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Zeitschrift fur Chemie 7. Jahrgang . M&rz 1967 . Heft 3 Herausgeber : Im Auftrage der Chemischen Gesellschaft in der Deutschen Demokratischen Republik Prof. Dr. H. Dunken, Prof. Dr. L. Kolditz, Prof. Dr. E. Profft Unter Mitarbeit van Prof. Dr. H. Beyer, Prof. Dr. R. Geyer, Prof. Dr. H. Grohn, Prof. Dr. S. Herzog, Prof. Dr. H.-A. Lehmann, Prof. Dr. S. Rapoport, Prof. Dr. G. Rienacker, Prof. Dr. G. Schott und Prof. Dr.-Ing. K. Schwabe Die Mehrzentrenbindung im Modell der freien Elektronen Von Huns Mdler Institut fur Physikalische Chemie der Friedrich-Schiller-Universitat, Jena (Direktor : Prof. Dr. H. Dunken) Auf der Grundlage der Elektronengasmethode (FE-Modell) wird fur lineare und zyklische Strukturen die Quantenchemie der k-Zentren-Bindung (k = 2, 3, 4, .. .) entwickelt, die Bindungsfestigkeit und relative Stabi- litat der einzelnen Bindungstypen sowie ihre Elektronenverteilung diskutiert und ein Vergleich mit der LCSO- MO-Formulierung vorgenommen. An Hand einiger Beispiele werden die verschiedenen Bindungstypen erlau- tert. Einleitunp 1. Modellvorstellungen 1.1. Zu untersuchende Systeme 1.2. Dreidimensionales FEM 2. Quant,enchemie der k-Zentren-Bindung 2.1. LCAO-MO-Beschreibung 2.2. FE-MO-Beschreibung 2.2.1. Lineare Konfiguration Einleitung Eine grol3e Anzahl chemischer Verbindungen laBt sich gut auf der Basis der Oktettregel und dervalenzstruk- turen erfassen, so daB damit eine gewisse Ordnung in die Vielfalt der chemischen Erfahrungen gebracht werden kann. Der Grund hierfur liegt in der Tatsache, daB eben in vielen Fallen chemische Bindungen vor- liegen, die wirklich von gemeinsamen Elektronen er- zeugt werden (Paarbindung), die in verschiedenen Molekiilen genahert gleiche Eigenschaften haben (wo man also von der Wechselwirkung der Bindungen ab- sehen kann), so daB man von einer genaherten Addi- tivitat der Bindungseigenschaften sprechen kann. Nur in diesem Fall ist die Konzeption des Valenz- strichschemas sinnvoll, und dieses gibt an, zwischen welchen Atomen im Molekul die wesentlichste Wech- selwirkung vorliegt, die zur chemischen Bindung ge- fuhrt hat. Andererseits werden aber immer mehr chemische Ver- bindungen hergestellt, die sich nicht mehr zwanglos in dieses Schema einfugen lassen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an H,C und die Borwasserstoffe, an die van-der-Waals-Molekule oder gewisse Komplex- verbindungen und schliel3lich an die in den letzten Jahren hergestellten Edelgasverbindungen. Viele die- ser Molekule sind dadurch gekennzeichnet, daB die Wechselwirkung nicht mehr im wesentlichen auf Atompaare beschrankt ist, sondern auf mehrere Zen- tren, so daB der konventionelle Valenzstrich (= Elek- tronenpaar) hier seine ursprungliche Bedeutung ver- liert . Die Bindungsverhaltnisse in solchen Systemen konnen hiiufig im Modell der Mehrzentrenbindung verstanden werden. 2.2.1.1. Bindungsfestigkeit , Stabilitat 2.2.1.2. Elektronenverteilung 2.2.1.3. Mehrzentrenbindung als Ordnungsprinzip 2.2.1.4. Ubergang zum eindimensionalen FEM 2.2.1.5. Vergleich zwischen FE- und LCAO-Ergebnissen 2.2.2. Zyklische Konfiguration 3. Diskussion einiger Beispiele 4. Zusammenfassung Bei der Mehr- oder k-Zentren-Bindung handelt es sich um eine Weiterentwicklung der ublichen kovalenten Bindung. Auf Grund der entscheidenden Bedeutung, die die Elektronenpaarbindung zwischen zwei Zen- tren fur die Chemie besitzt, fand die Mehrzentrenbin- dung nur wenig Beachtung und erst eine relativ spate Verbreitung. So wurde die wichtige 3-Zentren-4-Elek- tronen-Bindung erst 1951 von Hach und Rundle [l] fur J, und gleichzeitig von Pimentel [2] fur HF, und Jg im einfachen LCAO-MO-Model1 ausgearbeitet. Bei diesem Konzept handelt es sich um ein Analogon zur MO-Beschreibung von n-Elektronen in konjugierten Systemen. Diese einfache Beschreibung der 3-Zen- tren-4-Elektronen-Bindung setzte Pimentel [a] in die Lage, bereits 1961 auf die mogliche Existenz von Edelgas-Halogen-Verbindungen hinzuweisen. Inzwi- schen hat eine Reihe von Autoren (siehe z.B. [3]-[6]) das Konzept der Mehrzentrenbindung zur Beschrei- bung der Bindungsverhaltnisse in den neuen Edel- gasverbindungen und in anderen Systemen mit Er- folg benutzt und gezeigt, daB die konventionelle Elek- tronenpaarbindung eine inadaquate Beschreibungs- weise fur die in Rede stehenden Verbindungen dar- stellt. Im Modell der freien Elektronen (FEM) vollzieht sich der Ubergang von der 2-Zentren- zur k-Zentren-Bin- dung (k> 2) vollig organisch, da in jedem Falle der gleiche Mechanismus zugrunde liegt . Deswegen wird in der vorliegenden Mitteilung die Quantenchemie der Mehrzentrenbindung auf der Basis der Elektronen- gasmethode fur lineare und zyklische Systeme im Ver- gleich zu den Ergebnissen der LCAO-MO-Behandlung [7] entwickelt und an Beispielen erlautert. 11 2. Chem., 7. Jg. (1967) Heft 3 81

Die Mehrzentrenbindung im Modell der freien Elektronen

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Page 1: Die Mehrzentrenbindung im Modell der freien Elektronen

Zeitschrift fur Chemie 7. Jahrgang . M&rz 1967 . Heft 3

Herausgeber : Im Auftrage der Chemischen Gesellschaft in der Deutschen Demokratischen Republik Prof. Dr. H. Dunken, Prof. Dr. L. Kolditz, Prof. Dr. E. Profft Unter Mitarbeit van Prof. Dr. H. Beyer, Prof. Dr. R. Geyer, Prof. Dr. H. Grohn, Prof. Dr. S. Herzog, Prof. Dr. H.-A. Lehmann, Prof. Dr. S. Rapoport, Prof. Dr. G. Rienacker, Prof. Dr. G. Schott und Prof. Dr.-Ing. K. Schwabe

Die Mehrzentrenbindung im Modell der freien Elektronen

Von Huns Mdler

Institut fur Physikalische Chemie der Friedrich-Schiller-Universitat, Jena (Direktor : Prof. Dr. H . Dunken)

Auf der Grundlage der Elektronengasmethode (FE-Modell) wird fur lineare und zyklische Strukturen die Quantenchemie der k-Zentren-Bindung ( k = 2, 3, 4, . . .) entwickelt, die Bindungsfestigkeit und relative Stabi- litat der einzelnen Bindungstypen sowie ihre Elektronenverteilung diskutiert und ein Vergleich mit der LCSO- MO-Formulierung vorgenommen. An Hand einiger Beispiele werden die verschiedenen Bindungstypen erlau- tert.

Einleitunp 1. Modellvorstellungen 1.1. Zu untersuchende Systeme 1.2. Dreidimensionales FEM 2. Quant,enchemie der k-Zentren-Bindung 2.1. LCAO-MO-Beschreibung 2.2. FE-MO-Beschreibung 2.2.1. Lineare Konfiguration

Einleitung Eine grol3e Anzahl chemischer Verbindungen laBt sich gut auf der Basis der Oktettregel und dervalenzstruk- turen erfassen, so daB damit eine gewisse Ordnung in die Vielfalt der chemischen Erfahrungen gebracht werden kann. Der Grund hierfur liegt in der Tatsache, daB eben in vielen Fallen chemische Bindungen vor- liegen, die wirklich von gemeinsamen Elektronen er- zeugt werden (Paarbindung), die in verschiedenen Molekiilen genahert gleiche Eigenschaften haben (wo man also von der Wechselwirkung der Bindungen ab- sehen kann), so daB man von einer genaherten Addi- tivitat der Bindungseigenschaften sprechen kann. Nur in diesem Fall ist die Konzeption des Valenz- strichschemas sinnvoll, und dieses gibt an, zwischen welchen Atomen im Molekul die wesentlichste Wech- selwirkung vorliegt, die zur chemischen Bindung ge- fuhrt hat. Andererseits werden aber immer mehr chemische Ver- bindungen hergestellt, die sich nicht mehr zwanglos in dieses Schema einfugen lassen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an H,C und die Borwasserstoffe, an die van-der- Waals-Molekule oder gewisse Komplex- verbindungen und schliel3lich an die in den letzten Jahren hergestellten Edelgasverbindungen. Viele die- ser Molekule sind dadurch gekennzeichnet, daB die Wechselwirkung nicht mehr im wesentlichen auf Atompaare beschrankt ist, sondern auf mehrere Zen- tren, so daB der konventionelle Valenzstrich (= Elek- tronenpaar) hier seine ursprungliche Bedeutung ver- liert . Die Bindungsverhaltnisse in solchen Systemen konnen hiiufig im Modell der Mehrzentrenbindung verstanden werden.

2.2.1.1. Bindungsfestigkeit , Stabilitat 2.2.1.2. Elektronenverteilung 2.2.1.3. Mehrzentrenbindung als Ordnungsprinzip 2.2.1.4. Ubergang zum eindimensionalen FEM 2.2.1.5. Vergleich zwischen FE- und LCAO-Ergebnissen 2.2.2. Zyklische Konfiguration 3. Diskussion einiger Beispiele 4. Zusammenfassung

Bei der Mehr- oder k-Zentren-Bindung handelt es sich um eine Weiterentwicklung der ublichen kovalenten Bindung. Auf Grund der entscheidenden Bedeutung, die die Elektronenpaarbindung zwischen zwei Zen- tren fur die Chemie besitzt, fand die Mehrzentrenbin- dung nur wenig Beachtung und erst eine relativ spate Verbreitung. So wurde die wichtige 3-Zentren-4-Elek- tronen-Bindung erst 1951 von Hach und Rundle [l] fur J, und gleichzeitig von Pimentel [2] fur HF, und J g im einfachen LCAO-MO-Model1 ausgearbeitet. Bei diesem Konzept handelt es sich um ein Analogon zur MO-Beschreibung von n-Elektronen in konjugierten Systemen. Diese einfache Beschreibung der 3-Zen- tren-4-Elektronen-Bindung setzte Pimentel [a] in die Lage, bereits 1961 auf die mogliche Existenz von Edelgas-Halogen-Verbindungen hinzuweisen. Inzwi- schen hat eine Reihe von Autoren (siehe z.B. [3]-[6]) das Konzept der Mehrzentrenbindung zur Beschrei- bung der Bindungsverhaltnisse in den neuen Edel- gasverbindungen und in anderen Systemen mit Er- folg benutzt und gezeigt, daB die konventionelle Elek- tronenpaarbindung eine inadaquate Beschreibungs- weise fur die in Rede stehenden Verbindungen dar- stellt. Im Modell der freien Elektronen (FEM) vollzieht sich der Ubergang von der 2-Zentren- zur k-Zentren-Bin- dung ( k > 2) vollig organisch, da in jedem Falle der gleiche Mechanismus zugrunde liegt . Deswegen wird in der vorliegenden Mitteilung die Quantenchemie der Mehrzentrenbindung auf der Basis der Elektronen- gasmethode fur lineare und zyklische Systeme im Ver- gleich zu den Ergebnissen der LCAO-MO-Behandlung [7] entwickelt und an Beispielen erlautert.

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1. Modallvorstellungen 1.1. Zu untersuchende Systeme Wir setzen fur unsere Untersuchungen ein System aus k Atomen A voraus, wobei jedes Atom ein nicht an- derweitig beanspruchtes AO P)A fur eine Bindungsbil- dung zur Verfugung stellt. Bestimmt man fur ein sol- ches System die zugehorigen FE-MOs und FE-Orbi- talenergien, so laBt sich die Gesamtelektronenenergie berechnen, insbesondere im Vergleich zur Energie der isoliert gedachten Atome (oder zur Energie kleinerer Aggregate). Wir erwarten immer dann das Auftreten einer chemischen Bindung, wenn die Energie der Elektronen in den k-Zentren-FE-MOs bei diesem Ver- gleich deutlich niedriger ausfallt. Im konventionellen Bild der Hybridisierung werden die im allgemeinen Hybridorbitale sein, die oft durch p-Funktionen angenahert werden. Fur den (T-

Bindungstyp wird man daher unter Berucksichtigung der oberlappungsmoglichkeiten die groDte Stabilitat bei linearer Anordnung erwarten. Nur zusatzliche Krafte (z. B. weitere Bindungen, sterische Effekte) werden zu Abweichungen fuhren. Diese nberlegung fuhrt beim n-Bindungstyp nur zur Forderung nach Planaritat, nicht mehr nach Linearitat des Systems. Deswegen diskutieren wir die k-Zentren-Bindungen am Model1 der gleichkernigen linearen aquidistanten Atomkette. Zum Vergleich werden die Ergebnisse der entsprechenden zyklischen Strukturen angegeben.

1.2. Dreidimensionales F E N Das hier benutzte dreidimensionale FEM wurde fru- her ausfuhrlich beschrieben, und zwar sowohl in An- wendung auf zweiatomige Molekule [ 8 ] , [9] als auch auf mehratomige lineare [ 101 - [ 131 und zyklische Sy- steme [14], [15]. Die k-Zentren-FE-MOs ylPn sowie die zugehorigen Orbitalenergien Elpn lauten im linearen bzw. zykli- schen Fall

y& ( k ) = I V ~ P I , ( e ) . ~l (q) sin ~

( k +- 2) r,,

l = O , l , 2 , . . . ; p = 1 , 2 , 3 , . . . ;

( l a )

(1b)

. n 7 c z

Elin lin lpn ( k ) = Bmlpn ( k )

n = l , 2 , 3 , . . . ; k = 2 , 3 , 4 , . . . bzw.

(2a)

(2b)

sin 2nn* vg : ( k ) = xik1 p1, (e ) I @z (P) ros q A z

EF$ ( k ) = 3 mfi;: ( k ) Z = O , l , 2 , . . . ; p = i , 2 , 3 ,...;

n* = 0, I , 2, . . . ; k = 3, 4, 5, ... wobei p, 91, z Zylinderkoordinaten darstellen (2-Achse = Kernverbindungsachse bzw. Koordinate langs des Ringes), N der Normierungsfaktor und 5 eine Abkur- zung fiir

Tabelle 1

I

(TAB N Kernabstand) h2 H = 8 meff TAA

(a) ist. Es wird sich spater zeigen, daB fur unsere Zwecke die explizite Form des transversalen Teils der Wellen- funktionen

plp(e) . ~ + ( p ) = 12 R @ ) e*ilP ( 4)

"::(k) 011 012 013 014 015

k = l 2 3 4 5

Tabelle 2

~ ~~

~ 1,486 - - - 1,202 1,682 1,124 1,368 1,777 - 1,091 1,239 1,486 1,832 -

- -

1,075 1,1i4 1,339 1,571 1,868

~ ~~

k = 3 ~ 1,042 1,486 -

4 I ,0*2 1,292 2,042 5 l 1,042 1,202 1,882

Tabellc 3

k E w

R + 12.6 4 R - l , 6 2 @

e - 0,62 .6 n 1 0,62 0 iY + 7,62 p

im einzelnen nicht interessiert; es sei nur daran er- innert, dal3 fur 1 # 0 einfache Entartung vorliegt. Die Struktur der Eigenwertschemata wird durch die Gro- l3en mlpn(k) fixiert, die im linearen bzw. zyklischen Falle die Form

bzw.

[alp N p-te Nullstelle der Bessel-Funktion 1-ter Ornung 11 (z)]

besitzen. Die jeweils tiefsten berechneten Zahlen- werte findet man in den Tab. 1 und 2. Das AO q A des isoliert gedachten Atoms A sowie die zugehorige Or- bitalenergie E A sind identisch mit dem aus den Gln.(l) fur k = 1 folgendem Grundzustand

2. Quantenchemie der k- Zentren-Bindnng

2.1 . LCAO-MO-Beschreibung

Vor einiger Zeit gab Carpenter [7] einen O'berblick uber die 3- und 4-Zentren-Bindungan im Bild der LCAO-MO-Nlherung und diskutierte eine Reihe von Beispielen. Seine fur den linearen Fall unter der Vor- aussetzung gleicher aquidistanter Atome, orthogona- ler AOs und unter Berucksichtigung von nur nachst- nachbarlicher Wechselwirkung sowie einer Unemp- findlichkeit von 01 und B gegen k erhaltenen Ergeb- nisse (Tab. 3) werden zum Vergleich herangezogen.

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- - - - - k = 2 1 0,284 0,568 0,372 0 , l i 6 - - - 3 1 0,362 0,i24 0,842 0,960 0,669 0,3i8 - -

4 I 0,396 0,i90 1,037 1,284 1,284 1,284 0,938 0,592 - - 0,411 0,892 1,134 1,446 1,593 1,740 1,655 1.5iO 1,188 0,806 5

2.2. PE-MO-Beschreibung 3.2.1. Lineare Konfiguration

2.2.1.1. Bindungsfestigkeit, Xtabilitat Bild 1 zeigt die Energien (I b) der k-Zentren-FE-MOs (1 a) im Vergleich zur Energie EA des isolierten AOs FA [Gl.(7)] fur k = 2, 3, 4 und 5 . Zur Auftragung wurde die Energieeinheit B" [GI. ( 3 ) ] benutzt, die im- mer dann Verwendung findet, wenn nicht ausdriick- lich etwas anderes verabredet wird. Stehen fur die Bil- dung einer k-Zentren-Bindung v, Elektronen zur Ver- fugung, so berechnet sich der gesamte hierbei auftre- tende Energiegewinn AE nach GI. (8)

Unter den getroffenen Voraussetzungen wird vk er- sichtlich auf

1 < v , < 2 k ( 9) beschrankt, so daB man zur Unterbringung dieser Va- lenzelektronen stets mit k k-Zentren-FE-MOs aus- kommt, die auch im weiteren ausschlieIjlich Beruck- sichtigung finden sollen. Die nach (8) berechneten AE-Werte findet man in Tab. 4. Um eine relative Vergleichsmoglichkeit der Bindungsfestigkeiten zu erhalten, empfiehlt sich, die Energie pro ,,gedachter Einzelbindung" zu bestim- men; da bei k Zentren in linearer Konfiguration ( k - 1) solche Bindungen vorhanden sind, folgt fur die gesuchte Energie

(10) d E l l l l

B (v,, k ) = 1 A E ~ I I ' (vk, k ) .

Bild 2 zeigt den Verlauf von AE';; als Funktion der Zahl vk der vorhandenen Elektronen, wahrend k als Parameter fungiert. Die nach (8) bzw. (10) bestimmten Bindungsfestigkei- ten beziehen sich auf die Energien der isoliert gedach- ten AOs, im einfachsten Fall (wenn keine weiteren Bindungen vorliegen) auf die getrennten Atome. Bei k-Zentren-Rindungen interessiert aber auch die Stabi- litat gegenuber Bindungstypen, die sich zwischen % Zentren aufbauen, wobei % < k ist, wodurch gegebe- nenfalls ein Zerfall in kleinere molekulare Aggregate eintreten konnte ; man hat also die Elektronenenergie der k-Zentren-Bindung [vgl. G1. (S)]

- Y k

El"' (v,, k ) = B rn& ( k ) (11)

mit der Summe analoger Energien der i-Zentren-Bin- dungen (unter Berucksichtigung gegebenenf alls auf - tretender atomarer Reaktionsteilnehmer, fur die for- ma1 k = 1 gilt) zu vergleichen

-

I c k; = k ) . 2.

k=Z k-3 k-4 k- 5

FE LC40 I

[ I -

FE LC40

g FE LCAO

L.- 1 FE l a 0

Bild 1 Die Energien ( 1 b) der k-Zentren-FE-MOs ( l a ) , brzogen auf die Energie EA des isolierten AOs FA [GI. ( S ) ] fur k = 2-5 in1 Vergleich zu den entspre- cbenden k-Zentren-Niveans der LCAO-NBhernng (lineare Konfiguration). Man bcaclite die verschiedenen in1 Text beschriebencn EnergiemaUstabe

0.6 I I I I I I

I

0 2 4 6 8 10 vh -

Hild .7

Vcrlanf der Xnergie pro ,.gedachter Einaelbindung" d E i n ( v k , k) [ G I . (lo)] als Bunktion der %ah1 der vorhandenen Elektronen v k ; die Zahl dcr Zentrcn k fnngiert als Paranietpr (lineare Konfiguration)

Nur fur deutlich positive A-Werte ist eine Stabilitat gegen den in Rede st,ehenden Zerfall gesichert. Damit sind alle Ausgangsdaten fur eine Diskussion der ein- zelnen Bindungstypen, die im folgenden als ,&Zen- tren-v,-Elektronenbindungen" ( k c-vke) wie bei Rundle [ 3 ] bezeichnet werden sollen, zusammengestellt. Bild 2 macht die Sonderrolle der herkommlichen Paar- bindung vor allen anderen Bindungstypen deutlich ; offenbar stellt, die 2 c-2 e-Bindung die festeste Ver- kniipfungsmoglichkeit zweier Atome dar ( 2 A- + A:A). Hatte man in einer konkreten Situation mehr als zwei Elektronen in den 2-Zentren-FE-MOs unterzubrin- gen. so lehrt Bild 1 fur k = 2, daB das nur mit einem groBen Energieaufwand unter Besetzung des stark lockernden ersten angeregten Zustandes moglich ist. Den1 entspricht der steile Abfall fur vk > 2 in Bild 2, der deutlich macht, daB eine stabile 2c-4e-Bindung nicht gebildet werden kann. Am Fall k = 2 sol1 ferner gezeigt werden, da13 die Bilder 1 und 2 naturlich auch die Verhaltnisse fur k- Zentren-Bindungen mit ungerader Elektronenzahl enthalten. So sind die 2 c-1 e- und 2 c-3e-Bindungen nur etwa halb so stark wie Paarbindungen, weil im ersten Fall (A + A + A . A) der Energiegewinn A E (vk, k) nur von einem Elektron herruhrt, wahrend im zweiten Fall (A : + A . --f A A) das dritte Elek- tron bereits den lockernden ersten angeregten Zu-

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stand besetzen mulj. Dem entspricht es, daB diese we- niger stabilen Bindungen auf den steil abfallenden Flanken der Kurven im Bild 2 erscheinen. Dazu ge- sellt sich eine hohe Reaktivitat dieser radikalischen Systeme, weswegen dieser Bindungstyp sicher nur selten in stabilen Molekulen anzutreffen sein wird, so daR wir uns im folgenden wesentlich auf die Diskus- sion von k-Zentren-Bindungen mit gerader Elektro- nenzahl beschranken wollen. Fur k = 3 entnimmt man aus Bild 1, daR sich zwei Elektronenpaare in den beiden bindenden 3-Zentren- FE-MOs unterbringen lassen, also gemaB Bild 2 so- wohl stabile 3c-2e- (2A.+A+A.A-A) als auch 3c-4e-Bindungen (2A + A : + A A A 0 ) gebildet werden konnen, wahrend eine stabile 3 c-6e-Bindung wegen der hier notwendigen Besetzung des stark lok- kernden dritten 3-Zentren-FE-MOs nicht zu erwar- ten ist; man vergleichc auch den steilen Abfall in Bild 2 fur vk > 4. Ferner l6Bt sich nach GI. (12) ab- schatzen, daB ein Abbau der Dreizentrenbindung zur Paarbindung nicht zu erwarten ist :

(3c-2e)-+ (2c-2e) + A ; d = 0,16 e (13)

(3c-4e) +- (2c-2e) + A:; A = 0,39 5 . (14) Fur k = 4 zeigt das Termschema in Bild 1, daB sich zwei Elektronenpaare mit groBem Energiegewinn in den beiden bindenden 4-Zentren-Zustanden unter- bringen lassen, wahrend bereits ein drittes Paar den nichtbindenden Zustand besetzen muB. Wir erwarten also bezuglich der Atome stabile 4c-2e-, 4c-4e- und 4c-6e-Bindungen. In der 4c-2e-Bindung ist offenbar das Elektronendefizit zu groB, als daB man sie in sta- bilen Molekulen erwarten konnte ; dem entspricht es, daB nach G1. (12) ein Zerfall gemaB der symbolischen Gleichung

eintritt. Dagegen ist die 4c-4e-Bindung um 0,14 5 stabiler als zwei getrennte 2 c-2 e-Bindungen

(4c-2e) + (3c-2e) + A ; d = 0,07 (15)

(4c-4e)+ 2(2c-2e); d = 0,14 B . (16) Unter Berucksichtigung der zentralen Knotenflache des ersten angeregten 4c-FE-MOs wird man trotz- dem keine besondere Stabilitat erwarten konnen. Von der gleichen geringen Festigkeit ist die 4c-6e-Bin- dung (A - A : A A), da das dritte Elektronenpaar bereits in einem nichtbindenden 4 c-Orbital unterge- bracht werden muR. Auf Grund der zunehmenden Elektronenwechselwirkung wird diese Bindung sicher noch schwacher ausfallen ; uber entsprechende Unter- suchungen wird an anderer Stelle berichtet. Das hier benutzte FEM enthalt nur die kinematische Elektro- nenwechselwirkung. Die Beriicksichtigung der dyna- mischen Wechselwirkung hatte sicher zur Folge, daB in Bild 2 fur wachsendes vk die Kurven noch schneller abfallen wurden. Man wird also im allgemeinen erwar- ten, dalj k-Zentren-Bindungen fur k 2 4 nur dann gebildet werden, wenn eine gunstige Atomkonfigura- tion durch zusatzliche Krafte (z. B. andere Bindun- gen) angeboten wird. Man vergleiche die Situation bei den n-Bindungen in konjugierten Systemen.

2.2.1.2. Elektronenverteilung Die Elektronenverteilung in den k-Zentren-Bindun- gen 1aBt sich ubersichtlich mit Hilfe der axialen Elek-

tronendichte [16], [17] beschreiben, die im linearen Fall fur die einzelnen k-Zentren-FE-MOs lautet

(& N Querschnitt des Zylinders)

woraus man durch Summierung unter Berucksichti- gung der Besetzungszahlen g , die axiale Gesamtelek- tronendichte

erhalt. Entweder man diskutiert die Funktion (17) selbst oder man fuhrt eine Elektronenpopulations- analyse [17], [lo] durch, d. h., man berechnet aus den k-Zentren-Orbitalpopulationen

I die Gesamtpopulationen der k c-v,e-Bindung

POPkc-”ke V ( X , ) = DkC--Yke(~) dz; (18a)

fur die einzelnen Atome A,, ,,gedachten Bindungen“ B, und Rander R, der k-Zentren-Bindung. Die Aus- dehnung der einzelnen Integrationsbereiche A z , be- tragt generell r A A l 2 und das jeweilige Atom bzw. der Bindungsmittelpunkt liegen im Zentrum dieses Be- reiches. Die zu dieser Analyse benotigten Orbitalpo- pulationen (18) findet man in den Tab. 5 bis 7, wah- rend die Elektronenprofile einiger k c-vk e-Bindungen, d. h. die Darstellungen der Gesamtpopulationen (18 a ) jeweils uber der Molekulachse, in Bild 3 gezeichnet sind. Aus den so charakterisierten Elektronenvertei- lungen in den einzelnen Bindungstypen kann man qualitativ die ublichen Elektronen-Punkt-Formeln ablesen, die bereits im Text benutzt wurden. In diesem Zusammenhang sol1 bei der 3-Zentren-Bin- dung auf einen interessanten Umstand hingewiesen werden. Bild 4 zeigt die axialen Dichten DE(z) der beiden bindenden 3-Zentren-FE-MOs ( n = 1, 2). Aus dieser Darstellung wird deutlich, daR das Orbital yOl2 [das zur axialen Dichte Dg ( z ) AnlaR gibt] , die bei- den Elektronen auf die Randatome verteilt. Diesem FE-MO entspricht das LCAO-MO (yl - y 3 ) aus Tab. 3, das die gleiche Eigenschaft besitzt. Wenn also die

A z , 2 POPkc-vre V ( X ) = Yk X

Tabelle 5

0,774 0,097 2,00 n = 1 I 0,516 2 0,645 0,09i 0,306

Tabelle 6

11 = 1 0,224 0,562 0,458 0,037 2,oo 2 0,510 0,037 0,341 0,131

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n = 1 1 0,113 0,389 0,260 0,440

3 I 0,406 0,130 0,130 0,406 - 2 0,324 0,187 0,415 0,018

in Elektronen-Defizit- Verbindungen Y k < 2 ( k - 1) k = 2, 3, ...

Elektronegativitat der Randatome groB im Vergleich zu der des Zentralatoms ist, wird man eine starke 3 c-4e-Bindung erwarten.

in ,,Orbital-Defizit- Verbindungen" Y R = 2 ( k - 1) k = 3, 4, ...

2.2.1.3. Mehrzentrenbindung als Ordnungsprinmip Das Konzept der Mehrzentrenbindung ist geeignet, als Ordnungsprinzip in der Chemie zu fungieren. Es weist der Elektronenpaarbindung den ihr gebiihren- den Platz in einem erweiterten Rahmen der kovalen- ten Bindungsvorstellungen zu, in welchem eine Reihe von Verbindungen unter neuen Gesichtspunkten zu Gruppen zusammengefaI3t werden konnen. Im folgen- den soll ein vereinfachter Oberblick uber verschiedene Verbindungsklassen gegeben werden, der als grober Leitfaden das Suchen nach der Realisierung einer be- stimmten kc-v,e-Bindung in einem konkreten Mole- kul erleichtern soll. Wir betrachten ein mehratomiges System mit a AOs und b Elektronen. Dann sind fol- gende drei Faille moglich:

I. b = a + bE (bE > 0, ElektronenexzeB) Der in diesen Systemen vorliegende Elektronenuber- schul3 wird im allgemeinen durch die Ausbildung von

einsamen Elektronenpaaren abgebaut. Gelingt 2ese ,,Reduktion"

v k > 2 ( k - 1) k = 2, ( 3 )

in ,,Elektronen-ExzeO- Verbindungen"

b - 2a, = b' a - a, = a'

Y* = 2 ( k - 1) k ~ 2

in normalen kovalenten Verbindungen

nicht vollstandig, sondern gilt auch danach noch 6' > a', so liegen ,,Elektronen-ExzeB-Verbindungen" vor, in denen mehr als zwei Elektronen pro Bindung auftreten. Hier findet man also die k c-vR e-Bindung mit vk > 2 ( k - 1). Nach den vorausgegangenen Sta- bilitiitsuntersuchungen spielt offenbar nur der Fall k = 2 (2c-3e-Bindung) eine Rolle. Gelingt die obige ,,Reduktion" vollstandig, d. h. gilt b' = a', so wird man auf den jetzt zu behandelnden zweiten Fall ge- fiihrt :

11. b = a Im allgemeinen sind hier a AOs so auf die vorhande- nen Atome verteilt, daB fur jeden Bindungsstrich zwei AOs und zwei Elektronen zur Verfugung stehen. Das ist der Fall der normalen kovalenten Verbindung, wo also die kc-v,e-Bindung mit vk = 2(k - 1) und k = 2, also die 2c-Be-Bindung vorliegt. LliRt sich die in Rede stehende Verteilung deswegen nicht realisieren, weil - bezogen auf die gegebene Atomzahl - zu wenig AOs vorhanden sind, obwohl man fur k Zentren 2 ( k - 1) Elektronen zur Verfu- gung hat, so tritt bei solchen Molekulen (,,Orbital- Defizit-Verbindungen") die kc-v,e-Bindung in der Form vk = 2(k - 1) mit k # 2 auf. Der dritte mog- liche Fall:

111. b = a - bD (bD > 0, Elektronendefizit) charakterisiert die bekannten Elektronen-Defizit- Verbindungen. Hier tritt die kc-v,e-Bindung in der

0,018 j 2,oo 0,066 , 2,OO 0,130 , 2,OO

A . . A A . . A A . . A : A . . A Bild 3 Die Elektronenverteilung in einigen kc-uke-T3indungen, dargestellt mit Hilfe der ,,Elektronenprofile" im Vergleich zur ubliehen Elektronen-Punkt- Schreibweise

DAd Bild 4 Die Elektronenverteilung [axiale Or- bitaldichte D X ( z ) , Gl. (1711 fur die beiden tiefsten 3-Zentren-Orbitale der 3-Zentren-Bindung; man beacbte, daB sich die Elektronen im Zustand n = 2 prsktisch ausschlieDlich bei den Rand- atomen aufhalten

Die Bezeichnung Defizit- oder ExzeB- an Elektronen oder Orbitalen bezieht sich stets auf die normale Si- tuation der Elektronenpaarbindung, z. B. in den ge- sattigten Kohlenwasserstoffen.

2.2.1.4. Ubergang zurn eindimensionalen FEM Unter den in Abschn. 1.1. getroffenen Voraussetzun- gen hat man - wie weiter oben festgestellt wurde - in der k-Zentren-Bindung maximal 2 k Elektronen un- terzubringen, die unter der Annahme nichtentarteter k-Zentren-Niveaus E!:n (k) maximal k-Zustande be- anspruchen

nniax = k . (20) Fur das Zustandekommen einer stabilen Bindung muB sogar gelten (vgl. Abschn. 2.2.1.1.)

v,< 2k . (21)

2. Chem., 7. Jg. (1967) Heft 3 85

Page 6: Die Mehrzentrenbindung im Modell der freien Elektronen

Falls fur jeden k-Wert mindestens k longitudinale Energiestufen unterhalb des ersten (entarteten) trans- versalen Anregungszustandes [ ( l p ) = (ll)] liegen, 1aBt sich die Beschreibung der k-Zentren-Bindung ohne Verlust an Allgemeinheit eindimensional durch- fuhren. Die Existenz einer hierfur ausreichenden An- zahl eindimensionaler Niveaus ist bis k = 5 durch Tab. 1 gesichert und daruber hinaus wegen

fur jeden beliebigen k-Wert gezeigt. Damit laBt sich aber die Summe in GI. (8) leicht allgemein berechnen, so daB man fur die Energie pro ,,gedachter Einzelbin- dung" [Gl. ( lo ) ] den Ausdruck

(Y, N gerade) (23) erhilt .

2.2.1.5. Vergleich zwischen PE- und LCAO- Ergebnissen

Berechnet man die maximale Auffiicherung S, der k - Zentren-Niveaus Egr,, (k) (vgl. Bild 1) in Abhangig- keit von k

und benutzt eine neue Energieeinheit B

B = & 4,33 '

so erhalt man die in Tab. 8 (erste Zeile) zusammenge- stellten Werte. Zum Vergleich sind dort auch die nach dem LCAO-Verfahren ermittelten maximalen Auf- facherungen angegeben (zweite Zeile) ; man erkennt auffallende ubereinstimmung. Der neue EnergiemaB - stab (25) ist in Bild 1 ebenfalls eingetragen sowie auch zum Vergleich die k-Zentren-LCAO-Niveaus. Der Vergleich der maximalen Aufspaltung in beiden Naherungsverfahren liefert fur die LCAO-Energieein- heit /3 die Relation (26)

/3 w B = B o . <r ;

d. h. die funktionale Abhangigkeit der Energieein- heit j3 vom Kernabstand TAA. Mulliken und Mitarb. [IS] haben diese Abhangigkeit fur die 2pz-Oberlap- pung der C-C-Bindung in der Form (27)

(26) 1332 B, = 2,02 eV,

AA

B = Po * @ ( k c ) ; is, = 1,93 eV (27) mit empirisch fixiertem p (TCC) angegeben. Dabei ist Po das Resonanzintegral fur die isolierte Doppelbin- dung, also fur den Doppelbindungsabstand rcc = 1,33 8 im Bthylen. Bild 5 zeigt einen Vergleich von P/B, [nach (26)l und /I/@, [nach (27)] ; die Tendenz beider Funktionen ist die gleiche. Man kann die Analogie zwischen beiden Naherungs- verfahren noch offensichtlicher beschreiben, indem

Tabelle 8

k 1 2 3 4 5 co

& ( F E ) [B] ~ 2,OS 2 3 3 3,21 3,43 4,33 d k ( L C A 0 ) [b ] ' 2,OO 2 3 3 3,24 3.46 -

120 1,O $YO . bS0 b60

Bild 5 Vergleich der nach dem FEM berecli- neten Abhangigkeit der LCAO-Ener- gieeinheit ,LJ vom Kernabstand rAA [GI. ( 2 G ) ] mit den1 empirisch ermit- telten Verlauf fur C -C-Rindnngen [Crl.(27)] nnrh [181

r, in A -*

Tnbelle 9 A E F E AEFCAO

t c - u n e i n B-Einheiten in 8-Einheiten

2c-2e 2 ,OS 2 3 c - 2 c 1,O4 1,41 3c -4e 1,77 1,41 4 6 - 4 e 1,05 1,24 4 c -Ge 1,50 1

man auch im FEM einen neuen Energienullpunkt - analog zu o( - wie folgt festlegt.

- = A , B E A

so daB man alle k-Zentren-Niveaus in der Form

A + x B (29)

+ X B . (30)

angeben kann, analog zur LCAO-Naherung

Die EnergiemaBstabe (29)/( 30) sind ebenfalls in Bild 1 eingetragen. Obwohl der Abstand 6, zwischen tief- stem und hochstem k-Zentren-Zustand in beiden Mo- dellen genahert ubereinstimmt, zeigen dazwischen lie- gende Niveaus z.T. eine groBere Verschiebung. WBh- rend z.B. Pirnentel [2] bei der Diskussion der 3c-4e- Bindung im LCAO-Schema erst durch eine Analyse der Elektronenverteilung wahrscheinlich machen kann, daB auch das im ersten angeregten und formal nichtbindenden 3 c-Zustand befindliche Elektronen- paar zur Stabilitat des Systems beitragt, besteht nach dem FEM hieran kein Zweifel (vgl. Bild 1). Berechnet man die zurn langwelligsten Elektronen- ubergang innerhalb eines k C-v, e-Systems gehorige Energie AE, in beiden Modellen, so ergeben sich die in Tab.9 zusammengestellten Werte, die auf Grund der genaherten Gleichheit der beiden Energieeinheiten B und j3 [Gl. (26)l die Unterschiede in der Lage der ein- zelnen Niveaus zum Ausdruck bringen. Wir haben bis jetzt im Rahmen einer allgemeinen Dis- kussion keine Zahlenwerte fur Bindungsfestigkeiten und Stabilitaten benotigt, wahrend im konkreten Fall die Angabe einer Bindungsenergie in kcal/Mol wunschenswert ist. Damit gelangt man zu einem we- sentlichen Unterschied beider Modelle, der am Bei- spiel von 53 (rJJ = 2 . 1,33 8) erlautert werden soll. Aus Tab. 4 bzw. 3 entnimmt man fur die Bindungs- energie einer Sc-4e-Bindung im F E M bzw. im LCAO- Modell

d E l i n ( 4 , 3) = 0,960 8 E l i n ( 4 , 3) = 2 . ]/2 P,

86 Z . Chem., 7. Jg. (1907) Hpft 3

Page 7: Die Mehrzentrenbindung im Modell der freien Elektronen

also pro gedachter Bindung eine Energie von

(32) dEB (FE) = 0,48 B" = 24 kcal/Mol,

AEB(LCAO) = 1,41 p . Wahrend also g nach G1. (3) einfach berechenbar ist (B", = 50 kcal/Mol), kann man im einfachen LCAO- Modell fur p unmittelbar keinen Zahlenwert ange- ben. SchlieBlich sol1 noch eine Bemerkung zu dem in G1. (22) bzw. G1. (24) durchgefuhrten Grenzubergang gemacht werden. Dieser Grenzubergang sichert nicht nur die eindimensionale Beschreibungsmoglichkeit der kc-v,e-Bindung bei beliebiger Zahl der Zentren k [Gl. (22)], sondern besitzt auch eine physikalische Be- deutung. Er fuhrt uns namlich zum linearen Modell des Metalls einwertiger Atome A. Beim Aufbau eines solchen eindimensionalen Kristalls erkennt man aus Bild 1, da5 mit der Verlangerung der Kette eine fort- gesetzte Aufspaltung des qA-Zustandes parallel lauft, die zu einem immer dichteren Energietermschema Anla5 gibt, um schliel3lich ( k --f 00) in ein Energie- band iiberzugehen. Wichtig ist, dal3 es einen obersten [siehe Text zur G1. (9)] und einen untersten Zustand gibt, die das Band begrenzen. Die Breite dieses ersten Bandes betragt lim 6, = S, [Gl. (24)] und bietet bei k

Atomen 2 k Elektronen Platz ; wegen v, = k ist dieses Band nur gerade zur Halfte besetzt, woraus einerseits die hohe elektronische Leitfahigkeit folgt und ande- rerseits die Tatsache, daB die Metalle zu den Elektro- nen-Defizit-Verbindungen gehoren (extrem delokali- sierte Bindung).

2.2.2. Zyklische Konfiguration

Vollig analoge Oberlegungen wie fur den linearen Fall [Gl. (l)] lassen sich an Hand der G1. (2) auch fur die zyklische Anordnung durchfuhren. Bild 6 zeigt die Energien ( 2 b) der k-Zentren-FE-MOs (2 a) im Vergleich zur Energie EA des isolierten AOs vA [Gl. (7 ) ] fur k = 3, 4 und 5. Zum Vergleich mit den Ergebnissen der LCAO-Rechnung wurden hier auch die k-Zentren-LCAO-Niveaus mit eingetragen. Man beachte die neuen Entartungsverhaltnisse und die in beiden Modellen gleiche Erscheinung, da5 die Ener- gie des tiefsten k-Zentren-Zustandes unabhangig von k konstant ist (E;Til(k) = 1,042 B bzw. E = 01 + 2p). Die Berechnung der Bindungsfestigkeiten erfolgt hier statt nach G1. (8)/(10) nach G1. (33)/(34)

k+-

bzw.

wobei

(34)

( 3 5 )

die Elektronenenergie der k c-vk e-Bindung bei zykli- scher Konfiguration ist. Der Verlauf von dEB als Funktion von vk ist in Bild 7 dargestellt; k fungiert wieder als Parameter. Offenbar sind - nach Aussage des Bildes 7 - die 6-Elektronen-Systeme durch eine besondere Stabilitat ausgezeichnet.

k-3

I-- I

'I FE - LC4O .- FE LOO

k-5

7 /

I $- L

FE LWlO

Die Energien (2b) der k-Zentren-FE-MOs (Za), bczogen auf die Energie EA des isolierten AOs qA [GI. (i)] fiir k = 3, 4 und 5 irn Vergleich zu den ent- spreehenden k-Zentrrn-Niveaus drr LCAO-Naherung (zyklische Konfigu- ration)

vk - Bild i Verlauf der Energie pro ,,gedachter Einzelbindung" dEZkl(vk, k) [G1.(34)] sls Funktion der Zahl der vorhandenen Vslenzelektronen vk: die Zahl der Zentren k fungiert als Parameter (zyklische Konfiguration)

Nun darf man nicht aus der Tatsache, dal3 die Kurven im Bild 7 alle unterhalb der entsprechenden Kurven des Bildes 2 verlaufen, schlieBen, daB die kc-v,e-Bin- dung bei zyklischer Konfiguration generell weniger stabil sei als bei linearer Anordnung; das ist lediglich eine Folge der um eins grol3eren Zahl der ,,gedachten Einzelbindungen" im zyklischen Fall. Will man dage- gen die relative Stabilitat einer k c-v,e-Bindung be- zuglich des Konfigurationstyps bestimmen, so hat man bei festem k und v, die Differenz der Elektronen- energien [Gln. (11) und (35)]

zu bilden. Es bedeutet dann stabiler

zyklische Konfiguration weniger d (v,, k ) >( 0 - als lineare Konfiguration .

(37) Bild 8 zeigt die Abhangigkeit der die relative Stabili- t a t der k-Zentren-Bindung beschreibenden Grol3e d von der Anzahl der Bindungselektronen v,; k wurde dabei als Parameter benutzt. Wahrend also bei der Dreizentrenbindung mit wachsender Elektronenzahl die Stabilitat der zyklischen Konfiguration zugunsten der der linearen Anordnung abnimmt, zeigen die 4- und 5-Zentren-Bindungen entgegengesetztes Verhal- ten. Die gleiche Erscheinung kann man auch aus den Ergebnissen der LCAO-Behandlung herleiten.

Z. Chew., 7. Jg. (1967) Heft 3 87

Page 8: Die Mehrzentrenbindung im Modell der freien Elektronen

Die Elektronenverteilung im Ring ist im Gegensatz zur linearen Kette bei gerader Elektronenzahl durch vollige Gleichverteilung gekennzeichnet, da die axiale Elektronendichte D,* (2) unter diesen Umstanden un- abhangig von z wird. Genau wie der lineare Bindungs- typ kann auch die zyklische k-Zentren-Bindung voll- standig im eindimensionalen F E M beschrieben wer- den. Die wesentliche Bedeutung der zyklischen k c-vke- Bindungen durfte auf dem Gebiet der n-Bindungen zyklisch konjugierter Systeme liegen.

3. Diskussion einiger Beispiele Tab. 10 enthalt eine Zusammenstellung einiger Bei- spiele fur L c-vk e-Bindungen. Nicht genannt wurden Beispiele von Mehrzentren-n-Bindungen in konju- gierten und aromatischen Systemen, die sowohl fur lineare als auch fur zyklische Konfiguration in einer Vielzahl von Molekulen auftreten. Die 2 c-1 e-Bindung besitzt fur die Quantenchemie eine ganz fundamentale Bedeutung, da sie den einzi- gen exakt losbaren Fall einer chemischen Bindung darstellt. Deswegen wurde seit der Entwicklung der Quantenchemie dem die praktische Chemie so wenig interessierenden H.f (HoH) eine so groBe Aufmerk- samkeit gewidmet. Gleichzeitig stellt HZ den einfach- sten Vertreter der Elektronenmangelverbindungen dar. AuBer bei den Molekulionen der Alkalien tritt dieser Bindungstyp auch bei vielen angeregten Zu- standen von H, auf. Beispiele fur die 2 c-3e-Bindung stellen die schon lan- ger bekannten ,,3-Elektronen-Bindungen" dar, die man auBer bei den Molekulionen der Edelgase A$ (z.B. He He, Ne Ne) und Halogene X$ (z. B. F e F , CI:-Cl, CI- CI) auch bei 0, (O= 0) und vielen anderen Molekulen kennt [ 191. Nach unserer Klassifizierung handelt es sich hierbei um Vertreter der ,,Elektronen-ExzeB-Verbindungen". Die 3 c-2 e-Bindung findet man wieder in Elektronen- mangelverbindungen realisiert, insbesondere bei den Borwasserstoffen, deren einfachster Vertreter B,H, ist. Hier tritt die 3c-2e-Bindung

sowohl offen (z.B. B H B oder B B B) als auch zyklisch (im Borgerust selbst) auf [20]. An dieser Stelle sol1 das interessante Ergebnis einer SCF-LCAO- MO-Behandlung des Diborans nach Hamilton [21] eingeschaltet werden. Der Autor untersucht die Be- wegung der fraglichen vier Elektronen im Felde der vier Zentren

H B B

H

und gelangt durch eine Analyse der SCF-Funktion zu der Feststellung, daB eine Beschreibung der Bindungs- situation mit zwei lokalisierten Drei-Zentren-Bindun- gen der wirklichen SCF-Beschreibung sehr nahe kommt, daB also das 3 c-2 e-Bindungsmodell cine be- achtlich gute Naherung fur die SCF-LCAO-MO-Rech- nung darstellt, wahrend die ubliche Beschreibung mittels Resonanzhybriden oder vollem VB-Schema in beiden Fallen schlechter ausfallt.

Tabrlle 10

Bild 8 Abhangigkeit der relativen Stabilitat d ( v k , k ) [ G1. (36)l der k c-vke-Bindung (beziiglich des Konfigurationstyps) von der Zahl der Bindungselektronen v k ; die Zahl drr Zentren k fungirrt als Parameter

"-1e 2c--?e "c-3e 3c-2c

3c-3e 3 c - 4 e

.Ic--le 4 c - 6 ~

H:, HeHPC, A: (A - Alkalirn), H: Elektronenpaarbindung A: (A - Edelgas), OF, X$ (X - Halogen) Borane (B,H. usw.) und andere B-Verbindungen; [A1(CH3),I,; [Be(CHJ,I,; [Ga(C,H,),I,; A12Cls; Carbo- niumionen; SNO; COO-; H: H8 ~delgas-Halogen-VerbindunKen (z. B. XeF,, n=2, 4, 6) Interhalogenverbindungen (z. H. J; usw., ClF, nsw.) H-Briicken (z. B. HF;); RCI4, PF6, PC1, usw.; JC1-Kristall; H; H4 feste Halogene, z. B. J, Additionsverbindringp~~

Auch viele andere Borverbindungen sind durch solche Bindungen ausgezeichnet ; so besitzt z. B. das Carbo- ran C,B,H,, zehn zum Teil zyklische bzw. offene 3 c-2e-Bindungen. Der hohe Grad an delokalisierter Bindung erzeugt in diesem Molekul bereits einen quasiaromatischen Charakter [22]. Den gleichen Bin- dungstyp findet man auch bei metallorganischen Ver- bindungen, z. B. beim dimeren Aluminiumtrimethyl [AI(CH,),],, beim polymeren Berylliumdimethyl [Be(CH,),], und beim dimeren Galliumtriathyl [Ga(C,H,),],; ferner lai13t sich aber auch z.B. Al,CI, auf diese Weise beschreiben unter Umgehung der hier im allgemeinen benutzten dativen Bindungsformulie- rung. Die als Carbonium-Ionen aufzufassenden Ober- gangszustlnde organischer Reaktionen besitzen eben- falls die Moglichkeit zur Bildung von 3-Zentren-Bin- dungen, da Cf isoelektronisch mit B ist. Die 3c-2e-Bindung ist offenbar im allgemeinen nicht linear, sondern ,,gebogen" bzw. von zyklischer Kon- figuration, also recht nutzlich bei der Beschreibung nichtlinearer dreiatomiger Strukturen, z. B. bei Nitrosylhalogeniden oder beim Carboxylat-Ion [ 201. Die Nitrosylhalogenide werden bei Puuling [19] als Hybride der Grenzstrukturen I bis I11 beschrieben,

2 - I . - -

I I1 I11

da die Elektronenstruktur I allein zwar sinnvoll er- scheint, aber auf Grund der gemessenen N-X- Abstande (die wesentlich groBer als die Einfachbin- dungsabstande sind) kaum richtig sein kann. Fur BrNO wurden aus der Feinstruktur (infolge Kopp- lung des elektrischen Quadrupolmoments des Br- Kernes mit den Elektrone'n) die Anteile der einzelnen Grenzstrukturen abgeschatzt :

I: 49% 11: 39% 111: 12%.

Da die Br-N-Bindung aber um 0,28 A langer als die Einfachbindung ist, sollte die den N-X-Abstand ver-

88 Z. L'hem., 7. Jg. (1967) Heft 3

Page 9: Die Mehrzentrenbindung im Modell der freien Elektronen

groBernde Grenzstruktur I1 mit 2 66% beitragen. Im Bild der 3c-2e-Bindung hatte man demgegenuber zu formulieren

I N-YO I -

- I z i und wiirde a priori einen erhohten N-X-Abstand er- warten, weil ein Elektronenpaar zwei Bindungen re- alisieren muB. Ferner zeigt auch das einfache stabile Molekulion H; (3 c-2 e) Ringstruktur [23], wahrend die 3 c-3 e-Bin- dung in der Aktivierungskonfiguration H3 der Reak- tion H, + H + H + H, bereits linear vorliegt, ge- nau wie die 3c-4e-Bindung im H, [23]. Damit findet man den in Bild 8 beschriebenen Stabilitatswechsel der 3-Zentren-Bindung bezuglich der Atomkonfigu- ration in der Reihe H$ + H, -+ H, verwirklicht. Die 3c-4e-Bindung wurde gerade in jungster Zeit mit Erfolg zur Deutung der Bindungsverhaltnisse der Edelgasverbindungen (z. B. XeF, + F Xe F statt der extremen ionalen Formulierung F-Xe2+F-) her- angezogen ; bei der entsprechenden Tetra- bzw. Hexa- verbindung stehen in erster Naherung zwei bzw. drei solcher 3 c-4 e-Bindungen senkrecht aufeinander

i - .F

i

; F Xe . F . bzw. F . Xe F

Es handelt sich urn die gleichen Bindungsverhalt- nisse wie in den Interhalogenverbindungen (z. B. im J, -+ J. J 9 J bzw . in den analogen Heteromolekulen z . B . JC1, , JCl,, aber auch in der F . C1 F -Bindung im T-formigen ClF, usw.). Solche Molekule waren also Vertreter der ,,Orbital-Defizit-Verbindungen". Dem entspricht es, daB man bei der Beschreibung der Bin- dungsverhaltnisse mit lokalisierten MOs im Bild der Hybridisierung zusatzliche Orbitale heranziehen muB. Die geringste Promotionsenergie im Falle von J, betragt fur den Obergang --- ( 5 ~ ) ~ ( 5 p ) ~ + --- ( 5 ~ ) ~ ( 5 ~ ) ~ ( 6 s ) bereits 156 kcal/Mol [24]. Solche und oft noch hohere Energiebetrage sprechen nicht mehr fur die Hybridisierung, so daB es wunschens- wert erscheint, einen anderen Mechanismus zur Deu- tung der Bindungsverhaltnisse heranzuziehen. So be- steht z.B. irn dreidimensionalen FEM [8]-[15] die Moglichkeit, die Bindung im Trijodid-Anion [12] ohne Verwendung hoherer Orbitale, nur unter Benut- zung der FE-AOs, die der Konfiguration ( 5 ~ ) ~ ( 5 p ) , entsprechen, mit Rucksicht auf alle 22 Valenzelek- tronen zu beschreiben. Das F E M liefert fur eine J-J- Bindung im J, 25 kcal/Mol. Eine detaillierte Diskus- sion der Elektronenverteilung bzw. Bindungscharak- tere der einzelnen FE-MOs zeigt, daB am Aufbau der Bindung im Jg -Ion effektiv nur wesentlich vier Elek- tronen beteiligt sind, so daB sich aus dieser alle 22 Valenzelektronen berucksichtigenden Rechnung die Moglichkeit der Beschreibung im Model1 der 3 c-4c- Bindung herleiten liiBt, die fur die J-J-Bindung 24 kcal/Mol, also praktisch die gleiche Bindungsener- gie liefert. nber die hier skizzierten Rechnungen wurde an anderer Stelle berichtet [13]. Die bekannte Wasserstoffbruckenbindung X H Y ist ein typischer Vertreter der 3c-4e-Bindung. Mit

Tabullc 11 A He Ne Ar Kr Xe Rn

xA 1 4.5 4,O 2,9 2,6 2 2 5 2 , O

Rucksicht auf Bild 4 ist damit auch klar, warum fur eine starke Brucke die Elektronegativitat x der Rand- atome groB sein muB, z.B. beim HF,

. F * H - F * A x = X F - XH == 1,80.

Nicht geklart wird jedoch in dieser Naherung eine Bruckenasymmetrie. Pimentel [as], [2] sprach die Vermutung aus, daB das zu HF, isoelektronische HeF, als ein stabiles Molekul zu erwarten sei. Dage- gen spricht allerdings die Verteilung der Elektronega- tivitaten in dieser Verbindung. Benutzt man als grobe Naherung fur die X-Werte der Edelgase die aus der Mullikenschen Relation [ X = (I + A)/130] aus Ioni- sierungsenergie I und Elektronenaffinitat A (hier zu vernachlassigen !) folgenden Daten [3] (siehe Tab. ll), so erhalt man fur XeF, sehr ahnliche Verhaltnisse wie in HF,

.F. Xe. F. A X = 1,70

wahrend fur HeF,

F He. F A X = -0,55

folgt, also ein Sachverhalt, der gegen eine starke 3c-4e-Bindung spricht. Geht ein wenig elektronegatives Atom Bindungen rnit Halogenen ein unter Realisierung einer geringen Ko- ordinationszahl, aber unter Erzielung einer Verbin- dung mit ,,abgeschlossenen Schalen", so scheinen sich die durch VergroBerung der Koordinationszahl auf- tretenden zusatzlichen Bindungen durch Bildung von 3 c-4e-Bindungen ohne Erweiterung der Valenzschale deuten zu lassen [3], wie etwa bei SCI,-t SC1, oder PF3 -+ PF,. Im konventionellen Bindungsschema hat man in einer solchen Situation die zwei genannten Moglichkeiten. Man zieht entweder ein hoheres Orbi- tal hinzu und nimmt damit die Schwierigkeiten der oft hohen Promotionsenergien in Kauf oder man gibt die kovalente Bindung zugunsten einer krassen iona- len Beschreibung auf. Hier bietet sich die Mehrzen- trenbindung als Ausweg an. Wir greifen als Beispiel PC1, heraus. Eine naherungs- weise quantenmechanische Behandlung durch Pau- Zing [19] hat gezeigt, dal3 man dieses Molekul als Hy- brid der Grenzstruktur A, der funf Grenzst,rukturen B und C und der sechs Grenzstrukturen D beschreiben kann

von denen jede ein Gewicht von etwa 8 yo hat ; in der Grenzstruktur A besitzen die Valenzorbitale des Phosphors hohen d-Charakter. Die Chloratome sitzen an den Ecken einer trigonalen Bipyramide, in deren Zentrum sich der Phosphor befindet.

12 Z. Chern., 7. J g . (1967) Heft 3 89

Page 10: Die Mehrzentrenbindung im Modell der freien Elektronen

Im Bild der 3c-4e-Bindung wurde man - ohne Er- weiterung der Valenzschale - formulieren

-

Ic.11- I - c k

I!?' I c1 I

-

'-P-Cl I /. - -

-

womit auch die etwas groBere Entfernung der C1- Spitzenatome vom Phosphor (2,11 A) gegenuber den anderen P-C1-Abstanden (2,04 A) auf Grund der ge- ringeren Festigkeit der 3 c-4 e-Bindung interpretier- bar ware. Carpenter [ 71 diskutiert noch einige zwischenmole- kulare kc-vke-Bindungen im Festkorper, z. B. eine 3 c-4e-Bindung im JC1-Kristall, und 4c-6e-Bindun- gen, z.B. im festen Jod und in Additionsverbin- dungen wie beispielsweise im Brom- 1,4-dioxan

('0'. Br : Br -/O$. Eine 4 c-4e-Bindung durfte im Reaktionsknauel H, der Umsetzung H, + H, + H, + H, auftreten. Diese Reaktion demonstriert die weiter oben beschriebene Instabilitat der 4 c-4e Bin- dung. Der spontane Zerfall von H4 (vgl. auch Bild 3) wurde schon fruher [26] an Hand des FEMs disku- tiert. Weitere interessante Beispiele - besonders fur Molekulassoziate - findet man bei Rudakoff [ 271.

4. Zusammenfassurig Die Quantenchemie der k-Zentren-Bindung k c-vke- Bindung) wird auf der Grundlage des Modells der freien Elektronen (FEM) fur lineare und zyklische Atomkonfiguration fur k = 2, 3, 4, . . . entwickelt. Es wird eine Abschatzung der Bindungsfestigkeiten und relativen Stabilitaten durchgefuhrt sowie eine Diskus- sion der Elektronenverteilung in den einzelnen Bin- dungstypen. Ein Vergleich mit den Ergebnissen der herkommlichen LCAO-MO-Beschreibung zeigt be- friedigende Obereinstimmung . Der Begriff der k-Zentren-Bindung laBt einerseits Platz fur die Sonderstellung der Elektronenpaarbin- dung, erganzt jedoch andererseits diesen Bindungs- mechanismus in solchen Fallen organisch, wo der Be- griff der 2-Zentren-Paarbindung zur Beschreibung inadaquat ist . So lassen sich die Bindungsverhaltnisse in den Elektronen-Defizit-Verbindungen befriedigend vor allen mit der 3c-Be-Bindung und mit der 2c-le- Bindung beschreiben, wahrend mit der 2 c-3e-Bin- dung die Formulierung der ,,Elektronen-Exzel3-Ver- bindungen" gelingt. Die 3c-4e-Bindung gestattet eine befriedigende Beschreibung der Bindungen in ,,Orbital-Defizit-Verbindungen" ohne Erweiterung der Valenzschale, so daR in diesem Bild die Schwierig- keiten, die die oft groRen Promotionsenergien mit sich bringen, gar nicht auftreten ; auBerdem benotigt man hier oftmals die umstrittene Hybridisierungsvorstel- lung nicht mehr.

Zum SchluB sei ausdrucklich darauf hingewiesen, da13 das Konzept der Mehrzentrenbindung nur eine Mo - dellvorstellung zur Interpretation chemischer Bin- dungen darstellt, aber oft aus energetischen Grunden solchen Modellen wie Hybridisierung, dativer Bin- dung oder anderen krassen Ionenformulierungen vor - zuziehen ist. Die Grenzen des Modells der kc-v,e-Bindung sind of- fenbar dort zu finden: wo die Wechselwirkungen zwi- schen allen Zentren eines Molekuls die gleiche GroRen- ordnung erreichen. I n diesen Fallen hatte man die Diskussion der Bindungsverhaltnisse von vornherein an Hand der Potentialhyperflichen zu fuhren unter Benutzung eines geeigneten Naherungsansatzes fur die Gesamtwellenfunktion y und aus diesem y die Elektronenverteilung im Molekiil, also den wahren Hintergrund der formalen Bindungsstriche, zu berech- nen. Sicher kann man nur auf diese Weise der stets vorliegenden Individualitat des chemischen Yerhal- tens einer Verbindung Rechnung tragen. Bei Benut- zung einer ausreichenden wellenmechanischen Basis ergeben sich auf diesem allgemeinen Weg ,,reale Bil- der" [28] chemischer Bindungen. Herrn Professor Dr. H . Dunken bin ich fur das stete Inter- esse und die rege Anteilnahme an diesen Modellrechnungen sowie fur die krit,ische Durchsicht des Manuskriptes zu gro- Bern Dank verpflichtet.

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