25
Die Religion des Islam

Die Religion des Islam - Reclam VerlagTrotz der wachsenden Vertrautheit mit der arabischen Geschichte und Sprache brachte das 16. und 17. Jahrhun-dert – z.T. unter dem Druck der

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Die Religion des Islam - Reclam VerlagTrotz der wachsenden Vertrautheit mit der arabischen Geschichte und Sprache brachte das 16. und 17. Jahrhun-dert – z.T. unter dem Druck der

Die Religion des Islam

Page 2: Die Religion des Islam - Reclam VerlagTrotz der wachsenden Vertrautheit mit der arabischen Geschichte und Sprache brachte das 16. und 17. Jahrhun-dert – z.T. unter dem Druck der

Reclam Sachbuch

Page 3: Die Religion des Islam - Reclam VerlagTrotz der wachsenden Vertrautheit mit der arabischen Geschichte und Sprache brachte das 16. und 17. Jahrhun-dert – z.T. unter dem Druck der

Annemarie Schimmel

Die Religion des Islam

Eine Einführung

Reclam

Page 4: Die Religion des Islam - Reclam VerlagTrotz der wachsenden Vertrautheit mit der arabischen Geschichte und Sprache brachte das 16. und 17. Jahrhun-dert – z.T. unter dem Druck der

14. Auf lage

reclams universal-bibliothek Nr. 186591990, 2015 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG,Siemensstraße 32, 71254 DitzingenGestaltung: Cornelia Feyll, Friedrich ForssmanDruck und Bindung: Canon Deutschland Business Services GmbH,Siemensstraße 32, 71254 DitzingenPrinted in Germany 2018reclam, universal-bibliothek undreclams universal-bibliothek sind eingetragene Markender Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgartisbn 978-3-15-018659-6www.reclam.de

Page 5: Die Religion des Islam - Reclam VerlagTrotz der wachsenden Vertrautheit mit der arabischen Geschichte und Sprache brachte das 16. und 17. Jahrhun-dert – z.T. unter dem Druck der

Inhalt

Vorbemerkung 7

Die abendländische Erforschung des Islam 9

Arabien vor dem Islam 14

Mu .hammad 16

Die Ausbreitung des Islam 22

Der Koran und seine Lehre 30

Die Tradition 49

Das Gesetz 55

Theologie und Philosophie 68

Schia und Sektenwesen 87

Mystik und Ordenswesen 96

Die Heiligenverehrung 115

Die neuere Entwicklung des Islam 120

Zur Aussprache 137

Ausgewählte Bibliographie 138

Register 143

Page 6: Die Religion des Islam - Reclam VerlagTrotz der wachsenden Vertrautheit mit der arabischen Geschichte und Sprache brachte das 16. und 17. Jahrhun-dert – z.T. unter dem Druck der
Page 7: Die Religion des Islam - Reclam VerlagTrotz der wachsenden Vertrautheit mit der arabischen Geschichte und Sprache brachte das 16. und 17. Jahrhun-dert – z.T. unter dem Druck der

Vorbemerkung 7

Vorbemerkung

Das vorliegende Bändchen ist aus einem Beitrag über denIslam erwachsen, den ich für den Sammelband FriedrichHeiler, Die Religionen der Menschheit, neu herausgegebenvon Kurt Goldammer, Stuttgart: Reclam Verlag, 1980, ge-schrieben habe. Dieser wurde allerdings völlig überarbei-tet und erweitert, besonders im Schlussabschnitt »Dieneuere Entwicklung des Islam«. Ein Verzeichnis über dieAussprache, die Bibliographie und das Register wurdenneu hinzugefügt.

Bonn, Herbst 1989 A. S.

Page 8: Die Religion des Islam - Reclam VerlagTrotz der wachsenden Vertrautheit mit der arabischen Geschichte und Sprache brachte das 16. und 17. Jahrhun-dert – z.T. unter dem Druck der

8 Vorbemerkung

»Im Namen Gottes«,Inschrift in Flechtkufi

Page 9: Die Religion des Islam - Reclam VerlagTrotz der wachsenden Vertrautheit mit der arabischen Geschichte und Sprache brachte das 16. und 17. Jahrhun-dert – z.T. unter dem Druck der

Die abendländische Erforschung des Islam 9

Die abendländische Erforschung des Islam

Unter allen Religionen, mit denen sich das Christentumauseinanderzusetzen hatte, ist der Islam die am meistenangegriffene, am meisten missverstandene gewesen. Dierund ein Jahrtausend anhaltende Bedrohung des Abend-landes durch islamische Mächte – beginnend von der Ein-nahme Spaniens durch die Araber zu Beginn des 8. Jahr-hunderts, endend mit der Belagerung Wiens durch dieTürken 1683 – hat dazu beigetragen, den Islam und seineBekenner als Erzfeinde des Christentums anzusehen.

Zudem ist der Islam die einzige Weltreligion, die nachdem Christentum entstanden ist; von den frühen byzanti-nischen Apologeten an bis zu Adolf von Harnack (1851–1930) ist er deshalb oft als eine Häresie des Christentumshingestellt worden.

Das mittelalterliche Bild des Islam und seines Prophe-ten Mu .hammad zeigt ähnliche Züge; die Verzerrung gehtso weit, dass man Mu .hammad als Obergott ansehen, vonder Anbetung seiner goldenen Statuen sprechen konnte –die Vorstellung von den »goldnen Mahomsbildern« hatsich bis in die romantische Dichtung gehalten.

Dass man eine Religion, die jeden Bilderdienst verwirft,deren Prophet sich überdies grundsätzlich nur als Menschgefühlt hat, so verkennen konnte, beruht z. T. auf denmangelnden Sprachkenntnissen. Die Kenntnis des Arabi-schen als der kultischen Sprache des Islam wurde erst imspäten Mittelalter für wichtig genug gehalten, um eigeneKurse dafür einzurichten – dem christlichen Klerus im is-lamischen Spanien freilich war die Sprache der Herrschervöllig geläufig gewesen.

Page 10: Die Religion des Islam - Reclam VerlagTrotz der wachsenden Vertrautheit mit der arabischen Geschichte und Sprache brachte das 16. und 17. Jahrhun-dert – z.T. unter dem Druck der

10 Die abendländische Erforschung des Islam

1143 war die erste lateinische Koranübersetzung durchRobertus Ketenensis angefertigt worden; genau 400 Jahrespäter erschien, unter Luthers Zureden, ein Druck der la-teinischen Übersetzung des heiligen Buches des Islamdurch Bibliander in Basel, aus dem dann eine italienische,eine deutsche (1616, Salomon Schweigger) und eine hol-ländische Übersetzung hergestellt wurden. Und in dieserZeit begann man hie und da, sich auch ohne missionari-sche Interessen mit dem Arabischen zu befassen.

Trotz der wachsenden Vertrautheit mit der arabischenGeschichte und Sprache brachte das 16. und 17. Jahrhun-dert – z. T. unter dem Druck der Türkengefahr – weiterhineine Reihe von Werken scharf polemischen Charaktersheraus (abgesehen von den dichterischen Erzeugnissendieser Art).

Eine neue Auffassung bricht sich in der Auf klärungBahn, wo Henri de Boulainvilliers (1658–1722) zum erstenMal Mu .hammad als Prediger einer vernunftgemäßen Reli-gion zeichnete. Die allgemeine Neigung dieser Epochedürfte wohl Hermann Samuel Reimarus (1694–1768) ambesten ausgedrückt haben, wenn er sagt: »Ich bin versi-chert, dass unter denen, die der türkischen Religion dieseund jene Schuld geben, die wenigsten den Alcoran gelesenhaben, und dass auch unter denen, die ihn gelesen haben,die wenigsten den Vorsatz gefasst haben, den Worten ei-nen gesunden Verstand, dessen sie fähig sind, zu geben.«

Das 18. Jahrhundert sah auch die Koranübersetzung desEngländers George Sale (1734), der sachlicher urteilt alsseine Vorgänger, und die erste deutsche Übersetzung ausdem Urtext, die auch von Goethe benutzte David Fried-rich Megerlins (1772), sowie, ein Jahr später, die Überset-

Page 11: Die Religion des Islam - Reclam VerlagTrotz der wachsenden Vertrautheit mit der arabischen Geschichte und Sprache brachte das 16. und 17. Jahrhun-dert – z.T. unter dem Druck der

Die abendländische Erforschung des Islam 11

zung Friedrich Eberhard Boysens. Wie es der unermüdli-che Johann Jacob Reiske (1716–74), der »Märtyrer der arabi-schen Literatur«, erstmals unternahm, die islamische Ge-schichte in die Universalgeschichte einzubauen, so ist dieklassische, diese Periode der Auseinandersetzung desAbendlandes mit dem Islam abschließende Stellungnah-me in Goethes »Noten und Abhandlungen zum West-öst-lichen Divan« zu finden, wo er vorsichtig und gerecht dasWesen nicht nur Mu .hammads, sondern der islamischenKultur in ihren Hauptformen, der arabischen und persi-schen, umschreibt.

Goethe stand freilich bereits am Ende einer Periode, inder – allen politischen und theologischen Fehden zumTrotz – der islamische Orient abendländische Kultur be-fruchtet hatte: literarische und musikalische Einflüssesind im mittelalterlichen Spanien nachweisbar, wo auchdie arabischen Naturwissenschaften das europäische Mit-telalter mit unschätzbarem Material versorgten; sie sind inder Erzählkunst, den romantischen Schriften und Gedich-ten des Mittelalters erkennbar; die Kreuzzüge brachtenkostbare Güter in den Okzident (noch zeugen Worte wieDamast, Baldachin, Laute und viele andere von deren ara-bischem Ursprung). Später waren es Reisende in das Os-manische Reich, nach Iran und in das Indien der Groß-moghule, die wundersame Berichte vom Prunk undReichtum dieser Länder mitbrachten und – wie die schles-wig-holsteinische Expedition nach Iran 1639 – auch Werkepersischer Literatur in Deutschland bekannt machten.

»Durch uns kommt Persien in Holstein eingezogen«,schrieb Paul Fleming. Und trotz der anti-türkischen schau-derhaften Türkendramen Daniel Casper Lohensteins

Page 12: Die Religion des Islam - Reclam VerlagTrotz der wachsenden Vertrautheit mit der arabischen Geschichte und Sprache brachte das 16. und 17. Jahrhun-dert – z.T. unter dem Druck der

12 Die abendländische Erforschung des Islam

(1635–83) wurde der Orient nun auch nicht nur als Heimatdes Antichrist angesehen, sondern als Wunderland, demdie Märchen aus Tausendundeiner Nacht entstammten, dieerstmals Anfang des 18. Jahrhunderts ins Französischeübertragen wurden und von da an unzählige Dichter, Mu-siker und Maler inspirierten. Mit dem Ende des 18. Jahr-hunderts werden dann erste Proben der klassischen Litera-turen des Orients in Europa bekannt. Im deutschenSprachgebiet war es das Verdienst Joseph von Hammer-Purgstalls (1774–1856), zahllose Werke aus dem Arabi-schen, Türkischen und vor allem Persischen übertragen zuhaben: Es war seine Übertragung des vollständigen Dıvansdes .Hafiz. (1812/13), die Goethe zu seinem Divan inspirier-te. In Friedrich Rückert (1788–1866) dann liegt, zumindestfür die deutsche Literatur, der Glücksfall vor, dass ein erst-klassiger Orientalist zugleich Dichter war und der deut-schen Sprache einen überaus reichen Schatz arabischer,persischer und indischer Dichtung anverwandelte. Dochdann beginnt die Spaltung in literarische Adaptionen undernste wissenschaftliche Forschung.

Das 19. Jahrhundert kann als Beginn der wissenschaftli-chen Orientalistik und Islamkunde gelten. Gotthold Weilversuchte 1843 das Leben des Propheten unter Scheidungder Tatsachen von späteren Legenden darzustellen. Wil-liam Muir, Aloys Sprenger und D. F. Margoliouth zeigenstarke Tendenzen, Mu .hammads Bild negativ zu zeichnen;er wird als Hysteriker, Betrüger, bestenfalls als Sozialre-former dargestellt. Erst die grundlegenden Untersuchun-gen Ignaz Goldzihers über die Entwicklung der Traditionund die scharfsinnige Quellenscheidung, die dieser Ge-lehrte für die innerislamische Entwicklung einführte, ha-

Page 13: Die Religion des Islam - Reclam VerlagTrotz der wachsenden Vertrautheit mit der arabischen Geschichte und Sprache brachte das 16. und 17. Jahrhun-dert – z.T. unter dem Druck der

Die abendländische Erforschung des Islam 13

ben neue Möglichkeiten des Verständnisses eröffnet. AufGoldzihers und Christiaan Snouck-Hurgronjes Forschun-gen baut die wissenschaftliche Islamkunde auf und ver-sucht, durch das Gewirr der Meinungen und Überlieferun-gen ein Bild von den Zielen des Propheten zu gewinnen –freilich gilt noch immer das Wort Carl Heinrich Beckers:»Wir wissen zu viel von Mu .hammad, um ihn idealisieren,zu wenig, um ihm ganz gerecht werden zu können.«

Die Haltung der Orientalisten des 19. Jahrhunderts istjedoch in jüngster Zeit vielfach kritisiert worden, in ersterLinie von Edward Said, der, wie viele Gelehrte aus demNahen Osten, in den Arbeiten der Forscher – besondersder Briten und Franzosen – imperialistische Ziele sieht.

In den letzten Jahren sind nun eine große Menge vonArbeiten erschienen, in denen die Verfasser eine warmeSympathie für den Islam und vor allem seine mystischeSeite gezeigt haben; die positive Haltung des Vatikani-schen Konzils hat dazu beigetragen. Doch darf man auchüberaus kritische und die gesamte frühislamische Ge-schichte auf eine andere Basis stellende Arbeiten, wie Pa-tricia Crones Hagarism (1977), nicht übersehen.

Unsere Darstellung hält sich an die traditionelle Sicht-weise der islamischen Geschichte.

Page 14: Die Religion des Islam - Reclam VerlagTrotz der wachsenden Vertrautheit mit der arabischen Geschichte und Sprache brachte das 16. und 17. Jahrhun-dert – z.T. unter dem Druck der

14 Arabien vor dem Islam

Arabien vor dem Islam

Südarabien, durch seinen Reichtum berühmt, hatte zurZeit, da Mu .hammad geboren wurde (um 570 n. Chr.), sei-ne Glanzperioden hinter sich. An die Stelle des alten Poly-theismus waren jüdische und christliche Einflüsse getre-ten. Das eigentliche Arabien war noch ein Gebiet typischprimitiver Religion, in dem sich zahlreiche Stammeshei-ligtümer befanden: Bäume, Grotten und vor allem Steinewurden für heilig und machtgeladen gehalten; der allge-mein semitische Steinkult hatte ein Zentrum in Mekka,wo der schwarze Stein in der Südwestecke der Ka‘ba dasZiel jährlicher Wallfahrten war. Diese zu bestimmten Zei-ten abgehaltenen Wallfahrten brachten der reichen Han-delsstadt Mekka durch Messen und Märkte wirtschaftlicheVorteile; hier trafen sich im Schutze der heiligen Monate,in denen Kampf und Mord verboten waren, Vertreter allerarabischen Stämme. Um die Ka‘ba wurden in bestimmterKleidung die vorgeschriebenen Umlaufriten vollzogen.

An sich war das Leben der Araber zu jener Zeit (die vomIslam als gahilıya »Unwissenheit« bezeichnet wird) wenigvon religiösen Gedanken bestimmt. Die arabische Litera-tur des ausgehenden 6. Jahrhunderts lässt kaum auf tiefe-re religiöse Gefühle schließen; sie besingt vielmehr dieTugenden des Beduinen: Tapferkeit, grenzenlose Gast-freundschaft, Rache; das eigentlich erotische Moment trittim Verhältnis dazu zurück. Die Frauen des Stammes dich-teten Klagelieder auf die Gefallenen; die Priester an denHeiligtümern gaben ihre Wahrsagungen in dunkler Reim-prosa. Schon zu jener Zeit ist das Arabische erstaunlichausgebildet: in seiner den Stämmen gemeinsamen dichte-

Page 15: Die Religion des Islam - Reclam VerlagTrotz der wachsenden Vertrautheit mit der arabischen Geschichte und Sprache brachte das 16. und 17. Jahrhun-dert – z.T. unter dem Druck der

Arabien vor dem Islam 15

rischen Hochsprache hat es die Anlagen aller semitischenSprachen aufs reichste entfaltet. Ein fast unerschöpf licherWortreichtum verbindet sich mit äußerster syntaktischerKnappheit, und bereits damals liegt eine Reihe kunstrei-cher Metren vor. Die Vollkommenheit der vorislamischenarabischen Dichtung ist kaum je wieder erreicht worden –und die Sprache mit ihren scheinbar grenzenlosen Mög-lichkeiten war für den Islam vielleicht das Wertvollste,was er seinem arabischen Mutterboden entnehmen konn-te. In der altarabischen Dichtung ist hin und wieder dieRede von Wandermönchen, vom Licht in der Eremiten-zelle – das zeigt, dass christliche Motive nicht unbekanntwaren. Lag doch das Land in den Einflusssphären Ostromsund Persiens, so dass leicht ein Kontakt mit jakobitischenund nestorianischen Christen möglich war. Geschlossenechristliche Kolonien dürften im eigentlichen Arabien wohlkaum vorhanden gewesen sein; jüdische Gruppen gab esin der Nähe von Medina. Auch waren die Könige von Sabain Südarabien um 500 zum Judentum übergetreten. Man-cherorts fanden sich Männer, die, unzufrieden mit derherrschenden, inhaltslosen Religion, eine höhere Formdes Glaubens suchten; die Araber bezeichneten sie als.hanıf. Bei ihnen dürfte der Glaube an einen Hochgott,Allah – der auch sonst in Arabien vorhanden war –, in denMittelpunkt des Interesses gerückt sein; möglicherweisehatten sie durch Kontakt mit Christen oder Juden ihre Re-ligiosität vertieft. Vielleicht wäre Arabien sogar, um dieWende des 6./7. Jahrhunderts, christlich geworden, wennnicht Mu .hammad aufgetreten wäre.

Page 16: Die Religion des Islam - Reclam VerlagTrotz der wachsenden Vertrautheit mit der arabischen Geschichte und Sprache brachte das 16. und 17. Jahrhun-dert – z.T. unter dem Druck der

16 Mu ammad

Mu .hammad

Mu .hammad war um 570 in Mekka als Angehöriger derSippe Hasim, einer Seitengruppe der Qurais, geboren.Sehr früh verlor er seine Eltern und wurde bei seinemOheim Abu T. alib aufgezogen. Wie die meisten seinerLandsleute widmete er sich dem Handel; bald heiratete erseine um einiges ältere Dienstherrin Khadıga, die ihmmehrere Kinder gebar, von denen vier Töchter überlebten.Die Tatsache, dass Mu .hammad bis zum Tode Khadıgas (alser selbst etwa 50 Jahre alt war) keine andere Frau geheira-tet hat, dürfte gegen die immer wieder wegen seiner zahl-reichen späteren Ehen erhobene Anklage übermäßigerSinnlichkeit sprechen.

Im Alter von etwa 40 Jahren wurde Mu .hammad in ei-ner Höhle am Berge .Hira, wohin er sich öfters zurückzog,von Visionen überkommen; er rang sich zu der Überzeu-gung durch, dass ihm hier ein göttlicher Auftrag zuteilwerde. In der 96. Sure des Koran wird der an ihn ergange-ne Auftrag iqra’, d. h. »lies, rezitiere«, festgehalten. Khadıgastand ihrem Manne in der seelischen Krise, die diese Er-lebnisse hervorriefen, getreu zur Seite.

Ein Gedanke beherrscht die ersten VerkündigungenMu .hammads: das nahende Endgericht. In jagenden kurzenZeilen klingender Reimprosa, in sich überstürzenden Bil-dern wird das Hereinbrechen der Stunde, des Tages derAbrechnung, der Auferstehung angekündigt. Nahe stehtdiese Stunde bevor, in Kürze wird sie anklopfen und die inirdische Geschäfte verstrickten, Gott vergessenden Men-schen aus ihrer Ahnungslosigkeit aufschrecken und Gottgegenüberstellen. Eine Naturkatastrophe wird das Gericht

.h

Page 17: Die Religion des Islam - Reclam VerlagTrotz der wachsenden Vertrautheit mit der arabischen Geschichte und Sprache brachte das 16. und 17. Jahrhun-dert – z.T. unter dem Druck der

Mu ammad 17

einleiten – Erdbeben, Feuer, Sonnenfinsternis –, vielleichtam gewaltigsten geschildert in der 81. Sure:

»Wenn die Sonne sich verschleiert und die Sterneverblassen,

Wenn die Berge schwanken, Kamelstuten sindverlassen,

Wenn die wilden Tiere sich rotten, wenn das Meeraufgejagt,

Wenn die Seelen sich paaren, wenn man die getötetenTöchter fragt,

Um welcher Schuld sie ermordet, wenn Rechnung istvorgebracht,

Wenn der Himmel enthüllt ist, das höllische Feuerentfacht,

Wenn nahe der Paradiesgarten, dann erkennt dieSeele, was sie gemacht …«

(Übersetzung von Richard Hartmann)

Zu jener Stunde wird Israf ıl die Trompete blasen, die To-ten werden leiblich auferstehen und sich verwirrt über ihrSchicksal fragen; gewisse Prüfungen sind zu überstehen(s. S. 80), bis die Ungläubigen an Stirnlocken und Füßenweggeschleppt werden. In der Schilderung der Höllenstra-fen erreicht der Koran nicht die ausschweifende Phantasiechristlicher Apokalyptiker; erst spätere Volksfrömmigkeitkonnte sich nicht genug tun in der Darstellung jeder Artvon Strafen, von Feuerqualen und stinkendem heißenWasser, von giftigen Bäumen, von körperlichen Züchti-gungen. Aber Mu .hammad ist nicht nur der Androher undErmahner, sondern auch der Verkünder froher Botschaft:der Fromme, welcher Gottes Befehlen gemäß lebt, wird

.h

Page 18: Die Religion des Islam - Reclam VerlagTrotz der wachsenden Vertrautheit mit der arabischen Geschichte und Sprache brachte das 16. und 17. Jahrhun-dert – z.T. unter dem Druck der

18 Mu ammad

ins Paradies eingehen, wo Bäche von Milch und Honig inkühlen, duftenden Gärten fließen und jungfräuliche Ge-liebte ihn erwarten. Auch Frauen und Kinder haben an derParadiesesseligkeit teil. In den von der christlichen Pole-mik besonders angegriffenen Paradiesesschilderungengeht der Koran nicht viel über die Farbigkeit ostkirchlicherPredigten hinaus.

Mu .hammads Verkündigung wurde von den praktischdenkenden Kauf leuten nicht ernst genommen. Eine leibli-che Auferstehung schien ihnen undenkbar und lächerlich– so werden im Koran zahlreiche Beweise für eine solcheAuferstehung vorgebracht: Einmal kann es für Gott, derdie Welt aus dem Nichts geschaffen hat, nicht schwer sein,die schon vorhandenen Teile wieder zusammenzusetzen;zum zweiten ist eine Wiederbelebung der – scheinbar – to-ten Wüste nach dem Regen ein Symbol für die Wiederbe-lebung der Menschen (gerade diese Beweisführung wirdin der späteren Poesie immer wieder verwendet); schließ-lich kann die menschliche Zeugung ein Beispiel für GottesSchöpfermacht geben. Und was das Endgericht anlangt, sosind die über sündige Völker des Altertums ergangenenStrafgerichte genügend Beweismaterial dafür: Die Offen-barungen der zweiten mekkanischen Periode befassen sichviel mit der Geschichte jener Völker, die ihre Prophetenverworfen und deshalb ihre eigene Vernichtung herauf be-schworen hatten.

Aus dem Zusammenhang von Schöpfung und Gerichtergibt sich zwangsläufig, dass der Schöpfer und der Herrdes Gerichts nur eine Person sein kann: der Glaube an deneinen Gott, ohne Nebengötter, steht von früh an im Zen-trum der Offenbarung. Die 112. Sure erklärt:

.h

Page 19: Die Religion des Islam - Reclam VerlagTrotz der wachsenden Vertrautheit mit der arabischen Geschichte und Sprache brachte das 16. und 17. Jahrhun-dert – z.T. unter dem Druck der

Mu ammad 19

»Sprich: Gott ist einer. Er ist der Ewige. Er ist nicht ge-zeugt und Er hat nicht gezeugt. Ihm gleich ist keiner.«

Die jetzt vor allem gegen das christliche Trinitätsdogma an-geführte Sure ist wahrscheinlich zuerst mehr gegen die ara-bische Vorstellung von »Töchtern Allahs« gerichtet gewesen.

Die Pflicht des Menschen ist es, sich von ganzem Her-zen, ganzer Seele und ganzem Gemüte diesem einzigenGott, dem Allmächtigen, dem Barmherzigen, dem Erbar-mer (wie er zu Beginn jedes Korankapitels und weiterhinzu Beginn jeglicher Tätigkeit angerufen wird) hinzugeben:Das Wort Islam meint die völlige Hingabe an den WillenGottes, und derjenige, der diese Hingabe zeigt, ist derMuslim (die Bezeichnung Mohammedaner wird nicht gerngesehen, da sie nach muslimischer Auffassung eine un-richtige Parallele zu der Selbstbezeichnung der Christendarstellt). Nur gewisse spätere mystische Strömungen be-zeichnen sich »muhammadanisch«, um ihre absoluteTreue zum Vorbild des Propheten anzudeuten. Der Mus-lim, der den einen Gott als Schöpfer und Richter aner-kennt, weiß sich diesem verantwortlich; er glaubt an seineBücher (Tora, Psalter, Evangelium, Koran), seine Prophe-ten (von Adam über die Erzväter, Moses, Jesus und vieleandere bis zu Mu .hammad), an seine Engel und an denJüngsten Tag, und führt in dem Bewusstsein der überallspürbaren Gottesgegenwart sein Leben entsprechend dengöttlichen Geboten – die Erfüllung kultischer Pflichtenund die Ausübung von Barmherzigkeit und Rechtlichkeitstehen als Forderungen Gottes nebeneinander, wie das Ri-tualgebet, .salat, im Koran fast ständig mit dem Almosen-geben, zakat, verbunden ist. Aber dem in seinen Reichtum

.h

Page 20: Die Religion des Islam - Reclam VerlagTrotz der wachsenden Vertrautheit mit der arabischen Geschichte und Sprache brachte das 16. und 17. Jahrhun-dert – z.T. unter dem Druck der

20 Mu ammad

verstrickten, die religiösen Pflichten versäumenden Welt-menschen werden göttliche Strafen angedroht.

Mu .hammad fühlte sich speziell als Prophet der Araber,die er warnen sollte, wie die Völker vor ihnen von Prophe-ten gewarnt worden waren. Doch nur ein kleiner Kreisvon Anhängern, meist aus niederen Klassen, sammeltesich um ihn. Unter dem Druck der Umstände wanderteein Teil von ihnen nach dem christlichen Abessinien aus.Die Lage in Mekka verschärfte sich, als Mu .hammad imJahre 619 seine Frau und seinen ihn schützenden OheimAbu T. alib verlor. Schließlich zeigte sich eine neue Mög-lichkeit: 621 kamen Leute aus dem nördlich gelegenenJathrib, welche die Botschaft des Propheten vernahmen,und ein Jahr später wanderte er selbst – als letzter nach sei-nen Getreuen – nach Jathrib aus, das von nun an den Na-men Medina (die »Stadt« des Propheten) trug.

Mit dieser Auswanderung, der Higra, lassen die Musli-me zu Recht ihre Zeitrechnung beginnen – denn hier voll-zieht sich eine entscheidende Entwicklung der Grundge-danken Mu .hammads. Bis dahin hatte der Prophet sich alsFortsetzer der großen prophetischen Religionen, des Ju-dentums und Christentums, gefühlt und war überzeugtgewesen, das Gleiche zu predigen, was auch sie lehrten.Geschichten, die aus der Bibel bekannt sind, finden sich, inverwandelter Form, im Koran; so enthält Sure 12 »dieschönste Geschichte«, nämlich die von Joseph und der Lie-be der (nicht namentlich benannten) Zulaikha zu ihm – einThema, das ungezählte Dichter im islamischen Bereich in-spiriert hat. Doch die Juden lehnten die im Koran vorkom-menden, ihnen lückenhaft erscheinenden Darstellungenab. Das führte Mu .hammad zu der Überzeugung, dass die

.h

Page 21: Die Religion des Islam - Reclam VerlagTrotz der wachsenden Vertrautheit mit der arabischen Geschichte und Sprache brachte das 16. und 17. Jahrhun-dert – z.T. unter dem Druck der

Mu ammad 21

von den Juden vorgebrachten Geschichten gefälscht seien –echt seien allein die ihm offenbarten Worte; sein Glaubesei im Grunde älter als der der Juden: Es sei der reine Glau-be Abrahams, welcher – über Ismail – als der Stammvaterder Araber gilt und dem die Gründung des mekkanischenZentralheiligtums zugeschrieben wird. Der reine Mono-theismus, erstmals von Abraham gegenüber der alten Ge-stirnreligion vertreten, dann durch Juden und Christenverfälscht, sollte wieder im Islam lebendig werden. Als Fol-ge dieser Eingebung wurde die Gebetsrichtung, die bis da-hin Jerusalem gewesen war, nach Mekka orientiert – unddamit war die Gewinnung seiner Heimatstadt wieder zuMu .hammads Ziel geworden. Acht Jahre nach seiner Aus-wanderung zog er dort im Triumph ein. Dazwischen lagenkleine Kämpfe, in denen eine gut organisierte muslimischeMinderheit die Mekkaner besiegte. Mekka nahm seinengrößten Sohn freundlich auf, und er ließ Milde walten. 632starb er, nach Vollziehung der Wallfahrt, im Hause seinerLieblingsfrau, der jungen ‘A’isa, deren Vater Abu Bakr zuseinem ersten Nachfolger gewählt wurde.

Die Offenbarungen, die aus den letzten Jahren seinesLebens stammen, sind breiter im Stil, die Reimprosa istnur noch wenig deutlich, der ursprüngliche eschatologi-sche Schwung ist verebbt, dafür nehmen kultische und in-stitutionelle Fragen größeren Raum ein. Das ganze Lebenist mit Religion durchtränkt, und wie es keine Trennungzwischen staatlicher und religiöser Instanz gibt, so gibt esim Grunde auch keine profanen Handlungen – jedes Werksoll »im Namen Gottes« angefangen und in Verantwor-tung vor Gott ausgeführt werden. Der Mensch steht un-mittelbar vor Gott; eine Priesterkaste existiert nicht.

.h

Page 22: Die Religion des Islam - Reclam VerlagTrotz der wachsenden Vertrautheit mit der arabischen Geschichte und Sprache brachte das 16. und 17. Jahrhun-dert – z.T. unter dem Druck der

22 Die Ausbreitung des Islam

Die Ausbreitung des Islam

Der Tod des Propheten stellte die junge Gemeinde vorschwere Probleme. Das Prophetenamt war abgeschlossen;die Offenbarungen (Sure 33,40) sprachen von Mu .hammadals dem Siegel, dem letzten der Propheten. So blieb für sei-ne Nachfolger, »Kalifen«, die Leitung der Gemeinde beimGebet und im Krieg.

Die Gemeinde, umma, besteht aus den Gläubigen undist, wie die Legende weiß, durch ihre Beziehung zu Mu-.hammad in besonderer Weise geschützt vor dem göttli-chen Zorn: Denn, so heißt es, wenn beim Jüngsten Ge-richt jeder rufen wird: nafsı, nafsı »Ich selbst, ich selbst(brauche Vergebung)«, dann wird Mu .hammad ausrufenummatı, ummatı »Meine Gemeinde, meine Gemeinde«und wird ihr Fürsprecher sein.

Abu Bakr, der Schwiegervater des Propheten, war er-folgreich genug, die gleich nach Mu .hammads Tode ausbre-chenden Aufstände der freiheitsliebenden Beduinen, de-nen das islamische Steuersystem nicht gefiel, niederzu-werfen; unter seiner Herrschaft zogen die Heere bis in densüdlichen Irak und nach Palästina. Aber erst unter seinemNachfolger, dem gewaltigen ‘Omar (634–644), kam dieZeit der glänzenden kriegerischen Erfolge: 635 wurde Da-maskus erobert, 639–641 Ägypten, 640–644 Persien ge-wonnen.

Nach der Ermordung ‘Omars führte ‘Othman ibn ‘Affandie Eroberungszüge weiter; doch begann damals die Be-günstigung des altmekkanischen Hauses Omayya, der frü-heren entschiedenen Gegner Mu .hammads. ‘Alı, der Sohnvon Mu .hammads Oheim Abu T. alib und Gatte seiner

Page 23: Die Religion des Islam - Reclam VerlagTrotz der wachsenden Vertrautheit mit der arabischen Geschichte und Sprache brachte das 16. und 17. Jahrhun-dert – z.T. unter dem Druck der

Die Ausbreitung des Islam 23

jüngsten Tochter Fa.tima, erhob sich mit zwei Gefährten:‘Othman wurde 656 bei der Lektüre des Koran, dessenendgültige Redaktion auf ihn zurückgeht, ermordet. SeinNachfolger wurde ‘Alı. Durch dessen Ermordung (661) warder Weg für Mu‘awiya und die omayyadische Dynastiefrei, die, mit Hauptsitz in Syrien, im Geiste altarabischenHerrentums herrschte und unter der die Eroberungen derAraber bis zum Atlantik (691), Byzanz, Südspanien (711),Transoxanien (711) und Sind (711) vorbrandeten.

Beim Regierungsantritt des zweiten omayyadischenHerrschers, Yazıd (680), versuchte der jüngere Sohn ‘Alıs,

.Husain, noch einmal, die Macht für sein Haus zu gewin-nen – war er doch der legitime Enkel des Propheten.

.Husain und die Seinen wurden bei Kerbela geschlagen –sein Todestag, der 10. Mu .harram (1. Monat des islamischenMondjahres), ist bis heute bei den Schiiten ein Passions-tag, der zahlreiche Dichter zu rührenden Klageliedern, be-sonders in Persisch und Urdu, bewegt hat. Es ist diesesPassionsmotiv, das die schiitische Frömmigkeit zutiefst ge-prägt hat, und viele der Ereignisse in Iran – wie in den letz-ten Jahren die leidenschaftliche Teilnahme so vieler amKrieg gegen die »Feinde des Glaubens« – können daraus er-klärt werden. Denn seit Jahrhunderten wurde in der Lite-ratur und Volksfrömmigkeit der Kampf .Husains gegen dieOmayyaden als Ausdruck der Sehnsucht nach Befreiungvon ungerechten Herrschern und, später, von Fremd-mächten empfunden.

In Mekka erhob sich ein Gegenkalif, ‘Abdullah ibn Zu-bair, der Sohn eines angesehenen Prophetengenossen. ImIrak, wo die Partei ‘Alıs, die Sı‘a, ohnehin am stärkstenwar, entwickelten sich unter dem Einfluss al-Mukhtars

Page 24: Die Religion des Islam - Reclam VerlagTrotz der wachsenden Vertrautheit mit der arabischen Geschichte und Sprache brachte das 16. und 17. Jahrhun-dert – z.T. unter dem Druck der

24 Die Ausbreitung des Islam

erstmals Lehren über die Wiederkunft eines jetzt in derVerborgenheit lebenden Nachkommens ‘Alıs. Dort spitztesich auch das Verhältnis zwischen den arabischen Erobe-rern und den Mawa lı, den zum Islam bekehrten und aneinen arabischen Stamm als Klienten angeschlossenenNichtarabern, zu; diese verlangten mit Recht die vom Is-lam zugesicherte Gleichheit aller Gläubigen.

Diese Strömungen ausnutzend, wuchs eine Bewegung,welche die Kalifenwürde für die Angehörigen der SippeMu .hammads forderte. Geschickt benutzten ihre Propa-gandisten die alidenfreundliche Stimmung, um schließ-lich den Nachkommen eines Oheims des Propheten, ‘Ab-bas, zum Herrscher auszurufen. Der letzte Omayyaden-spross floh nach Spanien, wo er 756 ein Reich gründete,das sich bald ausdehnte und die feinsten Blüten arabischerKultur in Dichtung und Kunst zeitigte. Das spanisch-omayyadische Reich, das seine höchste Blüte unter ‘AbdurRa .hman III., dem Erbauer der gewaltigen Moschee vonCordova, erreichte, bestand bis 1031. Von den in dieser Zeitentstehenden Kleinstaaten konnte sich einer, das Reichder Banu A .hmar in Granada, bis 1492 halten; das letzteWerk spanisch-arabischer Kunst ist die Alhambra.

Die abbasidischen Herrscher bemühten sich, den äuße-ren Anforderungen des Islam gerechter zu werden als ihreVorgänger. Das von ihnen beherrschte Reich war nunnicht mehr ein arabisches, sondern ein islamisches. Schondie Verlagerung der Hauptstadt von Damaskus nach Kufaund bald nach Bagdad (756) gab persischen EinflüssenRaum, und als die äußere Macht der Kalifen nachließ, wa-ren es türkische Söldner, die das Reich stützten undschließlich eigene Staaten errichteten. Seine Glanzzeit er-

Page 25: Die Religion des Islam - Reclam VerlagTrotz der wachsenden Vertrautheit mit der arabischen Geschichte und Sprache brachte das 16. und 17. Jahrhun-dert – z.T. unter dem Druck der

Die Ausbreitung des Islam 25

lebte Bagdad unter Harun ar-Rasıd (786–809), dem ausden Märchen von Tausendundeine Nacht wohlbekanntenHerrscher; unter seinem zweiten Sohn Ma’mun (813–833)beginnt die Zeit der Übersetzungen griechischer naturwis-senschaftlicher und philosophischer Werke, die einen un-geahnten Einfluss auf die Entwicklung der islamischenWissenschaften ausüben und später wiederum durch Ver-mittlung der Araber in bereicherter Form dem Westen zu-gänglich gemacht werden sollten. Aber schon bald mach-ten sich in den Randstaaten die Fürsten selbständig undließen sich nur noch offiziell vom Kalifen mit ihrem Ge-biet belehnen; 932 nannte sich Mu‘izz ad-daula, der Grün-der des persischen schiitischen Hauses der Buyiden, erst-malig Sul .tan.

In Ägypten ging 969 die Macht an die schiitischenFa.timiden über, die von Nordafrika eindrangen. Im äu-ßersten Osten dehnte Ma .hmud von Ghazna seine Feldzü-ge nach Nordwestindien aus; 1026 wurde Lahore zurHauptstadt des Ghaznawidenreiches im Subkontinent,und von hier aus entwickelte sich eine überaus reiche per-sische Literatur in Indien, deren Einfluss bis Bengalenreichte. Kurz zuvor hatte, vor allem dank dem persischenFürstenhaus der Samaniden in Khorassan, eine neue Blütedes Persischen als Literatursprache begonnen.

Währenddessen drangen türkische Gruppen nach Iranund dem Irak vor, und im Jahre 1055 übernahm der Seld-schuke Togrilbek die Vormundschaft über den schwachenAbbasidenkalifen. Damit war die Grundlage für eines derwichtigsten Staatengebilde im Nahen Osten gegeben: dasseldschukische Reich, das in Persien eine neue große Pe-riode der Kunst herbeiführte und dann (1071) den Weg