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Das historische Kulturerbe der Hugenotten und Waldenser 1 J. Lips, Eine Ausstellung: Das historische Kulturerbe der Hugenotten und Waldenser im Refuge Nordhessen Dornröschen und ihr Prinz waren Franzosen! Wer hat den Friedrichsplatz und das Friedericianum in Kassel gebaut? Oder: Zuwanderung, eine Erfolgsgeschichte

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Das historische Kulturerbe der Hugenotten und Waldenser 1 J. Lips,

Eine Ausstellung:

Das historische Kulturerbe

der Hugenotten und Waldenser

im Refuge Nordhessen

Dornröschen und ihr Prinz waren Franzosen!

Wer hat den Friedrichsplatz und das

Friedericianum in Kassel gebaut?

Oder: Zuwanderung,

eine Erfolgsgeschichte

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Das historische Kulturerbe der Hugenotten und Waldenser 2 J. Lips

Refuge Nordhessen

Die Unterdrückung der Reformierten in Frankreich hatte sich trotz des Edikts von Nantes (1598) nach dem

Mord (1610) an Heinrich IV kontinuierlich erhöht. Hauptsächlich war Kardinal Richelieu (1585-1642) die

treibend Kraft hinter der Bekämpfung der Reformierten in Frankreich. Die setzte sich unter Ludwig XIV

weiter fort. Zum bitteren Ende widerrief er im Oktober 1685 das Edikt von Nantes seines Großvaters mit

dem Edikt von Fontainebleau. Bereits vor dieser Zeit suchten Protestanten ihr Glück im Ausland, doch die

Auswanderungswelle aus Frankreich wurde dadurch zu einer Massenflucht.

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Das historische Kulturerbe der Hugenotten und Waldenser 3 J. Lips

Die Landesfürsten der europäischen reformierten und lutherischen Staaten versuchten bereits vor dem Edikt

von Fontainebleau darauf zu reagieren. So hat Landgraf Carl von Hessen-Kassel bereits im April 1685 eine

„Freiheits Concession und Begnadigung” erlassen, was zuwanderungswilligen reformierten Glaubens

reichhaltige Privilegien versprach. Das Edikt wandte sich nicht ausdrücklich an Flüchtlinge aus Frankreich,

was wohl eine politische Rücksichtnahme war. Es wurden folgende Orte zur Ansiedlung vorgeschlagen:

Cassel, Homberg (Efze) Gudensberg, Felsberg, Hofgeismar, Grebenstein, Melsungen, oder wo immer im

Lande man sich niederlassen möchte. Im August-Edikt erweiterte der Landgraf die Privilegien für

Zuwanderer nach Cassel für die Zielgruppen tatkräftiger Unternehmer (Handwerker), die der Stadt nützlich

werden sollten. Die in französischer Sprache als werbende Einladung verbreiteten „Concessions et

Priviléges“ vom Dezember1685 sprach auch Personen an, die andere Berufe ausübten. Jetzt kam auch die

wichtige religiöse Komponente hinzu.

Die erste Einwanderungswelle Schon im August 1685, also noch vor Widerruf des Ediktes von Nantes, haben sich Hugenotten aus dem

Queyras in der Dauphiné in Frankreich auf die Flucht begeben. Fast gleichzeitig haben sich Waldenser aus

dem Val Cluson im heutigen Piemont/Italien, was nur wenige Kilometer vom Queyras entfernt liegt,

ebenfalls auf den Weg in die Freiheit begeben. Ihr Weg führte über Genf und Schaffhausen in der Schweiz

bis Frankfurt. Dort tat man sich mit hugenottischen Flüchtlingen aus der Pfalz zusammen, die in zweiter

Generation die sicher geglaubten Orte wieder verlassen mussten. Unter Führung des Waldenserpfarrers

David Clement zog man weiter über Kassel nach Hofgeismar, wo man im Februar 1686 ankam. Lokale

Beamte hatten bereits die Order empfangen Gebiete in der Umgebung auszuwählen, auf denen sich die

Flüchtlinge niederlassen konnten. So wurde in der Nähe der “Wüstung Gauze” am “Diebesweg” die neue

Siedlung durch den Hofbaumeister Paul du Ry geplant und dann auch gebaut. Da dies die erste

hugenottischer Neugründung (Frühjahr 1686) war, wurde sie nach dem Landesherren “Carlsdorf” genannt.

Für eine etwas später in Immenhausen eingetroffene Flüchtlingsgruppe aus dem Pragela im heutigen

Piemont/Italien und der Dauphiné /Frankreich wurde auf dem Gebiet der Wüstung Gemarkung Hildesheim

ein neues Dorf gegründet. Die Pläne stammten ebenfalls vom Hofbaumeister Paul du RY. Der neue Ort

(1687) wurde zu Ehren der Landgräfin Marie Amalie dann auch “Mariendorf” genannt.

Die zweite Einwanderungswelle Französische Glaubensflüchtlinge, die nach Verlassen ihrer Heimat in der Schweiz untergekommen waren,

hatten für lange Zeit den Angeboten auf Zuwanderung in wohlgesinnten Staaten widerstanden. Ihre

Hoffnung auf Rückkehr wurde durch eine Geheimklausel im Friedensvertrag von Rijswijk in 1697 zerstört.

die Schweiz verlangte daraufhin, dass die vielen Flüchtlinge das Land verlassen mussten. So kamen noch

mehr Flüchtlinge ins Refuge Nordhessen. Dies machte folgende hugenottische Neugründungen in 1699

notwendig: Kelze, Schöneberg, Carlshafen, Leckringhausen und St. Ottilien.

Die dritte Einwanderungswelle Waldenser aus dem Val Cluson im heutigen Piemont/Italien hatten ebenfalls im Jahr 1699 in Baden-

Württemberg Zuflucht gefunden. Nach Problemen mit Nachbargemeinden und Mangel an Vieh und

Weideland zogen in 1720 einige Waldenserfamilien weiter. In Brandenburg, Hamburg, Dänemark wurden

sie abgewiesen. Nach achtmonatigem Aufenthalt im Kurfürstentum Hannover ziehen 30 übriggeblieben

Familien auf Einladung von Landgraf Carl weiter bis ins Wesertal. Dort finden Sie zeitweilige Unterkunft Glaubensgefährten in Carlshafen und Helmarshausen. Der Landgraf gab in 1722 den Befehl zur Planung der

Waldensersiedlungen Gottstreu und Gewissenruh.

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Das historische Kulturerbe der Hugenotten und Waldenser 4 J. Lips

Hugenotten in Kassel

Mit der Freiheits-Konzession vom April 1685 hatte Landgraf Carl den Grundstein für seine

Einwanderungspolitik gelegt. Bis 1700 zählte man bereits 1800 Hugenotten, die in Kassel registriert waren.

Dies machte es notwendig, auch genügend Wohnungen für die hugenottischen Neubürger zu schaffen.

Landgraf Carl nahm bereits in 1684 den hugenottischen Stadtplaner und Architekten (Jean) Paul du Ry in

seine Dienste. In 1688 wurde dann der Grundstein zur Oberneustadt Cassel gelegt. Da man auf die alten,

nicht mehr zeitgerechten Festungsanlagen nun verzichten konnte, wurde die Oberneustadt außerhalb des

Festungsrings geplant. Paul du Ry begann, sein Sohn Charles du Ry setzte es fort und sein Enkel Simon

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Louis du Ry vollendete das Werk. Alle drei waren Oberhofbaumeister im Dienste der jeweiligen

Landgrafen.

Der Bau der ersten Häuser kam nur langsam voran, da viele Franzosen es vorzogen in der Altstadt zu

wohnen. Dort waren die wirtschaftlichen Bedingungen günstiger. Es wurden jährlich gerade mal 2 bis 3

Häuser gebaut. Erst als der Landgraf ein eigenes Palais an der Grand Rue (Frankfurter Straße) baute, wurde

das Interesse an der Oberneustadt größer. Die Oberneustädter Kirche (Karlskirche) wurde nach Ideen von

Landgraf Carl von 1698 bis 1710 erbaut. Das Vorbild sah er auf einer Reise durch die Niederländischen

Provinzen in Middelburg/Walcheren.

Wilhelmsplatz, mit Oberneustädter Rathaus im Hintergrund. Das Rathaus von 1902 entstand zur Hälfte auf

dem Wilhelmsplatz.

Das alte Rathaus wurde durch Simon Louis du Ry in 1775 gebaut. Es diente zuerst als Französische

Kanzlei. Ab 1808 bis 1905 war dies das Rathaus der gesamten Stadt Cassel.

Frankfurterstraße (Grand Rue).

Der Auftrag an Paul du Ry waren Häuser mit einer Breite von 33 Fuß (ca. 9,5 m) zu bauen. Der Wunsch der

Bauherren war nach größerer Breite. Du Ry änderte eigenmächtig die Vorgabe. So entstand die

Fünffensterfront, die eine Durchfahrt zum hinteren Grundstück erlaubte.

Schöne Aussicht (Bellevue). Im vierten Haus von rechts wohnten die Brüder Grimm (1837-1840). Hinten

links sieht man die ehemalige Sternwarte (Paul du Ry) die später zum Palais Bellevue umgebaut wurde

(Simon Louis du Ry).

Der Königsplatz wurde durch Simon Louis du Ry in 1767 fertiggestellt. Er wurde zu Ehren von Friedrich

I., König von Schweden, “Königsplatz” genannt.

Der Friedrichsplatz, (Simon Louis du Ry, zwischen 1669 bis 1779)

Er entstand über dem geschleiften Festungsring der Altstadt Cassel. In der Mitte das “Friedericianum

Friedrichsplatz mit weißem und rotem Palais (von links.), rechts das Hofverwaltungsgebäude

von Kurfürst Wilhelm II, alle entstanden im 19. Jahrhundert. In der Mitte das Friedericianum (1779) von

Simon Paul du Ry.

Das Auetor (1782)

am Friedrichsplatz.

Der Bau der Stadtmauer wurde hiermit abgeschlossen.

Simon Louis du Ry soll mit Stolz gesagt haben:

“So hatte ich die Freude, die von meinem Großvater (Paul) angefangene, von meinem Vater (Charles)

fortgesetzte Oberneustadt im 94. Jahr nach ihrer Gründung als ihr Enkel und Sohn zu vollenden.”

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Hugenotten und Waldenser in Hofgeismar

Die Zuwanderung

Über 300 Refugies kamen im Frühjahr 1686 nach Hofgeismar.

Als sie von Kassel kommend, Hofgeismar liegen sahen, bot sich ihnen das Bild einer, mit Festungsmauern

umgebenen, mittelalterlichen Stadt. Die Stadt musste die Flüchtlinge der Brigaden “Elsaß”, “Val Cluson”

und “Queyras” aufnehmen. Im 30-jährigen Krieg sank die Einwohnerzahl auf 1/3 der Vorkriegszeit, darum

gab es in der Petristadt viele leere Hausstellen, die den Flüchtlingen zugewiesen wurden. Schon im

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Dezember 1685 hatte der Landgraf einen Befehl an den Hofgeismarer Amtmann erlassen, Landflächen für

neue Siedlungen zu bestimmen. Der Neugründung “Carlsdorf” wurde das Gebiet am “Diebesweg” nahe der

Wüstung Gauze zugewiesen. Andere wurden im Dorf Hombressen einquartiert.

Schon nach 5 Jahren zogen 12 Hofgeismarer und 10 Carlsdorfer Hugenotten-Familien -insbesondere

Familien der Brigade Elsaß- weiter nach Brandenburg. Offensichtlich waren diese Familien mit den

schwierigen Verhältnissen in und um Hofgeismar nicht zufrieden.

Für die Flüchtlinge der zweiten Einwanderungswelle (1699) wurden die Siedlungen Schöneberg und Kelze

gegründet. Dies schaffte Raum in Hofgeismar. Es blieben nur 16 französische Familien im Stadtgebiet.

Die langsame Integration

Die Privilegien sahen vor, dass die Refugies ihre eigene französisch-reformierte Kirchengemeinde und eine

französische Schule einrichten durften. David Clement hatte die ersten Flüchtlinge nach Hofgeismar geführt

und wurde dann auch ihr erster Pastor. Der erste Lehrer der französischen Schule war Jean Jordan, ein Neffe

von David Clement. Obwohl nur noch wenige Franzosen im Stadtgebiet wohnten, blieb Hofgeismar

geistiger und geistlicher Mittelpunkt der umliegenden französischen Kolonien. Nach kurzer Zeit konnte

“Pasteur” Clement seine Gottesdienste in der Neustädter Kirche abhalten. Er starb in 1725 und wurde in der

Neustädter Kirche begraben. Die gemeinsame Nutzung mit der deutsch-reformierten Gemeinde endete in

1822 mit der Eingliederung der wenigen Franzosen in die Gemeinden der Neustädter - und Altstädter

Kirche.

Entwicklung der Stadt Hofgeismar

Die zugezogenen Handwerker und Geschäftsleute hatten es zu Beginn schwer gegen die lokale Konkurrenz.

Darum trieb man Handel in weit abgelegenen Gebieten. Französischen Gerber aus Hofgeismar verkauften

ihre Ware bis nach Offenbach und Frankfurt. Tuchhändler hatten Verbindung bis nach Magdeburg. Die

Familie Boucsein, Hutmacher aus Hertinghausen, errichtete am Marktplatz ein Geschäftshaus. Das Haus

trägt eine Inschrift in lateinischer, französischer und deutscher Sprache. Söhne dieser Familie waren

erfolgreiche Gerber am unteren Graben. Bereits in 1710 wurde ein Franzose, Dr. Elie Pierre de Beaumont,

“Consul regens” (Bürgermeister) von Hofgeismar. Er war der Sohn eines hugenottischen Pastors aus Cassel,

studierte Medizin in Holland und wurde danach der Leibarzt von Landgraf Carl. Er nutzte seine Amtszeit

(1710-1714) zum Ausbau der Stadt zu einem Kurort. Im Auftrag des Landgrafen unter- suchte er das Wasser

des “Geismarischen Sauerbrunnen” im Lempetal und legte 1701 seine dreisprachige, wissenschaftliche

Abhandlung vor.

Er analysierte sieben Bestandteile:

Sale alkali fixo, (xxx)

Marte oder Eisen, (Eisenoxyd)

Vitriolo (Eisensulfat), Schwefel,

Terra figillata (Tonerde/Heilerde),

Gold und Wasser.

Eine zweite wissenschaftliche Arbeit (1703) sollte die

Heilwirkung des Wassers beweisen:

“TRACTAT: Von der Nothwendigkeit die Natur des Sauerbrunnen und warme Wasser.

Der Temperamenten und Krankheiten zu erkennen.“

Er testete die Wirksamkeit des Wassers an vielen Personen. Alle gingen geheilt nach Haus, wie das

nebenstehende Beispiel des “Michel von Humma” zeigt!

Beaumont, mittlerweile auch Badearzt, lässt das Rathaus zu einem Gästehaus aufstocken. “Bad Hofgeismar”

hatte seinen Anfang genommen. In der Folgezeit entsteht ein Heilbad für Trink- und Badekuren. Es

entstanden Badehäuser die die Namen der jeweiligen Landgrafen bekamen, Carlsbad (1724), Wilhelmsbad

(1745) und das Friedrichsbad in 1770. Landgraf Wilhelm IX ließ für sich vom Oberhofbaumeister Simon

Louis du Ry das Schlösschen Schönburg (Mont Chérie) mit persönlichem Kurbad bauen.

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Hugenottische Neugründung Carlshafen (Sieburg)

Sieburg war die einzige Stelle, wo das Territorium des Landgrafen unmittelbar an die Weser heranreicht. Der neue Handelsplatz sollte für den Schiffsverkehr auf der Weser dienen und die Umgehung des

Stapelrechts von Hannoversch Münden ermöglichen. Ein Kanal sollte die Neugründung mit der Hauptstadt

Cassel verbinden. Seine Idee war, hier Glaubensflüchtlinge, ähnlich wie in der Oberneustadt Cassel,

anzusiedeln. Die Freiheits-Konzession für Sieburg sagt: “Freyheitsconsession und Begnadigung ...

Denenjenigen, welche in der Stadt Sieburg an dem Diemel- und Weserstrom gelegen, von wannen man über

Bremen nach Holland zu Wasser reisen kann, sich häußlich niederlassen und bauen wollen, gnädigst

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ertheilen.” In Paragraph I der Konzession bat Landgraf Carl nicht nur Hugenotten (reformierte) sondern

auch Siedler lutherischen Glaubens, sich in Sieburg niederzulassen. Dies hatte dann auch seine Auswirkung

auf die Stadtentwicklung. Der Idealplan sah vor, dass zwei Kirchen, eine französisch-reformierte und eine

lutherische gebaut werden sollten. Der Baumeister war Friedrich Conradi. Die Pläne für die Stadtanlage

ähnelten denen für die Oberneustad in Cassel und die Kirchen waren Kopien der Oberneustadt Kirche

(Karlskirche). Der Einfluss von Paul du Ry auf die Pläne ist deutlich zu erkennen. Fünffenster Häuser mit

Durchfahrttoren sind auch hier entstanden. Auf seine Initiative wird in 1716 die Stadt zu Ehren von Landgraf

Carl, in Carlshafen umbenannt. Die Erstsiedler der Stadt, 66 Familien, waren teils Hugenotten aus

Südfrankreich, die schon seit 1686 notdürftig in Helmarshausen untergebracht waren, teils Waldenser aus

Savoyen und Piemont, die 1699 über die Schweiz gekommen waren. Ab dem Jahre 1708 kamen zunehmend

deutsche Familien in die Stadt, so dass hier bis zum Jahr 1745 insgesamt 131 Familien, darunter 37

französisch-stämmige Familien, wohnten.

Nach der Stadtgründung in 1699 begann Conradi mit den Vermessungen des sumpfigen Geländes. In 1701

zogen die ersten Refugies in die Stadt ein. 120 Häuser, in Carrées angeordnet. An breiten Straßen entstanden

zumeist zweigeschossige, weiße Häuser mit barocken Giebeln. Die Breite der Carlstraße und der

Friedrichstraße sind mit 32 m für den Marktbetrieb ausgelegt worden.

In 1704 wurde das Invalidenhaus errichtet. Es diente bis 1918 der lebenslangen Unterbringung und

Versorgung invalider hessischer Soldaten und ihrer Familien. Die Kapelle in der vierflügeligen Anlage

diente den angesiedelten französischen Glaubensflüchtlingen für ihre Gottesdienste. In dieser Kapelle wurde

Conradi nach seinem Tode in 1750 begraben.

Um den Hafen entstanden das Pack- und Lagerhaus (1715 - 1719) mit seinem beachtlichen Laubengang, das

gelegentlich zum Aufenthalt des Landesherrn diente (Heute Rathaus). Um den Hafen entstanden weitere

repräsentative Bauten, wie das Gebäude der einstigen Thurn- und Taxis Postverwaltung (Baurmeister’sches

Haus), was erst in 1768 fertiggestellt wurde. Dieser Bau war zur Symmetrie zum gegenüberliegenden

Packhaus gedacht. Die an dieser Stelle entstandene Lücke wurde erst in 1768, im Gegensatz zum Ideal-Plan,

in vereinfachter Form geschlossen.

Der Ausbau der Stadt bis zum Ideal-Plan wurde nie erreicht.

Der Kanal war gescheitert und der Güterumschlag hielt sich in Grenzen.

Eine eigene Stadtkirche wurde erst in 1962 gebaut.

So erleben sie Bad Karlshafen heute trotzdem als weiße Barockstadt

mit einem südländischen Flair.

Der Landgraf Carl Kanal, ein Projekt europäischer Dimension!

Der Kanal war nicht nur als Verbindung durch das Staatsgebiet von Hessen-Kassel geplant, sondern er sollte

als Bindeglied in einem Schifffahrtsweg von der Nordsee bis zum Mittelmeer dienen.

Er wurde detailliert geplant, 1710 wurden die fertigen Baupläne für den Kanal vorgelegt. In den Jahren 1713

bis 1716 wurden die Arbeiten zum Hafenbecken von 141 x 53 m, des Kanals zur Anbindung an die Diemel,

einer Schleuse zur Weser mit den Maßen 50 x 6,30 m mit einer Höhendifferenz von 3 m und eine

Zugbrücke zur Straßenüberquerung ausgeführt. Die Arbeiten an der Diemel wurden durch zwei Regimenter

unter Oberst Münnich erledigt. Der holländische Schleusenbaumeister Meetzma war für die

Schleusenbauten zuständig. Bis Hümme war der Kanal fertig doch Schwierigkeiten und Geldmangel ließen

das Projekt scheitern und mit dem Tod des Landgrafen Carl in 1730 wurde der Weiterbau endgültig beendigt.

Carlshafen, Karlshafen, Bad Karlshafen 1730 entdeckte der hugenottische Apotheker Jacques Galland die Solequellen. Er erkannte die Bedeutung

seiner Entdeckung und berichtete der landgräflichen Regierung von seinem Fund. Die Quelle wurde gefasst.

1763 wurde eine Saline aufgebaut. Es begann der lukrative Handel mit Salz.

1838 wurde das erste Badehaus errichtet, in dem die Sole zur Behandlung von Kurgästen eingesetzt wurde.

1935 erfolgte die Umbenennung von Carlshafen in Karlshafen. 1955 erfolgte die Anerkennung als Sole-

Heilbad. Am 27. Mai 1977 wurde der Stadt Karlshafen den Titel Bad Karlshafen verliehen. 1986 wurde ein

neues Gradierwerk errichtet.

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Das historische Kulturerbe der Hugenotten und Waldenser 10 J. Lips

Bauwerke der Baumeisterfamilie du Ry

Vater Jean Paul du Ry (1640-1714), Sohn Charles du Ry (1692-1757)

und Enkel Simon Louis du Ry (1726-1799) waren alle französisch-hugenottische Hofbaumeister im Dienste der jeweiligen Landgrafen von Hessen-

Kassel. Sie haben in Nordhessen und angrenzenden Gebieten der Nachbar-Bundesländer ihr

architektonisches und künstlerisches Erbe hinterlassen. Bei einer Reise in der näheren Umgebung von

Kassel findet man unzählige Beweise ihres Wirkens.

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Das historische Kulturerbe der Hugenotten und Waldenser 11 J. Lips

Baumeister

Ein paar Beispiele ihrer hervorragenden Baukunst finden Sie auf dieser Tafel.

Paul du Ry Schloss Wilhelmshöhe (1786-98) Das Schloss entstand nach Entwürfen der Architekten Simon Louis du Ry (Weißensteinflügel und

Kirchflügel) und Heinrich Christoph Jussow (Mittelteil)

Oberneustädter Kirche (1697- 1710) (später Karlskirche)

Die Karlskirche wurde in 1943 zerstört und in 1957 wieder aufgebaut.

Hugenottenkirche Carlsdorf (1699-1704)

Palais Bellevue (1714) als Sternwarte von Paul du Ry gebaut.

In 1790 von Simon Louis du Ry umgebaut zum Palais.

Charles du Ry Friedrichsplatz,

als Teil der barocken Oberneustad (ab 1685):

(ab 1768) Simon Louis du Ry

Simon Louis du Ry Schlösschen Schönburg (ehemals Montcherie) (1787-89) Hofgeismar-Gesundbrunnen

Schloss Wilhelmsthal

Das Schloss wurde von François de Cuvilliés als Dreiflügelanlage ausgeführt. Erst 1756 übernahm

Simon Louis du Ry die Bauführung. Von ihm sind die vorgelagerten Wachhäuser.

Schloss Fürstenberg (1776-83)

Neheim/Sauerland.

Im Auftrag von: Friedrich Wilhelm von Westphalen, Bischof von Hildesheim.

Königsplatz (1767) Kassel

Jagdschloss Wabern (um 1770)

Schloss Hüffe (1775–84 ) in Preußisch Oldendorf

Kirchditmolder Kirche (1792)

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Das historische Kulturerbe der Hugenotten und Waldenser 12 J. Lips

Die Märchensammlung der Brüder Grimm Die Brüder Grimm, Jakob (1785-1863) und Wilhelm (1786-1859) erlangten ihren großen Bekanntheitsgrad

durch ihre „Grimms Märchen“, der Sammlung von Kinder- und Hausmärchen. Sie wurden als Söhne des

Hofgerichtsadvokaten und späteren Amtmanns Philipp Wilhelm Grimm und seiner Ehefrau Dorothea

Grimm, geb. Zimmer in Hanau geboren. Nach dem Tod des Vaters in 1796 zogen sie nach Kassel. Sie

besuchten dort das „Lyzeum Fridericianum“ und begannen nach ihrer Schulzeit das Studium der Rechte in

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Das historische Kulturerbe der Hugenotten und Waldenser 13 J. Lips

Marburg. In 1805 zog ihre Mutter mit den jüngeren Geschwistern Ludwig Emil (1790-1863) und Charlotte

(1793-1833) ebenfalls nach Kassel.

Auf Veranlassung von Clemens Brentano und Achim von Arnim sammelten und bearbeitenden sie ab 1805

hauptsächlich mündlich überlieferte, alte Geschichten, die ihnen aus ihrer näheren Umgebung erzählt

wurden. Ein großer Teil der Geschichten stammte von Nachfahren hugenottischer Flüchtlinge, die nach der

Vertreibung aus Frankreich im Refuge Nordhessen eine neue Heimat gefunden hatten. Sie hatten die vielen

Erzählungen im „Gepäck“ von Frankreich nach Deutschland mitgebracht.

Die hugenottisch-französischen Quellen der Grimm’schen Märchensammlung:

Von Dorothe Viehmann

Von Marie Hassenpflug, Von Jeanette Hassenpflug, Von Amalie Hassenpflug

Von Dorothea (Dortchen) Wild, Von Margareta (Gretchen) Wild,

Charles Perrault

Nicht auf der Tafel

Rotkäppchen, von Charles Perrault

In einem Dorf wohnte ein kleines Mädchen, das hübscheste, das man sich vorstellen konnte; seine Mutter

war ganz in das Kind vernarrt, und noch vernarrter war seine Großmutter. Diese gute Frau ließ ihm ein rotes

Käppchen machen, und weil ihm das so gut stand, nannte man es überall nur „Rotkäppchen“. Eines Tages

sagte die Mutter zu ihm: „sieh einmal nach, wie es deiner Großmutter geht, denn man hat mir gesagt, sie sei

krank. Bring ihr einen Fladen und diesen kleinen Topf Butter.“

Rotkäppchen lief sofort los, um zu ihrer Großmutter zu gehen. Als es durch einen Wald kam, traf es den

„Gevatter Wolf“, der große Lust hatte, es zu fressen, aber er wagte es nicht wegen einiger Holzfäller in der

Nähe. Er fragte es, wohin es gehe. Das arme, das nicht wusste, dass es gefährlich war, stehenzubleiben und

einem Wolf zuzuhören, sagte zu ihm: „Ich besuche meine Großmutter und bringe ihr einen Fladen und

einen Topf Butter, dien ihr meine Mutter schickt.“ „Wohnt sie denn sehr weit von hier“ fragte der Wolf. Sie

erzählte ihm wie er dort hin käme und wie er Einlass bekäme. Der Wolf eilte Rotkäppchen voraus.

Mir verstellter Stimme bekam er Einlass und verschlang sofort die arme Großmutter.

Als nun Rotkäppchen etwas später am Haus der Großmutter ankam war es nur verwundert, dass sie so heiser

sprach. Der Wolf verkroch sich im Bett der Großmutter und wartete bis Rotkäppchen hereinkam. Als sie

dann hereinkam sagte er zu ihr: „Stell den Fladen und den Topf auf den Backtrog und leg dich zu mir in

Bett.“

Das kleine Rotkäppchen zog sich aus und legte sich in das Bett, wo es zu seinem allergrößten Erstaunen sah,

wie seine Großmutter ohne Kleider beschaffen war. Es sagte zu ihr:

„Großmutter, was hast für große Arme?“ „Damit ich dich besser umarmen kann, mein Kind!“

„ …, „ „ …. „ Großmutter was habt ihr für große Zähne?“, „ Damit ich dich fressen kann!“

Mit diesen Worten stürzte sich der böse Wolf auf Rotkäppchen und fraß es auf.

Moral:

Wie sieht man, dass ein jedes Kind und dass die kleinen Mädchen (die schon gar, so hübsch und fein,

so wunderbar!) sehr übel tun, wenn sie vertrauensselig sind, und dass es nicht erstaunlich ist, wenn

dann ein „Wolf“ so viele frisst. Ich sag ein Wolf, denn alle Wölfe haben beileibe nicht die gleiche Art:

Da gibt es welche, die ganz zart, ganz freundlich leise, ohne Böses je zu sagen, gefällig, mild, mit

artigem Betragen die jungen Damen scharf ins Auge fassen und ihnen folgen in die Häuser, durch die

Gassen doch ach, ein jeder weiß, gerade sie, die zärtlich werben, gerade diese Wölfe locken ins

Verderben.

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Das historische Kulturerbe der Hugenotten und Waldenser 14 J. Lips

Die Ursprünge der Grimm’schen Märchen

Dornröschen war eine Französin!

Wurde Rotkäppchen wirklich von einem Wolf gefressen?

War die böse Hexe bei “Hänsel und Gretel” wirklich eine Menschenfresserin?

Die Brüder Grimm haben viele der ursprünglichen Erzählungen umgeschrieben und romantisiert.

Wer hat die Geschichten mitgebracht und wie kamen sie dann zu den Brüdern Grimm?

Woher wissen wir, wer die Geschichten den Brüdern Grimm erzählt hat?

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Das historische Kulturerbe der Hugenotten und Waldenser 15 J. Lips

Pierson: Märchenfrau Dorothe Viehmann

Die Ursprünge vieler Erzählungen der Märchenfrau Dorothe Viehmann lagen in Deutschland und

Frankreich. Mit Isaak Pierson, ihrem Urgroßvater, gelangten die französischen Märchen in 1686 nach

Hofgeismar-Schöneberg.

Isaac Pierson musste als junger Mann mit vielen hugenottischen Glaubensgenossen Metz, wo man zu

diesem Zeitpunkt noch mehrheitlich deutsch sprach, verlassen. So kam er schon in 1686 nach Hofgeismar

und zog in 1699 als Erstsiedler und Grebe nach Schöneberg. Der Integrationwille und der Unternehmergeist

setzten sich in der Familie fort. Sein Sohn Jean Frederic gründete die spätere Brauerei und Gaststätte an der

“Knallhütte” in Rengershausen bei Cassel. Sein Enkel Jean Frederic Isaak führte erfolgreich die Geschäfte

weiter. Dessen Tochter, Katharina Dorothe Pierson wurde nach ihrer Heirat mit Nicolaus Viehmann zur

Märchenfrau Dorothe Viehmann. Sie erzählte den Brüdern Grimm zwischen 1812 und 1815 ihre

Geschichten, die sie in ihrer hugenottischen Familie, aber auch von durchreisenden Kaufleuten,

Handwerksburschen, Fuhrleuten und Soldaten in ihrer elterlichen Gaststätte “Zum Birkenbaum” (heute

Knallhütte) gehört hatte.

Hassenpflug: Marie , Amalie und Jeanette Marie Hassenpflug und ihre Schwestern gelten als größte Lieferanten für die Grimm’sche

Märchensammlung. Etienne Droume brachte die französischen Erzählungen in 1733 mit, als er Pfarrer von

Mariendorf und Carlsdorf wurde.

Etienne Droume (*1695 Guillestre, +1745 Hanau) war der Urgroßvater von Marie, Amalie und Jeanette

Hassenpflug. Um 1720 war er verbotenerweise protestantischer “Pasteur du Désert” in der Umgebung von

Guillestre/Frankreich. Auf seiner Flucht nahm er nur seine Tochter Lucress Magdelain mit, Seine Frau mit

den zwei anderen Kindern blieben in Frankreich und konvertierten (Abschwur) zum Katholizismus. Er war

dann von 1733- 1740 Pastor für Mariendorf und Carlsdorf. In 1740 trat von seinem Amt zurück und zog als

Privatier nach Hanau. Nach der Scheidung von seiner konvertierten Frau in Frankreich, heiratete er in 1742

die Hugenottin Marie Madeleine de Bély (*1713 Neuchatel, +1791 Hanau). Über die Verbindung seiner

Tochter Sophie Charlotte mit Friedrich Dresen kommt es zur Verbindung deren Tochter Maria Magdalena

mit Johannes Hassenpflug, dem späteren Regierungspräsident in Cassel. Die Familie zieht nach Cassel. Die

Töchter Marie, Amalie und Jeanette hatten eine enge Verbindung zu der Familie Grimms.

Wild: Dortchen und Gretchen

Die Vorfahren der Familie Wild, die berühmten Socinis, kamen aus Siena in Italien nach Bellinzona. Von

dort mussten sie, wegen ihres calvinistischen Glaubens, in 1555 nach Basel fliehen. Ein Zweig der Familie,

Johann Jacob Huber, kam als Arzt und Professor nach Cassel. Dort wurde er Leibarzt von Landgraf Wilhelm

VIII. Seine Tochter Dorothea heiratete den Apotheker Johann Rudolf Wild. Drei der sechs Töchter,

Dortchen, Gretchen, Elisabeth und die Mutter Dorothea trugen ihre Erzählungen mit italienischen, schweizer

und rätoromanischen Elementen bei.

Die Familie Wild waren gute Nachbarn der Grimms und führten die Apotheke “Zur goldenen Sonne” in der

Marktgasse. Die gehobene Gesellschaft hielt “Kränzchen”, bei denen die Schwestern Gelegenheit für ihre

Erzählungen hatten. Aber auch in privater Umgebung fanden Gespräche statt. In einer handschriftlichen

Notiz der Erstausgabe der Sammlung heißt es: “ Dortchen 19. Jan. 1812, im Gartenhaus”. Die Folge dieser Nähe war, dass Wilhelm Grimm und Dortchen Wild in 1825 heirateten. Sie versorgte von da an den

Haushalt in der Wohnung der Brüder Grimm am Bellevue Nr.9, wo sie seit 1824 wohnten.

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Das historische Kulturerbe der Hugenotten und Waldenser 16 J. Lips

Hugenottische Persönlichkeiten im Refuge Nordhessen

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Das historische Kulturerbe der Hugenotten und Waldenser 17 J. Lips

Pasteur David Clement * Geboren: 1645 in Mentoulles-en-Pragelas.

* Studium: Theologie an der Genfer Akademie.

* Pfarrerstelle: 1675 bis 1685 in Villaret-en-Pragela, eine Waldensergemeinde.

* Flucht: 1685 entzog er sich der einsetzenden Unterdrückung und Verfolgung durch Flucht in die

Schweiz. Von hier kam er im Jahre 1686 mit ca. 300 Glaubensflüchtlingen nach Hessen-

Kassel

* Pfarrerstelle:1686 der neuen französisch- reformierten Gemeinde in Hofgeismar, mit Carlsdorf, Kelze

und Schöneberg. Ab 1704 für Hofgeismar und Kelze.

* Verheiratet: 1700 in zweiter Ehe mit Susanne Marry aus Metz. Sie hatten sechs Kinder.

* Gestorben: 1725 in Hofgeismar. Er wurde in der Neustädter Kirche beerdigt.

Er war nicht nur der Anführer der Flüchtlingsbrigaden nach Hofgeismar, sondern kümmerte sich auch

danach um seine “Schutzbefohlenen”, insbesondre die vielen Kranken unter ihnen. Schon im April 1686

beantragte Clement 14 zusätzliche Privilegien für die Refugies, die der Landgraf ohne Zögern bewilligte.

Er versuchte in 1691 die Abzugswilligen von ihrer Weiterreise nach Brandenburg abzuhalten, was ihm nicht

gelang. Ein Angebot aus Brandenburg, für freie Wohnung und 150 Taler Gehalt, schlug er aus. Er blieb in

Hofgeismar.

Franz von Roques

Gründer der Diakonie

* Geboren: 1826 in Marburg

* Gestorben: 1887 in Treysa

* Tätigkeiten:

1851 ordiniert. Er gründet den “Jünglingsverein” dem späteren “CVJM”

1852 Errichtung eines Arbeitshauses für Erwerbslose

1855 Pfarrer in Treesa, später Metropolitan

1864 Gründung eines Diakonissenhauses

1877 Gründung einer Erziehungsanstalt, Vorläufer der diakonischen Einrichtung Hephata.

Architekten Familie du Ry

Paul du Ry, Stammvater der für Cassel bedeutsamen hugenottischen Architektenfamilie.

* Geboren: 1640 in Paris

* Gestorben: 1714 in Cassel

* Tätigkeiten:

1675 Festungsbaumeister in Maastricht NL.

1685 Baumeister und Stadtplaner in Cassel.

1686 - 99 Planungen und Bauleitung: Carlsdorf, Mariendorf, Kelze, Schöneberg.

1688 Grundsteinlegung Oberneustadt.

1698 - 1710 “Karlskirche”

1696 Umbau Ottoneum

1699 Planungen, Neugründung “Carlshafen” 1703 - 11 Palais Prinz Wilhelm

1714 Observatorium (Palais Bellevue)

Charles du Ry, Sohn von Paul * Geboren: 1692 in Cassel

* Gestorben: 1757 in Cassel

* Tätigkeiten: Er hat die Stadtplanung seines Vaters als Oberbaumeister weitergeführt.

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Das historische Kulturerbe der Hugenotten und Waldenser 18 J. Lips

Simon Louis du Ry, Sohn von Charles

* Geboren: 1726 in Cassel

* Gestorben: 1799 in Cassel

* Tätigkeiten: Auch er hat die Stadtplanung seines Großvaters und Vaters fortgesetzt.

1746 - 48 Praktikant in Schweden

1749 - 52 Studium der Architektur in Paris und den Niederlanden.

1752 Mitwirkung am Schloss Wilhelmsthal

1753 wird er zum Hofbaumeister ernannt.

1754 - 56 Studienreise durch Italien.

1766 Professor für Baukunst am Collegium Carolinum in Cassel.

1767 2. Italienreise mit Landgraf Friedrich II

1785 wird er Oberhofbaudirektor

1795 wird er Direktor der Akademie für Baukunst und Vizepräsident der Akademie der Künste.

* Seine Werke: (nicht komplett)

1767 Königsplatz,

1767 - 69 Palais von Jungken,

1769 - 76 Fridericianum,

1769 Friedrichsplatz (Kassel),

1770 Opernplatz (Kassel),

um 1770 Elisabethkirche (Kassel),

1779 - 82 Friedrichstor / Auetor,

1781 Brüder-Grimm-Platz ,

1790 - 92 Pfarrkirche, Kirchditmold,

um 1790 Palais Bellevue,

1752 Umbau Schloss Wilhelmsthal,

1769 Gut Windhausen, Heiligenrode,

um 1770 Jagdschloss Wabern, Erweiterung

1775 - 84 Schloss Hüffe, Preußisch Oldendorf

1776 - 83 Schloss Fürstenberg,

1785 - 86 Schloss Bergheim (Edertal),

ab 1786 Schloss Wilhelmshöhe, Kassel,

Als Anerkennung der besonderen Leistungen von Simon Louis du Ry, wird für gute, beispielhafte

Architektur, vom BDA ein Architekturpreis ausgereicht.

"Ausgezeichnete Architektur in Hessen"

Simon-Louis-du-Ry-Plakette

Denis Papin

Physiker, Mathematiker und Erfinder

* Geboren: 1647 in Chiteney, Grafschaft Blois

* Gestorben: vermutlich 1712 in London

* Tätigkeiten:

1661 Studium der Physik und Mathematik an der Universität von Angers.

1669 Doktorgrad

ab 1671 lernt er berühmte Zeitgenossen kennen: Huygens, Leibniz, Boyl und Hook.

1679 Erfindung des Dampfdruck-Kochtopfs

1687 Ruf als Professor an die Universität Marburg.

1690 hat er eine Dampfmaschine gebaut.

1696 Anstellung beim Landgrafen Carl. Dampfdruckpumpe für die Wasserkünste im Bergpark

(hat nicht funktioniert)

1706 Bau eines Dampfdruckzylinder in der Eisenhütte Veckerhagen.

1708 Mitarbeit am Landgraf-Carl-Kanal: Erfindung der Doppelkammerschleuse

1710 London, dort stirbt er in Armut.

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Das historische Kulturerbe der Hugenotten und Waldenser 19 J. Lips

Notiz: Personen- und Ortsnamen sind wie in der Zeit der Beschreibung/Handlung nach geschrieben.

Quellenverzeichnis:

Refuge Nordhessen: Jochen Desel und Walter Mogk, Hugenotten und Waldenser in Hessen-Kassel 1978, Ev. Presseverband Kurhessen-Waldeck

Deutsches Hugenotten-Museum Bad Karlshafen, Leihgaben

Hugenotten in Kassel: Willi Stubenvoll, Die deutschen Hugenottenstädte 1990, Umschau Verlag Frankfurt

Helmut Brier und Werner Dettmar, Kassel, Veränderung einer Stadt, 1986

Hugenotten in Hofgeismar: Jochen Desel und Walter Mogk, dto.

Silke Renner, Beberbeck zwischen Sababurg und Gesundbrunnen, 2008, Euregioverlag Kassel

Hugenottische Neugründung Carlshafen: Willi Stubenvoll, .. dto

Deutsches Hugenotten-Museum Bad Karlshafen

Bauwerke der Baumeisterfamilie du Ry:

Schloss Windhausen , Wikipedia: Preus 2014 C C-BY-SA

Jagdschloss Wabern, Wikipedia: Meikel 1965 C C-BY-SA

Schloss Hüffe, Wikipedia: Magnus Manske C C-BY-SA

Schloss Fürstenberg Wikipedia: Mich Kramer C C-BY-SA

Die Märchensammlung der Brüder Grimm:

Ursprünge der Grimm’schen Märchen: Klaus Hassenpflug Hg. , Ludwig Hassenpflug, Jugenderinnerungen 1794 – 1821, Mitarb.: Ewald Grothe und Bernhard Lauer

Heiner Boehncke und Alexa Schmist, Marie Hassenpflug, 2013, Verlag: Philipp von Zabern, Darmsatdt/Mainz

Albert Schindehütte, Die Grimm`schen Märchen der jungen Marie, 1991, Hitzeroth Marburg

Jean Seinturier, Souvenirs d’enfance de Amalie Hassenpflug, 2007, Guillestre, Direction de Bernhard Lauer ez Jean Seinturier

Monique David, Jean Seinturier , Sybille A. Burggraf, Du Dauphiné à la Hesse exemple d’ecode de protestants haut-alpins après

la revocation de l’edit de nantes. 2013, Guilletre

Hugenottische Persönlichkeiten: Jochen Desel, Hugenotten und Waldenser und ihre Familien im Landkreis Kassel, 2009, Verlag: D Hugenotten-Gesellschaft

Jochen Desel und Walter Mogk, ..dto

Ausstellung:

Hessentag 2015 in Hofgeismar, Deutscher Hugenottentag in Bad-Karlshafen,

29. Mai bis 07. Juni 2015 04. bis 06. September 2015

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Das historische Kulturerbe der Hugenotten und Waldenser 20 J. Lips

Besucher der

Ausstellung

Dornröschen und

ihr Prinz

Der hessische

Ministerpräsident

mit seiner Frau

Unsere

Landtagsabgeordnete

mit ihrem Mann

Deutscher Hugenottentag

In Bad Karlshafen