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Die Lokalisation der Objekte bei Blickbewegungen. Yon E. Kaila~ Abe (Finnland). Inhaltsi~erslcl~t. Das Problem der sog. absoluten Lokalisation (S. 60). Versuehe fiber die Lokalisation yon w~hrend der Bliekbewegungen auftauehenden Liehtpunkten (S. 70). Die Veriinderungen der absoluten Lokalisation als zentrale Umschaltungen (S. 74}. Das Problem der sog. absolute~ Lokalisatio~. ,,Fiir die Lokalisierung mit bewegtem Blioke ergibt sieh nun zuv6rderst der Satz, cl~ll dureh die Bewegung an sieh und wenn nieht dutch dieselbe anderweite Erfahrungsmotive der Lokalisierung in Wirksamkei~ gesetzt werden, die relative~t l~umwerte der Netzhautstellen und der zugehfrigen Empfindungen nicht geandert werden, dab aber die absoluten, d.h. die auf den wirkliehen l~um bezogenen Raumwerte sieh i~ndern, und zwar alle in gleiehem Sinne und bfalle. Die ge~nderte Lage der Hauptsehrichtung bedingt" also eine entsprechende Lage~nderung. . des,, ganzen Systems der Sehriehtungen, ohne dab dieses in sieh eine 2~uderung erfahrt. ,,Da sich ndimlich bei ]eder Blickbewegung die Bilder der Auflendinge au] tier Netzhaut verschieben und somit ihre relativeu l~aumwerte (tndern, wir die Dinge aber gleichwohl im allgemeinen in Ruhe nehen, 8o ]olgt, daft die dutch die Bildver- sehiebung bedingte z~nderung der relativen Raumwerte kompensiert wlrd dutch die bel der Bliekbewegung statt/indende z~nderun 9 des absoluten Raumwertes des ganzen Emp/indumyskomplexes oder des Sehraumes, und damit ]eder Einzelemp/indun~j und iedes Sehdlnges, und also belde ~nderungen glsich grofl, abet en~jegengesetzt sind. Ware dies nicht der Fall, so mfiflten die Dinge w~hrend der Bewegung des Bliekes ihre seheinbare Lage ~ndern, es mfiltten Seheinbewegungen und ~nderungen der scheinbaren Gestalt auftreten. Solehe zeigen sieh, wie wir sehen werden, wirklieh in allen Fallen, we die ~[nderung der absoluten l~umwerte die ~ndemng der relativen nieht genau oder gar nir kompensiert." ,,Die Bewegungen des Bliekpunktes werden veranlaBt und geleitet dutch Ortsver~ndemngen der Aufmerksamkeit. Zieht ein zun/ichst indirekt gesehenes Objekt die Aufmerksamkeit auf sieh, so wird dutch diesen Ortsweehsel der Auf- merksamkeit und das Streben, das Objekt deutlich zu sehen, die entsprechendr Bliekbewegung ohne unser weiteres Zutun ausgelfst. Die Wanderung der Auf- merksamkeit setz$ die Wanderung des Bliekpunktes. Ehe also noeh die Bliek- bewegung begirmt, ist der Ort, der das Ziel derselben bildet, bereits im Bewul3t- sein und yon der Aufmerksamkeit erfallt, und die Lage dieses Ortes im Sebraume bestimmt die Riehtung und Gr611e der Bliekbewegung. In demselben Ma~e abet als die Au/merksamkeit ihren Or~ im Raume Ctnderl, Ctndern sich zugleich auch die absoluten Raumwerte der 2qetzhaut und es w~rd die Rivhtung und Gr6~e dieser ~n- derung ledlglieh dutch die Richtung und Gr~fle des Abstandes bedingt, welsher tier ieweilige neue Au]merksamkeitsort in bez~ au] den alten hat."

Die Lokalisation der Objekte bei Blickbewegungen

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Die Lokalisation der Objekte bei Blickbewegungen. Yon

E. Kaila~ Abe (Finnland).

Inhaltsi~erslcl~t. Das Problem der sog. absoluten Lokalisation (S. 60). Versuehe fiber die Lokalisation yon w~hrend der Bliekbewegungen auftauehenden

Liehtpunkten (S. 70). Die Veriinderungen der absoluten Lokalisation als zentrale Umschaltungen (S. 74}.

Das Problem der sog. absolute~ Lokalisatio~.

,,Fiir die Lokalisierung mit bewegtem Blioke ergibt sieh nun zuv6rderst der Satz, cl~ll dureh die Bewegung an sieh und wenn nieht dutch dieselbe anderweite Erfahrungsmotive der Lokalisierung in Wirksamkei~ gesetzt werden, die relative~t l~umwerte der Netzhautstellen und der zugehfrigen Empfindungen nicht geandert werden, dab aber die absoluten, d.h. die auf den wirkliehen l ~ u m bezogenen Raumwerte sieh i~ndern, und zwar alle in gleiehem Sinne und bfalle. Die ge~nderte Lage der Hauptsehrichtung bedingt" also eine entsprechende Lage~nderung. . des,, ganzen Systems der Sehriehtungen, ohne dab dieses in sieh eine 2~uderung erfahrt.

,,Da sich ndimlich bei ]eder Blickbewegung die Bilder der Auflendinge au] tier Netzhaut verschieben und somit ihre relativeu l~aumwerte (tndern, wir die Dinge aber gleichwohl im allgemeinen in Ruhe nehen, 8o ]olgt, daft die dutch die Bildver- sehiebung bedingte z~nderung der relativen Raumwerte kompensiert wlrd dutch die bel der Bliekbewegung statt/indende z~nderun 9 des absoluten Raumwertes des ganzen Emp/indumyskomplexes oder des Sehraumes, und damit ]eder Einzelemp/indun~j und iedes Sehdlnges, und also belde ~nderungen glsich grofl, abet en~jegengesetzt sind. Ware dies nicht der Fall, so mfiflten die Dinge w~hrend der Bewegung des Bliekes ihre seheinbare Lage ~ndern, es mfiltten Seheinbewegungen und ~nderungen der scheinbaren Gestalt auftreten. Solehe zeigen sieh, wie wir sehen werden, wirklieh in allen Fallen, we die ~[nderung der absoluten l~umwerte die ~ndemng der relativen nieht genau oder gar nir kompensiert."

,,Die Bewegungen des Bliekpunktes werden veranlaBt und geleitet dutch Ortsver~ndemngen der Aufmerksamkeit. Zieht ein zun/ichst indirekt gesehenes Objekt die Aufmerksamkeit auf sieh, so wird dutch diesen Ortsweehsel der Auf- merksamkeit und das Streben, das Objekt deutlich zu sehen, die entsprechendr Bliekbewegung ohne unser weiteres Zutun ausgelfst. Die Wanderung der Auf- merksamkeit setz$ die Wanderung des Bliekpunktes. Ehe also noeh die Bliek- bewegung begirmt, ist der Ort, der das Ziel derselben bildet, bereits im Bewul3t- sein und yon der Aufmerksamkeit erfallt, und die Lage dieses Ortes im Sebraume bestimmt die Riehtung und Gr611e der Bliekbewegung. In demselben Ma~e abet als die Au/merksamkeit ihren Or~ im Raume Ctnderl, Ctndern sich zugleich auch die absoluten Raumwerte der 2qetzhaut und es w~rd die Rivhtung und Gr6~e dieser ~n- derung ledlglieh dutch die Richtung und Gr~fle des Abstandes bedingt, welsher tier ieweilige neue Au]merksamkeitsort in bez~ au] den alten hat."

E. Kaila: Die LokaliSation der Objekte bei Blickbewegungen. 61

,,Dal3 die ~nderung der absoluten Raumwerte in der Tat allein yon dem Ortsweohsol der Aufmerksamkeit, nicht aber erst nachtr~glich yon der dadurch ausgelSs~n BIickbewegung bedingt ist, wird dadurch bewiesen, dab erstere aueh dann'eintritt, wenn letztere anormalerweise ausbleibt. Ist z. B. der kuBere Gerade des reehten Auges gelkhmt und der Kranke schlieBt das linke Auge, so seheint sieh ihm alles Sichtbare nach rechts zu bewegen, er unterliegt dem sog. Gesichts- schwindel. ~obcdd aich ~mlich seine Au/merksamkeit nach rechts wendet, er/ahre~ alle Breitenu~rte der NeJzha~ einen entsl~rechenden ~ t i v ~ Zuwc~cl~ und er lokaZi- alert, da wegen tier Ldhmung das Auge ~ seine Netzhautbilder ihre Lage r vev. ~nderr~, die 8ehdinge in dem~elben Marie weiter hack rechts, als der Au/mer~amkeits. oft hack rech~ geu~ndert ~ . "

In diesen -- yon mir teilweise im Druck betonten -- Sktzen yon un- iiberbietbarer Klarheit hat Herin 9 (Hermanns Handbuch III, 1, S. 532ff.) das Problem der sog. absoluten Lokalisation erfal3t. Zugleich hat er uns in den Begriffen der relativen und absoluten Raumwerte sowie in dem Satz der /~derungen der letzteren durch die/~derungen der Aufmerksamkeitsorte gedankliche Mittel dargeboten, die vorziiglich dazu geeignet sind, die vorIiegenden Tatsachen exakt zu beschreiben. Dagegen ist eine L68ung des Problems der absoluten Lokalisation durch diese Begriffe nicht gegeben und wohl auch nicht erstrebt. Denn was sind diese ,,absoluten" Raumwerte? Wie unterscheiden sic sich yon den ,,relativen", mit denen sic arithmetisch summierbar sein sollen? Was bedeutet der Ausdruck ,,Kompensation" ? Hieriiber hat sich Hering wold bestimmte Vorstellungen gebildet, scheint es aber nicht fiir rat- sam gehalten zu haben, diesen Gedanken mchr als (lurch gewisse An- deutungen Ausdruck zu geben.

Der ,,wirkliehe" Raum bedeutet fiir H e r i ~ den gedachten Raum, sowie dieser yon uns auf Grund der gesamten Raumdaten der optischen und haptischen Effahrung gebildet wird. Der Zusammenhang zwischen dem jederzeit gegebenen sinnlichen Sehraum und dem gedaehten Raum wird yon einem Element des ersteren vermittelt, dcm wegen seiner Stabilitkt eine ausgezeichnete SteUung zukommt: yon unserem wahr- genommenen k6rperlichen Ich. Im entwickelten Bewul~tsein wird das Anschauungsbild des letzteren den iibrigen Sehdingen entgegengesetzt; dieses Ich (genauer: ein bestimmter Punkt desselben) wird zum Aus. gangspunkt der phknomenalen Sehrichtungen; bei einer ~uderung der absoluten Lokalisation wird das gesamte Strahlenbiischel yon Seh- richtungen ,,gleichsam als ein festes Ganzes rclativ zum Ich verschoben; es wird sozusagen die Lage des Koordinatensystems, auf welches die Bflder bezogen werden, relativ zum Vorstellungsbilde des Leibes ver- sehoben" (Beitrkge zur Physiol. 5, 345; 1864).

In neuester Zeit hat Hillebrand das Problem der absoluten Lokali- sation in seinem ganzen Umfange wieder aufgenommen (Die Ruhe der Objekte bei Blickbewegungen; Jahrb. d. Psychiatric u. Neurol. 40;

62 E. Kaila:

1920; vgl. aueh Zeitschr. f. Psyehol. 90, lff.; 1922). Hierbei setzt sich Hillebrand zur Aufgabe, fiber die Natur desjenigen ,,kompensieren- den Faktors", dutch dessen Wirksamkeit die Objekte bei Blickbewe- gungen in Ruhe bleiben, positiven Aufschlu$ zu erhalten. Sein Aus- gangspunkt sowie die theoretischen Voraussetzungen fallen mit denen yon Herlng zusammen, aber das Ergebnis weicht yon der LSsung, die Iierin~. wenigstens angedeutet hat, dadurch ab, dab Hillebrand die absolute Lokalisation als eine rein interne Angelegenheit des sinnlichen Sehraumes aufzufassen und alle P~ume ,,hSherer Ordnung", demnaeh auch den ,,wirklichen", gedachten Raum Herings auszuschalten ver- sueht.

Es sei zuerst der Gedankengang yon Hillebrand in aller Kiirze wieder. gegeben.

Der Kernpunkt des Problems der absoluten Lokalisation liegt in dem Umstande, dsfl die Objekte bei willki~rlichen Blickbewegungen trotz der Verschiebung der zugehSrigen Netzhautbilder in Ruhe bleiben. /)as Wesen einer wiUkfirlichen Blickbewegung besteh~ abet darin, dab die Bliekbewegung selbst dutch ein Voraadium eingeleitet wird, in dem der Zielpunkt der Blickbewegung sehon yon der Aufmerksamkeit er- faflt wird. Dies bedeutet eine Verschiebung der Grenzen des merkbaren Sehfeldes. Wenn etwa der Zielpunkt rechts yore fixierten Punkte liegt, so verschieben sich im Vorstadium die Sehfeldgrenzen so, dab links Orte wegfallen, rechts andere zuwaehsen. Wenn nun der Tall voraus. gesetzt wird, dab die 2 Punkte nieht allzu weit voneinander im Sehfelde gelegen sind, so werden im zweiten Stadium, wo der Zielpunkt yon der Aufmerksamkeit erfai~t wird, das Deutlichkeitsgef~lle der Netzhaut und die dadurch bedingten Sehfeldgrenzen die definitiven sein, d.h. , sie werden dutch das dritte Stadium, wo die Fovea dem Zielpunkte zu- gewendet wird, nicht mehr veri~ndert. Diese Voraussetzung ist nach Hillebrand erlaubt, weil sieh bei grSfleren Abst~nden zwischen den beiden Punkten die Blickbewegung aus Einzelschritten zusammen- setzen l~Bt, for deren jeden diese Voraussetzung wirldich gilt.

Die Ruhe der Ob]ekte h~ngt nun davon ab, dab die Bliclcbewegung d~r Verschiebung der Seh/eldgremen genau angepaflt ist (Jahrbiicher, S. 249).

Da n~mlich im zweiten Stadium (demjenigen der bloBen Verlagerung des Aufmerksamkeitsortes) der erste Punkt immer noch der Fovea entspricht und ,,da der Oft eines Sehobjektes eine Funktion der Netz- hautsteUe ist", so muff er am selben Orte gesehen werden. Wohl hat der Punkt seine relative Lage im Sehfelde ge~ndert; war er im ersten Stadium median, d .h . ,,mitten im Sehfelde" gelegen, so befindet er sich jetzt links yon der Mediane. Trotzdem wird er als auf seinem alten Platze gelegen gesehen.

Die Lokalisation der Objekte bei Blickbewegungen. 63

,,Frage i c h . . , ob (der fixibrte Punkt) A beim ~bergang yon I zu I I def. selbe Oft gcblieben ist, so ist das keine Frage nach den internen Relationen im augenblicklichen Sehfeld, sondern eine solche nach den Beziehungen eines gegen- wg~rtigen zu einem vergangenen Oft; die Antwort ,,identisch" wird als0 nicht dadurch beriihrt, dab sich das iJorige Seh]eld im Stadium I I anders um diesen Oft gruppiert als im Stadium I, so wenig als man yon einem in der Mitre der Front stehenden Sold~ten sagen wird, er babe seinen Oit ge~ndert, wenn am Iinken Fliigel einige Soldaten abgefaUen, an dem rechten eimge dazugetreten sind und er daher in der neuen Front nlcht mehr die Mit~ einnimmt" (Jalirb. S. 245}. Nun kann aber auch das Stadium H I hierin keine ~nderung hervor- rufen, denn ,,in bezug auf den psyehischen Zustand kann zwischen diesvn beiden Stadien (II und III) iiberhaupt kein Unterschied bestehen: die Qualit~ten und ihre Orte sind dieselben und die Deutlichkeitsgrade sind es ebenfalls ~ damit ist abet der psychische Tatbestand e1~ch6pft. DaB (der ZieIpunkt) B im Stadium I I mit einer exzentrlschen Netzhautstelle gesehen wird, im Stadium I I I mit der Fovea, gehSr~ nicht zum psyehisehen Tatbestand" (ibid.).

Hierdureh erfiillt das Stadium I I die Aufgabe, die )~nderung, die das Sehfeld bei der Blickbewegung erf~hrt, als einen Wegfall und Zu- wachs yon Often und nicht bloB yon ~ Qualit~ten zu ~harakterisieren. F~llt daher dieses Stadium weg, wie es bei unwillki~rIicher Blickbewegung (etwa beim Nystagmus) der Fall ist, so fehlt i iberhaupt jeder Anlal~, die Punkte des neuen Sehfeldes relat iv zu denen des vergangenen und daher identisc~ mit diesen zu lokalisieren, vielmehr werden sie nur naeh den internen Relationen im neuen Sehfelde lokalisiert.

Es fragt sich, oh dutch die yon Hillebrand angefiihrten Gesichts- punl~te eine wirkliche Erkl~rung der Objekt~ruhe und der absoluten Lokalisation gewonnen worden ist, oder ob nicht vielmehr ganz die- selben Fragen wie friiher auch bei dieser Theorie auftauchen. Hillebrand sagt (Jahrb. S. 249):

,,Da also die Ruhe der Ob]ekte davon abl~ngt, dal3 die Blickbewegung der Yerschiebung der Gewiehtskurve (d. h. zugleich: der Sehfeldgrenzen) mSgliehst genau angepaBt ist, wird es offenbar auch darauf ankommen, mit welchem Grad yon Genauigkeit uns die Ver~nderung der Sehfeldgrenzen merkbar ~rd , wie sie beim t~bergang yon Stadium I zu Stadium I I statthat."

Hier mul~ man sieh meines Erachtens erstens fragen, w/e denn die quant i ta t ive Beziehung zwischen der retinalen Orts~nderung und der Verschiebung des Sehfeldes eine solche Rolle spielen kann ? Denn die retinale Orts~nderung, die im Stadium I I I erfolgt, geh6rt der Voraus- setzung g e m ~ nieht zum psychisehen Tatbestand. Es kann also nicht gemeint sein, wir kSnnten beim t?bergang yore Stadium I I zum Sta- dium I I I bemerken, dal3 die retinale Orts~nderung, die dutch die Blick. bewegung selbst erfolgt, ebenso groB sei wie die Versehiebung des Seh~ feldes im Stadium I I . Wie kann dann abet behaupte t werden, es komme aueh darauf an, mi t welchem Grad yon Genauigkeit uns die Vet. sehiebung der Sehfeldgrenzen merkbar wird ? Es resultiert die Objekt-

64 E. Kafla :

ruhe dann, wenn die retinale Orts~nderung dieser Verschiebung quanti- tativ entspricht. Wenn aber die erstere etwas fiberhaupt Bemerkbares nicht ist, wie kann dann die Bemerkbarlcei~ der letzteren irgendwelehe Rolle spielen ?

Zweitens wird in den merkbaren Sehfeldgrenzen ein Faktor ein- geffihrt, der meines Erachtens begrifflich eben derselben Art ist wie der Begriff der ,,Kompensatlon" der retinalen dutch die absoluten Raumwerte. Oder sollte es wirldich HilIebrands Ansicht sein, dab wir bei den intendierten Bliekbewegungen die jeweiligen Sehfeldgrenzen beachten und darauf unser Urteil fiber die Ruhe oder die Bewegung der Objekte griinden? Wie wiirde das mit der bekannten Tatsaehe stimmen, dab sogar grebe Sehfeldeinsehr~nkungen yon dem betreffenden Kranken oft gar nieht bemerkt werden ? Und wenn aueh im normalen Sehen und beim ruhenden Blieke die Sehfeldgrenzen evtl. beachtet wiirden, wie wiirde das bei einer intendierten Blickbewegung mSglieh sein, we die Aufmerksamkeitsverlagerung und die darauffolgende Blick- bewegung blitzschnell, ohne irgendwelchen Hiatus, aufeinanderfolgen ? Und welchen Weft wiirde dieses Bemerken der Sehfeldgrenzen haben, da doch die dureh die Bliekbewegun~ erfolgende ,,kompensierende" retinale Ver'~nclerung jedenfalls nieht bemerkbar ist ? Demnach liegt meines Erachtens nur eine Umsehreibung der eben zu erkl~renden Tat- sache vor, wenn. gesagt wird, behufs der Ob]ektruhe mfissen die Ver- schiebung des Sehfeldes und die retinale Ortsver~nderung einander ent- spreehen. Da n~mlich diese beiden als psychlsehe $'akforen kaum in Frage kommen, kSnnen in ihnen nur physiologiseh greifbare ]~Iomente erblickt werden, und wir miissen uns die Frage stellem warum denn bei Vorhandensein dieser beiden ,,k0mpensierenden" Momente der psy- chische Effekt auftritt, dab die Objekte in Ruhe bleiben?

HiUebrand sagt (Zeitschrift f. Psychol. S. 6):

Im Stadium II hat sich der Oft A nich~ ge~ndert. Denn da der Ort eines Sehobjektes eine Funktion der Netzhautstelle ist und A im Stadium II ebenso der Fovea en~spricht wie im Stadium I, so muB es am selben Orte gesehen werden."

Wie stimmt dies mit dem Tatbestande zusammen, der bei der Parese gegeben ist ? ,,Ist z. B. der ~ul]ere Gerade des rechten Auges gel~hmt. . . , so seheint sich ihm .(dem Kranken) alles Siehtbare nach rechts zu bewegen. . . Er lokalisiert , da wegen der IAhmung das A~ge und seine Netzhautbilder'ihre Lage nicht ver~ndern, die Sehdinge in dem- selben MaBe weiter naeh reehts, als der Aufmerksamkeitsort nach reehts gewandert ist" (Hering, a. a. O. S. 534f.). Wenn wir also mit Hering einen derartigen Fall der Parese voraussetzen, so wird sich der Vorgang der intendierten Blickbewegung so gestalten, als ob nut das Stadium HI der norma/en Blickbewegung ausbUebe. Der fixierte Punkt wird also fortw~hrend der Fovea entsprechen; nach Hildebrand miiBte er also ,,am

Die Loka!isation der Objekte bei Blickbewegungen. 65

selben Orte gesehen werden". Beweist nicht dies, dab es bei der Ver- inderung der Raumwerte gerade auf das zweite Stadium ankommt ? Der Normale sieht den Punkt A im Stadium II am selben Orte nicht darum, well dieser Punkt immer noch mit der Fovea gesehen wird; im Gegenteil hat die Fovea schon im Stadium II, wegen der Aufmerk- samkeitswanderung, den neuen, dem Punkte B im vergangenen Seh- feld zugehSrigen Raumwert bekommen. Datum sieht der Paretisehe, bei dem die intendierte Bhckbewegung mit dem Stadium II abbrieht, den immer noch fixierten Punkt A an dem (rechts yon der l~Iediane gelegenen) Orte, den der Punkt B im vergangenen Sehfeld einnahm. Beim Normalen dagegen wird yon der Aufmerksamkeitswanderung die entsprechende Bliekbewegung unmittelbar ausgel6st; d .h . aber, daI~ die Fovea mit ihrem neuen Raumwert dem Punkte B zugeriehtet wird; da jedoeh der neue Raumwert eben derselbe war, den der Punkt B im Stadium I besafl, so bleibt dutch diese ,,kompensierende" Blickbewegung alles beim alten; die Punkte A und B wie aueh die iibrigen Punkte des Sehfeldes werden an denselben Orten gesehen wie im Stadium ]. Und dies ist eben der zu erklirende Sachverhalt.

Auch Hillebrand kann ja den Satz, dal~ der Oft eines Sehobjektes eine Funktion seiner Netzhautstelle sei, nieht uneingesehrinkt auf- rechterhalten. Denn im Stadium III wird ja A nicht mehr mit der Fovea gesehen, trotzdem wird er an seinem alten Orte ge'sehen. Auf diesen Einwand wiirde wohl HilIebrand antworten, es komme darauf an, ob sich das Sehfeld -- wie es bei willkiirlicher Blickbewegung der Fall ist -- nur (lurch einen ,,WegfaU und Zuwaehs yon Orten" oder dadureh ver~ndert, dab ,,das stabile Sehfeld mit neuen Qualititen besetzt" wird, wie es sieh bei unwfllkiirlicher Blickbewegung verhilt. Aber auch in diesen Ausdiffieken kann ieh niehts anderes erbhcken als Umsehreibungen des eben zu erklirenden Tatbestandes. Physiologiseh unterscheiden sieh die willkiirliche und die unwfllkiirliche Blickbewegung dadurch, dab bei der ersten die Fovea und der Punkt der gr613ten Deutliehkeit fiir einen Augenbliek auseinanderfalleni), bei der letz- teren dagegen die Fovea dem Punkte der grSflten Deutlichkeit jeder- zeit entspricht. Nun gehSrt abet der notwendigen Voraussetzung ge- mil~, auf der der ganze Beweisgang yon Hillebrand ruht, der Umstand, ob ein Punkt mit der Fovea oder mit einer etwas exzentrischen Netz- hautstelle gesehen wird, nieht zum psyehischen Tatbestande; demnaeh besteht aueh keine M6ghchkeit, das Auseinanderfallen der Fovea mid des Punktes der gr6Bten Deutlichkeit zu bemerl~en; also wie kommt es zu dem schroffen Gegensatze, der beziiglich der Orte der Sehobjekte bei wiUkiirlicher und bei unwiUkiirlicher Blickbewegung besteht, indem

l) Man verzeihe die etwas laxen Ausdriicke. Psycholo~sche Forschung. Bd. 8, 5

66 E. Kaila :

die Sehobjekte im ersten Falle ihre alten Orte beibehalten, im zweiten dagegen nicht ? Der Satz, dab im ersten Falle Orte wegfallen und zu- wachsen, im zweiten dagegen die alten Orte mit neuen Qualitaten besetzt werden, driickt demnach nur den eben zu erklarenden Tat- bestand aus.

HiUebrand sagt, die Verschiebung des Sehfeldes im Stadium H sei relativ zu dem vergangenen, aber noeh der psychischen Pr~senzzeit angehSrigen Sehfelde des Stadiums I zu verstehen; dadurch bIeiben die Orte die identisehen. Abet warum wird in solctmr Weise bei willki~rllcher Blickbewegung das Sehfeld des Stadiums II auf dasjenige des vergangenen Stadiums bezogen, bei unwillki~rlicher Bliekbewegung dagegen nieht; Und wie kommt dieses versehiedene Bezogensein zustande, wenn zwi- schen den Bedingungen der beiden Vorg~nge, der Voraussetzung gem~B, insofern kein psychischer Untersehied besteht, als eine Aufmerksamkeits- wanderung yon einer Blickwanderung nieht untersehieden werden kann ?

Der wirklieh neue Faktor, der yon Hillebrand eingefiihrt wird, be- steht in der ~nderung der Sehfeldgrenzen, die nach ihm eine Folge der Aufmerksamkeitswande.rung ist. Aber wenigstens als psychischez Moment diiffte dieser l~aktor nicht in Frage kommen, und auch wenn er als ein phenomenal aufweisbares Moment zu beriicksichtigen sein sollte, wiirde er meines Erachtens keinen Weft haben, da der not- wendige zweite Faktor, die gegensinnige ~nderung der retinalen Orte jedenfaUs nieht zum psychisehen Tatbestand gehSrt.

Also trotz aller Anerkennung des Scharfsinns der Darlegungen yon HiUebrand mul3 ich meine Meinung dahin aussprechen, dab wir auf dem yon ihm angezeigten Wege der L6sung nieht nahergekommen sind.

Inzwischen haben sich doch Einzeltatsachen geh~uft, die bei einer Behandlung des Problems der absoluten Lokalisation durchaus beriick- sichtigt werden miissen. Es wurden erstens Tatsachen bekannt, die als .ein Hinweis dahin gedentet werden muBten, daB aueh bei der nornuz/en intendierten Blickbewegung die ,,Kompensation der retinalen Raum- werte durch die absoluten" nicht so vollkommen war, wie man es viel- leicht vermutet hatte.

An erster Stelle ist in dieser Hinsicht wohl einer bekannten Beob- achtung yon Mach zu gedenken (Analyse der Empfindungen 107f.; 1919). Er bemerkte, daB, wenn man im Dunkelzimmer eine rasehe Blickbewegung yon .einem Licht nach unten ausfiihrt, ein Nachbild- streifen entsteht, der merkwiirdigerweise yon dem Lichte nach oben gerichtet ist.

,,Der Schwelf ist selbstverst~udlich ein Nachbfld, welches erst bei Beendigaug oder kurz vor Beendignng der Blickbewegung zum BewuBtsein kommt, ]edoch,

Die L0kalisation der 0bjekte bei Blickbewegungen. 67

was eben merkwiirdig ist, mit Ortswerten, welche nicht der neuen Augenstellung und Innervatio~, sondern noch der friiheren Augenstellung und Innervation ent- sprechen. ~hnliche Erscheinungen bemerkt man oft beim Experimentieren mit der Holtzschen Elektrisiermaschine. Wird man w~hrend einer BIickbewegung ab- w~rts yon einem Funken tiberrascht, so erscheint derselbe oft hoch ~ber den Elek- troden. Liefert er ein dauerndes l~achbild, so zeigt sich dieses natiirlich unter den Elektroden."

In der Diskussion, welche von dieser Beobaehtung hervorgerufen wurde, wurde merkwiirdigerweise zuerst nut der erste, den Nachbild- streifen betreffende Teil beriicksichr Dabei wurde die Beobachtung yon Schwarz in wertvoller Weise ergi~nzt (Zeitschr. f. Psychol. 3, 398ff. ; 1892; Schwarz bemerkt aueh, da f die Erscheinung im wesentlichen sehon yon Purkinje beobachtet worden war). Die Erg~nzung bestand darin, da f Schwarz auch einen normal lokalisierten Naehbildstreifen beobachtete. Es waren demnach ,,zwei dutch einen dunklen Zwi~chen- raum getrennte Nachbildstrei[en zu sehen, einmal der regelwidrige, ziem- lich lichtstarke, und dann ein schwi~cherer yon ungefi~hr gleieher oder gr6ferer L~nge, der vom neuen Fixierpunkt ausging und offenbar ein normales positives, in bezug auf die neue Fixierpunktslage richtig lokalisiertes Nachbild darstellte. Dieser letztere Nachbildstreif gelangte bei mir nieht immer zur Wahrnehmung". Besonders der letzte Punkt ist bei einer Nachpriifung der Beobachtung zu beachten; bei mir z. B. gelingt die Beobachtung des richtig lokalisierten Naehbildes nur bei ganz frisehen Augen. Weiter kann man nach meinen Beobachtungen auch die folgende Bemerkung yon Schwarz (a. a. O. S. 402) best~tigen: ,,Bei genauer Aufmerksamkeit auf den zeitlichen Ablauf der beiden Netzhautbildstreifen sehe ieh aueh in der Regel den normalen Nachbild- streifeno einen kleinen Augenbliek sparer auftreten als den regel- widrigen."

Vielleicht hat Schwarz den Untersehied zwischen den beiden Nach- bi ldstreifen nieht genug hervorgehoben. Es ist ja zu beachten, daft der zweite Streifen erst dann auftri t t , wenn der Blick seine Ruhestellung sehon erreieht hat ; kein Teil dieses Streifens entspricht einer dlrekten Reizung der Netzhaut, wie es beziiglich des ,,regelwidrigen" Streifens der Fall ist; der zweite Streifen ist nichts als ein gewShnliehes positives Nachbild des ersten; darum ist er aueh um soviel sehwi~cher als der erste.

Schwarz kommt beziiglich der Deutung seiner Beobaehtung zum folgenden Ergebnis, das fiir uns yon ganz besonderer Bedeutung sein wird I) :

~) Im Interesse meiner im folgenden Kapitel darzustellenden Versuche mag bier bemerkt werden, dab ich au~ die Abhandlung yon ,~ch~zrz wie besonders auch auf die sparer anzufiihrenden, yon H~l~rand angedeuteten Versuche erst nach der Ausfiihrung meiner eigenen Versuche aufmerksam wurde~

5*

68 ~ Kaila:

,,Man hat sieh also wohl vorzusteUen, daft die Empfindung des bei der rasche~ Bliekbewegung entstehenden Erregungsstreifens w~hrend der Dauer der Bewegung oder mindestens wahrend eines gr6Beren Abschnittes derselben so lokalisiert wird, als ob die Blickllnle noeh au/ den urspri~ng~ichen Fixierpun~ elngestellt w~re. Wenn dann die neue Ruhelage erreicht und die Erregung des Netzhautstreifens noeh nieht ganz abgelaufen ist, so kommt diese noch einmal zur Empfindung, ]etzt in bezvg au/ die neue Lage der Blicklinie richtlg lolcalisiert."

Die Beobaehtung von Schwarz wurde yon Holt best~tigt; der den Begriff einer ,,zentralen Ani~sthesie", die wi~hrend der Blickbewegung vorhanden sein soil, einfiihrte. Die Abhandlung von Holt (Eye-Move- ment and Central Anaesthesia, Psychol. Rev. Mon. Suppl. 14) ist mir leider nicht erreiehbar gewesen. Ho]mann (Die Lehre vom Raumsinn des. Doppelauges, Erg. d. Physiol. 15, 295f.; 1915) gibt folgendes l%e- ferat :

,,Er land, wie vorher schon Erdmann und Dodge, daft wi~hrend der Ausfiihrung einer Augenbewegung die Eindringlichkeit der optisehen Eindrticke infolge einer ,zentralen An~thesie' stark herabgesetzt sei. Ferner beobachtete er, ebenso wie Schwarz, zwei Nachbilder bei der Augenbewegung, ein erstes flalseh lokalisiertes ', dann ein dunkles Intervall und zum SchluB ein normal lokalisiertes, das schw~icher ist. Die beiden Nachbilder sollen nach Schwarz, dem sich Hol$ anschliel~t, eine und dieselbe Netzhauterregung darstellen, welche versehieden lokalisiert werde; zuerst so, als ob die Blieklinie noch nach dem ersten Fixationspunkt gerichtet sei. Dann folge die Unterdrtickung der Erregung durch die zentrale An~thesie und weim dann die neue Lage der Augen erreieht ist und die Igetzhauterregung noch nieht v611ig verschwunden sei, komme der Streifen noch einmal zum Be- wuBtsein, diesmal aber nach der neuen Lage der Blicklinie lokalisiert."

Soviel ich weiB, wird die Hypothese einer zentralen An~sthesie w~hrend der Blickbewegung ziemlich allgemein abgelehnt. Die niedrige Eindringlichkeit der optischen Eindriicke w~hrend der Augenbewegungen l~{~t sich ganz einfaeh daraus eTkl~ren, dab dutch, die Versehiebung der Netzhautbilder deren Konturen sieh so vermischen, dab keine Wahr- nehmungen zustande kommen kSnnen. Darum sind ja auch, wie Erd- mann und Dodge zeigten, die l~uhepausen da, w~hrend deren das op- tische Erfassen der Schriftzeichen vor sich geht. W~hrend meiner vielen Versuche im Dunkelzimmer, wo die Netzhaut nur durch einen Liehtpunkt gereizt wurde, land ich nichts, was die Annahme einer zen- tralen An~sthesie stfitzen konnte.

Auf den zweiten Tell der Machschen Beobachtung beziehen sieh einige Versuche yon Hillebrand, die er in einer Anmerkung zu Machs Analyse der Empfindungen (8. Aufl., S. 306) angegegen hat.

,,Fixiert man einen langsam intermittierenden medianen Lichtpunkt im Dunkelraum und fiihrt den Blick w~hrend einer Dunkelphase auf einen etwas recht=s gelegenen Liehtpunkt fiber, so erscheint der tats~chlich mediane Punkt bei seinem n~chsten Auftreten links yon der scheinbaren Mediane: die letztere liegt nunmehr zwisehen den beiden Lichtpunkten. Die Verlagerung wird noch bet.r~chtlich sthrker~ wenn man den seitlichen Lichtpunkt wegtai~t, also Blick-

Die Lokalisation der Objekte bei Blickbewegungen. 69

bewegungen ohne sichtbares Ziel ausfiihrt. Oberraschend gr013 wlrd sie, wenn man im Rhythmus der Dunkelphasen zwischen Rechts- und Linksstellung wechselt ohne in der Mitre haltzumachen."

Meine im n~chsten K a p i t e l darzusteUenden Versuehe k6nnen als eine We i t e rb i l dung und Var ia t ion der yon HiUebrand angegebenen Ansi~tze gel ten.

Auf dense lben Ph~nomenkre i s bezieht sich auch ein yon Hansel- mann ( ~ b e r opt i sche Bewegungswahrnehmung, Inaug.-Diss . Ziirich 1911, S. 55f.) angegebener Versuch:

,,Im Dunkelzimmer wird eine konstante, ziemlieh kr~ftige Lichtquelle auf- gestell~, vor derselben ist eine Pappscheibe mit Rotationsvorrichtung angebraeht, welche an der Peripherie in gleichen Abstgnden gleichgroBe Ausschnitte hat. Ein groBer Schirm mit einem Loch von 2 mm Durchmesser steht vor der ganzen An- ordnung. Hat man nun Sehirm und Pappscheibe so eingestellt, dab durch das Loch und den Ausschnitt das Licht gesehen werden kann, so wird die Scheibe zuerst in langsame, gleiehm~l~ige Rotation versetzt. Auf diese Weise wird nun dem Auge rhythmisch das Licht bald exponiert, bald entzogen. Dieses inter- mittierende Licht wird aber bei groBer Rotationsgesehwindigkeit zu einem kon- stanten fiir dasselbe ruhend beobachtende Auge. Wird dagegen das Auge bewegt, so fallen die sehr kurzen Einzelexpositionen zum Teil wenigstens auf nieht iden- tiscbe Netzhautstellen. Dies ist natiirlich ganz besonders der Fall bei einer so schnellen Augenbewegung, wie es die willkiirliche Blickbewegung ist. Die Folge davon ist, dab man am Ende derselben eine groBe Reihe von Punkten fiber- oder untereinander sieht."

,,Das erste, was bei derartigen Versucben auff~llt, ist die Unregelmi~Bigkeit dieser Punktre ihen. . . Die Beobachtung aber, um derentwfllen wir die Versuche angestellt haben, ist die folgende: Normalerweise muBte man erwarten, dal~ die Punktreihe relativ zum neuen Fixationspunkt lokalisier~ wiirde, dab dieselbe also von dem als Endpunkt der Blickbewegung gew~hlten Punkte b gegen den Aus- gangspunkt derselben, also gegen den Liehtpunk~ selbst gerichtet sein wiirde. Gew6hnlich is~ dies aber gerade nich~ der Fall, meistens erfolgt die Lokalisation relativ zu dem alten Fixationspunkt."

Hanselmann br ing t auch im Anschlu~ an Schumann gewisse theo- re t i sche Ans~tze vor, d ie w i r abe r ers t im d r i t t e n K a p i t e l aufnehmen wollen.

Hie r h a b e n wir nun eine Reihe von im groBen und ganzen mi t - e inander vorziiglieh i ibe re ins t immenden Beobaehtungen , die alle die Loka l i sa t ion der Objek te bei Bl ickbewegungen betreffen. Dazu wiirde abe r noch eine ganze Menge yon Ergebnissen kommen, die beziiglich des a l lgemeinen Prob lems der sog. abso lu ten Loka l i sa t ion zu ber i ick. ~ichtigen w~ren, u. a. besonders die Ta t sache der falschen Lokal i - sa t ion der sehe inbaren Mediane bei sei t l ieher Bl ickr ichtung im Dunke ln (Sachs und Wlassak, Zeitschr . f. Psychol . 22; 1899). D a aber diese Ergebnisse im }t inbl ick auf das Fo lgende ein unmi t t e lba res In te resse n icht besi tzen, soll auf sie n ich t e ingegangen werden. Le ider miissen auch die hochwicht igen Unte rsche idungen yon G. E. Miiller auger Dis-

70 E. Kaila:

kussion bleiben,, dureh die er das ,,k6rperliche Ich", welches noch bei Helmholtz und Hering als eine ungeteilte Einheit zum Beziehungspunkt der Sehrichtungen client, in die drei verschiedenen egozentrisehen Bezugs- systeme aufgel6st hat. Soviel ich weiB, hat (7. E. MitUer diese Fak- toren, die wohl bei jeder Raumwahrnehmung eine Rolle spielen, im Gebiet der Gesiehtswahrnehmung nur fiir den speziellen Fall des Aubert- schen Ph~nomens herangezogen (Zeitsehr. f. Sinnesphysiol. 49; 1916).

Versuche ilber die Lol~disation yon w~hrend der Bliclcbewegungen au/. tauchenden Liehtpunkten.

Der Grundversuch. Nachdem ieh zuerst einige maschineUe Vorrich- tungen probiert tmtte, nahm ieh meine Zuflueht zu der wobl denkbar einfaehsten Anordnung, die nut aus einem kr~ftigen Liehtpunkt und einem in der Hand gehaltenen Karton mit einem 2 mm breiten geraden Schlitz bestand. Mit diesen Mitteln sind alle folgenden Versuehe aus- geffihrt. Sie ermSgliehen eine ausgiebige Variation des Grundversuchs.

Fiir diese Versuche erwies sich ein vollkommen verdlmbelter Raum als weniger angemessen als ein Raum mit nur stark herabgesetzter Beleuchtung. Es wurde im Zimmer eine solche Beleuchtung herge- stellt, dab etwa die Zeigerstellung der Tasehenuhr eben noeh ablesbar war. Dann waren die an den Hinter- und Seitenw~nden des Zimmers h~ngenden weiBliehen Gegenst~nde in dem Grade siehtbar, dab sie bequeme Fixationspunkte darboten, ohne sieh doch gegen den Licht- punkt geltend machen zu kSnnen.

Zuerst sei eine Bemerkung fiber einen die Versuche leieht er- schwerenden Umstand vorausgesehiekt. Eine Bliekbewegung kann bekanntlich in verschiedener Weise stattfinden: entweder durch eine bloBe ])rehung der Augen bei ruhendem Kopf, oder durch Drehung des Kopfes bei relativ zu ihm ruhenden Augen oder -- und das ist wohl der gewShnliche Fall -- dutch Drehung der beiden, wobei wohl in der Regel die Augendrehung der Kopfdrehung vorauseilt. Die bloBe Augendrehung mit ruhendem Kopfe wird bald ermiidend, wenn -- wie es in diesen Versuehen der Fall war -- ausgiebige, rasehe, aufeinander in entgegengesetzter Richtung folgende saccadierte Blickbewegungen w~hrend einer l~ngeren Zeit ausgeffihrt werden. Daher ist es besser, nur Kopfdrehung mit relativ zum Kopfe ruhenden Augen auszufiihren. Dabei hat man aber die Augen nicht ganz in seiner Gewalt; man kann konstatieren, dab die Augen dahin tendieren, der Kopfbewegung vor- auszueilen. Dies aber stSrt die Versuche betrachtlich. Deshalb muB man entweder sieh absiehtlich dahin einiibem die Bulbi bei den Kopf- drehungen passiv zu halten, dder auch die Augendrehung meehanisch verhindern, was wenigstens in gewissem Grade dadurch erreieht wird, dab in die beiden Winkel des beobachtenden Auges Klumpen yon

Die Lokalisation der Objekte bei Btiekbewegungen. 71

etwas Modellierungswaehs gedriiekt werden. Man mug sich daran gewShnen, auf das Auftreten yon Augenbewegungsempfindungen achtzugeben; diese sind ja bei ausgiebigen und raschen Augendrehungen deutlich wahrnehmbar. Besonders, wenn man die Augenmuskeln dureh vorhergehende rasehe Augendrehungen ermiidet hat, f~llt es einem leicht, die Bulbi bei Kopfdrehungen wenigstens ann~hernd passiv zu halten. Bei den zwei ersten Versuchen ist dies auch genug; wiehtiger ist es beim dritten Versuch, dab des beobachtende Auge w~hrend der Kopfdrehung relativ zum Kopfe wirklich genau in Ruhe bleibt.

Der Beobachter nimmt in einer :Entfernung yon etwa einem halben Meter yon der median gelegenen konstanten Liehtquelle (dem kr~ftigen Lichtpunkt) Platz, und h~lt den Karton zwischen die Augen und den Lichtpunkt. Wenn der Karton etwa yon rechts naeh links gefiihrt wird, soll der Schlitz den Lichtpunkt fiir einen Augenblick sichtbar lassen. Es fiillt vielleicht lcichter, den Kopf und den Kar ton gegen. sinnig zu bewegen; bci einer Kopfdrehung yon rechts nach links bewegt man also den Karton yon links naeh rechts. Diese beiden Bewegungen miissen einander entsprechen; die Medianebene des Kopfes (demnaeh aueh der Bliekpunkt der relativ zum Kopfe ruhenden Augen) und der Schlitz des Kartons miissen in demselben Augenblick die Medianebe.ue des K6rpers passieren. Wenn man sich nur vom Rhythmus der Be- wegungen bestimmen l~Bt, diirfte dies auch nicht sehwer fallen.

Nun fixiere man, etwa bei Rechtsstellung des Kopfes, einen rechts yon dem Karton gelcgenen Punkt an der Hinter- oder Seitenwand des Zimmers, ffihre dann rasch eine Kopfdrehung nach links aus, bei gegen- sinniger Bewegung des Kartons; fixiere wieder bei LinkssteUung einen links gelegenen Punkt, fiihre dann cine Rechtsdrehung aus, natiirlich bei gegensinniger Bewegung des Kartons usw. Die Kopfdrehungen brauehen nieht iiberaus schnell zu sein, aber ausgiebige Drehungen sind vorteilhaft. Der sehmale Schlitz und die gegensinnige Bewegung des Kartons lassen den Lichtpunkt nur ffir einen Augenblick auf- leuchten; es entsteht kein Nachbildstreifen. Sobald nur die beiden Bewegungen in gleiehem Rhythmus ausgefiihrt werden, wird Iolgende verbl~ffende Lokalisationserseheinung wahrnehmbar; in meinen Ver- suehen trat sie bei allen herangezogenen Beobaehtern sogleich auf:

Der au/leuchtende Lichtpunl~t wird immex an den zuletzt /ixierten Oft lolcalisiert, also bei einer Linksdrehung nach rechts, bei entgegen- gesetzter Drehung nach links.

Dabei gelingt es bald, insofern nut die beiden Bewegungen einander genau entsprechen, den Lichtpunkt an ganz beliebigen Punkten der Hinter- oder Seitenw~nde zu sehen. Man braucht nur einen Punkt scharf zu fixieren und die Kopfdrehung zugleich mit der gegensinnigen

72 E. Kaila :

Bewegung des Kartons rasch auszuffihren, um den Lichtpunkt ganz genau an dem zuletzt fixierten Punkte aufleuchten zu sehen.

Ferner sieht man aber auch, bei ffischen Augen und grSBerer ~bung, das positive Nachbild des Lichtpunktes, der einen AugenblicI~ stgiter und zwar relativ zu der neuen Blicklage richtig lokalisiert au/taucht.

Auf Grund dieser ganz regelm~Bigen Ergebnisse nahm ieh an, dal~ das Auge w~hrend einer Blickbewegung die seiner letzten Ruhe- stellung entspreehenden l~umwerte beibehi~lt; ein neuer fovealer Ein- druek, der sieh w~hrend der Ausfiihrung der Bliekbewegungen geltend zu maehen vermag, wird daher in der Riehtung gesehen, die der letzten Ruhestellung der Fovea entspraeh. Es gelang mir, dureh die folgenden zwei Variationen des Grundversuchs diese Annahme m. E. vollauf zu best~tigen.

Erste Variation des Grundverauchs. Es werden zwei Lichtpunkte hergestellt, etwa ein roter und ein gVtinex, die auf einer horizontalen Geradenin einer Entfernung yon ungef~hr 15 em voneinander, symmetrisch zur Mediane gelegen sind. Bei Kopfdrehung und gegensinniger Bewe- gung des Kartons -- also bei Ausfiihrung des Versuches in ffenau glelcher Weise wie im vorigen Versueh -- werden die zwei Lichtpunkte von- einander getrennt, rechts oder links gesehen. Die seheinbare Ent- fernung der Punkte voneinander ist dabei natiirlieh auch davon ab- h~ngig, in welehe Tiefe sie ,,projiziert" werden.

Bei Kopfdrehung und gleichsinniger Bewegung des Kartons, wobei also, wenn der Versuch riehtig, d .h. mit genauer ~bereinstimmung zwisehen den beiden Bewegungen ausgefiihrt wird, der Bliekpunkt des beobaehtenden Auges und der Schlitz die Mediane des KSrpers in demselben Moment passieren, werden die beiden Punkte dicht bei- einander rechts oder links gesehen.

Im Gegensatz zu dem Grundversuch, der auch binokular ausge- fiihrt werden kann -- wenn die Doppelbilder stSren, kann man das eine Auge zuerst gesehlossen ha l ten-- , miissen diese Versuche stets monok~a/ar angestellt werden.

Der auffallende und ganz regelm~Bige Unterschied zwischen den beiden letzten Versuchen folgt direkt aus der zugrunde gelegten An- nahme.

Voraussetzung ist dabei stets, dab die Kopfdrehung (mit relativ zum Kopfe unbewegtem Auge) und die Bewegung des Kartons einan- der entspreehen. Wenn die beiden Bewegungen gegensinnig sind, so werden sieh die zwei aufleuehtenden Liehtpunkte auf zwei verschiedenen Netzhautstellen rechts und links yon der Fovea abbilden. Denn etwa bei Linksdrehung des Kopfes und Rechtsbewegung des Kartons leueh- tet zuerst der linksgelegene Punkt auf, und zwar einen Augenblick

Die Lokalisation der Objekte bei Blickbewegungem 73

friiher als der Kopf und dcr Blickpunkt des Auges die Medianebene erreicht hat ; dann leuehtet der andere Punkt auf und zwar naehdem die Medianebene schon passiert worden ist. Wenn der Versuch richtig ausgefiihrt wird, so wird die Fovea gar nicht gcreizt. Insofern die Netzhaut wihrend der Blickbewegung ihre alten, der letzten Ruhe- stellnng entsprechenden Raumwerte beibehilt , so miissen demnach (lie Punkte nach reehts oder nach links, und zwar jedesmal zu beiden Seiten des der letzten Ruhestcllung entsprechenden Fixationspunktes lokalisiert werden. Dies tr ifft aueh zu. J

Wenn die b eiden Bewegungen dagegen gleichsinnig shad, so besagt das, daft der Blickpunkt des beobachtenden Auges,sieh stets ungefihr in der Richtung des Sehlitzes befindet. Wenn demnach der Schlitz den ersten Punkt passiert, m u f t dieser auf der Blicklinie des Auges gelegen sein: er wird sich auf der Fovea abbildcn. Das gleiche gilt vom zweiten Punkte; beide werden auf die Fovea fallen. Da aber die zwei Bewegungen einander gew6hnlich nicht absolut genau entsprechen, so werden auch die zwei Reizungen gewShnlich nicht genau aufeinander- fallen -- daft dies aber doch zuweilen zutrifft, wird daraus ersichtlieh, dab man zuweilen die zwei Punkte gar nicht unterscheiden kann; gew6hnlich sieht man aber die beiden Punkte dicht beieinander reehts oder links, am Orte des letzten Fixa~ionspunktes.

Zweite Variation des Grundverauchs. Es wird zu der ersten Anordntmg zuriickgekehrt, aber die Bewegung des Kartons ganz weggelassen und nur die Kopfdrehung mit monokularer Beobachtung beibehalten.

Der Schlitz wird zuerst, so genau es geht, in der Medianebene ge- halten. Bei Kopfdrehung mit relativ zum Kopfe unbewegtem Auge sieht man dann die Lichtpunkte symmetriseh zur Medianebenereehts und links. Freilich sieht man nunmehr keine Punkte, sondcrn kurze Streifen.

Nun wird der Kar ton so vicl zur Scite, etwa nach rechts, geriickt, daft der Lichtpunkt bei NIedianstcllung des Kopfes und des Blick- punktes vom Karton verdeckt wird und also nur bei etwas nach rechts gewendeter Kopfstellung und Blickrichtung sichtbar ist -- wodurch er, wenn der Versuch richtig ausgefiihrt wird, nie auf die Fovea, sondern stets auf eine rechts yon der Fovea gelegene Netzhautstelle f~illt. Dabei zeigt sich in regelmil~igcr und auffallender Weise, dab bci Kopf- drehung von rechts nach links der Lichtpunkt zwar noeh nach rechts Iokalisiert wird, abet n~iher der Mediane geri~ckt ist, um sich da- gegen bei Kopfdrehung yon links nach rechts noch weiter als vorher nach links zu zeigcn. Diese Asymmetric der scheinbaren Orte des Licht- punktes wird um so gr6[der, ]e mehr der Schlitz zur Seite geriZckt wird. Wenn der Schlitz nach links geriickt wird, ist die Asymmetric in ent- gegengesetztem Si~ne vorhanden.

74 E. Kaila:

Wiederum folg~ die beobachtete Erscheinung direkt aus der zu- grunde gelegten Annahme. Es sei der Schlitz 'reehts yon der Mediane gelegen. Demnach wird sich der Lichtpunkt auf einer rechts yon der Fovea gelegene Netzhautstelle abbilden; wenn also die Netzhaut ihre der letzten Ruhestellung entsprechenden Raumwerte noch beibehalten hat, muB der Lichtpunkt dann linlcs yon dem zuletzt ]ixlerten Orte ge- sehen werden, und zwar um so mehr nach links davon, je mehr nach rechts der Schlitz geriickt worden ist. Bei Kopfdrehung yon reehts nach links wird der Lichtpunkt demnach n~her der Mediane als vorher, bei Kopfdrehung yon links nach rechts ferner davon als vorher gesehen. Bei entgegengesetzter Stellung des Schlitzes muff sich diese Asymmetrie in entgegengesetztem Sinne zeigen.

Es sei noehmals darauf hingewiesen, dal3 im letzten Versueh das Auge relativ zum Kopfe wirklich ruben mu~.

Auf die iibrigen in Versuchen dieser Art auftretenden Erseheinungen -- auf die Scheinbewegungen der Lichtpunkte, auf gewisse Angleiehungs- erscheinungen usw. -- soU in diesem Zusammenhange nicht eingegangen werden. Nur sei darauf noch hingewiesen, dab es yon Bedeutung ist, die Sehrichtungen der nach rechts und links gelegenen fixierten Orte geniigend zu beachten, um der Tendenz der Liehtpunkte, in der Form von Scheinbewegungen an ihren ,,richtigen" bekannten Ort zu stiirzen, Widerstand leisten zu kSnnen.

Auf Grand des oben Dargelegten halte ich es fiir nachgewiesen, dal3 die ,,Netzhaut" w~hrend einer Blicl&ewegunq ihre der letzten Ruhe- stellung entsprechenden ,,Raumwerte" noch beibehtilt, um die der neuen Blicklage entsprechenden ,,Raumwerte" erst nach der Aus/i~rung der Blic, ld~ewegung zu gewinnen.

Die Veriinderungen der absoluten Zo]calisation als zentrale Umschaltungen.

Als qualitativ verschiedenartige, voneinander phenomenal trenn- bare Momente treten die relativen und die absoluten Raumwerte nicht auf. Wenigstens fiir das entwickelte Sehorgan bieten sich die auf das kiirperliche Ich bezogenen Sehriehtungen als mit den relativen Orts- werten so innig verwoben dar, dab es uns nicht gelingt, dasjenige, was in den phenomenal gegebenen Raumdaten den ersteren zugehSrt, yon dem den letzteren ZugehSrigen zu isolieren. Wohl sind die den ver- sehiedenen absoluten Ortswerten entsprechenden Greifbewegungs- tendenzen, Kopf- und Blieklage-Empfindungen sowie aueh andere kin~sthetische Empfindungskomplexe vonelnander verschieden; wer mScbte aber gegenw~rtig noch behaupten, die absoluten Ortswerte seien ph~inomenal niehts anderes als solche, den relativen Raumwerten nur ~ui~erlieh zugeordnete Empfindungs- oder VorsteUungskomplexe ~.

Die Lokalisation der Objekte bei Blickbewegungen. 75

Wer eine solehe Behauptung noch vorbringen wollte, der h~tte doch wohl zuerst die Pflicht nachzuweisen, dab die bert. Komplexe einer ebenso feinen I)ifferenzierung f~hig sind wie die absoluten Ortswerte, deren Differenzierung yon derselben GrSgenordnung zu sein scheint wie die der relativen Ortswerte selber. Charakteristisch ist in dies.er Hin- sicht ferner der bekannte Unterschied, der beziiglich der absoluten Lokalisation im Dunkelraum und im beleuehteten Raum besteht. Wie die Erkl~rung des Aubertschen Ph~nomens durch G. E. Mi~ller dartut, haben die Kopflage-Empfindungen zwar im Dunkeln einen nachweisbaren Einflug auf die absolute Lokalisation, wobei diese zugleich schwankend und ungenau wird. Wenn angenommen wird, dab die absolute Lokalisation sich in irgendeiuer Weise der relativen bedient, l~Bt sich dieser Unterschied bez. der absoluten L0kalisation im I)unkeln und im Hellen verstehen.

Aber auch im Dunkeln besteht doch der ph~nomenale Unterschied zwischen den absoluten Ortswerten selber und den iibrigen Empfill- dungen, die freilich als kausale Faktoren die ersteren beeinflussen.

Es scheint demnach, dab wir zwischen den zweifachen Ortswerten nur/un~ional unterscheiden kSnnen, daft aber der Sehraum mit seinen zweifachen Merkmalen pha'nomenal eine unauflSsbare Einheit darstellt. (Dieser Gesichtspunkt ist besonders yon v. Kries in seinen SehluB- anmerkungen zur 3. Auflage der Phys. Optik von Helmholtz hervor- gehoben worden.)

Wit mfissen uns also wohl vorstellen, dab es bei der Entstehung des Sehraumes durch tefls direkt reizbedingte, teils daran sich an- schlieBende zentrale Prozesse zu einer Einheitsbildung kommt, in welcher die in bezug auf ihren Ursprung verschiedenartigen Elemente nicht mehr isolierbar sind.

Jedenfalls mfissen wir aber wohl an dieser Unterscheidung zwischen den mehr retinalen und den mehr zentralen Faktoren festhalten. Denn wenn eine solche Unterscheidung nicht gemacht wird, scheint keine MSglichkeit zu bestehen, in diesem ganzen Gebiete irgend etwas erkl~ren zu k6nnen.

Ferner miissen wir uns wohl vorstellen, dab diese zwei Faktoren sich in versehiedenster Weise miteinander verkniipfen kSnnen.

VielMcht schon die angeborene Grundlage, jedenfalls aber die Ein- iibung wird es dahin bringen, dab die Verkniipfungsweise dieser Fak- toren sich bei intendierten Bliclcbewegungen so umschaltet, dab der- jenige zentrale Faktor, also derjenige ,,absolute Raumwert", welcher dem yon der Aufmerksamkeit jeweilig erfaBten exzentriscben Orte zugeordnet ist, sich mit dem der Fovea zugeordneten retinalen Faktor oder ,,rela- riven Raumwert" verkniipft und natiirlieh in entsprechender Weise, was die iibrigen Orte betrifft. Denn um wahrzunehmen, in welcher

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egozentrischen Richtung ein von dem fixierten Orte abseits liegender Punkt gelegen ist, wird wenigstens das entwickelte Sehorgan keine weiteren Erfahrungen brauchen: die egozentrischen Richtungen der iibrigen Orte sind mit derjenigen des der Fovea entsprechenden Ortes ge- geben.. Es kommt also lediglich auf die Umschaltung der retinalen und der zentralen Faktoren an; die Verknilpfungen zwischen diesen mfissen sich verschieben und zwar in verschiedenen F~llen in verschiedenem MaBe.

Es fragt sich nur : In we~chem Zeitpunkt geht diese Umschaltung vonstatten ?

Dabei ist erstens zu bemerken, dal~ diese Umschaltu'ng jedenfalls ein Vorgang ist, der eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Zweitens kann geltend gemacht werden, dab es unzweckm~l~ig w~re, wenn die Umschaltung schneller ablaufen wiirde als die Blickbewegung selbst. Wenn etwa der beachtete Zielpunkt sich wiihrend der Ausftihrung der Blickbewegung im Bewul~tsein geltend machen kSnnte, So wiirde er, falls die Umschaltung schneller ablaufen wiirde als die Blickbewegung; zuerst an falschem Orte, n~mlich allzu viel seitlich gesehen werden.

Wenn aber trotz der Blickbewegungsintention die Blickbewegung selbst gan z ausbleibt, wie es bei der Parese der :Fall sein kann, so wird wegen der Aufmerksamkeitswanderung die Umschaltung trotzdem vonstatten gehen: der fixierte Punkt wird in der Richtung des yon der Aufmerksamkeit erfal~ten Ortes gesehen.

Bei unwiUkiirlicher Blickbewegung dagegen, wo -- sit venia verbo -- die Fovea und der Aufmerksamkeitsort nicht auseinandeffallen, wfirde aus diesem Grunde keine zentrale Umschaltung entstehen. Aber in- folge der Verschiebung der Netzhautbilder liegt der im irorigen Augen- blicke foveal abgebildete Eindruck jetzt seitlich vonder Fovea. Dieser Eindruck ~ wird sich demnach mit demjenigen zentralen Faktor ver- kniipfen, der im vorigen Augenblieke dieser Netzhautstelle entsprach, d.h. das Sehding scheint seinen Ort ge~ndert zu haben.

Worauf beruht nun die Ruhe der Objekte bei intendierten Blick- bewegungen ? Infolge der zentralen Umschaltung wird der der Fovea zugeordnete retinale Faktor sich mit demjenigen zentralen Faktor verkniipfen, der vor der Aufmerksamkeitsverlegung mit einer be- stimmten exzentrischen Netzhautstelle verkniipft war (das Ent- spreehende gilt natiirlich yon den iibrigen retinalen und zentralen Faktoren). Da aber gerade der zentrale Faktor die egozentrisvhe Richtung bestimmt und da die Fovea sich info]ge der Umschaltung mit dem zen- tralen Faktor verkniipft, der dem Zielpunkte vor der Aufmerksamkeits- verlagerung zugeordnet war, so muB der Zielpunkt in genau derselben Richtung gesehen werden wie friiher.

Dagegen bedeutet die ,,Ruhe der Ob~ekte bei Blickbewegungen" durch- aus nicht, daft die Verschiebunfl der Netzhautbilder, falls sie w~hrend

Die Lokalisation~ Objekte bei Btickbewegungen. 77

tier Ausffihrung der Blickbewegung zum BewuBtsein kommt, nicht aIs Bewegung gesehen wferde. Im Gegenteil: die bekannten Beobachtungen fiber die Lichtstreifen, die ein Lichtpunkt bei einer Blickbewegung hervorruft, enthalten ja, dab aus dem fixierten Orte (dem Licht- pu~lkt) ein Lichtstreifen hervorschieflt. Zu beachten ist nur, da~ der Anfangs- und der Endpunkt des Streifens nach dem Abklingen der Netzhauterregung als derselbe pMinomenale Oft erscheinen, und zwar eben deshalb, weft infolge der inzwischen erfolgten Umsehaltung die beiden Netzhautstellen mit demselben zentralen Faktor sukzessiv verknfipft gewesen sind.

man kann sich die Frage stellen, auf weleher Stufe der optischen Leitung der Umschaltungsvorgang wohl stattfindet. Gewisse bekannte anormale Erscheinungen, besonders die monokulare Diplopie, bei denen ebenfalls Umschaltungsvorg~nge angenommen werden mfissen, werden wobl besser verst~ndlieh, wenn man subcorticale Umschaltungen annimmt, sich also vorstellt, da~ die etwa einer bestimmten Netzhaut- stelle zugeordneten retinalen Faktoren auf verschiedenen Wegen dem optischen Zentrum zugeleitet werden. Bei den bier in Frage stehenden normalen Umschaltungen stellt sich aber m. E. eine andere Vor- stellungsweise als die einfachere dar. Es scheint einfaeher zu sein, sieh vorzustellen, dal~ die retinalen Faktoren in bezug auf ihre Zu- leitungswege doeh relativ fixiert sind, da~ aber die zentralen Faktoren bei ihrer Verknfipfung mit den ersteren einer gro~en Abwechslung f~hig sind. Jedenfalls ist es nicht notwendig, zur Erkl~rung der normalen Umschaltungen die Zuflucht zu subeorticalen Zuleitungs~nderungen zu nehmen. Dies mSchte ich aueh gegen die theoretischen Ans~tze bei Hanselmann (a. a. O. S. 57) geltend machen; hier ist die einfaehere MSgliehkeit einer rein zentralen Umschaltung nicht beriicksiehtigt. Doch wird die Antwort auf die" vorliegende Frage -- insofern eine solebe beim jetzigen Stande unseres Wissens fiberhaupt gegeben werden kann -- aueh davon beeinflu~t sein, wie man fiber das Verhaltnis-von Retina und Cortex denkt.

(Eingegangen am 31. Januar 1923.)