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Die Stars von Kantanong

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Nr. 165

Die Stars von Kantanong

Er kommt aus dem Nichts - und hällteine Welt in Atem

von H. G. Francis

Auf den Stützpunkten der USO, den Planeten des Solaren Imperiums und den üb-rigen Menschheitswelten schreibt man Ende September des Jahres 2843.

Die Krise, die von Komouir, dem auf der galaktischen Eastside gelegenen Fundortwertvoller Schwingkristalle, ausging und Lordadmiral Atlan veranlaßte, gemeinsammit Froom Wirtz, dem Instinktspezialisten, und Terrania Skeller, einem parapsychischbegabten Kind, der Welt der Schatzsucher einen Besuch abzustatten, ist ausgestan-den.

Der Chef der USO überlebte das Wirken von Kräften, die ganze Planeten und de-ren Bewohner zu hilflosen Spielbällen machten.

Dank Skanmanyon oder dessen Überrest, der sich in dem zerstörten Körper Terra-nia Skellers festsetzte und das Mädchen auf unnatürliche Weise am Leben erhielt,gelang es Atlan auch, den Kriegsplaneten der Akonen unbeschadet wieder zu verlas-sen.

Jetzt weilt der Arkonide wieder in Quinto-Center, seinem Hauptquartier, ohne vor-erst überhaupt zu ahnen, daß auf Gostacker, dem Mond eines unwirtlichen und ga-laktopolitisch unwichtigen Planeten ein geheimnisvoller Fremder namens Chapat ent-deckt wird, der im Leben des Lordadmirals noch eine wichtige Rolle spielen soll.

Doch Chapat macht schnell von sich reden, als er Kantanong erreicht, den Show-Planeten der Galaxis. Binnen kurzem wird der junge Fremde zu einer Berühmtheit.Er reiht sich ein unter DIE STARS VON KANTANONG …

Die Hautpersonen des Romans:Chapat - Er kommt aus dem Nichts und hält eine ganze Welt in Atem.Kayro Moozong - Präsident der Galactic Music Corporation.Galaxia Temona - Ein Sternchen soll zu einem Star gemacht werden.Pierre Bodanski - Chapats Freund und Helfer.Ramon Hablish - Boß der Madria von Kantanong.Atlan - Der Lordadmiral hört Ischtars Lied.

1.

»Bleiben Sie ganz ruhig. KonzentrierenSie sich. Und machen Sie sich vor allem kei-ne Sorgen. Sie haben es geschafft. Die Tat-sache, daß Sie es erreicht haben, bis in dasAllerheiligste des GMC vorzudringen, sollteIhnen Beweis genug dafür sein. Wer bishierher kommt, ist praktisch schon ein rei-cher Mann. Glauben Sie mir, Sie brauchennur noch den Mund aufzumachen.

Sollte uns nicht auf Anhieb gefallen, wasSie daraus hervorbringen, werden wir diemoderne positronische Technik einsetzenund alles bereinigen. Sie sehen also, Sie ha-ben keinen Grund, nervös zu sein.«

Kayro Moozong schnaufte hörbar. Er leg-te dem Kandidaten die Hände an den Kopfund tätschelte seine Wangen. Dann wandteer sich um und glitt davon.

Veyno wartete, bis die transparenten Tü-ren sich hinter dem Verrenger geschlossenhatten. Er war verwirrt. Man hatte ihm Moo-zong als eiskaltes Wesen geschildert, aberdas war er bestimmt nicht. Der Präsident derGalactic Music Corporation machte viel-mehr den Eindruck eines umgänglichenPartners, der bemüht war, junge Talentenach Kräften zu fördern und ihnen über dieAnfangsschwierigkeiten hinwegzuhelfen.

Zuerst war Veyno erschrocken gewesen,als er den Verrenger gesehen hatte. Moo-zong glich einer plump gebauten Schlange.Sein Oberkörper ragte etwa 2,70 Meter hochauf. Der waagrecht verlaufende Teil desKörpers war etwa fünf Meter lang und einenMeter hoch. Er wurde von fünf Reihen klei-ner Füße getragen. Der Nacken wurde vongezackten Hautfalten geziert, die sich feuer-

rot bis zum nach hinten schwingenden Teildes Körpers herabzogen. Die gleiche Farbehatte auch der buschige Schwanz, währendKayro Moozong ansonsten ein zartblauesFell hatte.

Veyno setzte sich die Kopfhörer auf. DerVerrenger fuhr seine beiden Stielaugen weitaus und richtete sie auf ihn. Aki Axxy, derAgent, saß gelassen neben ihm und blättertein seinen Papieren. Er schien überhaupt keinInteresse daran zu haben, wie gut oderschlecht Veyno abschnitt. Wie bei einem somodern eingerichteten Studio zu erwarten-war, wurden sämtliche technischen Vorgän-ge von den positronischen Einrichtungen ge-steuert.

Moozong gab Veyno ein Zeichen. DerKandidat begann zu singen. Er fühlte sichwirklich frei. Schon nach den ersten Taktenmerkte er, daß heute alles über Erwarten gutgelang. Seine Stimme klang einwandfrei.Veyno war mit sich zufrieden.

Kayro Moozong neigte sich leicht vor.Seine Hand legte sich auf die Tasten. Veynoerwartete das berühmte Kreuzen der Hände,mit dem der Musikboß seinen Kandidaten zuverstehen geben pflegte, daß sie sich vonnun an um ihre Finanzen keine Sorgen mehrzu machen brauchten.

»Danke«, sagte Moozong. Seine Stimmeblieb kühl und distanziert. »Lassen Sie sichan der Kasse die Spesen geben. Der Näch-ste, bitte.«

»Aber, Sir, ich bin doch noch gar nicht…«, begann Veyno stammelnd.

»Stehlen Sie mir nicht meine Zeit. Ma-chen Sie Platz für den nächsten Kandida-ten.« Die Stielaugen des Verrengers blicktenihn zornig an. Aki Axxy, der Agent, beugtesich vor und schaltete ein vor ihm stehendes

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Mikrophon ein.»Gehen Sie, Veyno. Machen Sie sich

nicht unglücklich. Damit geht doch die Weltnicht unter.«

Veyno nahm bestürzt die Kopfhörer ab.Er fühlte sich elend. Ihm war, als habe er so-eben sein Todesurteil vernommen. Schlagar-tig durchschaute er das ganze Gehabe Moo-zongs. Die freundliche Geste am Anfang derProbe war völlig bedeutungslos gewesen.Diese Worte sagte er jedem Kandidaten, dersich hier vorstellte. Das Urteil war endgültigund nicht mehr zu revidieren.

Durch die Tür kam ein blonder Mann her-ein. Er wirkte verkrampft und unsicher.Kayro Moozong erschien neben ihm, legteihm einen Arm um die Schulter und machteihm mit den gleichen Worten Mut, mit de-nen er auch Veyno aufgemuntert hatte.

Als sich die Türen geschlossen hatten,setzte der Blonde die Kopfhörer auf. Er hol-te Luft für die ersten Töne, als Aki Axxyplötzlich aufsprang. Kayro Moozong richte-te sich noch höher auf als sonst, und seineStielaugen bogen sich weit nach vorn. ImStudio ging das Licht an.

Verwirrt legte der Blonde die Kopfhörerab. Er verstand die Erregung nicht. Siekonnte nicht auf ihn zurückzuführen sein, daer noch nicht einen einzigen Ton von sichgegeben hatte. Er drehte sich um. Drei Me-ter hinter ihm stand ein hochgewachsenerMann.

»Was treiben Sie im Studio?« brüllte derPräsident. »Wer sind Sie überhaupt?«

Der Fremde hatte schulterlanges Haar.Seine Haut sah bronzefarben aus. Er trug dieKleidung eines unbedeutenden Helfers, dochsie paßte nicht zu seiner Erscheinung.

Ruhig, als ob es nichts Besonderes sei,daß er hier war, blickte er sich um. SeineHaltung verriet absolute Selbstsicherheit,und er besaß die Ausstrahlung einer ganzgroßen Persönlichkeit. Das merkte auchMoozong.

»Also, bitte«, sagte er etwas leiser. »Waswollen Sie hier? Wollen Sie etwa auch vor-singen? Dann müssen Sie sich anmelden.

Mr. Axxy wird Ihnen das Nötige dazu mit-teilen. Und jetzt gehen Sie, bitte.«

In seiner Stimme klang bereits eine ge-wisse Resignation mit, denn er fühlte, daßder Fremde sich seinem Befehl nicht beugenwürde.

Der blonde Kandidat verlor die Beherr-schung.

»Wenn Sie nicht sofort tun, was Mr.Moozong sagt, dann …«, begann er, aberauch er spürte, daß seine Worte an dem un-gebetenen Gast abprallten.

»Ich meine, es geht doch um meine Chan-ce. Ich bin … Ich wollte sagen, es warschwer genug, überhaupt bis hierher zukommen.«

Kayro Moozong glitt durch die offene Türherein.

»Sie wollen mich sprechen?«Die Lippen des Fremden entspannten

sich, doch er schwieg noch immer.»Also, dann kommen Sie«, sagte der Ver-

renger seufzend. Seine Augen zogen sichtief in die Höhlen zurück. Das war ein deut-licher Ausdruck seiner Resignation.

Eine der Türen zur Kontrollkabine öffnetesich. Zwei Männer traten laut miteinanderdiskutierend ein. Sie verstummten, als sieden unerwünschten Besucher im Studio sa-hen.

»Das ist doch Lordadmiral Atlan«, sagte-einer von ihnen mit nur leicht gedämpfterStimme.

»Atlan?« fragte Kayro Moozong. SeineStielaugen kamen wieder weit aus den Höh-len hervor und bogen sich dem Unbekanntenentgegen. »Nein, Sie sind nicht LordadmiralAtlan. Sie sind jünger als der Arkonide. Siesind auch größer als er.«

»Mein Name ist Chapat.«»Na, endlich. Sie können den Mund ja

doch aufmachen. Chapat also. Und was wol-len Sie, Mr. Chapat?«

Der Fremde griff in seine Jackentasche.Er brachte einen Spielkreisel daraus hervor,der aus einem tiefblauen Material bestand,etwa sieben Zentimeter hoch und spitz warund einen Durchmesser von ungefähr fünf

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Zentimetern an seiner Grundfläche hatte.Die Tür zur Kontrollkabine war offen ge-

blieben. Einige weitere Männer und Frauendrängten sich neugierig herein. Irgend je-mand schaltete das Licht heller. Die Platten,mit denen das Studio ausgelegt war, leuchte-ten auf.

Chapat hielt den Kreisel in der Hand undblickte Moozong gelassen an. Er wartete ab.Der Verrenger wurde immer nervöser.

»Also, mein bester Mr. Chapat«, sagte erendlich. »Sie haben vermutlich keine Vor-stellung davon, was der Betrieb eines sol-chen Studios kostet. Ich habe weder Zeitnoch genügend Geld, länger darauf zu war-ten, daß Sie endlich mit Ihrem Vortrag be-ginnen. Wenn Sie nicht sofort munter wer-den, werde ich Sie aus dem Studio entfernenlassen.«

Chapat bückte sich, stellte den Kreisel aufden Boden und warf ihn mit geschickterHandbewegung an. Er begann sich schnellzu drehen. Zugleich klang eine Frauenstim-me auf. Kayro Moozong wollte etwas sagen,aber der Mund blieb ihm offen stehen. DieMänner und Frauen in der Kabine ver-stummten. Aki Axxy kam lautlos in das Stu-dio hinüber. Der Blonde blickte fasziniertauf den sich drehenden Kreisel. Chapat wicheinen halben Schritt zurück. Er beobachteteabwechselnd den Agenten und Moozong.Der Musikproduzent schloß die Augen. Sei-ne Lippen bewegten sich.

Die Frauenstimme füllte den Raum aus.Sie klang fremdartig mit einem leichten Ak-zent, den keiner der anwesenden Personeneinordnen konnte.

Die Künstlerin sang in einer unbekanntenSprache, aber das war unbedeutend. Nie-mand brauchte die Worte zu verstehen. Je-der gab sich der Musik und der Stimme hin.Chapat beobachtete, daß einige Männer undFrauen die Schultern bewegten, als ob ihnenein Schauer über den Rücken laufe.

Kayro Moozong legte seine Hände an denKopf. Er wiegte seinen Oberkörper hin undher. Völlig weltvergessen ließ er die Stimmeauf sich einwirken, bis Chapat sich erneut

bückte und den Kreisel aufnahm. Der Ver-renger schien aus seinem Rausch zu erwa-chen. Die Männer und Frauen in der Kon-trollkabine klatschten begeistert Beifall. AkiAxxy, der Agent, kam mit glänzenden Au-gen auf Chapat zu.

»Meine Güte«, sagte Kayro Moozongstammelnd. »Daß es so etwas gibt.«

Er klopfte sich mit den Handflächen ge-gen die Wangen.

»Mr. Chapat«, seine Stimme steigerte sicheuphorisch, und sein Oberkörper richtetesich hoch auf. »Mr. Chapat – ich danke Ih-nen, daß Sie zu mir gekommen sind. LassenSie sich umarmen.«

Er glitt auf Chapat zu, verzichtete jedochdarauf, ihn in seine Arme zu schließen, alser erkannte, daß der unerwartete Besuchernicht damit einverstanden war. Er fuhr her-um, streckte seinen Arm zur Kontrollkabineaus und schrie: »Tür schließen. Niemandverläßt den Raum.«

Dann wandte er sich wieder Chapat zu.Sein Gesicht verzog sich zu einem wohlwol-lenden Lächeln. Die Augen sanken tiefer indie Höhlen. In diesem Moment glich er einerterranischen Bulldogge auf verblüffendeWeise.

»Noch einmal, lieber Mr. Chapat. Gewäh-ren Sie mir dieses Glück. Noch einmal!«

Chapat ließ den Kreisel in seiner Tascheverschwinden.

»In Ihrem Büro, Mr. Moozong.«»Einverstanden. Ich bin einverstanden.

Bestimmen Sie nur über mich.«Er eilte zur Tür und bat Chapat mit über-

triebener Geste, ihm zu folgen. Als der Be-sucher an ihm vorbeigegangen war, fragte erflüsternd: »Aufnahme gemacht?«

»Selbstverständlich«, antwortete AkiAxxy leise.

In einer Antigravröhre schwebten sie nachoben in einen Empfangs- und Arbeitsraum,der übertrieben luxuriös eingerichtet war.Moozong nahm auf einem wannenförmigenSpezialmöbel hinter einem wuchtigenSchreibtisch Platz. Aki Axxy und Chapatsetzten sich in Sessel, die in sanft nachge-

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bende Antigravfelder eingebettet waren.Zwei blonde Sekretärinnen kamen hereinund reichten erfrischende Getränke, Gebäckund Zigaretten. Chapat trank nur einen klei-nen Schluck von einem alkoholischen Ge-bräu, das nicht seinem Geschmack ent-sprach. Er ließ den Kreisel auf dem Arbeit-stisch des Produzenten singen. Und wiederverfielen Moozong und Aki Axxy der Faszi-nation dieser weiblichen Stimme. Die beidenMädchen traten erneut ein. Sie blieben in deroffenen Tür stehen und hörten zu. Der Ver-renger ließ sie gewähren.

»Wundervoll«, sagte er, als Chapat denKreisel wieder aufgenommen hatte.»Einfach phantastisch.«

Kayro Moozong bebte am ganzen Körper.Man konnte ihm ansehen, daß seine Begei-sterung echt war, und daß er ein ganz großesGeschäft witterte.

»Aki – bei aller Freundschaft. Du mußtgehen.«

Der Agent schüttelte lächelnd den Kopf.»Ich würde Ihnen raten, Mr. Chapat, daraufzu bestehen, daß ich hier bleibe.«

»Warum?«»Weil dieser alte Gangster Sie sonst

schamlos betrügen würde. Ich bin Agent. Ichweiß genau, welche Gagen für eine solcheStimme bezahlt werden müssen.«

»Aki – noch ein Wort, und wir sind Fein-de.«

»Vielleicht ist das gar nicht einmal so ver-kehrt, was Mr. Axxy sagt«, bemerkte Cha-pat. »Was ist die Stimme wert?«

»Seien Sie kein Narr, Mr. Chapat. Ichzahle Ihnen eine vernünftige Gage. WennSie über Mr. Axxy abschließen, sieht dasHonorar höher aus, aber Sie haben so hoheAbzüge, daß Ihnen selbst am Ende praktischnichts bleibt. Mr. Axxy ist ein modernerWegelagerer, dem man eigentlich das Hand-werk verbieten sollte.«

»Vertrauen Sie mir, Mr. Chapat«, warfAki Axxy ein. »Moozong ist ein Geier, derdie Stimme im Grunde genommen umsonsthaben möchte. Das müssen wir verhindern.«

Chapat erhob sich. Er trat an das Fenster,

von dem aus er die Stadt Kantanong – dieden gleichen Namen trug wie der ganze Pla-net – übersehen konnte. Das Land stieg stu-fenförmig vom Meer auf. Überall leuchtetendie Reklameschilder des Showgeschäfts, ob-wohl es noch heller Tag war.

Mit raffinierter Technik versuchten dieWerbemanager Lichteffekte zu erzielen, dieselbst zur Mittagszeit die Aufmerksamkeitder Besucher auf sich zu lenken vermochten.

»Bringen Sie mir die Frau«, forderteMoozong. »Ich muß sie sehen.«

Chapat drehte sich um.»Ich kann Ihnen die Frau nicht vorstel-

len.«»Sie müssen – sonst kommen wir nicht

ins Geschäft.«Chapat nahm den Kreisel in die linke

Hand, warf ihn hoch und fing ihn wiederauf. Er ging zur Tür.

»Wohin wollen Sie?« brüllte der Verren-ger. »Sie können doch nicht einfach ver-schwinden«, protestierte Axxy.

»Ich kann«, antwortete Chapat. »Die Fraubekommen Sie nicht.«

Kayro Moozong kam um den Arbeitstischherum. Er blieb vor Chapat stehen, blickteauf ihn herab und legte ihm die Hände aufdie Schultern.

»Verstehen Sie denn nicht?« fragte er.»Ich muß diese Frau haben. Was wäre eineShow ohne Sängerin? Das Lied allein ge-nügt nicht. Ich brauche die Interpretin, undich verspreche Ihnen, daß ich sie zum größ-ten Star der Galaxis mache. Wissen Sie ei-gentlich, was das bedeutet? Mr. Chapat, dasheißt Geld und nochmal Geld. Soviel Siewollen.«

Er hustete und fuhr danach kühl forschendfort: »Wieviele Lieder können Sie aus demKreisel herausholen?«

»Sie bekommen nur eines.«»Nur das Lied?«»Nur das Lied. Die Sängerin auf gar kei-

nen Fall.«Moozong führte Chapat zu seinem Sessel

zurück.»Gehen Sie noch nicht. Ich habe bereits

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eine Lösung.«»Da bin ich aber gespannt«, warf Aki

Axxy ironisch ein.»Wir werden einfach ein Playback ma-

chen. Ich habe schon ein Mädchen im Sinn,das wir dafür nehmen können.«

Er lachte dröhnend.»Wir nehmen ein Girl, das nur seine Lip-

pen bewegt, und machen alles andere überdie Lautsprecher.«

»Und Sie glauben wirklich, daß Sie je-manden finden werden, der so etwas tut?«fragte Chapat.

Moozong verzog die Lippen zu einemverächtlichen Lächeln.

»Tausende. Kantanong ist wie ein Amei-senhaufen aus karrierelüsternen Weibern.Ich kann jede von ihnen nehmen und allesmit ihr machen. Sie wird mir dafür noch dieFüße küssen.«

»Das ist immerhin ein ziemlich mühsa-mes Unterfangen bei einem Tausendfüßler«,fügte Aki Axxy spöttisch hinzu.

Moozong legte seine Hand auf eine Taste.Sekunden später kam eine der beiden Sekre-tärinnen herein.

»Möchte einer der Herren etwas zu essenhaben?«

Sowohl Chapat als auch der Agent lehn-ten ab. Moozong schickte das Mädchen wie-der nach draußen. Er drückte eine andereTaste. An der Wand erschien ein Name.

»Ich habe hier die Daten von ungefährviertausend Mädchen, die sich alle einbil-den, daß Kantanong nur auf sie gewartet hat.Suchen wir uns irgendeine aus.«

»Irgendeine?« frage Chapat. »Muß sienicht etwas Besonderes haben?«

Moozong ging nicht auf seine Frage ein.Er drückte die Tasten. Die Namen an derWand wechselten ständig. Hin und wiederleuchtete ein Bild daneben auf. Das geschahimmer dann, wenn der Verrenger auf einenNamen gestoßen war, der ihm interessant er-schien.

Chapat nahm etwas Gebäck. In diesemMoment lachte Moozong auf.

»Galaxia«, rief er. »Galaxia Temona –

was für ein Name für ein Nichts! Einendümmlicheren Künstlernamen kann einMädchen sich gar nicht aussuchen.«

Er drückte die Tasten. Die Namen wech-selten erneut.

»Ich bin anderer Ansicht«, sagte AkiAxxy energisch. »Ich halte den Namen Ga-laxia für unsere Zwecke für gut. Ich betone:für unsere Zwecke. Er ist genau richtig. Wirhaben ein Lied, das galaxisweit Erfolg ha-ben wird. Es ist überhaupt die Sensation.Soll jemand dieses Lied singen, der Ap Papoder Do Mo heißt?«

Kayro Moozong ließ die Namen zurück-laufen, bis wieder »Galaxia Temona« an derWand leuchtete. Er schaltete das Bild desMädchens dazu.

»Sie sieht aus wie alle anderen.«»Sie ist bildschön, Kayro«, widersprach

der Agent.»Das sind sie alle.«»Willst du eine häßliche Gans für ein sol-

ches Lied?«»Mr. Chapat, sind Sie einverstanden?«

fragte Moozong.»Ich habe nichts dagegen.«Der Produzent drückte eine Taste. Eine

Sekretärin kam herein.»Bestellen Sie Galaxia Temona zu mir,

aber sagen Sie ihr, daß sie in spätestens ei-ner Stunde hier sein muß, sonst suche ichmir eine andere.«

Er erhob sich.»Und Sie möchte ich zum Mittagessen

einladen«, erklärte er zu Chapat und AkiAxxy gewandt. »Ich hoffe, Sie lehnen nichtab.«

*

Galaxia Temona machte keine Schwierig-keiten. Sie sagte sofort zu und unterzeichne-te strahlend einen Vertrag, den Kayro Moo-zong ihr vorlegte, ohne ihn mehr als flüchtigzu lesen.

Sie war noch schöner, als sie auf demBild gewirkt hatte. Das dunkle Haar um-rahmte ein raffiniert geschminktes Gesicht,

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bei dem durch Farbschattierungen der Ein-druck besonders großer Augen hervorgeru-fen wurde. Die Augenbrauen waren abra-siert. An ihrer Stelle befanden sich schillern-de Diamantbürsten, die wie leuchtendeHalbmonde über ihren Augen lagen. VierRegenbogenlinien liefen in Pastellfarbenvon einem Ohr zum anderen quer über dasGesicht hinweg. Sie sollten Galaxia denAusdruck der Frische verleihen.

Chapat beobachtete sie. Er schien sich zufragen, ob er sie wiedererkennen würde,wenn sie kein Make-up trug.

»Wie gefällt Ihnen unser neuer Star?«fragte Moozong.

»Sie soll singen«, entgegnete Chapat.»Trällern Sie etwas, Galaxia.«

»Was denn?«»Irgend etwas.«Sie sang die ersten Takte eines Hits. Moo-

zong winkte ab.»Gut«, sagte er. »Daraus können wir et-

was machen. Aber jetzt passen Sie auf.«Chapat nahm den Kreisel und setzte ihn

auf die Platte des Schreibtischs. Die exoti-sche Frauenstimme erklang. Wiederum erla-gen Moozong und Aki Axxy ihrer Faszinati-on. Die Augen des Mädchens füllten sichmit Tränen.

»Das soll ich singen?« fragte sie, als dieletzten Töne verklungen waren.

»Nein, Sie sollen nur den Mund danachbewegen. Wir machen eine Show, in der SieMittelpunkt mit diesem Lied sind. Versu-chen Sie es.«

Sie tat, was der Produzent ihr befohlenhatte. Da sie den Text noch nicht beherrsch-te, verlief diese erste Probe nicht sehr über-zeugend. Moozong war dennoch zufrieden.

»Nun, was meinen Sie?« fragte er Chapatbegeistert.

»Sie ist nicht Ischtar – sie wird es niemalssein«, antwortete dieser. Er ging zum Fen-ster und blickte stumm hinaus. Die beidenManager und das Mädchen beobachtetenihn. Sie warteten, bis er sich wieder umdreh-te.

»Ich habe einen Vertrag vorbereitet«, er_

klärte Moozong. »Sehen Sie ihn durch.«»Wo wohnen Sie?« fragte Aki Axxy.

Chapat antwortete nicht. Er bewegte nurnichtssagend die Schultern.

»Wenn Sie wollen, können Sie einige Ta-ge bei mir bleiben«, erklärte der Agent. SeinGesicht blieb kühl und unbeteiligt, aber inseiner Stimme klang die Gier nach Geld mit,die ihn erfaßt hatte.

»Mr. Moozong soll mir ein Angebot ma-chen«, sagte Chapat. Er blickte den Produ-zenten fragend an. Kayro Moozong hob ab-wehrend die Hände. Er war nicht bereit, dieKarten offenzulegen.

»Ich warte, Mr. Moozong.«»Lassen Sie uns in Ruhe darüber reden.«Chapat nahm den Kreisel auf und ging zur

Tür. Er öffnete sie und ging hinaus. Als siesich hinter ihm schloß, raste der Verrengerhinter ihm her. Er nannte ihm eine Zahl.

Galaxia Temona legte eine Hand an dieWange und pfiff überrascht. Ihr schwindelte.Sie hatte nicht annähernd mit einer solchenSumme gerechnet.

Aki Axxy aber lachte nur höhnisch.»Ich habe es Ihnen gesagt, Mr. Chapat«,

rief er. »Er will Sie betrügen.«Er eilte ebenfalls hinter Chapat her.»Wir müssen miteinander reden«, sagte er

eindringlich.»Einverstanden. Ich komme in zwei Stun-

den wieder.«Damit wandte sich Chapat ab und ging

endgültig hinaus. Axxy, Moozong und dieSängerin blieben zurück.

Chapat sank in einer Antigravröhre nachunten. Er trat durch eine gläserne Tür aufeinen freien Platz hinaus, auf dem ein Glei-ter parkte. Von beiden Seiten traten je zweiMänner auf ihn zu. Bevor er reagieren konn-te, richtete einer einen Paralysator auf ihnund schoß. Gelähmt brach er zusammen.

Einer der Männer durchsuchte seine Ta-schen, fand den Kreisel und nahm ihn ansich.

Chapat gelang es schließlich doch, sichauf die Seite zu wälzen, so daß er sehenkonnte, wohin die Männer liefen. Sie stiegen

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in einen feuerroten Gleiter und starteten. DieMaschine flog dicht über den Gelähmtenhinweg, der mit aller Macht gegen eine auf-steigende Bewußtlosigkeit ankämpfte.

Am Boden des Gleiters befand sich eineinfaches Symbol. Es erinnerte Chapat anein Stielauge.

2.

»Hallo, Mann, was haben sie mit dir ge-macht?« fragte eine Baßstimme.

Chapat schlug die Augen auf. Er wußtezunächst nicht, wo er war. Der Mann, derihn mit leichten Schlägen auf die Wangewachgerüttelt hatte, sah grobschlächtig undbrutal aus. Er hatte eng zusammenstehendeAugen und eine Hakennase.

»Das Wetter ist zwar gut«, fuhr er fort,nachdem er einen prüfenden Blick zumHimmel hinaufgeworfen hatte, »aber den-noch sollte man nicht wie ein Zocker imFreien schlafen.«

Er packte Chapat an der Schulter undwollte ihm aufhelfen, doch der Paralysierteglitt ihm wieder aus den Händen. Dabeistöhnte er vor Schmerz. Einige weitere Män-ner und Frauen kamen hinzu.

»Ich habe gesehen, daß man ihn mit ei-nem Lähmstrahler beschossen hat«, sagte ei-ner von ihnen.

»Das dachte ich mir schon«, erwiderte derMann mit der Baßstimme. Er hob Chapatauf und trug ihn in das Studiogebäude zu-rück. Eine der Sekretärinnen von KayroMoozong trat ihnen aus dem Antigrav-schacht entgegen.

»Bringen Sie ihn nach oben«, rief sie.Wenig später betraten sie das Büro des

Präsidenten der GMC. Chapat konnte sichschon ein wenig bewegen. Er sträubte sichdagegen, daß man ihn auf eine Couch legte,aber Kayro Moozong bestand darauf. Sekun-den später traf bereits ein Arzt ein, der Cha-pat eine Injektion machte. Die Lähmungklang nun schnell ab.

»Was ist passiert?« fragte der Verrenger.»Man hat ihn überfallen«, antwortete der

Mann, der Chapat gefunden hatte. »Ich habeihn hochgebracht. Haben Sie eine Rolle fürmich? Ich bin Schauspieler. Ich kann singen,tanzen, schießen, fechten … äh, nein?«

Er blickte Moozong erwartungsvoll anund schüttelte dann resigniert den Kopf.

»Ich meine, Sie sind doch Produzent –oder? Eine kleine Rolle würde mir schon ge-nügen.«

Kayro Moozong beachtete ihn nicht mehr.»Chapat, erzählen Sie schon.«

»Man hat mir den Kreisel gestohlen.«»Ach, er ist weg?«»So ist es.«Der Verrenger schnaufte hörbar durch die

Nase. Er glitt hinter seinen Schreibtisch undließ sich in der Wanne nieder.

»Würden Sie mein Büro räumen, meineHerren?«

»Mein Name ist Pierre Bodanski«, sagteder Mann, der Chapat geholfen hatte. »Siehaben ihn doch sicherlich schon gehört?«

»Ich habe keine Rolle für Sie, Mensch,und wenn ich eine hätte, würde ich Sie Ih-nen nicht geben. Und jetzt raus!«

Bodanski murmelte einen Fluch und ginghinaus. Bis auf Chapat und Aki Axxy folg-ten ihm alle anderen. Kayro Moozong blick-te Chapat fragend an.

»Warum gehen Sie nicht? Wir habennichts mehr miteinander zu tun.«

»Das ist ein Irrtum. Immerhin haben Sieeine Aufnahme des Liedes gemacht. DieRechte daran gehören mir.«

»Eine Aufnahme? Das muß wohl einMißverständnis sein, Mr. Chapat. Ich weißnicht, wovon Sie sprechen.«

»Mr. Axxy, was sagen Sie?«»Ich möchte noch mit Ihnen reden, Mr.

Chapat.«»Sie wissen, daß eine Aufnahme gemacht

worden ist.«»Sie sollten sich von einem Arzt untersu-

chen lassen, Mr. Chapat. Mir scheint, daßSie doch einige Schäden davongetragen ha-ben. Wenn Sie danach in mein Büro kom-men wollen, können wir vielleicht ein inter-essantes Geschäft miteinander machen.«

Die Stars von Kantanong 9

»Würden Sie jetzt bitte verschwinden,Mr. Chapat?« Kayro Moozong gähnte herz-haft.

Die Tür öffnete sich. Galaxia Temona tratein. Ihre Augen blitzten vor Erregung.

»Mr. Moozong, ich habe einen Vertragmit Ihnen«, schrie sie. »Ich bestehe darauf,daß Sie Ihren Verpflichtungen nachkom-men, auch wenn der Kreisel weg sein soll-te.«

Der Verrenger antwortete nicht. Er warte-te, bis Chapat gegangen war. Dann wandteer sich der Sängerin zu.

*

Pierre Bodanski wartete an der Stelle aufChapat, an der dieser paralysiert wordenwar. Er rauchte eine rote Zigarette.

»Hallo, Freund, auch rausgeflogen?« frag-te er.

Chapat blieb stehen. Er vergrub die Hän-de in den Hosentaschen.

»Das hat Moozong, dieser Geier, sich sovorgestellt. Erst klaut er den Kreisel, dannschmeißt er dich auf die Straße, und dannkümmert er sich um gar nichts mehr.«

Chapat blickte Bodanski an. Er schien ihnzum erstenmal wirklich zu sehen.

»Ich lade dich zu einem Bier ein, Freund.Was hältst du davon?«

Chapat zuckte nur nichtssagend mit derSchulter. Er ging neben dem Schauspielerher auf die Kantine der GMC zu.

»Das ist dir doch wohl klar, daß KayroMoozong dir den Kreisel gestohlen hat?«fuhr Bodanski in seinem einseitigen Ge-spräch fort. »In dieser Hinsicht kennt er kei-ne Hemmungen. Du kannst sicher sein, daßer das große Geschäft macht. Morgen schonwird irgendeine dumme Ziege in Kanta-nong-Vision auftreten und das Lied singen –oder wenigstens so tun, als ob sie es täte. Ichhabe einige Fetzen davon gehört. Glaubemir, Freund, das wird ein Galaxis-Hit.«

Er lachte meckernd.»Leider hast du nichts davon, denn du

kannst nicht beweisen, daß dir das Lied ge-

hört hat.«»Es war mein Kreisel.«»Du kannst ja sogar den Mund aufma-

chen. Alle Achtung. Dein Kreisel? Moozongbehauptet, daß es seiner ist – und er kennteine Reihe von Anwälten, die ihm das be-scheinigen werden. Nein, Freund, du bist er-ledigt. Dein Schatz ist weg.«

Sie betraten die Kantine, die allerdingsnichts mit einem Betriebsspeisungsraum ge-mein hatte, sondern in die Kategorie der Lu-xusrestaurants einzuordnen war. Das schienjedoch auf Chapat keinen Eindruck zu ma-chen. Pierre Bodanski wies beinahe bei je-dem zweiten Schritt auf eine andere derFilmgrößen hin.

»Hier sitzen die Stars der Galaxis zusam-men«, behauptete er. »Wer was sein willund bleiben will bei Film und Galactic-Visi-on, der muß sich hier sehen lassen. Einmalin der Woche, würde ich sagen. Aber das istauch das Minimum.«

»Und heute ist dein Tag?«Bodanski blieb stehen. Er runzelte die

Stirn.»Heute ist mein Tag«, entgegnete er dann

lächelnd.»Hoffentlich geht es den Stars der Bran-

che nicht auch so wie dir.«»Wie meinst du das?«»Sind sie alle auf der Jagd nach einer Rol-

le?«»Komm, wir setzen uns«, sagte Bodanski,

der leicht verärgert zu sein schien. Sein Un-mut verflog jedoch sogleich wieder, als dasBier vor ihnen stand.

»Sieh dir den Mann da an«, sagte er undtippte Chapat gegen den Arm. Er zeigte aufden Eingang. »Das ist Mearl Perkon – meinFreund. Er hat einmal eine große Rolle ne-ben mir gespielt.«

Ein dunkelhaariger Mann mit aufgedunse-nem Gesicht kam in die »Kantine«. Er trugeinen purpurroten Mantel, der mit goldenemZierat versehen war. Seine Beine steckten inLederstiefeln, die ihm bis an die Oberschen-kel reichten. Ihm folgte ein blondes Mäd-chen, das den Kopf stolz lächelnd zurück-

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legte. Sie wußte offenbar, daß sich dieBlicke aller auf Mearl Perkon richteten –und daß sie damit auch beachtet wurde.

»Er ist ein Superstar«, erklärte Bodanskimit bedeutungsvoll gesenkter Stimme. »Erist überhaupt der Star.«

Mearl Perkon schritt auf ihren Tisch zu.Einige Männer und Frauen verneigten sichvor ihm, als er an ihnen vorbeiging, ohnedaß sich sein Gesicht verzog. Er schien sieüberhaupt nicht zu bemerken. Vor PierreBodanski jedoch blieb er stehen. Er lächelte.

»Pierre, mein Freund«, sagte er mit rauherStimme. »Nett, dich zu sehen. Mach dir umdie Zeche keine Sorgen. Das erledige ich.«

Er winkte Bodanski mit großmütiger Ge-ste zu und ging weiter.

Pierre Bodanski räusperte sich, bemüht,sich nicht anmerken zu lassen, wie aufge-wühlt er war.

»Na ja«, bemerkte er schließlich. »Das isteben mein Freund Mearl.«

»Glücklicherweise bezahlt er ja die Ze-che«, erwiderte Chapat spöttisch. »Dannkönnen wir uns ja wohl noch ein Bier lei-sten, oder?«

Bodanski winkte gelassen ab.»Das darfst du nicht so verstehen, Chapat.

Das nächste Mal bezahle ich seine Zeche. Sogleicht sich alles wieder aus.«

Chapat blickte zum Tisch des Superstarshinüber. Er war der einzige, der von demPersonal direkt bedient wurde. Alle anderenwurden über die Robotanlage versorgt. DieMädchen und der Geschäftsführer schobenwahre Berge von galaktischen Delikatessenauf einer Antigravgleite zu Mearl PerkonsTisch. Chapat lächelte. Angesichts dieserKöstlichkeiten, die wahrscheinlich ein klei-nes Vermögen kosteten, spielten zwei GlasBier wirklich keine Rolle.

Pierre Bodanski beugte sich zu Chapathinüber.

»Also, hör zu, mein Freund, dein Kreiselist weg. Davon müssen wir ausgehen.«

»Wie kommst du zu der Überzeugung,daß Moozong ihn gestohlen hat?«

»Es kommen nur drei in Frage: Moozong

– er wußte von dem Kreisel, er wollte ihnhaben, und er hat gemerkt, daß du ein abso-luter Neuling bist.«

»Woher weißt du das?«»Ich habe bereits einiges über dich gehört,

bevor ich dich aufgelesen habe. Eine vonden Sekretärinnen von Moozong leistet mirzuweilen Intimgesellschaft.«

»Sie macht … was?«»Ist ja egal. Ich kenne sie gut. Sie hat mir

alles über dich erzählt. So einen wie dichnimmt Moozong immer aus. Neben ihmkäme eigentlich nur noch Aki Axxy in Fra-ge, obwohl ich ihm eigentlich nicht zutraue,daß er es getan hat. Das ist nicht seine Art.«

»Und der dritte?«»Die dritte ist die Madria.«»Was ist das?«»Die eigentliche Regierung von Kanta-

nong«, erklärte Pierre Bodanski ironisch.»Ich verstehe nicht.«

»Die Madria ist eine Gangsterorganisati-on. Sie ist die absolute Macht hier. Sie dik-tiert das Geschehen. Sie entscheidet, wer le-ben darf und wer sterben muß. Im Grundegenommen ist nicht anzunehmen, daß Moo-zong es gewagt hat, dir den Kreisel zu klau-en, ohne vorher die Madria zu fragen.«

Die Augen Chapats verengten sich leicht.Pierre Bodanski hob abwehrend die Hände.

»Sei kein Narr. Du kannst nichts gegendie Madria tun. Wenn sie den Kreisel hat,dann ist es besser, ihn zu vergessen. Dumußt versuchen, auf andere Weise Geld zuverdienen.«

»Und wie?«»Aki Axxy hat gesagt, du sollst zu ihm

ins Büro kommen. Das ist eine Chance. Dumußt sie nutzen. Alles andere wäre sinnlos.«

»Ich werde den Kreisel wieder holen.«»Chapat, sei vernünftig. Gegen die Ma-

dria hat die Polizei den Kampf längst aufge-geben. Sie hat sich arrangiert. Wenn du derMadria unbequem wirst, bringt sie dich um.Es gibt nur zwei Möglichkeiten, auf Kanta-nong zu leben – entweder tut man das, wasdie Madria will, oder man wird Mitglied derMadria. Das aber können nur Männer von

Die Stars von Kantanong 11

Kalimer werden. Bist du Kalimerer?«»Nein.«»Dann bleibt dir nur die andere Möglich-

keit.«Er legte Chapat die Hand auf den Arm.

Zwei Männer betraten die »Kantine«. Siegingen auf einen Tisch in der Ecke zu, andem ein einzelner Mann saß. Er sprang auf,als er die Männer sah, und sein Gesicht ver-zerrte sich vor Angst.

Er wich bis in den äußersten Winkel der»Kantine« zurück. Einer der beiden Männerzückte ein Messer und stieß es ihm mehr-mals in die Brust, bis er tot zusammenbrach.

Danach gingen die beiden Killer zu einemTisch, setzten sich, bestellten sich ein Bierund tranken es aus.

Chapat zitterte vor Erregung. Er schnelltesich hoch und wollte auf die beiden Männerzugehen. Doch Pierre Bodanski sprang ihnvon hinten an und brachte ihn zu Fall. Erhielt ihn mit aller Kraft fest. Chapat wehrtesich wütend, aber er kam nicht frei.

Die beiden Mörder erhoben sich gelang-weilt und gingen hinaus, ohne daß sie je-mand daran gehindert hätte. Bodanski ließChapat los und ging an seinen Tisch zurück.

»Ich ahnte ja nicht, daß du so bald sterbenmöchtest«, sagte er und trank sein Bier aus.Chapat setzte sich bleich zu ihm.

»Das hättest du nicht tun dürfen, Pierre.«»Nicht? Wenn ich es nicht getan hätte,

dann wärest du jetzt schon so tot wie derMann dort in der Ecke, und niemand würdesich um dich kümmern. Man kämpft nichtgegen die Madria. Man lebt mit ihr. Wemdas nicht paßt, der muß das nächste Raum-schiff nehmen und verschwinden.«

Chapat blickte zu dem Superstar MearlPerkon hinüber. Dieser plauderte lächelndund verzehrte mit seiner Freundin genüßlicheinige Delikatessen. Er schien überhauptnicht bemerkt zu haben, was vorgefallenwar.

»Jeder, der hier Geld hat, verdankt es derMadria«, erklärte Bodanski. »Hast du dasendlich begriffen?«

»Ich fürchte – ja«, entgegnete Chapat nie-

dergeschlagen.

*

»Hier herrscht Aki Axxy«, sagte PierreBodanski. »Hier werden Karrieren erdacht,begründet und aufgebaut. Niemand in derShowwelt hat mehr Macht als Aki Axxy.«

»Ausgenommen die Madria«, wandteChapat ein.

Sie schwebten mit einem Gleiter auf einenParkplatz zu, der sich vor der T-förmigenAnlage von Gebäuden, Hallen und Parks be-fand.

»Du hast es endlich erfaßt«, erwiderteBodanski.

Der Arkonide lehnte sich in seinem Sitzzurück.

»Ich bin gespannt, was Aki Axxy von mirwill«, sagte er.

Der Gleiter setzte vor einer frei schwe-benden Wandelhalle auf. Chapat stieg ausund näherte sich ihr. Er war überrascht vondem Anblick, der sich ihm bot. Ein langer,mit edlen Steinen ausgelegter Weg führte zueinem Kuppelgebäude. Zu beiden Seitenstanden Roboter, alle jeweils zwei Metervoneinander entfernt. Chapat drehte sich zuBodanski um.

»Das sind mindestens hundert Roboter«,sagte er.

»Einhundertzwanzig sind es genau«, ent-gegnete der Schauspieler. »Aki Axxy sam-melt Roboter. Man sagt, daß er mehr Robo-ter habe als jeder andere auf Kantanong,vielleicht sogar mehr als jeder andere Privat-mann in der Galaxis. Er hat die ersten primi-tiven Automaten, die auf der Erde herge-stellt wurden, und er besitzt die teuerstenund raffiniertesten Maschinen, die bereits alsSemi-Androiden eingestuft werden. Willstdu etwas von ihnen wissen? Frage sie.«

Sie schritten an der Reihe der Roboterentlang, die bewegungslos an ihren Plätzenstanden. Nur an wenigen Exemplaren wie-sen kleine Anzeichen darauf hin, daß sie vollaktiviert waren. Fast alle Automaten hatteneine androide Gestalt.

12 H. G. Francis

»Kannst du mir einen Rat geben?« fragteChapat einen Roboter neuerer Bauart.

»Ja, Herr, ich möchte Ihnen empfehlen,sich zu beeilen. Mr. Axxy wartet nicht. Erhat noch nie auf jemanden gewartet.«

Pierre Bodanski lachte. Er legte seineHand auf die Schulter des Arkoniden undgab ihm einen sanften Stoß, um ihn dazu zubewegen, weiterzugehen. Schon nach weni-gen Schritten blieb Chapat erneut vor einemRoboter stehen. Der Automat war mit fun-kelndem Ynkelonium verkleidet, das alleinfür sich schon ein Vermögen gekostet habenmußte.

»Man hat mir einen unersetzlichen Ge-genstand gestohlen«, erklärte er. »Ich ver-mute, daß der Dieb der Präsident der Galac-tic-Vision ist. Was kann ich tun? Ich mußdiesen Gegenstand unbedingt zurückhaben.«

Der Roboter drehte den Kopf und blickteden Arkoniden mit kalten Linsen an.

»Kaufen Sie die GMC und entlassen Sieden Präsidenten.«

Pierre Bodanski lachte schallend.»Diesen Tip hätte ich dir auch geben kön-

nen, Chapat. Oder solltest du zufällig nichtbei Kasse sein?«

»Ich gestehe, daß ich etwas knapp bin«,entgegnete der Arkonide mit einem unmerk-lichen Lächeln.

»Wieviel hast du?«»Nichts.«»Das dürfte etwas zu wenig sein. Die

GMC hat ein Eigenkapital von immerhinrund neun Millionen Solar. Wer sie kaufenwollte, der müßte schon …«

»Komm, wir wollen uns beeilen«, unter-brach Chapat den Schauspieler.

Ein blondes Mädchen erwartete sie in ei-ner prunkvoll eingerichteten Halle.

»Mr. Axxy wird sie in zwei Minuten emp-fangen, Mr. Chapat«, sagte sie. »Wollen Sie,bitte, eintreten.«

Der Arkonide gab Bodanski einen befeh-lenden Wink. Doch der Schauspieler schüt-telte den Kopf.

»Ich gehe nicht mit.«»Doch. Ich brauche dich. Du verstehst et-

was von diesen Dingen. Ich nicht.«Widerstrebend folgte Bodanski dem Ar-

koniden in ein geräumiges Büro. Sie setztensich in gepolsterte Schalen, die auf blauschimmernden Antigravfeldern ruhten. Un-mittelbar darauf trat Aki Axxy ein. Er über-sah Pierre Bodanski, wies ihn jedoch nichtaus dem Raum. Chapat begrüßte er mitHandschlag.

»Ich habe schon alles vorbereitet«, erklär-te der Agent und nahm eine beschriftete Fo-lie aus seinem Schreibtisch. »Sie brauchennur noch zu unterzeichnen.«

»Wollen Sie mir nicht zunächst einmal sa-gen, was Sie überhaupt vorhaben?«

Aki Axxy blickte den Arkoniden über-rascht an. Er fuhr sich durch die flachsblon-den Haare und blies die Wangen auf.

»Das wissen Sie nicht?«»Nein.«»Ich will eine großartige Filmserie mit Ih-

nen als Star machen. Dabei werden Sie Mil-lionen verdienen.«

»Sie wollen selbst produzieren?« fragtePierre Bodanski erstaunt.

»Habe ich mich so undeutlich ausge-drückt, daß das nicht klar wurde?«

»Also – dann, Mr. Axxy, können wir insGeschäft kommen. Mein Mandant wird je-doch nur unterschreiben, wenn für mich da-bei auch eine Rolle abfällt. Eine große Rol-le.«

Der Agent verzog den Mund.»Oder eine mittlere. Sagen wir eine mitt-

lere Rolle. Ich muß mich ja auch noch ummeinen Mandanten kümmern.« Bodanskibeobachtete den Agenten. »Aber wenigstenseine kleine, Mr. Axxy. Chapat, du wirstdoch nicht unterschreiben – oder?«

»Eine interessante Rolle für Mr. Bodan-ski, oder wir werden uns nicht einig«, er-klärte Chapat lächelnd.

Aki Axxy gab zähneknirschend nach. Erholte einen zweiten Vertrag aus der Schubla-de hervor und reichte ihn Pierre Bodanski,der vor Freude strahlte.

»Ich will Genaueres wissen, Mr. Axxy,bevor ich zusage«, bemerkte Chapat. »Was

Die Stars von Kantanong 13

ist das für eine Rolle?«»Liegt das nicht auf der Hand, Mr. Cha-

pat? Sie sehen Lordadmiral Atlan verblüf-fend ähnlich. Wir werden eine Filmserieüber den Arkoniden machen, und Sie wer-den die Hauptrolle spielen.«

»Mann«, sagte Pierre Bodanski. Er ließsich in einen Sessel sinken. »Chapat, das istdie Chance deines Lebens. So etwas läßtman sich nicht entgehen.«

»Ich bin einverstanden, Mr. Axxy. Bliebenur noch die Frage der Gage zu klären.«

»Wir werden uns schnell einig werden.«»Ich fürchte, Sie sind zu optimistisch.«»Bedenken Sie, was für eine Chance ich

Ihnen biete. Sie sind kein Schauspieler. Al-les ist neu für Sie. Da muß man bescheidenbleiben.«

»Mr. Axxy – ich sehe wie Atlan aus, unddas kostet Geld.«

Der Agent begann zu schwitzen. Er wuß-te, daß er auf die Forderungen Chapats ein-gehen mußte. Die Verhandlung zog sichnoch eine volle Stunde hin. Dann endlichunterschrieb der Arkonide.

Aki Axxy überreichte ihm einen Scheckund teilte ihm mit, daß für ihn und Bodanskiein Zimmer im besten Hotel von Kantanongreserviert worden war.

Als Chapat und Bodanski in einem Gleiterzu dem bezeichneten Hotel flogen, begannder Terraner schallend zu lachen.

»Das ist der schönste Tag in meinem Le-ben. Jetzt kannst du den Kreisel vergessen,Chapat.«

»Das werde ich niemals tun, Pierre. Er istmir mehr wert als alles Geld, daß Axxy mirje zahlen kann.«

3.

»Standesgemäß«, sagte Pierre Bodanski,als sie das Hotel sahen, in dem Aki Axxy ih-nen Zimmer besorgt hatte. Er landete aufdem Dach. Als er aussteigen wollte, hieltChapat seinen Arm fest.

»Pierre, ich habe noch eine Frage.«»Ich höre.«

»Wer ist Atlan?«Pierre Bodanski blickte den Arkoniden so

fassungslos an, als habe er ihn gefragt, wasder Unterschied zwischen einem Menschenund einem Haluter sei.

»Was ist los, Pierre? Ist dieser Atlan soberühmt, daß ich ihn kennen müßte?«

»Ich glaube, ich werde Mutter!« sagteBodanski stöhnend. »Da handelt dieserMensch auf raffinierteste Weise einen Film-vertrag aus, übernimmt eine Millionenrolleund weiß dann noch nicht einmal, um was eseigentlich geht. Mann, jetzt brauche icheinen Whisky.«

Er stieg aus und ging mit weiten Schrittenauf den Eingang des Hotels zu. Chapat folg-te ihm langsam. Er war verwirrt und wußteoffensichtlich nicht, was er von BodanskisAntwort halten sollte. Ein rothaariges, voll-busiges Mädchen wartete auf sie. Sie be-grüßte Chapat mit glänzenden Augen. Ihrwar anzusehen, daß sie bereits darüber infor-miert war, daß Aki Axxy einen neuen Staraufbauen wollte.

»Trinkst du auch einen Whisky?« fragteder Terraner.

»Wenn es dich beruhigt, gern.«Das Mädchen führte sie zu einer Liftröhre

und flüsterte das Wort »Bar« in ein Gitter-mikrophon. Eine schimmernde Platte kamihnen entgegen. Die beiden Männer stelltensich darauf und ließen sich nach unten tra-gen.

Die Bar erwies sich als eine Hohlkugel,die einen Durchmesser von etwa fünfzigMetern hatte. Sie war nur mäßig mit Gästengefüllt. Die mit Flaschen bedeckte Theketeilte den Raum in zwei Hälften, denn siebildete eine Art Meridian. Die moderne An-tigravtechnik ermöglichte die verblüffend-sten Effekte. So herrschte an jeder Stelle derHohlkugel die gleiche Schwerkraft. Für dieGäste entstand der Eindruck, daß geradedort, wo man sich befand, »unten« war,während sich alle anderen Punkte höher zubefinden schienen. Chapat und PierreBodanski nahmen an einem der TischePlatz. Der Arkonide blickte nach oben. Ge-

14 H. G. Francis

nau über ihnen saßen zwei dunkelhäutigeMänner und ein Mädchen.

»Man wundert sich, daß sie nicht herun-terfallen, nicht wahr?« fragte der Terraner.

»Das ist Galaxia Temona«, sagte der Ar-konide. »Das Mädchen, das Ischtars Liedsingen sollte.«

»Ischtar? Wer ist das?«Chapat antwortete nicht. Vier maskierte

Männer betraten die Bar. Sie hielten Schuß-waffen in den Händen. Eine Frau schrie auf.Drei der Männer rannten auf den Tisch zu,an dem Galaxia saß. Es sah aus, als ob siedie Wand hochliefen.

Einer von ihnen packte den Arm desMädchens und riß sie aus ihrem Sessel hoch.Die anderen beiden richteten die Waffen aufdie beiden Begleiter Galaxias. Das Mädchentrug flammend rote Shorts und eine hauten-ge Bluse. Sie schrie um Hilfe und schlug mitArmen und Beinen um sich, konnte aber ge-gen den Gangster nichts ausrichten.

Empört sprang Chapat auf. Er eilte aufden Ausgang zu, um den Entführern denWeg abzuschneiden, doch wiederum griffPierre Bodanski ein. Er umschlang ihn mitbeiden Armen an den Hüften und brachteihn zu Fall. Der Arkonide schien dieses Maljedoch entschlossen zu sein, ein Verbrechenzu verhindern. Er wälzte sich herum undschlug Bodanski die Faust unter das Kinn.Der Terraner, der sich halb aufgerichtet hat-te, stürzte betäubt zu Boden. Doch nicht nurChapat reagierte auf die Hilferufe des Mäd-chens, auch ein anderer Gast handelte. Erwarf sich auf den Mann an der Tür undschlug ihm die Waffe aus der Hand. Ge-schickt drängte er den Banditen zur Seite,griff nach dem Energiestrahler und richteteihn auf die beiden anderen Männer, die mitGalaxia Temona bis an den Ausgang heran-gekommen waren. In diesem Moment feuer-te einer der beiden Gangster. Der Schußdurchschlug den Kopf des Mannes, der demMädchen hatte helfen wollen. Tot brach erzusammen.

Pierre Bodanski hielt einen Fuß Chapatsfest, doch der Arkonide lief nicht weiter. Er

blieb wie gelähmt stehen. Erst als die Ent-führer mit dem Mädchen verschwunden wa-ren, wollte er weiterlaufen. Der Terraner ließes nicht zu.

»Sie knallen dich genauso ab wie den ar-men Kerl dort«, rief er.

Chapat ließ die Schultern sinken. Er dreh-te sich um und blickte zu Bodanski herab.

»Du kannst mich loslassen, Pierre.« Erhalf dem Freund auf und setzte sich wiederauf seinen Platz. Er trank den Whisky aus,den ihm eine Servoautomatik auf den Tischgestellt hatte.

»Du bist noch nie auf Kantanong gewe-sen, nicht wahr, Chapat? Warum bist du soversessen darauf, dich selbst umzubringen?Du solltest doch begriffen haben, daß esSelbstmord ist, sich Verbrechern entgegen-zustellen.«

Der Arkonide antwortete nicht. Er blicktenachdenklich in sein Glas.

»Zuerst dachte ich, daß es einfach nur einWerbegag war. Ich glaubte, Galaxia wolltesich interessant machen. Aber die Tatsache,daß es einen Toten gegeben hat, spricht da-gegen, daß sie alles selbst veranlaßt hat.«

»Ich werde ihr helfen«, erklärte Chapatenergisch. »Kannst du mir eine Waffe besor-gen?«

Bodanski schüttelte den Kopf.»Ich könnte, aber ich will nicht.«Gleichgültig blickte er zu der Gruppe hin-

über, die sich um den Erschossenen gebildethatte. Zwei Polizisten ließen sich von denZeugen berichten, was geschehen war.

»Dann werde ich es ohne Waffe tun, Pier-re.«

»Ich werde es zu verhindern wissen.«»Meinst du nicht, daß meine Chancen

größer sind, wenn ich notfalls zurückschie-ßen kann?«

»Ich werde dir keine Waffe besorgen,Chapat. Finde dich damit ab.«

»Schade, Pierre. Ich hatte mich schon aufdie Zusammenarbeit mit dir vor der Kameragefreut.«

»Wieso? Ich verstehe nicht.«Chapat lächelte unmerklich. Er blickte

Die Stars von Kantanong 15

Bodanski in die Augen. Der Terraner kautewütend auf seinen Lippen. Er kämpfte mitsich.

»Ich meine es doch nur gut, Chapat. Es istdie Sache der Polizei, Galaxia zu finden undzu befreien.«

»Wann habe ich die Waffe?«»Zum Teufel, Chapat, ich sagte doch …

Also gut. In einer Stunde.«Er trank seinen Whisky aus und ging miß-

mutig davon.

*

Chapat blieb noch einige Minuten auf sei-nem Platz sitzen. Er beobachtete die Polizi-sten und stellte dabei fest, daß sie ihre Un-tersuchungen desinteressiert durchführten.Schließlich stand er auf und begab sich zuihnen. Der Tote lag noch immer auf demBoden. Seine Hand war nur einige Zentime-ter von der Strahlwaffe entfernt, die derGangster verloren hatte. Chapat fiel auf, daßder ehemalige Besitzer des Blasters mit ei-nem malige Besitzer des Blasters mit einemspitzen Gegenstand etwas in den Kolben ge-ritzt hatte. Er bückte sich und betrachteteden Griff, ohne von den Beamten daran ge-hindert zu werden. Die primitive Zeichnungsollte eine Schlange darstellen.

Chapat richtete sich auf. Ein zierlich ge-bauter Roboter trat ein. Er schob einen Me-tallsarg vor sich her, der auf einem Anti-gravfeld schwebte. Die Polizisten befahlenihm, die Leiche zu entfernen. Einer von ih-nen nahm den Strahler auf und steckte ihnweg.

Chapat verließ die Bar und ließ sich voneiner schimmernden Plattform nach obentragen. Überrascht stellte er fest, daß AkiAxxy ihm eine Luxussuite besorgt hatte, dieallen nur erdenklichen Komfort bot und au-ßerordentlich geschmackvoll eingerichtetwar. Für ihn war beruhigend, daß er sie nichtzu bezahlen brauchte.

Er schaltete die Trivideoanlage ein, undeine Wand des Salons verwandelte sich ineine Projektionsfläche. Das Bild einer Ur-

waldlandschaft entstand, wie es überzeugen-der in seiner Raumwirkung nicht hätte seinkönnen. Die Täuschung war perfekt. Chapatließ sich jedoch nicht verblüffen. Geradezugleichgültig schaltete er auf einen anderenSender um. Er hatte Auswahlmöglichkeitenunter neunzehn Programmen, fand abernicht eines, das ihn interessierte. Er wollteInformationen über Kantanong haben, abergerade darüber berichtete kein Sender.

Er ließ sich über Videophon mit AkiAxxy verbinden. Der Agent meldete sich so-fort.

»Es läuft alles nach Wunsch«, sagte er be-geistert. »Wir können schon morgen mit denDreharbeiten beginnen.«

»So schnell?«»Ein Team von zwanzig Autoren arbeitet

an den Drehbüchern. Sie werden überraschtsein, welch phantastisch gute Stories dabeiherauskommen.«

»Eine Frage, Mr. Axxy. Haben Sie diesesSymbol schon einmal gesehen?« Chapatnahm einen Zettel und zeichnete eineSchlange auf, so wie der unbekannte Gang-ster sie in den Griff seiner Waffe geritzt hat-te. Aki Axxy schüttelte den Kopf.

»Nein. Es ist mir völlig unbekannt.« Cha-pat sah ihm an, daß er log.

»Danke«, sagte er.»Ich lasse Sie morgen früh abholen.«Der Arkonide schaltete ab. Wenig später

betrat Pierre Bodanski den Raum. Wortloshielt er Chapat eine flache Waffe hin.

»Was ist das?«»Ein Schocknadler. Eine andere konnte

ich nicht bekommen. Das Ding verschießtkleine Nadeln, die mit einem Gift gefülltsind. Es verursacht einen Schock, den dasOpfer erst nach einigen Tagen überwindet.Nur in seltenen Fällen wirkt es tödlich – beieinem Kreislaufkranken beispielsweise.«

»Danke, Pierre. Ich wußte doch, daß dumein Freund bist.«

Er nahm das Blatt Papier auf und zeigtedem Terraner die Zeichnung.

»Was ist das?«»Das Symbol der Madria.« Bodanski

16 H. G. Francis

blickte Chapat erschrocken an. Er hätte sicham liebsten auf die Zunge gebissen. Er är-gerte sich darüber, daß er so schnell und un-überlegt geantwortet hatte. »Wo hast du esgesehen?«

»Auf der Waffe.«Bodanski setzte sich ächzend in einen

Sessel. Er war bleich geworden.»Hoffentlich begreifst du jetzt, daß du

nichts für Galaxia tun kannst. Man kämpftnicht gegen die Madria.«

»Ich möchte mir die Stadt ansehen, Pierre.Zeigst du sie mir?«

Der Terraner blickte ihn forschend an. Ernickte zögernd.

*

Pierre Bodanski gab sich alle Mühe, denArkoniden von seinen Gedanken an GalaxiaTemona abzubringen. Er flog mit dem Glei-ter, den sie gemietet hatten, zu den interes-santesten Plätzen von Kantanong. Außerhalbder Stadt lagen die Luxusvillen der Reichenvon Kantanong. Die meisten von ihnen wa-ren im kitschigen Stil errichtet worden. Vie-le Bauherren hatten Elemente aus verschie-denen architektonischen Epochen übernom-men und bunt durcheinandergewürfelt. Sowaren Luxussiedlungen entstanden, wie essie wohl nur auf einer solchen Show-Weltgeben konnte, wo jeder sich so benahm, umandere am meisten zu beeindrucken.

Chapat wurde immer stiller. Um so redse-liger wurde Bodanski, der scheinbar allesrichtig fand, was auf Kantanong geschah.Mehrere Male sagte er begeistert, daß er da-von träume, auch so eine Villa in einerBucht am Meer zu haben. Und dann zeigteer dem Arkoniden, wie er sich sein Hausvorstellte. Es waren gerade jene, die Chapatüberhaupt nicht gefielen.

»Wir fliegen ins Hotel zurück«, erklärteChapat.

»Wir könnten einen Ausflug ins Landes-innere machen«, schlug der Terraner vor.»Ich kenne einige Plätzchen, die man gese-hen haben sollte, wenn man schon auf Kan-

tanong ist.«Chapat antwortete nicht. Er beugte sich

ruckartig vor und blickte nach unten. DerGleiter flog über eine Villa hinweg, die di-rekt am Meer lag. Der Arkonide sah einMädchen in rotem Pulli und roten Hosen,das über eine Terrasse floh. Ein Mann liefhinter ihr her, packte sie an den Haaren undschleifte sie ins Haus zurück.

»Das ist Galaxia«, sagte Chapat erregt.»Pierre, wir haben sie gefunden.«

»Wir haben sie doch gar nicht gesucht.«»Du vielleicht nicht, aber ich.«Bodanski beschleunigte voll, doch Chapat

beugte sich zu ihm hinüber und stoppte dieMaschine.

»Umdrehen«, befahl er.»Nein. Ich lasse mich nicht mit der Ma-

dria ein.«Chapat zog die Pistole und richtete sie auf

den Kopf des Terraners.»Wenn ich dir einen Pfeil in den Kopf

schieße, ist es aus mit der großen Rolle, Pi-erre. Aki Axxy kennt keine Gnade, wenn dufür eine Woche aus gesundheitlichen Grün-den ausfallen solltest.«

»Wir könnten zu einer Polizeistation flie-gen.«

»Einverstanden. Das ist wenigstens et-was.«

Er blickte sich um und prägte sich die Vil-la ein, in der er Galaxia wußte. Dann lehnteer sich in seinem Sitz zurück und überließ esBodanski, die Ordnungshüter zu suchen. DerTerraner überflog die halbe Stadt, tat, als ober nicht genau wisse, wohin er sich zu wen-den habe, und landete schließlich vor einemkuppelartigen Gebäude, das auf seiner Ober-seite einen großen Polizeistern trug. Derarti-ge Stationen hatte Chapat schon mehrfachgesehen. Ihm war klar, daß Bodanski ver-sucht hatte, ihn vor einer Gefahr zu bewah-ren, und daß er glaubte, ihn nun ausreichendverwirrt zu haben. Er mochte annehmen, daßes ihm nicht gelingen werde, das Haus wie-derzufinden. Chapat aber war sich dessenganz sicher, daß er es konnte.

Sie betraten die Station. Ein einzelner Be-

Die Stars von Kantanong 17

amter empfing sie in einem kleinen Raum,in dem einige Stühle und ein Tisch standen.An den Wänden klebten die Fotos dergroßen Stars aus der Show-Welt.

»Ich weiß, wo die entführte Galaxia Te-mona ist«, erklärte Chapat. »Ich kann Sie zudem Haus führen.«

»Es genügt, wenn Sie es mir beschreiben.Wir werden uns dann darum kümmern.«

»Sie ist von der Madria entführt worden«,bemerkte Bodanski.

Der Beamte blickte ihn fragend an. Er gabsich ahnungslos.

»Von der Madria? Was ist das?«»Das wissen Sie sehr wohl«, schrie der

Terraner zornig. Er griff nach dem Arm desArkoniden. »Komm, Chapat. Sie werdennichts tun. Irgend jemand wird ein Lösegeldfür das Mädchen bezahlen, und damit ist dieSache in Ordnung.«

Der Polizist ging nicht auf diese Behaup-tung ein. Gleichmütig wartete er ab, obBodanski oder Chapat noch etwas sagenwollten. Aber auch der Arkonide hatte ge-merkt, was gespielt wurde. Er erkannte, daßdie Polizei tatsächlich nichts unternehmenwürde.

Schweigend verließ er die Kuppel. Seineroten Augen funkelten erregt.

»Mich widert das an«, sagte er, als siewieder im Gleiter saßen. Dieses Mal hatte erdas Steuer übernommen, bevor Bodanski estun konnte.

»Fliegen wir zum Hotel zurück?« fragteBodanski hoffnungsvoll.

»Nein – zu Galaxia. Sie ist wegen IschtarsLied entführt worden.«

Der Terraner erbleichte. Schweiß stiegihm auf die Stirn.

»Das kann nicht dein Ernst sein.«Chapat beschleunigte. Der Gleiter raste an

der Küste entlang.»Du kannst nicht von mir erwarten, daß

ich mich mit der Madria einlasse.«»Der Polizist gab uns zu verstehen, daß es

gar keine Madria gibt. Hast du das verges-sen?«

»Weil er Angst hat. Er will nicht sterben.

Und ich auch nicht. Lande und laß mich her-aus.«

»Das geht nicht. Ich brauche dich. Duwirst im Gleiter bleiben und sofort mit mirstarten, wenn ich Galaxia befreit habe.«

Pierre Bodanski stöhnte verzweifelt auf.Er redete mit Engelszungen auf den Arkoni-den ein, erzielte jedoch keinerlei Erfolg da-mit. Chapat erwies sich als unbeugsam. DieBehauptung Bodanskis, Galaxia zu befreienkomme einem Selbstmord gleich, ließ ihnkalt.

Schließlich landete er zweihundert Metervon der Villa entfernt, in der er das Mäd-chen wußte.

»Du kannst aussteigen, wenn du willst.«»Verdammt, ich bin kein Feigling, Cha-

pat, aber auch kein Selbstmörder.« Bodanskiöffnete die Tür und kletterte aus der Maschi-ne. Er sah niedergeschlagen aus. Mit hän-genden Schultern stand er auf den Felsenund blickte auf die Wellen hinab. Der Arko-nide schloß die Tür und startete wieder. Erflog bis zu seinem Ziel und setzte den Glei-ter auf der Terrasse auf.

Schnell näherte er sich einer offenen Tür,als ihm ein untersetzter Mann entgegenkam.Chapat erkannte in ihm sofort einen jenerMänner wieder, die Galaxia entführt hatten.Er hob seine Pistole. Der andere weiteteüberrascht die Augen. Seine Hand glitt unterdie Jacke. Sie kam mit einem Energiestrah-ler wieder darunter hervor. Bevor der Gang-ster ihn jedoch auf Chapat richten konnte,schoß dieser. Zischend fuhr die Nadel demVerbrecher in die Wange. Er brach auf derStelle zusammen. Stöhnend wälzte er sichauf dem Boden.

Der Arkonide nahm den Energiestrahlerauf und steckte ihn in den Gürtel. Lautlosbetrat er das Haus. In diesem Moment schrieder Mann auf der Terrasse gellend auf.

Für einige Sekunden blieb alles ruhig.Dann näherten sich schnelle Schritte. Gelas-sen zielte Chapat auf eine Tür. Als zwei be-waffnete Madrianer darin auftauchten, schoßer zweimal. Beide Male mit vollem Erfolg.Er sammelte die beiden Strahler auf und

18 H. G. Francis

nahm sie mit, um sie in einen Nebenraum zuwerfen, in dem sich niemand aufhielt.

»Galaxia?« rief er.Niemand antwortete. Chapat hob den

Kopf und sog die Luft durch die Nase ein.Er roch das Parfüm, das Galaxia im Bürovon Kayro Moozong getragen hatte. Undihm wehte der Duft eines wilden Tieres ent-gegen. Er vernahm das Geräusch, das Kral-len verursachen, wenn sie über einen wei-chen Boden schleifen. Seine außerordentlichverfeinerten Sinne spürten die Nähe einesgefährlichen Gegners.

Er ging langsam weiter, wobei er die Füßevorsichtig über den Boden schob, um so we-nig Lärm wie möglich zu machen. Er zogden erbeuteten Energiestrahler aus dem Gür-tel, entsicherte ihn und richtete ihn schußbe-reit nach vorn.

Plötzlich flog eine Tür vor ihm auf undein gelbrot geflecktes Raubtier sprang aufihn zu. Es verfügte über sechs muskulöseBeine und hatte fingerlange Reißzähne. Aufdem Kopf befanden sich zwei Dornen, anderen Spitzen ovale Verdickungen saßen.Aus ihnen spritzte Chapat eine ätzende Flüs-sigkeit entgegen.

Er warf sich zurück und schoß. Der son-nenhelle Energiestrahl raste durch die Bestiehindurch und schleuderte sie zurück. Chapatrollte sich über die Schultern ab und riß sichdie Jacke vom Leib, die unter der Einwir-kung der Säure Blasen warf und sich danachauflöste.

Keuchend wich er zurück. Mit einem der-art tückischen Angriff hatte er nicht gerech-net. Dafür hätte der Nadler auf gar keinenFall ausgereicht.

Das Tier war tot. Chapat wartete einigeSekunden, bis er ganz sicher war, daß dieRaubkatze ihm nicht mehr gefährlich wer-den konnte. Dann ging er vorsichtig an ihrvorbei, wobei er den Strahler ständig auf sierichtete, um notfalls sofort schießen zu kön-nen.

Ein Schatten schnellte sich auf den Ganghinaus. Der Arkonide löste den Nadler ausund ließ sich fallen. Ein gleißend heller

Energiestrahl fauchte über ihn hinweg. Erschoß erneut und traf seinen Gegner ins Ge-sicht.

Der Gangster brach mit einem Aufschreizusammen.

Chapat bückte sich und nahm ihm denBlaster weg.

»Hallo?« rief Galaxia ängstlich.»Kommen Sie heraus, Galaxia«, sagte er

erleichtert.Zögernd trat das Mädchen hinter einer

Tür hervor. Sie blickte erschauernd auf dastote Tier und den Entführer, der laut wim-merte. »Haben Sie sie … alle?« fragte siestockend. »Ich weiß nicht«, entgegnete derArkonide.

»Sehen Sie sich um. Sie wissen besser,wie_ viele es waren.«

Galaxia Temona schlüpfte an ihm vorbeiund eilte auf die Terrasse hinaus. Er folgteihr langsam, wobei er sorgfältig auf die Ge-räusche im Haus achtete, um nicht dochnoch überrascht zu werden. So erreichte erdie Terrasse später als sie.

Galaxia Temona blickte ihn zornig an.»Was ist das?« fragte sie heftig. »Keine

Reporter? Noch nicht einmal eine Robotka-mera? Wieso nicht? Was fällt Ihnen ein, dar-auf zu verzichten?«

»Wie bitte?«Sie breitete die Arme aus.»Nichts ist los«, schrie sie. Ihr Gesicht

verzerrte sich vor Wut. »Wie können Sie aufeinen derartigen Gag verzichten? GlaubenSie vielleicht, ich werde morgen noch ein-mal entführt? So etwas passiert nicht alleTage. Warum ist das Fernsehen nicht hier?«

Chapat schluckte. Ihm verschlug es dieSprache. Die Tür des Gleiters öffnete sich.Pierre Bodanski blickte heraus.

»Was ist? Wollt ihr Wurzeln schlagen?«fragte er.

Chapat packte die Sängerin und stieß siein die Kabine. Er setzte sich neben den Ter-raner, der sofort startete und auf Höchstge-schwindigkeit beschleunigte.

»Dieser Mann hat sein Leben riskiert, umSie herauszuholen. Daran sollten Sie denken

Die Stars von Kantanong 19

und ihm wenigstens danken.«»Was interessiert mich sein Leben?« ent-

gegnete das Mädchen hochfahrend. »Er hatmir einen erstklassigen Werbegag vermas-selt. Dafür sollte man ihm den Schädel ein-schlagen.«

»Lande, irgendwo, Pierre. Möglichstschnell.«

»Mußt du dich übergeben?«»Ich bin dicht davor.«Der Terraner setzte den Gleiter zwischen

zwei Villen am Strand auf. Chapat öffnetedie Tür.

»Verschwinden Sie, Galaxia«, befahl er.Er nahm ihren Arm und warf sie aus dem

Gleiter. Sie stürzte ins Gras. Chapat schlugdie Tür zu, und Bodanski startete, so daßGalaxia Temona nicht mehr einsteigenkonnte.

»Und nun?« fragte der Terraner.»Das weiß ich auch nicht.«»Vergessen wir das. Tun wir, als ob

nichts vorgefallen sei.«»Etwas anderes wird uns wohl auch nicht

übrig bleiben.« Er verzog die Lippen zu ei-nem verächtlichen Lächeln. »Ich glaube,meine Filmkarriere wird mir keinen Spaßmachen. Erzähle mir etwas über Atlan. Wasist das für ein Bursche?«

»Er ist neben Perry Rhodan, dem Großad-ministrator des Solaren Imperiums, der wohlmächtigste Mann der Galaxis. Er ist der Un-sterbliche.« Bodanski blickte den Arkonidenan. »Hebt das deinen Respekt vor diesemBurschen etwas?«

4.

Am nächsten Tag begannen die erstenAufnahmen, die ganz anders verliefen, alsChapat es erwartet hatte. Gelassen ließ er al-les über sich ergehen. Im Grunde genommeninteressierten ihn die Filmarbeiten nur amRande. Ihn beschäftigte die Frage, wie erdas unersetzliche Ischtar-Memory wiederbe-kommen konnte, weitaus mehr. Darüber hin-aus bot sich ihm die Möglichkeit, relativschnell viel Geld zu verdienen. Und damit

konnte sich das gleiche Ergebnis erzielenlassen, das er auch mit dem Verkauf vonIschtars Lied angestrebt hatte.

Aki Axxy arbeitete mit modernster Tech-nik. So war der Arkonide mehrere Stundenlang völlig allein im Studio und dennoch inAktion. Der Agent, der in einer Kabine hochüber Chapat saß, erläuterte ihm, was er zutun hatte. Meistens brauchte er sich nur einwenig zu bewegen, sich zu bücken, hochzu-springen, die Waffe zu ziehen, an einenTisch zu setzen, um eine Konferenz zu lei-ten, an der außer ihm niemand sonst teil-nahm.

In einer Pause zeigte Aki Axxy ihm dieErgebnisse. Chapat war verblüfft, denn nunsah er einen abenteuerlichen, spannungsrei-chen Film, in dem er mit zahllosen humanoi-den und nicht humanoiden Lebewesen zu-sammen agierte. Er selbst war ständig nur inbereits bestehende Trivideostreifen einge-blendet worden, wobei derart perfekt ge-machte Szenen entstanden waren, daß er dieTäuschung selbst kaum noch erkennenkonnte.

»Das sind nur kleine Ausschnitte«, erläu-terte Aki Axxy. »Selbstverständlich kom-men wir um einige Außenaufnahmen nichtherum, aber das hat Zeit.«

Am Nachmittag setzten sie die Arbeitenfort, wobei Chapat vor einem wandhohenTrivideowürfel stand, in dem die weiterenwichtigen Szenen abrollten. Er kämpfte miteinigen Gegnern aus diesen Streifen, ohnesie je berühren zu müssen. Die überzeugenddreidimensionale Darstellung erweckte denEindruck, als befinde er sich mal vor undmal hinter seinem Kontrahenten, obwohl ersich niemals mehr als einige Zentimeter vonder Stelle bewegte. Fliegende Robotkamerasnahmen die Abschnitte aus den verschiede-nen Richtungen auf. Aki Axxy saß mit sei-nem Regisseur vor einer Monitorwand undzeichnete die Bilder auf. Alle anderen Ar-beiten wurden von robotischen Einrichtun-gen erledigt, die von einer positronischenZentrale gesteuert wurden, die wiederumvon Aki Axxy beaufsichtigt wurde. So gab

20 H. G. Francis

es weder Beleuchter noch Kabelschlepper,weder Skript-Girls noch Toningenieure, Ka-meramänner, Kameraassistenten, Dramatur-gen oder Feuerwehrleute. Selbst die Maskewurde von der Positronik hergestellt undaufgezeichnet. Dadurch fielen auch die Fo-tografen weg, die jedesmal nach einem Ar-beitsabschnitt Bilder von den Akteuren her-stellen mußten, damit zu Beginn der näch-sten Aufnahmeperiode die Masken nochstimmten.

Pierre Bodanski saß gelangweilt dabeiund sah zu. Er bekam an diesem Tag nur eineinziges Mal Gelegenheit, vor die Kameraszu treten. Das aber genügte ihm vollkom-men, wie er Chapat versicherte. Bei AkiAxxy dagegen protestierte er temperament-voll und forderte einen intensiveren Einsatz.

»Verstehst du nun, weshalb die Schau-spieler es so schwer haben?« fragte er, alssie am Abend im Salon der Suite zusam-mensaßen, die der Arkonide bewohnte.»Man braucht heute einfach keine Schau-spieler mehr. Man würde mit einer Handvollauskommen.«

»Gibt es denn so viele?«»Hunderttausende. Auf allen zivilisierten

Welten der Galaxis wird den jungen Men-schen vorgegaukelt, daß der Schauspielereinen Traumberuf hat. Er verdient Millionen– so behauptet man überall. Und dann bringtdie Presse Berichte von den rauschenden Fe-sten, die sich ein Mearl Perkon leistet. Bou-levardvision lebt von den Klatschgeschich-ten über einen Mearl Perkon und seine stän-digen Weibergeschichten. Dabei verdienennoch nicht einmal fünf Prozent aller Schau-spieler genügend Geld, um anständig überdie Runden zu kommen. Du weißt ja garnicht, wieviel Glück du gehabt hast, diesenVertrag zu bekommen.«

»Was ich nicht verstehe, ist, daß AkiAxxy ausgerechnet mir soviel bezahlt. Erhätte doch irgendeinen Arkoniden nehmenkönnen und ihn als Atlan maskieren können.Das wäre doch sicherlich viel billiger gewe-sen – oder nicht?«

»Ganz gewiß sogar, aber einen solchen

Mann kann er der Öffentlichkeit nicht prä-sentieren. Man würde die Maske bald durch-schauen. Du aber bist nicht mit Bioplastikverändert worden. Du siehst wirklich so auswie der Lordadmiral. Wieso eigentlich? Werbist du?«

»Chapat. Sonst nichts«, entgegnete derArkonide zurückhaltend.

»Und – wer ist Ischtar?«»Ich habe gehört, daß morgen das große

Spiel ist. Was ist das für ein Spiel?«»Du willst also nicht antworten, eh? Na

schön, das ist deine Sache.«»Ich habe vorhin in den Nachrichten ge-

hört, daß morgen das Spiel aller Spiele ist.Was ist das – Gleutz?«

Die Augen Bodanskis blitzten auf.»Du bist wirklich ahnungslos. Woher

kommst du eigentlich? Aus einer anderenGalaxis?«

»Was ist Gleutz?« fragte Chapat geduldig.»Moment.« Der Terraner ließ sich mit

Aki Axxy verbinden. Einige Sekunden ver-strichen, dann kam der Agent tatsächlich insBild.

»Ich habe eine großartige Idee, Mr. Axxy.Chapat interessiert sich für Gleutz. Undmorgen ist das Spiel.«

»Und deshalb stören Sie mich, Bodan-ski?«

»Ich meinte, daß … ich wollte sagen …«»Wofür halten Sie mich eigentlich,

Bodanski? Glauben Sie, ich wüßte nicht, wieman einen Star populär macht? Selbstver-ständlich habe ich Karten für das Spiel – fürmich und Mr. Chapat.«

»Für mich wohl nicht … oder doch?«fragte der Terraner enttäuscht. »Nein? Auchnicht einen Stehplatz?«

Aki Axxy schaltete ab. Pierre Bodanskisetzte sich in einen Sessel und ließ den Kopfhängen. Chapat legte ihm lächelnd die Handauf die Schulter.

»Vielleicht kann ich doch noch etwas fürdich tun, Pierre«, sagte er.

»Wenn du so wild auf das Spiel bist, mußtdu es doch sehen. Vorher aber mußt du mirschon erklären, worum es überhaupt geht.«

Die Stars von Kantanong 21

Bodanski schöpfte sofort neue Hoffnung.Er richtete sich auf, griff nach seinem Whis-kyglas und entleerte es auf einen Zug.

»Hör zu, Chapat, Gleutz ist einfach gött-lich. Es ist …«

»Bitte, Pierre, ich möchte nur die Fak-ten.«

»Ach so. Also – Gleutz ist ein Männer-spiel. Es findet auf einem Prallfeld statt, dasmit einer Gleitsubstanz bedeckt ist. Dadurchist das Spielfeld so glatt, daß es allein schoneine Kunst ist, auf den Beinen zu bleiben.Die Spieler müssen eine Scheibe, die einenDurchmesser von dreißig Zentimetern hatund zwanzig Zentimeter hoch ist, in ein Tortreiben. Dabei dürfen sie alle Körperteileeinsetzen.«

»Ist das so schwer?«»Sehr sogar, weil die Scheibe sich näm-

lich nicht vom Prallfeld löst, sondern nur aufihm gleitet. Jede Aktion beginnt ganz lang-sam, weil die Spieler sich erst einmal aufdem glatten Grund in Bewegung setzenmüssen. Je schneller sie werden, destoschneller wird auch das Spiel. Sie müssenversuchen, die Scheibe mit vollem Schwungzu treffen, sichauf sie zu werfen, um mit ihrquer über das Spielfeld in das Tor zu rasen,was die Abwehrspieler natürlich mit allerKraft zu verhindern suchen. Dazu gehörtGewandtheit. Und die Spieler müssen eineungeheure Kondition haben.«

»Und morgen ist ein wichtiges Spiel?«»Es ist das Spiel! Es ist die abschließende

Ausscheidung aller Welten, die weiter als8000 Lichtjahre von der Erde entfernt sind.Wer gewinnt, kommt in die Endspiele desSolaren Imperiums.«

Chapat nippte an seinem Whisky.»Und so ein Spiel kann natürlich nur auf

einer Welt wie Kantanong stattfinden«, stell-te er fest. »Hier sind alle technischen Vor-aussetzungen dafür gegeben, die Veranstal-tung in alle Teile der besiedelten Galaxisauszustrahlen. Und hier gibt es auch die Ma-dria, die vermutlich das Wettgeschäft be-sorgt und dabei Millionen verdient.«

Pierre Bodanski fluchte leise.

»Damit kommst du doch nicht aus, Cha-pat. Hier laufen die Wettgeschäfte für einengroßen Teil der Galaxis zusammen. Die Ma-dria macht Hunderte von Millionen – viel-leicht sogar noch mehr.«

»Und niemand unternimmt etwas dage-gen.«

»Wer könnte schon etwas tun? Die So-lAb? So etwas geht sie nichts an. Die USO?Die hat damit nichts zu tun. Wer käme sonstnoch in Frage? Nur die Polizeibehörden vonKantanong, und wie tüchtig die sind, hast duja selbst erlebt.«

»Was ist die SolAb? Was ist die USO?«fragte Chapat.

Bodanski griff sich stöhnend an den Kopf.Er wollte sich erneut danach erkundigen,woher der Arkonide eigentlich kam, daß erso wenig wußte. In diesem Moment sprangdie Tür auf, und vier Männer kamen herein.Sie trugen schwere Impulsautomatiken inden Händen. Dem Terraner fiel vor Schreckdas Whiskyglas aus den Fingern, währendChapat ruhig blieb.

»Kommen Sie mit, Chapat«, befahl einerder Gangster.

»Wohin?«»Das werden Sie schon noch erfahren.

Los.«Der Arkonide stellte sein Glas weg, erhob

sich und duldete, daß ein anderer der Ein-dringlinge ihn nach Waffen untersuchte undihm den Nadler abnahm. Dann ließ er sichaus dem Raum führen. Pierre Bodanski bliebbleich zurück. Er hatte bereits mit seinemLeben abgeschlossen und blickte fassungs-los auf die sich schließende Tür, als die Ma-drianer verschwanden, ohne ihn zu beach-ten.

Auf dem Dach parkte ein Luxusgleiter.Die Männer drängten den Arkoniden hineinund starteten. Niemand sprach ein Wort, undkeiner schien es für wichtig zu halten, vorChapat zu verbergen, wohin man flog. DerGleiter raste an der Küste entlang und lande-te im Park einer Villa, die mit zahllosenTürmchen verziert war.

Das Haus glich einer Festung.

22 H. G. Francis

Chapat sah zahlreiche Kampfroboter, dieunter den Bäumen im Park postiert waren.Einige Raubkatzen der Art, wie er sie er-schossen hatte, als er Galaxia Temona be-freit hatte, streunten im Park herum.

Die Männer führten den Arkoniden ineinen Raum, der mit Jagdtrophäen überladenwar. In einem mit Fellen ausgelegten Sesselsaß ein weißhaariger Terraner, der Chapatmit wachen Augen musterte.

»Setzen Sie sich«, sagte er freundlich. Ersprach ein auffallend gutes Interkosmo, dasvöllig frei von jeglichen Akzenten war. »Siesind Chapat, nicht wahr?«

Der Arkonide nickte.»Mein Name ist Ramon Hablish. Ich bin

Geschäftsmann.«»Was man hier so Geschäftsmann nennt«,

entgegnete Chapat verächtlich.Der Madria-Boß lächelte amüsiert. Seine

dunklen Augen erhellten sich. Ein unifor-mierter Diener brachte Getränke.

»Nun, Mr. Chapat, Sie haben sich rechttemperamentvoll verhalten. Warum habenSie Galaxia Temona so enttäuscht? Einigemeiner Leute hatten sich ein kleines Neben-geschäft erhofft, und dieses Sternchen hätteein wenig Publicity gehabt.«

»Ich finde diese Angelegenheit durchausnicht spaßig, Mr. Hablish. Immerhin ist da-bei ein Mann ermordet worden.«

»Das ist natürlich ärgerlich, gab aber aufder anderen Seite der Entführung auch jenendramatischen Akzent, den die hiesige Pressebraucht. Aber lassen wir das. Ich habe Sienicht aus diesem Grunde zu mir gebeten.Wie ich erfahren habe, haben Sie sich be-müht, mit Kayro Moozong ins Geschäft zukommen. Dabei hat man Ihnen einen wert-vollen Gegenstand abgenommen. Ist dasrichtig?«

»Das stimmt. Ich weiß allerdings nicht, obMoozong dafür verantwortlich ist, oder obIhre Leute es getan haben.«

Hablish lächelte hintergründig.»Wir sind doch keine Wegelagerer, Mr.

Chapat.«»Was wollen Sie von mir?«

»Ich möchte Geschäfte mit Ihnen machen,Mr. Chapat. Wenn wir uns einig werden,kann ich dafür sorgen, daß Sie Ihren Kreiselzurückbekommen.«

Der Arkonide überlegte. Er war sich überseine Situation im klaren. Ramon Hablishwürde ihn töten lassen, wenn er nicht davonüberzeugt war, daß er ihm nützen konnte.

»Man könnte darüber reden«, erwiderteder Arkonide.

Ramon Hablish prostete ihm zu. Chapattrank ebenfalls.

»Worum geht es?«»Das liegt doch auf der Hand, Mr. Cha-

pat. Mich fasziniert Ihre unglaubliche Ähn-lichkeit mit Lordadmiral Atlan. Darauf wirdsich unser Geschäft aufbauen. Ich schlagevor, daß Sie nun in Ihr Hotel zurückkehrenund sich alles in Ruhe überlegen.«

Der Madria-Boß erhob sich und strecktedem Arkoniden die Hand entgegen. Chapatergriff sie, wobei er sich seinen Widerwillennicht anmerken ließ.

»Meine Leute werden Sie wieder zurück-bringen.« Hablish legte ihm den Arm um dieSchultern und führte ihn zum Hauseingang.

Chapat fühlte, daß er sich hoffnungslosverstrickt hatte. Er war in die Fänge der Ma-dria geraten, ohne etwas dagegen tun zukönnen. Natürlich war ihm klar, daß Hablishihn benutzen wollte, um jenen LordadmiralAtlan zu vernichten oder ihm doch schwerzu schaden.

Er sollte das Werkzeug in einem teufli-schen Plan sein, der sich gegen jenen Mannrichtete, den er in einer Filmserie spielensollte.

*Quinto-Center 1.10.2843 – Erdzeit

Das Rufzeichen an dem Videomonitor aufdem Arbeitstisch von Lordadmiral Atlanflammte auf. Der Arkonide schaltete das Ge-rät ein. Das positronische Filterzeichen er-schien, das darauf hindeutete, daß der nunfolgende Gesprächspartner ein mit Außen-aufgaben betreuter USO-Spezialist war, der

Die Stars von Kantanong 23

eine für Atlan wichtige Meldung zu machenhatte. Er war von der Positronik geprüft undakzeptiert worden.

Das Bild wechselte. Atlan sah das Gesichteines Mannes von fast weiblicher Schönheit.

»Ich bin Leutnant Hessefy, Lordadmiral.Eingesetzt für Kantanong. Ich bin sicher,daß ich eine wichtige Nachricht für Sie ha-be, die ich Ihnen gern übergeben möchte.«

»Kommen Sie herein, Leutnant Hessefy«,entgegnete der Arkonide mit einem leichtenLächeln.

Er erwartete den Leutnant an seinem Ar-beitstisch. Der zunächst etwas feminine Ein-druck schwand. Hessefy war ein harter undintelligenter Mann, der sich optimal auf sei-nen Einsatzort eingestellt hatte. Als er aufden Arbeitstisch zuging, blickte Atlan aufeinen Monitorschirm, auf dem die wichtig-sten Daten und Charakteristika von Kanta-nong erschienen.

Hessefy legte eine Tonspule auf den Tischund setzte sich.

»Auf Kantanong ist ein Mann aufge-taucht, Lordadmiral, der große Ähnlichkeitmit Ihnen hat. Als ich ihn zum erstenmalsah, hätte ich fast geglaubt, daß Sie es sind.Er ist jedoch etwas größer als Sie, und seineHaut ist bronzefarben. Dieser Mann machteeinen etwas eigenartigen Eindruck, so alskomme er aus einer ganz anderen Welt, diemit unserer nur wenig gemein hat. Dennochspricht er flüssig Interkosmo.«

»Haben Sie ein Bild von ihm?«»Leider nicht. Ich hatte nur für einen ganz

kurzen Moment Gelegenheit, ihn zu sehen.Ich habe mich vor allem auf die Tonband-aufnahme konzentriert, die bei einer Musik-produktionsgesellschaft gemacht worden ist.Es war schwierig, sie zu bekommen.«

Atlan nahm die Spule in die Hand. Erwartete ab, denn er wußte, daß kein USOS-pezialist einfach nur mit einer Tonbandauf-nahme zu ihm gekommen wäre, wenn nichtnoch etwas ganz besonderes dabei gewesenwäre.

»Dieses Lied erzeugt eine derart euphori-sche Stimmung, daß ich vermute, daß es pa-

rapsychisch wirksam ist. Ich bin gekommen,um das überprüfen zu lassen.«

»Sie haben richtig gehandelt, Leutnant.«Der Arkonide legte die Tonspule in ein

Abhörgerät und schaltete es ein. Die Ton-qualität war nicht besonders gut, dennocherzielte die Aufnahme eine verblüffendeWirkung.

Atlan wurde bleich. Seine Augen fülltensich mit Tränen – ein überaus deutlichesZeichen für seine Erregung. Er beugte sichnach vorn, als wolle er keine Nuance entge-hen lassen.

»Das ist Ischtars Stimme«, sagte er heiser.Seine Finger zitterten unmerklich, als er dasGerät abschaltete und die Spule zurücklau-fen ließ. Abermals erklangen die seltsamenfremdartigen Töne durch den Raum. Leut-nant Hessefy erschien es, als ob Atlan jedesWort dieser unbekannten Sprache verstehe.

»Ich bin froh, daß Sie so schnell gehan-delt haben, Leutnant«, sagte Atlan endlich,als die Spule stehenblieb. »Schildern Sie mirden Mann noch einmal. Ich möchte jedeEinzelheit wissen. Was ist auf Kantanonggenau passiert?«

Leutnant Hessefy begann mit einem aus-führlichen Bericht. Der Arkonide ließ einAufzeichnungsgerät mitlaufen, um sichnichts entgehen zu lassen.

Kantanong war für ihn plötzlich zu einerWelt von höchstem Interesse geworden.

»Wie nannte sich der Fremde?« fragte erabschließend.

»Chapat.«»Chapat«, wiederholte Atlan leise.

*

»Chapat!« rief Pierre Bodanski. Er sprangaus dem Sessel auf, in dem er gesessen hat-te, und eilte auf den Arkoniden zu, als wolleer ihn umarmen. »Du lebst!«

Chapat kniff sich in die Wange.»Es tut weh, also lebe ich.«»Berichte. Was ist geschehen? Ich habe

keinen Soli mehr für dein Leben gegeben.Was wollte die Madria von dir?«

24 H. G. Francis

Chapat ging zur Servobar und zapfte sichein Eiswasser ab. Mit knappen Worten er-zählte er, was sich in der Villa von RamonHablish ereignet hatte.

»Hablish?« fragte Bodanski. Er ließ sichwieder in den Sessel zurücksinken. »Chapat,ich habe ein verdammt flaues Gefühl imMagen. Jeden anderen hätten sie umge-bracht. Warum dich nicht?«

Der Weißhaarige setzte sich ebenfalls.»Um ehrlich zu sein, Pierre, ich habe ei-

gentlich auch damit gerechnet, daß sie sichrächen wollen. Sie haben es nicht getan. Siewollen mit mir zusammenarbeiten.«

Bodanski erhob sich und holte sich einGlas Whisky. Er entleerte es auf einen Zugund füllte sich ein zweites. Beunruhigtschüttelte er den Kopf.

»Es gibt nur eine Möglichkeit für dich,Chapat. Du mußt verschwinden. So schnellwie möglich.«

»Wie stellst du dir das vor? Ich kann nichtso ohne weiteres weg. Ich habe keineSchiffspassage. Ich habe kein Geld.«

»Du hast den Scheck.«»Das ist nicht mehr als ein Taschengeld.

Und kannst du dir nicht vorstellen, daß ichüberwacht werde? Was meinst du, würdeHablish wohl tun, wenn er mich am Raum-hafen überraschte?«

»Das ist nicht weiter schwer zu erraten«,erwiderte Bodanski niedergeschlagen. Erfuhr sich mit dem Zeigefinger quer über dieKehle.

»Also, was kann ich tun?«»Nichts, Chapat. Du sitzt in der Patsche.

Ich weiß nicht, wie du da wieder heraus-kommen willst. Es liegt auf der Hand, daßsie nicht allein wegen deiner schönen rotenAugen an dir interessiert sind, sondern weildu eine so große Ähnlichkeit mit Atlanhast.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, welcheVorteile daraus für die Madria entstehenkönnten.«

»Die Madria macht ihre Geschäfte mitBetrügereien, Erpressungen und Manipula-tionen großen Stils. Lordadmiral Atlan ist

eine einflußreiche Persönlichkeit. Wer einenDoppelgänger in irgendein Spiel bringenkann, beidem es um viel Geld geht, der kannein riesiges Geschäft machen – bei dem duauf jeden Fall der Dumme bist.«

»Das ist mir klar.«»Sie werden dich verschwinden lassen,

wenn alles vorbei ist.«Chapat antwortete nicht. Nachdenklich

saß er in seinem Sessel.»Nur eines kann dich noch retten«, sagte

der Terraner.»Und das wäre?«»Du mußt ganz schnell ins große Geschäft

kommen. Du mußt ein Star werden, der Mil-lionen wert ist. Die Madria ist überall betei-ligt. Man darf ruhig annehmen, daß sie esauch bei Axxys Agentur ist. Wenn du für siezum Goldesel wirst, werden sie dich nichtschlachten, sondern ausbeuten.«

»Wenn Superstar Mearl Perkon mir die-sen Tip gegeben hätte, wäre ich glücklichgewesen, Pierre. Er weiß, wie man ein Starwird. Bei dir bin ich nicht ganz so sicher,daß du alle Karrieretricks kennst.«

»Leider«, entgegnete Bodanski. »Abereinen besseren Tip kann ich dir nun malnicht geben.«

Die beiden Männer schwiegen. Jeder hingseinen Gedanken nach.

»Vielleicht ist das Spiel morgen eineChance für dich«, sagte der Terraner end-lich.

5.

Die Stadt Kantanong glich einem Hexen-kessel. Über Nacht hatte sie sich in einHeerlager von bunt kostümierten, fahnen-schwenkenden Fans verwandelt, die überallzwischen den Häusern auf den freien Flä-chen kampierten. Aus der Richtung desRaumhafens, der etwa zweihundert Kilome-ter südlich der Stadt lag, kamen wahreSchwärme von Taxigleitern herauf.

Aki Axxy erschien eine Stunde vor demBeginn des Spiels in der Suite des Arkoni-den. Er begrüßte ihn übertrieben freundlich.

Die Stars von Kantanong 25

»Heute haben Sie Ihre große Chance, Mr.Chapat«, sagte er.

»Was habe ich zu tun?«»Nichts. Sie sollen nur ruhig neben mir

sitzen und sich diszipliniert verhalten. Zei-gen Sie nicht zuviel Begeisterung, aber auchnicht zu wenig. Während des Spiels werdeich Ihnen mitteilen, was Sie auf einer an-schließenden Pressekonferenz sagen sollen.Sie werden einige Spieler loben und einenverteufeln – wen, das hängt vom Spiel ab.«

»Was ist mit Bodanski?«»Er wird uns begleiten.«Eine halbe Stunde vor Spielbeginn trafen

Aki Axxy, Chapat und der Terraner im Sta-dion ein, das etwa zwei Kilometer nördlichder Stadt lag. Der Arkonide sah zum ersten-mal eine Anlage dieser Art. Die eigentlicheSpielfläche schimmerte weiß. Sie wurde um-grenzt von anderthalb Meter hohen Banden,in denen die Prallfeldprojektoren verborgenwaren. Auf beiden Seiten befand sich je einfünfzig Zentimeter hohes und vier Meterbreites Tor. Etwa zweihunderttausend Zu-schauer drängten sich in dem Oval zusam-men. Einpeitscher der verschiedenen Partei-en brachten das Publikum in Stimmung. Im-mer wieder hallten die Gesänge der Fansdurch das Stadion.

Einige Reihen unter ihm zog SuperstarMearl Perkon mit einem Gefolge von dreiBlondinen ein. Erst als der Schauspieler vorRamon Hablish stehenblieb, bemerkte Cha-pat, daß auch dieser sich unter den Zuschau-ern befand. Ungefähr hundert Meter vonihm entfernt glitt Kayro Moozong, der Präsi-dent der GMC, in eine für ihn reservierteLoge.

Und dann begann ein mitreißendes Spiel,das die Zuschauermassen zu Begeisterungs-stürmen hinriß. Schon nach wenigen Minu-ten war auch Chapat fasziniert. Aki Axxy di-rigierte unauffällig einige Robotkameras indie Nähe, die einige Bilder von dem Arkoni-den einfingen.

Das Spiel war kampfbetont und hart. Eserforderte eine unglaubliche Körperbeherr-schung, da die Spieler auf dem schlüpfrigen

Boden kaum Halt fanden. So kam es vor al-lem darauf an, die Bewegungsabläufe vorherzu berechnen und auszunutzen.

Immer wieder versuchten die Akteure,sich auf die Spielscheibe zu werfen und mitihr quer über das Spielfeld bis ins Tor zurutschen. Die Verteidiger brauchten derScheibe jedoch nur einen geringen Stoß zugeben und damit ihre Position zu verändern,um die Angreifer ins Leere rasen zu lassen,da diese keine Möglichkeiten hatten, ihrenSchwung vor der Bande abzufangen, es seidenn, daß sie mit einem Gegner zusammen-prallten.

Einige Spieler bewegten sich mit unnach-ahmlicher Eleganz auf dem Feld, währendandere nur schwer mit dem glatten Unter-grund fertig wurden und zum Vergnügen desPublikums oft in grotesker Weise stürzten.Beide Mannschaften waren etwa gleichwer-tig. Dennoch verzeichnete eine von ihnenzur Halbzeit leichte Vorteile.

In der Pause rollte ein roter Teppich aufdas Spielfeld. Eine Reihe von Robotkamerasund Spezialmikrophonen schwebte auf denMittelkreis zu. Und dann schritt Galaxia Te-mona wie eine Königin über den Teppichaufs Feld. Sie trug ein tiefdekolletiertesKleid.

»Jetzt bin ich mal gespannt, was diesedumme Gans singt«, sagte Pierre Bodanskiärgerlich. »Wie ist das möglich, daß sie einesolche Chance bekommt?«

»Dafür dürfte Kayro Moozong verant-wortlich sein«, erwiderte Aki Axxy, der vondem Auftritt dieses Mädchens ebenfallsnicht begeistert war.

Im Stadion wurde es still. Dann setzte dieMusik wie ein Paukenschlag ein. Aus sämt-lichen Lautsprechern des Stadions klang dasLied Ischtars über das Rund.

Schon die ersten Töne versetzten die Mas-sen in einen Begeisterungstaumel. Überallsprangen die Männer und Frauen von ihrenPlätzen auf und lauschten, als befänden siesich im Rausch. Die traurige, fremdartigeStimme ließ sie die Wirklichkeit vergessen.Männer und Frauen brachen in Tränen aus.

26 H. G. Francis

Viele von ihnen sanken wie in Ekstase aufdie Knie und schlugen die Hände vor dasGesicht.

Chapat stand kreidebleich in der Loge.Sein Gesicht zuckte.

»Sie bleiben hier, Chapat«, sagte AkiAxxy, dem es gelang, sich der Faszinationdes Liedes zu entziehen. »Wenn Sie auchnur einen einzigen Schritt nach unten tun,sind alle Ihre Chancen dahin.«

»Ich töte sie«, sagte der Arkonide stam-melnd.

»Richten Sie Ihren Zorn lieber auf KayroMoozong, der Sie betrogen hat«, entgegneteder Agent kalt.

Pierre Bodanski brüllte wütend auf. Ersprang über eine Barriere hinweg, raste aufdas Spielfeld zu und schwang sich über dieBande. Er versuchte, auf den Beinen zu blei-ben, aber seine Füße rutschten unter ihmweg. Er stürzte und glitt hilflos über dieSpielfläche. Dabei schlug er mit Armen undBeinen um sich, fand aber nirgendwo Halt.Doch das war für ihn gar nicht so wichtig.Er raste genau auf Galaxia Temona zu, prall-te mit ihr zusammen und warf sie um.

Nun wälzten sich beide mit halsbrecheri-schen Verrenkungen auf dem schlüpfrigenUntergrund. Vergeblich bemühten sie sich,wieder auf die Beine zu kommen. Was auchimmer sie taten, sie glitten sofort wieder ausund landeten auf dem Boden.

Währenddessen hallte Ischtars Lied aberweiter aus den Lautsprechern, so daß nunauch der Dümmste im Stadion den Betrugerkannte. Damit war der Bann gebrochen.Die Besucher erwachten aus ihrer Starre undihrem euphorischen Taumel. Gelächter kamauf. In einigen Blocks skandierten die Ein-peitscher ihre Schlachtrufe. Ein Chaos ent-stand, das schlimmer für Galaxia Temonaund ihren Produzenten nicht hätte sein kön-nen.

Einige Spieler kamen aufs Feld, um dasMädchen und Bodanski herunterzuholen,aber die Regisseure der sportlichen Veran-staltung reagierten noch schneller. Sie setz-ten die Antigravprojektoren ein, die überall

am Spielfeldrand angebracht waren, undschoben die beiden durch einen Zugang hin-aus. Galaxia war es dabei gelungen, auf dieFüße zu kommen. Sie stürzte erneut hin,warf die Beine nach oben und schrie gellendauf. Wieder brandete ein ohrenbetäubendesGelächter durch das Oval. Es kennzeichnetedas absolute Ende einer noch nicht ganz be-gonnenen Karriere. Dann aber begannen dieFans zu pfeifen und zu johlen. AllerleiTrinkgefäße und Kleidungsstücke flogen aufdas Spielfeld.

Chapat beobachtete mit funkelnden Au-gen, daß Kayro Moozong sich zornbebendaus dem Stadion zurückzog. Am liebstenwäre er ihm nachgelaufen, doch Aki Axxyhielt ihn energisch zurück.

»Es genügt, daß Ihr Freund Bodanski sichlächerlich gemacht hat«, sagte er. »Sie müs-sen es nicht unbedingt auch noch tun.«

Chapat sank auf seinen Platz zurück. Erwar wie betäubt, glaubte er doch, nunmehr-den eindeutigen Beweis dafür zu haben, daßMoozong ihn bestohlen hatte.

»Er war es«, erklärte er heftig. »Er hatden Kreisel.«

»Beruhigen Sie sich, junger Freund«, ent-gegnete der Agent. »Er hat eine oder mehre-re Aufzeichnungen gemacht, als Sie in sei-nem Büro waren. Das bedeutet noch langenicht, daß er Ihnen auch den Kreisel entwen-det hat.«

»Das wird er mir bezahlen.«»Wie denn?« fragte Axxy spöttisch. »Sie

können ja noch nicht einmal beweisen, daßSie die Rechte an diesem Lied haben.«

Die Mannschaften kamen wieder auf dasSpielfeld und setzten ihren Kampf fort.Doch das Publikum beruhigte sich nicht soschnell. Minutenlang ging das Pfeifkonzertweiter, bis die Aktionen der Spieler die Zu-schauer in ihren Bann schlugen.

*

Als die Schlußsirene ertönte, fielen sichsowohl die Spieler der Mannschaft, die ge-wonnen hatte, als auch deren Anhänger in

Die Stars von Kantanong 27

die Arme. Ein ungeheurer Beifallssturmbrach los, der erkennen ließ, daß niemandnoch daran dachte, was in der Pause vorge-fallen war.

Chapat erhob sich und wollte davonge-hen, doch Aki Axxy hielt ihn fest.

»Nicht so schnell«, sagte er. »Sie müssenwarten, bis Sie Gelegenheit hatten, einigeFragen der Reporter zu beantworten.«

»Ich sehe keine Reporter.«»Die sitzen im Studio und lenken die Ro-

botkameras.«»Ich muß wissen, was aus Pierre Bodan-

ski geworden ist.«»Das Geschäft geht vor. Sehen Sie, Mearl

Perkon wird bereits gefragt, was er zumSpiel zu sagen hat. Gleich sind Sie an derReihe.« Er gab Chapat einige Anweisungenund Erklärungen.

»Aber das entspricht doch überhaupt nichtden Tatsachen«, protestierte der Arkonide.

»Das spielt keine Rolle. Die Zuschauerwollen das hören, und nichts anderes. Also –los!«

Eine Robotkamera schwebte auf Chapatzu, der ein wenig verwirrt in die Linse blick-te. Aus einem Lautsprecher unterhalb derOptik hallten ihm einige Fragen entgegen,die er mechanisch beantwortete; so wie AkiAxxy es verlangte. Damit verhielt er sich of-fenbar richtig. Der Reporter im Studio be-dankte sich mit überschwenglichen Worten.

Chapat atmete auf, als die Kamera sichabwandte. Der Agent klopfte ihm auf dieSchulter.

»Das haben Sie prächtig gemacht, Cha-pat.«

»Ich finde das alles widerlich.«»Fein. Sie dürfen Ihren privaten Ge-

schmack haben, solange niemand zuhört.«»Ich will jetzt wissen, was aus Pierre ge-

worden ist.«»Na gut. Ich begleite Sie.«Der Agent kämpfte sich durch das Ge-

wühl der aus dem Stadion strebenden Men-schen, bis sie zu einem Abgang kamen, derzu den subplanetarischen Anlagen führte.Hier war es ruhiger. Offenbar wußte Axxy

recht genau, in welchem Bereich er zu su-chen hatte. Zielstrebig wandte er sich einerSporthalle zu, die direkt unter dem Spielfelderrichtet worden war.

»Da ist er«, sagte er, als sie durch ein Ein-gangsschott traten.

Chapat sah einen Mann, der zusammenge-krümmt im Mittelpunkt der kreisrunden Hal-le lag. Er eilte auf ihn zu und kniete bei ihmnieder. Pierre Bodanski lebte noch, aber erschwebte in großer Lebensgefahr. Sein Ge-sicht war kaum noch wiederzuerkennen.

»Ich rufe einen Arzt«, rief Axxy vom Ein-gang aus. Er drehte sich um und lief davon.Sekunden später schon schwebte ein Medo-roboter mit flammenden Signallichtern her-ein. Er nahm den Verletzten behutsam aufund legte ihn auf eine Trage, wo er mit ener-getischen Fesselfeldern gesichert wurde.Zahlreiche Sonden legten sich Bodanski anden Kopf, Brust und Handgelenke, um seineLebensfunktionen zu überwachen. Dann ra-ste der Automat davon.

»Sie haben genau gewußt, was los war«,sagte Chapat zornig zu dem Agenten. »UndSie haben nichts getan, um ihm zu helfen.«

Axxy zuckte mit den Schultern.»Wer sich mit Kayro Moozong einläßt,

muß damit rechnen, daß seine Gesundheitleidet«, antwortete er gleichgültig. »DieShow zu unterbrechen, war so ziemlich dasDümmste, was Bodanski tun konnte. SeienSie froh, daß ich Sie zurückgehalten habe,sonst wären Sie jetzt auch auf dem Weg insMedocenter.«

»Dafür wird Moozong zu zahlen haben!«»Meinen Sie?«»Sie können sich darauf verlassen.«Aki Axxy lächelte überlegen. Er blickte

auf sein Chronometer.»Wir sehen uns morgen früh im Studio.«Er wartete nicht ab, ob Chapat noch etwas

sagen wollte, sondern drehte sich um undging davon.

*

Chapat nahm sich einen Taxigleiter und

28 H. G. Francis

ließ sich zum Medocenter bringen. Das voll-positronisch eingerichtete Krankenhaus lagauf einem Hügel oberhalb der Stadt.

Die Kranken und Verletzten schwebten inröhrenförmigen Kammern in einem Anti-gravfeld, mit dem ihr Kreislauf entlastetwurde.

Chapat passierte die Desinfektionsschleu-se und erklärte einem als Krankenschwesterkonstruierten Roboter, aus welchem Grunder hier war. Der Roboter weigerte sich zu-nächst, ihn einzulassen.

»Ich werde das Hospital auf jeden Fall be-treten«, erklärte der Arkonide energisch.»Notfalls werde ich mir mit WaffengewaltEinlaß verschaffen. Ich bin der einzige Men-sch, der sich um Bodanski kümmern kann.Mein Besuch ist für ihn aus psychologischenGründen wichtig.«

Der Roboter schien eine Rückfrage beider Positronik zu halten. Einige Sekundenverstrichen, dann öffnete sich eine weitereSchleuse, und Chapat konnte den Kranken-trakt betreten. Langsam ging er an einer Lu-misplastwand entlang, durch die er dieKranken undeutlich sehen konnte. Ihm fielauf, daß sich über dem Gesicht jedes Patien-ten ein Trivideowürfel befand, der bei alleneingeschaltet war. Aus ihm blickte einfreundliches Gesicht auf die Behandlungsbe-dürftigen herab. Einige schienen auch zusprechen.

Chapat fühlte sich wie auf einer vollpo-sitronischen Viehfarm. Abscheu erfaßte ihn.Er verstand nicht, daß es derart nüchterndenkende Stadtväter und Architekten gebenkonnte, die so wenig Rücksicht auf die Psy-chologie von erkrankten Menschen nahmen.

Er blieb stehen, als er Pierre Bodanski er-kannte. Der Schauspieler war nackt. Auch erschwebte frei in der Kammer. Überall anseinem Körper befanden sich Sonden,Schläuche und Impulsgeber, die seine Le-bensfunktionen aufrecht erhielten.

Vor Chapat flammte wie aus dem Nichtsdas Bild einer warmherzig lächelnden Kran-kenschwester auf. Auf den ersten Blicktäuschte der Arkonide sich, doch dann er-

kannte er an den kalten Augen, daß er wie-derum mit einem Roboter zu tun hatte.

»Machen Sie sich keine Sorgen, Mr. Cha-pat«, erklärte der so menschlich aussehendeAutomat. »Der Zustand von Mr. Bodanskiist nicht ganz so schlimm, wie es zunächstden Anschein hatte. Er wird durchkommen.Er braucht lediglich einige Tage Ruhe. So-bald sich seine Biodynamik stabilisiert hat,werden wir ihn in einen erholsamen Tief-schlaf versetzen, aus dem er gesund erwa-chen wird. Holen Sie ihn ab?«

»Ich werde kommen.«Chapat wußte, daß es sinnlos gewesen

wäre, dem Roboter irgendeinen Vorwurf zumachen. Er war programmiert und keines-wegs verantwortlich zu machen. DiesesKrankenhaus paßte in das Bild einer absolutkaltherzigen Stadt, einer Metropole, in dernur die äußere Fassade wichtig war, nichtaber die Menschen, die in ihr lebten. Unddoch schien es so, als habe Kantanong so et-was wie ein schlechtes Gewissen, weil essich überhaupt um behandlungsbedürftigeMenschen kümmerte.

»Ich möchte mit ihm sprechen.«»Das geht leider nicht, Mr. Chapat.«»Aber sicher geht es. Ich werde nicht eher

gehen, bis Sie sein Gesicht eingespiegelt ha-ben. Er soll wissen, daß jemand hier ist, al-lein für ihn.«

Wiederum zögerte der Roboter und aber-mals entschied die Positronik für Chapat.Das Bild der »Krankenschwester« wechsel-te, und das zerschundene und verquolleneGesicht Bodanskis erschien. Mühsam hielter die Augen offen.

»He, Rotauge«, sagte er stöhnend. »Wasmachst du hier?«

»Ich wollte nach dir sehen, Pierre. DieÄrzte sagen, daß du es schaffst.«

»Ärzte!« Verächtlicher hätte er es nichtsagen können.

»Du warst großartig, Pierre. Du hast Ga-laxia gründlich die Show verdorben.«

»Und mir auch.«»Das ist nicht wahr. Ich habe schon mit

Aki Axxy gesprochen«, schwindelte der Ar-

Die Stars von Kantanong 29

konide. »Deine Rolle ist dir sicher. Dubrauchst dir darum keine Sorgen zu ma-chen.«

»Ehrlich?«»Ehrlich.«»Dann ist es gut.« Er schloß stöhnend die

Augen. Das Bild wechselte. Die kalten Lin-sen des Roboters blickten den Arkonidenwieder an.

»Bitte, gehen Sie jetzt, Mr. Chapat. DerPatient braucht absolute Ruhe.«

Der Arkonide drehte sich um und ginglangsam an der Reihe der röhrenförmigenBehälter entlang. Sie ähnelten in ihrer Anla-ge den Kühlboxeinschüben der gerichtsme-dizinischen Institute, in denen die Toten auf-bewahrt wurden.

*

Der nächste Tag brachte wieder harte Stu-dioarbeit. Jetzt kamen noch einige wenigeAkteure hinzu, so daß sich hin und wiederbereits sinnvolle Szenen ergaben.

Aki Axxy war offensichtlich bemüht, sei-nen neuen Star den ganzen Tag über zu be-schäftigen, doch am späten Nachmittag wei-gerte Chapat sich, noch länger zu arbeiten.

»Ich bin erschöpft, Mr. Axxy«, behaupte-te er. »Ich kann mich nicht mehr genügendkonzentrieren. Außerdem zweifle ich daran,daß wir bei diesem Arbeitstempo wirklichein Spitzenprodukt schaffen können.«

»Das überlassen Sie bitte mir«, brüllte derAgent zurück. Er schlug seine Drehunterla-gen zu und sagte: »Schluß für heute. Wirmachen morgen weiter.«

Chapat wechselte noch einige belangloseWorte mit ihm, setzte sich danach in einenTaxigleiter und fuhr davon. Erst nach gerau-mer Weile, als er sicher war, daß ihm nie-mand folgte, flog er sein Ziel an. Er landeteauf dem Parkdach der »Kantanong-NationalBank«.

Hier war man immerhin vornehm genug,sich menschliches Einweisungspersonal zuleisten. Der Arkonide ging auf einen älterenMann zu, der hinter einem leeren Arbeit-

stisch am Eingang saß und jeden Kundenfreundlich nickend begrüßte. Der Angestell-te schien es nicht gewohnt zu sein, daß ihndarüber hinaus jemand beachtete. Seine ein-gefallenen Wangen verfärbten sich, als Cha-pat vor ihm stehenblieb.

»Guten Tag«, sagte der Arkonide lä-chelnd. »Ich bin …«

»Lordadmiral Atlan«, unterbrach ihn derAlte. Er sprang auf. »Was kann ich für Sietun, Lordadmiral?«

»Melden Sie mich, bitte, dem Präsiden-ten.«

»Sofort.« Der Portier betätigte eine Tasteund flüsterte in ein verborgenes Mikrophon:»Sir, Lordadmiral Atlan möchte Sie spre-chen.«

Danach richtete er sich auf und streckteden rechten Arm aus.

»Ich werde Sie zu Mr. Anxville führen.«Der Präsident der Bank erwartete sie vor

seinem Arbeitszimmer. Er musterte Chapatmit wachen Augen und schien mit dem Er-gebnis seiner Prüfung einverstanden zu sein.Der Arkonide kam zu der Ansicht, daß seineÄhnlichkeit mit jenem Atlan in der Tat ver-blüffend sein mußte. Er war nunmehr ent-schlossen, sie für seine Zwecke auszunut-zen. Wenn sie ihm im Filmstudio half, wa-rum sollte sie ihm dann nicht auch den ganzgroßen Schlag gegen Kayro Moozong er-möglichen?

Er setzte sich in einen der mächtigen Ses-sel. Der Präsident war ihm auf Anhieb sym-pathisch. Anxville machte einen soliden undgrundehrlichen Eindruck. Seine persönlicheAusstrahlung war beeindruckend. Für einenkurzen Moment kamen Chapat erheblicheZweifel, ob er diesen Mann täuschen konnte.Dann aber sagte er sich, daß er es zumindestversuchen mußte. Je sicherer und zielstrebi-ger er vorging, desto größer waren auch sei-ne Erfolgsaussichten.

»Mr. Anxville«, begann er, »Sie werdensich denken können, daß ich nicht ganz ohneGrund nach Kantanong gekommen bin.«

»Das kann ich mir vorstellen.«»Es gibt hier gewisse Gruppen, deren Ein-

30 H. G. Francis

wirken auf die Gesellschaft unerträglich ist.«Er beobachtete den Präsidenten der Bank

genau, um an seinen Reaktionen feststellenzu können, wie er über Verbrecherorganisa-tionen dachte, die die eigentlichen Machtha-ber auf diesem Planeten waren. Die AugenAnxvilles leuchteten unmerklich auf. Chapatnahm es als Zeichen dafür, daß er ein Geg-ner der Madria war. Im Laufe des Gesprä-ches sollte sich dieser Eindruck noch vertie-fen.

»Wir sind daher von unseren Spezialistenauf den Plan gerufen worden. Nach unserenFeststellungen ist die örtliche Staatsgewaltnicht mehr in der Lage, ihren eigentlichenFunktionen gerecht zu werden.«

»Sie meinen die Madria«, entgegneteAnxville.

»Sie und noch einige andere Gruppen, de-ren Einfluß nicht länger geduldet werdenkann.«

»Was können wir für Sie tun, Lordadmi-ral?«

Chapat lächelte unmerklich.»Unsere Experten haben einen Plan aus-

gearbeitet, mit dem die einzelnen Macht-gruppen gegeneinander ausgespielt werdensollen. Dabei geht es in erster Linie um fi-nanzielle Transaktionen. Und dafür benötigeich Ihre Hilfe.«

Der Arkonide bemühte sich, nicht zu demAufnahmeobjektiv hinaufzusehen, das ver-steckt an der Wand hinter dem Präsidentenangebracht worden war. Er zweifelte nichtdaran, daß Aufzeichnungen von diesem Ge-spräch gemacht wurden, die anschließendoder schon jetzt von einer Positronik kon-trolliert wurden. Er fürchtete, von ihr ent-larvt zu werden.

»Das müssen Sie mir näher erklären, Lor-dadmiral.«

»Wir wollen den Hebel bei der GalacticMusik Corporation ansetzen und dort dieMehrheitsverhältnisse ändern.«

»Die GMC ist ein Unternehmen, an demdie Madria maßgeblich beteiligt ist.«

»Das überrascht uns nicht«, erwiderteChapat, der in der Tat mit einer derartigen

Auskunft gerechnet hatte. Während der ver-gangenen Nacht hatte er die Informations-möglichkeiten genutzt, die ihm die Trivideo-anlage seines Hotelzimmers bot. Damit hatteer sich einige Kenntnisse über die wirt-schaftlichen und zivilisatorischen Zusam-menhänge von Kantanong verschafft. Den-noch fühlte er sich auf diesem Gebiet kei-neswegs sicher. Im Gegenteil. Je weiter ersich in die Materie hineinwagte, desto deut-licher spürte er, daß er im Grunde genom-men nichts wußte. Er beherrschte sich je-doch mustergültig und bemühte sich, dieGesprächsinitiative mehr und mehr aufAnxville zu verschieben.

»Wenn Sie Präsident Moozong ein lukra-tives Angebot machen, wird er zweifellosbereit sein, zu verhandeln«, erklärteAnxville. »Diese Tatsache allein dürfte beider Madria unter Ramon Hablish erheblicheUnruhe verursachen.«

»Lassen sich klare Verschiebungen errei-chen, ohne daß große finanzielle Mittel ein-gesetzt werden?«

Der Bankier lächelte hintergründig. SeineAugen blitzten begeistert auf.

»Kennen Sie die du-Pont-Methode?«»Nicht bis in jedes Detail.«»Mit diesem Verhandlungsangebot kön-

nen Sie ein Mehrheitspaket der GMC ansich bringen, ohne zunächst einen einzigenSolar einzusetzen.«

»Das müssen Sie mir näher erklären, Mr.Anxville.«

»Gern, Lordadmiral.«Der Präsident drückte einige Tasten. We-

nig später kam eine Sekretärin mit Kaffeeund Gebäck herein.

»Ich will Ihnen den Fall zunächst so er-zählen, wie er sich zugetragen hat. Er ist einklassisches Finanzierungsbeispiel, daß ichmit besonderem Genuß während meinesStudiums nachempfunden habe. Vergleichemit der GMC sind besonders gut möglich,weil es hier ungefähr um gleiche Zahlengeht. Die GMC hat einen tatsächlichen Wertvon etwa zwanzig Millionen Solar. Ähnlichwar es bei du Pont, als Thomas Coleman du

Die Stars von Kantanong 31

Pont mit seinem Plan auftrat, die du-Pont-Werke zu kaufen.

Nach Colemans Vermögensaufstellungwar die Firma du Pont ungefähr 24 Millio-nen Dollar wert, doppelt soviel, wie derKaufpreis betrug, den die Familie dafür ha-ben wollte. Coleman erbot sich, den du-Pont-Aktionären 15 360 000 Dollar zu zah-len statt zwölf Millionen. Dabei durfte je-doch nicht ein einziger Dollar den Besitzerwechseln. Alles sollte nur auf dem Papierstehen, ausgenommen die 2100 Dollar, dieColeman und zwei seiner Vettern als Grün-dungskapital einer neuen Gesellschaft ein-zahlen wollten. Diese sollte die Vermögens-werte der alten Gesellschaft übernehmen.

Die alten Aktionäre stimmten dem Plantatsächlich zu. Die neue Gesellschaft gab fürzwölf Millionen Dollar Schuldverschreibun-gen und 120 000 Aktien mit einem Wert vonzwölf Millionen Dollar zu pari heraus.Sämtliche Schuldverschreibungen und dazu33 600 Aktien im Wert von 3 360 000 Dol-lar gingen an die Aktionäre der alten Gesell-schaft. Die restlichen Aktien im Wert von 8640 000 Dollar teilten sich Coleman und sei-ne beiden Vettern als – hm – Gründerge-winn.

Mit einem Einsatz von siebenhundertDollar, einem Drittel dessen, was die dreiVettern gemeinsam für die Gründung desneuen Konzerns zu zahlen hatten, war Cole-man Präsident und Hauptaktionär einer Ge-sellschaft geworden, von der er Aktien imWert von 4 320 000 Dollar besaß. Ein derar-tiges Finanzierungsstück ist meines Wissensnie mehr einem anderen Unternehmer ge-glückt.«

Chapat schwindelte. Er hatte kein einzigesWort begriffen. Immer deutlicher wurdeihm, daß er sich weit überschätzt hatte. Wiekonnte er einen derartigen Finanzierungs-plan durchführen, wenn er nicht die gering-ste Ahnung von den Zusammenhängen hat-te?

»In der Tat. Phantastisch«, sagte er vor-sichtig.

Präsident Anxville merkte in seiner Be-

geisterung nicht, wie zurückhaltend Chapatsich verhielt.

»Nun, ich nehme nicht an, Lordadmiral,daß es Ihre Absicht ist, sich zum Hauptak-tionär der GMC in dieser Art zu machen. Esdürfte genügen, Verhandlungen aufzuneh-men und Zwietracht unter die Hauptaktio-näre Moozong und Hablish zu säen. Das istin diesem Fall relativ einfach, weil unsereBank auch über eine geringe Beteiligungverfügt. Ich könnte den Köder für Sie ausle-gen.«

»Einverstanden, Mr. Anxville. Lassen SieMoozong eine entsprechende Nachricht zu-kommen. Die Idee einer Gründergesellschaftgefällt mir in der Tat gut.«

Chapat erhob sich. Ihm war flau in derMagengegend. Er hatte nur den einenWunsch, das Büro so schnell wie möglich zuverlassen, weil er fürchtete, sich mit dernächsten Bemerkung schon selbst zu entlar-ven.

»Wo erreiche ich Sie?«Der Arkonide nannte ihm das Hotel, in

dem Axxy ihn untergebracht hatte.»Ich werde mich morgen wieder bei Ihnen

melden.« Er reichte dem Bankier die Handund verabschiedete sich. Eine Zentnerlastschien von ihm abzufallen, als er endlichwieder im Gleiter saß und startete. Er wußtenun, daß es unmöglich war, sich alle dieKenntnisse in kurzer Zeit anzueignen, dienotwendig waren, wenn man sich mit einemderart qualifizierten Fachmann auf gleichemNiveau unterhalten wollte.

Dennoch glaubte er, einen kleinen Siegerrungen zu haben. Vielleicht konnte erwirklich Unruhe stiften und dadurch einenVorsprung gewinnen, der ausreichte, denKreisel zurückzugewinnen.

6.

Die Madria meldete sich früher, als Cha-pat lieb war. Als er das Hotel erreichte, war-teten die Männer auf ihn, die ihn schon ein-mal zu Ramon Hablish gebracht hatten. Ei-ner von ihnen trat ihm entgegen, als er sei-

32 H. G. Francis

nen Gleiter verließ.»Der Boß möchte Sie sprechen«, sagte er

und wartete, bis der Arkonide in den Ma-driagleiter gestiegen war. Wiederum ging esin schneller Fahrt zu der Luxusvilla. Hablishsaß in seinem Salon und verfolgte einenFilm über eine Großtierjagd auf einem tropi-schen Planeten. Er erhob sich, als er Chapatsah, und reichte ihm die Hand.

»Setzen Sie sich«, bat er und schaltete dasTrivideogerät aus. »Möchten Sie etwas zutrinken haben?«

»Danke«, erwiderte Chapat unbehaglich.Er fühlte sich, als ob er direkt in eine Fallegelaufen war, aus der es kein Entkommengab.

»Nun, Mr. Chapat, haben Sie sich meinAngebot überlegt? Werden Sie mit uns zu-sammenarbeiten?«

»Es kommt darauf an«, antwortete der Ar-konide vorsichtig.

Das Gesicht des Madriabosses wurde hart.»Sie haben nur noch die Möglichkeit ja odernein zu sagen.«

»Was geschieht, wenn ich ablehne?«»Dann, Mr. Chapat, sind Ihre Karriere_

träume beendet. Ihren Kreisel werden Siedann auch nicht mehr zurückbekommen.«

»Also haben Sie den Kreisel.«»Sie irren sich. Ich habe ihn nicht, aber

ich weiß, wo er ist.«»Sagen Sie es mir.«»Kommen Sie mit.«Ramon Hablish erhob sich und ging hin-

aus in den Park. Chapat folgte ihm. Auf ei-nem flachen Hügel blieb der Gangsterboßstehen. Er zeigte auf eine große Villa, diewie ein Schwalbennest an den hoch aufstei-genden Berghängen errichtet war.

»Das Haus dort oben gehört Kayro Moo-zong. Er hat Ihren wundervollen Kreisel.Wenn ich es will, wird er ihn herausgeben.«

»Nun gut, Mr. Hablish. Was soll ich tun?«Der Madriachef kehrte zusammen mit

dem Arkoniden in den Salon zurück.»Wir haben ein kleines Problem, Mr.

Chapat. Eine geschäftliche Unternehmungauf einem Planeten, der fünf Lichtjahre von

hier entfernt ist, befindet sich in Gefahr.USOSpezialisten behindern uns. Sie bietenuns eine Chance, die Angelegenheit schnellund reibungslos abzuwickeln. Sie werdenmit einem Raumschiff zu diesem Planetenfliegen und von meinen Leuten dort so ein-gesetzt werden, daß die USO-SpezialistenSie für Lordadmiral Atlan, ihren Chef, hal-ten müssen.«

Chapat lachte Hablish ins Gesicht.»Und Sie meinen, ich sei naiv genug,

mich auf etwas derartiges einzulassen?«»Worin sehen Sie das Risiko?«»In der Tatsache, daß es nicht um ein Un-

ternehmen auf Kantanong, sondern auf einerweit von hier entfernten Welt geht. Fragloswerden mich Ihre Leute am Ende dort zu-rücklassen, während Sie hier mit Ischtar-Memory Geschäfte machen können.«

»Ich kann Sie reich machen, Mr. Chapat,ich kann Sie aber auch zerbrechen. Ich kannSie zwingen, für mich zu arbeiten, ich kannSie aber auch bitten, auf freiwilliger Basismitzumachen – dann sind Sie der Gewin-ner.«

»Man wird mich durch die ganze Galaxisjagen.«

»Haben Sie das Gefühl, daß Sie sovieleAuswahlmöglichkeiten haben?« Ramon Ha-blish lächelte maliziös.

»Wann?«»In zwei Tagen.«Chapat zögerte. Er überlegte fieberhaft.

Er dachte nicht daran, sich in ein Verbre-chen verwickeln zu lassen. Was aber sollteer tun? Wie konnte er die Dinge innerhalbvon zwei Tagen so zu seinen Gunsten beein-flussen, daß sowohl die Madria, als auchKayro Moozong ausgespielt wurden? Erbrauchte Geld, und das konnte er sich nurmit der Hilfe von Aki Axxy verdienen. Dasaber ging nicht über Nacht.

»Gut, Mr. Hablish, ich bin einverstanden.Ich habe keine andere Wahl. Ich muß michdarauf verlassen, daß Sie Ihr Wort halten.«

»Ich wußte, daß Sie vernünftig werdenwürden, Mr. Chapat. Machen Sie uns in denbeiden kommenden Tagen keine Schwierig-

Die Stars von Kantanong 33

keiten. Wenn Sie sich so verhalten, wie esgeschäftlich richtig ist, wird es Ihr Schadennicht sein.«

Chapat verließ das Zimmer. Hablishschaltete den Trivideowürfel wieder ein. DieStimme eines Nachrichtensprechers halltehinter dem Arkoniden her.

»… wurde bekannt, daß die Galactic Mu-sik Corporation von einer Auffanggesell-schaft übernommen werden soll, die derUnited Stars Organisation nahe steht.«

Chapat hörte, daß Hablish laut fluchte. Erbeschleunigte seine Schritte. Plötzlich hatteer Angst, daß der Madriaboß ihn zurückru-fen würde. Er stieg in den Gleiter.

»Fliegen Sie mich ins Hotel zurück«, sag-te er. »Aber beeilen Sie sich. Ich habe nichtsoviel Zeit wie Sie. Wahrscheinlich muß ichheute abend noch in einer Show auftreten.«

Die Madrianer ließen sich nicht treiben.Gemächlich nahmen sie auf den PolsternPlatz und starteten. Als die Maschine end-lich beschleunigte, sah Chapat, daß RamonHablish aus der Gartentür auf die Terrasseheraustrat. Er blickte zu ihm herauf, rief denGleiter jedoch nicht zurück.

Bankier Anxville hatte den Köder ausge-worfen. Er hatte Moozong mit fast dreiein-halb Millionen Dollar gelockt, und der Mu-sikproduzent hatte angebissen. Sicherlichwar er weniger damit einverstanden, daß diePresse informiert worden war. Das aberkonnte für einen Streit zwischen ihm undHablish nur vorteilhaft sein.

Schweigend brachten die Madrianer denArkoniden zu seinem Hotel. Chapat kehrteerleichtert in sein Zimmer zurück. Einschwerer Tag lag hinter ihm.

Er ließ sich das Abendessen servieren undhatte gerade ein paar Bissen hinunterge-schluckt, als unvermittelt Anxville eintrat.

»Guten Abend, Mr. Chapat«, sagte er lä-chelnd.

Dem Arkoniden sanken die Hände aufden Tisch. Er hatte das Gefühl, daß sich ihmeine unerbittliche Hand um den Hals legte.

»Sie wissen, wer ich bin?«»Aber natürlich, Mr. Chapat. Schon bei

unserem Gespräch in der Bank kamen mirZweifel. Ich kenne Lordadmiral Atlan zwarnicht, aber ich weiß, daß er ein blendenderDenker ist, der hervorragend auch über wirt-schaftliche und finanztechnische Zusam-menhänge informiert ist.«

Chapat lehnte sich auf seinem Sitz zu-rück. Er bot dem Bankier Platz an.

»Dann funktioniert Ihr Plan gar nicht?«»Doch – er funktioniert, wenn die Gegen-

partei mitmacht.«»Aber …?«»Sie hätten mit offenen Karten spielen

sollen, Mr. Chapat. Ich bin ein eingeschwo-rener Feind der Madria, wie Sie offenbarauch. Ich warte nur darauf, daß irgend je-mand den Kampf gegen das organisierteVerbrechen aufnimmt, aber allein könnenSie wirklich nichts ausrichten.«

»Wie meinen Sie das?«»Ich wollte damit sagen, daß Sie sich auf

ein Abenteuer eingelassen haben, das Sieauf gar keinen Fall lebend überstehen kön-nen.«

»Sie wollen mir also auch empfehlen zuverschwinden?«

»Was sollte ich anders tun?«»Mit mir kämpfen.«Anxville schüttelte den Kopf und hob ab-

wehrend die Hände.»Mr. Chapat, Ihre wirklich verblüffende

Ähnlichkeit mit Lordadmiral Atlan mußeinen Grund haben. Ich verspüre eine gewis-se Sympathie für Sie. Deshalb möchte ich,daß Sie überleben.«

»Ich kann nicht weg«, antwortete der Ar-konide frostig.

»Doch. Sie können. In zwei oder drei Ta-gen verläßt das Raumschiff TRAUMPA-LAST Kantanong. Der Besitzer ist AlfoZharadin. Ich könnte Sie über eine Agenturan ihn vermitteln. Er wird Sie mitnehmen,ohne viel Aufsehen zu erregen.«

»Ich werde Kantanong nicht ohne denKreisel verlassen.«

Anxville schüttelte betroffen den Kopf.»Dann kann ich Ihnen nicht helfen, Mr.

Chapat. Einem Lordadmiral Atlan hätten die

34 H. G. Francis

Aktionäre der GMC ihre Anteile vielleichtzu den genannten Bedingungen verkauft,nicht aber einem Chapat, dem sie ohnehinnicht besonders freundschaftlich gesinntsind. Überlegen Sie sich mein Angebot.«

Er legte Chapat einen Zettel auf denTisch, auf dem die Agentur vermerkt war,an die er sich wenden sollte.

»In zwei oder spätestens drei Tagen, Mr.Chapat.« Er erhob sich und lächelte ent-schuldigend. »Und, bitte, besuchen Sie michnicht wieder in der Bank. Ich liebe mein Le-ben auch.«

Der Arkonide blickte dem Bankier nach.Er fühlte, daß er es ehrlich mit ihm meinte,und es tat ihm leid, ihn enttäuschen zu müs-sen. Aber er konnte nicht anders. Kein Men-sch konnte ermessen, was ihm der Kreiselbedeutete.

Er erhob sich und trat an das große Fen-ster, das fast eine ganze Seite des Zimmerseinnahm. Er betrachtete die farbenprächtige,vor Licht sprühende Show-Stadt, in der esalles gab, was dem Vergnügen dienen sollte.Ihm kam dieses Überangebot an Amüsier-möglichkeiten wie Hohn vor. Er hatte in denletzten Tagen erfahren, daß Touristen aus al-len Teilen der zivilisierten Galaxis nachKantanong kamen, um hier ihr Glück zu ver-suchen, einmalige Sensationen zu erlebenund Dinge zu tun, die sonst nirgendwo er-laubt waren. Kantanong war nicht ohneKonkurrenz, wie Chapat gehört hatte, galtaber doch als Spitzenreiter unter ihresglei-chen.

Für ihn bot diese Stadt nur Terror undEnttäuschung. Sie hatte ihn mattgesetzt.Was auch immer er tat, es führte ihn nichtweiter, sondern machte seine Lage nochschwieriger.

Er wollte sich jedoch nicht damit abfin-den, in einer Sackgasse gelandet zu sein. Esmußte eine Lösung für seine Probleme ge-ben.

War es denn wirklich so schwierig, zuGeld und damit zu Einfluß und Macht zukommen? Er war nahe daran gewesen, dieGMC in die Hände zu bekommen. Damit

hätte er zumindest die Möglichkeit gehabt,Kayro Moozong auszuspielen. Die Chancewar vertan, weil die Bank nicht mitmachte.

Er ging zum Video und ließ sich mit AkiAxxy verbinden.

»Ich brauche Geld«, erklärte er lapidar.»Wieviel?«

»Wieviel können Sie mir geben?«»Tausend Solar.«»Das ist zu wenig.«»Mehr haben Sie aber noch nicht ver-

dient, mein Freund. Im Grunde genommenhaben Sie sogar Schulden bei mir, denn so-lange wir die Filme nicht verkauft haben,steht Ihnen kein Gewinnanteil zu.«

»Also gut.«»Gehen Sie zum Hotelchef, und lassen

Sie es sich auszahlen. Ich spreche mit ihm.«»Danke.«Die Gestalt des Arkoniden straffte sich.

Er trank einen Whisky und verließ das Zim-mer. Er fand den Hotelchef in der großenHalle des Hotels. Anstandslos zahlte er ihmdas Geld aus. Chapat schwebte im Antigrav-schacht wieder nach oben, nahm sich einenGleiter und ließ sich von ihm zu einem dergroßen Spielkasinos bringen, die er von sei-nem Hotelzimmer aus sehen konnte. DieSonne Blowshmitt ging feuerrot über demMeer unter. Chapat wurde von einemGlücksgefühl erfaßt, wie er es noch nie zu-vor gekannt hatte. Plötzlich war er davonüberzeugt, daß er an diesem Abend sovielGeld verdienen konnte, wie er wollte.

Er schritt über das Dach des Kasinos undglaubte, den Boden unter seinen Füßenschwanken zu spüren. Nicht ein einzigesMal kam er auf den Gedanken, seine Sieges-gewißheit könne auf parapsychische Beein-flussung zurückzuführen sein.

Ein blondes Mädchen trat auf ihn zu undhängte sich bei ihm ein, als er durch denEingang eilte. Jetzt schien es ihm, als dürfeer keine Zeit mehr verlieren.

»Oh, Mr. Chapat«, sagte sie mit heisererStimme. »Der Superstar besucht uns. Darfich Sie willkommen heißen?«

»Danke. Zeigen Sie mir, wo ich spielen

Die Stars von Kantanong 35

kann?«»Gerne. Kommen Sie.«Sie führte ihn durch die Säle des Kasinos,

in denen hektisches Treiben herrschte. Über-all standen Spielautomaten, und fast alle wa-ren besetzt.

»Wollen Sie Soli gewinnen, oder das ganzgroße Geld, Superstar?«

»Raten Sie einmal.«»Ich weiß schon.« Sie eilte zu einer kreis-

runden Platte. »Können Sie schießen?«»Ich denke schon.«Sie gab jemandem ein Zeichen, den Cha-

pat nicht sehen konnte. Die Platte senktesich nach unten und schwebte in einen Saalein, der stark verräuchert war. In Sesseln,die halbkreisförmig angeordnet waren, sa-ßen etwa fünfzig Männer und Frauen. Unterihnen erkannte er Mearl Perkon, den Super-star, der eine Schale mit Früchten und ge-grilltem Fleisch, sowie ein Fäßchen Bier vorsich hatte. Aber auch Kayro Moozong undein zweiter Verrenger lagen in für sie geeig-neten Wannen. Die anderen Männer undFrauen kannte Chapat nicht. Er sah nochzwei Nichthumanoide. Sie glichen aus demBoden gerissenen Wurzeln von knorrigenBäumen und machten einen unheimlichenund bedrohlichen Eindruck. Niemand schiensich jedoch vor ihnen zu fürchten.

Vor allen drehte sich ein großes Rad undwandte ihnen dabei seine Lauffläche zu. Daes sich recht langsam bewegte, konnte Cha-pat ausmachen, daß es mit zahlreichen Öff-nungen versehen war, die fortlaufende Num-mern trugen.

Ein Gong ertönte. Das Rad beschleunigtesich, bis die einzelnen Zahlen sich ineinan-der verwischten. Nun begann eine Uhr zuticken, und einer der Gäste feuerte nach demanderen auf das Rad, wobei sich alle bemüh-ten, ein bestimmtes Kästchen zu treffen.

»Wie hält man die Schützen auseinan-der?« fragte der Arkonide.

»Ganz einfach. Jeder Pfeil hat eine andereFarbe und trägt ein anderes Zeichen. WollenSie mitmachen? Sie können das Hundertfa-che Ihres Einsatzes gewinnen, wenn Ihr Ge-

schoß in das richtige Fach schlägt.«Das Siegesgefühl hielt an. Chapat be-

merkte die lauernden Blicke der Blondennicht. Er nickte nur, als sei er über ihre Fra-ge erstaunt. Sie lächelte und führte ihn zu ei-nem Platz. Vor ihm befanden sich zwei mattleuchtende Säulen.

»Hier geben Sie Ihren Einsatz herein«, er-läuterte sie. »Hier kommt Ihr Gewinn her-aus. Es ist ganz einfach. Es werden immerdrei von neununddreißig Nummern genannt.Die Uhr tickt nur drei Sekunden lang fürSie, wenn Sie dann nicht geschossen haben,ist Ihre Chance vertan. Was setzen Sie ein?«

»Hundert Solar.« Er reichte ihr das Geld.Sie schob es in den Automaten und reichteihm den Nadler, mit dem er schießen sollte.

»Wenn es soweit ist, leuchtet hier eineLampe auf. Dann müssen Sie abdrücken.«

Beim erstenmal verpaßte Chapat seineChance. Er war zu unkonzentriert. Das Mäd-chen ließ ihn allein. Wiederum setzte er hun-dert Solar. Und dieses Mal verpaßte er seinZiel nur ganz knapp. Er war sich dessen si-cher, daß er beim nächsten Mal treffen wür-de, und er wagte fünfhundert Solar.

Er hob den Nadler, zielte und wartete, daßer an die Reihe kam. Sein Licht leuchteteauf. Da schrie Mearl Perkon triumphierendauf.

»Eine Million«, brüllte er. »Das bringt ei-ne Million Solar.«

Chapats Hand zitterte leicht. Die Nadelblieb am Rand des Faches stecken, Millime-ter vom großen Erfolg entfernt.

Er legte zweihundert Solar ein und lehntesich in seinen Sessel zurück.

Chapat wartete.Die Zeit verstrich. Keiner der anderen

Spieler ließ sich drängen. Alle scharten sichum Perkon. Der Arkonide wurde ungedul-dig. Er fühlte, wie ihm die Tränen kamen.Vergeblich versuchte er, seine Erregung zudämpfen. Er wußte, daß er seine Chancenminderte, wenn er nicht ruhiger wurde, aberje länger der Siegesjubel dauerte, desto we-niger gelang es ihm, sich zu fangen.

Endlich nahmen die anderen Spieler wie-

36 H. G. Francis

der ihre Plätze ein. Das Rad begann sich zudrehen. Die Zahlen, die getroffen werdenmußten, leuchteten auf. Chapat konzentriertesich auf eine von ihnen. Seine Lampe gabihm das Startzeichen. Er schoß – und ver-fehlte das Ziel. Ärgerlich biß er sich auf dieLippen.

Das war nicht nötig gewesen. Mit diesemSchuß hätte er dreißigtausend Solar einstrei-chen können.

Er schob fünfzig Solar in die Säule undwartete. Aber die Belastung wurde zu groß.Alles hing nun von diesem einen Schuß ab.Chapat schaffte es nicht. Die Nadel pfiffZentimeter am Ziel vorbei. Er drehte diefünfzig Solar, die er noch besaß, in den Hän-den. Sollte er es noch einmal versuchen?

»Sie wollen doch noch nicht aufgeben,Superstar?« fragte die Blonde und legte ihmdie Hand auf die Schulter. »Lassen Sie sichnicht entmutigen. Ich habe schon oft gese-hen, daß der letzte Schuß saß.«

Sie nahm ihm das Geld aus der Hand undsetzte es. Er griff nach dem Nadler. Wiederfüllten sich seine Augen mit Tränen. Erwischte sie hinweg. Sein Arm streckte sichaus. Er schoß. Zitternd blieb die Nadel amRand des Faches stecken.

»Oh, wie schade«, sagte die Blonde. »Ichhabe Ihnen so sehr die Daumen gedrückt.Hier, trinken Sie noch ein Glas auf Kostendes Hauses.«

Chapat stand auf. Er entleerte das Glas,doch der Whisky schmeckte ihm nicht. Erhatte einen faden Geschmack im Mund.Wortlos ließ er sich nach oben bringen. Erverließ das Kasino in der Gewißheit, eineDummheit gemacht zu haben. In der Taschefand er noch einige Münzen, die für einenTaxigleiter ausreichten. Er ließ sich zumMedocenter fliegen und verlangte dort, zuPierre Bodanski geführt zu werden. Wieder-um weigerte sich die Positronik, und aber-mals erreichte er mit einer Drohung, was erwollte.

»Es ist zu früh für den Kranken«, erklärteihm eine Robotschwester, deren Bild einge-blendet wurde.

»Wecken Sie ihn auf«, befahl er und setz-te sich erneut durch.

Bodanski sah schon wesentlich besseraus. Sein Gesicht war bleich, aber nichtmehr geschwollen. Die Wunden waren ver-schlossenund kaum noch zu erkennen.

»Pierre, ich brauche dich«, sagte Chapat.»Du mußt herauskommen.«

»Hier bin ich sicher, Freund. In deinerNähe lebt es sich wie vor dem Projektor ei-ner Energiekanone, die jeden Moment abge-schossen werden kann.«

»Ich brauche Informationen, Pierre. Ichkenne mich nicht aus. Ich benötige jeman-den, der mir sagt, wie die Verhältnissesind.«

»Warum?«»Ich mache alles falsch.«»Dafür scheinst du ein besonderes Talent

zu haben.«»Ich verspreche dir, daß ich dich nicht in

Gefahr bringen werde.«»Einverstanden. Ich komme in ein paar

Minuten.«Chapat wartete ungeduldig. Er begann

daran zu zweifeln, daß die PositronikBodanski schon entlassen würde. Doch derSchauspieler kam tatsächlich. Er hinkte nochein wenig, wirkte aber sonst erholt. VorChapat blieb er stehen und grüßte mit einerironischen Geste.

»Chefberater Bodanski zur Stelle, Lor-dadmiral Atlan«, sagte er.

Ein wenig hilflos blickte Chapat auf ihnherab.

»Wir sind nicht bei Filmaufnahmen«, ent-gegnete er. Bodanski lachte, legte ihm einenArm um die Schulter und drängte ihn zumAusgang hin. Draußen war es dunkel. DichteWolken zogen über Kantanong hinweg. Sieließen das Licht der Sterne nicht durch. DieStadt leuchtete dafür um so mehr. Die Re-klamen wetteiferten hinsichtlich der Farben,der Helligkeit und der Lebendigkeit mitein-ander. Kantanong glich einem quirligenHaufen von durcheinander kriechendenLichtlebewesen.

»Eine Stadt der Narren«, sagt Chapat.

Die Stars von Kantanong 37

»Sie kommen in Scharen hierher, um ihrGeld abzuliefern.«

Er berichtete Bodanski von seinem Be-such im Spielkasino. Der Schauspieler be-gann schallend zu lachen, bis ihm die Luftwegblieb, und er husten mußte.

»Du bist wirklich ein wahrer Tor, Cha-pat«, rief er, als er endlich wieder sprechenkonnte. »Warum? Ich verstehe dich nicht«,entgeg_ nete der Arkonide bestürzt. »Wassoll das?« Pierre Bodanski wies mit ausge-strecktem Arm auf die Stadt hinunter, überdie sie jetzt im Gleiter flogen.

»Das ist die Geldmaschine der Madria.Sie ist nur dazu da, Geld einzubringen. DieTouristen kommen in dem Glauben, daß siehier eine echte Chance haben, ihr Glück zumachen, aber das ist natürlich Unsinn.«

»Ich war dabei, als Mearl Perkon eineMillion Solar gewann.«

Bodanski spuckte aus.»Das ist es ja gerade, Chapat. Das Kasino

wird – wie jeder andere Glückspalast inKantanong – parapsychisch durchstrahlt. Je-der, der sich ihm nähert, wird von einemwahren Siegesgefühl erfaßt, so daß er keineHemmungen mehr hat, alles zu wagen, waser besitzt. So nimmt man den Leuten dasGeld ab.«

»Aber Mearl Perkon …«»Immer mit der Ruhe, Chapat. Mearl Per-

kon ist ein Popanz. Er ist weder ein Super-star noch ein Millionär. Er spielt nur dieRolle des Superstars.«

»Aber das ist doch sinnlos. Und wiekönnte er das, wenn er kein Geld hat?«

»Er ist ein Angestellter der Madria. EineReklamefigur. Er spielt den unermeßlich rei-chen Superstar, um damit möglichst vielejunge Menschen dazu zu veranlassen,Schauspieler zu werden. Je mehr Schauspie-ler es gibt, desto mehr Arbeitslose gibt esunter ihnen, und um so mehr können dieProduzenten die Gagen nach unten drücken.Mearl Perkon gaukelt allen vor, daß man alsSchauspieler reich werden kann. Im Kasinomacht er das gleiche. Er hat nicht wirklichgewonnen. Die Direktion hat ihm einen Mil-

lionengewinn zugespielt, den er natürlichnicht ausbezahlt bekommt. Damit sollen nurdie anderen Spieler aufgestachelt werden.Bei dir ist das ja auch gelungen.«

»Das hättest du mir auch schon sagenkönnen, als ich Mearl Perkon zum erstenmalgesehen habe.«

»Zu diesem Zeitpunkt kannte ich dichkaum.«

Chapat stieg in den Gleiter und startete.Ziellos ließ er sich dahintreiben.

»Kantanong widert mich an«, erklärte er.»Mich auch – aber ich kann nicht weg.« DerArkonide berichtete nun, was in der Zwi-schenzeit geschehen war. Bodanski hörteschweigend zu, bis Chapat alles erzählt hat-te. Als er auch dann noch nichts sagte, fügteChapat hinzu: »Ich verstehe nicht, wie derPlan des Bankiers hätte aufgehen können.«

»Das ist einfach«, antwortete Bodanski.»Die Altaktionäre hätten die Schuldver-schreibungen an eine Bank verkaufen kön-nen und hätten damit Bargeld gehabt. DieGMC wiederum hätte mit ihren Gewinnendie Schuldverschreibungen von der Bankzurückgekauft. Der Plan war genial. Lordad-miral Atlan hätte ihn durchgestanden, aberdu bist nicht Atlan.«

»Leider«, entgegnete Chapat.»Was hast du vor?«»Ich weiß es nicht.«»Du mußt untertauchen und versuchen, in

zwei Tagen mit der TRAUMPALAST zuverschwinden.«

»Ohne Kreisel?«»Mit Kreisel – sonst bekommst du kein

Engagement.«Chapat nickte.»Zu dieser Ansicht bin ich auch gekom-

men. Was aber soll ich tun? Soll ich ins Lan-desinnere fliegen und mich dort ver-stecken?«

»Sie würden dich schnell finden. Siebrauchten nur den Gleiter, den du nimmst,zurückzurufen, oder die Flugdaten ablesen,die du eingetippt hast. Sie werden in derZentrale aufgezeichnet.«

»Hast du einen anderen Vorschlag?«

38 H. G. Francis

»Du könntest gleich Selbstmord bege-hen«, entgegnete Bodanski mit einem schie-fen Lächeln.

Die beiden Männer schwiegen. Chapatließ den Gleiter absinken und über denStrand hinausfliegen. Er sah, daß Dutzendevon Männern und Frauen im Sand zusam-mengerollt waren und schliefen.

»Der Vorschlag gefällt mir nicht«, sagteer endlich. »Ich habe einen anderen. Ichwerde versuchen, in die Villa von KayroMoozong einzudringen und den Kreisel her-auszuholen. Wenn ich das geschafft habe,werde ich zum Besitzer der TRAUMPA-LAST gehen und mich engagieren lassen.«

»Das ist wahrscheinlich die einzige Mög-lichkeit, die du noch hast, Chapat.« PierreBodanski kreuzte die Arme vor der Brust.

»Hilfst du mir?«»Ich weiß nicht. Vergiß nicht, daß ich

später keine Chance habe, mich ebenfalls zuverdrücken. Wenn die Madria merkt, daß ichmit deiner Flucht zu tun habe, wird sie sichan mir rächen.«

Er warf eine kleine Münze in den Auto-maten des Gleiters und zapfte sich ein alko-holisches Getränk ab.

»Immerhin könnten wir es der Madria et-was schwerer machen, wenngleich wir ihrdamit gleichzeitig auch wieder einen Tip ge-ben würden.«

»Was meinst du?«»Ich meine, du solltest ins Filmstudio ge-

hen und dir von der Positronik eine Maskeanlegen lassen, damit du Lordadmiral Atlannicht mehr so verdammt ähnlich siehst. Na-türlich wird diese Maske aufgezeichnet, sodaß die Madria dein neues Aussehen erfährt.Es wird also notwendig sein, dich anschlie-ßend von Hand wiederum zu verändern.Dann könntest du dich unerkannt in Kanta-nong bewegen und wärest vor den Killernder Madria für einige Stunden sicher.«

»Und wann soll ich das tun?«»Das mußt du wissen. Zunächst mußt du

dich erkundigen, wann die TRAUMPA-LAST startet. Danach muß sich alles andererichten.«

»Ich benötige eine neue Waffe.«»Ich weiß«, erwiderte Bodanski seufzend.

»Sag mal, was würdest du eigentlich tun,wenn du mich nicht hättest?«

»Ich würde Superstar werden«, erwiderteChapat lächelnd.

7.

Pierre Bodanski betrat genau um Mitter-nacht die Suite, die Chapat bewohnte.Schweigend legte er eine Impulsautomatikauf den Tisch. Der Arkonide nahm die Waf-fe auf und prüfte sie. Er war zufrieden.

»Das scheint mir eine gute Waffe zusein«, sagte er.

»Sie ist wirklich gut, Superstar.« Bodan-ski bestellte sich auf der Servicetastatur einAbendessen, das eines Mearl Perkon würdiggewesen wäre.

»Du gehst großzügig mit dem Geld vonAki Axxy um«, stellte Chapat fest.

»Das schadet nichts. Er hat genug davon.Ich würde dir ebenfalls empfehlen, die

teuersten Delikatessen zu probieren. Morgenhast du keine Gelegenheit mehr dazu.«

»Was soll das heißen?«»Ich habe gerade erfahren, daß die

TRAUMPALAST morgen abend startet.«Bodanski lachte.

»Worüber freust du dich so?«»Ich dachte gerade daran, daß Aki Axxy

ein enormes Verlustgeschäft gemacht hat. Erwird morgen feststellen, daß ihm sein Super-star davongelaufen ist. Damit ist seine Seriegestorben.«

Ein Roboter brachte das Essen herein. Erwar mit Biomolplast verkleidet und trug dieMaske eines dunkelhaarigen Mädchens. Pi-erre Bodanski machte sich mit einem wah-ren Heißhunger über die Delikatessen her.

Chapat sah ihm schweigend zu.»Hast du dir alles überlegt?« fragte der

Terraner. »Du hast nicht mehr viel Zeit. Dusolltest noch in dieser Nacht in die Villa vonKayro Moozong einbrechen. In der Dunkel-heit hast du die besten Chancen.«

»Dann sollten wir keine Zeit verlieren«,

Die Stars von Kantanong 39

entgegnete Chapat.Bodanski verzog das Gesicht, schob sich

schnell noch eine Schnecke in den Mundund erhob sich.

»Da hat man schon einmal derartige Sa-chen auf dem Tisch und kann sie nicht auf-essen. Das Schicksal ist gegen mich. Gehenwir.«

Der Arkonide steckte die Waffe in seinenGürtel und verließ zusammen mit dem Ter-raner die Suite. In einem Gleiter wechseltensie zum Studiogelände über. Der Robotp-förtner ließ sie anstandslos passieren, nach-dem er Chapat als einen beschäftigtenSchauspieler identifiziert hatte.

Bodanski kannte sich hier aus. Er führteden Arkoniden zum positronischen Masken-bildner, der sich in einem kleinen Raum be-fand. Vor einer Spiegelwand setzte Chapatsich in einen Schalenstuhl. Der Terranertippte das Programm in eine Tastatur. Vonder Decke senkten sich mehrere mechani-sche Arme herab, und die Verwandlung be-gann. Sie dauerte nur wenige Minuten, dannglich Chapat einem sommersprossigen, rot-haarigen Terraner. Seine Augen waren blau,und ein mehrerer Tage alter Bart verunziertesein Gesicht. Eine Ähnlichkeit mit seinemvorherigen Bild war nicht mehr vorhanden.

Bodanski blieb, wie er war. Er schaltetedas Gerät aus und führte den Arkoniden ausdem Studio heraus. Sie stiegen mit einemGleiter auf und ließen sich über die Stadthinwegtreiben. Dabei entfernte der Terranereinige Biomolplastpölsterchen an Schläfenund Wangen Chapats und änderte sein Aus-sehen damit erneut.

»Jetzt kannst du es versuchen«, sagte er.»Man wird dich nicht erkennen. Falls wiruns vor dem Start der TRAUMPALASTnicht mehr sehen sollten, will ich dich nochberuhigen. Du kannst die Maske leicht wie-der beseitigen. Du brauchst dir den Kopf nurmit Wasser zu waschen. Hoffen wir also,daß es heute nacht nicht regnet.«

»Was hast du vor?«»Ich werde dich mit dem Gleiter bis in die

Nähe der Villa bringen. Alles andere liegt

bei dir. Ich warte in der Nähe, aber ich kanndir nicht versprechen, daß ich dich heraus-hole. Du mußt dir selbst überlegen, wie duweiterkommst, wenn du den Kreisel hast.Ich habe schon genug für dich getan.«

»Und wie komme ich zum Raumhafen?Wo ist er überhaupt? Ich meine, kann ichihn erreichen, ohne vorher von der Madriaaufgegriffen zu werden?«

Pierre Bodanski blickte Chapat so be-stürzt an, daß dieser erkannte, wie wenig derTerraner an diese Fragen gedacht hatte. Eratmete einige Male tief durch, dann fragte ermutlos:

»Willst du es nicht doch lieber aufgeben,Chapat?«

»Nein.«Der Terraner zog den Gleiter herum und

beschleunigte. Er flog direkt auf die Villavon Kayro Moozong zu, die irgendwo in derDunkelheit verborgen vor ihnen lag. EinigeMinuten verstrichen, ohne daß einer der bei-den Männer etwas sagte. Als Bodanski dannaber auf einem felsigen Parkplatz unweit desLuxushauses landete, stellte er fest: »OhneHilfe kannst du es einfach nicht schaffen.Ich weiß nicht, wie du zum Raumhafenkommen kannst, aber vielleicht fällt mir bismorgen noch etwas ein. Ich warte hier aufdich. Solltest du gezwungen sein, in eine an-dere Richtung zu fliehen, treffen wir unsmorgen früh unten am Strand. Du kannstdich zwischen den Bäumen, Büschen undKlippen dort unten recht gut verstecken, bisich komme.«

»Ich danke dir, Pierre.«»Verschwinde, bevor es hell wird«, ent-

gegnete der Terraner grob. Chapat stieg ausund eilte davon. Bodanski blickte ihm nach.

*

Chapat konzentrierte sich vollkommenauf die bevorstehende Aufgabe. Alle Gedan-ken an das, was danach kommen konnte,schob er weit zurück. Er verließ sich darauf,daß Bodanski etwas einfallen würde.

Seine Augen gewöhnten sich schnell an

40 H. G. Francis

die Dunkelheit, und seine überaus scharfenSinne halfen ihm, sich zu orientieren. Ernahm schon von weitem jenen eigenartigenGeruch wahr, der von dem Verrenger KayroMoozong ausging, obwohl dessen Ausdün-stung so gering war, daß sie sonst kaum auf-fiel.

Er stieg über die Felsen hoch und gelang-te zwischen zwei Häusern hindurch auf eineHalde, die sich bis zur Luxusvilla Moozongshinaufzog. Lautlos wie ein Schatten kletterteer von Stein zu Stein, wobei er ein hohesTempo vorlegte. Über den Bergen wurde be-reits ein heller Schimmer sichtbar. Er mußtesich beeilen, wenn er rechtzeitig vor Tages-anbruch im Haus sein wollte.

Dann lag eine Steilwand vor ihm, an deres kaum Vorsprünge gab. Chapat zögertekeine Sekunde mit dem Einstieg. Geschmei-dig wie eine Katze kämpfte er sich nachoben. Immer wieder fand er Halt für seineFüße. Als er noch etwa vier Meter unter derhüfthohen Mauer war, die das Grundstückdes Verrengers umspannte, schien sein Wegzu Ende zu sein. Die Felswand über ihm warabsolut glatt. So kletterte er seitwärts weiter,bis er eine Möglichkeit sah, nach oben zukommen. Doch zwischen dem nächsten An-satzpunkt dafür und ihm lag eine zwei Meterbreite Rinne, die vom Regenwasser ausge-waschen war. Er strich mit der Hand prüfendüber das Gestein. Es war so schlüpfrig, daßseine Füße daran abrutschen mußten.

Ihm blieb keine andere Wahl. Er mußtesie überspringen. Auf der anderen Seite rag-te eine Felszacke hervor. Sie war sein Ziel.Er ließ sich tief in die Knie sinken, strecktedie Arme sichernd zu beiden Seiten aus, undschnellte sich hinüber. Ihm war, als habe ersich ins Nichts geworfen. Der Abgrund un-ter ihm schien ihn an sich reißen zu wollen.Dann schlug sein Fuß auf den Vorsprungund rutschte ab. Unwillkürlich schrie Chapatauf. Er schlug mit beiden Armen um sich,um den Sturz in die Tiefe zu vermeiden. Da-bei krallten sich seine Finger an die Zacke,auf die er seinen Fuß hatte setzen wollen.Mit aller Kraft hielt er sich fest. Seine Fuß-

spitzen scharrten haltsuchend über das Ge-stein.

Er wartete, bis er ruhig hing. Dann brach-te er auch seine linke Hand an die Zacke undzog sich hoch. Beängstigend lange erschienes so, als könne er es nicht schaffen, dochdann schob er sich wieder auf die Mauer zu,als sei nichts geschehen. Er schwang sichüber sie hinweg, fiel ins Gras und rollte sichsofort zur Seite. Neben ihm schnappte eineFalle zu. Er spürte, wie etwas an seinemKopf vorbeiflog, und er preßte sich fest anden Boden.

Im Park vor dem Haus war es still. Chapatkonnte keine Wächter sehen. Er wartete ei-nige Minuten ab, bis sein Atem wieder ruhi-ger ging, dann kroch er auf allen vieren aufeinen Steinweg zu. Seine Fingerspitzen ta-steten sich vorsichtig durch das Gras. Undwieder hatte er Glück. Seine überaus emp-findlichen Sinne warnten ihn rechtzeitig. Erhörte ein kaum wahrnehmbares Klicken.Seine Hände zuckten zurück und entgingendamit einer zweiten Klappfalle, in der ersich unweigerlich verfangen hätte, wenn eraufrecht gegangen wäre.

Er verharrte auf der Stelle und wartete.Wiederum verstrichen einige Minuten, ohnedaß etwas geschah. Dann glitt er weiter aufden Weg zu. Er entdeckte ein schwach glim-mendes Licht in den Büschen. Es befandsich etwa in Kniehöhe. Er lächelte abfällig,erhob sich und stieg über die Strahlenfallehinweg, die er hier vermutete.

Das Haus des Musikproduzenten KayroMoozong war etwa siebzig Meter breit. Eswar in zwei übereinander liegenden Stufengebaut worden, die in sich leicht gebogenwaren. Die Front der oberen Stufe bestandaus einer gläsernen Wand.

Chapat sah, daß einige Glastüren zur Seitegeschoben waren. Der Wind bewegte diehauchfeinen Vorhänge. Dort oben war eben-falls niemand zu sehen. Er hatte erwartet,hier wenigstens zwei oder drei Wachen vor-zufinden. Kayro Moozong schien sich sicherzu fühlen. Vermutlich hatte er auch keinenGrund, sich vor ungebetenen Gästen zu

Die Stars von Kantanong 41

fürchten, denn er stand der Madria nahe odergehörte ihr vielleicht sogar an.

Als der Arkonide sich bereits wieder erhe-ben und weitereilen wollte, senkte sich laut-los ein Gleiter auf das Gelände herab. Als erbis auf fünf Meter an das Gras herangekom-men war, zuckte ein schwachblauer Blitzvom Haus zu einem der Bäume, und in zweiRäumen der Villa ging das Licht an. Chapaterkannte, daß ein unsichtbares Strahlendachdas Anwesen vor unerwünschten Eindring-lingen schützte.

Zwei Männer entstiegen der Maschine.Sie eilten auf den Eingang des Hauses zu,wo sie von zwei anderen Männern erwartetwurden. Alle vier gingen ins Haus, und we-nig später erlosch das Licht wieder. Chapatschlich sich an den Gleiter heran. Er hattesich genau gemerkt, auf welchem Wege dieMänner an die Villa herangegangen waren.Er näherte sich dem Gebäude ebenso, aller-dings ging er nicht aufrecht, sondern schobsich bäuchlings durch das Gras.

Direkt vor dem Eingang richtete er sichauf. Seine Hand streckte sich bereits nachdem Öffnungskontakt aus, als sich hinter derTür ein großes Tier aufrichtete. Er fuhr zu-rück. Seine Augen begannen zu tränen. Ererwartete, daß dieser unangenehme WächterLaut geben würde, aber alles blieb ruhig.

Er wandte sich nach rechts und kroch ander Wand entlang bis zur Ecke des Gebäu-des. Als er es fast erreicht hatte, trat einMann hinter dem Haus hervor, ohne auchnur das geringste Geräusch zu verursachen.Chapat konnte ihn gegen den etwas hellerenHimmel recht gut sehen. Er wartete ab undlauschte mit angespannten Sinnen. Endlichhörte er, daß der Wächter atmete. Es warkein Roboter. Vor einem solchen Gegnerhätte er sich erheblich mehr gefürchtet, weiler nicht gewußt hätte, wie er ihn hätte be-kämpfen müssen.

Er krümmte sich zusammen und schnelltedann wie eine Feder auseinander. DerWachtposten wurde völlig überrumpelt.Chapat packte ihn mit der einen Hand beider Kehle und schlug ihm die freie Faust

wuchtig gegen die Schläfe. Das genügte.Der Arkonide fühlte, wie sein Gegner ihmunter den Händen erschlaffte. Sicherheits-halber setzte er seine Faust noch einmal ein.Dann streifte er dem anderen Jacke undHemd ab und fesselte ihn damit. Er schobihm einen Knebel in den Mund und legte ihndicht an das Haus, nachdem er ihn nachWaffen durchsucht hatte. Dabei hatte er je-doch nichts gefunden. Deshalb kroch er jetztdurch das Gras und tastete den Boden mitden Händen ab, bis er einen Strahler unterseinen Händen spürte. Er nahm ihn auf undbehielt ihn in der Hand. Er bedauerte, daß erseinen Fund nicht klassifizieren konnte. Aufeinen Hypno- oder einen Paralysestrahlerhätte er großen Wert gelegt, weil er mit ih-nen wesentlich unauffälliger kämpfen konn-te als mit einer Impulsautomatik.

Er versuchte, zu dem höher gelegenenStockwerk hinaufzukommen, doch vergeb-lich. Die Kante war zu hoch für ihn. Erkonnte sie selbst im Sprung nicht erreichen.Deshalb wandte er sich schließlich um undschlich sich im Bogen an der Eingangstürvorbei zur anderen Ecke des Hauses. Es warnun bereits so hell geworden, daß er mehrereMeter weit sehen konnte. Neben dem Ge-bäude stand ein robotischer AG-Ra-senmäher. Chapat lief einige Meter weit zu-rück, drehte sich um und rannte auf dasHaus zu. Er schnellte sich auf das Gerät undließ sich von dort zum ersten Stockwerk hin-aufschleudern. Das Gehäuse des Mähers fe-derte auf seinem Antigravfeld wie einSprungbrett.

Chapat landete auf der Brüstung.Unmittelbar vor ihm befand sich ein

Mann, der sofort herumfuhr und sich ihmentgegenstellte. Der befürchtete Alarmrufblieb aus. Der Arkonide wich einem Faust-hieb aus. Der Posten versuchte, ihn mit ei-nem Fußtritt umzustoßen, doch Chapatpackte das Bein und zog es mit einem Ruckzu sich heran. Der Wächter fiel zu Boden,griff nach seiner Waffe und richtete sie aufden Arkoniden. Dieser feuerte den erbeute-ten Strahler ab. Ihm blieb keine andere

42 H. G. Francis

Wahl, und er hatte keine Zeit, noch darübernachzudenken, was geschehen würde, wennder sonnenhelle Energiestrahleines Blastersdie Nacht erhellen würde.

Wiederum hatte er Glück. Sein Gegnersank zurück und ließ Arme und Beine zurSeite sinken. Er war paralysiert. Chapat at-mete auf. Offenbar legte Kayro MoozongWert darauf, bei nächtlichen Kämpfen inseinem Schlaf nicht gestört zu werden.

Chapat löste den Paralysator abermalsaus, eilte dann lautlos zur anderen Seite desHauses, wo der Gefesselte lag. Er sah, daßsich dieser bereits wieder bewegte, und erlähmte auch ihn. Dann wandte er sich denoffenen Glastüren zu.

Wo schlief der Verrenger?Chapat hob den Kopf und konzentrierte

sich ganz auf den arttypischen Geruch diesernichthumanoiden Intelligenz. Er mußte ihmden Weg weisen.

Er schritt an der Glasfront entlang, bis ersicher war, die Räume des Produzenten ge-funden zu haben. Er blieb stehen und horch-te. Im Haus war alles still. Vorsichtig trat eran eine halboffene Tür heran. Drinnen wares absolut dunkel. Er konnte nichts erken-nen.

Plötzlich wußte er nicht mehr weiter. Erwußte nicht, was er tun sollte. Wo mochteMoozong den Kreisel versteckt haben, fallser ihn überhaupt hatte?

Er trat durch die Tür ein. Deutlich hörte erden leisen Atem des Verrengers. Er hob denParalysator, um ihn zu lähmen, als sich ihmetwas um Hals, Arme und Beine legte undihn mit unwiderstehlicher Kraft zu Bodendrückte.

*12.10.2843 – Quinto-Center

Der Interkom vor Lordadmiral Atlanleuchtete auf. Der Arkonide blickte ange-spannt auf den Bildschirm, auf dem das kan-tige Gesicht eines Terraners sichtbar wurde.

»Nun, Major Skyfan?«»Die Aktion war ein voller Erfolg.«

»Dann ist sie jetzt abgeschlossen?«»Sie ist beendet. Die CGH-Gruppe ist ins

Leere gelaufen, genauso wie Sie es geplanthatten.«

»Ich gratuliere Ihnen, Major.«»Ohne Ihre Hilfe hätten wir es nicht ge-

schafft, Sir.«»Gut, Major. Machen Sie Ihren Bericht.«

Atlan schaltete aufatmend ab. Ein äußerstschwieriger Einsatz einiger USO-Spezialisten hatte ihn länger an Quinto-Cen-ter gefesselt, als ihm lieb war. Er erhob sichund verließ den Raum. Auf dem Gang be-gegnete er Ronald Tekener, seinem Stellver-treter, der erst vor einer knappen Stunde ein-getroffen war.

»Ich fliege nach Kantanong«, erklärte derArkonide. »Sie werden von mir hören.«

Er reichte dem Narbengesichtigen dieHand und verabschiedete sich von ihm.Dann strebte er über eine der großen Gleit-straßen zur Außenhülle des ausgehöhltenMondes, wo seit Tagen schon ein Raum-schiff für ihn startbereit in einem Hangarstand.

Nachdenklich und still legte er den Wegzurück. Er hielt die Tonspule in der Hand,die der Spezialist Hessefy von Kantanongmitgebracht hatte. Sie stellte das einzigeVerbindungsstück zu jenem seltsamenFremden dar, der ihm so ähnlich sah.

*

Chapat stürzte zu Boden. Er schlug umsich, aber sein Gegner hielt seine Arme undBeine so fest, daß seine Bemühungen kläg-lich scheiterten.

Das Licht ging an.Chapat erstarrte. Er befand sich in der Ge-

walt eines krakenähnlichen Wesens, das ihnmit seinen blauen Tentakeln umschlang. Di-rekt über seinem Kopf schwebte ein vogel-kopfähnliches Gebilde mit zwei giftgrünenAugen, die ihn feindselig anblickten. Be-drohlicher aber war, daß unter den Augenzwei fingerlange Stachel aus einer Hautfalteherauswuchsen, an deren Spitzen einige

Die Stars von Kantanong 43

Tropfen einer farblosen Flüssigkeit hingen.Der Arkonide erkannte augenblicklich, daßes sich dabei nur um ein starkes, vielleichtsogar absolut tödliches Gift handelte.

Er ekelte und fürchtete sich vor diesemGeschöpf.

Durch eine offene Tür glitt Kayro Moo-zong herein. Seine Stielaugen schoben sichaus seinem Kopf heraus, und sein Gesichtverzog sich zu einem breiten Lachen.

»Dachte ich es mir doch«, rief er. »Nimmihm die Waffe ab, Zex.«

Der erbeutete Paralysator lag auf dem Bo-den. Er war Chapat entfallen. Das Kraken-wesen nahm ihn mit einem freien Tentakelauf und entfernte ihn aus dem Blickfeld desArkoniden.

»Laß ihn los.«Chapat sank erschöpft auf die Knie, als

die Muskelstränge ihn endlich freigaben.Seine Hand- und Fußgelenke schmerzten,weil Zex mit aller Kraft zugepackt hatte.Dem Arkoniden erschien es wie ein Wun-der, daß die Knochen diesem Druck wider-standen hatten. Er preßte die Ellenbogen anden Leib und verdeckte so die zweite Waffe,die er besaß. Offenbar kam Moozong garnicht auf den Gedanken, daß er noch einenweiteren Strahler haben könnte.

Der Produzent wandte sich um, eilte inden Nebenraum und kam mit einem großenGlas zurück, das mit einer bräunlichen Flüs-sigkeit gefüllt war. Er trank gierig, als sei erdicht vor dem Verdursten.

»Du wolltest also alle betrügen, Chapat«,stellte er fest. »Mir wolltest du den Kreiselstehlen. Ramon Hablish wolltest du einenFreundschaftsdienst verweigern. Und fürAki Axxy wolltest du nicht länger Hauptdar-steller sein. Das kann ich sogar verstehen,denn Axxy wollte dich im wahrsten Sinnedes Wortes ausbeuten.«

Chapat wollte sich aufrichten, doch Zexschlug mit einem Tentakel nach ihm undschleuderte ihn wieder zu Boden.

»Geben Sie mir den Kreisel wieder, Mr.Moozong. Mehr will ich nicht.«

»Das kann ich mir vorstellen.« Der Ver-

renger lachte dröhnend. »Aber so geht es na-türlich nicht. Wir müssen andere Saiten auf-ziehen.«

»Was haben Sie vor?«»Bist du wirklich so naiv? Du bist wert-

voll wie reines Howalgonium für uns – fürmich, für die Madria und für Aki Axxy. Bis-her haben wir auf freiwillige Zusammenar-beit gesetzt. Damit bist du offenbar nichteinverstanden. Jetzt werden wir dich zwin-gen, das zu tun, was wir wollen.«

Chapat fühlte, wie die Spitzen der Tenta-kel über seinen Rücken glitten. Er erschau-erte. Seine Chancen waren minimal. Wieschnell reagierte Zex?

Er kniete vor Kayro Moozong. DieSchmerzen ebbten allmählich ab. Fieberhaftüberlegte er, was er tun konnte. Er wußte,daß er nicht mehr viel Zeit hatte. Zweifelloshielten sich noch mehr Menschen oder auchandere Intelligenzen in der Villa auf. Sie wa-ren vielleicht schon aufmerksam geworden.Es konnte nicht mehr lange dauern, bis sieeintrafen. Je größer die Zahl seiner Gegneraber war, desto auswegloser wurde seine La-ge.

»Ich werde niemals mit Ihnen zusammen-arbeiten, wenn Sie nicht mit offenen Kartenspielen. Für wie dumm halten Sie mich ei-gentlich? Sie meinen, Sie könnten michhemmungslos ausnutzen, aber das wird Ih-nen nicht gelingen.«

»Nun – dumm bist du nicht. Das stimmt.Der Finanzierungsplan, den BankierAnxville mir unterbreitet hat, war wirklichsehenswert. Ich wäre fast darauf eingegan-gen.«

Chapat bemühte sich um ein geschmei-cheltes Lächeln. Kayro Moozong ließ sichtäuschen. Er hielt den Arkoniden für harm-los.

»Darf ich aufstehen, Mr. Moozong?«Der Verrenger fuhr seine Stielaugen ein.

Sie sanken in die Höhlen zurück. Er strecktedie Hand aus und forderte ihn mit großmüti-ger Geste auf, sich zu erheben.

Als Chapat sich aufrichtete, blickte erüber die Schultern zurück, als wollte er sich

44 H. G. Francis

vergewissern, daß Zex ihn nicht abermalsumstieß. Das Krakenwesen zog sich um et-wa einen Meter zurück. Darum ging es demArkoniden. Er wollte wissen, wie groß derAbstand zwischen ihm und diesem gefährli-chen Gegner war.

Chapat warf sich entschlossen nach vorn,zog dabei die Waffe aus dem Gürtel unddrehte sich zugleich im Flug herum. Erstürzte schwer auf die Schultern. Blaue Ten-takel fuhren auf ihn zu.

Kayro Moozong schrie auf.Der Arkonide löste den Strahler aus. Ein

sonnenheller Energieblitz zuckte aus demProjektionsfeld und traf das Krakenwesen.Es prallte zurück, sank in sich zusammen,schnellte dann jedoch wieder hoch und ver-suchte, Chapat anzugreifen. Der Arkonidefeuerte abermals. Er traf den Kopf, derförmlich auseinanderbarst. Eine gelbeDampfwolke stieg zischend auf.

Chapat erhob sich. Er war wie betäubt.Seine Schultern schmerzten. Im Raum wares heiß geworden, und von dem toten Zexging ein unerträglicher Gestank aus. Hu-stend und keuchend eilte der Arkonide inden Nebenraum, in den Kayro Moozong ge-flüchtet war.

Er bemerkte nicht, daß der Teppich imDurchgang sich zu einigen Falten aufgewor-fen hatte. Sein Fuß verfing sich darin, und erstürzte zu Boden. Im gleichen Momentzischte ein blauer Energiestrahl über ihn hin-weg.

Chapat rollte sich zur Seite.Kayro Moozong stand vor einem Wand-

schrank. Er hielt einen Blaster in der Handund richtete ihn auf den Arkoniden, der in-stinktiv schoß. Er traf den Verrenger amHals. Der Produzent ließ seine Waffe fallen,griff sich mit beiden Händen an die Augenund sank zu Boden. Er wälzte sich ächzendzum Fenster. Dort streckte er sich aus undbewegte sich nicht mehr.

Chapat stand auf. Er schleuderte Moo-zongs Waffe mit dem Fuß zur Seite, zogsich bis in den äußersten Winkel des Raum-es zurück und lauschte. Im Haus wurden

Stimmen laut. Einige Männer rannten untenin den Park hinaus. Es konnte nicht mehrlange dauern, bis sie entdeckten, was hieroben geschehen war.

Suchend blickte der Arkonide sich um. Erbefand sich in einem Schlafraum, in demKayro Moozong geruht hatte.

Wo hatte der Verrenger den Kreisel ver-steckt?

Chapat eilte zu Moozong, kniete nebenihm nieder und griff nach einem seiner Ar-me, ließ ihn jedoch sofort wieder fallen.Kantanongs mächtigster Musikmanager wartot. Daran konnte kein Zweifel mehr beste-hen.

»Ischtar«, sagte der Arkonide zunächstleise. Dann rief er wesentlich lauter:»Ischtar! Ischtar!«

Wie ein gefangenes Tier lief er im Raumauf und ab.

»Ischtar – Mutter!«Er blieb stehen und horchte. Schritte nä-

herten sich ihm. Mehrere Männer sprachenlaut miteinander. Doch diese Geräuschenahm er kaum wahr. Er hörte jedoch, daßder Kreisel antwortete.

Unwillkürlich lächelte er.Jetzt wußte er, daß der Kreisel tatsächlich

in dieser Villa war. Er rief erneut: »Ischtar!«Und wieder meldete sich der Kreisel. Die-

ses Mal hatte er sich die Richtung, aus derdie Stimme kam, genau gemerkt. Er riß einBild von der Wand. Dahinter verbarg sicheine Panzertür. Sie war nicht fest verschlos-sen. Chapat riß sie auf. Zahlreiche Papiere,Tonspulen und Aufzeichnungsnadeln lagenvor ihm. Die Stimme des Kreisels klang auseinem verschlossenen Zusatzfach hervor.

Er trat einige Schritte zurück, richtete denStrahler auf die obere Kante der Tür undschoß. Der Energiestrahl vernichtete einenGroßteil des Materials im Safe, sprengte zu-gleich aber auch das Gefängnis des Kreisels.

Chapat zog das glühende Fach mit Hilfeseiner Waffe auf, die er als Hebel benutzte.Dann ergriff er Ischtar-Memory, verbranntesich fast die Finger daran und ließ es in eineJackentasche fallen.

Die Stars von Kantanong 45

Er hatte sein Ziel erreicht. Nun gab es kei-nen Grund mehr, auch nur eine Sekunde län-ger zu bleiben.

Chapat rannte durch eine halboffene Türin einen dunklen Nebenraum. Hier blieb erstehen und lauschte erneut. Vor den Glastü-ren befanden sich mehrere Männer, die sichnur zögernd dem Zimmer näherten, in demKayro Moozong geschlafen hatte. Lautloseilte der Arkonide weiter. Er fand eine Tür,die auf die Dachterrasse hinausführte. Erschob sie zur Seite, sah, daß die Wächter dieToten gefunden hatten, und lief auf denRand des Gebäudes zu. Niemand beachteteihn. Er ließ sich in den Garten hinunterfallenund floh in den Schutz eines Baumes.

Nun wurde es endgültig hell auf dem Ge-lände. Plötzlich wimmelte es von Männernund Frauen. Mehrere nichthumanoide We-sen, wie Chapat sie nie zuvor gesehen hatte,erschienen vor dem Haus. Sie alle zogensich unmittelbar darauf wieder zurück. DerArkonide sah sie wenig später über dieDachterrasse auf die Zimmer zuhasten, indenen er mit Zex und Moozong gekämpfthatte.

Chapat nutzte die Verwirrung. Er schlichsich behutsam auf die Stelle der Umran-dungsmauer zu, an der er in den Park einge-drungen war, wobei er sich stets in derDeckung der Bäume und Büsche hielt. Erwagte es nicht, den Abstieg an anderer Stelleanzugehen, weil er fürchtete, in eine der Fal-len zu geraten.

Er atmete erleichtert auf, als er einigeBlütenstauden erreichte, an die er sich erin-nerte. Mit einem weiten Satz schnellte ersich auf die Mauer zu. Da blitzte es beimHaus auf. Ein Energiestrahl fauchte an ihmvorbei. Chapat blickte zur Villa hinüber. Eswar bereits so hell, daß er die Männer undFrauen sehen konnte, die dort standen, Siewandten sich ihm alle zu. Und wieder feuer-te einer auf ihn, verfehlte ihn jedoch wegender großen Entfernung ebenfalls.

Chapat ließ sich hinter die Säulenmauersinken. Er zielte sorgfältig und löste seinenStrahler dann aus. Der Blitz schlug drüben

unter dem oberen Dach ein. Die Freundeund Helfer des toten Kayro Moozong flüch-teten ins Haus.

Der Arkonide schickte zwei weitereStrahlen purer atomarer Energie zu ihnenhinüber. Er beobachtete, daß sie ihr Ziel er-reichten und in den Zimmern einschlugen,wo Sekunden später Feuer ausbrach.

Geduckt rannte ein Mann auf den abge-stellten Gleiter zu. Chapat zögerte nicht. Erschoß und hatte Glück. Obwohl er nichtsüber die Maschinerie wußte, traf er einwichtiges Aggregat. Eine Stichflamme brachkrachend aus dem Heck. Für Chapat standfest, daß ihn niemand mehr mit diesem Flug-apparat bedrohen konnte. Sein Gegnerstürmte zum Haus zurück.

Niemand wagte, ihn anzugreifen, weil erin einer idealen Schußposition lag und vonseinem Standort aus das gesamte Geländeübersehen konnte. Das beruhigte ihn jedochkeineswegs, denn er sagte sich, daß irgend-wo hinter der Villa Unterstände für weitereGleiter sein konnten. Über Videophon konn-te darüber hinaus aus der Stadt Unterstüt-zung angefordert werden, die ihn aus derLuft attackieren konnte.

Chapat entschloß sich zum Abstieg. Darinsah er seine einzige Chance. Er hoffte, daßer einige Minuten Vorsprung bekommenwürde. Doch er war noch keine zwanzigMeter weit nach unten geklettert, als er ausder Richtung der Villa von Ramon Hablishvier Gleiter herankommen sah. Damit schiensein Kampf zu Ende zu sein. Unter ihm lageine Steilwand, die etwa siebzig Meter hochwar. Bis zu den schützenden Felsen der Ge-röllhalde war es einfach zu weit. Und selbstdort unten boten sich ihm wahrscheinlichkeine ausreichenden Verstecke.

Chapat blieb auf einer Felszacke stehen.Er wußte nicht mehr, was er tun sollte.

Da bemerkte er ein Taxi, das von der Sei-te her kam. Er wollte seine Waffe auf denGleiter richten, sah aber ein, daß es sinnloswar, noch weiterzukämpfen. Er ließ die Ar-me hängen und wartete, bis die Kabine di-rekt neben ihm war. Die Tür glitt zur Seite.

46 H. G. Francis

Er blickte in das bleiche Gesicht von PierreBodanski.

»Was ist?« schrie der Schauspieler.»Willst du nicht endlich einsteigen?«

Chapat hechtete sich auf die Polster hin-über und krallte sich irgendwo fest, währendBodanski schon wieder beschleunigte. Müh-sam zog der Arkonide sich auf einen Sitzhoch und schloß die Tür hinter sich. DerTerraner flog nur wenige Meter über denBäumen dahin auf das Stadtzentrum vonKantanong zu. Ein Schwarm von siebenGleitern folgte ihnen, wobei bereits jetztdeutlich war, daß die anderen über dieschnelleren Maschinen verfügten.

»Das schaffen wir nicht«, sagte der Arko-nide verzweifelt. »Sie holen zu schnell auf.«

»Immer mit der Ruhe«, entgegneteBodanski. »Wenn ich dir schon helfe, dannweiß ich auch, wie wir sie hereinlegen kön-nen.«

»Was hast du vor?«»Wir kommen gleich an einem Lagerhaus

vorbei. Es befindet sich hinter dem Hoch-haus mit der grünen Reklame.«

Chapat entdeckte das Gebäude sofort, dasder Terraner meinte.

»Auf dem Dach befindet sich eine großeÖffnung für einen Antigravschacht. Er wirdvon Transportgleitern benutzt, die erheblichgrößer sind als dieses Ding hier. Oft werdendie Ladungen oben auch einfach nur ausge-kippt.«

»Was haben wir davon?«»Wir springen aus voller Fahrt hinein.«»Das geht doch nicht.«»Du kannst machen, was du willst. Ich tu

es«, erklärte Bodanski entschlossen.»Das ist verrückt.«»Du hast recht. Es war auch idiotisch, daß

ich dir geholfen habe. Ich konnte jedochnicht zusehen, daß sie dich einfach abknal-len.«

»Ich wollte dich nicht beleidigen.«Der Gleiter raste um das Gebäude herum.

Bodanski fuhr die Schiebetür auf. Instinktivtat Chapat das gleiche. Dann jedoch sah erdie Schachtöffnung. Sie erschien ihm viel zu

klein. Er glaubte nicht, daß sie sich aus ra-sendem Flug hineinstürzen konnten.

»Warte auf mein Zeichen«, brüllte derTerraner.

Chapat krampfte sich zusammen. Erblickte nach hinten. Das Haus mit der grü-nen Reklame deckte sie gegen die Verfolger.

»Jetzt«, schrie Bodanski.Der Arkonide schreckte zurück, doch der

Terraner gab ihm einen kräftigen Stoß, be-vor er sich selbst hinausfallen ließ. Chapatüberschlug sich in der Luft. Er sah das Dachauf sich zukommen, wirbelte erneut herumund verlor die Orientierung. Dann fühlte ersich jedoch weich aufgefangen. Es wurdedunkel um ihn.

Er drehte sich herum und sah, wie dieSchachtöffnung zurückwich. Neben ihmschwebte Pierre Bodanski.

»Bist du in Ordnung?« fragte der Terranerstöhnend.

»Ich habe es überlebt«, entgegnete Cha-pat. »Frage mich jedoch nicht, wie. Ich weißes nicht.«

8.

Die beiden Männer schritten über eineSchräge hinab und gelangten in einen Verla-dehof, auf dem mehrere Lastengleiter park-ten. Pierre Bodanski trieb zur Eile an.

»Sie werden zurückkommen und alles ab-suchen, wenn sie gemerkt haben, daß wirausgestiegen sind«, sagte er.

Sie überquerten eine Rasenfläche und eil-ten dann in einen Tunnel hinab, aus dem ih-nen einige Arbeiter entgegenkamen, derenZiel offensichtlich das Lagerhaus war. Übereine Fließstraße erreichten sie das Hafenge-lände, wo sie zwischen einigen abgestelltenContainern in einem leeren Schuppen Zu-flucht suchten. Von hier aus konnten sie aufdas Meer hinausblicken, sahen aber auch,was in Kantanong geschah, da in der Rück-wand des Gebäudes große Löcher klafften.

Bodanski zündete sich eine rote Zigarettean und inhalierte tief.

»Das war knapp«, erklärte er.

Die Stars von Kantanong 47

»Mich hat nur überrascht, daß Moozongmich sofort erkannt hat, obwohl ich dochganz anders aussehe als sonst.« Er fand end-lich Gelegenheit, dem Terraner zu erzählen,was in der Villa des Produzenten geschehenwar. Bodanski hörte staunend zu.

»Ich sah dich von unten her in der Fallesitzen«, berichtete er seinerseits, als Chapatgeendet hatte. »Und ich konnte nicht zuse-hen, daß sie dich abschießen.«

»Ich muß mein Äußeres verändern«, sagteder Arkonide. »Wenn Moozong mich sofortidentifizieren konnte, dann können es dieMänner der Madria auch.«

»Irrtum«, entgegnete der Terraner besänf-tigend. »Der Verrenger hat wahrscheinlichdamit gerechnet, daß du den Maskenbildneraufsuchen würdest. Er ist vielleicht sogaralarmiert worden. Aber selbst wenn dasnicht der Fall gewesen sein sollte, hast duihn nicht überrascht. Niemand sonst könntein Kantanong auf den Gedanken kommen,bei einem Mann wie ihm einzubrechen.«

»Ich habe den Kreisel«, sagte Chapat tri-umphierend.

»Laß mich noch einmal das Lied hören«,bat Bodanski.

»Ist das nicht zu gefährlich? Man könnteuns hören.«

»Wenn wir vorsichtig genug sind, kannnichts passieren.«

Chapat zögerte, griff schließlich aberdoch in die Tasche und holte den Kreiselhervor. Er setzte ihn auf den Boden und ließihn singen.

Pierre Bodanski geriet augenblicklich ineinen euphorischen Taumel. Er kniete aufdem staubigen Untergrund und lauschte mitglänzenden Augen, während der Arkonideden Schuppen verließ und sich umsah. Nie-mand befand sich in ihrer Nähe und IschtarsGesang war auch nicht so laut, daß er in grö-ßerer Entfernung noch zu hören gewesenwäre. Chapat kehrte erst wieder zu dem Ter-raner zurück, als das Lied verklungen war.

Bodanski hielt den Kreisel in den Händenund drehte ihn. Bewundernd betrachtete erdas blaue Gebilde, das auf so unbegreifliche

Weise derart faszinierende Klänge von sichgeben konnte.

»Was ist das?« fragte er, als Chapat vorihm stand. »Ich verstehe das nicht. Für michist dieser Kreisel ein wirkliches Wunder.«

Der Arkonide streckte die rechte Handaus. Bodanski legte den Kreisel hinein. Erwollte etwas sagen, schwieg jedoch. Ersprang auf und eilte zu einer der Öffnungenin der Rückwand des Schuppens. Chapatfolgte ihm. Sie beobachteten, daß zahlreicheGleiter das Lagergebäude umkreisten, in dassie geflüchtet waren.

»Wir sollten uns Gedanken darüber ma-chen, wie wir zum Raumhafen kommen«,sagte Chapat.

»Du hast recht«, erwiderte Bodanski.»Wir haben keine Zeit zu verschenken.«

Er kratzte sich das Kinn.»Es gibt natürlich viele Möglichkeiten«,

erklärte er. »Wir könnten einen Gleiter neh-men. Wir könnten auch auf der Rollstraßeim Tunnel hingehen, oder wir könnten unsin einem Container verstecken und somit imGüterstrom untertauchen, der fast ständigzwischen dem Raumhafen und der Stadt hinund her geht. Wir müssen aber damit rech-nen, daß die Madria jetzt schon die Stadt,die Umgebung und den Raumhafen kontrol-liert. Wohin wir uns auch wenden, überallwerden wir auf die Leute von Ramon Hab-lish stoßen.«

»Wir müssen uns entscheiden.«»Natürlich müssen wir das«, entgegnete

Bodanski nervös. Er drückte seine Zigarettemit der Fußspitze aus. »Zunächst aber müs-sen wir uns einmal überlegen, was die Ma-dria von uns erwartet. Vorläufig weiß sie janoch nicht, daß wir heute noch zum Raum-hafen wollen – obwohl es natürlich auch fürsie auf der Hand liegt, daß wir so schnellwie möglich von Kantanong verschwindenwollen. Ramon Hablish muß von drei Mög-lichkeiten ausgehen: daß wir in der Stadtbleiben, daß wir in der Wildnis Unterschlupfsuchen, bis sich alles beruhigt hat, und daßwir uns auf den Weg zu den Sternen machenwollen. Das macht die Situation für ihn et-

48 H. G. Francis

was schwieriger und für uns etwas leichter.«»Wir verstecken uns im Güterstrom«, ent-

schied Chapat.Bodanski wollte aufbegehren. Der Arko-

nide blickte ihm in die Augen. Sein Gesichtwurde hart. Der Terraner sah ihm an, daß erfest entschlossen war, sich nicht umstimmenzu lassen.

»Also gut«, erwiderte Bodanski. Er atme-te schnaufend aus, als sei eine große Lastvon ihm genommen.

»Wahrscheinlich hast du recht. Wir kön-nen nicht warten, bis der Tag vorbei ist.«

Die beiden Männer verließen den Schup-pen. Sie wandten sich nach Süden, weil sichdort der Sammelumschlagplatz für die Güterbefand, die zum Raumhafen verschickt wer-den sollten. Nach etwa einhundert Meternbegegneten sie zwei Männern, die eine Anti-gravplattform steuerten, die mit großenStoffballen beladen waren. Einer von ihnenwandte sich ihnen zu und musterte sie auf-fallend lange. Pierre Bodanski beschleunigteseine Schritte.

»He«, rief der Arbeiter. »Bleibt mal ste-hen. Das ist doch Bodanski.«

Er rannte auf den Terraner zu und sprangihn an. Beide stürzten zu Boden. Chapatwollte dem Freund helfen, als auch der an-dere Arbeiter angriff. Mit wütenden Faust-schlägen drang er auf den Arkoniden ein,der zunächst zurückwich und auf eine Chan-ce wartete, den Kampf schnell zu beenden.Als sein Gegner merkte, wie schwer es seinwürde, in dieser Auseinandersetzung Siegerzu werden, griff er unter das Hemd und hol-te ein Messer hervor.

»Ich weiß zwar nicht, wer du bist,Freundchen«, sagte er, »aber offenbarsteckst du mit diesem Mörder unter einerDecke.«

Er fintierte – und fiel auf eine Gegenfintedes Arkoniden herein. Er glaubte, Chapatdas Messer in die Brust stoßen zu können,und legte sich mit dem ganzen Körperge-wicht in den Angriff. Der Arkonide aberwich geschmeidig aus, packte den ausge-streckten Arm des anderen und drehte ihn

aus. Der Arbeiter stürzte aufschreiend zuBoden. Er blieb liegen und drückte sichwimmernd die Hand gegen die Schulter.Chapat nahm das Messer auf und steckte esein. Er wandte sich Pierre Bodanski zu, dererhebliche Schwierigkeiten hatte. Auch seinGegner setzte ein Messer ein und hatte denSchauspieler bereits zweimal getroffen. DerTerraner blutete an der Schulter und an derHüfte.

Chapat beugte sich über die Kämpfenden,packte den Arbeiter mit beiden Händen amHals und riß ihn energisch hoch. Das Messerfuhr hautnah an der Kehle Bodanskis vorbei,der sofort hochschnellte und seine Fäusteeinsetzte. Damit war auch dieser Kampf vor-bei.

»Komm, Chapat, schnell weg!«Die beiden Männer rannten an einer Reihe

von abgestellten Containern entlang. Sieblickten sich immer wieder um, aber nie-mand verfolgte sie. Offenbar war es den bei-den Arbeitern noch nicht gelungen, anderezu alarmieren. Bodanskis Schritte wurdenbald kürzer. Er rang mühsam nach Luft.Chapat stützte ihn aber auch das half nichtviel. So legten sie zwischen zwei Containerneine kurze Pause ein, damit der Terranersich etwas erholen konnte. Er ließ sich aufden Boden fallen und streckte die Beine aus.Seine Wunden bluteten stark.

»Du mußt wieder ins Medocenter«, sagteChapat. Er beugte sich über Bodanski undwollte ihm die Kleider öffnen, aber der Ter-raner wies ihn zurück.

»Unsinn. Ein Gleiter genügt. Jeder Gleiterhat eine vernünftige Notausrüstung.«

»Wie du meinst, Pierre.«Chapat erhob sich und entfernte sich eini-

ge Schritte, um sich zu orientieren. Er konn-te keine Verfolger sehen. Zwischen den ab-gestellten Lagerbehältern, den Schuppenund den Verladegeräten war es ruhig. Als erzu dem Terraner zurückkehrte, beugte ersich über ihn und lächelte besänftigend.

»Ich habe einen Parkplatz mit zwei Ta-xigleitern gefunden. Es ist nicht weit. Kön-nen wir weitergehen?«

Die Stars von Kantanong 49

»Ja«, entgegnete Bodanski und lächelteverzerrt. Chapat half ihm auf. Gemeinsameilten sie weiter. Sie erreichten die Maschi-nen ohne Zwischenfälle und suchten sich diegrößere von den beiden aus. Der Arkonidewollte zunächst die Wunden versorgen, aberBodanski bestand darauf, daß er sofort star-tete. Die Kabine stieg auf. Chapat lenkte sienach Süden.

Bodanski streifte seine Jacke und seinHemd ab, desinfizierte die Hautschnitte undverklebte sie.

»Es ist nicht schlimm«, beteuerte er. »Ichwerde es überleben.«

»Ich begreife nicht, weshalb sie uns ange-griffen haben. Wieso bezeichneten sie dichals Mörder?«

»Das verstehe ich auch nicht.«Pierre Bodanski schaltete den Trivi-

deowürfel an.»Aber das werden wir gleich haben, Cha-

pat. Ich befürchte …«, fuhr er fort, ohne denSatz zu beenden. Er ging sämtliche Pro-gramme von Kantanong durch, bis sein Ge-sicht auf dem Bildschirm erschien.

»… wird der Terraner Pierre Bodanski,ein drittklassiger Schauspieler, wegen Mor-des gesucht. Wie die Kriminalpolizei mit-teilt, hat er in der vergangenen Nacht denProduzenten Kayro Moozong heimtückischerschossen. Bodanski soll …«

Wütend schaltete Pierre ab.»Drittklassiger Schauspieler! Diese Ba-

starde. Das sollen sie mir büßen. Drittklas-sig! Eine derartige Unverschämtheit ist mirnoch nie begegnet.«

»Sie wollen dir einen Mord in die Schuheschieben.«

»Sollen sie. Das ist mir doch egal«, ent-gegnete Bodanski wutschnaubend. Er balltedie Fäuste und schüttelte sie. »Wenn ich die-se Aasgeier erwische, schlage ich ihnen dieSchädel ein. Von Kunst haben die überhauptkeine Ahnung. Man sollte … ach, ich platzegleich!«

»Du bist also wirklich drittklassig?«Pierre Bodanski zuckte zusammen, als ha-

be der Arkonide ihm eine Ohrfeige versetzt.

Er saß für einige Sekunden völlig bewe-gungslos auf seinem Platz, dann zuckte sei-ne Hand zum Gürtel Chapats und entriß ihmden Energiestrahler. Das Projektionsfeldflammte vor dem Gesicht des Arkonidenauf.

»Sag das noch einmal!«»Warum sollte ich das tun? Ich war im-

mer der Meinung, daß du alles andere alsdrittklassig bist. Die Männer der Madriaaber sind hervorragende Psychologen. Siebezeichnen dich als schauspielerisch min-derwertig, um dich aus der Reserve zulocken, und du fällst darauf herein. Das kanndoch nur bedeuten, daß du dir deiner Quali-täten nicht bewußt bist, oder?«

Chapat lächelte.Der Terraner warf ihm die Waffe auf den

Schoß. Mit bebenden Händen zündete ersich eine Zigarette an.

»Du hast mit deinem Leben gespielt.«Der Arkonide ging nicht auf den Vorwurf

ein. Er blickte sich um und stellte fest, daßihnen niemand folgte.

»Die Madria weiß also nicht, wo wir sind,und was wir planen. Das können wir aus ih-rem Manöver wohl schließen.«

»Du hast recht.«»Also – was machen wir?«»Wir fliegen zum Raumhafen. Wir versu-

chen es einfach. Es wird schon klappen.«»Einverstanden.« Chapat nickte zustim-

mend. Er war froh, daß der Terraner keineZeit mehr verschwenden wollte. Zudemglaubte er, daß seine Chancen um so besserwaren, je früher er den Durchbruch versuch-te.

Bodanski richtete sich auf. Er zeigte an ei-ne Stelle der Küste, an der die Felsen nahezusenkrecht aus dem Meer stiegen. Chapat sah,daß dort zahlreiche Gleiter verschwanden.Sie schienen um die Felsnadel herumzuflie-gen und hinter ihr zu landen.

»Dort beginnt ein Tunnel«, erklärte derTerraner. »Dort fliegen wir in den Berg.«

»Ein Tunnel?« fragte der Arkonide ver-blüfft. »Das verstehe ich nicht. Warum soll-ten wir durch einen Berg fliegen?«

50 H. G. Francis

»Du bist hier in Kantanong, meinFreund«, entgegnete Bodanski. »Da oben inden Bergen haben die Reichen ihre Luxus-villen. Jeden Tag aber bewegt sich ein Stromvon Flugmaschinen von hier zum Raumha-fen und zurück. Er müßte direkt vor denHäusern vorbeiziehen, so daß man von dortaus das Meer bald nicht mehr sehen könnte.Oder die Gleiterkolonnen müßten über dieganze Stadt zu den Bergen hinaufsteigenund sich dort nach Süden wenden. Das gingenatürlich auch über das offene Meer. Das al-les aber war den Geldsäcken von Kantanongzu störend. Also hat man mit Desintegrator-fräsen einen Tunnel durch die Berge gegra-ben.«

Je näher sie dem steilen Felsen kamen,desto deutlicher war zu erkennen, daß derTunnel wie ein Trichter wirkte, der von allenSeiten Flugmaschinen aufnahm. In einer Hö-he von etwa einhundert Metern schwebtendie Gleiter in den Berg ein, fünfzig Metertiefer kam der Gegenstrom heraus.

Chapat ordnete sich in die Kolonne derprivaten Kabinen ein.

»Kannst du nicht im Kofferraum ver-schwinden?« fragte er unbehaglich. »Waspassiert, wenn am Tunneleingang Madria-männer auf uns warten. Mich werden sienicht erkennen, aber du bist nicht maskiert.«

»Du bist ein kluger Junge.«Pierre Bodanski wechselte auf die hinte-

ren Sitze hinüber und löste die Polster. Da-hinter wurde ein leichtes Kunststoffgittersichtbar, das den Fahrgast- vom Kofferraumabtrennte. Mit dem Messer, das der Arkoni-de einem der Arbeiter abgenommen hatte,durchschnitt er es, so daß er hindurchschlüp-fen konnte. Chapat klappte die Lehne wiederhoch.

Er schaltete den Videowürfel wieder einund ließ ein belangloses Musikprogrammlaufen. Der Gleiter verringerte seine Ge-schwindigkeit automatisch, so daß der Ab-stand zu den anderen Maschinen stets gleichblieb. Schon aus großer Entfernung beob-achtete Chapat zahlreiche zivil gekleideteMänner, die sich vor allem mit den Contai-

nern beschäftigten, die auf Antigravplattenin den Tunnel glitten. Er unterrichteteBodanski davon, der hin und wieder Fragenstellte.

»Sie scheinen zu glauben, daß wir uns ir-gendwo in der Ladung verstecken«, rief er.Tatsächlich ließen die Madriagangster kei-nen einzigen Transportbehälter aus. »Für diePersonengleiter scheinen sie sich weniger zuinteressieren.«

Er öffnete das Seitenfenster und legte denArm auf die Kante. Es wurde schnell heiß.Der Himmel war völlig klar, und von Südenher wehte ein warmer Wind herauf. Zahlloserotgrüngefiederte Vögel umschwärmten dieFlugmaschinen. Viele von ihnen ließen sichvor den Frontscheiben auf der Karosserienieder. Chapat sah, daß viele Fahrgäste dieVögel fütterten.

Auf einem Felsvorsprung stand ein klei-nes Kontrollgebäude. An ihm mußten alleFlugkabinen vorbei. Zwei Zivilisten standendort. Sie lehnten sich lässig mit dem Rückenan eine Mauer und hielten überlange Ziga-retten zwischen den Lippen. Ohne großesInteresse musterten sie die Personen in denGleitern, die an ihnen vorüberzogen.

»Jetzt sind wir soweit, Pierre«, meldeteChapat nach hinten. »Still. Keine Fragen,bitte.«

Er wendete nur kurz den Kopf und blicktezu den Gangstern hinüber. Dann tauchte erin den Tunnel, der zunächst tatsächlich wieein ovaler Trichter war, der am Eingangeinen senkrechten Durchmesser von etwaeinhundert Metern hatte. Er verengte sichdann jedoch schnell bis auf einen Durchmes-ser von annähernd fünfzig Metern. Leucht-platten bildeten in Abständen von zwanzigMetern helle Ringe.

»Mir wird die Luft zu knapp«, rief Bodan-ski von hinten. »Ich komme heraus.«

»Warte noch etwas«, bat der Arkonide,doch der Terraner ließ sich nicht mehr zu-rückhalten.

»Da hinten ist es heiß wie in einem Back-ofen«, erklärte er und setzte sich neben Cha-pat. Er schwieg, bis der Gleiter nach einigen

Die Stars von Kantanong 51

Minuten den Tunnel verließ und über bergi-ges, dicht bewaldetes Land hinwegflog.

»Für mich wird es schwer werden«, sagteer.

»Warum?«»Was habe ich schon zu bieten? Wer gibt

mir auf einem Raumschiff ein Engagement?Du mit deinem Kreisel hast es wesentlichbesser.«

»Du kannst nicht auf Kantanong bleiben,Pierre. Unmöglich.«

»Das werden wir sehen. Am Raumhafentrennen sich unsere Wege.«

»Was hast du vor?«»Ich werde mich in die Wildnis zurück-

ziehen. Sicherlich ergibt sich irgendwanndie Möglichkeit, doch noch abzuhauen. DieMadria muß mich erst einmal vergessen.Wenn du ihr entkommen bist, werden siemich erst recht suchen, aber sie werden michnicht finden.«

Chapat blickte den Freund prüfend an. Pi-erre Bodanski schien genau zu wissen, waser wollte.

»Ich habe mich schon zu lange als Schau-spieler versucht, Chapat. Es wird Zeit, daßich selbst einmal konsequent bin. Ich habenoch nie eine wirklich gute Rolle gehabt.Meinst du, es lohnt sich, ein ganzes Lebendarauf zu warten, daß es eines Tages docheinmal klappt?«

»Vermutlich nicht.«»Ich brauche die Einsamkeit, um zu mir

selbst zu finden.«Chapat pfiff durch die Zähne.»Große Worte, Pierre.«Bodanski grinste.»Ich muß jetzt große Worte von mir ge-

ben, wenn ich nicht dem heulenden Elendverfallen soll«, entgegnete er ironisch.

Sie schwiegen. Der Gleiter raste in derKolonne über das Land dahin. Bald kamendie ersten Raumschiffe in Sicht. Sie ragtenbis zu einigen heraufziehenden Wolken hin-auf. Bodanski entdeckte die TRAUMPA-LAST zuerst. Das Raumschiff schien größerals die anderen.

»Ich versuche es doch«, sagte Bodanski.

»Ich komme mit dir.«Am Raumhafen gab es keine Kontrollen

mehr. Die Madriagangster konzentriertensich ganz auf Kantanong. Vielleicht glaub-ten sie, daß Chapat ohnehin keine Chancehatte, eine Raumschiffpassage zu bekom-men. Aber sie irrten sich.

Als der Arkonide seinen blauen Kreiselauf dem Arbeitstisch des Besitzers derTRAUMPALAST singen ließ, leuchtetendie Augen Alfo Zharadins auf. Klein, fettund häßlich saß er in seinem Sessel undsummte mit heller Kinderstimme das LiedIschtars mit. Mit lauernden Blicken beob-achtete er Chapat, den er wegen seiner Mas-ke nicht als Arkoniden identifizieren konnte.

Chapat nahm den Kreisel auf.»Nun?« fragte er. Das Büro befand sich in

einem hastig errichteten Kunststoffbunga-low am Rande des Raumhafens. Wenigstensdreißig Männer und Frauen lungerten vordem Gebäude herum. Sie alle waren Arti-sten, die hier auf ein Engagement hofften.

»Einverstanden«, sagte Zharadin. Er zeig-te mit seiner fetten Hand auf Bodanski.»Wer ist das?«

»Er gehört zu mir.«»Ich will ihn nicht.«»Sir«, sagte Bodanski. »Ich bin ein nam-

hafter Schauspieler, der nicht hierher ge-kommen ist, um bei Ihnen zu betteln. Wennwir überhaupt miteinander verhandeln, dannnur über eine große Show.«

»Nein.«»Ich habe einen großen Namen zu verlie-

ren, Sir. Mit weniger als einer guten Rolle ineiner Show kann ich nicht zufrieden sein.«

»Nein.«»Ich kann doch nicht als Tierpfleger mit-

fliegen. Oder – sollte Ihnen zufällig einhochtalentierter Tierpsychologe fehlen?«

»Wer ist dieser Mensch?« fragte Zhara-din. »Er ist mir lästig.«

Chapat griff nach dem Arm Bodanskis.»Pierre, ich würde dir gern helfen.«

Der Terraner gähnte. Er tat, als könne ersich kaum noch auf den Beinen halten.

»Glaubst du, ich spiele in jedem Hinter-

52 H. G. Francis

treppentheater? Mann, ich doch nicht. Beidir ist das etwas anderes, du hast es nötig.Ich aber nicht. Ich werde meine Pläne nundoch verwirklichen.«

»Welche Pläne?«»Wir sprachen darüber, als wir Kantanong

hinter uns hatten«, erwiderte Bodanski, alskäme es darauf an, ein großes Geheimnis zubewahren. Chapat begriff. Der Terranerwollte sich in die Wildnis zurückziehen undein Einsiedlerleben führen, bis er sich vorder Madria sicher fühlen konnte.

Er reichte ihm die Hand.»Ich wünsche dir alles Gute, Pierre. Und

ich bin sicher, daß sich noch mancher dar-

über ärgern wird, daß er dir nicht früher diegroße Chance gegeben hat.«

»Davon bin ich auch überzeugt.«Chapat reichte ihm den Energiestrahler.»Ich brauche ihn nicht mehr, Pierre.«Der Terraner nahm die Waffe, schob sie

sich in den Gürtel und ging hinaus, ohne Al-fo Zharadin noch eines Blickes zu würdigen.Wer ihn so sah, mochte ihn wirklich füreinen großen Star halten.

ENDE

E N D E

Die Stars von Kantanong 53