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Die PDS – eine Partei im Wandel?
Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen Düsseldorf September 2003
www.im.nrw.de
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Die PDS – eine Partei im Wandel?
Der lange Weg zu sich ausschließenden Zielen – die Programmdebatte in der PDS1
Ohne Zweifel haben bedeutende Teile der 'Partei des Demokratischen Sozialismus'
(PDS) seit ihrer "Geburtsstunde" im Dezember 1989 hinsichtlich ihrer politischen
Vorstellungen einen weiten Weg hinter sich gebracht.
Zu Beginn der Umbruchphase 1989 war es für die PDS selbstverständlich, dass die DDR
weiterbestehen würde. Allerdings machten die heute von der Öffentlichkeit als "Reformer"
wahrgenommenen Kräfte in der Partei auch deutlich, dass ein vollständiger Bruch mit
dem gescheiterten stalinistischen, das heißt administrativ-zentralistischen Sozialismus der
SED erforderlich sei.
Nach den damaligen Bekundungen schätzte die PDS die modernen Errungenschaften der
BRD und achtete die freien Formen des wirtschaftlichen, politischen und kulturellen
Wettbewerbs. Insbesondere könne man von der Praxis der dreifachen demokratischen
Gewaltenteilung lernen.
Gleichzeitig war man aber davon überzeugt, dass die Errungenschaften der BRD ihre
Grenzen an den strategischen Machtinteressen kapitalistischer Monopole, insbesondere
der transnationalen Konzerne fänden. So trat man für das Volkseigentum an den
wichtigsten Produktionsmitteln (etwa Grund und Boden) ein und wollte die Partei
basisdemokratisch ausrichten. Gleichzeitig bekannte man sich aber zu marxistischen und
leninistischen Traditionen.
1 Anmerkung
Nachdem die Bearbeitung dieses Aufsatzes abgeschlossen war, verabschiedete der PDS-Parteivorstand am 25. August 2003 einen
in Teilen deutlich veränderten weiteren Programmentwurf. Dieser soll am 25./26. Oktober 2003 von der 2. Tagung des 8. Parteitages
verabschiedet werden.
Nach einer vorläufigen Auswertung des neuen Programmentwurfes ist es nicht notwendig, die Bewertung des Februarentwurfes
grundlegend zu revidieren. Im Neuentwurf versucht die PDS ihre kurz- und mittelfristig angestrebten gesellschaftlichen Veränderungen
deutlicher darzustellen. Die in Teilen moderateren Formulierungen sollten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass an dem
systemüberwindenden Ziel einer neuen Gesellschaft festgehalten wird. Es bleibt auch weiterhin die Frage offen, ob sich die Vielzahl
der an verschiedenen Stellen beschriebenen Eingriffe in Individualrechte im Rahmen des Grundgesetzes verwirklichen ließen.
Verstärkt werden diese Zweifel durch einen Rückgriff auf eine Formulierung in dem noch gültigen Programm von 1993, durch den in
der PDS auch solchen Kräften ein Platz eingeräumt wird, die der kapitalistischen Gesellschaft Widerstand entgegensetzen und die
gegebenen Verhältnisse fundamental ablehnen. Diese Formulierung wird vom linken Parteiflügel als eine Verbesserung gewertet, die
der Pluralität der PDS Rechnung trage. Inhaltlich hält sich die Partei damit für Strömungen und Plattformen offen, die deutlich die
Systemgrenzen der Bundesrepublik Deutschland überschreiten wollen.
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Die Lösung der gesellschaftlichen Probleme der DDR wurde in einem dritten Weg jenseits
von stalinistischem Sozialismus und der Herrschaft transnationaler Monopole gesehen.
Das Parteiprogramm von 1993
Ende Juni 2003 wählte die PDS in Berlin einen neuen Parteivorstand mit dem Ziel,
personelle Auseinandersetzungen und den seit der letzten Bundestagswahl 2002
bestehenden politischen sowie programmatischen Stillstand zu überwinden. Ein
wesentlicher Teil der Gründe für die im ersten Halbjahr 2003 offenkundig gewordene
Parteikrise liegt in Mängeln der Programmdiskussion.
Das heute gültige Parteiprogramm verabschiedete die PDS 1993 als bundesdeutsche
Partei. Bei der Formulierung spielten u.a. folgende Rahmenbedingungen eine Rolle:
: die tatsächlich vorgenommene Veränderung der Parteistruktur von der
monolithischen leninistischen Kaderpartei zu einer Strömungspartei mit
selbständigen Plattformen, Arbeitsgemeinschaften und Foren,
: der zusammenschweißende Schock durch den Untergang des realen Sozialismus
und den als triumphierend empfundenen Kapitalismus,
: die fehlende gemeinsame und von allen Teilen der Partei als verbindlich anerkannte
Aufarbeitung der Ursachen des Untergangs des realen Sozialismus und des Wirkens
des heutigen Kapitalismus,
: die Angst, beim Ausschluss unvereinbarer innerparteilicher politischer Positionen mit
der undemokratischen Praxis der SED verglichen zu werden.
Im Ergebnis führte dies zu dem derzeit noch gültigen Programm. Es enthält offene und
vieldeutig interpretierbare Formulierungen und erlaubt so allen Flügeln der Partei, ihnen
jeweils genehme Inhalte darin zu finden, die aber bei konsequenter Umsetzung nach
hiesiger Einschätzung miteinander unvereinbar sind.
Für Marxisten und für die PDS ist die Frage des Eigentums an den Produktionsmitteln –
bzw. heute die Entscheidung über Gewinne und Investitionen – die zentrale Frage der
gesellschaftlichen Macht. Alle Aussagen zu diesen Themen haben daher bei der
Beurteilung der Partei hohe Bedeutung. Das Parteiprogramm von 1993 setzt hier auf
reale Vergesellschaftung durch demokratische Entscheidungsprozesse auf lokaler,
regionaler, nationaler und globaler Ebene. Es wurde seinerzeit darüber gestritten, ob reale
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Vergesellschaftung von Eigentum primär durch die Vergesellschaftung der Verfügung
über das Eigentum erreichbar sei, oder ob der Umwandlung in Gemeineigentum,
insbesondere in gesamtgesellschaftliches Eigentum, die bestimmende Rolle zukommen
solle. Es geht um die für Ideologen wichtige (weil aus ihrer Sicht mit politischer Macht
verknüpften) Frage, ob es ausreicht, Eigentümern die Verfügungsmöglichkeiten zum
Beispiel über Gewinne zu nehmen, oder ob das Eigentum (als Rechtstitel) an den
Produktionsmitteln selbst aufgehoben werden muss. Geht man von der zweiten
Möglichkeit aus, bedeutet dies den Eigentumswandel der entscheidenden Teile der
Produktionsmittel von Privateigentum in Staats- bzw. Genossenschaftseigentum.
Der Programmentwurf 2001/2003
Ende der neunziger Jahre wurde in der Partei immer deutlicher die Notwendigkeit
gesehen, das Parteiprogramm den veränderten Verhältnissen in der Gesellschaft und der
veränderten Rolle der PDS im politischen Leben (Mitwirken auf Länderebene)
anzupassen. Der Reformerflügel der Partei legte – an der Programmkommission vorbei –
im April 2001 einen Entwurf vor, der deutlich andere Akzente setzte als das gültige
Parteiprogramm.
Auch der am 24. Februar 2003 der Öffentlichkeit vorgestellte neue PDS-Programmentwurf
wurde von einer Redaktionsgruppe erarbeitet. Er stimmt in weiten Teilen mit dem Entwurf
aus dem Jahr 2001 überein. Zu den Verfassern gehören unter anderem drei Theoretiker
des Reformerflügels, die auch schon an dem Entwurf 2001 beteiligt waren, eine
Vertreterin des gewerkschaftlichen Flügels und eine Landessenatorin.
Zentraler Ansatzpunkt im Programmentwurf 2003 ist nach wie vor die Würde des
Menschen (in der inhaltlichen Interpretation der PDS). Ebenso wie im Entwurf des Jahres
2001 wird sie an den Anfang und in das Zentrum der Programmatik gestellt. Die Würde
des Menschen verlange Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität; sie wird
bedroht gesehen von den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen, insbesondere
durch die neoliberale Politik der Verwandlung aller Lebensbereiche in profitbestimmte
Märkte und durch die autoritäre, imperiale und kriegerische Durchsetzung dieser Politik.
Der Entwurf 2003 unterscheidet sich von dem gültigen 1993er-Programm und anderen
Programmentwürfen durch den offenbaren Versuch der PDS, ihr Ziel eines „
demokratischen Sozialismus“, so zu fassen, dass es in den Grenzen des Grundgesetzes
realisierbar erscheint. Formulierungen wie „wir beziehen uns dabei auch auf das
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Grundgesetz“ und eine Verschiebung der inhaltlichen Aussagen machen dies deutlich.
Noch das aktuelle Programm proklamiert, dass Veränderungen in der Gesellschaft nur
bewirkt werden können, wenn Betroffene ihre Angelegenheiten selbst in die Hand
nehmen. Zusammen mit der Aussage, dass „die PDS den außerparlamentarischen Kampf
um gesellschaftliche Veränderung für entscheidend hält“ stellt dies eine klare Absage an
die im Grundgesetz als wesentliches Verfassungsprinzip verankerte parlamentarische
Demokratie dar. Der neue Entwurf erklärt nunmehr unter derselben Überschrift, die PDS
verbinde „die Verteidigung parlamentarischer Demokratie und demokratischer
Gewaltenteilung [...] mit der Überzeugung", dass "grundlegende gesellschaftliche
Wandlungen nicht ohne außerparlamentarische Bewegungen und außerparlamentarische
Kämpfe möglich sind".
Aber auch der Programmentwurf 2003 fordert zur Kritik heraus, da er den ideologischen
und historischen Ballast nicht vollständig abwirft; zudem wird es vermieden, die eigenen
Ziele unmissverständlich zu definieren. Hervorzuheben sind die folgenden 5 Kritikpunkte:
Kollektiver Freiheitsbegriff statt individuelle Freiheit
Der neue Programmentwurf ist in seinen Aussagen zum Freiheitsbegriff oftmals nicht
eindeutig. Die Unbestimmtheit ist insbesondere dort problematisch, wo der Sozialismus –
eine Gesellschaft, in der die freie Entwicklung der Einzelnen zur Bedingung der freien
Entwicklung aller geworden ist – als ein notwendiges Ziel geschildert wird und diese
Beschreibung sich an eine Formulierung von Marx anlehnt. Sie setzt nach dem
Originaltext voraus, dass die bürgerliche Gesellschaft vom Proletariat durch eine Revolu-
tion abgelöst worden ist und das Proletariat als herrschende Klasse gewaltsam die alten
Produktionsverhältnisse aufgehoben hat. Mit der Aufhebung der Produktionsverhältnisse
seien auch die Existenzbedingungen des Klassengegensatzes und der Klassen
überhaupt verschwunden. Marx beschreibt hier seine Vorstellung vom Kommunismus mit
seinem zumindest übergangsweise notwendigen kollektiven, vom Individuum losgelösten
Freiheitsbegriff.
Sätze wie: "Ohne soziale Gleichheit ist Freiheit nur die Kehrseite von Ausbeutung und den
Mächtigen vorbehalten. Freiheit, Gleichheit und Solidarität bilden den Inhalt von
Gerechtigkeit" sind im Lichte der historischen Entwicklung genau der politischen Richtung
zu sehen, aus der die PDS entstanden ist und deshalb in ihrer diffusen Dehnbarkeit nicht
tragfähig. Dies gilt umso mehr, als im Programmentwurf wenige Sätze weiter dargelegt
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wird, Freiheit sei für die PDS nicht als egoistisches Haben, sondern als solidarisches Tun
zu erreichen.
Unschärfen bei den angestrebten Eingriffen in Eigentum und Wirtschaft
Zwischen den Entwürfen 2001 und 2003 besteht im Kern der Aussagen zu den
beabsichtigten Eingriffen in die Gesellschaft – vor allem in Eigentumsrechte im
Wirtschaftsbereich – weitgehende Inhaltsgleichheit. Die Vielzahl der vorgesehenen Mittel
und Mechanismen und die Unbestimmtheit der Grenzen der Einwirkung auf die heute
bestehenden Individualrechte begründen Zweifel an der Einhaltung des grund-
gesetzlichen Rahmens. Ein Hinweis, wie stark diese Eingriffe sein könnten, ist einem
Beitrag der Mitverfasser beider Entwürfe in einer Tageszeitung vom 28. August 2001 zu
entnehmen. Dort machen die Autoren ihre Interpretation der Eigentumsgarantien des
Grundgesetzes (GG ) deutlich. Der grundgesetzlich garantierte absolute Schutz von
privatem Eigentum beziehe sich allein auf das persönliche Eigentum. Frei von den
Entscheidungen Dritter sei in letzter Konsequenz aber nur die eigene Arbeitskraft. Im
Umkehrschluss bedeutet das, dass das Programm 2001 zwar nicht das formale Eigentum
außerhalb der eigenen Arbeitskraft abschaffen will, wohl aber die Verfügungsgewalt über
das darüber hinausgehende Eigentum zur Disposition durch Dritte gestellt werden soll.
Inhaltliche Unterschiede sind zwischen den Entwürfen 2001 und 2003 zu diesem Punkt
nicht festzustellen.
Erklärungsbedarf besteht weiter dort, wo Grundmerkmale einer sozialistischen
Gesellschaft beschrieben werden. Dazu gehört unter anderem "eine sich auf die
politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und ökologischen Verhältnisse erstreckende
Demokratie, emanzipatorische Unterordnung der Produktions-, Verteilungs- und
Konsumtionsweise unter das Ziel, allen die Bedingungen eines selbstbestimmten und soli-
darischen Lebens zur Verfügung zu stellen."
Auch hier bleiben Mittel, Wege und Grenzen des Einflusses der Gemeinschaft auf den
Einzelnen und seine individuellen Rechte offen. Es besteht die Gefahr, dass der Einzelne
sein Leben – auch in wirtschaftlicher Hinsicht – nicht selbst bestimmen kann, sondern
durch die Summe der Eingriffsmöglichkeiten unzulässig eingeengt wird, um den
Vorstellungen über eine sozialistische Gesellschaft gerecht zu werden.
Die im PDS-Programmentwurf angedeuteten Eingriffe in Wirtschaft und Gesellschaft
dürfen zwar nicht mit den politischen Mechanismen gleichgesetzt werden, die in der DDR
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wirksam waren; es wird zwar nicht der allmächtige, planerisch tätige Zentralstaat als
erstrebenswert beschrieben. Der Programmentwurf kann aber so verstanden werden,
dass er auf verschiedenen Ebenen wirksame, von unterschiedlichen Akteuren
beeinflusste Eingriffe vorsieht, die insgesamt dem einzelnen Mitglied der Gesellschaft
insbesondere im ökonomischen Bereich fast keine individuelle und selbstverantwortliche
Handlungsmöglichkeit lässt.
Fehlender vollständiger Bruch mit der DDR und der SED-Vergangenheit
Der Programmentwurf bezeichnet zwar die Herrschaft der SED als einen Weg, der durch
„schmerzliche Fehler, zivilisatorische Versäumnisse und auch unentschuldbare
Verbrechen“ gekennzeichnet war. Er gelangt weiter zu der Feststellung, „dass nicht
wenige um großer Ideale willen Strukturen der Unterdrückung mitgetragen und Verfolgung
Andersdenkender zugelassen oder sogar unterstützt haben.“ Spätestens aber, wenn die
Partei das Bestreben, im Osten Deutschlands eine sozialistische Gesellschaft zu ges-
talten, als berechtigten Gegensatz zur Rettung des Kapitalismus in Westdeutschland
bezeichnet, fehlt bei aller im Programmentwurf enthaltenen Kritik die entscheidende
Feststellung, dass die DDR zu keinem Zeitpunkt ihres Bestehens im Sinne des
Grundgesetzes demokratisch legitimiert war.
Imperialistisches Weltbild
Die PDS geht bei der Bewertung der internationalen Politik noch immer von einem
weitgehend imperialistischen Verständnis aus. Neben den USA und der NATO wird der
„neoliberale und militärische Machtanspruch der EU“ kritisiert. Die Rede ist vom
„völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien“ und der Notwendigkeit vom „Widerstand
gegen das Schengener Abkommen“. Hier schimmern immer wieder klassische
Feindbilder durch.
Kein Ausschluss der extremistischen Teilgliederungen
Die internen Auseinandersetzungen der letzten Jahre machten deutlich, dass sich die
Partei 1993 auf ein Programm geeinigt hatte, das widersprüchliche und sich zum Teil
gegenseitig ausschließende Ansichten in der Partei bewusst zuließ. Diese "interne
Meinungsvielfalt" wird nun mit der Formulierung in den neuen Programmentwurf
übernommen, „über viele Fragen hätten die Mitglieder der PDS unterschiedliche
Auffassungen“. Nach dem neuen Programmentwurf verstehe sich die PDS noch immer
als „Zusammenschluss unterschiedlicher linker Kräfte“ und als eine pluralistische Partei,
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in der auch Minderheiten Rechte eingeräumt werden. Solche Formulierungen erhärten
den Verdacht, dass die Tür weiterhin für Plattformen und Flügel offen gehalten werden
soll, die Bestrebungen verfolgen, die gegen das Grundgesetz gerichtet sind. Die
Darstellung, man sei keine widerspruchsfreie Kraft, wirkt deshalb bei genauer Betrachtung
von Positionen und Äußerungen dieser Teilbereiche der Partei (zum Beispiel die
'Kommunistische Plattform') wie eine unzulässige Verharmlosung.
Noch im Februar 2003 hatte die 'Kommunistische Plattform' unkommentiert einen Appell
des KPD-Altkommunisten Ernst Thälmann zur politischen Lage im Jahr 1933
veröffentlicht. Von der PDS, die bis heute diese Teilgliederung in ihren Reihen duldet,
müssen deshalb eindeutige Bekenntnisse zum Grundgesetz verlangt werden.
Resümee
Der aktuelle Programmentwurf wird von dogmatischen Kräften in der Partei in
wesentlichen Teilen abgelehnt. Ihre Kritik entzündet sich sowohl an theoretischen Fragen
wie auch an der derzeitigen Politik der PDS in Landesregierungen. Diesen Kräften zufolge
wird vor allem der Kapitalismus im Programmentwurf 2003 zu wenig und nicht
entschieden genug kritisiert. Außerdem würden die aus der Analyse seiner Mängel für die
Politik der PDS abzuleitenden Schritte zu seiner Überwindung nicht ausreichend und
konsequent genug aufgezeigt.
Die Programmdiskussion macht deutlich, dass der pluralistische Grundkonsens die Partei
zunehmend belastet. Der Landesverband Nordrhein-Westfalen untertreibt die auch in ihm
bestehenden Meinungsunterschiede, wenn er ausführt, es bestünden unterschiedliche
Auffassungen zu einzelnen inhaltlichen Themenfeldern. Insgesamt blieben die
Stellungnahmen des Landesverbandes zum neuen Parteiprogramm allerdings eher blass
und inhaltslos. In den verbreiteten Stellungnahmen von Einzelpersonen sind scharfe
kritische Töne gegenüber den Reformern auf Bundes- und Landesebene festzustellen.
Der Landesverband scheint – wie die Bundespartei – politisch zutiefst gespalten.
Auf der außerordentlichen Tagung des 8. Parteitages (28./29.06.2003, Berlin) wurde der
Programmentwurf 2003 als Diskussionsgrundlage in der Partei festgeschrieben.
Weitergehende Forderungen hinsichtlich der anzustrebenden gesellschaftlichen
Veränderungen, wie sie von Teilen der Partei (Kommunistische Plattform, Marxistisches
Forum) erhoben werden, bleiben damit zunächst unberücksichtigt.
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Die weitere Diskussion wird zeigen, ob dieser Programmentwurf mit seiner schon
bestehenden Problematik hinsichtlich der vom Grundgesetz vorgegebenen Grenzen
durch den dogmatischen Flügel weiter verschärft wird oder ob es die Partei schafft, Ziele
und Wege zu beschreiben, die eindeutig bestimmt und zweifelsfrei mit den Anforderungen
des Grundgesetzes vereinbar sind.
Im Lichte der Entwicklungen im Bereich des realen Sozialismus in der DDR und darüber
hinaus können die Zweifel an dem neuen Programmentwurf der PDS nicht treffender
geschildert werden als von Erhard Eppler (SPD) in einem Interview mit dem 'Neuen
Deutschland' (Ausgabe 31. August/1. September 2001). Erhard Eppler wird dort wie folgt
zitiert:
"Wer unter Sozialismus nicht einen Prozess von Demokratisierung und sozialer
Gerechtigkeit innerhalb des Realen verstehen, sondern ein prinzipiell anderes System,
der ist beweispflichtig, wie ein solches System funktionieren soll. Dieser Beweis ist
momentan nicht zu erbringen. Auch aufgrund der Erfahrungen mit dem, was bislang unter
den Kommunisten als Sozialismus galt.“