuge auf Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft 73 4.4 Der Umgang mit dem hugenottischen Erbe 75 4.5 Die Suche nach hugenottischen Vorfahren 77

5. Hugenotten in Deutschland 5.1 Überblick 80 5.2 Baden und Württemberg 87 5.3 Brandenburg-Preußen (Berlin – Mark Brandenburg – Provinz Sachsen – Pommern – Schlesien – Westpreußen – Ostpreußen) 89 5.4 Franken 106 5.5 Hessen 108

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5.6 Niederrhein, Westfalen, Lippe 116 5.7 Hansestädte Bremen, Hamburg, Lübeck 119 5.8 Niedersachsen und Schleswig-Holstein 120 5.9 Pfalz und Saarland 123 5.10 Anhalt, Mecklenburg, Kursachsen, Thüringen 127

6. Hugenotten weltweit 6.1 Nordost-Frankreich und Orange (Elsaß – Lothringen – Mömpelgard – Orange) 130 6.2 Schweiz 136 6.3 Niederlande und Belgien 146 6.4 England, Schottland, Irland 152 6.5 Skandinavien 160 6.6 Russland 161 6.7 Südafrika 164 6.8 Amerika 165

7. Die Waldenser 170

Anhang Anmerkungen 176

Zeittafel: von 1054 bis 2007 194 Begriffs-Lexikon: von Abendmahl bis Zucht 202 Hugenottischer Reiseführer: von Berlin bis New Paltz N.Y 216 Französisch-Deutsches Wörterverzeichnis 229 Ergänzendes Literaturverzeichnis 231 Personenverzeichnis 234 Geografisches Verzeichnis 239 Sachwortverzeichnis 245

Inhalt

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Bild-, Karten- und Abkürzungsverzeichnis

Bildverzeichnis Seite

Huldrych (Ulrich) Zwingli 13Halle/Saale. Reformationsrelief 15Johannes Calvin 17Calvins Siegel 18Theodor Beza 19Hugenottenkreuz 28Gaspard de Coligny 31Heinrich IV. von Bourbon-Navarra 37Abendmahlsmarke 40Charenton. Hugenottenkirche 45Zwangsmittel zur Rückführung von Ketzern zum alten Glauben 50Flüchtende Hugenotten 52Johannes Calvin in seinem Arbeitszimmer 60Kirchgemeindesiegel: Leipzig, Emden, Dordrecht, Rotterdam 63Hugenotten in aller Welt. Gedenkmedaille 1985 79Henri Arnaud 88Berlin. Französische Friedrichstadtkirche 95Schwedt/Oder. Hugenottenkirche 97

Groß Ziethen. Zehn-Gebote-Tafel 98Königsberg. Französisch-Reformierte Kirche 104Schwabach. Evangelisch-Reformierte Kirche, innen 107Hofgeismar-Schöneberg. Hugenottenkirche 110Neu-Isenburg. Hugenotten-Ansiedlung 114Hanau. Wallonische und Niederländische Kirche 115Dresden. Kirchgemeindesiegel 128Guillaume Farel 140Genf. Calvins Predigtkirche Saint-Pierre 141Siegel der Synode der Wallonischen Gemeinden der Niederlande 149London. French Church (Französisch- Protestantische Kirche) 155Kopenhagen. Reformierte Kirche 161Fabergé-Ei 163Hugenottenfort Caroline auf Florida 165Charleston, Süd Carolina. Hugenottenkirche 167Petrus Waldes 171

Kartenverzeichnis

Frankreich. Die Reformierte Kirche in der zweiten Hälfte 16. Jahrhundert 33Deutsches Reich. Ansiedlung von Wallonen, Réfugiés und Waldensern 82Cluson [Chisone]-Tal in den Cottischen Alpen im 17. Jahrhundert Herkunftsorte deutscher

Waldensersiedlungen 84Baden und Württemberg. Ansiedlung von Waldensern, Réfugiés und Wallonen 88Mark Brandenburg und Provinz Sachsen. Ansiedlung von Réfugiés, Waldensern, Wallonen und Pfälzern 99Hessen. Ansiedlung von Réfugiés, Waldensern und Wallonen 109Pfalz. Ansiedlung von Wallonen, Réfugiés und Waldensern 124Elsässische und lothringische Territorien. Ansiedlung französischer Reformierter 133Schweiz. Konfessionen um 1600 139England. Französische Kirchgemeinden um 1700 156Irland. Ansiedlung von Wallonen und Réfugiés 159Piemontesische Waldensertäler heute 174

Abkürzungsverzeichnis

Nicht aufgeführt sind Wörter, bei denen nur die Endsilbe -isch oder -ich abgekürzt wurde.

amer. amerikanischApg ApostelgeschichteAT Altes TstamentBd. Band

bzw. beziehungsweiseDDH Der Deutsche Hugenott [Zeitschrift]Dép. Departementders. derselbe

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d.h. das heißtDHG Deutsche Hugenotten-Gesell-

schaftDHV Deutscher Hugenotten-VereinDRKG Deutsch-reformierte Kirchgemein-

de(n)DRHofKG Deutsch-reformierte Hof-Kirchge-

meindedt. deutschdt.-ref. deutsch-reformierteigtl. eigentlichEKG Evangelische Kirchgemeinde(n)ERKG Evangelisch-reformierte Kirch ge-

mein de(n)europ. europäischev. evangelischev.-ref. evangelisch-reformiertf. und die folgende Seiteff. und die beiden folgenden SeitenFRKG Französisch-reformierte Kirchge-

mein de(n)frz. französischfrz.-ref. französisch-reformiertFt(n). Fürst(in)Gblt. GeschichtsblattGf. GrafGft. Grafschaftgeb. geborenegegr. gegründetgen. genanntgr. griechischH. Hefthebr. hebräischHebr 7,27 Brief an die Hebräer, Kapitel 7,

Vers 27Hg. Herausgeberhg. herausgegebenHN Hugenotten-Nachfahr(en)Hug. Hugenotten [auch gleichnamige

Zeitschrift]hug. hugenottischHz(n). Herzog(in)i. Allg. im Allgemeinenital. italienischi.W. im WesentlichenJh. Jahrhundert

Joh Evangelium nach Johanneskath. katholischKf(n). Kurfürst(in)KG Kirchgemeinde(n)Kg(n). König(in)Kol 3,1 Brief des Paulus an die Kolosser,

Kapitel 3, Vers 11 Kor 14,26-33 1. Brief des Paulus an die Korin-

ther, Kapitel 14, Verse 26-33Ks. Kaiserlat. lateinischLgf(n). Landgraf/LandgräfinLKG Lutherische Kirchgemeindeluth. lutherischMA MittelalterMgf. MarkgrafMk Evangelium nach Markus2 Mose 20,4 2. Buch Mose (Exodus), Kapitel 20,

Vers 4Mt Evangelium nach MatthäusMz. Mehrzahlndl. niederländischNT Neues TestamentOffb (Apk.) Offenbarung des Johannes (Apo-

kalypse)o.g. oben genanntösterr. österreichischOT Ortsteil(e)piemont. piemontesischPfgf. Pfalzgrafpol. politischPr(n). Prinz(essin)prot. protestantischref. reformiertRKG Reformierte Kirchgemeinde(n)Röm Brief an die RömerS. Seite(n)theol. theologischu.a. und andere/unter anderemung. ungarischv. vonvgl. vergleicheWRKG Wallonisch-reformierte Kirchge-

mein de(n)z.T. zum Teil

➞ Verweiszeichen

Bild-, Karten- und Abkürzungsverzeichnis

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1. Die Herausbildung des reformierten Protestantismus

Das späte Mittelalter ist gekennzeichnet durch den Niedergang der römischen Kirche. Die Menschen waren unzufrieden und erbittert über die kirchliche Prachtentfaltung, über die zweifelhafte Moral der Kleriker, über die Abwertung von Ämtern zu Pfründen, über die Veräußerlichung der Religion und den Dogmenzwang, und über den Umgang mit Ab-lass, Beichte und Buße, mit denen die Menschen ihr Seelenheil zu erreichen suchten.

Bedeutender Vorbereiter der Reformation war die humanistische Bewegung. Sie atta-ckierte den geistigen und sittlichen Verfall sowie den Machtmissbrauch der Kirche und strebte die Rückkehr zu den Quellen des Christentums an. Das Betreiben klassischer Sprachstudien, auch des Hebräischen, ermöglichte wieder das Lesen der Bibel in den Ursprachen. Führender Kopf der Humanisten war Erasmus von Rotterdam. 1516 veröf-fentlichte er den griechischen Urtext des Neuen Testaments. Ein Vergleich mit der von der Kirche benutzten lateinischen Übersetzung ergab bei ihr an vielen Stellen grobe Un-genauigkeiten, die von großer theologischer Bedeutung waren. Große Verbreitung fand auch sein Erbauungsbuch „Enchiridion militis Christiani“ (Handbüchlein eines christ-lichen Streiters, 1503, zweite Auflage 1518), mit dem er sich an die gebildeten theologi-schen Laien als wahren Schatz der Kirche wandte.

Obwohl es schon früher Versuche gab, die Kirche zu erneuern, wurde erst das 16. Jahrhundert zum Zeitalter der Reformation. In ihrem Ergebnis entstanden gleich mehrere protestantische Kirchen. Als protestantisch (oder auch als evangelisch) gelten alle christlichen Kirchen, Freikirchen und Gemeinschaften, die in der Tradition der Reformation(en) des 16. Jahrhunderts stehen. Hierzu zählen zum Beispiel die Lutheri-sche Kirche, die Re formierten Kirchen, die Kirche der Böhmischen Brüder und die Me-thodistische Kirche.

1.1 Reformatoren der ersten Generation

Zwei Männer standen in der Anfangsphase der Reformation an der Spitze der Erneue-rungsbewegung. Sie handelten aus unterschiedlichen Motiven, an unterschiedlichen Or-ten und unter unterschiedlichen Bedingungen. Obwohl beide, der Deutsche Luther und der Deutschschweizer Zwingli, die römische Kirche nur erneuern wollten, mussten sie ihr jeweils eigenes Kirchenwesen aufbauen. So bekam die Reformation mehrere Gesichter.

Martin Luther (1483–1546) suchte Antwort auf die Frage: Wie finde ich Gnade vor Gott? Nach intensiver Auslegung der biblischen Schriften entwickelte er seine Rechtfertigungs-lehre, derzufolge alle Menschen Sünder sind und allein durch den Glauben Gnade fin-den. Aus dieser Erkenntnis heraus prangerte er die Missbräuche beim Bußsakrament an und formulierte seine Kritik 1517 in den 95 Thesen zum Ablass. In den folgenden Jahren weitete sich die Auseinandersetzung mit der Kirche auf weitere Bereiche aus. Da der Papst, die Bischöfe und der Kaiser bei der angestrebten Kirchenreform versagten,

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hielt sich Luther an die weltliche Obrigkeit, um kirchliche Missbräuche zu unterbinden und den Kultus und die Ausbildung der Geistlichkeit zu reformieren. Die Landesherren übernahmen nun die kirchliche Regierungs- und Gesetzgebungsgewalt. Theologisch ist dies zu begründen mit dem biblischen Gemeindebild von Hirt und Herde.

Mit dem Augsburger Reichstag 1530 begann die konfessionelle Eigenständigkeit der Lutheraner. Wittenberg mit seiner Universität und seinen etwa 2 000 Einwohnern wur-de zum Zentrum der lutherischen Reformation („deutsches Rom“). Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts war der Ausbau des lutherischen landesherrlichen Staatskirchenwesens vollendet – und Deutschland konfessionell gespalten.

Für Luther war die Heilige Schrift die letzte, oberste und einzige Autorität kirchlicher Lehre und Verkündigung. Auf dieser Grundlage erarbeitete Bekenntnisschriften dienen dann als Lehrnorm. Heilsnotwendige Mittel sind nur noch Taufe und Abendmahl.

Luther verfasste viele Kommentare, theologische Schriften, Katechismen (den Gro-ßen für die Geistlichen, den Kleinen für das einfache Volk) und eine große Sammlung Kirchenlieder. Durch die Übersetzung der Bibel (1522 Neues Testament, 1534 Altes Tes-tament) wurde er zum Schöpfer der neuhochdeutschen Sprache. Er kämpfte nicht nur gegen die römische Kirche, sondern grenzte sich auch schroff gegen andere Reformer und Humanisten ab (Karlstadt, Thomas Müntzer, Huldrych Zwingli, Johannes Oekolam-pad, Erasmus von Rotterdam). Er verurteilte die politischen und sozialen Aufstände der Ritter und Bauern, die sich auf seine Lehre beriefen. Widerstand gegen die Obrigkeit war ihm unzulässig. Gegen Juden (Wider die Juden und ihre Lügen, 1543) und Türken bezog er radikale Positionen. Vor allem seine antisemitischen Äußerungen hatten Nach-wirkungen auch in späterer Zeit.

Die Ausbreitung der lutherischen Reformation blieb im Wesentlichen auf den Ost-seeraum beschränkt. Nach Luthers Tod kam es verstärkt zu Lehrstreitigkeiten innerhalb der lutherischen Kirche. Mit der Konkordienformel (1577) und der Zusammenstellung aller lutherischen Bekenntnisse im Konkordienbuch (1580) war die Bekenntnisbildung im Luthertum abgeschlossen.

Philipp Melanchthon (1497–1560) wurde zu einem prägenden Wortführer der lutheri-schen Reformation, hatte aber ein eigenes theologisches Profil. Er war um die Synthe-se von Humanismus und Reformation bemüht. Seine Religionsgespräche mit der alten Kirche scheiterten jedoch. In den „Loci communes rerum theologicarum“ (Theologische Grundbegriffe) fasste er 1521 die neu verstandene biblische Botschaft erstmals systema-tisch zusammen. 1530 stellte er die Lehre des Luthertums in der „Confessio Augustana“ mit nur geringen Abweichungen zur römischen Kirche dar. In der Abendmahlslehre und anderen Aspekten geändert, erschien sie 1540 als „Confessio Augustana variata“, die Calvin beim Religionsgespräch in Regensburg 1541 mit unterschrieb. Das höhere Bildungswesen gestaltete er neu.

Der bedeutendste lutherische Theologe verzichtete auf unnötige Polemik. Er war zu der Einsicht gelangt, dass sich oftmals gerade die zentralen Fragen des Glaubens und der Existenz nicht formulieren und definieren lassen. Er bemühte sich um einen Brü-ckenschlag zu den Reformatoren in der Schweiz. Um der gemeinsamen Sache willen zeigte er Entgegenkommen in Bereichen außerhalb der Mitte des Evangeliums. Das brachte ihm Gegner im eigenen Lager ein. Seine Anhänger wurden in der zweiten Hälf-

Die Herausbildung des reformierten Protestantismus

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te des 16. Jahrhunderts von orthodoxen Lutheranern kritisiert und zum Teil bekämpft. Seit 1539 war er Calvin freundschaftlich verbunden. Der deutsche reformierte Protestan-tismus erhielt Anstöße aus seinem Erbe.

siehe auch ➞ Kapitel 6.2

Huldrych Zwingli (1484–1531) trieb nach 1519, unabhängig von den Vorgängen im Deut-schen Reich, die Reformation in der Schweiz voran. Im deutschsprachigen Zürich strebte er die Umgestaltung von Kirche und Gesellschaft nach dem Vorbild der Heili-gen Schrift an. Seine grundsätzliche Frage lautete: Wie kommen wir zu einer gerechten Gesellschaft? Die selbständige Stadtrepublik Zürich wurde zum Vorbild für den Aufbau eines ratsherrlichen reformierten Staatskirchenwesens. Nach seiner Auffassung verhal-ten sich Kirche und Staat wie Seele und Leib, somit sind Religion und Politik nicht zu trennen. Kirche und Staat erfüllen zwei Funktionen derselben Gemeinschaft. Die Kirche verkündet das Evangelium, der städtische Rat regelt als christliche Obrigkeit alle Ange-legenheiten kirchlicher Lehre und kirchlichen Lebens.

Zwingli befasste sich mit theologischen, praktischen und politischen Fragen. Seine „Auslegung und Begründung der Schlussreden“ (Schlussreden sind seine Thesen für die 1. Zürcher Disputation) von 1523 ist die maßgebende Darlegung seiner reformato-rischen Theologie in deutscher Sprache. 1525 schrieb er sein theologisches Hauptwerk, die umfassende reformatorische Dogmatik „Commentarius de vera et falsa religione“ (Kommentar über die wahre und falsche Religion; später noch erweitert). Die 1525 er-

1484 1.1., Geburt in Wildhaus (Gft. Toggenburg)1498/1506 Studium in Wien und Basel1506 Priesterweihe1516 Beginn der persönlichen reformatorischen „Wende“1519/31 Leutpriester am Großmünster in Zürich1519 Erkrankung an der Pest1522 Heirat mit Anna Reinhart1523 Zwei Zürcher Disputationen; Erläuterung seiner

67 „Schluss reden“; „Kurze, christliche Einleitung“1524 Bilder und Statuen werden aus Zürichs Kirchen entfernt1524/29 Beteiligung an der Zürcher Bibel1525 „Commentarius de vera et falsa religione“ (Kommentar

über die wahre und falsche Religion); Armen-, Abend-mahls- und Eheordnung; Eröffnung des Bibelseminars „Prophezei“

1528 Berner Disputation, Zürcher Kirchenordnung1529 Marburger Religionsgespräch mit Luther1530 „Fidei ratio“ (Rechenschaft des Glaubens)1531 „Christianae fi dei expositio“ (Erklärung des christlichen

Glaubens)1531 11.10., Tod als Feldprediger in der Schlacht bei Kappel am

Albis

Bronzestatue am Limmatufer vor dem Chor der Wasserkirche in Zürich, 1885 von Heinrich Natter. Foto (2003): Manfred Ziegele, CH-8118 Pfaffhausen.

Huldrych [Ulrich] Zwingli, Reformator Zürichs

Reformatoren der ersten Generation

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öffnete „Prophezei“ war Um- und Ausbildungsstätte für evangelische Pfarrer und Wiege der ersten deutschen Vollbibel, die bis 1529 erschien. Auf Zwingli berufen sich heute hauptsächlich noch Reformierte Kirchen der Deutschschweiz.

Seit 1524 wurde innerhalb der reformatorischen Bewegung, vor allem in der Schweiz und in Südwestdeutschland, eine von Luther abweichende Deutung der Einsetzungswor-te bei der Abendmahlsfeier vertreten. Zwingli sah das Abendmahl als eine symbolische Gedächtnishandlung an. Demzufolge scheiterte 1529 das Marburger Religionsgespräch mit Luther an der Frage der Gegenwart Christi beim Abendmahl, was zur Spaltung des Protestantismus in einen lutherischen und einen reformierten Zweig führte. Damit scheiterte auch ein politisches Bündnis aller Protestanten. Mit seiner „Fidei ratio“ (Re-chenschaft des Glaubens, 1530) grenzte sich Zwingli deutlich gegen Katholizismus und Luthertum ab.

Für Zwingli war Widerstand gegen den Kaiser ein normales Verhalten. Widerstand gegen eine gottlose Obrigkeit wurde akzeptiert. Geldverleih gegen Zins – maximal 5 %, anstelle sonst üblicher 25–50 % – war nach Zwingli nun auch Christen erlaubt, er war bislang wegen des Zinsverbots für Christen vorwiegend den Juden vorbehalten.

LiteraturGäbler, Ulrich: Huldrych Zwingli. Eine Einführung in sein Leben und Werk. Berlin 1985. Zürich 32004Himmighöfer, Traudel: Die Zürcher Bibel bis zum Tode Zwinglis (1531). Mainz 1995 Locher, Gottfried Wilhelm: Die Zwinglische Reformation im Rahmen der europäischen Kirchengeschichte. Göt-

tingen/Zürich 1979Locher, Gottfried Wilhelm: Zwingli und die schweizerische Reformation. Göttingen 1982Mau, Rudolf: Evangelische Bewegung und frühe Reformation 1521 bis 1532. Leipzig 2000Oberman, Heiko Augustinus: Luther. Mensch zwischen Gott und Teufel. Berlin 1982Oehninger, Robert Heinrich: Das Zwingliportal am Großmünster in Zürich. Zürich 32004Scheible, Heinz: Melanchthon. Eine Biographie. München 1997Stephens, Peter William: Zwingli. Einführung in sein Denken. Zürich 1997 (engl. Ausgabe 1992)

1.2 Reformatoren der zweiten Generation

Die Reformatoren der zweiten Generation verliehen der Reformation um die Mitte des 16. Jahrhunderts eine neue Dynamik. Hier sind vor allem zwei Männer zu nennen: der Deutschschweizer Bullinger und der Franzose Calvin. Wie Zwingli beschränkten sie sich nicht auf die individuelle Heilsfrage und auf die Erneuerung der Verkündigung und des Gottesdienstes, sondern bezogen auch das Gemeinwesen mit in die Reformation ein, um eine moralische Erneuerung der Christenheit zu erreichen. Außerdem schuf Calvin bislang unbekannte kirchliche Strukturen.

siehe auch ➞ Kapitel 6.1

Martin Bucer (1491–1551) war nach Zwinglis Tod die Führungsgestalt der Reformation im süddeutschen Raum und galt als schöpferisches Genie der Reformierten Kirche. Er re-organisierte das Schulwesen, durch ihn wurde die (von ihm so benannte) Konfirmation als Bekenntnis- und Segenshandlung eingeführt. Als Reformator der deutschen Reichs-stadt Straßburg/Elsass setzte er die Idee des Baslers Reformators Oekolampad von der

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Mitarbeit der Laien in der Führung der Kirchgemeinde in die Praxis um. Er versuchte jedoch vergeblich, das ganze Leben der Gesellschaft mit einer normierten kirchli chen Frömmigkeit zu durchdringen. 1538 holte er Calvin nach Straßburg. Dieser erhielt hier viele Anregungen durch Bucers Theologie, Liturgie und Kirchenordnung. Das Mo dell der vier Ämter in der Gemeinde übernahm Calvin später in die Genfer Kirchenord-nung.

Bucer bemühte sich unermüdlich, die reformatorische Bewegung zu einen. Er schei-terte aber an den unterschiedlichen Auffassungen über das Abendmahl. Auch sein Ver-such, die gesellschaftliche und kirchliche Einheit zwischen Katholiken und Protestanten wiederherzustellen, blieb erfolglos. Mit der von ihm 1536 erreichten Wittenberger Kon-kordie einigten sich die Oberdeutschen mit Luther schließlich in der Abendmahlsfrage. In England nahm Bucer Einfluss auf die Reorganisation der Anglikanischen Kirche.

siehe auch ➞ Kapitel 6.2

Heinrich Bullinger (1504–1575), Zwinglis Nachfolger in Zürich, war Bewahrer und zu-sammen mit Calvin maßgebender Baumeister des reformierten Protestantismus. Beide bildeten die kirchenpolitisch wichtige Verbindung Genf – Zürich. Bullinger hatte großen Einfluss auf Ausbreitung und Festigung, Verfassung, Theologie und Bekenntnis der Re-formierten Kirchen und damit auch auf die politische und gesellschaftliche Entwicklung von Teilen Europas. 1549 einigte er sich mit Calvin im Consensus Tigurinus (Zürcher Übereinkunft) in der wichtigen Abendmahlsfrage. Die theologische Einigung der ver-schiedenen Schweizer Reformierten Kirchen gelang 1566 mit der „Confessio Helvetica posterior“ (Zweites Helvetisches Bekenntnis), Grundlage war Bullingers privates Glau-

Halle/Saale. Reformationsrelief der Evangelisch-reformierten Domgemeinde, 1913 von Fritz Mänicke, ca. 4,80 m breit.

Ehemals an der Wand des Gemeindehaussaales, in den 1960er-Jahren zerstört. Rechts die Reformatoren von Straßburg, Genf und Zürich: Martin Bucer, Johannes Calvin, Huldrych Zwingli. Links die Verfechter der Reformation, militärischen Führer und Politiker: Gaspard de Cologny, Wilhelm I. von Oranien, Oliver Crom-well. In der Mitte eine Palme mit der Inschrift Curvata resurgo (lat., trotz Unterdrückung richte ich mich auf). Die Palme ist ein gern benutztes christliches Sinnbild. Sie weist auf den Sieg der Märtyrer über den Tod und auf den Einzug ins Paradies hin. Flankiert war das Relief von Medaillons Luthers und Melanchthons, die den Boden für die reformierte Reformation mit bereiteten.

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bensbekenntnis von 1562. Diesem umfangreichsten Bekenntnis, das die Einheit der Kir-chen betont, schlossen sich viele Reformierte Kirchen an: 1566 Schottland, 1567 Ungarn, 1570 Polen, 1571 Frankreich auf der Synode von La Rochelle. Auch die presbyterianische Kirche in den USA wurde dadurch geprägt.

Anfänglich predigte Bullinger sechsmal wöchentlich, später dreimal. Insgesamt pre-digte er etwa 7 000-mal. Wie Zwingli erklärte er ganze biblische Bücher. Wie kein an-derer reformierter Theologe veröffentlichte er viele Predigten. Sein lehrmäßiges Haupt-werk, die Dekaden (50 Lehrpredigten) von 1549/52, die berühmteste Predigtsammlung des reformierten Protestantismus, wurde auch in anderen Ländern gerne als Hausbuch gelesen. Als Mann des Ausgleichs war sein Motto: raten, ermuntern, aufrichten, trö-sten. Großen Einfluss erlangte er durch seinen europaweiten Briefwechsel (erhalten sind 12 000 Briefe, davon 2 000 von ihm) und seine Bücher.

siehe auch ➞ Kapitel 3 und 6.2

Johannes Calvin (1509–1564) ergänzte die Glaubensreformation um die Reform des Kir-chenwesens und der Lebensführung. Er entwickelte ein Kirchenmodell, das sich grund-legend von Luthers und Zwinglis Modell der mittelalterlichen Übereinstimmung von Kirch- und Bürgergemeinde unterschied. Unter dem Eindruck der Konflikte zwischen der Kirche und der Obrigkeit in Frankreich schuf er die von der weltlichen Obrigkeit unabhängige Gemeindekirche. Diese konnte auch ohne staatlichen Schutz bestehen und entsprach so am besten Verfolgungssituationen. Die Verbindung zwischen den einzel-nen Kirchgemeinden wurde durch Synoden gewährleistet.

Die Kirchgemeinde wurde von einer Gruppe gleichberechtigter Theologen und Nicht-theologen geleitet. Entsprechend unterschiedlicher Gnadengaben und Aufgaben gab es vier Ämter: Prediger (Wortverkündigung, Verwaltung der Sakramente), Lehrer (Schrift-auslegung, Unterricht), Älteste (Gemeindeleitung, Kirchenzucht) und Diakone (Armen- und Krankenfürsorge). Diese gewählten Vertreter bzw. die Gemeinden selbst berieten und entschieden nach dem Hören auf Gottes Wort über die Belange der Gemeinde. Eine solche Kirchenorganisation fand in ihren Grundzügen weite Verbreitung. Sie half später auch den Weg zu den bürgerlichen Demokratien der Neuzeit ebnen.

Als französischer Glaubensflüchtling ließ sich Calvin in der Schweiz nieder. Im fran-zösischsprachigen Genf mit seinen mehr als 10 000 Einwohnern baute er eine Kirche auf, die zum Staat auf Distanz ging. Staat und Kirche hatten eigene Zuständigkeiten. Aufgabe der Kirche war es, Gottes Wort zu verkündigen und die Sakramente zu ver-walten. Geistliche und staatliche Rechtsprechung waren getrennt. Ein mit einer hohen Kirchenstrafe Belegter hatte aber auch mit „weltlichen“ Strafen zu rechnen, z.B. der Ausweisung aus der Stadt. Ebenso wurde, damals völlig selbstverständlich, ein Verge-hen gegen den Staat auch als Sünde gegen Gott geahndet. So waren in Genf Staat und Kirche in den Ämtern, nicht aber in den Sachgebieten getrennt. Bis 1555 lag Calvin im Streit mit der politischen Autorität, dem Magistrat, die der Kirche Befugnisse überlassen oder entziehen konnte. Auch danach konnte er nicht alle seine Vorstellungen durch-setzen, so erhielt er z.B. nur die Zustimmung zu vier Abendmahlsfeiern im Jahr. Eine Vormundschaft der Kirche über den Staat strebte er nicht an.

Calvin setzte sich für die Verständigung unter den verschiedenen reformatorischen Kirchen ein. Gemeinsam mit Bullinger gelang ihm nach fast zehnjährigem Bemühen

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die Annäherung der Standpunkte der beiden großen Zentren Zürich und Genf in der Abendmahlsfrage. Sie schrieben 1549 im Consensus Tigurinus (Zürcher Übereinkunft, 26 Artikel) fest, dass das Abendmahl zur äußeren Besiegelung des inneren, unsichtbaren Wirkens des Heiligen Geistes dient. Dieser Konsens grenzte sich deutlich ab sowohl von der römischen Kirche (Wandlung der Substanz von Wein und Brot beim Messopfer, Sakramentsverehrung) als auch von Luther (Gnadenmittel, im Brot und Wein Empfang von Leib und Blut Jesu Christi). Andere Differenzen mit Zürich, z.B. über das Verhält-nis von Staat und Kirche, blieben bestehen. Der Konsens gilt als Geburtsurkunde des reformierten Protestantismus.

Besonders am Herzen lag Calvin das Schicksal der in seiner Heimat entstehenden reformierten Gemeinden. Der Reformierten Kirche Frankreichs lieferte er den Entwurf

1509 10.7., Geburt in Noyon/Nordfrankreich als Jean Cauvin1523/28 Collège-Student in Paris 1528/31 Jura- und Griechisch-Studium in Orléans und Bourges1531/34 Sprachstudien, autodidaktisch theol. Studien, Hinwen-

dung zur Reformation1534 Flucht aus Frankreich1535 Aufenthalt in Basel1536 lat. „Unterweisung in der christlichen Religion“ (Christia-

nae Religionis Institutio)1536/38 erstes Wirken in Genf als theol. Lehrer und Prediger 1536/37 erste Erarbeitung von Kirchenordnung, Katechismus und

Glaubensbekenntnis1538/41 Prediger der frz. Flüchtlingsgemeinde in Straßburg/El-

sass; Theol. Lehrer1539 2. Aufl age der „Unterweisung“; Antwort an Kardinal Sado-

let; Kommentar zum Römerbrief 1540/41 Teilnahme an Religionsgesprächen in Deutschland 1540 Heirat mit Idelette de Bure (van Buren, gest. 1549)1541/64 zweites Wirken in Genf1541 Einführung der Kirchenordnung; „Unterweisung“ in Fran-

zösisch 1542 Genfer Katechismus und Gottesdienstordnung1545/55 starker Widerstand gegen ihn in Genf1545 Genfer Katechismus in Latein1549 Zürcher Übereinkunft (Consensus Tigurinus)1555 beginnende Dominanz seiner Anhänger in Genf1557 Psalmenkommentar 1559 letzte Fassung der „Unterweisung“; Gründung der Genfer

Akademie; er erhält das Genfer Bürgerrecht1561 endgültige Fassung der Kirchenordnung (Ordonnances

ecclésiastiques)1562 vollständiger Genfer Psalter (Hugenottenpsalter)1564 27.5., Tod in Genf, wunschgemäß keine Grabkennzeich-

nung

Calvin im Alter von 53 Jah-ren.Zeitgenössischer Kupfer-stich (1562) von René Boyvin (~1525–1580/89). Es zeigt ihn mit einem fl achen Barett (mit Ohrenklappen), wie es zumeist von Gelehrten getragen wurde. Oberhalb sein Lebensmotto in Latein: entschlossen und ehrlich.

Johannes Calvin[us] (Jean Cauvin)

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zu ihrer Bekenntnisschrift und die Grundlage für ihre Kirchenordnung. Die 1559 ge-gründete Genfer Akademie ermöglichte die Predigerausbildung für Frankreich und ande-re Länder und förderte so die Verbreitung von Calvins Lehre. Sein Genfer Katechismus (1542) wurde Vorbild für alle weiteren reformierten Bekenntnisschriften. Von größter Bedeutung waren auch die Genfer Bibel und der Genfer Psalter.

Calvins Hauptwerk „Christianae Religionis Institutio“ (Unterweisung in der christlichen Religion) wurde zur maßgebenden Dogmatik für die Reformierten Kirchen. Die Ehre Gottes stand für ihn an zentraler Stelle, sie durfte nicht angetastet werden. Den Ruhm und die Ehre Gottes zu mehren, dazu sollten die Werke eines jeden Christen dienen. Die schon bei Luther zu findende Lehre von der unergründlichen, unbeeinflussbaren göttlichen Gnadenerwählung von Menschen stand bei ihm ebenso an vorderster Stelle. Die Erwählung lässt sich nicht durch menschlichen Verdienst erlangen, sie ist aber am Verhalten und Handeln des einzelnen Menschen zu erkennen. So wurden die Menschen zu Taten des Glaubens und der Liebe angespornt, zu persönlicher Bescheidenheit und Tüchtigkeit, zu Selbständigkeit und Gemeinsinn. Calvin billigte das Widerstandsrecht, wenn staatliche oder kirchliche Autoritäten gegen Gottes Willen verstießen. Er untersagte nicht den Geldverleih, verurteilte aber Wucherzinsen.

Calvin hielt pro Jahr etwa 240 Predigten, 200 Bibelstunden und Vorlesungen und Seminarübungen. Bis 1563 war er Leiter der Genfer Kirche. Durch einen umfangreichen Briefwechsel (erhalten sind 4 300 Briefe, davon 1 370 Briefe von ihm selbst) erreichte er eine große Breitenwirkung. Er verfasste mehrere Streitschriften („Erwiderungen“) über die recht verstandene und richtig handelnde Kirche, die sich an eine breite Leserschaft in protestantischen Kreisen richteten. Seine französischen Texte gelten als Meisterwerke, er hat das moderne Französisch mit geformt.

Die Stadt Genf war ab Mitte des 16. Jahrhunderts für einige Zeit die Zentrale des euro päischen Protestantismus. Calvins Lehre wurde weitgehend bestimmend für das refor-mierte Christentum und beeinflusste auch die soziale, wirtschaftliche und politische Ent-wicklung in der Welt. Seine internationale Ausbreitung begann nach Calvins Tod; in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Europa, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in der Neuen Welt. Jetzt entstanden auch in anderen Ländern an den Akademien bzw. Universitäten Hochburgen des Reformiertentums: Leiden, Heidelberg, Herborn, Montau-ban, Saumur, Sedan. Damit sank aber die internationale Bedeutung Genfs.

Calvins Siegel. Es zeigt seine Lebenshaltung: „Da ich weiß, dass ich nicht mein eigener Herr bin, bringe ich mein Herz gleichsam ertötet dem Herrn zum Opfer dar“. Falls die Buchstaben JC vorhanden sind, werden sie als Jesus Christ gedeutet, dem Mittler zwischen Gott und den Menschen, dem Calvin sein Herz übergibt. – Siegel dienten dazu, Briefe zu verschließen, dem Überbringer nicht den Absender zu verra-ten, dem Empfänger aber den Briefschreiber anzuzeigen. Um Frem-den den Briefschreiber nicht zu offenbaren, verwendete Calvin Pseudo-nyme, aber auch Anagramme von Calvinus (Alcuinus, Lucanius).

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Calvin war einer der angefeindetsten Menschen seiner Zeit. Die römische Kirche und die lutherische Orthodoxie sahen durch ihn ihre Einflusssphären bedroht. Sie verleum-deten ihn und seine Lehre. Das führte zur Herausbildung festgefügter Vorurteile.

Theodor Beza (1519–1605) wurde nach Calvins Tod Führer der Reformation in Genf. Der französische Theologe widmete seine Kraft der Erhaltung und Festigung der Genfer und der Reformierten Kirche. Er war erster Rektor der Genfer Akademie. Um 1560 weilte er mehrmals in Frankreich und war in ihren Anfangsjahren die anerkannte Autorität der Reformierten Kirche Frankreichs. Die Prädestinationslehre baute er zu einem nach-vollziehbaren System aus. Seine reformierte kommentierte lateinische Übersetzung des Neuen Testaments aus dem Griechischen (1588) hatte bis 1965 über 150 Auflagen.

Literatur weitere Calvin-Literatur ➞ Kapitel 3Blanke, Fritz; Immanuel Leuschner: Heinrich Bullinger. Vater der reformierten Kirche. Zürich 1990Busch, Eberhard u.a. (Hg.): Calvin-Studienausgabe. Neukirchen-Vluyn 1994–2008. Bd.1.1+1.2: Reformatorische

Anfänge. Bd.2: Gestalt und Ordnung der Kirche. Bd.3: Reformatorische Kontroversen. Bd.4: Reformatorische Klärungen. Bd. 5.1 + 5.2: Der Brief an die Römer. Ein Kommentar. Bd. 6: Der Psalmenkommentar.

Büsser, Fritz: Heinrich Bullinger. Leben, Werk und Wirkung. 2 Bde. Zürich 2004/05Calvin, Jean: Christliche Unterweisung. Der Genfer Katechismus von 1537. Gütersloh 1978Calvin, Johannes: Institutio Christianae Religiones – Unterricht in der christlichen Religion. Hg. von Otto Weber.

Neukirchen-Vluyn 62005Campi, Emidio u.a.(Hg.): Der Nachfolger Heinrich Bullinger (1504–1575). Zürich 2004 (Ausstellungskatalog)Dankbaar, Willem Frederik: Calvin. Sein Weg und Werk. Hamburg 1976Doumergue, Émile: Jean Calvin. Les hommes et les choses dans son temps. 7 Bde. Lausanne 1899–1917. Neuilly-

sur-Seine 1926/27 (Neuaufl age)Fatio, Olivier: Theodor Beza. In: Martin Greschat (Hg.): Gestalten der Kirchengeschichte. Bd. 6: Reformationszeit

II. Stuttgart/Berlin/Köln 1984 (Nachdruck 1993)Gloede, Günter: Calvin. Weg und Werk. Leipzig 1953

1519 24.6., Geburt in Vézelay (Burgund) 1535/39 Jurastudium 1548 Flucht aus Frankreich1549/64 offi ziell aus Frankreich verbannt1549/58 Griechisch-Professor an der Akademie Lausanne 1559 Zusammenfassung seiner Theologie in „Confession de la

foy chrestienne“1559/98 Professor bzw. Rektor der Genfer Akademie 1560/63 längere Aufenthalte in Frankreich1563/80 Moderator der Genfer Prediger 1570 Tractationes theologicae 1570 u. 76 „Quaestiones et responsiones christianae“ (Christl. Fra-

gen und Antworten)1571 Leiter der Nationalsynode in La Rochelle/Frankreich1586 Religionsgespräch in Mömpelgard1587 Einrichtung eines Lehrstuhls für dogmat. Theologie 1605 13.10., Tod in Genf. Grab in der Kathedrale Saint-Pierre

Zeitgenössischer Kupferstich.

Theodor Beza (Théodore de Bèze)

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Greschat, Martin: Martin Bucer. Ein Reformator und seine Zeit. 1491–1551. München 1990Lange, Albert de: Martin Bucer (1491–1551). Auf der Suche nach Wiederherstellung der Einheit. Ubstadt-Weiher

2001Locher, Gottfried Wilhelm: Johannes Calvin. In: Klaus Scholder, Dieter Kleinmann (Hg.): Protestantische Profi le.

Lebensbilder aus fünf Jahrhunderten. Königstein/Ts. 1983McGrath, Alister E.: Johann Calvin. Eine Biographie. Zürich 1991. Ders.: Life of John Calvin. A Study in the Shaping

of Western Culture. Oxford 1990Müller, Patrik: Heinrich Bullinger. Reformator, Kirchenpolitiker, Historiker. Zürich 2004Nijenhuis, Willem: „Calvin“-Artikel im Lexikon TRE4 Bd.7 (1982) Seite 568–592Oberman, Heiko Augustinus: Zwei Reformationen. Luther und Calvin – Alte und Neue Welt. Berlin 2003Schwarz, Rudolf (Hg.): Johannes Calvins Lebenswerk in seinen Briefen. 3 Bde. Neukirchen 1961/62Spijker, Willem van ’t: Calvin. Biographie und Theologie. Göttingen 2001

1.3 Was ist evangelisch-reformiert?

Reformiert bedeutet „erneuert, umgestaltet, von Missbräuchen gereinigt“ und bezeichnet die Erneuerungsbewegung innerhalb der Kirche des 16. Jahrhunderts. Zwar scheiterte der Versuch, die alte Kirche zu erneuern, aber es gelang, eine eigene erneuerte Kirche aufzubauen. Dabei umfasste der Begriff „reformiert“ ursprünglich die gesamte Bewegung der Reformation. Da der lutherische Zweig den Namen seines Reformators annahm, blieb die Bezeichnung reformiert bei den Kirchen, deren Charakter von der Deutschschweiz (durch das Wirken von Zwingli und Bullinger in Zürich), der französischsprachigen Schweiz (durch Calvin in Genf) und der Pfalz (Heidelberger Katechismus) geprägt ist. Trotz mancher Unterschiede gibt es ein breites Spektrum von Gemeinsamkeiten bei den zahlreichen Kirchen des reformierten Protestantismus.

Reformiert ist die bewusste Rückbesinnung auf die Alleingeltung der Bibel – mit ihrem unverfälschten ursprünglichen Text – und das frühe Christentum. Es ist das Zu-rückformen der Kirche auf ihren Ursprung, auf das im Alten und Neuen Testament enthaltene Gotteswort, und damit die bewusste Abkehr von den angehäuften Fehlent-wicklungen der alten Kirche. Die Einheit beider Bibelteile wird betont. Somit steht „re-formiert“ abkürzend für „nach Gottes Wort reformiert“. Die Reformierten Kirchen hal-ten sich konsequent an den Grundsatz: Das Wort allein, das ganze Wort, nichts als das Wort (Wort = das Gotteswort der Bibel). Die herausragende Bedeutung des Wortes und die Auffassung von der Rechtfertigung des Sünders nicht durch Werke, sondern allein durch die Gnade hat auch theologische und praktische Konsequenzen.

Reformierter Gottesdienst ist Wortgottesdienst. Die Predigt über einen Bibeltext, den der Prediger frei wählt, steht beherrschend im Mittelpunkt. Deshalb ist die Kanzel das räumlich Zentrum. Bibellesung, Lieder und Gebete zielen auf die Predigt hin. Eine Li-turgie nach Art der Messe gibt es nicht. Das weltweite Reformiertentum kennt keine einheitliche Agende, keine uniformierte Gottesdienst- und Abendmahlsgestaltung.

Die zentrale Stellung von Gottes Wort hat auch Einfluss auf das Verständnis der beiden Sakramente Taufe und Abendmahl. Sie gelten als bestätigende Zeichen der zu-gesagten Gnade Gottes, haben aber keinen eigenen Heilscharakter. So ist Reformierten die Nottaufe durch einen theologischen Laien ebenso unmöglich wie eine Verehrung der Abendmahlselemente. Beim Abendmahl nehmen die Gemeindeglieder selbst – und nie

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kniend, weil es als Anbetung der Abendmahlselemente gedeutet werden könnte – das gebrochene Brot (kein Hostie!) und den Kelch mit dem Wein; aus hygienischen Grün-den ist es heute häufig ein Einzelkelch. Dabei weisen sie den Abendmahlsworten „Das ist mein Leib …“ keine buchstäbliche Bedeutung zu.

Auch bei der Gestaltung des Kirchenraumes ist das Besinnen auf das Wesen des bi b lischen und frühchristlichen Gottesdienstes erkennbar. Er ist schlicht, aber nicht schmucklos, kein kultischer Sakralraum, sondern Versammlungsraum der unter dem Wort Gottes versammelten Gemeinde. Deshalb ist er auch nie „geweiht“, d. h. zum Sa-kralraum erklärt, sondern wird nur in Nutzung genommen („eingeweiht“). So können in ihm auch weltzugewandte Veranstaltungen stattfinden. Reformierte nehmen das zweite biblische Gebot über die Bilderlosigkeit ernst („Du sollst dir kein Gottesbild machen …“, 2Mose 20,4), das in die Katechismen anderer christlicher Kirchen nicht aufgenommen wurde. Deshalb gibt es im Kirchenraum keine symbolischen und bildlichen Darstel-lungen reli giösen Inhalts, erst recht nicht als Gegenstand der Anbetung und Verehrung. Ein Kruzifix sucht man vergeblich, selbst einfache Kreuze oder Kerzen sind selten. Le-diglich manchmal findet man als Raumschmuck eine stilisierte Bibel oder eine Tafel mit den Zehn Geboten, teilweise ergänzt durch das neutestamentliche Doppelgebot der Liebe (Mt 22,37–39). Einen Altar (Opfertisch) gibt es nicht. Denn nach dem Neuen Te-sta ment gibt es nur den einen Altar auf Golgatha, wo Christus ein für alle Mal für die menschlichen Sünden mit seinem Blut bezahlt hat (Hebr 7,27); Opfer braucht man also in der Kirche nicht mehr zu erbringen. Der schlichte Abendmahlstisch, hinter dem der Prediger mit Blickrichtung zur Gemeinde steht, befindet sich möglichst inmitten der Gemeinde. Die Sitzreihen sind auf den Platz des Predigers ausgerichtet (Kanzelorien-tierung), günstig ist also ihre halbkreisförmige Anordnung. Der mittlere Block ist un-geteilt (bei anderen Konfessionen führt der Mittelgang zum Altar und trennte früher auch die Geschlechter).

Die vielfach verkannte Lehre von der Prädestination, d. h. von der Gnadenwahl Gottes, ist weder das Zentrum reformierter Theologie noch eine besondere reformierte Lehre. Sie ist, weil biblisch, eine allgemein evangelische Lehre. Sie findet sich der Sache nach auch bei Luther. Die Lehre von der so genannten Doppelten Prädestination, nach der die einen von Gott zur Seligkeit, die anderen zur „Verdammnis“ bestimmt sind, ist kei-ne typisch reformierte Auffassung. Bedeutsam ist die reformierte Lehre von der Königs-herrschaft Christi, die alle Lebensbereiche umfasst. Sie steht im Gegensatz zur Zwei-Reiche-Lehre, die das Reich Gottes und das Reich der Welt trennt. Da Christus allein das Haupt ist, ist jede menschliche Herrschaft in der Kirche ausgeschlossen.

Im Laufe der Zeit hat der reformierte Protestantismus verschiedene Ausprägungen erfahren, ohne dabei die gemeinsame Basis und unverzichtbare Merkmale aufzugeben. Er hat jedoch kein gemeinsames Bekenntnis. Seine zahlreichen Bekenntnisschriften neh-men in Abhängigkeit von Ort und Zeit Bezug auf Glaubensfragen und werden auch nicht als dauerhaft gültig angesehen. Sie haben nur dienenden Charakter als Wegweisung zur Bibel. Sie sind konstituierende Lehrschrift und werden in der einzelnen Gemeinde erst verbindlich durch Zustimmung deren ordnungsgemäßen Organe.

Der zweite Eckpfeiler der Reformierten Kirchen ist die presbyterial-synodale Kirchen-ordnung, denn neben dem Bekenntnis benötigt eine Kirche auch eine festgeschriebene Ordnung. Beides zusammen bildet eine aufeinander bezogene Einheit.

Was ist evangelisch-reformiert?

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Reformierte Kirchen sind in erster Linie basisorientierte Gemeindekirchen. Jede Ge-meinde ordnet ihre Angelegenheiten selbst, keine Gemeinde steht über der anderen, kein Amt über dem anderen. Das ist eine Absage an jede Hierarchie und jede Autori-tät in der Kirche lediglich kraft eines Amtes. Kirchliche Zusammenschlüsse (Synoden, Bünde …) vermeiden eine Isolierung, haben aber – in der klassischen Form – keine kirchenleitende Funktion. Dort geht es um Austausch von Erfahrungen, aber auch um gesamtkirchliche Belange, z.B. die Predigerausbildung. Ihre Beschlüsse haben für die Gemeinden nur empfehlenden Charakter, jede Gemeinde akzeptiert sie erst durch ei-genen Beschluss.

Die Reformierten Kirchen kennen drei (vier) Ämter, die die Gemeinde zurüsten und leiten, aber keinen Vorrang begründen: Prediger, Älteste, Diakone (und theologische Leh-rer). Weitere Ämter, z.B. das Bischofsamt, gibt es nicht. Jede Einzelgemeinde wird von einem Presbyterium geleitet und verwaltet (auch Konsistorium genannt), das sich aus dem Prediger (Pfarrer) und den Ältesten (Presbyter, Vorsteher) zusammensetzt. Auch hier hat der Prediger keinen Vorrang und kein Anrecht auf den Vorsitz. Diakone leisten die wichtige Arbeit der Betreuung der Gemeindeglieder, besonders von Alten und Kran-ken. Älteste und Diakone sind – ein wichtiges Merkmal Reformierter Kirchen – theolo-gische Laien. Sie werden für eine beschränkte Zeit von den Gemeindegliedern gewählt. Die Funktion des Lehrers ist auf Gemeindeebene mit dem Predigeramt verschmolzen. Presbyteriale Gemeindeform und synodaler Zusammenschluss trugen anfangs wesentlich dazu bei, das reformierte Kirchenwesen widerstandsfähig zu machen.

Wichtiger als alle Besonderheiten ist aber der Impuls der reformierten Tradition, dass auch die Kirche der täglichen Buße bedarf. Es gilt, immer wieder neu aufzubre-chen, umzukehren und zu bekennen. Eine Reformierte Kirche ist sich bewusst, dass sie sich vom Wort her ständig erneuern muss (lat. ecclesia reformata – semper reformanda). Reformiert-Sein ist aber nicht nur eine Konfession, sondern auch eine Lebenseinstel-lung. So hat die aktive Grundhaltung der Reformierten über den kirchlichen Rahmen hinaus Wirkungen auf ihr gesamtes Leben. Sie spornt die Menschen zu Eigeninitiative, Selbstverantwortung und verantwortlichem Handeln in der Welt an. Zur weltweiten re-formierten Familie gehören heute 75 Millionen Christen in 107 Ländern. Das sind mehr als ihre lutherischen Geschwister auf dieser Erde.

1.4 Reformierte Bekenntnisschriften und Kirchenordnungen

Für Calvin war Kirche Bekenntniskirche, keine Jedermannskirche. Von den unter ver-schiedenen Gegebenheiten entstandenen, auf Gottes Wort hinweisenden vielen Be-kenntnissen haben in der Vergangenheit einige große Verbreitung gefunden bzw. wa-ren Vorbild. Bekenntnisschrift und Kirchenordnung bilden eine untrennbare Einheit. Die Ordnung gibt den Kirchgemeinden ihre Form, die Bekenntnisschriften füllen diese mit Inhalt. Auch Katechismen und besondere „Erklärungen“ können den Rang von Be-kenntnisschriften haben. Der Heidelberger Katechismus und das Zweites Helvetisches Bekenntnis wurden zu verbindenden Dokumenten der reformierten Welt.

Mit der Zeit stellten sich einige wichtige Fragen anders als im 16. Jahrhundert. So haben im 20. Jahrhundert – auch entsprechend weiterführender schriftgemäßer Erkennt-

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nis – besonders reformierte Kirchen nichteuropäischer Länder eine Vielzahl neuer Be-kenntnisse verfasst, um ihrer Kirche im Heute die nötige Orientierung zu geben.Genfer Katechismus von 1542. Calvins Katechismus hatte (fast) lehrgesetzliche Geltung.

Er gehört zu den wichtigsten und für den Unterricht brauchbarsten Bekenntnis-schriften. Er besteht aus 373 Fragen und Antworten für den Katechismusunterricht 10- bis 15-jähriger Kinder. Er ist gültiger Katechismus der französischsprachigen Kir-chen und war Vorbild für andere Katechismen.

Confession de Foy/Confessio gallicana von 1559 (Französisches Bekenntnis, Hugenotten-Be-kenntnis). Es wurde auf der Grundlage einer Genfer Vorlage von der ersten Synode der reformierten Gemeinden Frankreichs beschlossen. Mit seinen 40 Artikeln ist es das erste reformatorische Glaubensbekenntnis der Kirche einer ganzen Nation. Es ist niemals geändert, sondern nur durch zusätzliche Erklärungen französischer Na-tionalsynoden maßgebend ausgelegt worden. Es wurde auch von den Hugenottenge-meinden außerhalb Frankreichs benutzt.

Discipline ecclésiastique (Kirchenordnung). Die 1559 auf o.g. Synode verfasste Ordnung orientiert sich an Calvins Genfer Ordnung. Sie hat Bekenntnisrang. Sie enthält das anzuwendende Kirchenrecht und hatte grundlegende Bedeutung für alle Reformierten Kirchen. Die 40 Paragraphen beschreiben Leitungsstrukturen, Kirchenstrafen und das Familienrecht. Die Ordnung wurde auf den folgenden 28 französischen Nationalsy-noden modifiziert und ergänzt, zum Teil veranlasst durch die veränderten äußeren Verhältnisse, und wuchs in einem Jahrhundert auf 252 Paragraphen. In dieser Fas-sung wurde sie von den Hugenottengemeinden im Ausland benutzt.

Heidelberger Katechismus von 1563. Der am meisten verbreitete Katechismus. Als Bekennt-nis- und Lehrbuch hauptsächlich vom Melanchthonschüler Ursinus verfasst. Er ver-kündet Jesus Christus als den „einzigen Trost im Leben und im Sterben“ und fasst den reformierten Glauben übersichtlich in 129 Fragen und Antworten zusammen, die in drei Abschnitte gegliedert sind: Von des Menschen Elend [Sünde], Von des Menschen Erlösung, Von der Dankbarkeit. Er prägte vor allem in den Niederlanden, am Niederrhein und in Ungarn das Glaubensleben.

Confessio helvetica posterior von 1566 (Zweites Helvetisches Bekenntnis). Es bildet den konfessionellen Abschluss der schweizerischen Reformation. Mit ihm gelang Bullin-ger die theologische Einigung der Schweizer Reformierten Kirchen. Es behandelt in 30 Artikeln alle wichtigen Teile christlichen Glaubens und Lebens. Kein anderes re-formiertes Bekenntnis ist so umfangreich.

LiteraturBusch, Eberhard: Der Freiheit zugetan. Christlicher Glaube heute – im Gespräch mit dem Heidelberger Katechis-

mus. Neukirchen-Vluyn 1998Busch, Eberhard: Reformiert. Profi l einer Konfession. Zürich 2007Faulenbach, Heiner; Eberhard Busch (Hg.): Reformierte Bekenntnisschriften. Bd. 1/1, 1523–1534; Bd. 1/2, 1535–1549;

Bd. 1/3, 1550–1558. Neukirchen-Vluyn 2002; 2006; 2007Heidelberger Katechismus. Revidierte Ausgabe 1997. Neukirchen-Vluyn 32006 Langhoff, Heinz (Hg.): Von Paris über Potsdam nach Leuenberg. Dokumente zum Werden und Weg der refor-

mierten Gemeinden [in der DDR]. Berlin 1984Müller, Ernst Friedrich Karl (Hg.): Die Bekenntnisschriften der reformierten Kirche. In authentischen Texten mit

geschichtlicher Einleitung und Register. Leipzig 1903 (Nachdruck 1999, 2 Bde.)

Reformierte Bekenntnisschriften und Kirchenordnungen

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Niesel, Wilhelm (Hg.): Bekenntnisschriften und Kirchenordnungen der nach Gottes Wort reformierten Kirche. München 1938. Zürich 1985

Plasger, Georg; Matthias Freudenberg (Hg.): Reformierte Bekenntnisschriften. Eine Auswahl von den Anfängen bis zur Gegenwart. Göttingen 2005

Vischer, Lukas (Hg.): Reformiertes Zeugnis heute. Eine Sammlung neuerer Bekenntnistexte aus der reformierten Tradition. Neukirchen-Vluyn 1988

1.5 Die Anfänge der Reformation in Frankreich

Anfangs gab es keine einheitliche Lehre, Leitung und Ziel fehlten. Auch mangelte es an einer überragenden Führungsgestalt im eigenen Lande. In dem großen Territorialstaat konnte das Herrscherhaus nur zu einem geringen Teil für die reformatorische Bewe-gung gewonnen werden.

Am Beginn standen die Erkenntnisse der biblisch ausgerichteten Humanisten („bi-bliens“). Wegbereiter der Reformation in Frankreich war der Theologe und Universal-gelehrte Jacques Lefèvre aus Etaples. Er studierte die Originaltexte der Bibel und machte in seinen „Paulus-Kommentaren“ 1512 deutlich, dass Gottes Gnade durch den Glauben erlangt wird. Er übersetzte die Bibel ins Französische (1523 Neues Testament, 1528 Altes Testament, 1530 erscheint die ganze Bibel in Antwerpen), was durch den im 15. Jahr-hundert erfundenen Buchdruck die Heilige Schrift grundsätzlich allen des Lesens Kun-digen zugänglich machte.

Guillaume Briçonnet, seit 1515 Bischof von Meaux, ordnete die Seelsorge seiner Di-özese neu und richtete 32 Predigtstationen ein. Er besetzte sie u.a. mit den reformeri-schen Lefèvre und Farel, so dass sich 1521/23 eine Reformgruppe in Meaux bildete, die auch die Rückkehr zu den Grundlagen der Bibel anstrebte. Hier wurde die Reformati-on in Frankreich geboren. Das Programm dieser Prediger ist in Lefèvres „Einführenden Kommentaren zu den vier Evangelien“ (1522) enthalten. Die als „verabscheuungswürdi-ge Lutheraner“ geschmähte Gruppe löste sich nach 1523 auf Druck des bedrängten Bi-schofs und der Pariser Universität auf. Danach wurde für ein Jahrzehnt der Kreis um Margarete von Navarra in Nérac zum Mittelpunkt reformatorischer Geisteshaltung. Sie beschützte Mitglieder o.g. Gruppe, so auch Lefèvre.

Seit 1519 wurde in Frankreich Luthers reformatorische Lehre durch seine Schriften, besonders durch Übersetzungen ins Französische, aber auch über deutsche Studenten an den Universitäten verbreitet. 1521 wurden seine Schriften von der Pariser theologi-schen Fakultät verurteilt. Auch der oberste Gerichtshof missbilligte lutherisches Gedan-kengut. 1528 nahm die Kirche auf breiter Front den Kampf gegen die „luthériens“ bzw. „évangéliques“ auf.

Die werdende evangelische Kirche war Kirche unter dem Kreuz. 1523 wurde in Paris der erste evangelische Märtyrer lebendig verbrannt, er war der Ketzerei verdächtigt wor-den. Weitere folgten. Wer das evangelische Bekenntnis vertrat, wer eine französische Bi-bel besaß, musste mit dem Tode rechnen. Ende 1534 erschienen von dem reformierten Prediger Antoine Marcourt in der Schweiz verfasste Flugblätter (placards) gegen die rö-mische Messe. Daraufhin wurden die Anhänger des neuen Glaubens noch unbarmher-ziger verfolgt. Im Januar 1535 wurden in Paris in Gegenwart des Königs mehrere Evan-

Die Herausbildung des reformierten Protestantismus

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