30
c METEOROLOGIE euchtigkeit Die Seele der Thermik VoN HENRY BLuM Thermik! Jeder Segelflieger kennt sie in vielfältigen Variationen: Stark und gleichmäßig, unrund oder zerrissen, als Blauthermik, als Blase oder als Hammerbart Mal wird mühsam "einer ausgegraben", mal über 4 m/s integriertes Steigen gejubelt, "in einem Nullschieber geparkt". Und doch fällt es vielen Piloten schwer, diese Variationen vorherzusagen oder gar schlüssig zu erklären. E in Bart kann am se lben Tag 2,5 m/s Steigen bringen, der chs te Aufwind aber nur "nen sc hlappen Meter". Es g ibt Wetterlagen, an denen "jede Wo lk e zieht", an anderen Tag en geht bei f ast gleicher Wetteroptik ni cht viel und der en ttäu schte Pilot tituli ert die Cum uli zu Recht als "Wassersäcke". Wa rum ist das so? Weit ergehende Fragen ste llt man sich m 80 65 50 35 20 ' 22 segelfliegen · 1 I 2013 se lt en: Wa rum ge ht die Thermik zur glei- chen Jahreszeit manchmal sc hon um og:oo Uhr los, am chsten Tag aber erst um 11 :oo Uhr? Warum kommt sie bei ansonst en glei- cher Sonneneinstrahlung gar nicht erst richtig in Ga ng? Wa rum sind die Wo lken- basen an einem Tag gleich hoch, obwohl darunter se hr unterschiedlich sta rk e Aufwi nde anzutreffen sind? Warum nehmen die Ste igwerte manchmal mit der ,0 Höhe zu? Warum hält Thermik an manchen Tagen bis So nnenuntergang, an anderen bricht sie schon am frühen Nachmittag zusammen? Warum ist Wolke nth ermik üblicherweise stärk er als Blauthermik? Gute Antworten auf diese Fragen findet man se lt en. Wenn überhaupt, dann werden Temps bemüht, um die Schichtung der Atmosphäre zu ergründen und man behil ft sich mit Modellen, die von labiler, indiffe- 1 ,0 1500 15 30

Die Seele der Thermik - SGBern · 2019. 7. 17. · Thermik, das unbe kannte Wesen! ln dieser und den folgenden Ausgaben von "segelfliegen" wird versucht, einige der zuvor aufgeworfenen

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Page 1: Die Seele der Thermik - SGBern · 2019. 7. 17. · Thermik, das unbe kannte Wesen! ln dieser und den folgenden Ausgaben von "segelfliegen" wird versucht, einige der zuvor aufgeworfenen

c

METEOROLOGIE

euchtigkeit Die Seele der Thermik

VoN HENRY BLuM

Thermik! Jeder Segelflieger kennt sie in vielfältigen Variationen : Stark und gleichmäßig, unrund oder

zerrissen, als Blauthermik, als Blase oder als Hammerbart Mal wird mühsam "einer ausgegraben", mal

über 4 m/s integriertes Steigen gejubelt, "in einem Nullschieber geparkt". Und doch fällt es vielen Piloten

schwer, diese Variationen vorherzusagen oder gar schlüssig zu erklären.

E in Bart kann am se lben Tag 2,5 m/s

Steigen bringen, der nächste

Aufwind aber nur "nen schlappen

Meter". Es gibt Wetterlagen, an

denen "jede Wolke zieht", an anderen Tagen

geht bei f ast gleicher Wetteroptik nicht viel

und der enttäuschte Pilot tituli ert die

Cum uli zu Recht als "Wassersäcke". Wa rum

ist das so?

Weit ergehende Fragen ste llt man sich

m 80

65

50

35

20

'

22 segelfliegen · 1 I 2013

se lten: Wa rum geht die Thermik zur glei ­

chen Jahreszeit manchmal schon um og:oo

Uhr los, am nächsten Tag aber erst um 11 :oo

Uhr? Warum kommt sie bei ansonst en glei ­

cher Sonneneinst rahlung gar nicht erst

richtig in Ga ng? Wa rum sind die Wolken­

basen an einem Tag g leich hoch, obwohl

darunter sehr unterschiedlich sta rke

Aufwi nde anzutreffen sind? Warum

nehmen die Ste igwerte manchmal mit der

,0

Höhe zu? Warum hält Thermik an manchen

Tagen bis Sonnenuntergang, an anderen

bricht sie schon am frühen Nachmittag

zusammen? Warum ist Wolkenthermik

üblicherweise st ärker als Blauthermik?

Gute Antworten auf diese Fragen find et

man se lten. Wenn überhaupt, dann werden

Temps bemüht, um die Schichtung der

Atmosphäre zu ergründen und man behi lft

sich mit Modellen, die von labi ler, indiffe-

1,0

1500 1530

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renter oder aber stabiler Schichtung spre­

chen. Labile Schichtung sol l für starke

Thermik, stab ile Schichtung für schwache

beziehungsweise schwächer werdende

Thermik verantwortlich sein; Kaltluftzufuhr

in der Höhe lässt lang anhaltende Thermik

erwarten und so weiter ... Erstaunlich, wie

wenig wir Segelflieger über diese Hinter­

gründe wissen, wenn man bedenkt, wie

abhängig unser Sport gerade von diesen

Aufwinden doch ist. Thermik, das unbe­

kannte Wesen!

ln dieser und den fo lgenden Ausgaben von

"sege lf liegen " w ird versucht, einige der

zuvor aufgeworfenen Fragen ausführlicher

zu beantworten. Dabei werden auch einige

weit verbreitete Vorstellungen über den

Haufen geworfen, die das landläufige Bi ld

von der Funktionsweise der Thermik nach

wie vor dominieren!

Thermik, das ist warme Luft - oder etwa

nicht?

METEOROLOGIE

Jeder Segelflieger weiß, dass die Sonne der

Motor unseres Wetters ist: Die Einstrahlung

erwärmt den Boden. Dieser wiederum gibt

die aufgenommene Energie an die Umge­

bungsluft ab, die sich dadurch ihrerseits

erwärmt. Hat sich ein genügend großes

Warmluftpolster gebildet, das wärmer ist

als die Umgebungsluft, dann kann es

aufsteigen und einen Thermikschlauch

ausbilden. M it ein bisschen Glück kann

dieser Bart ein Segelf lugzeug dann bis an

die Wolkenbasis tragen. Die gängige

Vorstellung dabei: Ein Luftpaket steigt wie

ein Heißluftballon, solange es wärmer ist

als seine Umgebung. Verliert es seinen

Temperaturvorsprung, erlischt der Auftrieb

und die Thermik hört auf.

Reisigfeuer sind hervorragende Auslöser fü r Thermik - dieses brachte ein Steigen von 2 mls

Wie stark erwärmt sich denn die Thermik­

Luft am Boden, bez iehungsweise um wie

viel wärmer ist sie norma lerweise als die

Luft in der unmittelba ren Umgebung? Ste llt

man diese Frage einer Reihe von Segelflie­

gern, erntet man bereits nachdenkliche

Blicke: "Hmm! Ich schätze mal. .. ", kommt oft als Antwort, und die genannten Werte vari-

ieren zwischen zwei bis 20 Grad, manchmal

sogar mehr!

Tatsäch lich liegen die Temperatu r-Diffe­

renzen in dieser Bandbreite, je nachdem, in

welcher Höhe man gemessen hat. Je näher

am Boden gemessen wird, desto größer

übrigens die Unterschiede. Selbst 30°C

direkt an der Oberfläche gemessen sind da

keine Seltenheit. Entscheidend ist nur die

Beschaffenheit der Oberf läche.

Die Luftschicht, die sich wie eine warme

Haut über dem Boden bildet, ist al lerdings

nur wenige Meter dick. ln etwa zeh n Metern

Höhe sind die gravierendsten hori zonta len

Temperatur-Unterschiede bereits weitge­

hend ausgegl ichen. Die maximale Ober­

grenze dieser sogenannten überadiaba­tischen Schicht liegt be i etwa 20 Metern

Abbildung 1: Oie Grafik zeigt einen Temperaturverlauf zwischen 13:00 Uhr und 15:30 Uhr bis 8o Meter Höhe. Oie überadiabatische Schicht wird durch eine ausgeprägte Sperrschicht in etwa 15 Metern Höhe, in der die horizontalen Temperaturgegensätze gering sind, begrenzt. Nur stärkere Thermikelemente (14:00 Uhr} können diese Grenzfläche durchstoßen. Betrachtet man den maximalen vertikalen Temperaturgradienten der untersten 15 Meter, dann ergibt sich ein ausgeprägt er überadiabatischer Temperaturgra dient von ca. 4 K pro 15 M et er oder hochgerechnet etwa 27 K pro 100 M eter. (Quelle: Walter Georgii: "Fiug meteorologie", 1956}

Höhe (siehe Abbildung 1). Darüber schwanken die Temperaturen nur

noch minimal, oft um wen iger als ein Grad.

Die maxima le Differenz in Abb ildung 1 zum

Beispiel beträgt nur noch 1,8T

Ablösung mit und ohne Hindernis

Wie und wann so ein überwärmtes Luft­

polster entstehen und "ausgelöst" werden

kann, darüber gibt es ja unzählige gute

Beschreibungen in der Literatur. Warmluft

entsteht zum Be isp iel an den der Sonne

zugewandten Hängen, spez iell wenn sie

windgeschützt im Lee liegen, oder über sich

rasch erwärmenden Flächen, wie dunklen,

fein geeggten Äckern. Entsprechende

Thermik-Auslöser können Waldkanten sein,

Absätze im Hang, Gewässergrenzen, ein

fahrender Mähdrescher, ein Kartoffelfeuer

oder einfach nur ein Reisigfeuer im Wald.

Der zugehörige Aufwi nd brachte übrigens

satte 2 m/s integri ert. Sie al le haben ihre

Berechtigung und sind erfa hrenen Pi loten

bestens bekannt (siehe sege lfliegen

04/2012). Wichtig ist in diesem Zusammen­

hang nur, dass eine Ablösung einer Ther­mikblase auch ohne Hindernis, einen Wald­

saum, eine Geländekante oder einen

Windenstart erfolgen kann.

segel fge' · 1 I 2013 23

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METEOROLOGIE

Höhe in Meter

1400

1200

1000

800

600

400

200

Abbildung 2 : Temperatur-Differenzen und Steigwerte in einem starken Aufwind (nach Carsten Lindemann, 1987)

1300 m

1000 m

Höhe über Grund in m

600 m

200m

Om

über-adiabatische Schicht am Boden, aus der die Thermik entsteht

0,3° c Temperatur-Differenz

Abbildung 3: Durchschnittliche Temperc;Jtur-Differenzen der mitteleuropäischen Thermik. Sehr große Temperatur-Unterschiede direkt am Boden werden rasch abgebaut

24 segelfliegen · 1 I 2013

Laut Walter Georgii genügt theoretisch eine

Überwärmung der bodennahen Schichten

mit einem Gradienten von 3.4oC pro 100

Meter gegenüber der darüber liegenden

Luft, um quasi zufällig Thermik erzeugen zu

können, da damit der Grenzwert des mecha­

nischen Gleichgewichts überschritten ist.

Dieser Gedanke wird wichtig, wenn wir uns

später mit Thermik bei Starkwind beschäf­

tigen. Starker Wind lässt keine isolierten Warm luftblasen am Boden mehr zu,

sondern die Thermik entsteht dann

"zufäll ig" aus einer turbulenten, über­

wärmten bodennahen Grenzschicht, die

durchaus mehrere hundert Meter hoch

gleichmäßig durchmischt se in kann.

Temperatur von Warmluftblasen in der

Höhe

Wenn also Thermik nichts anderes wäre als

eine Warm luftblase, die steigt, weil sie

wärmer ist als ihre Umgebung, dann

müssten sich Tem peratu runterschiede auch

in größerer Höhe nachweisen lassen. Dem

ist aber nicht so: ln etwa 200 Metern über

Grund sind se lbst große Temperatur-Diffe­

renzen im Durchschnitt auf weniger als

0,3°C geschrumpft. ln 6oo Metern Höhe

sind oft nur noch o,15°C messbar, ab einer

Höhe von etwa 1000 Metern über Grund

sind in derRegeltrotz starken Ste igens keine

nennenswerten Tem peratu r-U ntersch iede

der Thermik mehr nachweisbar!

Diese Erkenntnis geht auf Messflüge mit

einem Motorsegler zurück, die Carsten

Lindemann durchgeführt hat und die von

Detlef Müller und Christoph Kottmeier 1984 sehr aufschlussreich kommentiert wurden.

ln Abbildung 2 sind die Messwerte doku­

mentiert, die Lindemann 1977 in einer 1300

Meter hoch reichenden konvektiven Schicht

an einem sehr guten Thermiktag gemessen

hat. Sehr deutlich ist zu sehen, wie die Ther­

mikblasen in die Inversion eindringen

können, ohne dass eine Temperatur-Diffe­

renz vor I iegt. Die Tatsache, dass Temperatur-Unter­

schiede zwischen Thermik und Umgebung

selbst bei starken Bärten relativ gering

ausfallen, sind für die weitere Überlegung

so wichtig, dass in Abbi ldung 3 die Durch­

schnittswerte von Carsten Lindemanns

Messtlügen noch einmal dargestellt sind.

Trotz dieser geringen Temperatur-Diffe­

renzen haben wir an guten Tagen nicht nur

seh r gute Steigwerte Qe höher die Basis,

desto größerübrigens dasdurchschnittliche

Steigen), es kann sogar vorkommen, dass

die Steigwerte mit der Höhe sogar noch

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zunehmen. Woher kommt der Auftrieb, der

die Aufwinde weiter ste igen und sie noch

an Stärke gewinnen lässt, wenn sich in der

Thermik selbst gar keine Temperatur-Unter­

schiede mehr messen lassen?

Wasserdampf, die "Seele eines Aufwindes"

Die Antwort auf diese Fragen finden wir,

wenn wir die Feuchtigke it mit ins Kalkül

ziehen, denn abhängig von der Temperatur

kann Luft unterschied lich viel Wasserdampf

speichern. Bei niedrigen Temperaturen nur

wenige Gramm pro Kub ikmeter, be i hohen

Temperaturen wesentlich mehr. Die "Re la­tive Feuchte" bezeichnet desha lb das

Verhältnis von tatsächlich vorha ndenem

Wasserdampf zum maximal möglichen

Dampfgehalt der Luft bei einer best immten

Temperatur.

Aufsteigende Thermik-Luft kühlt sich immer

um etwa 1°( pro 100 Meter ab. Meteoro­

logen bezeichnen das auch als trockenad ia­

batische Temperatur-Änderung. Ist die

Temperatur soweit abgesunken, dass

Kondensation des mitgebrachten Wasser­

dampfs eintritt, bildet sich die Untergrenze

der Wolken aus. Per Definition erreicht also

die relative Feuchte des Aufwindes an der

Basis exakt den Wert von 100 Prozent.

Je weiter weg wir noch von der Wolke sind,

desto geringer ist die relative Feuchte im

Aufwind. Direkt unterha lb der Basis sind es

noch 99 Prozent und etwas weite r weg nur

noch 90 Prozent. ln Bodennähe dagegen

können es auch Werte von nur 45 Prozent

sein. Das heißt aber auch, dass die soge­

nannte relative Feuchte im Bart kontinuier­

lich vom Boden bis zur Basis hin zunimmt,

bis dieser Wasserdampf schließlich in einer

Wolke kondensiert (siehe Abbildu ng 4).

Natü rlich enthält auch die Umgebungsluft unseres Bartes ei n gewisses Maß an Wasser­

dampf, der als relative Feuchte gemessen

werden kann. Je we iter oben, desto mehr,

denn die Umgebungsluft wird durch die

Auflösung bez iehungsweise Verdunstung

der Wolken selbst mit Wasserdampf ange­

reichert.

Doch beim Aufstieg eines Bartes geht von

der Menge an Feuchtigkeit, die anfängl ich

in Bodennähe vorhandenen war, nur sehr

wenig verloren. Denn anders als die Tempe­

ratur-Unterschiede im Aufwind, die sich

sehr schnel l angleichen, wä re für einen

Ausg leich der Feuchted ifferenzen ein

Massetransport von Wasserdampf in die

Umgebung erforderlich. Dieser Ausgleich

findet, wie beim Verdunsten einer Wolke

auch, nur an den Rändern des Thermik-

1300 m

1000 m

600 m

200m

METEOROLOGIE

~

55% Rel. Feuchte der Umge­bungsluft

10% 20% Re I. Feuchte Differenz· Aufwind vs. Umgebung

Abbildung 4: Zunahme der Feuchte-Untersch iede zwischen Umgebungsluft und Aufwind bis hin zur Basis

Aufwind-Durchmesser: 500m

Luftvolumen: 27 4.907.500 m•

0,9 gr Oichte-Unterschied/m 3

~ Ges . Auftrieb: 123,6 to

Abbildung 5: Einfluss der Feuchtigkeit auf die Thermik ohne Berücksichtigung von zusätzlich vorhandenen Temperatur-Unterschieden. Beispiel-Rechnung mit realen Annahmen: Am Boden sind keine Dichte-Unterschiede vorhanden; sie steigen aber von Null auf die oben eingezeichneten 0,9 gr! m3 in 1400 Metern GND an. Das ergibt einen Feuchte bedingten Auftriebsanteil von 123, 6 Tonnen

segel fl•ege• · 1 I 2013 25

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METEOROLOGIE

schlauchsstatt-also dort, wo im Aufwi nd

oft weitere Luft aus der Umgebung mit

angesaugt wird. Die abso lute (tatsäch liche

Menge) Feuchte im Bart bleibt also im Kern

von unten bis oben hin weitgehend erhalten.

Sie bi ldet sozusagen die "Seele des

Aufwinds" und wird amEndein Form einer

wunderschönen Quellwolke sichtbar.

Nun ist aber feuchte Luft leichter als

trockene Luft - genauer gesagt, je mehr

Feuchtigkeit als (unsichtbarer) Wasser­

dampf in einem Luftpaket gespeichert ist,

desto geringer ist seine physikal ische Dichte.

Es verhä lt sich w ie ein Stück Holz oder Kork

unter Wasser und drä ngt nach oben. Und je

feuchter so ein Luftpaket im Verg leich zu seiner Umgebung ist, desto höher ist auch

sein Auftrieb.

ln Abbildung 5 ist ein rea les Beispiel

gerechnet mit ident ischen Ausgangs-Bed in-

gungen der .. Relativen Feuchte" am Boden

und gleichen Temperaturen beim Erreichen der Basis (hier 6oC). Eventuel le Temperatur­

Untersch iede am Boden, die nötig sind, um

die The rmik auszulösen, wurden für diese

Berechnung bewusst außen vor gelassen.

Ergebnis: Allein der durch die Feuchte­

Unterschiede bedingte Auftr ieb des

Aufwindes an der Walken -Untergrenze

entspricht fast einem Gramm pro Kubik­

meter Luft (o,g g/m3). Das klingt nach sehr

wen ig, aber umgerechnet auf den gesamten

Sch lauch entspricht das etwa 123 Tonnen

Auftri eb! Um den gleichen Gewichts unter­

schied von (o,g g/m3) Luft zu erzeugen,

müsste die Temperatur des Aufwindes an

der Basis um etwa o,]"C erhöht sein. Das ist

aber nu r in Bodennähe der Fall. Bereits in

200 Metern Höhe lassen sich, wie zu Beginn

erwähnt im Durchschnitt Mitteleuropas

nur noch Temperatur-Differenzen von etwa

0,3°C messen. Es ist also die Feuchtigkeit,

die das Fliegen in der .. Thermik" zumindest

in größerer Höhe erst möglich macht- eine

für vie le Segelflieger überraschende

Erkenntnis, mit der sich manche nur seh r

schwer anfreunden können.

Noch deutlicher kann man die Gewichts­

Untersch iede indirekt an der sogenannten

,.Virtuellen Temperatur" ablesen, einem

Begriff aus der Meteorologie, der speziell

geschaffen wurde, um diesen Tatbestand

zu verdeut lichen. Die Definition der virtu ­

ellen Temperatur gemäß der Wetter­

Website www.top-wetter.de lautet: ,.Die

virtuel le Temperatur ist diejenige höhere

Temperatur, die trockene Luft haben

müsste, um dieselbe geringere Dichte zu

haben wie feuchte Luft bei gleichem Druck.

Es handelt sich also um ein fiktives Tempe-

Feuchte Luft ist leichter als trockene ... !

Formel für die Luftdichte

D Luft feucht = D Luft trocken

(1 + x)

(1 + 1.609 X) wobei D Luft feucht = Dichte der feuchten Luft bei einem spezifischen Mischungsverhältnis X ist. - D Luft trocken ist die Dichte trockener I 11ft

Rel. Feuchte

Feuchtere Luft 100%

n 50%

Trockenere Luft 10%

Die virtuelle Temperatur ist diejenige höhere Temperatur, die t rockene Luft haben müsste, um dieselbe geringere Dichte zu haben w ie feuchte Luft bei gleichem Druck

26 segel e e · 1 I 2013

0,62

0,31

0,06

0

Das Mischungsverhältn is X g ibt die Menge an Wasserdampf in kg pro kg trockener Luft an.

Kein Wasserdampf bedeutet X=O Ergebnis: D feucht = D trocken

Steigender Wasserdampfgehalt lässt den Nenner stärker wachsen als den Zähler Ergebnis: D feucht < D trocken

Virtuelle Temperatur in oc

5,9 11 ,3 16 ,83 22,55

5,45 10 ,65 15 ,92 21 ,29

5,09 10 ,13 15 ,18 20 ,26

Luft-Temperatur in oc (trocken)

5 10 15 20

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raturmaß, das dem Umstand Rechnung

trägt, dass der in Luft enthaltene Wasser­

dampfeine geringere Dichte hat als trockene

Luft (nul l Prozent relative Feuchte!). Da der

Wasserdampf die trockene Luft bei glei­

chem Druck nur ersetzt, ist das Gemisch aus

trockener Luft und Wasserdampf etwas weniger dicht." (Siehe Formel li nks)

Die "Relative Feuchte" beeinflusst das Steigen Dam it haben wi r ei nen ersten Schlüssel

zum Verständn is der Thermik: Sie bez ieht

ihre Auftriebsenergie nur auf den ersten

paar hundert Metern aus dem Temperatur­

Unterschied, den ihr die Sonne mitgegeben

hat. Mit steigender Höhe übernimmt die

zunehmende "Relative Feuchte" mehr und

mehr die ursprüngliche Rolle der Warmluft

und sorgt so für den notwendigen Auftrieb

(siehe Abbi ldung 6). Entscheidend für das

weite re Steigen ist der Feuchte- und dam it

Dichte-Unt erschied zwischen Thermik und

Umgebungsluft, nicht etwa Unterschiede in

der Temperatur zwischen Thermik und

Umgebung!

Die Grafik oben rechts gilt als Erklärungs­

modell , ist aber so w ie dargestellt nur für

Thermik im Flach land gültig. Im Hochge­

birge sind die Verhältnisse noch etwas

komp lexer: Sie beruhen zwar auf den glei­

chen Grundprinz ipien, aber im alpi nen

Raum wird die Aufwinderzeugu ng durch

weitere Faktoren beei nf lusst. Diese werden

1300 m

1000 m

600 m

200m

METEOROLOGIE

Auftriebs­Verteilung

10% 20% el. Feuchte Differenz Steigwerte in rn/sec (geschätzt)

Abbildung 6: Temperatur- und Feuchte-Unterschiede im Bart erzeugen gemeinsam den Auftrieb. Der Einfluss der Temperatur nimmt allerdings mit der Höhe ab, der Einfluss der Feuchte dagegen zu

in den Folgeartikeln erklärt.

Als w icht igste Erkenntnis ha lten w ir f est:

Feuchte- und damit Dichte-Unt erschiede

zwischen Aufw ind und Umgebung beei n-

flussen das Ste igen im Bart sign ifikant. Mit

dieser Eins icht lassen sich später viele

we itere, j edem Segelf lieger bekannte

Phä nomene schl üss ig erklären.

Keine Kompromisse!

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segel gen · 1 I 201 3 27

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METEOROLOGIE

Der Bart, das unbekannte Wesen

V oN H ENRY B LuM

FOTOS: D AVID K UJAWA, PAUL H ASENFRATZ

Aufwinde haben nicht nur die unterschiedlichsten Eigenschaften, sondern auch die Angewohnheit, den

Piloten bisweilen zu verwirren . Ein Blick ins Innere der Thermik kann dabei helfen, das Verhalten eines

Bartes besser zu verstehen .

I n der Januar-Ausgabe haben wir uns

ausführl ich mit dem Einfluss der Feuch­

t igkeitaufdie Therm ik befasst. Ergebn is:

Ein Aufw ind bezieht se inen Auftrieb

28 segel egen · 2 I 2013

aus der ei ngestrah lten Sonnenenergie, die zunächst die bodennahen Luftschichten

erwä rmt. Neu war dabei die Eins icht, dass

der anfäng liche Temperatur-Vorspru ng

einer Warm luftblase mit der Höhe allmäh­

lich verschwindet und die zunehmende

relative Feuchte im Bart eine "tragende Ro lle" übern immt.

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Was bringt diese Erkenntnis für die segel ­

fliegerische Praxis? Ein Beispiel: ln vielen

Lehrbüchern wird anschaulich beschrieben,

dass die Sonne die Häuser einer Stadt sehr

rasch erwärmt und deshalb über ihren

Dächern schnell Thermik entstehen kann.

Dunkle Wälder dagegen schlucken (angeb­

lich) viel Energie und geben sie, wenn über­

haupt, erst viele Stunden später wieder ab.

Tatsächlich sind die Temperaturen in der

Stadt deutlich höher als außerhalb und

Wälder bleiben lange kalt- doch ein Segel­

fl ieger, der seine Strategie an dieser Theorie

ausrichtet und entsprechend nach Auf­

winden sucht, kommt leider nicht sehr weit.

Das genaue Gegenteil dagegen funktioniert

prächtig: Gutes Steigen zum Beispiel findet

man bevorzugt in mit Wald durchsetzten

Gebieten, etwa den waldreichen Mittelge­

birgen.

Mit Wald durchsetzte Gebiete sind gute

Aufwindspender

Offenbar wirken die Waldkanten nicht nur

als gute Auslöser, sie injizieren in die lokal

entstehenden Warmluftblasen auch etwas

Seen dienen der Thermik als Feuchtig­keits-Spender, welche eine wichtige Rolle bei der Thermik-Bildung spielt

Feuchtigkeit und helfen der Thermik so auf

die Sprünge. Sorag Wasserflächen, die se lbst

keine Warmluft erzeugen können,

entpuppen sich als Thermik-Assistenten,

wenn erwärmte Blasen darüber hinweg

streichen und geringe Mengen an Feuchtig­

keit aufnehmen, bevor sie aus lösen.

Einige der besten Aufwindquellen in

meinem Fluggebiet sind ausgerechnet die

Baggerseen südlich von Donaueschingen

oder die Neckarquelle, ein mooriges Feucht­

gebiet bei Schwenningen. Von den Teilneh ­

mern des Klippeneck-Segelflu gwettbewerbs

wird der Kirnbergsee bei Bräunlingen bevor­

zugt als Sprungbrett für den Einflug in den thermisch hoch aktiven Schwarzwald

genutzt. Und wenn wir die Alb "hoch"jagen,

werden die großen Waldstücke bei Aalen

nie ausgelassen. Offenbar spielt Wasser­

dampf sogar bei der Thermik-Bildung in

Bodennähe eine wichtige Rolle.

Im Laufe dieser Artikelreihe werden wir

noch einige weitere interessante Einsichten

in die Rolle der Feucht igkeit kennen lernen.

Aber bevor wir soweit sind, müssen wir noch

eine weit verbreitete, aber falsche Modell­

vorstellung ausräumen.

Stabile vs. labile Schichtung

Stabile beziehungsweise labile Schich­

tungen der Atmosphäre sind ein elemen -

METEOROLOGIE

tarer Teil der Meteorologie und werden in

wissenschaftlichen Büchern über Wetter­

kunde ausführlich beschrieben. Es gibt auch

genügend Anwendungsfäl le, in denen

dieses Modell sinnvoll zum Einsatz kommt.

Angeblich wird auch die Thermikstärke

durch die stabile beziehungsweise labile

Schichtung der Atmosphäre bestimmt -

doch leider ist das ein geradezu historischer

Fehlschluss, der das Verständnis der wirk­

lichen Hintergründe Jahrzehnte lang

blockiert hat!

Ausgangspunkt dieser (feh lerhaften) Argu ­

mentation ist die unbestrittene Tatsache,

dassein aufsteigendes Luftpaket sich immer mit etwa 1°( pro 100 Meter Höhe abkühlt.

Die Umgebungsluft dagegen kann, wie man

in einem Temp sehen kann, sehr unter­

schiedl iche Temperaturverläufe haben.

Wenn die Temperatur-Abnahme der Umge­

bungsluft mit der Höhe größer als 1°C pro

100 Meter ist, redet man von labiler, bei

weniger als 1°C pro 100 Meter von stabile r

Schichtung. Man glaubt jetzt, eine Thermik­

blase steige so lang auf, wie sie wärmer

bleibt als ihre Umgebung. Bei einer labilen

Schichtung würde der Temperatur­

Vorsprung erhalten bleiben oder sogar noch

zunehmen und damit stärkere Thermik

hervorbringen. Bei stabiler Schichtung

würde die Thermikstärke entsprechend

Von Nord nach Süd , Ost nach West oder in die Nachbarländer.

Motorflugkarten im Überblick: - ICAO-Karte 1:500.000 Deutschland - ICAO-Karte 1:250.000 Rhein-Ruhr - Visual 500 Austria , Switzerland, France NE,

Belgium, Netherlands, Denmark, Poland NW + W und Czech Republic

Segelflugkarten im Überblick: - ICAO-Segelflugkarte 1:500.000 Deutschland - ICAO-Segelflugkarte 1:250.000 Rhein-Ruhr - Visual 500 Glider Austria

segeltliegen · 2 I 2013 29

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METEOROLOGIE

Ausbildung der konvektiven Schicht

8.00 9.15 10 .00 11 .00

Höhe

·5f I I I I or I I I I 0f O?C

5.30 MEZ 8.00 9.1 5

13 .00

O?C O?C

10 .00 11 .00

O?C

13.00

Cum uluswolken Schicht

Adiabatische Schicht

Überadiabatische Schicht

Abbildung 1: Änderung des Temperaturverlaufs in den untersten 2000 Metern der Atmosphäre am 26.04.74 in Meppen von 05:30 bis 13:00 Uhr. (Daten aus Beyer, Roth, 1977- gefunden bei Müller, Kottmeier, 1984}

abnehmen.

Diese Model lvorste llung hat nicht nur

Eingang in diverse Lehrbücher gefunden.

Sie wurde immer wieder kritiklos abge­

schrieben und ist bis heute ein fester

Bestandteil jeder Theorie über die Stärke

von Aufwinden. Nur, so einleuchtend die

Argumentation auch klingen mag, sie hält

der Realität leider nicht stand.

Messungen in derfreien Atmosphäre haben

gezeigt, dass jeder Temperaturverlauf, der

beispielsweise perRadiosondewährend der

Nacht gemessen wurde, nach demEinsetzen

der Thermik bis hin zur ,.Basis" in einen

Gradient (= Änderungsrate) von nahezu 1

umgewandelt wird, also eine gleichmäßige

Temperaturabnahme von 1°C pro 100 Meter.

Das ist nicht weiter verwunderlich: Die

Thermik durchmischt die Konvektions­

schicht, Thermik steigt auf und Umge­

bungsluft sinkt ab. Beide kühlen bezie­

hungsweise erwärmen sich be im Auf- und

Abstieg um ziem lich genau 1°( pro 100

Meter und geben diese Temperaturverhält­

nisse an die Umgebung weiter. Meteoro­

logen sprechen deshalb auch von einem

adiabatischem Gradienten

kung in 8oo Metern über Grund bei einem

adiabat ischen Temperaturverlauf Eine

Stunde später war die Basis bereits auf 1100

Meter angestiegen und erreichte gegen 12

Uhr Sommerzeit schon 1500 Meter über

Grund.

Nur die unterste, bodennahe Luftschicht ist

wirklich (trocken) labil im besten Sinne des

Wortes - ansonsten gibt es an Thermik­

tagen keine stabilen und auch keine labilen

Schichtungen unterhalb der Wolkenbasis!

So lange die Konvektion aufrecht erhalten

bleibt, haben wir unterhalb des Konvek­

tions-Kondensationsniveaus immer eine

indifferente Schichtung der Umgebungs­luft, also eine adiabatische Schicht mit

einem Gradient von nahezu 1 vorliegen. Nur

der weitere Anstieg der Luft innerhalb der

Wolke selbst erfo lgt unter "feucht-labilen"

Bedingungen. Damit haben wir ein weiteres

Detail, das indirekt bestätigt, dass in

größerer Höhe keine Temperatur-Diffe­

renzen zwischen Thermik und Umgebung mehr existieren.

Die Beweislogik: Ein Thermikschlauch, der

sich ja immer adiabatisch, also um 1°( pro

100 Meter abkühlt, würde bei seinem

Aufstieg auch einen etwaigen Temperatur­

Vorsprung vor der Umgebungsluft bi s zur Basis beibehalten können, wenn es ihn denn

gäbe! Doch das lässt sich, wie erwähnt,

weder messtechnisch nachweisen noch in

der Praxis beobachten: Unterschiedlich

warme Thermikblasen würden sonst sehr

unterschiedliche Wolkenuntergrenzen ihrer

zugehörigen Quellwolken erzeugen . Schon

o,s°C Differenz in der Aufwindtemperatur

zwe ier benachbarter Bärte würden für

mindestens 6o Meter Basis-Unterschied

Abbildung 1 illustriert das eindrücklich. Die

Daten stammen aus der Veröffentlichung

von Detlef Müller und Christoph Kortmeier

{Meteoro logische Aspekte des Streckense­

gelf lugs, 1984) und ze igen die Entwick lung an einem sehr guten Thermiktag im April.

Während früh morgens noch Bodenfrost

herrschte, gab es bereits um 10:oo Uhr MEZ

(og:oo Uhr Sommerzeit) 1/8 Quel lbewöl-

Abbildung 2: Unterschiedliche Steiggeschwindigkeiten sind abhängig von der Größe der Blasen- egal ob im Bier oder in der Konvektionsschicht

30 segel ege · 2 I 2013

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ausreichen!

Das Gegenteil ist bekanntermaßen der Fall.

An guten Tagen entsteht über größere

Entfernungen hinweg eine einheit liche

Basishöhe, die höchstens dem Geländeprofil

entsprechend variiert und dann mit stei­

gender Temperatur im Tagesgang ebenfalls

ansteigen kann. Eventuelle Temperatur­

Unterschiede der einzelnen Thermikblasen

gegenüber der Umgebungsluft gleichen

sich al so sehr schnell aus, unter anderem

auch durch die ständige Zumischung von

Umgebungsluft, die den Schlauch mit der

Höhe beispielsweise dicker werden lässt.

Auch die Relative Feuchte beziehungsweise

das Mischungsverhältnis (der durchschnitt­

li che Wasserdampfgehalt} der bodennahen

Luftschichten muss sich wohl allmählich

angleichen, sonst würden hier unterschied­

liche Werte in einzelnen Bärten ebenfalls

deutlich unterschiedliche Wolkenunter-

METEOROLOGIE

Unterschiedliche Aufwindstärken sind u.a.

abhängig vom Thermik-Durchmesser

.... ----­,, ....... ,,' .... ---... ',,

,, ,;' "'''\\ \ 1 I \

I

nig un g

grenzen erzeugen. Abbildung 3: Die Aufwindstärke hängt von der Größe der Blase ab Wenn wir in der fliegerischen Praxis mit

stark gestuften Walken -Untergrenzen

konfrontiert werden, die nicht direkt mit

dem Geländeverlauf zusammen hängen,

haben wir es meistens mit unterschied­

lichen Luftmassen zu tun. Sehr gut lässt sich

da s zum Beispiel in den Alpen beobachten, wo oft warme feuchte Luft aus der Po-Ebene

mit kälterer trockener Luft aus Norden

zusammen trifft. Die Steigwerte in der

warmen Luft sind dann deutliche schwä­

cher als in der kalten.

Entscheidend für die Güte der Konvektion

ist primär die großräumige Zusammenset­

zung der Luftmasse, also ihre Temperatur

und ihr allgemeiner Wasserdampfgehalt,

und nicht so sehr die kleinräumigen,

Thermik erzeugenden Verhältnisse am

Boden. Mit kleinräumig sind hier Unter­

schiede im soo Meter-Abstand gemeint. Es gibt sehr wohl Unterschiede in der Thermik­

qua lität einzelner Landstriche: Die Schwä­

bische Alb .. geht" besser als die Baar, der

Schwarzwald besser als der Kra ichgau. Und

es gibt Tage. an denen das Donautal mit

seinen feuchten Auen eher Wolken produ­

ziert als das Alpenvorland. Nur bei richtig

guten Hammerwetterlagen verwischen

diese Unterschiede.

Zusammenfassend kann man festha lten:

Unterschiedliche Steigwerte zwischen

benachbarten Aufwinden lassen sich nicht

mit Temperatur- oder Feuchte-Differenzen

untereinander erklären! Woher kommen

dann die unterschiedlichen Steigwerte, die

an ein- und demselben Thermik-Tag anzu­treffen sind?

Stark oder schwach? Die Steigwerte im Aufwind Nehmen Sie ein hohes Glas Bier (zum

Beispiel Weizen) oder ein Glas Sekt in die Hand und beobachten Sie die darin aufstei­

gende Kohlensäure (Abbildung 2). Das

Kohlendioxid bildet kleine und große Bläs­

chen, die ihrerseits in einer Kette aufgereiht

nach oben perlen. Die großen Bläschen

steigen dabei wesentlich rascher als die

kleinen oder feinen . Sie können das Experi­

ment sogar erweitern und ein paar Salz­

körner oder Ähnliches ins Glas werfen. Sie

werden dort zu Boden sinken und dort als

eindeutig definierter .. Auslöser" zuverlässig

ihre eigenen Bläschen erzeugen.

Verantwortlich für die unterschiedlichen

Steiggeschwindigkeiten ist der unterschied­

liche Strömungswiderstand, den die Flüs­

sigkeit den verschiedenen Bläschen entge­

gensetzt. Oder anders herum: Der

resultierende .. Auftrieb" der großen Blasen

ist deutlich höher als der der kleinen und

deshalb steigen sie schneller. Sehr gut zu

sehen ist. wie eine kleine Blase bei ihrem

Aufstieg im Glas zunehmend Kohlendioxid

aus der Umgebungsflüssigkeit aufnimmt

und beim Aufstieg tendenz iell größer w ird.

Je größer sie wird, desto sch neller perlt sie

weiter nach oben.

Mit der Thermik verhält es sich ähnlich.

Abbildung 3 zeigt zwei Thermikblasen mit

unterschiedlichen Durchmessern, aber ansonsten identischen Temperatur- und

Feuchtebedingungen. Die beschleunigende

Kraft, mit der ein Bart nach oben drängt, ist

abhängig von zwei Faktoren: dem Dichte­

Unterschied bedingten Auftrieb der Ther­

mikblase und dem Strömungswiderstand,

den ihm die Umgebungsluftentgegen setzt.

Der Auftrieb nimmt mit dem Radius in

dritter Potenz zu, der Widersta nd dagegen

wächst mit dem Radius nur im Quadrat.

Ergebnis: Die Blase mit dem so Prozent

größeren Durchmesser (d = 300 Meter statt

200 Meter) erfährt eine beschleunigende

Kraft, die mehr als doppelt so groß ist wie

die der kleineren - und das, obwohl ihre

.,inneren Werte" identisch sind! Sie muss

zwar auch eine größere Masse in Bewegung

setzen, aber wenn der Bart ausgelöst ist, reicht weniger .. Auftr ieb", um ihn in Bewe­

gung zu ha lten. Je größer und umfang­reicher also der Aufwind, desto stärker kann

er unter sonst gleichen Umgebungsbedin­

gungen sein. Kleine Unterschiede im Durch­

messer machen sich dabei schon deutlich

bemerkbar. Je größer oder beständiger das

Warmluft-Reservoir ist, das den Aufwind

speist, desto stärker kann auch der Thermik­

schlauch werden.

Bitte beachten: Wir reden hier nur über

unterschied lich starke Bärte an ein- und

demselben Tag und unter sonst identischen

Einstrahlungs-Bedingungen. Natürlich gibt

es Tage, da .. geht's mit bis zu 5 m/s", an

anderen dagegen muss man schon über 1,5 m/ s froh sein. Über die Hintergründe für

segelnie · 2 I 2013 31

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METEOROLOGIE

Zusammenwachsen einzelner Blasen bzw. Bärte

erzeugt einen stärkeren Aufwind

Abbildung 4: Zusammenwachsen von Thermikblasen

Typische Erfahrung eines Piloten

@ © ' ' '

~

Sattes , gleichmäßiges starkes Steigen

Leicht unrundes mittleres Steigen

Schlecht zentrierbares mäßiges Steigen

Schwaches , zerrissenes Steigen

Abbildung 5: Die unterschiedliche Aufwind-Charakteristik ist abhängig von der Höhe

32 segelfliege · 2 I 2013

diese Schwankungsbreiten reden wir in der

kommenden Ausgabe von sege lfliegen .

Warum werden Bärte mit der Höhe

manchmal stärker?

Dafür gibt es gleich mehrere Ursachen -

eine davon nehmen wir nun genauerunter

die Lupe: Aufwinde nehmen bei ihrem

Aufstieg ständig we iter Umgebungsluft

auf, die den Umfang beziehungsweise

Durchmesser des Thermikschlauchs mit der

Höhe wachsen lassen können. Mit zuneh­

mender Größe des Bartes wird der Strö­

mungswiderstand geringer und, wie im

vorhergehenden Absat z beschrieben, die

Ste igwerte nehmen zu.

Ein ähnl icher Effekt entsteht zum Be ispiel

auch durch das Zusammenwachsen

mehrerer Aufwinde zu einem größeren

(siehe Abbildung 4). Auch da gilt: Der

Auftrieb nimmt mit der Größe zu.

Praxistipp: Spezie ll bei warmen Luftmassen

und relativ hohen Wolkenbasen kann es

vorkommen, dass die Steigwerte von unten

her schwächer und eventue ll durch Wind

auch noch zerrissen sind. Für die Piloten

ergibt das unter solchen Umständen ein

sehr unterschiedliches Bild der Thermik,

abhängig davon, in welcher Höhe sie kurbeln

(Abbildung 5).

Bei der Weltmeisterschaft in Uvalde!Texas

gab es solche Bedingungen mehrfach: Die

typische "Texas-Thermik" bestand aus

schnellen, aber sehr engen Blasen mit

starkem Steigen, die erst mit der Höhe

besser zentrierbar wurden. Nick Bonniere

und David Springford vom Team Canada

und Peter Harvey(Großbritannien) berichten

ausführlich überihre Schwierigkeiten damit.

Harvey, am Ende Fünfter in der Gesamtwer­

tung der Offenen Klasse, hat seine Erfah­

rungen unter http:/ /www.lange-aviation .

com / htm / engl ish / news/ news _ 2012 _ 11_ 16.

html anschaulich beschrieben:

"Sechster Wertungstag auf dem Weg nach

Norden: Ich hatte nur wenig Außen lande­

Optionenund die Bärte waren zerr issen. Ich

war gezwungen, schwaches Steigen am

unteren Ende eines Pulks mit etwa 20

Seglern anzunehmen . Interessanterweise

waren die kreisenden Flieger über eine

größere Fläche verte ilt und nicht eng um

einen Aufwindkern herum zentr iert. Es

schien keinen starken Bart zu geben, nur

zerrissenes Steigen, obwohl die Wo lken sehr

gut aussahen. Das blieb auch so, als ich in

niedriger Höhe vorflog, unfähig einen

starken Aufwind zu finden, mit dem ich in

die bessere obere Luftmasse hätte klettern

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kön nen. Als w ir uns der nordwestlichen

Wende näherten, sah ich Michael {Somme r)

und Tassilo (Bode). Sie wa ren erstau nlich

hoch und schnell unterwegs. Als ich tief und

langsam {in die Wendezone) einfl og, wa ren

sie schon weit voraus. Manche Tage si nd

halt so!

Als ich mich über das Hügelland vorarbei­

tete, blieben die Aufwinde schwach und ich

war völl ig frustriert, obwohl ich mich mit

acht anderen Offene-K lasse-Pi loten in guter

Gesellschaft befand. Zwei kleine Blasen

weiter und ich hab' wieder einen Bart

verpasst, was mich noch we iter zu rü ck

fallen ließ. Das Fass zum Überlaufen

brachten drei gute Wolken hintereinander,

die kein Steigen brachten. Alle anderen

verschwanden vora us aus meinem Sicht­

feld. Nichts funktioniert mehr!

AAAHHHHHHH H! Auch solche Tage gibt's!

Ich gab auf, setzte mich noch mal zurecht,

trank etwas, bewunderte die Landschaft

und fragte mich, was wohllos wa r: Also, die

Wolken bringen nichts. Was ist die Lösung?

Na klar, flieg' ins Blaue! Eigentlich dumm,

aber wenn nichts mehr geht, versuch ' mal

was anderes. Ei ne Minute später f inde ich

einen 4,5-Meter-Bart. Schon besser! Zehn

Minuten später wieder vier Meter. Dann ein

fantast ischer Laufvon 120 Ki lomet ern unter

einer sich entwicke lnden Wolkenstraße

Richtung östl icher Wende. Die anderen

hatten sie verpasst, da sie auf die nächsten

Wolken und die zunehmende Überentwick­

lung zugeflogen waren . -Ich war wieder im

METEORCLOG I E

Mit der Höhe nimmt das Steigen oft zu und die Bärte werden "runder"

Geschäft !"

Nicht immer gin g es so glim pfli ch aus, wie

von Peter Harvey beschrieben. Wer in der

Hoffnung auf einen Hammerbart zu t ief

herunter flog, musste unter Umständen

schwaches Ste igen annehmen, um über­

haupt wieder Anschl uss zu bekommen. Für

einige Weltk lasse-P iloten war das sogar

wettbewerbsentscheidend!

Weite re Effekte, die die Ste igwerte beein­

flussen können und unter anderem durch

die Wolken selbst bestimmt werden, lernen

w ir in den nächsten Ausgabe n von segel­

fliegen kennen.

zwei Ausführungen: 5.5 und 4.3 Zoll

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segelfliegen · 2 I 2013 33

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METEOROLOGIE

Luftmassen und ihr Einfluss auf die Thermik

VoN HENRY BwM

Die Luftmasse hat einen größeren Einfluss auf die Thermik und ihre

Stärker als man vielleicht vermuten würde. Die Feuchtigkeit und

Strahlungsbilanz sind dabei von entscheidender Bedeutung.

Luftmassen haben offens1chtl1ch

großen Emfluss auf die Thermik: Es

g1bt Ta ge, da entstehen die ersten

Barte schon sehrfruh und die Thermik

hält sich bis Sonnenuntergang. Auch das

Ste igen ist an solchen Tagen besser als

sonst! - Ein anderes Mal geht die Thermik

spät los und hört schon früh wieder auf,

obwohl die Sonne höher am Horizont steht.

Im Sommer zum Beispiel. Trotzdem ist die

statistische Häufung der guten Wetter­

lagen Richtung Frühjahr verschoben. -

Woran genau liegt das? -Auch hier spie lt

die Feuchtigkeit bei den Antworten eine

Sch lü sselro lle (wie schon in den ersten

beiden Art ikeln in sege lfliegen im Januar

und März 2013 beschrieben).

Um auf die Frage im Detail einzugehen,

26 segelfllejen · 3 I 2013

kehren wir wieder zum Ursprung der

Thermik, der Bildung von Warmluft am

Boden zu rü ck. Denn die Antwort ergibt sich

aus der Strahlungs-Bi lanz, d.h. der einge­

strahlten Sonnen-Energie und wie sie an der

Erdoberfläche umgesetzt w ird .

Strahlungsbilanz

Wie in Bild 1 dargestellt. wird ein Teil im

Bodenwärmestrom abgeführt, ein Teil geht

durch Rückstrahlung .,verloren", ein Teil

wird für die Verdunstung verbraucht bzw.

in der Luftfeuchtigkeit gespeichert und nur

der R~st steht für die Erwärmung der Luft

zur Verfügung. Diese Antei le entsprechen

zwar in Summe immer der eingest rah lten

Energie, untereinander können sie aber

signifikant var iieren.

Den Bodenwärmestrom können wir zumin ­

dest für die Beantwortung der Frage nach

der Thermikdauer vernach lässigen. Er hat

zwar einen gravierenden Einfluss auf die

unterschiedliche Erwärmung der jeweiligen

Oberflächen und damit die Temperatur-Un ­

terschiede am Boden (und die sind letztlich

für die Bildung von Warm luftpaketen

entscheidend .... ). Aber bei trockenen Böden

ist der Bodenwärmestrom verhältnismäßig

klein und nimmt bei zunehmend abtrock­

nendem Untergrund (wie zum Beispiel

dunklem, feinkrumigem Ackerboden) auch

noch rasch ab. Er kann daher auf die großen,

beobachtbaren Unterschiede der Thermik­

stärke an verschiedenen Tagen (bei anson­

sten gleicher Einstrahlung) keinen nennens­

werten Einfluss haben. Es bleiben nur noch

die Rückstrah lung, die mit steigender

Temperatur ebenfalls ansteigt, und die

Verdun stung als .,Energieverbraucher" und

damit .,Thermik-hemmende" Faktoren

übrig.

latente Wärme

Da bei normalen Temperaturen in unseren

Breiten die abso lute Feuchte (also die

tatsächliche Menge Wasserdampf in der

Luft) nicht vernachlässigbar ist, wird auch

ein signifikanter Anteil der eingestrahlten

Energie im Wasserdampf der Luft als latente

Energie gespeichert (latent = verborgen,

nicht erkennbar) Für die Erwärmung der

Luft, und damit der Konvektion, steht sie

also NICHT zur Verfügung!

Bei sehr niedrigen Temperaturen sinkt

dagegen der Antei l dieser im Wasserdampf

gespeicherten Energie Die Luft direkt über

dem Boden kann sich so viel schneller

erwärmen! Damit entstehen auch schneller

Warmluftpakete, die Aufwinde ausbilden

Bild 7: Die wesentlichen Elemente der Strahlungsbilanz

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können. Die Thermik setzt sehr viel früher

ein als normal. Auch die Größe der entste­

henden Warm luftpolster am Boden nimmt

zu. Das hat auch tagsüber größere Thermik­

blasen bzw. Aufwinde zur Folge und es

ermöglicht bessere Steigwerte. Das Gleiche

gi lt auch für den Abend. Bei niedrigen Luft­

temperaturen kön nen sich noch be i seh r

tief stehender Sonne ausreichende Warrn­

luftreservoirs ausbilden und die Thermik

hält länger an. Die Grafik rechts zeigt diesen

Zusammenhang in Abhängigkeit von der

Luft-Temperatur in Bodennähe und ihrer

Re lativen Feuchte.

Wie errechnen sich die Balken in Bild 2? Sie

basieren auf einem etwas vereinfachten

Modell der bodennahen Luftschicht:

Ausgangspunkt ist dabei die Energ ie

{Enthalpie), die nötig ist, um ein Luftpaket

mit einer bestimmten Relativen Feuchte bei

einem Luftdruck von 1020 hpa um 1° C zu

erwärmen. Die dazu notwendige Energie­

menge ste igt mit ste igender Temperatur

bei gleichen (und noch mehr bei steigenden)

Werten der Relativen Feuchte in der Luft­

masse! Nehmen wir mal an, die Einstrah­

lung bzw. Energiezufuhr sei konstant, dann

kann der Boden die darüber liegende Luft

nicht mehr so sta rk aufheizen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die

Rückstrahlung mit steigender Temperatur

ebenfalls etwas ansteigt und so auch

Energie für Aufwinderzeugung "verloren"

geht. Ergebnis: Der ,,Wirkungsgrad" der

Sonneneinstrahlung nimmt ab, die "Ther­

mik-Ausbeute" sinkt! Wer genauer wissen

will, welche Berechnungen dahinter

stecken, findet die Erklärung in den beiden

Formeln. Die erste Formel (Formel 1) zeigt

das Verhältnis des Energie-Anteils in der

warmen Thermik-Luft zur gesamten Energie

in einem Thermik-Luftpaket Die zweite

Formel {Formel 2) erlaubt es, die im Dampf

latent gespeicherte Energie in Abhängigke it

von Temperatur und Feuchte zu berechnen

und damit die Grafik wie in Bi ld 2 zu

erstellen.

Wir können aus der Bild 2 einige seh r inte­

ressante Rückschlüsse ziehen: Je wä rmer

und je feuchter die Luftmasse ist, desto

schlechter ist zunächst mal die Ther­

mik-Qualität und um so später "geht's los"!

Je trockener die Luft bzw. je niedrige r ihre

Temperaturen, desto höher die ausfliegbare

"Thermik-Ausbeute" in Prozent der einge­

strahlten Energie. Bei Minus-Temperaturen

steigt dieser Anteil unter Umständen auf

über7o%!

Ein gutes Be ispiel dafü r erlebten die Pi loten

METEOROLOGIE

Rolatlve Feuchte ln %

...

Lufttomporatur ln Bodennähe in •c

Bild 2: Th ermikausbeute in Bodennähe und % der eingestrahlten Energie in Abhängigkeit von Lufttemperatur und Relativer Feuchte

Formel für die Thermik-Ausbeute A in % dH LIA troc/Cell

A ;; .Einstrahlungs-Energie in %'-----------dH LIA troc/Cell + dH {Nmpl

wobei dH : notwendige Energie (Entha,pie} ist, um Luft bei einer be-stimmten Relativen Feuchte um 1"C zu erwärmen_

dH Luft ~,.",t = dH Lull lroclnl<l + dH Ownpf ~

Enthalpie H = 1,006 •T ;.,oc +X •(1,86•T + 2500} I<J/kg

&!otrailJ<mgsMcrgio = (G.bb!il.stmt.l:.vlg minus RiJ<Jkslr:Jitlungj I (Ghb!il ~

di.J L•• - = notwandigt> ~naryia um 1kg tnx:bmc Lufl um 1' C z;u .,......,;""""' (= spczflSd!tt W~6kiii)9Zitllr)

df.l .. ~. Jal<>nft! Entypit>. dio im w~ssoni<lmpf grt.speicJ....rt WJITi llflf1 ersl bei Kandttr>S.>tion ......... fn:i ..w X = Misdntngs""mittrrus

Slcu:<l<>ndo T<.VIlpll<lJÜJn!n undl .:>dtN sloiqoo.ndttr Wass<>ido~o/1' dar Lufl Joo.-.:v1 don Nannar st.irl<ar w.xJ.s.." als drm Zi>hrar ~ &pebnis: Tbanr>iir-Ausboute :Un~!

Formel1: Grundformel für die Berechnung der Thermik -Ausbeute.

------------------: r·--·--- P Slili!thmpl . :. I 1 2* I = : 0,62 :

H Dampf , P geslfilll _ p t>attr.tampf

1

* c&mp,

ReiF I I

·-------------------------~

X jMI&<.Il\11-<1'11!.0'11!>)

p $att<t8mp/

+ 0,622* p ~

* 2501

H r..~= Enltlalpie von Dampf

X = Mlschungsvemältnls

Rei.F. - p Silttdömpl

P . ... ..,.... = S/Jttigungs-Dampfdruck bm einer beslimmten Temperatur T

P c.~"1 = Gessmtdruclc. bzw. Luftdruck

C llompl = Spezifische WlJrmekapazftäl von Dampf

T ln 'C

Formel 2 : Formel für die Berechnung der Enthalpie von Dampf

segel e1 · 3 I 2013 27

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METEOROLOGIE

der Wasserkuppe beim Winterfliegen am 13.

Januar 2013. Trotz niedrig stehender Sonne

gab's bei minus 8° C Steigwerte bis zu

einem Meter pro Sekunde. Unter der Rubrik

Segelflugszene im OLC haben sie ihre Erleb­

nisse veröffentli cht.

Dass man bei Minus-Temperaturen im

Janua r schon ri chtig Überland fliegen und

(an diesem Tag) Distanzen von mehr als 100

km zu rü ck legen kann, belegten Jürgen

Kraja FG Wuppertal - Radevormwald (116

km aufDiscus 2T) und Hermann Leucker LSC

Bayer Leve rku sen (127 km auf ASG 2gE/18

m). Hermann Leucker kommentierte se inen

im OLC eingest ellten Flug kurz und knackig

w ie folgt: "Systeme getest et Flieger geht­

Motor geht - Industri ethermik geht -

Naturthermik geht - Wo lkenstraßen beein­

druckend gut!"

Liegen die Auslöset emperatu ren also unter­

ha lb der Nullgrad-Grenze (u nd im Mittel­

und Hochgebirge kom mt das im Frühjah r

oft genu g vo r) w ird der Löwenanteil der

Netto­Steigen der Luft

Einge­strahlte Energie

Sonnenein strah lu ng in Wa rmluft umge­

setzt ! Bessere Bedingungen kann man

sich nicht wü nschen! Verknü pfen wir

das Balkendiagramm der Thermik-Aus­

beute {Bild 2) mit der zu erwartenden

Ei nstrahlung im Tagesgang {der soge­

nannten Globa lst rahlun g) so ergibt sich

das wäh rend des Tages zu erwartende

Thermikprofil in unterschied lichen Luft­

massen {Bild 3) .

Thermikluft w ird nicht direkt durch die

Einst rahlung, sondern über den Boden

auf geheizt Da die mittägliche Sonne

auch durch Quellwolken etwas abge­

schwächt werden kann, ist das Tagesma­

ximum hier bewusst etwas nach rechts

verschoben. Außerdem ist das Eigen­

sin ken ein es Flugzeugs eingezeich net. Es

soll deutlich werden, dass wir erst fliegen

können, wen n das Luftmassenst eigen

das Eigensinken übertrifft.

Man sieht, in kalter Luft geht's nicht nur

früh er los {Bild 4 - rote Pfeile). An der

Bild 3: Therm ik-Ausbeute im Tagesverlauf bei kalter und rn Luftmasse

in

ln kalter Luft setzt die Thermik nicht nur früher ein. sie wird

auch schneller .gut" 1

Bild 4: Morgendliche Thermik- Entwicklung in Abhängigkeit von der Tempera tur

28 segelfhe en · 3 I 2013

Differenz zwischen dem gestrichelt einge­

ze ichneten Eigensi nken und der blauen

Linie wird deutlich: die Thermikstärke

nimmt in ka lter Luft auch schnel ler zu und

die durchschnittlichen Steigwerte sind

ebenfalls besser. Entscheidend für die

durchschnittliche Therm ikgüt e eines Tages

ist deshalb die Temperatur und die (relative)

Feuchte der vorherrschenden Luftmasse.

Polarluft Insbesondere Polarluft mit ihren allgemein

niedrigen Temperaturen ist eine fast sichere

Garantie für gute und auch lang anhaltende

Thermik. Wäh rend kontinenta le {also sehr

trockene) Polarluft meist nur gute

Blauthermik zu lässt, ist ihre maritim

geprägt e Schwester, Meeresluft pola ren

oder arktischen Ursprungs, dank ih res

höheren Feuchtegeha lts wesentlich

..potenter"! Wenn eine hohe Inversion die

Bildung von Wo I ken zu lässt, dann markieren

Cumu li deutlich sichtbar die Bärte und

machen es leichter, hohe Schnittgeschwin­

digkeiten zu erfliegen.

Die Po larluft produziert allerdings anfangs

oft Schneeschauer. Erwärmt sie sich aber

nur etwas, dann sinkt die Re lat ive Feuchte

{bedi ngt durch den, absol ut gesehen, nied ­

ri gen Wasserd ampfgehalt) dramatisch ab.

Rap ide anst eigende Basishöhen und hervor­

ragende Thermik sind möglich, wenn sie

unter Hochdruck-Einfluss gerät.

Erfa hrenere Piloten wissen das und richten

sich entsprechend danach. Der ehemalige

Schulleiter der Segelf lugschule Hornberg,

Frank Dreher, hat mir das mal so erklärt:

"Junge, du musst auf die Pfüt zen am Flug­

platz achten! Wen n sie morgens mit ·ner

Eisschicht überzogen sind, dann gibt's gute

Thermik !" Tatsäch li ch gibt es bei eingeflos­

sener Arktik-Luft auch im Sommer in

Verb indung mit kla ren Nächten oft nächt ­

liche Bodenfröste, die dann entsprechende

Reifüberzüge oder eben "gefrorene Pfützen "

hinterlassen.

Übrigens, solche Kaltluft-Einbrüche

kommen im Winter und Frühja hr häufiger

vor als im Sommer. Desha lb gibt's Hammer­

wetter-Lagen mit lang anhaltender Thermik

auch eher im Apri l als im Juli.

Praxistipp: Woher weiß man als Segelflieger,

dass man es mit einer richtig guten Luft­

masse zu tun hat? Außer an den niedrigen

Temperaturen bzw. vereisten Pfützen

erka nnten erfa hrene Piloten früher so lche

Möglichkeiten an der guten Sicht und der

intensiven Blaufärbung des Himmels.

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Außerdem schätzten sie die Güte des Tages

am morgendlichen Taubelag ab. Heute liefern die Wetterberichte im Fernsehen

oder die Vorhersagen im Internet die

nötigen Hinweise frei Haus: Wenn die

professionellen "Wetterfrösche" im Früh­

jahr oder Sommer auf mögliche Schnee­

schauer im Bergland hinweisen, haben wir's

fast immer mit Kaltluft polaren Ursprungs

zu tun. Auch der Segelflugwetterbericht liefert normalerweise einen Hinweis auf die

eingeflossene Luftmasse.

Die mit Abstand beste Quelle ist meines

Erachtens aber eine Wetterkarte der Äqui ­

valent Potenziellen Temperatur im 850 hpa

Niveau. (Bitte lassen Sie sich nicht durch die

merkwürdige Bezeichnung abschrecken!

Wer genauer wissen will, was es damit auf

sich hat, kann Details im erklärenden

Einschub nachlesen). Für uns Segelflieger

genügt ein Blick auf die Farben dieser Karte,

um zu wissen, in was für einer Luftmasse

wirfl iegen können.

Kalte Luftmassen erkennt man auf Bild 5 an

(äquivalent potenziellen) Temperaturen

unter 39° C. Sie sind in der Karte mit

kühleren Farben dargestellt (also grün, blau

oder sogar violett). Je eher die Karte Tempe­

raturen oberhalb von 40°C ausweist (also

gelbe oder orange Farben), desto wärmer

und feuchter ist auch die Luftmasse und

desto schlechter die Thermik! - Das Bild 5

zeigt die Luftmasse und Wetterlage am

Samstag, den 12. Mai 2012. ln Deutsch land

ist eine sehr kalte Luftmasse eingedrungen,

die allmählich unter Hochdruck-Einfluss

gerät. - Ergebnis: Am nächsten Tag konnten

im OLC vierundzwanzig Flüge über mehr als

1000 km gemeldet werden!

Wo findet man diese Karten?- Hier ist der

Link zu einem kostenfreien Schatz an

Wetterkarten aller Art:

www.wetterzentrale.de/topkarten/fsavneur.html

Auf die Schaltfläche mit 850 hPa Pot. Äquiv.

Temp. klicken .

Die Äquivalent Potenzielle Temperatur

Die potenzielle Äquivalenttemperatur oder

äquivalentpotenzie lle Temperatur ist die

Temperatur, die feuchte Luft annähme,

wenn der gesamte darin enthaltene

Wasserdampf bei konstantem Druck p voll ­

ständ ig kondensieren, die dabei fre igesetzte

Konden sation swä rme ausschließlich der

feuchten Luft zugeführt und sie anschlie­

ßend trockenadiabatisch auf 1000 hPa

gebracht würde.

Was steckt hinter dieser kompliziert klin ­

genden Modell -Rechnung: Luft enthält

immer etwas Feuchtigkeit, mal mehr, mal

weniger. Dieser Wasserdampf speichert

aber auch Energie in Form von nicht fühl­

barer (latenter) Wärme, die bei der Konden­

sation in Form von Wolken wieder frei

werden kann. Um versch iedene Luftmassen,

ihre Feuchtegrade und ihre Temperaturen

vergleichbar machen zu können, muss also

die Feuchtigkeit erst mal heraus gerechnet werd en. Das leistet diese Rechnung. -

Außerdem möchte man eine möglichst

repräsentative Schicht der Atmosphäre

darst ellen können. Ideal ist dafür die Höhe

von etwa 1600 Meter über NN, da sie in

etwa der Mitte einer konvektiven Schicht

entspricht. (Der Luftdruck in 1500 Meter

liegt bei etwa 850 hpa).

Deshalb wird eine Höhenwetterkarte der

.. abgetrockneten" Temperatur für dieses

Druckniveau erstellt und anschließend auf

Meeresniveau umgerechnet. Das ergibt

METEOROLOGIE

eine farbige Karte der Äquivalent Poten­

ziel len Temperatur. ln obiger Darstellung

sind j etzt sowohl die Bodendruckverhält­

nisse (mit weißen Isobaren), als auch die

farbigen Luftmassentemperaturen auf

einer Karte zusammen gefasst. Für

Segelfl ieger eine ideale Kombination!

Afrika, Afrika- Thermik in warmen

Luftmassen

Die Wetterphysik, wie sie in den obigen

Kapiteln beschrieben wurde, gilt in Europa

gena uso wie in süd lichen Breiten . ln

warmen Luftmassen geht die Thermik also

deutlich später los als in kalten und sie ist

im Verhältnis auch schwächer. Und

während wir in Nord- und Mittei -Eu ropa in

der Regel von Kaltluftvorstößen profitieren,

müssen die südlicheren Breiten mit

wärmeren Luftmassen Vorlieb nehmen.

Dafür genießen diese Regionen einen

anderen, nicht zu unterschätzenden Vorteil:

Die Einstrahlung ist wesent li ch stärker als

bei uns, sodass die Nachteile der vorherr­

schenden wärmeren Luftmassen durch

entsprechend höhere Sonnenstände ausge­

glichen werden. Spanien genießt diesen

Vorte il, und Marokko sowieso. Uvalde in

Texas zum Beispielliegt etwa auf dem glei­chen Breitengrad wie die nördliche Sahara !

Namibia, Süd-Afrika und Australien

genießen zum Jahreswechsel einen ähnlich

starken Energiezustrom, wenn die Sonne

den südlichen Wendekreis erreicht. So sind

große bzw. seh r große Flüge möglich, auch

wenn man zwei Stunden später (a ls mit

Polarluft in Deutschland) in die Luft kommt.

ln Span ien starteten Mitte Juli 2012 meine

Kameraden erst gegen Mittag zu vier 1000

km Flügen . Bei der WM 2012 in Uvalde/

Texas (mit Tagesmaxima von bis zu 40° C)

war Startbereitschaft oft erst gegen 13.30

Uhr lokaler Zeit angesagt. Die einzige Bedin ­

gung für gutes Wetter im "Süden": Die Luft­massen sol lten wenigstens etwas Feuchtig­

keit enthalten, damit Wolken mit hohen

Basen entstehen können. Hohe Basen

bringen gutes Steigen. Andererseits sollte

nicht zu vie l Wasserdampf in der Luft

stecken, damit keine Überentwicklungen zu

erwarten sind. Die Mischung macht ' s!

Unterm Strich gilt aber auch in "Afrika":

Ganz ohne Feuchtigkeit gibt's keine

vern ünftige Thermik.

Bild 5: Darstellung der Luftmassen (anhand der Äquivalent Potenziellen Temperatur) .

segel e1 • 3 I 2013 29

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METEOROLOGIE

Stabil oder labil? Einflussgrößen auf die Qualität der Thermik

V o N HENRY B LuM

ln den Ausgaben Januar, März und Mai 2013

von segelfliegen haben wir die Grundlagen

für das Verständnis von Thermik allgemein

gelegt. Zuletzt haben wir untersucht,

wie Luftmassen (genauer ihre Temperaturen

und ihr Feuchtegehalt) die grundlegende

Qualität der Aufwinde an einem Flugtag

bestimmen. Es gibt allerdings noch weitere

Einflussgrößen, die das zu erwartende

Steigen entweden abschwächen oder auch

verstärken können .

Bild 2 : Inversionen sind natürliche Sperrschichten in der Atmosphäre, die Überentwicklungen verhindern

28 segelfliegen · 4 I 2013

Warmluft-Advektion i.d. Höhe (alt. in Bodennähe) - schwächeres Steigen - kürzere Thermikdauer

Stabilisierung

Streckung des Konvektionsraums - mehr u. höhere Quellwolken - besseres Steigen

Kompression des Konvektionsraums - Inversion - Abtrocknung - Blauthermik

Labilisierung

Kaltluft-Advektion i.d. Höhe - stärkeres Steigen - lange Thermikdauer

Bild 1: Die Faktoren mit Einfluss auf die Themik-Qualität

Wir unterscheiden dabei zwi­

schen "vertikalen" Faktoren,

die den Konvektionsraum

dehnen oder komprimieren

und horizontalen Luftmassen-Bewegungen,

die von Meteorologen auch gern als Advek­

t ion bezeichnet werden (Bild 1). Diese

Einflussgrößen w irken sich allesamt auf die

Umgebungsluft aus, in der die Thermik

entsteht. Je nachdem, ob diese Faktoren die

Thermikqua lität we iter verbessern oder

eben versch lecht ern w ird unter Piloten gern

von Labi lisierung (fü r eine Verbesserung)

und Stabi li sierung (für eine Verschlechte­

ru ng der Ve rh ältnisse) gesprochen. Das

Thema "Lab ilisierung" vertiefen wir aller­

dings erst später in einer weiteren Ausgabe.

Stabilisierung durch Kompression bezie­hungsweise absinkende Luftmassen Die bekannteste Therm ikbremse ist die

sogenannte Inversion (Bild z). Sie bezeichnet

eine Temperatur-Zunahme der Umge­

bungs luft m it der Höhe, die üblicherweise

durch Absinkvorgänge in der Atmosphäre

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hervorgerufen wird. An guten Tagen ist sie

die natürliche Begrenzung (der "Deckel auf dem Topf') der konvektiven Schicht und

liegt in Mittei -Europa hoffentlich noch

oberhalb von 2500 Meter NN. Je höher sie

liegt, desto eher läßt sie noch Quellwolken

entstehen und erleichtert uns Segelfliegern

da s Finden von Aufwinden. Liegt die Ober-

Dienstag , 14.8.12 : ~~~~~~~-~~~~==-~~~

Mittwoch , 15.8.12 : -- - ~----------- -'

600 1-

600

1 - ~ I _, ... -......~.

Auslösetemperatur für ~ 4500 ft Arbeitshöhe bei

32 ,5°C I

1000

grenze nicht höher als ca . 3500 Meter, dann

verhindert sie gleichzeitig "schädliche" Ü berentwicklu ngen.

Übrigens: eine Inversion ist kein absolutes

Muss für gutes Segelflugwetter. Sehr

trockene Luftschichten in der Höhe haben

die gleiche Wirkung und verhindern die

Ausbildung von Gewitterwolken auch ohne

.----<:

t .......... 7 . J I ~

/, 10

Inversion Base: 7000 ft MSL

1~L_ ____________________________________________________ __J

-~ -10 10 20 30 40°C KNOTS MSL

Bild 3: Ausbildung einer Inversion innerhalb eines Tages (hier: WM in Texas 2012)

Eindringen der Thermik in die Inversion (Texas, ll 8 2012. lnvers1on 1n 2300 m, flache Cumul1, AusloseT 35 C, Max. Temp. 39 C)

·············-··· .. J.~versions-Bereich ·· ......

--·- ----- ----- ----- -------·- __ :..---':=.,,-:--- - --

/

~---\

Taupunkts­kurve

C)o 2900m

2500m

Aufwind (rot) konn weit in die Inversion (lsothermie) eindringen. - Steigen nimmt ob 2300 Meter

Richtung Basis allmählich ab.

Trocken­Adiabate

Bild 4: Eine Inversion bremst die Thermik ab, auch wenn die Basis noch deutlich höher liegt

METEOROLOGIE

dass eine ausgeprägte Temperatur-lnver­

sion existiert. Das Bild 3 stammt von einem Wetterbrie­

fing der Segelflug-Weltmeisterschaft 2012

in Uvalde, Texas und zeigt die Ausbildung

einer Inversion (roter Kreis) innerhalb eines

Tages. Sehr schön zu sehen: oberhalb der

Inversion nimmt die Temperatur etwas zu

(rote Pfeile). die relative Feuchte der Umge­

bung dagegen ab (gelb-orange Pfeile zeigen

die Verschiebung des Taupunktes durch die

zunehmende Erwärmung).

Wie bremst eine Inversion jetzt die Thermik

aus? Nimmt die Umgebungs-Temperatur in

der Inversion mit der Höhe zu, dann verliert

der hauptsächlich feuchte-bedingte Auf­

trieb der Thermikluft seine Wirkung. Die

Blase hört allmählich auf zu steigen. Sobald

die Dichte-Unterschiede in der Luft ausge­

glichen sind kommt der Aufwind zum

Erliegen. Damit erklärt sich auch das teilweise

mehrere hundert Metertiefe Eindringen der

Thermik in die Inversion selbst. Also nicht,

wie manchmal in der Literatur gemutmaßt,

mit dem Tempo der aufsteigenden Luft, die

sozusagen über ihren Gleichgewichtspunkt

mit der Umgebungs-Temperatur hinaus

schwingt, bevor sie wieder absinkt! Die

höhere relative Feuchte des Bartes erlaubt

sogar deutlich niedrigere Temperaturen im

Bart als die in der Umgebung, solange die

resultierenden Dichteunterschiede in der

Luft noch nicht ausgeglichen sind.

Bild 4 zeigt ein reales Beispiel des Eindrin ­

gensder Thermik in die Inversion. Es stammt

von der WM 2012 in Texas und zeigt den

Originai -Temp, wie er beim Briefing der

deutschen Mannschaft gezeigt wurde. Der

Inversionsscheitelliegt in 2300 Meter Höhe,

die Basis wurde anfänglich in 2500 Meter

erwartet im Tagesgang ansteigend auf

2900 Meter. Was bedeutete das später für die Steig­

werte in Basisnähe? Das Thermik-Profil in

Bild 5 gibt die Antwort. Die orangen Pfeile

belegen zunehmende Steigewerte mit der

Höhe, die roten abnehmende Werte. Wenn

die Wettbewerbsteilnehmer in zuneh ­

mender Höhe mit ebenfalls stärkerem

Steigen bis auf 2300 Meter geklettert waren

(max. ca. 4-4,5 rn / sec), so wurde die Thermik

ab dieser Höhe wieder schwächer. 200

Meter unter der Basis (in 2500) fingen die

Bärte an deutlich nachzulassen. Im Tages­

verlauf stieg die Walken -Untergrenze dann

weiter an und das durchschnittliche Steigen

nahm ebenfalls etwas zu. (Deshalb wandern

auch die Pfeile etwas nach rechts). Aber

segel 1~e 1 • 4 I 2013 29

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METEOROLOGIE

Thermik-Profil Uvalde (Texas), 11 .08.12 (Inversion in 2300 m, flache Cumuli, AuslöseT. 35°C, Max. Temp. 39 C)

Analy5e- Day _7JGC ~l s l~ Fil~ -Graph View Stats Ab out

- --I

Date: 11 Aug 12 11000.00 Logger: E7A9 FtMSL

~~ ' Reg: C-GKST 9900.00

-i~~ 3000M

CL; ST 8800.00 t-.... Name: NICK BONNIERE

-I'

Glide1: LAK-17-18 7700.00 - ~ 2300 M - """' " 6600.00 2000 M - 7[/ 5500.00 -

4400.00 V /

/~ V 330Q.]9

2200.00 Cl" L ~

1100.00 . rn/sec Im/sec

0.00 0.00 12.00 kts

Bild 5: Thermikprofil: Steigen schwächt sich mit Annäherung an die Inversion ab

Ausbildung .

Inversion e1ner

\ I ',\ I ...

'\ 700 hpa '\ I 1000 ._____ ---- <- _ _.: :•":":~_~,~ C"::"~~~,.~~ -> <

I \ \ 800 hpa 2000m

I ~ ( 900 hpa 20°C 10oc 1 ooc -20°C -10°C +10oC

Taupunktsdifferenz Temperaturverlauf ' '\

Tag 1 ------Tag 2

Bild 6: Starke Zunahme der Umgebungsfeuchte im Scheitel einer Inversion : Neigung zur Ausbreitung

auch jetzt fie len die Steigwerte kurz unter­

ha lb der Basis in 2900 Meter auf weniger

als2m/sec zurück.

Im Scheitel einer Inversion oder auch na he

an den Wolken sind oft auch hohe Feuchtig­

keitswerte in der Umgebungs luft anzu­

treffen. Sie wirken ebenfalls "bremsend". Da

der Auftrieb eines Bartes, wie gesehen, in

der Höhe zunehmend durch Feuchte-Unter­

schiede bedingt ist, verringern sich diese

Unterschiede bei ebenfalls ste igender re la-

30 segelfliegen · 4 I 201 3

tiver Feuchte der Umgebungsluft. Die Ste ig­

werte nehmen wieder ab.

Speziel l an Tagen mit sehr starker Inversion,

die manchmal auch an seh r flachen Cumu li

sichtba r w ird , ist diese Tendenz besonders

ausgeprägt. Das Bild 6 zeigt den Tempera­

tur-Ve rl auf an zwei aufeinanderfo lgenden

Tagen mit Ausbildung einer Inversion und

hohen relativen Feuchtewerten im Inver­

sions-Scheitel. Je höher diese Werte

ausfallen, desto mehr neigen dann die

Cumuli auch zur Ausbreitung.

Ähn lich ve rhält es sich mit Luftmassen, die

insgesamt feuchter sind (siehe auch im

Bild 6 die Taupunktsdifferenz an Tag 1). Sie

ze igen deut lich mehr Wolken und bremsen

damit die Einstrahlung! Außerdem lösen

sich die entstandenen Wolken nur sehr

langsam wieder auf und halten so als

"Wassersäcke" so manchen Thermiks ucher

zum Narren.

Blauthermik Hier verhindert in unseren Breiten meist

eine Inversion den weiteren Aufstieg der

Thermik und unterbindet den Bart, bevor

der enthaltene Wasserdampf auskonden­

sieren kann; im Extremfall sogar schon

lange bevor die relative Feuchte im Bart

ihren 100-Prozent-Schwellwert für die

Wo lkenbildung erreichen kann. Je geringer

deshalb die Feuchte-Unterschiede zwischen

Bart und Umgebungs luft ausfal len, desto

schwächer und ungleichmäßiger können

die Steigwerte sein. Das Durchschnitts­

ste igen im Blauen beträgt deshalb nur etwa

1 m/sec pro 1000 Meter Höhe der thermisch

akt iven Sch icht.

Aber auch für Blauthermik gilt: Je kälter die

Luftmasse, desto besser die konvektive

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Umsetzung der eingestrahlen Energie und

je höher die limitierende Sperrschicht, desto

stärker kann auch die Blauthermik werden

(Bild 7)

Bild 7 stammt vom 1. April 2012, aufge­

nommen um 8.15 Uhr UTC in Donau­

eschingen am Flugplatz. (Elevation: 68o m).

Der Tag begann, wie zu sehen, mit einigen

wenigen Flusen, die sich aber bald auflösten

und einen guten Blauthermik-Tag einlei­

teten. Die Luftmasse war sehr kalt (und

trocken) und die Temperaturen lagen

morgens nur knapp über o Grad Celsius.

Im Blauengingsam frühen Nachmittag bis

auf 2300 Meter NN (also zwischen 1200 und

1600 Meter über Grund), bevor eine

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METEOROLOGIE

Bild 7: Die ersten Quellungen an einem Tag, der später nur Blauthermik zuließ

schwache Inversion die Bärte nach oben

abriegelte. Das durchschnittliche Steigen

betrug zwischen 2,5 und 3,5 m/sec. Einzelne

Aufwinde lieferten bis zu 5 m/sec in der

Spitze. Abends konnte man sich noch bis

eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang

oben halten.

Warmluft- versus Kaltluft-Advektion

Das Wort "Warmluft-Advektion" hört kein

Segelflieger gern, bedeuted es doch sich

deutlich verschlechternde Thermik, wenn

die Warmluft innerhalb der thermisch

aktiven Schicht einfließt. Kaltluft-Advektion

dagegen wird begrüßt, denn sie bringt lang

anhaltende Thermik. Was steckt dahinter

und wie lässt sich das vorhersehen? Bild 8

zeigt eine Vergrößerung der schon aus

Abbildung 1 in Ausgabe März/April Seite 30

bekannten Umwandlung der konvektiven

Schicht im Tagesgang. Es zeigt nur noch den

Temperaturverlauf morgens um 5-30 Uhr

(in blau) und den durch die Thermik

bedingten adiabatischen Gradient um 13.00

Uhr (in rot) . Die Zwischenstationen wurden

zwecks Übersichtlichkeit weg gelassen.

Diese "Ausgangs-Grafik" wird uns helfen,

die jeweiligen Effekte in den nächsten

Bildern anschaulich zu demonstrieren.

Thermik-Killer

Warmluft-Advektion in der Höhe wirkt wie

eine stark absinkende Inversion und lässt

LX navigation Deutschland· Dr. MichaelSeischab ·Im Rosengarten 5 · D-97647 Hausen! Roth • Germany • T: +49 (0)9779 85895-30 • [email protected]

segelfli, ~gen · 4 I 2 013 31

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METEOROLOGIE

Höhe

Ausbildung der konvektiven Schicht im Tagesgang

6b_ Cumuluswolken Schicht 1500m

----- -------------------- ----------------------

500m

Adiabatische Schicht

Überadiabatische Schicht

Bild 8: Temp von 5-30 Uhr und 1].00 Uhr

Höhe

Warmluft-Advektion in der Höhe schwächt die Thermik ,,

\ ' i '

Cumuluswolken Schicht

t;:::$'

'liSGo Schc-ht

-- ----------------- -/ -------- ------- -------- -----------------Uberad dbat o:;che

s._ <) liC

Temperatur

500 m

Bild 9: Warmluft-Advektion schwächt oder unterbricht die Thermik vorzeitig

Höhe

Bodennah einfliessende Kaltluft unterbricht die Thermik

Neuer Gradient unter Kaltluft-Einfluss zeigt "Boden-Inversion"

1500m

SOOm

Cumuluswolken Schicht

Adiabatische Schicht

Überadiabatische Schicht

Temperatur

Bild 10: Bodennah einfließende Kaltluft erzeugt eine Bodeninversion

32 segelfl gen · 4 I 2013

der Thermik keinen großen Spielraum mehr.

Wie im Bild 9 zu sehen, wäre sie ab etwa

700 Meter GND durch die Warm luftzufuhr

unterbrochen.

Ka lt luft, die in Bodennähe einfließt, unter­

bricht die Thermik ebenfalls. Seebri sen

können zum Beisp iel so lche Effekte auslösen

oder aber die aus einem Gewitter ausflie­

ßende Kaltluft.

ln Beispiel von Bild 10 würde die neu

erzeugte Warmluft vom Boden aus höchs­

tens 300 Meter steigen können, ehe sie von

der durch die Kaltluft erzeugte Bodeninver­

sion gestoppt wird.

Seebrisen

Das bekannteste Beispie l für Kaltluftzufuhr

in Bodennähe sind Seebrisen. Wie der Name

besagt, treten sie nur in küstennahen

Bereichen auf und wandern in Mitteleuropa

se lten mehr als so Kilometer landeinwärts.

(Sebastian Kawa, Sky full of Heat, 2013). Der

Grund: Die Corioliskraft lenkt alle Strö­

mungen auf der Nordhalbkugel nach rechts

ab und so "verlaufen" sich die Seebrisen bei

uns relativ schne ll.

Anders in aequatornahen Gebieten. Hier

reichen die Seebrisen oft weiter in s

Landesinnere und unterbrechen mit ihrer

bodennah einfließenden Kaltluft die Ther­

mik großräumiger.

Die be iden Satellitenfotos 11 und 12 zeigen

den Einflu ss einer Seebrise im Süden von

Texas.

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Bild 11: Eine Seebrise unterbricht die ansonsten mustergültigen Wolken ­straßen

Praxistipp: Nichtimmerverlaufen Seebrisen

so harmlos w ie im Bild 11 . Ebenfalls aus

Taxas stammt Bild 12 und ze igt die Wett er­

situat ion am Nachmittag des ersten Wer­

tungstages der Segelflug- Weltmeist er­

schaft in Uvalde im Jahr 2012.

Die Front der Seebrise (Bild 12: schwarze

Linie) und eine vorlaufende Konvergenz als

Böenfront (weiß gestr ichelt) erre ichen das

Wettbewerbsgebiet als die Offene Klasse

gerade auf dem Weg zum letzten Wende­

punkt ist. Dieser liegt bereits unter bzw.

kurz hinter der Front. Hier entsch ied das

Wetter quasi den Wettbewerb bereits am

ersten Wertungstag.

Fünf Pi loten der Offenen Klasse fliegen

quasi vom gleichen Punkt aus auf die letzte

Wende zu, als sie auf die Front der Seebrise

treffen (Bild 13) Michael Sommer und

Tassilo Bode versuchen hinter der Front

wieder Anschluss zu finden, müssen aber

schl ieß lich mangels Thermik ihre Motoren

werfen.

Laurent Abu lin dagegen und sei ne

Mitstreiter fliegen durch eine Lücke

zwischen den Wolken der Front direkt an die

Wende. Mit viel Glück und etwas Rücken ­

wind gle iten sie so auch wieder heraus.

Am Ende des ersten Wertungstages hat

METEOROLOGIE

Bild 12: Die Seebrise erreicht mit schweren Überentwicklungen den Flugplatz von Uvalde

l . Wertungstag - Offene Klasse WM 2012 Uvalde-Texas

.... ,_ Laurent Abulin (CD) und Sylvain Gerbaud (72 ) (wie schon Bruce Taylor (2T) kurz ~:1 vorher) fliegen durch eine Lücke in der Front direkt an die Wende und gleiten mit Rückenwind wieder raus ...

Michael Sommer ( ) und Tassilo Bode (VB) versuchen hinter der Front wieder Anschluß zu finden ...

7.M't'entr

Bild 13: Lage der Front beim Anflug der letzten Wende. Gleiche Ausgangssitua­tion für den führenden Pulk, aber unterschiedliche Strategien der Piloten

Laurent Abu lin einen Vorsprung von 280

Punkten auf Michael und Tassilo, den

unsere deutschen Fliegerkameraden trotz

konstante r Spitzen leistu ngen bis zum Ende

des Wettbewerbs ni cht mehr ganz aufholen

können. Laurent w ird so Weltmeister vor

Michael auf Platz 2. Tass ilo landet auf Platz

4 in der Gesamtwertung.

segelfliegen · 4 I 2 013 33

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Turbos für die Thermik Was verbessert die Aufwindstärke?

V o N H ENRY B LuM

Foms: A NDREA ScHLAPBACH, EuM ETSAT,

G RAFIKE N: H ENRY ßLUM

ln der Juli-Ausgabe von

segel - ·e 1 hatten wir uns mit

Bedingungen beschäftigt, die

die Thermik generell

abschwächen können . Diesmal

untersuchen wir Faktoren, die

die primär von der Luftmasse

abhängige Qualit ät von

Aufwinden weiter verbessern

können . Dazu gehören sowohl

labilisierende Fakt oren wie

Kaltluft-Zufuhr in der Höhe als

Weitere Faktoren mit Einfluss auf die Thermik

Warmluft-Advektion i.d. Höhe (alt. Kaltluft in Bodennähe) - schwächeres Steigen - kürzere Thermikdauer

Stabilisierung

Streckung des Konvektionsraums - mehr u. höhere Quellwolken - besseres Steigen

Kompression des Konvektionsraums -Inversion - Abtrocknung - Blauthermik

Labilisierung

Kaltluft-Advektion i.d. Höhe - stärkeres Steigen - lange Thermikdauer

auch eine vertika le Dehnung des Konvektionsraumes. Außerdem werden wir den positiven Einfluss von

Wolken auf die Thermik kennenlernen und die Entstehung von Konvergenzen bzw. Wolkenstraßen, die

Autobahnen für uns Segelf lieger, Unter die Lupe nehmen.

Bild 1: Labilisierende Faktoren

20 segel ll.ge · 5 I 2013

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METEOROLOGIE

Druck-Unterschied zwischen kalter und warmer Luft erzeugt thermischen Wind

Linksdrehung des Windes mit der Höhe bei Kaltluft­Zufuhr Höhe

600 hpa

700 hpa

800 hpa

900 hpa 900 hpa

kalt warm 1000 hpa 1000 hpa

Höhe

600 hpa

700 hpa

800 hpa

900 hpa

1020 hpa

600 hpa

700 hpa

800 hpa

900 hpa

1000 hpa

1020 hoa

Bild 2: Der thermische Wind wird durch die Corioliskraft nach rechts abgelenkt

Bild 3: Bei zusätzlichen Druck-Unterschieden am Boden überlagern sich die Windvektoren in der Höhe

Kaltluft-Advektion in der Höhe Kaltluft-Advektion in der Höhe (Bild 1) bringt

bekanntermaßen lang anhaltende Thermik.

Bei Kaltluftzufuhr verlagert sich der ge­

sa mte Temperaturverlauf mit der Höhe

(Temp) einfach zu den kälteren Tempera ­

turen hin und garantiert eine konstante

Temperaturabnahme von 1° pro 100m. Die

Umsetzung der Sonnen-Einstrahlung in

Warmluft am Boden verbessert sich bei

niedrigen Temperaturen ebenfalls. So ge­

nügt unter Umständen die vom Boden ab­

gegebene Restwärme gegen Abend noch,

um brauchbare Aufwinde auszulösen.

Wie lässt sich die Advektion von kälterer

oder wärmerer Luft (in der Höhe) prognosti­

zieren? Eine einfache Möglichkeit bietet

schon ein kurzer Blick aufden Segelflugwet­

terbericht und die Angaben zum Höhen­

wind. Eine Links-Drehung des Höhenwindes

bedeutet Kaltluft-Advektion. Eine starke

Rechtsdrehung des Windesam Streckentag

dagegen deutet auf die Zufuhr deut lich

wärmerer Luft hin. Woran liegt das?

Warme Luft reicht in der Atmosphäre höher

hinauf als kalte. Auch ohne dass am Boden

Druck-Unterschiede vorhanden sind, (es

also windstill ist), entsteht in der Höhe ein

Druckgefälle von warm nach kalt. Dieser

Unterschied wird durch eine dem Tempera ­

tur-Gefälle entsprechende Luftströmung

ausgeglichen, den thermischen Wind. Jetzt

werden aber alle Strömungen auf der Nord­

halbkugel durch die Corioliskraft nach

rechts abgelenkt (Bild 2). Diese wirkt auch

auf den thermisch induzierten Wind so

lange ein, bis er schließlich parallel zu den

Linien gleicher Temperatur weht. (Im Bild 2

mit einem Zylinder markiert).

Erweitern wir nun das Bild 2 um einen zu ­

sätzlichen Druck-Unterschied am ~oden:

Jetzt entsteht auch in Bodennähe Wind, der

zum Beispiel die Kaltluft gegen die Warm­

luft vorrücken lässt.

Der thermische Wind überlagert jetzt den

"normalen" Wind, wenn auch nur in der Hö­

he (Bild 3). Für einen Beobachter erscheint

es deshalb vom Boden aus so, als ob der

Wind mit zunehmender Höhe nach links

dreht.

Das Gleiche funktioniert auch bei Warm­

luftzufu hr. Der Effekt ist dann die erwähnte

Rechtsdrehung des Höhenwindes.

Leider wird den Angaben zum Höhenwind

in der Regel zu wenig Beachtung geschenkt.

Dabei liefert er ausgesprochen wertvolle

Hinweise für die mögliche Thermik-E nt­

wicklung. Weht der Wind zum Beispiel in

allen Höhen aus der gleichen Richtung oder

/' / '

L I~ 1'0 1.51 I 3: I I ,_ I I CD I I "§ I 1"-1 I~ I 1~1 I I

dreht er sogar nach links, können wir mit

Zufuhr deutlich kälterer Luft rechnen (Bild 4). Wie sieht das im Segelf lug-Wetterbericht

aus?

Normal ist selbst an guten Tagen eine leich­

te Rechts-D rehung des Windes mit der Hö­

he wie im folgenden Praxisbeispiel zu sehen:

Praxisbeispiel für Normal-Bedingungen:

Bodenwind: 220° I 20 kml h

Höhenwind:

~ ln woo m 270° I 25 kmlh

~ ln 1500 m 280° I 35 kmlh

~ ln 2500 m 290° I 40 kmlh

Bei Ka lt luft-Advektion ändert sich das Bild

unter Umständen signifikant:

Praxisbeispie l für Kaltluft-Advektion :

Höhenwind:

~ ln 1000 maus goo mit so kml h

~ ln 1500 maus 80° mit 40 kmlh

~ ln 2500 maus 30° mit 20 kmlh

Bild 4: Linksdrehung des Windes mit der Höhe bei Ka ltluft-Zufuhr

segelf!l, ~ge · 5 I 2 0 1 3 21

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METEOROLOGIE

Prinzipielle Wirkungsweise einer Konvergenz

Konvergenzen im Gebirge bei hoher Feuchtigkeit

Feuchte Luftmassen

Trockenere Luftmassen

Bilds: Eingezeichnete Stromlinien in der Ebene Bild 6: Konvergenz mit gestufter Walken-Untergrenze

Die starke Linksdrehung (von z.B. 8oo in

1500 m auf 30° in 2500 m) deutet auf mas­

sive Kaltluft-Zufuhr in der Höhe hin. So ex­trem ausgeprägt w ie oben ist sie allerdings

nur, wenn deutlich kältere Luft noch im An­

marsch ist. Es müssen also signifikante

Temperatur-Untersch iede zwischen der

vo rherrschenden und der heranrückenden

Luftmasse existieren. Im obigen Fall war

diese deutliche Linksdrehung einen Tag vor

dem eigentlichen Streckentag zu beobach­

ten und kündigte wesentli ch ve rbesserte

Thermik-Bedingungen für den nächsten

Tag an.

Streckung des Konvektionsraumes

Unter diesem Begriff versteht man eine ver­

tikale Dehnung der Konvektionsschicht, al­

so einem generellen Aufstieg von Luftmas­

sen. Im Prinzip ist es das genaue Gegenteil

von absinkenden Luftmassen in einem

Hochdruck-Gebiet.

Während Absinken mit steigendem Luft­

druck einhergeht, deutet fallender Luft­

druck am Boden auf eine Streckung bzw.

Aufstieg von Luftmassen hin. Da sich diese

Luftmasse jetzt um 1°C pro 100 Meter ab­

kühlt. entsteht der gleiche Effekt wie bei

Kaltluft-Advektion: Der Temperaturverlauf

der Umgebungsluft wird allmählich in eine

Schichtung mit dem Gradient 1 umgewan­

delt, ohne dass wertvolle Sonnenenergie,

bzw. Thermik dafür "arbeiten" muss.

Ein Vorgang, der (fach lich korrekt) als Labili ­

sierung bezeichnet wird . Aus einer sta ­

bileren Umgebungsluft wird jetzt eine mit

indifferentem Zustand erzeugt. Eventuell

22 segel lle en · 5 I 2013

vorhandene Inversionen werden so wieder

geschwächt oder sogar aufgelöst.

Unter solchen Bedingungen kann Thermik

leichter entstehen, da weniger Energie für

die Umwandlung der Umgebungsluft in ei ­

ne konvektive Schicht benötigt wird. Bei völ ­

lig abgebauter Inversion und genügend

Feuchtigkeit in der Luft, können jetzt auch

Überentwicklungen und damit Schauer

oder sogar Gewitter entstehen.

Konvergenzen

Für dje Sege lfliegerische Praxis ist eine spe­

zie lle Form von Zonen niederen Luftdrucks

(und damit aufsteigenden Luftmassen) wich­

tig, die sog. Konvergenzen. Sie sind oft die

Autobahnen für den Strecken-Segelflug.

Wetterkundler erkennen sie an den zusam­

menlaufenden Strom linien am Boden, die

einen horizontalen Massezufluss anzeigen.

(Bild 5). Daher das aus dem Lateinischen

(konvergieren = sich zu einander hin nei­

gen) abgeleitete Wort Konvergenz.

Da die Luftteilchen aber nicht einfach ver­

schwinden können, muss es in Konvergen z­

zonen zwangsläufig zu aufsteigenden Luft­

massen kommen. Diese kühlen sich mit den

schon bekannten 1° C/100 m ab und erzeu­

gen so automatisch unterhalb der Basis ei ­

ne indifferente (keine labile!) Schichtung

der Umgebungsluft. Das erleichtert die Bil ­

dung von Thermik und Quellwolken enorm

und so können sich ent lang von Konver­

genzlinien schöne Aufwindreihungen aus­

bilden.

Spezielle Sonderformen von Konvergenzen

sind für uns Segelflieger so wichtig, dass es

sich lohnt, solche häufig auftretende Fälle

ausfüh rli cher zu behandeln. Dazu zählen

Konvergenzen bei Seewind oder über den

Graten hoher Gebirgszüge. Selbst im Mittel ­

gebirge entstehen sie relativ häufig und las­

sen sich fliegerisch nutzen.

Konvergenzen im Gebirge

Eine wichtige Art von Konvergenzen ent­

steht häufig über Gebirgszügen, die schon

durch ihre ortegraphische Gestaltung eine

bevorzugte Entwicklung der Thermik und

von Quellwolken begünstigen. Es entsteht

ein "H itzetief", das die Luft aus der weiteren

Umgebung ansaugt und einen spürbar kräftigen Talwind erzeugt.

ln ei nigen Fällen trennen die Bergrücken

auch zwei unterschiedliche Luftmassen

vone inander, die dann erst am Gipfelgrat

aufeinander treffen. Speziell wenn relativ

feuchte Luft von der einen und trockene

Luftmassen von der anderen Seite zusam­

men f ließen, ergeben sich teilweise hervor­

ragende Möglichkeiten für schnelle, ausge­

dehnte Streckenflüge.

Die nächste Grafik (Bild 6) zeigt diesen Fall.

Die über dem Meer mit Feuchtigkeit aufge­

ladene Luftmasse drückt hier von links he­

rein und zeigt oft auf der Luvseite ausge­

dehnte niedrige Bewölkung. Sobald sie

sich mit der trockenen, meist warmen Luft

auf der anderen Seite vermischt, entsteht

eine schlagartig höhere Basis. Die zugehö­

rige Stufe markiert deutlich die Konver­

genz, unter der die bessere Thermik anzu­

treffen ist.

Ein Musterbeispiel für diese Verhältnisse

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Bild 7: Quellwolken über dem Atlasgebirge am 5· Juni 2012

findet sich relativ häufig im Atlasgeb irge in

Marokko: Feuchte und kalte Luft wird vom

Atlantik her mit einer nordwestlichen Strö­

mung gegen die von Südwest nach Nordost

ausgerichtete Gebirgskette getrieben . Sie

vermischt sich dann mit der auf der Saha ­

ra -Seite liegenden trockeneren Luftmasse

oder wird über dem Festland einfach nur

aufgewärmt und beim Übergang über den

bi s zu 4000 m hohen At las labilisiert. Je

nach Feuchtegehalt entstehen ausge­

dehnte Konvergenzen, die von flachen Cu­

muli bis zu ausgeprägten Gewittern rei ­

chen. Entlang der Höhenzüge lassen sich

dann in bester Thermik große Strecken zu ­

rücklegen.

Das Satellitenbild (Bild 7) zeigt die Wetterla­

ge an einem Tag, an dem Bernd Dolba auf

einer ASW 22 BE von Quazarzate aus ein

Flug über 1300 km gela ng. Sehr schön zu se­

hen an den kurzen, quer zum At lasgebirge

ausgerichteten, kurzen Aufreihungen: Feuch­

te Luft wurde mit einer nord-bis nordwest­

lichen Strömung vom Atlantik heran ge­

führt. Sehr gut sind auch die Überentwick­

lungen in Teilen des Atlas zu erkennen. Klei ­

ne, kompakte Cumuli würde das Satelliten­

bild gar nicht darstellen.

Einfluss von Wolken auf die Thermik

ln diesem Kapite l werden wir weitere Ef­

fekte kennenlernen, die die Steigwerte be­

einflussen können und durch die Wolken

selbst bestimmt werden. Sie sind in der

Regel weniger bedeutsam als die bi sher

besprochenen Faktoren, aber trotzdem

spürbar.

Blauthermik vs. Wolkenthermik: Der

"Wolkenturbo"

Aus eigenen Beobachtungen wissen Se­

gelflieger, dass bei Blauthermik das Steigen

tendenziell schwächer ist, Wolkenthermik

dagegen, relativ gesehen, bessere Aufwinde

liefert. Außerdem gilt, mit zunehmend hö­

herem Basisniveau wird auch das Steigen

besser. (ln Blauthermik gilt als Faustformel:

1 m/sek durchschnittliches Ste igen pro 1000

Meter "Basishöhe". Bei Wo lkenthermik et­

wa 1,5 m/sek pro 1000 m Höhe. Starke Bärte

erzielen ungefähr die doppelten Werte!).

Auch hier liefert die Feuchtigkeit eine schlüs­

sige Erklärung für diesen "Wolkenturbo"!

Steigen an der Wolkenbasis

Es gibt Tage, da ziehen die Bärte direkt un­

terhalb der Basis am besten. Oft sind es die

dunkelsten Ste llen der Wolke, an denen tat­

säch lich auch mehr Feuchtigkeit konden ­

siert und größere und deshalb auch dunk­

lere Wolkentröpfchen erzeugt werden. ln

extremen Fällen zeigt die Wo lke se lbst eine

Art Bart, der nach unten aus der Basis he­

raus hängt und signalisiert, hier konden­

siert besonders viel Wasserdampf. Da diese

Stellen relativ zuverlässig die Stelle des

stärksten Steigens markieren können, wer­

den diese Wolken als "Fetzensauger" in Se­

gelfliegerkreisen besonders geschätzt.

Leider ist der Begriff insofern irreführend,

als er das genaue Verständnis der physika ­

lischen Zusammenhänge erschwert: Denn

die geläufige Theorie, dass die Wolke

"zieht", also selbst einen "Staubsauger-Ef­

fekt " erzeugt, ist zwar sehr anschaulich,

METEOROLOGIE

aber unsinnig. Um wirk li ch "saugen" zu

können, müsste die Wolke einen Unter­

druck erzeugen. Der würde dazu führen,

dass Luft aus allen Richtungen, also auch

von der Seite und von oben in diesen Be­

reich hinein strömen würde. Die Wolke wür­

de sozusagen implodieren! Das kann's also

nicht se in!- Und was ist mit Wasserhosen

und Tornados? - Da sieht man doch sogar

den "Saugrüsse l"? ! - Auch sie sind nichts

anderes als besonders kräftige Aufwinde,

die in einem Cumulo-N imbu s münden und

sich nach oben fortsetzen. Die nachströ­

mende Umgebungsluft wird dabei in Dre­

hung versetzt. Genau w ie bei einem in der

Badewanne gezogenen Stöpsel, wo das

Wasser trichterförmig im Abfluss ver­

schwindet, ohne dass das Wasser wirklich

segel e1 · 5 I 2013 23

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METEOROLOGIE

answärme verringert die normale Abküh ­

lungsrate.) Eine Quellwolke wird solange

wachsen, bis die "Wolkenluft" nicht weiter

steigen kann. An guten Tagen behindert

den weiteren Aufstieg normalerweise eine

Inversion oder gelegentlich auch eine sehr

trockene Luftschicht, die ebenfall s wie eine

Inversion hemmend wirken kann (Bild g).

Sobald die Wolke beginnt, sich mangels

Thermiknachschub aufzulösen, wird die

vorher frei gewordene Kondensationswär­

me wieder verbraucht. Dieser Vorgang wird

im Bild 10 dargestellt. Um die Effekte leich­

ter berechnen zu können, nehmen wir an,

dass der "Mittel- bzw. Schwerpunkt" der

Wolke genau auf halber Höhe zu finden ist.

ln diesem Fall würde die Wolkentemperatur

an dieser Stelle um ca. -so C sinken, während

sich die Wolke wieder komplett auflöst.

Neue Quellungen, die durch frische Aufwin -

Bild 8: Ein Tornado hat eine scharf abgegrenzte Spur der Verwüstung hinterlassen de entstehen, verdrängen jetzt die alte, ver­

dunstete Wolkenluft und diese fängt an

abzusinken. Sobald das Absinken einsetzt,

"abgesaugt" wird . Corioliskraft und Zentri­

fugalkräfte rund um den Aufwind formen

schließlich den charakteristischen Rüssel.

Nur der "Abfluss" ist nach oben gerichtet, statt nach unten.- Die Zerstörerische Kraft

des Tornados entfaltet sich am Boden nur

auf relativ kurze Distanzen von wenigen

Flugzeugspannweiten. Und die katastro­

phalen Schäden werden nicht durch die re­

lativ geringe Saugwirkung verursacht. (Der

Unterdruck im Zentrum erreicht in etwa

100 hpa). Für die Verwüstungen sind die ex­

trem hohen Windgeschwindigkeiten von

mehr als 400 km / h am Rande des Schlauchs

verantwortlich (Bild 8).

Zurück zu den Steigwerten unter den Wol-

ken. Sie sind viel besser mit den schon so

a usfü hrl ich dargestellten Feuchte-Unter­

schieden und den Cumuli selbst erklärbar.

Im folgenden Abschnitt werden wir deshalb

das bessere Steigen bei Wolkenthermik mal

genauerunter die Lupe nehmen.

Das folgende Bild illustriert die Verhältnisse

in einer aktiven Quellwolke: Thermikluft

kühlt sich unterhalb der Basis mit 1°C pro

100m ab. Sobald die Luft die Basis einer Cu ­

mulus-Wolke ausgebildet hat, weil die

Feuc~tigkeit kondensiert, steigt die Luft in ­

nerhalb der Wolke weiter, aber die Tempe­

raturabnahme mit der Höhe beträgt jetzt

nur noch 0,5° C/100 m. (Die beim Aufstieg

kontinuierlich frei werdende Kondensati -

erwärmt sich die außerhalb der Wolke ab-

steigende Luft wieder mit 1°C/10o m (also

trockenadiabatisch, wie im nächsten Bild als dicker roter Pfeil nach rechts unten dar­

gestellt). Die Umgebungsluft bringt außer­

dem die Ausgangs-Feuchte aus der Höhe

mit. Ihre (relativen) Feuchtewerte sind aber

beim Erreichen der Walken-Untergrenze

geringer als diejenigen direkt an der Bas is.

Damit gibt's nahe an der Basis zwischen

Bart und Umgebung deutliche Unter­

schiede in der Relativen Feuchte. Je höher

die Wolken hinauf reichen, desto signifi­

kanter wird dieser Effekt .. . ! Und je größer

die Feuchte-Differenzen, desto höher der

Auftrieb eines Bartes unterhalb einer neu-

Bild g: Temperaturabnahme in einer Quellwolke erfolgt feuchtadiabatisch

Bild 10: Bei der Verdunstung einer Wolke wird Energie verbraucht

2000 m

1000 m

Basis

Rel. Feuchte in der Wolke: 100%

24 segel 1ege · 5 I 2013

Temperatur-Verlauf der Thermikluft

2000 m

1000 m

Basis

,- -, Rel. Feuchte in ,, ' ' ,_ der Wolke: 100% ).

\, Durch die Verdunstung der Wolke ( wird die vorher frei gewordene

Angenommener \ Kondensations-Energie wieder Mittelpunkt ~ """"r--. verbraucht: Die Temperatur sinkt

/,- !., wieder auf den "normalen" Wert, 1 den ein "trockener" Aufwind in \ dieser Höhe gehabt hätte .. ~: , __ _

Aufw t

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'•'k

2000 m

Hoh' ~lJk€'

, I

METEOROLOGIE

.......... / • 2900m

~I-~,

I ~,

I ' A I I .. und die absteigende Luft in der

Umgebung erwärmt sich pro 1OOm wieder um +1 ' C. - Sie nimmt den

...... ...... --------- - ----~~~ - -- --- 2500m

----------------1---·-I

\ ""'\. I '

I I I I

'. ~ "1 .. \ ~ '....;.. ', J vorher verdunsteten Wasserdampf

/ ', ~ mit und die Relative Feuchte ~

~ .. ~,~ 1000 m I I I I , '

I ' I ',

' ' ',. ' Rel. Feuchte der I I l .Jaupunkr

Sehr trockene Luft aus dem versions- bzw. Wolkenbereich

sinkt im Austausch zur Thermik ab und reichert die

100 % '· _,--~~' 87% Umgebung

Basis

0 I bzwf .. Feuchte" I d'f Aufwinds I I I I

Umgebungsluft weiter an.

Original Taupunkts· kurve = Feuchte der

Umgebungsluft

~\ I \ I { Adiabate, bzw.

Neuer Aufwind Temperatur der Thermik

Bild 11: Die verdunstete Wolkenluft erwärmt sich bei ihrem Abstieg wieder trockenadiabatisch

Bild 12: Eindringen der Thermik bzw.. Wolken in die Inversion

Bild 13: Wolken verbessern die Steigwerte insgesamt Bild 14: Umgebungsluft ist weniger feucht, damit schwerer und sinkt deshalb ab

lnversiol" -- -...,. 2 Wolkenluft

-- - .. ....:J:t~/ b;ingt Feuchtigkeit 1 c ) 2900 m ~ \ in diesen Bere1ch Inversions-- ~ - h

_ ::::.::.:.::.:.-_-:._-_-_-_:-_::~\::-:~:.::.-:_-:_-_- _____ _f~~r~~c _____ ~- ~ ----- 2500 m

--t \<=J 3. Die Taupunktskurve verschiebt sich hier nach links. Die relative Feuchte der Umgebungsluft nimmt unterhalb der Inversion ob.

\ : I

\~1 \ ' ' ' ' ' ~ ,~ I , : I ~ I

\ : Neue

Taupunkts­kurve

L I \ \ I ' '(

4. Die Feuchte-Differenz zwischen Bart und Umgebungsluft nimmt mit der Höhe zu. - Das Steigen wird besser!

' ' / /

en Wolke daneben. (Dieser Effekt ist bereits

im Januar-Heftvon segel ausführlich

beschrieben). Die Grafik in Bild11 macht die­

sen Zusammenhang deutlich ..

ln der Realität hängen die tatsächlichen

Verhältnisse natürlich nicht ausschließlich

von der Höhe, sondern auch Größe und

Form der Wolken ab.-

Die Inversion als Thermik-Turbo Eine Inversion, (wie sie an guten Tagen

immer vorhanden ist), verstärkt die Feuch­

te-Unterschiede unter Umständen drama­

ti sch .. Der Grund? Wolken erleichtern durch

ihre mit der Höhe weniger stark absinkende

Temperatur das Eindringen in die Inversion.

Im Austausch wird sehr trockene Luft aus

diesem Bereich absinken und die Umge­

bungs luft unterhalb der Basis anreichern.

Als Folge verg rößern sich damit auch die

Feuchte-Differenzen zwischen Aufwind

und Umgebung weiter und damit der

Auftrieb der Bärte .. Die Aufwinde werden

insgesamt stärker und das Steigen nimmt

bei hohen Wolkenuntergrenzen Richtung

Basis zu. Zum besseren Verständnis analy­

sieren wir noch mal den Temp aus der Juni

Ausgabe von segel .. Der Fokus liegt

dabei auf den Feuchte-Werten (Bild 12). Die grün gestrichelte Linie in Bild 12 zeigt die

morgendliche Messung des Taupunkts der

Umgebungsluft. Die blau gestrichelte Linie

entspricht der Linie gleichen Mischungsver­

hältnisses .. Sie repräsentiert quasi die Ent­

wick lung der Relativen Feuchte im Bart, bis

sie schließlich am Schnittpunkt mit dem

Temperaturverlauf der Thermik (der dün­

nen rote Linie, bzw. der Trocken-Adiabate)

in Form einer Wolke kondensiert.

Hier liegt also die Ursache für ein allen Se­

gelfliegern bekanntes Phänomen - Wol­

kenthermik liefert in der Regel bessere Auf­

winde als Blauthermik (Bild 13). Ein Effekt.

der sich besonders an Tagen mit trockene­

rer Luft und hohen Wolkenbasen bemerk­

bar macht.

Zellstrukturen und Aufwindreihungen Die gle ichen Abläufe sind auch bei der Bil-

Rel. Feuchte

dungvon Aufwind -Reihungen und Wolken ­

straßen aktiv.. Während die konvektive

Schicht durchgängig einen ad iabatischen

Temperaturgradient aufweist, also keine

Temperatur-Differenzen in der Höhe zwi ­

schen den Aufrei hungen messbar sind, sta ­

bilisieren die absi nkenden Luftmassen zwi­

schen den Wolken durch ihren geringeren

Feuchtegehalt diesen Bereich . Damit för­

dern sie die geordnete Ausbildung von Ther­

mikstrukturen.

Man beachte die Unterschiede in der Rela ­

tiven Feuchte im Bild 14. Zwischen der Wol ­

kenluft an der Basis (1oo%) und den Freiräu­

men dazwischen (hier ein Beispiel mit 65%)

besteht also ein signifikanter Unterschied ..

Die Luft zwischen den Wolken ist nicht so

leicht wie die (feuchtere und deshalb leich­

tere!) Thermik und si nkt ab .. Dabei erwärmt

sich die Luft weiter und löst so eventuell

noch vorhandene Walkenreste kam plett

auf.

Bei Windstille entstehen so charakteristische

Zellstrukturen, die auch gut im Satelliten-

segelfliegen · 5 I 2013 25

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METEORCLOG I E

Kommentar im OLC von Wilfried Großkinsky:

iMZ'J!k.~l!l ,.Das war bisher der beste Tag in diesem Jahr. Die Aufgabe um Frankfurt herum war die richtige Entscheidung .Der frühe Start ermöglichte die Ausnutzung des ganzen Tages. Eitel, Hunsrück, Saarland, Pfälzer-Wald und Odenwald liefen hervorragend bei kaum merkbarem Wind. Alle Wetterprognosen waren richtig. Jede Wolke

~"-•·-'·'llr' ging, wobei immer wieder Wolkenstraßen auf Kurs standen. - Zum Schluß machte die

Bild 15: Charakteristische Bewölkung an einem " Hammertag" im Westen Deutschlands

nisse noch nicht ausreichen, um die

verschiedenen Ursachen, die zu den gefun­

denen streifenförmigen Verteilungen führen,

eindeutig angeben zu können ". Auch hier

liefert also die Feuchtigkeit eine schlüssige

Erklärung.

Thermik unter Windeinfluss Thermik bei starkem Wind

Auch Wetterlagen mit starkem Wind kön ­

nen gute oder sehr gute Thermik abgeben.

Allerdings wird die bodennahe Luftschicht

durchs Gelände und Bewuch s so stark

durch mi scht, dass diese zwar von der Sonne

aufgeheizt werden kann, aber keine iso­

lierten Warmluftpolster mehr entstehen

können. Innerhalb dieser (überwärmten)

bodennahen Luft-Schicht ist es deshalb

schwierig, ausfliegbare Aufwinde zu finden,

während weiter oben die Kameraden noch

wegsteigen können. Auch hier haben wi r ei ­

ne ,.Rote Zone", in die man besser nicht ab­

gleiten sollte und auch hier greift das Prin­

zip Feuchte: Einzelne isolierte Blasen, die

aus dieser überwärmten Grundschicht auf­

steigen, si nd zwar anfangs zu schwach oder

zu "eng", um ein Segelflugzeug ,.tragen " zu

können, aber auch sie kühlen sich beim wei­

teren Aufstieg kont inuierlich ab. Der in der

Blase bereits vorhandene Wasserdampf

bleibt erhalten und damit die von unten

mitgebrachte Feuchte, die später eine Wol ­

ke ausbilden wird.

Beim weiteren Aufstieg nimmt also die rela ­

tive Feuchte stä ndig zu. Solange dieser

"Feuchtevorsprung" gegenüber der Umge­

bungsluft erhalten bleibt, wird die Blase

bzw. der Schlauch sich weiter beschleuni ­

gen. Irgendwann wird er schneller ste igen

als das Eigensinken des Sege lflugzeugs, das

in ihm kreisen will und aus der Blase ist ein

echter, ausfl iegbarer Bart geworden. Mit

Bild 16: Großräumig ausgeprägte Wolkenstraßen über Russland und der Ukraine zunehmender Basishöhe wird auch das

bild zu sehen sind. Bei nur etwas Wind da­

gegen reihen sich die Wolken entsprechend

auf und erlauben uns, hohe Schnittge­

schwindigkeiten zu fliegen (Bild 15). Natürl ich sind diese konvektiv erzeugten

Strukturen unter Meteorologen bestens

bekannt. Erstaunlicherweise scheint es aber

bi sher keine wissenschaftlich genaue Erk lä­

rung über die Ursachen gegeben zu haben.

26 segel e - 5 I 201 3

Diesen Schluss lässt zumindest ein

Kommentar von Manfred Kreipl zu, der in

seinem Buch, ,.Wolken Wind und Wellen­

flug" (Motorbuch Verlag, 1979) eine Über­

sicht mit dreizehn Autoren zu diesem

Thema zusammengestellt hat, die diese

Effekte beschreiben.

Er vermerkt aber auch, " ... dass trotz aller

Fortschritte unsere derzeitigen Erkennt-

Steigen zunehmend besser und rund er.

Wolkenstraßen

Flugtage mit starkem Wind bieten nicht nur

Risiken, sondern auch Chancen. Wenn die

Luftmasse nicht zu trocken ist, können sich

großräumig Wolkenstraßen ausbilden, die

ebenfa ll s traumhafte Bedingungen bieten

können. Unter günstigen Umständen er­

möglichen sie entspanntes Delphinfliegen

überhundertevon Kilometern (Bild 16).

Page 30: Die Seele der Thermik - SGBern · 2019. 7. 17. · Thermik, das unbe kannte Wesen! ln dieser und den folgenden Ausgaben von "segelfliegen" wird versucht, einige der zuvor aufgeworfenen

METEOROLOGIE

Bild 17: Auf dem Weg zum Ziel rechtfertigen Aufwindreihungen Umwege mit signifikanrten Kursabweichungen

Praxistipp Es lohnt sich immer, auf Wolkenstrassen zu

achten. Selbst Kursabweichungen von bis

zu 30 Grad sollte man in Kauf nehmen,

\)\.\~ ~tc.t\.f~A~

wenn dadurch bessere "Energie lin ien" an­

getroffen werden (Bild 17). Beim Fliegen nahe an der Basis sind Aufwind­

reihungen allerdings nicht immer gut zu er-

kennen. Jetzt genügt ein Blick Richtung Bo­

den. Anhand der Wo lkenschatten lassen

sich solche Strukturen trotzdem sehr gut

ausmachen.

segel liegen · 5 I 2013 27