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Die Temperatur-Topographiedes Auges. ¥on Professor Michel. W~hrend die Temperatur an verschiedenen peripheren K~rpertheilen, an der ~usseren Haut und in den inneren Organen mit gr6sserer oder geringerer Zuverl~ssigkeit bestimmt worclen ist*), finder sich nirgends eine Angabe fiber, die Temperatur des Auges. Allerdings wurden Temperaturmessungen in dem Bindehautsacke angestellt. So hat Gradenigo**) mitgetheilt, dass er mR einem kleinen besonders construirten Thermometer Messungen ge- macht habe, Resultate seiner Messungen aber nicht ange- geben. Dohnberg***) benutzte Thermometer, welehe *) Vergl.Rosenthal, Die Physiologietier thierisehen W~rme. ftermann's Itandb. d. Physiologie, IV. 2, S. 289. **)Gradenig o, La termometria dell' occhio. Annali di Ottalm. VI. 2., p. 177. ***) Dohnberg, Die Temperatur am Auge unter physioto- gischen and pathologischen Verh~ttnissen. Inaug.-Dissert. Dorpat. 1876. 15"

Die Temperatur-Topographie des Auges

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Page 1: Die Temperatur-Topographie des Auges

Die Temperatur-Topographie des Auges.

¥on

Professor Michel.

W~hrend die Temperatur an verschiedenen peripheren K~rpertheilen, an der ~usseren Haut und in den inneren Organen mit gr6sserer oder geringerer Zuverl~ssigkeit bestimmt worclen ist*), finder sich nirgends eine Angabe fiber, die Temperatur des Auges. Allerdings wurden Temperaturmessungen in dem Bindehautsacke angestellt. So hat Gradenigo**) mitgetheilt, dass er mR einem kleinen besonders construirten Thermometer Messungen ge- macht habe, Resultate seiner Messungen aber nicht ange- geben. Dohnberg***) benutzte Thermometer, welehe

*) Vergl. Rosenthal, Die Physiologie tier thierisehen W~rme. ftermann's Itandb. d. Physiologie, IV. 2, S. 289.

**)Gradenig o, La termometria dell' occhio. Annali di Ottalm. VI. 2., p. 177.

***) Dohnberg, Die Temperatur am Auge unter physioto- gischen and pathologischen Verh~ttnissen. Inaug.-Dissert. Dorpat. 1876.

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start der Kugelu 2 Cm. ]ange, 4 Mm. hohe und 3 Mm. dicke, dem Bulbus sich anschmiegende Platten hatten. Aus 94 Messungen wurde eine Durchsehnitts-Tem- peratur ---- 36,40 Grad ( 3 5 , 8 - 37,0) bei einer Messungs- dauer yon 12 Minuten gefunden, wi~hrend die Durch- schnittstemperatur der AchselhOhle aus 64 Messungen 37,91 Grad betrug. Die Durchschnittsdifferenz der Tem- peratureu in der Achselhiihle und im Bindehautsaeke war = 0,58 (zwischen 0,1--1,1). Die Temperatur- unterschiede zwischen gesunden und kranken Augen be- trugen bei entzandlichen Erkrankungen der Coujunotiva 0,52, bei sotchen tier Hornhaut 0,46, bei solcheu der Iris 0,77, beim Glaucom 0,58, w~hrend bei Entzfindungen der Retina und Chorioidea keine hervortrateu. Eine Steige- rung der allgemeinen Ktlrperwarme abet die normale hinaus war niemals vorhanden. Galezowski*) brachte ebenfalls einen entsprechend kleinen Thermometer in den Bindehautsack. Nach seinen Messungen schwanke die normale Temperatur zwischen 36,5 und 36,70, sie erhShe sich bei allen entzandlichen Erkrankungen der Coujunctiva yon 0,8 Grad bis 1 Grad und andere sich entsprechend der Besserung oder Verschleehterung im Sinne einer Er- niedrigung oder ErhShung. Bei einer Reihe yon Krauk- heiten der Iris, der Chorioidea und der Hornhaut sei die Temperatur gleich der KSrpertemperatur oder auch unter derselben.

Die eigenartige, mehr oder weniger exponirte ana- tomisGhe Lage des Auges, die best~ndige Benetzung seiner Oberfliiche mit Fl~ssigkeit und die bier nothwendig

*) ~alezowski, De la thermometrie en ophtalmologie. Recueil d'Opht. 1877. 1). 975 u. 307.

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stattfindende stlirkere Verdtmstungim Gegensatze zu anderen Kiirperstellen liessen erwarten, dass wohl besondere Temperaturverhi~ltnisse gegeben sein diirften, zuni~chst e ineniedr ige T e m p e r a t u r und dann ein versch ie - dener T e m p e r a t u r g r a d in v e r s e h i e d e n e r Tiefe des Organes.

Um die Temperatur des Auges beziehungsweise des Binnenraumes desselben zu bestimmen, musste ein nadel- f0rmiger Apparat verwendet werden, der ohne wesentliche Verletzung ein Durehschieben dutch die Membranen des Auges und Vorschieben bis zu beliebiger Tiefe des Augen- binnenraumes gestattete. Diese Forderung erftillte ein aus Neusilber- und Eisendraht construirtes Thermo-Element. Die beiden Enden eines Sttickes Neusilberdraht waren an je ein Ende zweier Stiieke Eisendraht auf die Liinge yon

• einigen Millimetern mit Weichloth verl0thet. Hinter den LSthstellen geschah die Isolirung der Dr~hte dutch Papierstiickchen, die mit Colophonium und Wachs getrankt waren. Dieses Thermo-Element, d . i . die beiden freien Enden der Eisendrahtstl~cke waren mit einer strommessenden Vorrichtung (Galvanometer, Multiplicator) verbunden. Bekanntlich entsteht bei der beschriebenen Versuchs-An- ordnung ein Strom, sobald zwischen den beiden LOthstellen eine Temperatur-Differenz hergestellt wird. Bei unseren Versuehen, die im hiesigen physiologischen Institute an- gestellt wurden, war immer die eine L(ithstelle in Wasser yon constant erhaltener Temperatur eingetaucht, wiihrend die andere, nadelf0rmig gespitzte, in die Tiefe des Auges versenkt wurde. Wiihrend der eine der Beobachter das Thermo-Element in alas Auge einftihrte, hatte tier andere Beobachter auf ein gegebenes Zeichen den Strom za schliessen und den Ausschlag des GMvanometers mittels Fernrohres abznlesen. Dutch eine Markirung an dem

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230 •roL ~ichel.

Thermo-Elemente wax zu bestimmen, his za welcher Tiefe die Spitze in das Auge eingedrungen war. Da Horn-and Lederhaut dem Eindringea der Spitze einen zu grossen Widers~and darboten, so wurde zuvor eine feine perfo- rirende StichSffnung mit einer Discissionsnadel angelegt, und alsdann das Thermo-Element durch den Stichcanal eingehihrt, hls ¥ersuchsthiere wurden Kaninchen benutzt, and wnrde das Thermo-Element zuerst his in die Mitre der vorderen Kammer und des Glaski~rpers, alsdann an die Regenbogenhaut, die Aderhaut und in die Linse gebracht. Die KOrpertemperatur wurde zugleich im Rectum gemessen und betrug im Durchschnitte 38,50 bis 38,9o. Aus einer Reihe yon Yersuchen ergab sicb f~r die Mit re der vorderen Kammer eine D a r c h s c h n i t t s - t empera tu r yon 31,90 and ffir die Mitre des Gtas- k0rpers eine solche yon 36,1 °, welche auch als die Durchschnittstemperatur ffir die Mitre der Linse anzu- sehcn ist. Die Temperatur in der vorderen Kammer sank um einige 1/lo Grade, wenn man die Spitze uach tier Hin t er- wand der Hornhan t zu bewegte, dagegen stieg sie und um so starker, je mehr man sich der Vorder f lache der Ir is niiherte, und erreichte fast oder ganz die Temperatur des GlaskSrpers. Im GlaskSrperraum stieg wiederum die Temperatur, wenn man sich den W~nden des Bulbus ai iherte, und ertangte die H(fhe tier K ~ r p e r t e m p e r a t u r , wenn man die ~nenflfiche der Angenhiiute mCfglichst genau mit der Spitze betastete. Die uiedrige Temperatur der vorderen Kammer erh0hte sich in karzester Zeit im Durchschui~te um 2°--3 o, wenn man die Lider geschlossen hielt; 5ffnete man dieselben wieder, so sank wiederum die Temperatur. Das huflegen eiuer Eisblase machte in ungefahr 1'/~ Miuuten ein Sinken der Temperatur um i3 °--15 o.

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Die relativ geringe Temperatur in der Mitte der vorderen Kammer des Auges darfte hauptsaehlieh in zwei Ursaehen begrlindet sein, einmal in der starken Abkahlung an der Vorderflaehe des Auges speciell an der Hornhaut, andererseits darin, dass blutfahrende Gefasse sich in relativ grosser Entfernung befinden. Dieser letztere Urn- stand dfirfte auch haupts~chlieh massgebend far die Beurtheilung des Grades tier Temperatur der Mitre des Glask(irpers sein. Wie die T e m p e r a t u r der vorderen Kammer sofor~ s teigt , wenn man sieh der b lu t r e i chen i r i s n a h e r t , ebenso ist das Gleiehe bei Annaherung des T h e r m o - E l e m e n t e s an die Wandungen des h in t e r en A u g e n a b s e h n i t t e s festzustellen, tterverzu- heben ist noeh - - und sieherlieh ist dies in therapeutiseher Hinsicht nieh~ ohne Wichf igke i t - die rasehe und be- deutende Aenderung des Grades der Temperatur beim Lidschluss und beim Auflegen einer Eisblase. Man denke hierbei an den sogenannten Schlussverband des Auges, an den Gebrauch yon hydropathisehen und Eis-Um- sehliigen.

In physiologischer Beziehung erscheinen die Tem- peratur-Verhi~ltnisse des Auges deswegen yon einer gewissen Wichtigkeit, weil dieselben nnzweifelhaft einen b e s t i m m t e n Einfluss auf die Eiweiss-KOrper des Auges, speciell der Linse, ausaben, wie dies yon Seiten des Verfassers*) ausfiihrlicher dargelegt worden ist. An

*) ~Iichel, J-., Ueber natiirliche und ktinstliche Linsen- triibung. Festschrift zur dritten Siicul~rfeier der Alma Julia )iaximfliana, gewidmet yon der medizinischen Facult~t zu Wiirz- burg. ]882. I. S. 53.

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232 t~rof. Michel.

tblgenden Versuch sei hier nur erinnert: leg~ man auf das Auge einer lebenden jungen Ka~ze eine kleine Eis- blase auf, so entsteht in k~rzester Zeit eine totale Linsentrfibung, welche sofort wieder verschwinde~, sobald man die Eisblase entfernt.