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VIII. Die Jodsliure als Antipyretieum. u C. Binz. War meine in diesem Archiv Bd. VIII. S. 327 und auch diesmal wieder yon der Zcrlegung der Jods~iure im Organismus ausgespro- chene Ansicht richtig, so musste jene in Form des neutralen iNatrium- salzes im Stande sein, F i e b e r, veranlasst durch Aufnahme fauliger Stoffe, mit Deutlichkeit herabzusetzen. Ich habe diese Frage dutch einen meiner Zuhi~rer unter meiner Controle prUfen lassen 1) und gebe hier yon einer ganzen Reihe gleichmlissig ablaufender Fiille nur folgende wieder: Kaninchen Avon 1500 Grin. Kaninchen. B von 1360 Grin. Normaltemperatu r 38,2. I%rmaltemperatur 38,4. 11 h - - m Beide Thiere bekommen subcutan je 2 Spritzen, jede I C.-Ctm., Jauche aus gefaultem Muskelfleisch. 2 h 30 m Temperatur 40,0. Temperatur 39,9. 3 h -- m Injection yon 0,1 jodsaurem Natron in 2,0 Wasser unter die Haut. 4 h -- m Temperatur 38,4 , 39,9 5 h -- m , 38,3 , 39,6 Am folgenden Tag. 10 h 45 m Temperatur39,6. 0,1jodsauresNa- , 39,4 iron wic gestern. 12 h -- m Temperatur 38,6 , 39,6 1 h -- m , 38,8 , 39,8 2 h -- m , 39,2 soglcich0,05jod- , 39,8 saures I~atron. 3 h -- m Temperatur 39,0 , 39,8 5 h -- m , 39,3 , 39,5 11 h am folgendcn Tage Temperatur 38,8. , 38,8 Zwei Tage spiiter wurde der Versuch in soleher Weis6 u mge- k ehrt, dass nach der Jauchevergiftung nunmehr das Kaninehen B das jodsaure Natron bekam. Er verlief dann wie folgt: 1) D'ham, Inaug.-Dissertation. Bonn 18S0.

Die Jodsäure als Antipyreticum

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VIII.

Die Jodsliure als Antipyretieum. u

C. Binz .

War meine in diesem Archiv Bd. VIII. S. 327 und auch diesmal wieder yon der Zcrlegung der Jods~iure im Organismus ausgespro- chene Ansicht richtig, so musste jene in Form des neutralen iNatrium- salzes im Stande sein, F i e b e r , veranlasst durch Aufnahme fauliger Stoffe, mit Deutlichkeit h e r a b z u s e t z e n . Ich habe diese Frage dutch einen meiner Zuhi~rer unter meiner Controle prUfen lassen 1) und gebe hier yon einer ganzen Reihe gleichmlissig ablaufender Fiille nur folgende wieder:

Kaninchen A v o n 1500 G r i n . Kaninchen. B von 1360 Grin. Normaltemperatu r 38,2. I%rmaltemperatur 38,4.

11 h - - m Beide Thiere bekommen subcutan je 2 Spritzen, jede I C.-Ctm., Jauche aus gefaultem Muskelfleisch.

2 h 30 m Temperatur 40,0. Temperatur 39,9. 3 h - - m Injection yon 0,1 jodsaurem Natron

in 2,0 Wasser unter die Haut. 4 h - - m Temperatur 38,4 , 39,9 5 h - - m , 38,3 , 39,6

Am folgenden Tag. 10 h 45 m Temperatur39,6. 0,1jodsauresNa- , 39,4

iron wic gestern. 12 h - - m Temperatur 38,6 , 39,6

1 h - - m , 38,8 , 39,8 2 h - - m , 39,2 soglcich0,05jod- , 39,8

saures I~atron. 3 h - - m Temperatur 39,0 , 39,8 5 h - - m , 39,3 , 39,5

11 h am folgendcn Tage Temperatur 38,8. , 38,8

Zwei Tage spiiter wurde der Versuch in soleher Weis6 u m g e - k e h r t , dass nach der Jauchevergiftung nunmehr das Kaninehen B das jodsaure Natron bekam. Er verlief dann wie folgt:

1) D'ham, Inaug.-Dissertation. Bonn 18S0.

126 VIII. C. BINZ

Vor der Jaucheeinspriizung 10 h 45 m Temperatur 38,4. Temperatur 39,0. 11 h - - In Jedes Thier bekommt 0,5 Jauche. 12 h ~ m Temperatur 39,4 Temperatur 39,3

0,1 jodsaures Natron. 1 h - - m Temperatur 39,8 Temperatur 39,0 2 h - - m , 39,5 , 38,0 3 h - - m , 40,0 , 38,2 4 h - - m , 40,2 , 39,0

0,05 jodsaures Natron. 5 h - - m , 40,2 Temperatur 38,8 6 h - - m , 40,2 , 38,6

Am folgenden Tag. Temperatur 38,4 Temperalur 37,8

Haufig waren die Abfiille, welche der Jodsaureinject ion auf dem Fusse folgten, noch bestimmter. Ieh habe vorstehenden Versuch nur gewiihlt, well er sich auf einige Tage erstreckt.

Man vergleiche noch Folgendes:

Zwei K a n i n e h e n y o n (~twa 1000 Grin. Beidr mit 1 C.-Ctm. Jauche vergiftet. Die g e s t r i eh e l te Curve entsprieht dem Thiere, welches auf der HShe des FieberS 0,1 Natriumjodat bekam.

A~ n. 10~o12 2 4 5 6 Uhr. 10301230 2 3 4 5 6 Uhr.

39,0 38,8 38,6 38,4 38,2 38,0 37,8 37,6 37,4 37,2

39,4 39,2 39,0 38,8 38,6 38,4 38,2 38,0 37,8 37,6 37,4 37,2 37,0 36,8 36,6

Versuch A vom 8. Marz~ B vom 11. Mitrz, m i t U m k e h r , so dass beim zweiten ~Ial das vorher nicht behandelte Thier die Jods|ture bekam.

Wie man sieht~ entsteht der Abfall rasch und geht schneller

Jodsi~ure. 127

vorUber, als das bei Anwendung andercr Antipyrctica~ z. B. des Chinin~ die Regel ist ~.

Beides entspricht dem fltichtigen und wechselvollen Charakter des Jods. In Form tier Jodsiiure macht es sehr rasch die beschric- bench Mctamorphoscn durch und verschwindct durch dig Excrete.

Allen bisher bckannten Thatsachen gemi~ss haben wir uns die Fiulnissfcrmente, welche das Fieber errcgcn, hauptsiichlich in den LymphdrUsen des Organismus lagernd zu denken. Hier ist ein sehr lebhafter Stoffwcchsel, der~ wit es besonders die Milz zeigt, mit Siure- bildung einhergeht, vorhandcn; und darum werden die beiden Jod- verbindungen, d. i. das durch Reduction gebildete Jodid und das noch iibrige Jodat, leicht zu fi'eiem Jod zerlegt. •ascirendes Jod aber auf Zellen und auf Fermente einwirkend kann nicht anders, als deren Thi~tigkeit herabsetzen. Das Thermometer zeigt uns die herabge- sctzte Verbrennung an; und wtirden wir die Production der Kohlen- siiure und des Harnstoffs vorhcr und nachher messen, so kiimc, daran ist nach sonstigen Analogien kaum zu zweifeln i dcren wesentliche Abnahme zum Vorschein.

Wahrend der Einwirkung der Jods~iure auf das fiebernde Thier ist dieses, bis auf die Herabsetzung der K~irperwiirme, in dem erkenn- baren Verhalten seiner Ubrigen Functionen unveriindert. ~qarkose kam bei den angewendeten antipyretischen Gaben nicht zustande. Ein Blick auf die fi'tlheren u (dicses Archiv. Bd. VIII. S. 321) zeigt, dass dazu hSher, muss gegriffen werden. Ich erinnerc reich dabei des Chinins, welches ebenfalls schon in solchen Gaben fieberwidrig wirkt~ die alle Controlirbaren Nerventh~tigkeiten unbertihrt lassen, und das in hliherer Dosis Schlaf und erst in t(idtender Dosis Ver- minderung der Reflexerregbarkeit macht.~)

Dureh obige Versuche wird uns verstiindlich~ was in der Lite- ratur tiber die antipyretisehe Wirkung des reinen Jods mitgetheilt ist. Aus den betreffcnden Angaben seien nur zwei hervorffehobcn.

1) R o s sb a eh redet neuerdings der ,Herabsetzung der Refiexerregbarkeit des Rtickenmarks dutch das Chinin" das Wort (Berliner klin. Wochenschr. 1880. No. 18). Ich bin auf Grund einer langen und sorgfaltigen Reihe yon Versuchen (Dieses Archly. Bd. V. S. 1--24] zu der Ansicht gekommen, dass fiir diese ~Meinung bis jetzt nieht der geringste experimentelle Beweis erbracht ist, nachdem ich ,~orher selbst an die vielbesprochene direct antirefiectorische Wirkung des Chinins als eine zweite neben seinen direct chemischen zu glauben geneigt war. u gelingt as dam genannten Forscher, seinen kategorisch hingestellten Satz durch eigene naue Yersuche zu beweisen. Was er yam Chinin an der betreffenden Stalle beschreibt, sieht viel mehr nach einer directen Wirkung auf ein Krankheitsferment aus; ob Pilze ader ~ichtpilze, ist ganz nebens~chlich ftir diese Frage.

128 VI I I C. BI~z

v. W i l l e b r a n d 1) verordnete das Jod in Jodkalium und Wasser gcl~st innerlich beim Abdominaltyphus und sagt, dass danach die Temperatur, aueh wenn sie tiber 40 0 C. gestiegen war und sieh mor- gens und abends auf dieser den gcf~hflichen Charakter der Krank- heit bezeichnenden HShe erhalten hatte, nachdem alas Jod ein, zwei oder drei Tage gebraucht wordcn, bedeutende Remissionen zcigte und dass die Defervescenz regelm~issig fortging, bis nach einer ftir diese Krankheit ungewi3hnlich kurzen Zeit das Fieber aufhSrte und dcr Beginn der Convalescenz eintrat. Er verordnete zweistUndlich 3--4 Tropfen in einem Glas Wasser eincr L~sung yon 0,36 Jod mit 0~72 Jodkalium in 3,6 Wasser.

L i e b e r m e i s t e r 2) prUfte das Verfahren und berichtet yon ihm, es habe ihm zwar hinsichtlieh der Tempcratur kcine ausgesprochene Abweichung yon dcr Regel ergcben, aber die Sterblichkeit sei merk- lich geringer gewesen als bei den gleichzeitig ohne Jod aber sonst

i n gleicher Weise behandelten Fiillen. Eine weitere Prtifung ~ des Gegenstandes hat wohl deshalb nicht

stattgefunden, wcil um jene Zeit die Behandlung des Abdominaltyphus mit lauen B~idern und Chinin, die seither immer mehr als die einst- weilea beste sich bew~hrte, in Aufnahme kam.

B a e u m l e r ~ ) hat Uber die fieberwidrige Wirkung des J o d k a - l iums allein in dem remittirenden Fieber, welches syphilitische Af- feetionen begleitet, gtlnstig berichtet. Er sagt:

,Ira h0ehsten Grad auffallend ist nun die rasehe Wirkung des Jod- kaliums auf das Fieber in solchen Fiillen, und die Schnelligkeit seiner Wir- kung scheint darauf hinzudeuten, dass dieses Mittel dadurch auf die fieber- erregende Substanz wirkt, welehe, wie wir annehmen miissen, in den lo- calen Herden dureh den krankhaften Stoffwechsel gebildet wird. Das Fieber wird n~imlich sofort beeinflusst und h6rt in einigen Tagen ganz auf, w~ih- rend der /3rtliehe Process zu seiner Resorption oder Heilung oft noeh viele Wochen gebraueht. Eine Periostansehwellung oder ein GesehwUr stehen w~ihrend dieser Zeit fortw~ihrend noeh in Wechselwirkung mit der tlbrigen Siiftemasse, aber trotzdem tritt Fieber nicht wieder ein, so lange eine hin- reiehende Quantitlit Jodkalium in derselben vorhanden ist. Da das Jod- kalium in anderen Formen yon remittirendem Fieber, z. B. bei Lungen- sehwindsucht, nicht dieselbe antipyretisehe Wirkung ~iussert, kann diese seine Wirkung nicht in irgend einem besonderen Einfluss auf das l~erven- system begriindet sein, sondern wir sind zu der Annahme gen/3thigt, dass es eine ganz bestimmte, eigenartige, nur bei gewissen syphilitischen Eat-

1) Archiv f. pathol. Anatomie u. s.w. 1865. Bd. 33. S. 517. 2) Z i e m s s e n ' s Handb. d l Path. u. Therap, 1864. Bd. II. 1. S. 206. ~ Ferner,

im Deutsch. Arch, f. klin, Med. Bd: IV. S. 42t--428. 3) Deutsch. Arch. f. klin. Med. 1872. Bd. IX. S. 429.

Jods~ure. 129

ziindungen sich bildende Substanz ist, welche bier fiebererregend wirkt und sich yon der bei gewiihnlichen Eiterungen gebildeten pyrogenen Substanz durch ihr eigenthtimliehes Verhalten dem Jodkalium gegenttber auszeiehnet. Das Vorkommen solcher versehiedenartiger pyrogener Substanzen in ver- schiedenen Fallen des Resorptionsfiebers hat an sieh niehts Unwahrsehein- liches und ware ein Analogon der doch jedenfalls versehiedenen pyrogenen Substanzen der acuten speeifischen Fieber. Wir kSnnten freilich auch noch einen 8chritt welter zurtiekgehen, namlich auf die Bildungsstatten der fieber- erregenden Substanz, und annehmen, dass das Jodkalium durch seine Wir- kung auf die localen Herde die Bildung der tryrogenen Substanz verhin- dere. Diese Annahme wtirde eine Stiitze finden in dem fast gleichzeitigen Verschwinden des schleehten Aussehens der Geschwtire und des Schmerzes."

Die Ansicht B a e u m l e r ' s , das Jodkalium wirke direct auf die fiebercrregende Substanz, hat mittlerweile durch zwei Thatsachen eine weitere Begrtindung erfahren. Die eine ist das directe Heilen syphilitischer GeschwUre durch Jodoform, wobei die Entwieklung des freien Jods inmitten der iiusseren Gewebe das Gift vernichtet. Die andere besteht in dem yon mir gelieferten hTachweis, dass das che- misch indiffcrente Jodkalium unter dem Einfluss yon Protoplasma und Kohlensi~ure spaltbar ist; und in der hieraus sich ergebenden u dass die unter dem Einfluss des Jodkaliums so rasch heilenden syphilitischen :Neubildungen diese Spaltung besonders ener- gisch vollziehen. 1)

Dort also in den ~usseren Geschwtiren, in welche Jodoform ein- gepulvert wird, wie hier in den Gummiknoten, an die das Jodka- lium yore Blut aus herantritt~ der gleiche Heilvorgang: Depression der krankmachenden Ursache durch alas freiwerdende ihr feindliche Element.

An eine a u g e n b 1 i c k li c h e Vernichtung desselben braucht man dabei night zu denken, sondern nut an eine solche Beeinflussung seiner fermentahnlichen Energie, welche dem stets vorhandenen Umsetzungs- und Ausstossungsbestreben der ~atur eine kr~ftige Hilfe bringt. ]ch hebe das ausdrUcklich hervor 7 well jcne gewaltthiitige Vorstellung, die ich selbst niemals hatte, mir yon der Phantasie Anderer zuge- schrieben wird.

Die fieberwidrige Eigenschaft des im Innern des Organismus frei- werdenden Jods ist ferner yon C o e s f e l d beim Menschen behauptet worden. Er land, dass Bepinselung grosset ttautfli~ehen mit mSg- lichst starken LSsungen yon Jodoform in Collodium elasticum einen Abfall der Temperatur yon tiber 20 C. zuwege brachte. 0 Da die

l) Archiv f. pathol. Anat. u. s. w. Bd. 62. S. 124. 2) Deutsche medic. Wochenschr . (Berlin) 1879. ~'o. 23.

A r c h i v fiir experiment. Pathologic u. Pharmakologie. XIII. Bd.

130 VIII. C. Bi~z

Resultate von tt ~ gy e s und mir tiber die Entwicklung yon freiem Jod aus dem Jodoform auch auf diese Art der Anwendung passen, so werden die Erfolge yon (~oesfe ld , wie friiher mehrere der yon M o l e s c h o t t 1), damit verst~ndlich.

Verstandlich wird uns yon diesen Gesichtspunkten aus auch die altbekannte ,,resorptionsf~rdernde" Kraft tier Jodpraparate tiberhaupt. Bisher konnte keine ungezwungene Theorie davon entwickelt wet- den, wie die aufsaugcnden Gefasse dutch das Jod zu gr~sserer Th~- tigkeit angeregt werden s011ten. Stellcn wir uns vor, dass das inner- halb der Gewebe freiwerdende Jod gewisse :5Teubi ldungen yon Zellen h i n d e r t und den Z e r f a l l yon vorhandenen b e f ~ r d e r t ~ so stehen wir auf dem Boden greifbarer Thatsachen, aus dem die Schltisse ohne Zwang hervortreten.

Nur fur alas directe Auftragen der Jodtinctur auf die ttaut gilt wohl cine andere Erkl~rung. Wenige Stunden nach einer kraftigen Jodpinselung findet sich erhebliche Transsudation und ferner Anhau- lung ausgewanderter weisser Blutzellen im Unterhautbindegewebe, in tier Lederhaut, im Zwischenmuskelgcwebe und in naheliegendem Pe- riost. Einige Tage sparer beginnen die rtickschreitenden Verande- rungen deutlich nar zu sein. Die farbloseu Blutzellen und mit ihnen die Gewebc, worin sic in gr~sserer Menge lagern, verfallen der fettigen Entartung und schmelzen. Es ist das eine unmittelbare Folge des dutch das Jod und den Weingeist erregten ktinstlichen Ery- sipels, denn auch das natUrliche oder Wund-Erysipel vermag Gewebe, um welche hcrum es wuchcrt, zur raschcn Schmelzung zu bringen (Busch-Bonn, Schede) . Nach allem, was wir aber die Lebens- v0rg~inge des Protoplasmas der farblosen Blutzellen wissen, liegt hier cine yon ihnen eingeleitcte energische Oxydation ihrer selbst und der :Nachbargewebe vor.2) Sic verbrennen rasch und ziehen na'chbarliches Gewebe yon labilem Charakter in ihren Zerfall mit hineiu.

Ich kehre nach dieser Abschweifung, zu welcher ich geftthrt wurde durch den Einfluss des freien Jods auf Zellen, zur Jodsaure znrUck.

Es muss meinerseits g~nzlich dahingestellt bleiben, ob ihre so sichere und rasche fieberwidrige Wirkung beim Menschen verwerthet werden kann.

G e g e n diese Verwerthung sprechen die Giftigkeit und die eng begrenzte Form der Anwendung.

1) Wiener reed. Wochensehr. lSTS. ~o. 24 26. 2) Vgl. die Tafela I u. II zu Volkmann's Abhandlung tiber Erysipelas, bei

Billroth und Pitha. 1S69.

Jodsi~ure. 131

Erstere ist in den friiheren Mittheilungen gentigend hervorge- hoben. Sie fordert jedenfalls zur Vorsieht auf. Letztere bezieht sich darauf, dass das Praparat, als jodsaures Natron, vielleieht nur sub- cutan gegeben werden kiinnte, da es sieh im Magen unter dem Ein- fluss der freien Salzs~ture - - die allerdings naeh M a n a s s e ' / n beim Fiebernden sehr abgenommen hat --, zu rasch zersetzen wtiede.

F tir einen grtindlichen Versuch der Verwerthung spricht, dass auch andere h(iehst sehiitzbare Arzneimittel giftig sind, darin also allein kein Hinderniss liegen kann; dass ferner die yon Dr. D ' h a m mit Jods~iure behandelten fiebernden Kaninehen unter der Behand- lung gesundeten; dass deshalb nieht abzusehen ist, weshalb sieh nicht auch ftir den Mensehen eine schon fieberwidrige und noeh nicht giftige Dosis sollte auffinden lassen; und dass endlich noch eine ganze Anzahl yon Fieberzusti~nden, in denen laue Biider, Chinin, Salieylsliure, Alkohol und Veratrin ohnmiichtig sind, des bannenden Gegenmittels harret, und die vielleicht gerade yon zwei so miichtigen Elementen wie aetiver Sauerstoff und Jod in ihrer fiebererregenden Ursaehe erschtittert werden kSnnten.

Abscesse entstanden in den Versuchen yon Dr. D 'h am niemals. Schmerz schienen die Thiere nicht zu haben, was freilich yon einem so torpiden Wesen wie das Kaninehen ist, ftir den Menschen nicht vim beweist.

Innerlich und Russerlich k~nnte ferner die JodsRure an Stelle des Jodoforms vielleicht Verwerthung finden.

Nach einer Mittheilung yon G ehe u. Co. in Dresden hat sich der Verbraueh des Jodoforms in den letzten ftinf Jahren etwa ver- zehnfacht. Wirkt das Jodoform nur durch die langsame aber an- haltende J o d a b g a b e - und das scheint doch wohl erwiesen zu sein - - , so kann die Jodsi~ure nicht weit davon abliegen in ihrer thera- peutischen Thiitigkeit. Nur hiitte man wegen des freien Sauerstoffs, der sieh zuerst entfernt, keinesfalls auf eine ganz so milde Wirkung wie beim Jodoform zu rechnen.

Als Priiparat ftir den inneren wie ~iusseren Gebraueh, falls Je- mand damit Versuche anstellen wollte, wtirde ich nicht die yon L u- t o n ~usserlich a~gewendete l) freie Siiure sondern das ungleich we- niger heftige jodsaure Natron empfehlen. Es besteht aus farblosen troeknen und geruehfreien Krystallen~ die sieh bequem in 15 Theilen Wasser yon etwa 20 o C. 15sen. Die L(isung reagirt neutral und schmeekt fade salzig, i~hnlich wie Jodkalium.

1) Vgl. dieses Archiv. Bd. VIII. S. 330. 9*

132 VIII. C. Bi~z, Jodsaure.

Mit reiner Schwefel- oder Salzsiiure versetzt, bleibt die L~isung klar und farblos. Wird dann eine Spur Jodkalium hinzugeftigt, so f~llt augenblicklieh freies Jod aus. l) Ein anzuwendendes Priiparat muss den ersten Theil dieser Probe halten, we i l e s sonst vielleicht rascher als erwtinseht freies Jod entbinden wtirde.

Aus den in dieser und der vorhergehenden Abhandlung mitge- theilten Versuehen ergibt sieh unter anderm:

1. Jodoform, ]odsaures Natron und Jo&~atrium haben im gesun- den Organismus qualitativ die glelchen Wirkungen: Depression des Gehirns, Anfitzung und Verfettung mehrerer Organe. Der Effect va- flirt sehr je nach der GabengrSsse und der Raschheit der Aufnahme.

2. S~mmtliche Wirkungen gfinden in vori~bergehendem Freiwerden yon Jod ihre Erkl~irung. 1)as dabei yon H S g y e s angenommene inter- medifire Jodalbumin ist ganz unwahrscheinlich und zum Verst~ndniss der Vorgtinge nicht erforderlich.

3. Die Magenschleimhaut geh6rt, auch bei subcutaner Einfuhr eines der drei genannten _Prtiparate, zu den am ersten gesch~digten Organen. Meine Versuche an Thieren stimmen mit der Beobachtung yon ~ o se am Menschen darin ~berein und lie fern ihre J~egri~ndung.

4. Jodsaures Natron ist im fauligen Fieber energisch gqeberwidrig, und ~war sehon in solchen Gaben, welche beim TMer noch keine merk- bare Schhdigung irgend welcher Art erkennen liessen.

1) a.a.O.S. 327.