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Die sozialreformerischen Ideen von Josef Popper-Lynkeus (1838-1921) im Zusammenhang mit allgemeinen Reformbestrebungen des Wiener Bürgertums um die Jahrhundertwende by Ingrid Belke Review by: Fritz Neumark FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 37, H. 2 (1979), pp. 359-360 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40911505 . Accessed: 12/06/2014 15:09 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 194.29.185.216 on Thu, 12 Jun 2014 15:09:47 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Die sozialreformerischen Ideen von Josef Popper-Lynkeus (1838-1921) im Zusammenhang mit allgemeinen Reformbestrebungen des Wiener Bürgertums um die Jahrhundertwendeby Ingrid Belke

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Die sozialreformerischen Ideen von Josef Popper-Lynkeus (1838-1921) im Zusammenhang mitallgemeinen Reformbestrebungen des Wiener Bürgertums um die Jahrhundertwende byIngrid BelkeReview by: Fritz NeumarkFinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 37, H. 2 (1979), pp. 359-360Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40911505 .

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Besprechungen 359

Ingrid Belke: Die sozialreformerischen Ideen von Josef Popper-Lynkeus (1838-1921) im Zusammenhang mit allgemeinen Reformbestrebungen des Wiener Bürgertums um die Jahrhundertwende. Verlag J.C.B. Mohr (Paul Siebeck). Tübingen 1978. 296 Seiten. Ist heute von Popper die Rede, so denken so gut wie alle Wirtschaftstheoretiker

sogleich an den zu Weltberühmtheit gelangten Sir Karl R.Popper, den hervor- ragenden Methodologen und Erkenntniskritiker. Kaum irgendjemand der heutigen GeneratioD (eine Ausnahme bildet etwa der amerikanische Historiker W. M. Johnston), selbst wenn er zufällig Wiener sein sollte, weiß dagegen noch etwas von Josef Popper, einem Verwandten Karl Poppers, und es ist alles andere denn Zufall, daß in sämt- lichen mir bekannten großen Handwörterbüchern der Wirtschafts- und Sozial- wissenschaften nicht einmal im Personenregister der Name Popper-Lynkeus zu fin- den ist. Das war kurz vor und auch noch nach dem Ersten Weltkrieg anders. So er- fuhr ich selbst von den wichtigsten Wirtschaftsreformideen Poppers in den ersten von mir in Jena besuchten nationalökonomischen Kollegs, insbesondere denen Gerhard Kesslers. Die einzige ausführliche Auseinandersetzung eines „reichsdeut- sehen" Ökonomen mit Poppers „Nährpflicht"-Projekt stammt von W. Kromphardt (1925).

Ist es berechtigt, den Mann und sein Werk der Vergessenheit zu entreißen, wie das in dem vorliegenden Buch geschieht? Speziell der dogmenhistorisch interessierte Wirtschaftswissenschaftler sowie - in vielleicht noch stärkerem Maße - der moderne Sozialhistoriker wird diese Frage sicherlich bejahen. Die Verfasserin, bereits wohl- bekannt durch ihre Edition der Briefe von M.Lazarus und H. Steinthal, den Be- gründern der Völkerpsychologie (die außerordentlich interessante „Einleitung" Belkes umfaßt mehr als 120 Seiten), sucht in ihrem neuesten Werk - einer Basler Dis- sertation - die sozial- und wirtschaftsreformerischen Ideen ihres „Helden" in die großen Zusammenhänge solcher Bestrebungen und Strömungen um die Jahrhundert- wende einzuordnen und die Persönlichkeiten zu charakterisieren, die Popper beein- flußt haben und insbesondere diejenigen, die ihrerseits von ihm aufs tiefste beein- druckt waren.

Es ist an dieser Stelle unmöglich, mehr zu bringen als ein paar Worte über den allgemeinen Charakter der Belkeschen Arbeit und einige Bemerkungen über die Projekte Popper-Lynkeus1 , die in erster Linie wirtschaftspolitische (zugleich freilich auch sozialethische) Ziele verfolgten.

Was den ersten Punkt betrifft, so sind die ungemeine Klarheit der Darstellung, der flüssige Stil, die unübertreffliche Sorgfalt in der Benutzung von - vielfach bis- her noch nicht bekannten - Quellen sowie die Tatsache hervorzuheben, daß die Ver- fasserin sich Poppers Persönlichkeit und seinen Ideen gegenüber nie zu überschweng- lichem Lob hinreißen läßt, sondern stets die gebotene kritische Distanz wahrt. Daß Popper zu seinen Lebzeiten eine für uns nur mehr schwer verständliche Faszination ausgeübt hat, wird freilich in Belkes Darstellung ganz deutlich. Auch ein Blick auf die beigefügten Bilder, nicht zuletzt das im Wiener Rathauspark (wieder) aufge- stellte Popper-Denkmal, läßt ahnen, daß es sich bei Popper um eine ungewöhnliche Persönlichkeit gehandelt hat.

Was nun seine sozial- und wirtschaftspolitischen Reformprojekte anlangt, so sind diese teilweise nur dann zu verstehen, wenn man sich daran erinnert, daß Popper von Haus aus Naturwissenschaftler war. Zutreffend bemerkt die Verfasserin (S. 172), daß Popper mit seinem Hauptwerk (sc. „Die allgemeine Nährpflicht als Lösung der sozialen Frage", 1912) „die Reihe jener Naturwissenschaftler fortsetzt, die Be- trachtungsweise und Methode ihres ursprünglichen Fachs auf das der Ökonomie übertrugen und daher sehr »modern4 dachten", wie Petty, Quesnay und Dupuit. Daß damit zugleich Gefahren verbunden sein können, zumal wenn man die essentiellen Unterschiede zwischen Natur und Gesellschaftlich-Politischem vernachlässigt, liegt freilich auf der Hand, und eben daher kommt es denn auch bei Popper zu Projekten, deren utopischer Charakter etwa dem des physiokratischen „impôt unique" nicht nachsteht. Die Frage der (Durchsetzungs-)Macht stellt sich für ihn überhaupt nicht.

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360 Besprechungen

Diese Bedenken gelten insbesondere für alles, was mit der Popperachen Idee einer „Nährpflicht" und der damit eng verbundenen allgemeinen Arbeitspflicht zu- sammenhängt, aber auch mit der Autarkie, die kurz vor und dann nochmals nach dem Ersten Weltkrieg fröhliche Urständ feierte. (Die Verfasserin weist hier wie auch sonst immer gebührend auf Vorgänger hin, wie Bellamy und Ballod.) Im Grunde strebte Popper eine „gemischte Wirtschaftsordnung" an (S. 173 f.), die sich aller- dings von der heutigen stark unterscheidet. Aber wenn auch seine Berechnungen (etwa des vom Staat via „Nährpflicht" zu gewährleistenden „allgemeinen Existenz- minimums") formal „exakt" sind - sie, ja überhaupt der ganze Plan, leiden doch, wie Beiice (S. 181) richtig betont, unter der „Vernachlässigung der politischen Voraussetzungen und Konsequenzen". Dazu kommt, wie ich ergänzend bemerken möchte, die Unmöglichkeit, zumal in einer dynamischen Wirtschaft eine halbwegs praktikable „Unterscheidung zwischen primären und sekundären Bedürfnissen", wie Popper sie postuliert, vorzunehmen und innerhalb eines Staates die drei Formen „Pflicht- (oder Zwangs-) Wirtschaft", „freie Staatswirtschaft" und „freie Privat- wirtschaft" (S. 163 ff.) scharf voneinander zu sondern. Was überdies namentlich der Finanzwissenschaftler vermißt, ist die klare Herausarbeitung des Systems und der Funktionen der Besteuerung in einem solchen Staate und der Beziehungen zwischen Steuern i. e. S. und den Naturalleistungen der sogen. „Nährarmee", ganz abgesehen von dem Problem der Aufbringung der Entschädigungen für die zahlreichen ein- schneidenden Verstaatlichungsmaßnahmen, die Popper - wenn auch meist als nur etappenweise zu verwirklichen - vorschlägt.

Die „Arbeitsdienst" -Idee ist bekanntlich in den 20er Jahren vom „Jungdeut- schen Orden" stark propagiert worden, und sie wurde bald darauf Bestandteil der nationalsozialistischen Politik. In einer kritischen Anmerkung zu einer Äußerung Coudenhove-Kalergis legt die Verfasserin (S. 237) dar, daß wenigstens einige „Jung- deutsche" sich der „jüdischen Herkunft" ihrer Projekte durchaus bewußt waren (einer schrieb: „Also auch hier wieder ist der Jude den Völkischen zuvorgekom- men"). Im übrigen haben selbst Männer wie Rosenstock-Huessy und der ungemein wandlungsfähige W. Schlamm sich nach dem letzten Kriege für eine Wiederbelebung des Arbeitsdienstgedankens eingesetzt (S. 255, Fn. 159). Die Chancen dafür, zumal wenn von der Anwendung von Zwang abgesehen wird, scheinen mir allerdings gering zu sein, während in der modernen Mindestlohngesetzgebung oder auch dem ameri- kanischen Kampf gegen „poverty" gewisse Ansätze zur Verwirklichung Popper - scher Gedanken unverkennbar sind (vgl. S. 256ff.).

Unabhängig von Bezügen Popper&chen Gedankenguts auf gegenwärtige Probleme verdient die Belkesche Studie, die weit mehr gibt als bloß eine tiefschür- fende Untersuchung der Projekte eines Außenseiters, die Aufmerksamkeit aller, die sozialgeschichtlich und/oder dogmenhistorisch interessiert sind; bei aller akribi- schen Gründlichkeit fesselt sie den Leser vom Anfang bis zum Ende.

F. Neumark

Richard R. Klein: Kommunale Schuldenpolitik. Schriften des Deutschen In- stituts für Urbanistik, Bd. 61. Verlag Kohlhammer. Stuttgart- Berlin - Köln-Mainz 1977. 426 Seiten.

Mit dem Buch von Klein wird eine gründliche Untersuchung vorgelegt, in der alle wesentlichen Aspekte der gemeindlichen Verschuldung in der Bundesrepublik Deutschland angesprochen werden und die für den Wissenschaftler und den Prakti- ker gleichermaßen sehr lesenswert ist. Eine solche Arbeit wurde seit langem vermißt. Der Darstellung kommt besonders zugute, daß sich der Verfasser in den Details der institutionellen Rahmenbedingungen und in der Praxis der vielfältigen staatlichen Reglementierungen (um nicht zu sagen: Gängeleien) der kommunalen Schulden- wirtschaft gut auskennt.

Die Betonung der Arbeit liegt, wie ihr Titel ausweist, auf der Schxûdenpolitik : So untersucht Klein im letzten der fünf Kapitel seines Buches, welche Grundsätze

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