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WERNER WUTSCHER Die österreichische Vealtungsrerm: Reform der Verwaltung oder Verwal- tung einer Reform? Der Beitrag beschäf tigt sicl! mit dett bisherigen Ergebtlissetl der nj1altllugsriforlll der Btm- desregie Dabei wird einerseits vor allem die Beziell/mg Biirger/Wirtschaf t IIl1d Vemd- trmg, andererseits aber al/eh alif Gnmd der Besonderheit der Jädeletl trukwr Österreichs das Verhälttlis Blwd - nder diskutiert. bl der Folge wird die Rorm i/I eille/I illtematio- nalell Konnex gesetzt lind versucht, auch weiter gehellde sllllgsallsätze anzubieten. A b- schlieetld wird ei/1f grrtlldlegellde Debatte iiber das Modell des taales rlllter deli geänderten gescllscllaf tspolifiseI,eIl RalzmellbediIIJtl/Iell eiI1gordert.

Die österreichische Verwaltungsreform: Reform der ... · WERNER WUTSCHER I DIE ÖSTERREICHISCHE IIERWALTUNGSREFORM; IIERWALTUNG EINER REFORM? vorläufige Beurteilung der Reformen

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WERNER WUTSCHER

Die österreichische Verwaltungsreform:

Reform der Verwaltung oder Verwal­

tung einer Reform?

Der Beitrag beschäftigt sicl! mit dett bisherigen Ergebtlissetl der Venj1altllugsriforlll der Btm­

desregienl/lg. Dabei wird einerseits vor allem die Beziell/mg Biirger/Wirtschaft IIl1d Vemd­

trmg, andererseits aber al/eh alif Gnmd der Besonderheit der Jäderaletl trukwr Österreichs

das Verhälttlis Blwd - Länder diskutiert. bl der Folge wird die Riform i/I eille/I illtematio­

nalell Konnex gesetzt lind versucht, auch weiter gehellde Lösllllgsallsätze anzubieten. A b­

schliejJetld wird ei/1f grrtlldlegellde Debatte iiber das Modell des taales rlllter deli geänderten

gescllscllaftspoli fiseI,eIl Ralzmellbedi IIJtl/ IlJlell ei I1gifordert.

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ÖSTERRflCHISCHfS JAHRBUCH FÜR POLITIK 2001

1. Was ist neu am Ansatz dieser Bundesregierung?

Im vorliegenden Arbeitsprogramm der VP IFP -Koalition nimmt die Verwaltungsre­form an ver. chiedenen Stellen breiten Raum ein. I Auch in der Vergangenheit hat nahezu jede Bundesregierung das Thema der "Verwaltungsreform" in das jeweilige Regierung programm aufgenommen.2 Der Veränderungsbedarf ist unbestritten und die Notwendigkeit einer Reform ist auch einer breiten Öffentlichkeit bewusst. Auch die Kommissionen und Arbeitsgruppen, die von der Bundesregierung einge­setzt wurden, steHen keine grundsätzliche Neuerung dar.

Eine Aufgabenreformkommission unter Prof. Bernhard Raschauer hat sich im Auftrag von Frau Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer inten iv mit dem Auf­gabenvolumen des Staates befasst und - systematisch vorgehend - weit reichende Vorschläge zu einer Aufgabenrevision im Rahmen eines Abschlussberichte ent­wickelt.J Im Rahmen der FinanzausgleichsverhandJung (FAG) befasste sich eine weitere Kommission nUt der Untersuchung von Einsparungen durch strukturelle Änderungen. Für die Endverhandlungen in der so genannten politi chen "Achter­Runde" wurde ein weiteres Expertengremium auf Beamtenebene4 zur rechtlichen lind technischen Prüfung und Konkretisierung der Vorschläge eingesetzt. In dieser H insicht unterscheidet sich da Vorgehen der Bundesregierung nur wenig von den vorangegangenen.

Es steHt sich daher die Frage, was das grundsätzlich Neue an den jetzigen Verwaltungsreformbestrebungen ist, um von einer wirklichen "Reform der Verwal­tung" zu sprechen, oder ob diese lediglich eine Fortsetzung der bereits seit Jahr­zehnten beobachtbaren " Verwaltung der Reform" darstellt.

Im nachfolgenden Beitrag soU auf die Dynamik und Ergebnisse der Reformbe trebungen emgegangen wen.len, um ente Rück.<.chlü��c auf diese

grundlegende Frage zu versuchen. Neben einer ersten Zwischenbilanz über das bisher Erreichte soll mit Blick auf die internationale Verwaltungspraxis eine er te

V,I. ",.besondere d,e Kapotei .Le,stungsfahoger Staat', .Start,"ng des Wortschaft.st.ndorts Osterreoc;h',

.Bundesst.ar· und .8udgetpol,r,. 2000-2003' ,m Reg,erungspro/Vamm .Osre"eoch neu "'g-eren'

(ww-ll.ILtstri,.gv.atl.

Fur eonen Übertllock vgf. U",v-Prot. MANFRIEO WflAN, He& Luft um Relormen�, GOo 5/2001. IIgI. .8enchl der AufgabentoformkommlSSJOll' (wwwbmolsgv.aI/frlmere!hrml).

4 Dem � 11"_ auf 8undesseIte GeneralseI<",tar Mag. Wemer Wutsche<. Mag. Geo<& Brandslet

!er und MR Dr Henbert GrassI an. \Ior1 Landerseore waren SM • 0 lürgen Weiss. landesamtsdorekt<lf Dr Wemer SetI, Landesamtsdotektor Dr. Retnhard Sladko und Landesamtsdorektor Dr. EduatU PesondorIer on _ Gt!mum �reter,-

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WERNER WUTSCHER I DIE ÖSTERREICHISCHE IIERWALTUNGSREFORM; IIERWALTUNG EINER REFORM?

vorläufige Beurteilung der Reformen sowie ein Ausblick auf notwendige weitere Schritte gemacht werden.

2. Eine erste Zwischenbilanz

2 . 1. Hohes Engagement der Regierungsspitze

Ein qualitativer Unter chied der h eutigen Reformbestrebungen besteht darin, dass ich die politische pitze der Regierung in einer vorher nicht gekannten Art per­

sönlich in das Projekt Verwaltungsreform involvierte. chon die Beauftragung der Beratungsfirma Arthur Andersen im Rahmen des Projektes "Impuls 0 1", in dem der Bundeskanzler, die Vizekanzlerin und der Finanzminister persönlich der Pro­jektleitung angehörten, lässt die außerordentlich hohe politische Priorität des The­mas erkennen.

Weiters war man auf politi eher Ebene bestrebt, sämtliche Ressorts der Bun­desverwaltung in das Vorhaben einzubinden. Die Schwierigkeiten der Koordination aller Ministerien, die auf ihre Ressorrverantwortung großen Wert legen und deren Homogenität intern ebenfalls beschränkt ist,5 stellen dabei einen nicht zu unter­schätzenden Faktor dar. Dennoch wurde von der R egierungs pitze Wert darauf gelegt, da s alle Res orts von den Reformen gleichermaßen betroffen sind und in den Prozess gleichzeitig eingebunden werden. Dies spiegelt sich etwa im onder­ministerrat vom 2. Oktober 2001 deutlich wider: Ein ganzer Tag wurde dem Thema Verwaltungsreform gewidmet und jeder Ressortverantwortliche präsen­tierte seine Reformvorhaben im Detail . ElIl solches" ommitment" auf höchster Ebene konnte vorher noch nie erreicht werden. Die Reformbemühungen waren bi ... her AngelegenheIt eines elg nen MlIllstenums - \11 den Jahren 1987 bIs 1994 das Bunde m\l1isterium rur Förderalismus und Verwaltun�reform - oder Spe­zialthema ell1zelner Mini ter.

Das hohe Engagement der Regierungsspitze wird auch durch die hochran­gige Zusammensetzung der so genannten "Achter-Gruppe" dokumentiert, die ihre

5 Im �ensatz ZU den Ämtern der Laodesve""altut1gen. denen rrut dem Landesamtsd"" 101""" beamtete

Spitze rrut W""""gsdurChgriff vorsteht, sind d,e BOJIldesmmlStenen In SeI<tlOnen gegliedert. die glelChrangtg ihrem

Resso<lchf!f gegenuoerstehen. Zur KoordinatoOnsfunkl"'" der Prbid,alsek\JOnen bzw Bums des 8tJndesmt/IJSterS

SIehe HOLlINGER 2001. S 115 ff.

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ÖSTE�REICHISCHES JAHRBUCH FÜ� POLITIK 2001

Arbeit im Frühjahr 200 1 aufnahm. Diese Achter-Gruppe war auf Bundesseite von Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer, Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser, Bundesminister Mag. Wilhe1m Molterer und Staatssekretär Dr. Alfred Finz besetzt . Die Einbindung der Länder erfolgt durch Einbeziehung des Vorsitzenden der Landeshauptleute-Konferenz, Landeshauptmann Dr. Jörg Haider bzw. Landes­hauptmann DipI . - Ing. Dr. Erwin Pröll, Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer und Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber sowie des Vizebürgermeisters der Stadt Wien , Dr. Sepp Rieder, in die Verhandlungen.

In diese politischen Verhandlungen wurden sowohl die Vor ch läge der Auf­gabenreformkommission als auch die Vorarbeiten der FAG-Begleitkommission auf­genommen. Die dort behandelte Themenpalette repräsentiert somit die Klammer über alle laufenden Reformvorhaben und bestimmte die Dynamik der Verhandlun­gen maßgeblich.

Die Verankerung der Verwaltungsreform auf höchster politischer Ebene trug auch wesentlich dazu bei, dass das sperrige Thema Verwaltungsreform ab Mitte 2000 erstmals breiten Einzug in die Medien und die öffentliche Diskussion schaffte. Eine Archivsuche bei den Tageszeitungen Presse und Kurier zeigt etwa, dass die Anzahl der zum Thema "Verwaltungsreform" erschienenen Artikel von insgesamt 90 in den drei Jahren 1997 bis 1999 auf über 1 05 allein im Jahr 2000 und bereits 245 in der ersten Jahreshälfte 2001 anstieg.

2 . 2 . Ein ganzheitlicher Ansatz der Verwaltungsreform

Doch nicht nur in den Medien, sondern vor allem auf der Ebene der Verwaltungs­praxIs fanden dIese Imtlatlven der pohtlschen luhrung III der folge ihrcn Nieder·

chlag. Im Rahmen eines breit angelegten Reformdialogs der Bundesregierung wurde am 29 . Oktober 2001 C1I1 umfassender Bericht über den aktuellen Stand und die bi herigen Ergebnisse der Verwaltung�reform vorgestellt. 1m Zentrum stand dabei das am 23. Oktober 2001 durch die Landeshauptleute-Konferenz angenom­mene Gesamtpaket zur Verwaltungsreform, das zweifellos den bisher am weitesten reichenden Reformschritt 1ll der österreichischen Verwaltungsgeschichte darstellt.

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W E R N E R WUTS C H E R I D I E Ö S T E R R E I C H I S C H E V E R W A LT U N G S R E F O R M : V E R WALT U N G EIN E R R E F O R M ?

Vergleicht man dieses Gesamtpaket mit den letzten größeren, über Einzel­vorhaben hinausgehenden Verwaltungsreformansätzen der Vergangenheit," fallt vor allem ein substanzieller Unterschied auf: Die gegenwärtige Reformbewegung zeichnet sich erstmalig durch eine Verknüpfung von stark privatwirtschaftLich beeinflusster Binnenreform - v. a. Einführung neuer Managementinstrumente, strukturelle Reformen, Neuregelung der Abläufe, IT-Einsatz - und grundlegenden Änderungen hinsichtlich der Rolle der Verwaltung im staatlichen System 7 aus (vgl . Abb. 1 ) . Die Reformen wirken sich nicht nur auf die Staatsbedien teten selbst sowie die politische Führung aus, sondern betreffen vor allem das Verhältnis zwi­schen der Verwaltung und den Bürgern sowie der Wirtschaft als deren zentrale Adressaten. Internationale Erfahrungen mit erfolgreichen zentralstaatlichen Verwal­tungsreformen zeigen deutlich, dass ein solcher gesamtheitlicher An atz rur eine

Abbildung 1: Kernelemente der ös terreichis chen Verwaltungs reform

G e s a m thelt l i c her A n s a tz

externe Strukturreformen:

• Aufgabenreform

• Mehrebenenmanagement Bund/Länder

• Deregulierungsmaßnahmen

• Bürgemähe (One-Stop-Shop)

• E-Government-MaBnahmen

Bürger Wirtschaft

BInnenreformen:

• Strukturreformen

• neue Management- und Steuerungs­

Instrumente

• Personalmanagement-Reformen

• Einsatz moderner Informations- und

Kommunikationstechnologien

Politik Staatsbedienstete

6 Etwa das Perc;NoIdsdorler Paklum 1992, das VerwatlUf1gsmanageme", PrO)et<1 Anfang Oer 199a..r )abre

oder das VIP-Projekl Ende der 1990er )ah,,,.

7 In der Literat'" l1mI N .... Publ,e Management w.d O;esbezllgflCh '10m Bereocl1 der ."'Iernen Stru1<turrelOf-

""",' gesprotl1en. Vgl. z B. BUDÄUS 1998

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Ö S T E R R E IC H I S C HES J A H R B U C H F Ü R PO L I T I K 2001

grundlegende Neuausrichtung und Modernisierung von taat und Verwaltung von entscheidender Bedeutung ist.8

Voifra<<re�1 und Grellzell der Reform

Zwei Vorfragen haben die Verhandlungen und ihre Spielräume determiniert: zum einen die im FAG-Paktum 200 1 vereinbarte Verpflichtung der Länder, Beiträge zur Verwaltungsreform im Ausmaß von zuminde t 3,5 Milliarden Schilling (ca. 250 Millionen Euro) zu leisten (die in der Folge deutlich überschritten wurden), zum anderen das Fehlen einer Verfassungsmehrheit im Parlament. In Gesprächen mit der Opposition auf hoher politischer Ebene konnte keine Zustimmung erreicht wer­den. Die Reformen mussten sich daher auf Maßnahmen ohne Notwendigkeit ver­fassungsmäßiger Änderungen beschränken.

Trotz dieser Einschränkungen sieht das Gesamtpaket Einsparungen in der Höhe von über 1 .500 Millionen Euro vor, die insbe ondere durch Reformen im Personalbereich sowie vieltaItige strukturelle Reformen erzielt werden sollen (vgl. Abb. 2). Es fällt dabei auf, da s diese Einsparungen zum größten Teil auf Bundesebene realisiert werden . Gerade durch diese weitgehenden Maßnahmen im Bundesbereich war auch mehr Bewegung im Bund-Länder-Bereich (FAG-Paktum) möglich.

Abbildung 2: Gesamtüberblick Einsparungen gemäß dem Ergebnis der Achter-Runde

Verwaltungsreformgesetz 2001 (Bund)

Deregullerungspakel (Länder)

Bund/Länder-Projekte

strukturelle Bundesmaßnahmen (Bund)

Reformen im Personalbereich (Bund)

Impuls-Ol-Projekle (Bund)

I Buchhaltungsreform (Bund)

25.4 Mlo. Euro

50.6 Mlo. [uro

50.2 Mlo. Euro .FAG·Paktum"

136.6 Mio. Euro

1.090.1 Mlo. Euro

152.6 Mio. Euro

36.3 Mio. Euro

1.541,8 Mlo. Euro

Vgl. l S. NASCHOLD / IIINN / RE/CHARD 1999

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W E R N E R WUTSC H E R I D I E ÖSTE R R E I C H I S C H E V E R WALTU N G S R E F O R M : V E RWALTUNG E I N E R R E FO R M ?

Im Folgenden sollen die wesentlichsten Elemente die es Verwaltungsre­form-Gesamtpaketes kurz beschrieben und einer ersten Bewertung unterzogen werden . Ausgangspunkt ind dabei nicht die gängigen Strukturieru ngsmodelle, son­dern ein systemtheoretischer Ansatz (vgl. z. B. Oberndorfer 200 1 ) von der Bezie­hung des Verwaltungssystems zu den betroffenen Rechtssubjekten.

2.3. Das Verhältnis zwischen Bürger/Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung

Als zentrale Anspruchsgruppen gegenüber dem Staat bzw. der öffentlichen Verwal­tung können die Bürger (Klienten) sowie die Wirtschaft gesehen werden (Obern­dorfer 2001, 30 f.). Wo wurde nun im vorliegenden Verwaltungsreformpaket diesen Bürger- und Wirtschafrsinteressen verstärkt Rechnung getragen? Zuerst ist hier auf die zwei wichtigsten, bis zum jetzigen Zeitpunkt abgeschlossenen Meilensteine der Verwaltungsreform zu verweisen: auf das am 21. November 2001 vom Nationalrat beschlossene Verwaltungsreformgesetz 2001 sowie auf das am gleichen Tag beschlossene Deregulierungsgesetz 2001 .

2.3.1. Raschere VeifahrellSabwickhmg

Mit dem Verwaltungsreformge etz 2001 wurde in 26 Bundesge etzen die Bezirks­hauptmannschaft (BH) zur primär zuständigen Verwaltungsbehörde. Bisher waren erstinstanzliche Zuständigkeiten auf unter chiedliche Behörden vom Landeshaupt­mann (LH) bis zum Bundesminister (BM)'! verteilt. Das heißt, dass Bürger bzw. Unternehmen bei der Bewilligung von Verfahren unterschiedlichen Ansprechpart­nern auf den unterschiedlichen Ebenen der Verwaltung gegenüberstanden. Durch das neue Ge etz Ist nunmehr sichergestellt, dass grundsätzlich die BH die primäre AnlaufsteIle ist. Die BHs werden zu den primär zuständigen Verwaltungsbehörden und als erste Anlauf teile rür behördliche Verfahren aufgewertet. Man setzte dabei auf ein bereit bewährte Modell der Verwaltungspraxis. Der Vorschlag von eiten der PÖ,lIl der in diesem Zusammenhang eingebracht wurde, die Gemeinden zur

WI� kunos die erst,nstanzlichen Zustand'gk�ltef'l vert�lt Sind. lasst Steh Im T.ers�ge�ll dokUlT\@r'l()e-o ren: Grundsatltoch war schon bISher d,e BH ersbnstaozlocn zustand'i. Bei speZIellen Kranktw.,'.n. "",e l. B der PIer·

deIo.rankhelt RoU . .... r 0,. lotungsano<onu"g aIlefO"", auf 0" Gebietsl<O<pofschaften BH.lH und SM aufge\ellt

0.. ursaetw. da'ur la, ,n oer "'Slonsellen Notweno", .. t. bei M,�larp'eroen spenene Regelungen \IO(l\jsehen.

10 Z. B <IoeWot1rneldtll&""" NR·�1A!n Dr PeUJrW,nmamnässl<:hdes�"" 29 01<_ 2001

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Ö S T E R R E I C H I SC H E S J A H R B U C H F Ü R P O L I TIK 2001

zentralen Verwaltungsbehörde auszubauen, ist zwar aus der bisherigen Haltung der SPÖ in der Frage der Demokratisierung der BHs kon kludent, hätte aber zu großen Umstellungsproblemen geftihrt, da die Gemeinden nicht mit den nötigen Ressour­cen ausgestattet sind.

Weiters haben in H i nkunft die Bezirksverwaltungsbehörden bei Vorhaben, fLir die mehrere Bewilligungen notwendig sind (z. B. die Genehmigung einer Tank­stelle) , in einem Bescheid zu entscheiden ("One-Stop- Shop"-Prinzip) . Nur in Aus­nahmefällen können getrennte Bescheide erlassen werden.

Für Bürger und Wirtschaft bringt dies den Vorteil, dass sie einerseit bei einer zentralen Stelle ihr Vorhaben einbringen und verhandeln können und andererseits lediglich ein Bescheid über ihr Vorbringen erlassen wird. Durch die BH-Struktur ist sichergestellt, dass der Zugang zur Behörde keine weiten Wege verlangt, wie z . B. in die Landeshauptstadt oder eventuell sogar zu einem Ministerium in Wien.

Ein weiterer wesentlicher Ansatzpunkt zur verstärkten Bürgerorientierung ist der Instanzenzug. Dessen Verkürzung durch die Einführung einer zentralen Beru­fungsinstanz - des Unabhällgigen Verw·altungssenats (UV S) - und die damit verbundene Abschaffung teilweise dreigliedriger Imtanzenzüge von der BH über den LH bis zum BM fuhren zu einer massiven Verkürzung der Verfahrensdauer. Die Einführung des UVS als Berufungsinstanz bringt fur den Bürger erhöhten Rechts chutz, da der UVS auch den Erfordernissen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) für ein unabhängiges Tribunal genügt. Auch die jetzt gefundene Ausge taltung der grundsätz­lich meritorischen Entscheidungsbefugnis des UV S, d. h. dass dieser grundsätzlich in der ache selbst entscheiden kann, wird zurVerfahrensbeschleunigung fuhren.

Die Länder sind nun gefordert, die in den Verhandlungen gemachten Zusa­gen zur bnfiihrung des Modells tlH als erste Instanz und UVS ab UerurulIg�lll�tatll über die im Verwaltungsreformgesetz geregelten Bundesmaterien hinau für die Ländermatenen umzusetzen. Nur wenn eine Konzentration aller Verfahren, unab­hängig ob Bundes- oder Landesgesetz, bei der er ten I nstanz erfolgt, kann von einer umfassenden Realisierung des "One- top-Shop"-Prinzips gesprochen werden .

Im Verwaltungsreformgesetz wurden auch die Möglichkeiten von E-Go­vernment zur Vereinfachung der Kommunikation zwischen Bürger bzw. Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung berücksichtigt. Es wurden die Voraussetzungen geschaffen , künftig einen Akt ausschließlich in elektronischer Form zu fuhren. Dies beinhaltet IJll Endausbau auch die MöglIchkeit rur die Parteien, Akteneinsicht via Internet zu nehmen .

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W E R N E R W U T S C H E R I D I E Ö ST E R R E I C HI S C H E V E R WA L T U N G S R EFORM: V E R WALTUNG E I N E R R EFORM?

2.3.2. Aujllebtmg VOll Gesetzen

Der vielfach gestellten Forderung nach Reduktion der ständig steigenden Nor­menOut kommt die Aufhebung dreier Gesetze im Rahmen des Verwaltungsreform­gesetzes 200 1 nach : des Rattengesetzes, des Bazillenausscheidergesetzes sowie des Bundesgesetzes über natürliche Heilvorkommen und Kurorte.

Die Aufhebung dieser Gesetze bedeutet allerdings nicht, dass sich die Verwal­tung dieser Aufgaben gänzlich entledigt. Vielmehr konnte bei der Durcharbeitung der entsprechenden Materien festgestellt werden, dass Parallelitäten zu anderen Normen bestehen. So können die Aufgaben des Rattengesetzesll durchaus durch ortspolizeili­che Verordnungen der Kommunen geregelt werden. Für das Bazillenausscheidergesetz wurde wiederum vom Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen festgehalten, dass es fachlich massiv überholt ist und die gewünschte Prävention im Bereich der Lebensmittelhygiene durch geltende EU-rechtliche Vorschriften sicher­gestellt ist.

Die öffentliche Diskussion hat auch eindrücklich gezeigt, wie kontroversiell die Aufhebung selbst so scheinbar überholter Gesetze wie des Rattengesetzes sind. Die Aufhebung von nur drei Bundesgesetzen lässt erkennen, WIe schwierig die Dis­kussion um dieses I nstrument der Rechtsbereinigung ist, andererseits unterstreicht sie aber auch den enormen Handlungsbedarf, der in diesem Bereich gegeben ist . 12

I n diesem Zusammenhang könnte die Einsetzung eines eigenständigen Pro­zesses angedacht werden, der bei den jährlichen Legislativvorhaben der Ressorts auch die Prüfung der Aufhebung von Gesetzen vorsieht. Die Parlamentarier sollten ein neues Gesetz nicht automatisch als Erfolg ihrer politischen Tätigkeit sehen, sondern genauso auch die Aufhebung überholter Gesetze. Dazu könnten periodi­sche Vollzugsbenchte Im Parlament dienen, dJe im Detail von den Parlamentariern diskutiert werden sollten . Allfällige NovelIierungen sollten nur im Rahmen dieser

11 Im Rahmen der Debatle um d.e Aufhebung d.eses Gesetzes kam es zu Inte"",ntJonen ..., hOchranglgen

W,rtschaftsvertretem �I Par1amentanem. Vgl. d,e Sallburger NaChrIChten vom 24. N"""m�r 2001.

12 In einem Beitrag der Neuen lurcher Zeitung vom 1. Februar 2001 zur östM"etChlschen Verwaltungsreform

wurde etwa eine U'l Österreich beobachtbare .Gesetzessucht mit Methode- knttsaert. Es wurden Gesetze 10 einem

Ausmaß prodUZiert. das eine .legtslatove Umwell\<erschmutzung· nach s.ch gelogen hat und zu mangelnder Ou ... Ittat auf Grund der Ü�rprodukt"'" fuhrt. OIe. sei .. ner Demokrat.e unwurd'g und ver1ethe der BU'okrahe eine

l,1acht. d", ihr rucht Z\lstunde. l,1odeme Gesetze mussten Rahmen�,ngungen regeln. flICht mogllChst "",Ie Einzel­

f�.

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ÖSTERREICHISCHES JAHRBUCH FÜR POLITIK 2001

Debatten vorgenommen werden . Dies könnte die AnJassgesetzgebung verringern und zur qualifizierten Auseinandersetzung mit dem Vollzug fUhren.

Neben der Frage nach der Notwendigkeit geplanter legistischer Vorhaben sollte auch überlegt werden, ob eine zeitliche Begrenzung der Regelungen im Sinne einer "sunset legisJation" anzustreben ist. Darunter werden Gesetze verstan­den, die bereits ein fixe Datum fUr das Außerkrafttreten beinhalten und damit zeit­lich beschränkt sind, im Bedarfsfall allerdings verlängert werden können . 1J

2.3.3. Sonstige Deregulienmgsmaßnahmen

Das Thema Regulierungsflut und der steigende Anstieg regulierungsbedingter Kosten - v. a. rur die Wirtschaft - nimmt in der internationalen Verwaltungsreform­disku sion eine wichtige Stellung ein. Auch hier wurden in Österreich bereits erste Schritte gesetzt.

Das Deregulierungsgesetz 200 1 1 4 enthält einen generellen Deregulierungs­auftrag und regt an, im Rahmen des Entstehungsprozesses eines Gesetzes eine Gesetzesfolgenabschätzung vorzunehmen. Es ist dies eine Konkretisierung der bereits bestehenden Verpflichtung der Verwaltung, die Folgekosten neuer Rechts­normen zu quantifizieren .

tärktmg der EigoliibenvaclHmg

Ein we entlicher chritt in Richtung Deregulierung ist auch die Festiegung, dass in Zukunft verstärkt auf die Eigenüberwachung der Unternehmen gesetzt und die behördliche Kontrolle reduziert werden soll. Für den �emiblen Bereich des Eisen­bahn- und de Rohrleitungsgesetzes wurde im Rahmen des Deregulierungsgesetzes 2001 die Eigenüberwachung der Unternehmen anstatt der b. hengen penoJbl.hcn behördlichen Überwachung ausgebaut. Der Unternehmer ist in Hinkunft ver­pflichtet, durch behördlich akkreditierte achverständige eine periodische Über­prüfung der Ei enbahn bzw. der Anlage selbst vorzunehmen. Die Behörde fuhrt nur

13 In Ö,'erre"'h wurde etwa Im rane der FIe .. kl.u .... om Rahmen des Bundeshaush.ttsgeselle. (BHG) davon Gebrauch aemacht 14 0 •• Dtreguherungsaesell 2001 wurde nocht Im R.hmen der lander·Bund-Verh.ndlungen er.rbe,tet. soodern Im Rahmen der pariamentarlSChen 8ehandl\Jng des Verwa1tungsrtformgesetzes Im NattOn,lrat erstellt.

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WERNER WUTSCHER I OIE ÖSTERREICHISCHE VERWALTUNGSREFORM: VERWAlTUNG EINER REFORM?

mehr eine Art Überkontrolle durch . Für Eisenbahninfrastrukturunternehmen wer­den für diesen Zweck Staatskommissäre eingesetzt.

Für die Bewilligung von Infrastrukturprojekten 1m Rahmen des Umwelt­verträglichkeitsprüfungsgesetzes wurde eine Frist zur Erteilung der Genehmigung von maximal zwölf Monaten verankert.

AI/slagerrmg VOll A lifgabell all elbstvenl1altllllgsträger

Durch das Verwaltungsreformgesetz werden Entscheidungsbefugnisse, die bisher in erster I nstanz von Behörden getroffen wurden, an Selbstverwaltungskörper über­tragen. So ist gemäß dem neuen Ärztegesetz künftig bei der Bewilligung der Berufsausübung fur im Ausland ausgebildete Ärzte in erster Instanz die Öster­reichische Ärztekammer zuständig. Auch im Bereich des Hebammengesetzes und des Apothekengesetzes wurden in ähnlicher Weise Aufgaben an die jeweiligen Selbstverwaltungskörper übertragen. Teilweise wurden auch Bewilligungspflichten in reine Anmeldeverfahren geändert.15 In diesen Bereichen hat sich die Behörde von der ersten Instanz völlig zurückgezogen . Der Bürger kann dadurch ein rasche­res Verfahren erwarten, da der nötige Sachverstand in den jeweiligen Selbstverwal­tungskörpern jedenfalls vorhanden ist und auch eine allfällige Überlastung, die im Bereich der Behördenverfahren gegeben sein kann, nicht auftritt.

Durch den In tanzenzug zu den UVS ist auch das Rechtsschutzinteresse des Bürgers gewahrt.

Weitere Deregu/ienmgsmaßllGhmell

In den Verhandlungen der "Achter-Gruppe" wurde auch vereinbart, dass in 30 ßundesge etzen Im Laufe des Jahres 2002 weitere Dereguherungsmaßnahmen vor­genommen werden . Ziel i t es, behördliches Tätigwerden massiv zu reduzieren, die Eigenverantwortung des Bürgers bzw. der Wirtschaft zu stärken und gleichzeitig die rechtsstaatliche Kontrolle zu wahren.

In einem ersten Schritt ist sicher zu fragen, ob die Regelung per se notwen­dig ist. Dies ist eine hochpolitische Frage und kann nicht von der Verwaltung, son-

15 'm MedLZltlIsch-lechrnschel')-Otenst-Ge:setl musste etwa brs dato zur heiberuflIchen 8erutsausübuog ein

BewIIt.&ungsverl.hr�n "'" �m LH erlolVn. In Hon'unft Isl e",� Meldepffichlan d •• BH mol .. ner Unlersagung ..

moglichkeot "",vsehen.

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Ö S T E R R E IC H I S C H E S JAH R BUCH F Ü R POL I T I K 2001

dem nur von der Politik beantwortet werden. In einem zweiten Schritt wird die Frage zu steUen sein, ob die Aufgabe nicht auch über andere I nstrumente als über Verwaltungshandeln sichergestellt werden kann. Jedenfalls besteht das explizite Ziel, die Intensität administrativer Vollzugsaufgaben zu reduzieren.

Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es eine Vielzahl von I nstrumenten: Bereits in der Wasserrechtsgesetz (WRG)-Novelle 1 997 wurde in einer Vielzahl von Tatbe­ständen die M öglichkeit eingeräumt, anstelle von aufwändigen Bewilligungsverfah­ren eine Anzeigepflicht zu statuieren. Nur in sensiblen, gesetzlich vorgesehenen Fällen kann die Behörde ein Verfahren einleiten. 16

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass die Behörde private Institutionen oder Personen akkreditiert bzw. zertifiziert, um gesetzlich vorgesehene Kontrollen durchzuftihren.17 Dies erfolgt meist in Kombination mit verstärkter E igenkontrolle des Anlagenbetreibers.

Bereits während der Verwaltungsreformverhandlungen sind beispielsweise zwei Ressortentwürfe des Bundesrninisteriurns fur Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur Umsetzung der vereinbarten Deregulierungen in Begutach­tung gegangen und mittlerweile auch bereits im Parlament beschlossen: eine Novelle zum Forstgesetz und eine Novelle zum Abfallwirtschaftsgesetz. Ohne der parlamenta­rischen Behandlung im Nationalrat vorgreifen zu wollen, beinhaltet das Forstgesetz neben der Stärkung der nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder auch die Halbie­rung der behördlichen Verfahren in wesentlichen Teilbereichen. Novellen der Gewer­beordnung, des Führerscheingesetzes, des Luftfahrtgesetzes sowie weitert'r Materien­gesetze werden folgen .

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sowohl der Bürger wie auch die Wirtschaft zukünftig von einer deuthch reduzierten Verwa!mng - sowohl aufga­ben- als auch personenmäßig - auszugehen haben. Damit ist aber grundsätzlich auch ein neues Verständnis des Staates gefordert: Leitbild für die Zukunft ist nicht der bisherige Bevormundungsstaat, der jede Verantwortung abnimmt und die ent­sprechenden Leistungen selbst erbringt, sondern ein aktivierender Staat bzw. eine Verwaltung, welche die geeigneten Rahmenbedingungen für den m ündigen und selbstverantwortlichen Bürger sicherstellen.

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16 VergleIche §§ 11� und 115 ,n der FaSSlJng der WRG-Novelle 1997. 8GBI. I Nr. 74/1997.

17 Der BlIck In dIe Pnvatwlrtschaft. onsbesondere den BereIch der KapItalgesellschaften. wo Wirtschaftsprüfer

die einschlägigen gesetzltchen Bestim mungen kontrollieren. dokumentiert dIe PraktIkabilität solcher Modelle.

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W E R N E R W U T S C H E R I DIE Ö ST E R R E I C H I S C H E V E R W A LTUNG S R E F O R M: VE RWALT U N G E I N E R R E FO R M ?

2.4. Das Verhältnis zwischen Bund und Ländern

Ziel der Bundesregierung war es, die Verwaltungsreform in einem möglichst brei­ten Rahmen zu diskutieren. Die Einbindung von vier Spitzenrepräsentanten der Länder in die Verhandlungen war ein wichtiges Signal, dass eine gelungene Verwal­tungsreform in Österreich nur mit den betroffenen Gebietskörperschaften erfolgen kann. Auch mit dem Städte- und Gemeindebund und der Opposition wurden periodi ch Gespräche auf höchster Ebene gefuhrt.18 Knüpft man an historische Meilensteine der Bund-Länder-Verhandlungen an, so sind heute im Gegensatz zum nie umgesetzten "Paktum von Perchtoldsd&f" aus dem Jahr 1992 - dieses sah als Schwerpunkt die Abschaffung der mittelbaren Bundesverwaltung vor - geän­derte zentrale Rahmenbedingungen festzustellen.

Zum einen fehlt die verfassungsmäßige Zwei-Drittel-Mehrheit, um allfällige Kompetenzverschiebungen zwischen den Gebietskörperschaften oder die Abschaf­fung der mittelbaren Bundesverwaltung im Parlament zu beschließen.

Zum anderen hat sich durch den EU-Beitritt eine Reform der Aufgaben­verteilung als unumgänglich erwiesen. Durch den Beitritt zur EU besteht heute

die Notwendigkeit einer klaren Bundesländer-übergreifenden Wahrnehmung von Aufgaben in Brüssel zur Vertretung österreichischer Interessen. Gleichzeitig ist es erforderlich, im Sinne der Subsidiarität die Aufgaben dort wahrzunehmen, wo sie bestmöglich und damit auch möglichst bürgernah erbracht werden können.

Das Verwaltungsreformgesetz 2001 zielt darauf ab, die nun schon seit Jahr­zehnten geftihrte Diskussion um die Abschaffung der mittelbaren Bundesverwaltung und des Rückzuges des Bundes auf die reine Gesetzgebung einem pragmatischen einfachgesetzlichen Lösungsansatz zuzuführen. Durch die treichung von I nstanzen­zügen zum BM und die Einnchtung von UV zur zentralen Berufungsinstanz wurde die Vollzugskompetenz der Länder massiv gestärkt und auch im inne der

u bsidiarität eine bürgernähere Entscheidungsstruktur eingerichtet. Mit diesem chritt verzichtet der Bund maßgeblich auf seine Vollzugskom­

petenz. Durch die Führung des I nstanzenzuges zum Bundesministerium war in

( der Vergangenheit ein hohes Maß an Aufsichtsmöglichkeit verbunden. Die sach­l ich zuständige Oberbehörde in Wien hat durch die laufenden Berufung verfah-

18 DIe Gespräche wurden In der Reget \100 Frau Vllekanzterln Or. Susanne R>esH'asser geruM

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Ö ST E R R E I C H I S C H E S J A H R B U C H F Ü R P O L I TIK 2001

ren Wissen über den Vollzug in ganz Österreich gewonnen und war dadurch auch in der Lage, allfällige Korrekturen vorzuneltmen. Insbesondere mit dem Wegfall der Amtsbeschwerde in einer Vielzahl von Bundesgesetzen wurde auf ein weiteres Element der Bundesaufsicht verzichtet. Wie sich dieser Schritt in der Verwal­tungspraxis auswirken wird - insbesondere auch vor dem Hintergrund der Wah­rung der Rechtmäßigkeit der Verwaltung - kann nur die Zukunft zeigen. [n

jedem Fal l wurde damit einer langjährigen Forderung der Länder Rechnung getragen.

Als Aufsichtsrecht verbleiben dem BM die Instrumente der mittelbaren Bundesverwaltung, wie z. B. das Weisungsrecht nach Art. 20 B-VG oder die Akten­

vorlage. Zur Wahrung eines einheitlichen Vollzugs in Österreich wird von diesem I nstrument in Hinkunft wohl öfters Gebrauch gemacht werden.

Für den zuständigen DM sind diese I nstrumente deshalb wichtig, da er bis zu einer aBfälligen Abschaffung der mittelbaren Bundesverwaltung politisch voB fur die jeweilige Fachmaterie zuständig bleibt. Bei der jährlichen Debatte zu Bundes­

gesetzen im Parlament wird sich der BM, wie schon in der Vergangenheit, nicht auf die Vollzugskompetenz der Länder ausreden können und daher dem National­oder Bundesrat Rede und Antwort stehen müssen. Diese politische Verantwortung

wurde durch ein Urteil des Obersten Gerichtshofs zur Fischerdeponie noch um die rechtliche Haftung erweitert. Darin wurde festge tellt, dass der Bund auch fur die Auswahl des LHs als mittelbares Bundesorgan haftet, wenn sich dieser unfähiger Beamter fur die Erfullung der Bundesaufgaben bedient.

Effiziet/tes Datellmalla,�emetlt versus KOl/trolle

Auf Grund die er Rechtslage Ist Im Verwaltungsreformgesetz 2001 auch eIn eIge­

nes Bundesberichtspflichtengesetz vorgesehen. Darin wird der LH als mittelbares Bundesorgan verpflichtet, Daten, die er im Rahmen der Genehmigung von Anla­gen gewinnt, auch fur den BM vorzuhalten. Grundgedanke ist es, hier ein gemein­sames Datenmanagement von Bund und Ländern zu realisieren, das eine effiziente gemeinschaftliche Nutzung der Daten ermöglicht. Diese Daten sollen einerseits die Grundlage fur die strategische Planung des Bundes zur Wahrnehmung seiner gesamtstaatlichen Aufgaben bilden und andererseits auch die Erfullung der Berichtspflichten gegenüber der EU garantieren. Letztgenannte Verpflichtung ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen und nur mit ständig steigendem Perso­nal- und Finanzaufwand aller Gebietskörperschaften bewältigbar gewesen.

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W�RN�R WUTSCH�R I DI� ÖSTERR�ICHISCH� V�RW"lTUNGSREfORM: VERWALTUNG EINER REfORM?

Die Länder sind bei der Umsetzung des Verwaltungsreformgesetzes 2001 mehrfach gefordert. Einerseits sind die BHs und UVS mit dem notwendigen Per­sonal auszustatten. Dies müsste durch Umschichtungen aus dem Sachver tändigen­stand der Ämter der Lande regierungen möglich sein. Andererseit wird durch die Einr ichtung des UVS als zentrale Berufungsinstanz eine Angelegenheit der mittel­baren Bundesverwaltung neu geregelt und damit kann dieses Bundesgesetz nach Art. 129a Abs. 2 B-VG nur mit Zustimmung aller neun Bundesländer kundge­macht werden. Die Umsetzung der Verwaltungsreform liegt daher wesentlich in den Händen der Länder.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass bis zu einer abschließenden Neu­verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern der jetzt erzielte Kom­promiss ein Maximum unter den gegebenen rechtlichen Rahmenbedingungen darstellt.

2 .5. Die Binnenreform der Verwaltung

Ein weiterer zentraler Pfeiler im Rahmen des Verwaltungsreform-Gesamtpaketes ist die Reform der Kernverwaltung selbst. Die im Rahmen des Reformdialoges im Oktober 200 1 vorge teilte Menge von fa t 200 Einzelprojekten in sämtlichen Res­sorts sowie die Vielzahl ressortübergreifender Projekte unterstreicht die Intensität der gegenwärtigen Reformdynamik eindrücklich .

Die vielfach gerade mitten in der Umsetzungsphase stehenden Projekte erstrecken sich auf nahezu sämtliche Bereiche der Binnenreform wie etwa struktu­relle Verbesserungen, Ablaufvereinfachungen, neue Management- und teuerungs­in trumente, E1I1satz neuer lnformauons- und Kommunikation technologien oder Verbe serungen im Personalmanagement und stellen somit einen ganzheitlichen Reformansatz dar.

Von be onderer Bedeutung ind grundlegende trukturelle Reformen in für den Bürger zentralen Bereichen der Bundesverwaltung wie etwa der chul-, Ju tiz-, Polizei- und Finanzverwaltung. Erstmalig sind auch umfassende struktu­relle Veränderungen für die Zentral teilen der Ministerien vorgesehen. So ist für das Jahr 2002 eine Reduktion um insge amt 17 ektionen, 52 Gruppen, 147 Abteilungen und 187 Referate sowie die Realisierung von weitgehenden struktu­rellen ynergien bei den Prä idiallei tungen, insbesondere der Buchhaltung, vor­gesehen.

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Ö S T E R R E I C H I S C H E S J A H R BU C H FÜR P O L I T I K 2001

Parallel zu diesen strukturellen R eformen sind vielfältige Maßnahmen zur Vereinfachung und Bescl-Jeunigung verwaltungsinterner Abläufe geplant.

Ein zentrales Augenmerk liegt ähnlich wie bei ausländischen Reformen auf der Etablierung einer neuen Steuerungslogik in der Verwaltung. Die österreichi­

sche Verwaltung ist traditionell von einer stark legalistischen Rechtskultur geprägt. Der in diesem Zusammenhang oft erhobene Vorwurf ist, dass die Verwaltung zu stark prozess- und zu wenig ergebnisorientiert sei. Ein grundlegend neues Steue­rungsverständnis ist daher gefordert. Die Einführung neuer Steuerungsinstru­mente soll den Weg zu einer output- bzw. leistungsorientierten Steuerung - im Gegensatz zur traditionell inputorientierten und regelorientierten Steuerung -

vorantreiben . In diesem Sinn sind konkrete ressortübergreifende Proj ekte zur Einführung

eines Controllings, einer Kostenleistungsrechnung, von Leistungskennzahlen und SAP in simtlichen Ressorts vorgesehen und bereits entsprechend verankert.

Eine wichtige Rolle nimmt gegenwärtig auch der Einsatz neuer I nforma­tions- und Kommunikationstechnologien im Rahmen von E-Government ein. Ent­sprechende Projekte forcieren die Automatisierung und Vereinfachung verwaltungs­interner Abläufe (v. a. durch die flächendeckende Umsetzung des elektronischen Aktes und die Umstellung der Haushaltsverrech nung und des Personalmanagements auf SAP), den Ausbau von Online-Diensten für Bürger und Wirtschaft (z. B. help.gv, Strafregisterauszug, virtueller Marktplatz) sowie die Einführung der Bürgerkarte und der elektronischen Signatur.

Wichtige Änderungen fi nden auch im Bereich der Personalwirtschaft des Bundes statt. Neben einem ambItionierten Programm der Personalreduktion mit unterstützenden M aßnahmen, etwa dIe IIn Oktober vom Mll1Isterrat beschJossenen Sozialplanregelungen für Bundesbedienstete. sind ver chiedenste Maßnahmen zur Modernisierung de Personalmanagements vorgesehen.

Zu Jahresende 1 999 beschäftigte der Bund noch 1 69.7 1 7 Beamte und Ver­tragsbedienstete (VolJbeschäftigungsbasis) . Am 1 . September 200 1 waren es 7 .757 weniger. Damit ist der Plan, bis Ende 2003 den Personalstand um 1 5 .000 zu sen­ken, ein Quartal vor der Halbzeit zu 5 1 ,7 Prozent erfüllt.

Es sind somit Ansätze einer umfassenden Reform des Binnenbereichs der österreichischen Bundesverwaltung erkennbar. Es handelt sich allerdings vielfach

noch um Einzelprojekte, die zu wenig aneinander gekoppelt sind. Es empfiehlt sich die Entwicklung eines integrativen Gesamtkonzeptes mit klaren Prinzipien in

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W E R N E R W U T S C H E R I D I E Ö ST E R R E I C H I S C H E VE R WALTU N G S R E F O R M : V E RWALTUNG E I N E R R E F O R M ?

Anlehnung an die Konzepte des New Public Management. ie können als strategi­scher Leitfaden für eine konsequente U msetzung dienen. 1 9

HerausfordenmgJür die Mitarbeiter

Der umfassende Reformansatz stellt für die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst eine große Herau forderung dar. In diesem Zusammenhang muss darauf verwiesen wer­den, dass die Verwaltung nach wie vor von einer stark hierarchischen Führungskul­tur geprägt ist. Offene Kommunikation und enge Einbindung der Mitarbeiter ind in der Regel schwach ausgeprägt. Die angeführten Veränderungen haben daher zu verstärktem Druck sowohl auf die Führungskräfte als auch auf die Mitarbeiter geführt. Die geplanten Personalmaßnahmen wie die Vorruhestandsregelung bzw. der vorzeitige Ruhestand ftihren zu zusätzlicher Verunsicherung. Organisation än­derungen, die in der Privatwirtschaft zum Berufsalltag zählen, sind für die Verwal­tung nach wie vor Ausnahmesituationen.

Die Rahmenbedingungen können somit al extrem schwierig beschrieben werden. Dennoch kann festgestellt werden, dass die Mitarbeiter bei entsprechend starker Einbindung ein hohes Ausmaß an ReformbereItschaft und Motivation bewei­sen. Vor allem muss betont werden, dass neben den organisatori ehen Änderungen die normalen Leistungen der öffentlichen Verwaltung parallel uneingeschränkt erbracht werden und Österreich nach wie vor eine stark rechtsstaatliche und leis­tungsfahige Verwaltung besitzt, wie von der OECD wiederholt bestätigt wurde.

3. Die österreichische Verwaltungsreform im internationalen Kontext sterreIch wurde In der Vergangenheit von ausländischen Beobachtern vielfach als

Nachzügler der internationalen Verwaltungsreform-Be trebungen taxiert. So kriti­siert etwa der deutsche Verwaltungsexperte Frieder Naschold noch im Jahr 1 995 (Naschold 1 995, S. 68) im Rahmen einer internationalen Vergleich studie Öster­reich al "Hort legalisti ch-regelgebundener Verwaltung", wo "kein Anstoß ftir die Thematisierung, geschweige denn Durch etzung alternativer Regulierungsmuster

19 Em erSler Ansarzponkt bestehl etwa ,n dem vom Fuhrungsfo",m InnovatIVe Verwaltung Im Denmber 1999 In

der Woener Z .. tung (Verwaltung hoeute. 28/ 1999) ersch'enen Memorandum rur m'lte�nstlgen Verwauungsentv.1(k'

Jung.

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ÖSTE R R E ICHISC H E S J A H R BUCH F Ü R POllTI/( 2001

1m öffentlichen Sektor" erkennbar ei. Verwaltungsreformaktivitäten seien daher primär "symbolische Politaktionen" und ent�prechen m:!hr dem eingangs erwähn­ten Bild einer "Verwaltung der Reform" .

Solche K ritik ausländischer Beobachter hat sich heute angesichts der im vorherigen Kapitel beschriebenen Reformdynamik und der bereits umgesetzten Maßnahmen zweifellos überholt. Kaum ein Beobachter wird heute bestreiten, dass mittlerweile auch in Österreich - ähnlich wie in nahezu allen I ndustrieländern -ein weit reichender Veränderungsproze s in der öffentlichen Verwaltung tattfindet.

Hinsichtlich einer Einschätzung des Ausmaßes und der Richtung der Refor­men in Österreich erscheint ein Blick auf die internationale Verwaltungspraxis von I nteresse. Zunächst fällt vor allem ein starker Einklang der gegenwärtigen Reform­ansätze in Österreich mIt denjenigen anderer foderalistisch organisierter Länder auf.

Abbildung 3: Die österreic hische Verwaltungs reform im internationalen Verglei c h

Aktivitätsniveau der

Reformen In Österreich

I. Bin_reform und Steuerung.logik

Instrumente der ergebnisorientierten Steuerung

dezentrale OrganisatIonsstrukturen (Verwaltungsagenturen. Ausghederungen)

mIttel

hoch

gering

hoch

gering/ mittel

Kontraktmanagement und Berichtswesen

Downsizing im Personalbereich

oNormalisienungO des öffentlichen Oienstrechts

Dezentralisierung der Personalkompetenzen

Personalentwicklungsprogramme

Global-/Output-8udgetienung

Überpna zu kaufmännischem Rechnungswesen

1L � lm 8u""""t

inoovatNe Formen der Zusammenarbeit Bund/Lander /Gemeinden

Dereaulierung/ Devolution (Einbeziehung der Zivdgesellschaft)

genng

gering/mittel

gering/ mIttel

genng/mittel

hoch

mIttel

Einfiihruna von Wettbewerbsmechanlsmen und Vermarktlichung der Autgabenertüllung gering

11. 1 ......... 11

� E-GowerMlent (Schnittstelle zu Bürger /WirtschaftJ

! � �

hoch

hoch

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W E R N E R W U T S C H E R I O I E Ö S T E R R E I C H I S C H E V ERWHT U NG S R E F O R M : VERWALT U N G E I N E R R E FORM?

Vergleichende Unter uchungen internationaler Erfahrungen zentralstaatlicher Ver­waltungsreformen (vgl . Nascholdl]ann/Reichard 1 999, Pollitt/Bouckaert 2000) berichten ähnliche markante Entwicklungen: Die Reformen umfas en in der Regel Veränderungen in Richtung einer neuen, stärker ergebnisorientierten und dezentra­len Steuerungslogik, Innovationen im Per onal- und Finanzmanagement sowie Änderungen in der vertikalen Koordination zwischen Bund und Ländern inklusive einer Umdefl11ition der Rolle des Zentralstaates. Bei näherer Betrachtung fallen jedoch deutliche Unterschiede bzw. Spezifika der österreichischen Reformdynamik auf. Abbildung 3 stellt eine erste, zweifellos etwas subjektiv gewertete Einschätzung der gegenwärtigen Reformaktivitäten auf Ebene der Bundesverwaltung in Öster­reich vor dem Hintergrund der internationalen Entwicklungen dar. Es wurde ein er ter Versuch der Bewertung des Aktivitätsniveaus im Vergleich zum Ausland diffe­renziert nach den wesentlichsten Reformbereichen angestellt.

Bei gesamthafter Betrachtung fällt auf, dass der gegenwärtige Reformansatz zwar umfassend gewählt wurde, aber doch stark pragmatisch und durch das Fehlen eines kohärenten und theoreti ch fundierten Gesamtmodells gekennzeichnet ist. Die Reformen folgen stark den konkreten Problemen der Verwaltungspraxis und keinem durchgängigen System oder Modell wie etwa in Großbritannien, der

c hweiz, Skandinavien oder Neuseeland.2o Eine Einbettung der Reformdi kussion in grundlegendere Überlegungen hinsichtlich der taatsaufgaben und der generel­len Rolle der Verwaltung in der modernen Ge ellschaft hat in Österreich bisher nur ansatzweise stattgefunden.21

4. Ausblick auf zukünftige Entwicklungsrichtungen

Ange ichts der vorangegangenen Beschreibung der bisherigen Ergebnisse der österreichi chen Verwaltungsreform sowie eines ersten Vergleiches mit internationa­len Entwicklungen soll im Folgenden ein kurzer Blick auf - exemplarisch heraus­gegriffene - wesentliche Grundfragen und zukünftig zu erwartende Entwicklungs­richtungen geworfen werden .

20 Vf. z.8 POLUn / BOUCKAERT 2000.

21 E.ne Ausnahme 51e111 etwa def 8enchl der Aufgabenrefonnkom""s""" dar

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, , , , , , , , ÖST E R R E I C H I S C H E S J A H R BU CH F Ü R POlITIK 2001

4 . 1 . Die grundsätzliche Frage der Rolle des Staates und des Verhältnisses

zwischen Bund und Ländecn

Österreich ist ein klassischer Verwaltungsstaat. Dies ist nicht negativ gemeint, son­dern letztlich auf die Tatsache zurückzufuhren , dass der taat im Laufe der Geschichte den Anforderungen einer immer komplexer werdenden Gesellschaft gerecht werden musste. Der moderne Gesellschaftsgestaltungs- und Leistungs taat bewirkte ein Anwachsen der Verwaltungsaufgaben in einem Ausmaß und einer Dynamik, die dem Ordnungsstaat des 1 9. Jahrhunderts fremd waren. Auf Grund der geänderten gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen hat sich heute auch das Verhältnis vom Bürger zur Verwaltung dramatisch geändert. Der B ürger sieht sich heute zunehmend weniger als Obj ekt einer H oheitsverwaltung, sondern stellt sehr differenzierte Ansprüche an die "Dienstleistungen" der Verwaltung. Gerade in

Zeiten einer Verknappung der finanziellen Mittel und von Ausgabenverkürzungen, die durch das Nulldefizitziel verursacht werden, bzw. einer gesteigerten Abgaben­quote entsteht beim Bürger verstärkt die Forderung nach einer sparsameren und effizienteren Verwaltung.

Auch haben sich die gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen durch EU-Beitritt und Globalisierung grundlegend geändert und zu einer teilweisen

Erosion nationalstaatlicher Kompetenzen gefLihTt. Zudem weist die Verwaltungsor­ganisation trukturschwächen auf, die zum Tei l durch die Bundesverfassung selbst bedingt ind. Das Verhältnis von Rechtsstaatlichkeit und Föderali mus ist daher im Bundesstaat Östern:ich nur unbefriedigend gelöst.

Vor diesem Hintergrund gilt es nach neuen Lösungen zu suchen. Diese Suche kommt in der grundlegenden Fragestellu ng von Anthony Giddens22 ( 1 999, S. 12) gut zum Ausdruck: " Wir mussen al 0 belde bestimmen. In wekher Göcll­

schaft wir gerne leben möchten und mit welchen konkreten Mi tteln wir auf sie

hinarbeiten können ." Die Frage der grundsätzlich gewünschten Rolle und Größe der Verwaltung bzw. des taates als Ganzes ist primär zu beantworten. Bei diesen Fragen hat die vielfach geforderte Aufgabenreform des taat anzusetzen. Erst in einem weiteren Schritt sind die Strukturreform und zuletzt die Organisationsre­form bzw. eine neue Steuerungslogik anzustreben .

22 0 .. grundsaillochen Überlegungen des br,t,schen Sozoologen ANTHONY GIOOENS uber doe Zu'unft $ONler Dernol<tatoen haben unler dem Begntr .'nes .Onnen Weges' d,e Reformpolltilt Tony BI.,r. ,n Gro6bntannoen slarl<

beetf'lnusst.

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W E R N E R W U T S C H E R I D I E Ö S T E R R E I C H I SC H E V E R WA LT U N G S R E F O R M : V E R WALT U N G E I N E R R E FO R M ?

Ein zentraler Fragenbereich betrifft auch das Ausmaß der rechtlichen Durchdringung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens. Die fortschrei­tende Technisierung aller Lebensbereiche hat zu einer enormen Zunahme von N ormen geführt. Der Bürger und auch die Wirtschaft sind ohne "Übersetzung" zusehends nicht mehr in der Lage, Gesetze zu verstehen. In Österreich hat die Dis­kussion über eine Gesetzesbereinigung und Deregulierung erst mit Verzögerung begonnen und kon nte sich bisher nur in geringem Ausmaß durch etzen . Das Prob­lem lässt sich insbesondere auf folgende zentrale Fragen reduzieren: • Brauchen wir für jedes gesellschaftspolitische Problem eine gesetzliche Lösung?

• Wie sollen gesetzliche Regelungen beschaffen sein? • Gibt es alternative Methoden?

Govemance Imd Gewährleistl/ngsvmvaltlltlg als zlikihljtige Leitbilder

Angesichts dieser grundlegenden Debatte lohnt sich ein Blick auf die politik- und verwaltungswissenschaftliche Steuerungsdebatte, die heute in einem veränderten wissenschaftlichen Ver tändnis der Rolle des Staates in der Gesellschaft und seiner Aufgaben mündet (z. B. Mayntz 1 997), das zunehmend auch in der realen Welt ihren Niederschlag fmdet. Es eröffnet neue Perspektiven und bietet Anregungen für die österreichische Reformdiskussion.

Auffällig ist die zunehmende Präsenz des Begriffes "Governance" (z. B. Osborne/Gaebler 1 992, OECD 1 995) . Dieser Sammelbegriff steht für eine neue Generation von Staats- und Verwaltungsreformen, die das wirksame und partner­schaftsorientierte Zusammenwirken von Staat, Wirtschaft und Zivil gesellschaft zur innovativen Bewältigung gesellschaftlicher Probleme zum Ziel haben. Der Begriff ist als bewusste Abgrenzung vom Begriff des "government" (der Regierung als I nstitution) zu verstehen . Er bezieht sich auf eine neue Art des Regierens, wobei im Vordergrund selbstorganisierende, organisationsübergreifende Netzwerke von Bürgern, In ceres envertretungen, Non-Profit-Organisationen, Unternehmen etc. stehen. Diesen Akteuren wird stärkere Autonomie zugestanden, sodass sich eine Verschiebung der primären Aufgaben des Staates in Richtung Ausgleich und Regulierung dieser N etzwerke ergibt. Der deutsche Verwaltungsexperte Prof. G un nar Falke Schuppert (2000) konstatiert konsequencerweise eine zunehmende Aufwertung in Richtung kooperatives, aushandelndes, kommunikatives und moderierendes Verwaltungshandeln . Es fällt auf, dass die von Andreas K hol ( 1 998, 1 999) in die österreichische Diskussion eingeführte Vision einer "Bürgergesell-

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ÖSTERREfCHfSCHES JAHRBUCH FÜR POLITIK 2001

schaft" hohe Kompatibil ität zu diesem sich international zunehmend durchsetzen­den neuen Staatwerständnis aufweist.

Eitle tll.'lIl.' Rolle für die Sozialpartllcrscllajt

Ein weiteres grundlegendes und als Basis für Verwaltungsreformen gut geeignetes Konzept ist das der Gewährleistungsverwaltung bzw. des Gewährleistungsstaates

(vgl . Schedler/Proeller 2000) . Diese neue Rollenver tändnis von Staat und Verwal­tung setzt ich zunehmend als Ansatzpunkt der Verwaltungsmodernisierung durch und erfordert grundsätzliches Umdenken.

Dies geht einher mit einer grundsätzlichen Neuorientierung der Verwaltung:

von der Frage, wie viele Mittel und wie viel Personal für eine Aufgabe aufgewendet wird, hin zur Frage, was man beim Bürger erreichen will bzw. was dort als Leistung ankommen soll. Über die Aufgabenbreite entscheiden die politischen Instanzen über die üblichen demokratisch legitimierten Verfahren. Dies führt direkt zur Feststel­lung, dass mcht Jede Leistung von der Verwaltung selbst erbracht werden muss. Der Staat soll nur gewährlei ten, dass sie erbracht wird. Von wem, ist ekundär. Die Lei­stungstiefe de taates ist daher gegenüber dem traditionellen Wohlfahrtsstaat einge­schränkt. Der Staat verfolgt primär Aufgaben im Kernbereich der staatlichen Verant­wortung (Hoheitsverwaltung) und beteiligt sowohl Wirtschaft als auch Gesellschaft vermehrt bei der Leistungserstellung. Dieses Modell könnte in Österreich eine neue Aufgabe für die Sozialpartnerschaft darstellen, die unbestritten einen großen Pool Sachverstand in den jeweiligen Fachbereichen aufzuweisen hat. Zudem ist das Ver­trauen der Bürger in diese I n titutionen nach wie vor sehr groß.

'elle IlIsfnlllletlfe filr die ZlIsamml.'llarbcit zlI/jschetl li/md /I/ld Uuu/ern

DIe Disk usslOn der staatlichen Aufgaben und teuerungsmechanismen wird in Ö terreich noch überlagert von der grundlegenden Föderalismusdebatte und der Notwendigkeit einer generellen taatsreform, wie ie im Rahmen der gegenwärti­gen Reformbe trebungen angedacht, aber nur unvollständig realisiert werden

konnte (vgl. 2.4.) . Die nun chon seit Jahrzehnten geführte Diskussion um die Abschaffung der mJttelbaren ßundesverwaltung und des Rückzuges de Bundes auf die reine Ge etzgebung hat noch zu keiner abschließenden Neuordnung der Auf­gabenverteIlung zwi chen Bund und Ländern geführt.

ÖsterreIch weist eine ausgeprägt verwaltungsstaatliche Tradition auf. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass die österreichische Ven.valtung sowohl vor Ort in

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W E R N E R W U T S C H E R I O I E Ö S T E R R E I C H I SC H E VERWALT U N GS R E f O R M : VERWALTUNG EINER R e f O R M ?

den Ländern als auch in den Zentralen ausgedehnte Organisationsapparate einge­

richtet hat. Die Verwaltung Österreichs ist somit doppelt organisiert. Dies gilt sowohl für die mittelbare als auch für die unmittelbare B undesverwaltung, die über eigene Organisationsapparate in den Ländern verfügt,23 sowie für die Landesver­waltungen, die zum einen in den Ämtern der Landesregierungen Aufgaben besor­gen und zum anderen dezentral bei den Bezirksverwaltungsbehörden eine parallele Verwaltung aufgebaut haben .24 Handlungsbedarf ist somit zweifellos gegeben.

In diesem Zusammenhang sollten weitere einfachgesetzliche Maßnahmen zur verstärkten Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern genutzt werden , wobei sich die Vereinbarungen nach Art. 1 5a B-VG als In trument eines zukunfts­orientierten Verwaltungshandelns im Bundesstaat anbieten. Als mögliche Beispiele sei auf die Verwaltung der österreichischen Nationalparks25 verwiesen. Dabei wur­den auf Grundlage von Gliedstaatverträgen gemäß Art. 1 5a B-VG Kapitalgesell­

schaften nach Privatrecht (GesmbH) gegründet. die von den Gebietskörperschaften gemeinsam gehalten und finanziert werden .

Im Gegensatz zu diesem Beispiel, in dem Aufgaben im Bereich der Privat­wirtschaftsverwaltung erfüllt werden, soll die in Gründung befindliche "Agentur fur Gesundheit und Ernährungssicherheit" auch hoheitliche Aufgaben wahrneh­men. Ln der Regierungsvorlage26 zu dieser Agentur ist vorgesehen, dass eine GesmbH gegründet wird, die vom Bundesministerium für Land- und Forstwirt­schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) und dem Bundesministeriul11 fur soziale icherheit und Generationen (BMSG) gehalten wird und an der sich auch die Länder entsprechend den ge ellschaftsrechtlichen Regeln beteiligen können.

olche Kon truktionen ermöglichen im Rahmen der Privatwirtschaftsver­waltung eme smnvolle Kooperation von Bund und Ländern. An telle starrer Kompetenzen tritt eine neue Flexibilität, die maßgeschneiderte Lösungen für spe­zifische politische Problemstellungen zulässt.

23 Im Berooeh der Schulverwallung SInd d,es doll $0 genannten Beln""" und Landesschulralt. In der SlCherho,t ..

verwallung smd doe, doe &ndespollle,d,rekt"",en und d,e SIChemei!.sdirektlOnen aul Landesebene.

24 Vgl dallJ HOlllNGER 200i

25 Vgt. I. 8. 8G8I Nr. 653/ i996; 8G81 I Nr 57/1998; 8G8I. 1 Nr. 50/1997 8G8I. I. Nr. 51 /i997; 8G8I I Nr

58/1998.

26 VgI. d,o am i2. Jub 2001 e,ngebrachte Re8Je'ungsvo<lage belrelletld da. &ndeSgesell. ""t dem d'e ÖSt.,.

reICh,sehe A&entur lur ErnahrungSSIChe<h .. t GmbH errIChtet und das &ndesamt rur E,nahiungssIChem .. t o,n�

rochie! _den tErnährungssiche_tsgeseU)

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ÖSTE R R E IC H I S C H E S J A H R B U C H F Ü R P O L I T I K 2001

4.2. Verstärkter Einsatz innovativer organisator ischer und politischer

Lösungen

Heute sind zunehmend neue organisatorische Lösungen zur Bewältigung der anstehenden Herausforderungen nötig. I n Österreich ent teht gegenwärtig der Eindruck, dass sich das Lösungsspektrum auf die Varianten Staatsrückbau, Outsour­cing und AusgIiederungen27 bzw. als Radikalvariante Privatisierungen beschränkt. Es sind daher alternative Formen öffentlicher Leistungserbringung zu finden, wel­che die staatliche Steuerungsfahigkeit sicherstellen und gleichzeitig der Forderung nach schlankeren staatlichen Strukturen nachkommen.

I nsbesondere das oben dargestellte Konzept der Gewährleistungsverwaltung verlangt nach neuen organisatorischen Lösungen. Es entspricht dem Sinn modernen staatlichen HandeIns, das sich nicht auf die eigenen Kompetenzen verlässt, sondern bewusst auch auf entsprechendes Know-how des privaten Sektors zurückgreift .

Eine wichtige Voraussetzung daftir ist die Entwicklung eines differenzierten Verständmsses staatlicher Aufgaben: Es ist zwischen Gewährleistungs-, Finanzie­rungs- sowie Vollzugs- bzw. DurchfUhrungsaufgaben zu unterscheiden. Für eine öffentliche Aufgabe hat der Staat die Verantwortung zu übernehmen, wenn im politischen Prozess durch die demokratisch legitimierten I nstanzen ein gewichtiges öffentliches Interesse dafur festgestellt ist. Dies bedeutet jedoch nicht zwingend, dass auch die Finanzierungsverantwortung und die Durchfuhrungsverantwortung

beim Staat liegen müssen. Eine Aufgabe, fur die der Staat die Gewährleistungsver­antwortung trägt, kann durchaus von Dritten wahrgenommen werden.

Dem Staat bzw. der Verwaltung steht ein sehr mächtiges, umfa endes Instru­mentarium vielfaItiger Organisationsformen zur Einbindung privater bzw. sonstiger Orgam ationen (etwa Non-Profit-OrgamsatlOnen) zur Verfligung. Nachfolgende Abbildung in Anlehnung an eine aktuelle Studie des BMLFUW28 011 dies illustrie­ren:

27 EI� Ausnahme slellt d",sbeziigltch der BereICh der TelekommunikatIOn dar Dort wurden etwa m,l der Rund­

funk- und Telekom Regul",run,s-{;mbH SOWIe der Telecom-Control-KommlS$lOn InnovatIVe Führungsmode"e ber.,ls

erfolgre>Ch umgesetzt

28 Privote Seclot' Plrt""PlCIOfI '" der SJedllJngswoSSM>1I1schBft Ein Leitfaden und ErfahrungsberICht des

BMLFUW. W",n 2001

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WERNER WUT SCHeR I OIE ÖSHRREICHISCHE VeRWl>.lTU NGSReFORM; V ERWAlT UNG EINER RefORM?

Abbildung 4: Unterschiedliche Formen der Privatisierung

I

fonNl. Privatlsl.rung

1. •• 5.

vollständige Abkoppe-­

lung der Aufgabe durch

Eigentumswechsel

formale Privatisierung

I. w. S. (Ausgliederung)

Organisationsformen des

Privatrechts mit öffentli­

chen Eigentümern

materielle Privatisierung

mit privater Beteiligung (Private Sec tor

Partlcipation)

MIIbMnadeII KDnzea\onen Koop .... tlon.n Pachtf\.aalng � Out Sponsoring

Bulld Operate (PPP) - öffentI. Dienstleistungs-

Transfer private Part­

nerschaft

od. Manage·

mentvertrag

Für eine optimale Lösung staatlicher Aufgaben ist das gesamte pektrum im Auge zu behalten und je nach konkreter ituation und Zielen ist die bestmögliche Organisationsform im Einzelfall au zuwählen. Damit i t eine neue Qualität de

taates als starker Regulator bzw. gleichwertiger Partner gefordert, die eine intelli­gente Zusammenarbeit von privatem und öffentlichem ektor forciert.

Dieser Ansatz setzt voraus, da der Bürger bereit ist, seine Ansprüche klar zu formulieren und auch "nicht-beamtete" Leistung zu akzeptieren.2'1 Das kann sogar darin gipfeln, da s sich der Staat aus be timmten Bereichen völlig zurückzieht u nd nur über die Erbringung von Leistungen wacht.

29 8ei>Pte!. SeilboMgesetz § 27 Antro" P1d<efI-Pnlfun

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• • • • • • • • r • • • • . . . , . ÖSTERREICHISCHES JAHRBUCH FÜR POLITIK 2001

otwendige Versaclz licJHltlg der Ausgliederrlllgsdiskllssiotl

rn diesem Sinne ist auch die verstärkte Einbindung privater Leistungserbringer etwa im Bereich der Wasserver- und -entsorgung oder der Lebensmittelkontrolle nicht als " Privatisierung" bzw. "Rückzug des Staates"zu sehen, sondern als eine Stärkung der staatlichen Steuerbarkeit in diesem Bereich.

Wen n etwa die Opposition Lebensmittelkontrolle und Verbraucherschutz als "ureigenste Aufgabe des Staates"30 bezeichnet, ist dem zuzustimmen, insbesondere hinsichtlich der Gewährleistung und der Finanzierung. Die Durchftihrung selbst kann im Sinne der Gewährleistungsverwaltung bei klaren Rahmenbedingungen an ausgegliederte Einheiten bzw. Private delegiert werden - wie es bei der Ernährungsagentur vollzogen wurde -, ohne dass ilie politischen Ziele in Frage gestellt werden . I n diesem Zusammenhang von einer Privatisierung von Aufgaben zu sprechen oder auf ausländische Beispiele zu verweisen (etwa Großbritannien), ist unzulässig, da der Bund bei den bisherigen Ausgliederungen zu 1 00 Prozent Eigentümer bleibt. 3 1

Von " Staat verslIs Prival " ZIl eIllem " Staat gemeimam mit Privat 11

Besondere Bedeutung fur die Zukunft kommt in iliesem Zusammenhang den Public Private Partnerships (PPP) als Kompromiss zwischen privatwirtschaftlichen und nichtprivatwirtschaftlichen Formen der Leistungserbringung (Budäus/Eichhorn 1997) zu.32 Der Begriff PPP hat sich für die Bezeichnung einer mit n ichtstaatl ichen Akteuren kooperierenden Verwaltung eingebürgert, wobei dafLir sehr flexible und zwischen den Partnern frei gestaltbare Orgal1 lsationsformen möglich sind.

Modelle wie PPP eröffilen neue Finanzierungsmöglichkeiten und ermögli­chen die Reduktion sowohl von f nvestitions- als auch lletnebskosten (J:.fflZlenz­steigerung) . ie tragen zu höherer Kostentransparenz und Ko tensicherheit bei und ermöglichen eine schnellere und ko tengünstigere Realisierung von Großprojekten durch privatwirtschaftliches Management und Hereinholen technischer Expertise aus Privatunternehmen.

490

30 Vgl Stondatd \10m 1 1 . Janner 2002

31 Z. B "n Fall der Oslerreoch,schen Bunde$lorsle oder der kommunalen Wasserentsorgungsunternehmen.

32 DIese Orga""'tlons/orm Wild K1 {)eulscN.nd und GtoBbr,taMlen Im Rahmen entspre<:Mnder pOIl�scher

100hatrven btwusst forCiert.

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W E R N E R W U T S C H E R 1 D I E Ö ST E R R E I C H I SC H E V E R WALT U N G S R E F O R M : V E R WA LT U N G E I N E R R E F O R M ?

Zum anderen stellen s ie in wesentlich grundlegenderer Weise eine zentrale Strategie der Verwaltungsmodernisierung dar : Sie spiegeln das neue Rollenver­ständnis des Staates als GewährIeistungsverwaltung wider und funktionieren als wichtiger Brückenschlag zwischen Verwaltung und Privatwirtschaft angesichts des zunehmenden Auseinanderdriftens von öffentlichem und privaten Sektor. Eine Überwindung der Polarisierung "Staat versus Privat" in Richtung "Staat gemein­sam mit Privat" erscheint dadurch möglich.

1m Gegensatz zu rein privaten Organisations formen können sie gleichzeitig Effizienzvorteile reali ieren und dem öffentlichen Interes e ausreichend Sorge tragen.

Wo werdell PPPs bereits Ilmgesetzt?

In Österreich hat etwa das BM LFUW die Bedeutung und Zweckmäßigkeit von PPP-Modellen bereits seit längerem erkannt und entsprechende I nitiativen gesetzt. vor allem im Bereich der Siedlungswasserwirtschaft . So wurde eine tudie zur Realisierung von Einsparungspotenzialen durch die Anwendung eines PPP­Modells im Bereich der Wasserver- und -entsorgung beauftragt. PPP-Pilotprojekte im Siedlungswasserwirtschaftsbereich gestartet und PPP-Ansätze im Bereich von Energie-Contracting realisiert. Eine Studie der Energieverwertungsagentur zeigt, dass in Österreich alleine im Dien t1eistungssektor durch ein solches Energie-Con­tracting mit privaten Unternehmen Energiekosten in der Höhe von ca. 500 Mil­lionen Schilling (ca. 36 Millionen Euro) pro Jahr eingespart werden könnten .

Auch die Ergebnisse der Pilotprojekte im Siedlungswasserbereich sind äußerst pomiv:u PPP sind selbst flir kleine Kommunen interessant und fUhren zu beachtlicher Verringerung der I nvestition kosten ( 1 2 bis 40 Prozent) sowie Verkür­zung der BauzeJten um dreleJ l1halb bIS zehn Jahre (um ca. ein Drittel der ursprünglich geplanten Zeit) . Für einen Gesamterfolg entscheidend ist allerdinbtS, da s neben den angestrebten Kostensenkungen vor allem auch dIe Realisierung weiter gehender Ziele des politischen Managements (z. B. sozialer und regionaler Ausgleich, teuerbarkeit, politische Legitimation, PartizipatIOn der Bürger u nd Transparenz der Organisation) angemessene Berücksichtigung findet. Diese Fakto-

33 Vet. Privste Sear>r �/ioII 1fI der Si«11Uf11S"'l$lerw/rtschlJft EJfJ 1 ettf6defl """ ErfaItrtIt1tsbenc/J1 des BMIFllW. Woen Februar 2001.

49 1

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Ö S T E R R E I C H I S C H E S J A H R B U C H F Ü R P O L I T I K 2001

ren entscheiden über die Akzeptanz von PPP-ModeJ1en in der Öffentlichkeit und damit über die dauerhafte Verankerung dieser zentralen Strategie der Vawaltungs­modernisierung in Ö terreich.

JM?itere innovative Ansätze

Im Bereich innova6ver politischer Instrumente wird im Bereich des BMLFUW das betriebliche Umweltmanagement mittels EMAS-Zertifizierungen (Eco-Manage­ment and Audit Scheme) der EU als umweltpolitisches Instrument forciert. Mit der E MAS-Verordnung soll durch Selbstkontrolle (Öko-Audit) die behördliche Bewilli­gung erreicht bzw. die behördliche Kontrolle reduziert werden. Österreich ist bei der Umsetzung dieser Verordnung Spitzenreiter in Europa.34 Als weiteres Beispiel im Bereich des toffbezogenen Umweltschutzes wurde im BMLFUW ein "Geschäfts­modell Chemikalien Leasing" als innovatives politisches Instrument entwickelt.

ZlIsammetifaSSlltlg

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass elO breites Spektrum an alternativen Formen des Verwaltungshandeln be teht. Der Einsatz solcher Modelle muss im Einzelfall und in Abhängigkeit der zu erfüllenden Aufgaben geprüft werden . Ein undifTerenzierter Einsatz kann zu nachteiligen Folgen führen, wie ausländische Beispiele belegen.

5. Schlussfolgerun g

Die Diskussion um die Reform der Verwaltung ist in engem Zusammenhang mit df'n geällderten gesellschaftspohtischen Rahmenbedtngungen für den raar und damit die Verwaltung zu sehen . Der EU-Beitritt, die Globalislerung und die modernen Informations- und Kommunikation technologien haben zu einer dra­matischen Änderung des Handlungsrahmen von Nationalstaaten geführt. DIe Tech­nisierung vieler L ebensbereiche, die jeder Bürger in seinem Alltagsleben erfahrt, machen deutlich , dass dIe Zelt der Stempelmarken und Theresiani�che\1 Kanzlei­ordnung - auch wenn nach wie vor in Geltung - vorbei ist .

� o.e EMAS·Verordnung wurde mIt 13 Iuü 1993 umgesetzt und es Sond neute beret!S uber 350 Unternetomen

In Österreich zerlifi2iert.

492

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W E R N E R W U T S C H E R I O I E Ö S T E R R E I C H I S C H E VE R WA LT U N G S R E F O R M : V E R WA L T U N G E I N E R R E F O R M ?

Die eingeleiteten und bereits umgesetzten Reformen sind ew erster wichti­ger Schritt hin zu einer modernen Verwaltung. Die Reform kann nie als abge­schlossen betrachtet werden. Sie i t ein permanenter Prozess.

Die öffentliche Diskus ion in Österreich um die Verwaltungsreform leidet jedoch unter einem Paradoxon, das bemerkenswert erscheint: Bürger, Politiker und Medien sind extrem chnell in der Diagnose und sparen nicht mit Verwaltungskri­tik. Der täglichen Kommentarlage lässt sich entnehmen , dass h ier viele Verwal­tungsexperten am Werk sind. Jeder ist sehr rasch mit Verbesserungs- und Ände­rungsvorschlägen. Die dahinter liegende grundsätzliche Vorfrage flir diese Diskus­sion wird in Österreich mit wenigen Ausnahmen aber nicht gestellt: • Welchen Staat wollen wir? • Wie definieren wir das Verhältnis Bürger - Staat? • Wie viel Staat will bzw. braucht der Bürger?

Eine ausführliche Debatte dieser Fragen könnte Grundlage für ewe tief greifende Reform bilden . Die Verwaltung ist nur eine Abbildung des jeweils gesellschaftspoli­tisch gewollten Staatsmodells. Eine intensive Diskussion ist deshalb einzufordern.

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