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Stegemann, Was MusiktherapeutInnen über das Gehirn wissen sollten © 2018 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München Die Top 25 der wichtigsten Hirnstrukturen (in alphabetischer Reihenfolge) Die Begriffe in Blau weisen auf Hirnstrukturen hin, die als eigener Eintrag in dieser Übersichtstabelle aufgeführt sind. Bezeichnung Deutsch, Latein, Englisch (übliche Bezeichnung fett) Abk. Lage Funktion Relevanz für Musik/Musiktherapie 1 Amygdala (Mandelkern) Corpus amygdaloideum Amygdaloid body AMG Endhirn (Telencephalon); Kernkomplex im dorsomedialen Anteil des Temporallappens. Setzt sich aus mehreren Kernen zusammen, die in drei Hauptgruppen unterteilt werden können: basolaterale Kerne, corticomediale Kerne und zentraler Kern. Abb. A4, A5 Die Amygdala ist Teil des limbischen Systems. Sie wird häufig als Angst- oder Furchtzentrum bezeichnet; ihre Hauptaufgabe ist vermutlich die Evaluation emotionaler Stimuli, d.h. die Gewichtung nicht nur aversiver Reize hinsichtlich ihrer Bedeutung (Valenz). die Amygdala spielt bei vielen psychiatrischen Störungsbildern eine relevante Rolle (z.B. Angststörungen, PTSD, Bindungsstörungen). Positiv besetzte Musik scheint einen dämpfenden Effekt auf die Amygdala (Blood & Zatorre, 2001) zu haben, wobei berücksichtigt werden muss, dass sich die Amygdala aus unterschiedlichen Kernen zusammensetzt, die z.T. gegensätzliche Funktionen haben (vgl. Kap. 10). 2 Area tegmentalis ventralis Area tegmentalis ventralis Ventral tegmental area VTA Mittelhirn (Mesencephalon); die Area tegmentalis ventralis (VTA) ist Bestandteil der Mittelhirnhaube (Tegmentum), die den größten Teil des Mittelhirns ausmacht. Benachbart zur VTA finden sich motorische Hirnnervenkerne sowie der Nucleus ruber und die Substantia nigra. Die Area tegmentalis ventralis (VTA) beherbergt die dopaminerge Zellgruppe A10 und bildet mit ihren Verbindungen das mesolimbische System, das in den Nucleus accumbens projiziert und Efferenzen in das limbische System sendet (Amygdala, Septum). Die Area tegmentalis ventralis ist ein Bestandteil des biologischen Belohnungssystems und spielt vermutlich auch bei der Entstehung von Suchtverhalten eine wesentliche Rolle. Bildgebende Studien zeigen eine Aktivierung der VTA (sowie anderer Strukturen des Belohnungssystems) beim Musikhören, die mit der Ausschüttung von Dopamin einhergeht (Menon & Levitin, 2005).

Die Top 25 der wichtigsten Hirnstrukturen · al., 2017) zum Effekt von zusätzlichem Musikunterricht zeigte sich, dass Kinder, die 2 Jahre lang ein Instrument gelernt hatten, im Vergleich

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Stegemann, Was MusiktherapeutInnen über das Gehirn wissen sollten © 2018 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Die Top 25 der wichtigsten Hirnstrukturen (in alphabetischer Reihenfolge) Die Begriffe in Blau weisen auf Hirnstrukturen hin, die als eigener Eintrag in dieser Übersichtstabelle aufgeführt sind.

Bezeichnung Deutsch, Latein, Englisch (übliche Bezeichnung fett)

Abk. Lage Funktion Relevanz für Musik/Musiktherapie

1 Amygdala (Mandelkern) Corpus amygdaloideum Amygdaloid body

AMG Endhirn (Telencephalon); Kernkomplex im dorsomedialen Anteil des Temporallappens. Setzt sich aus mehreren Kernen zusammen, die in drei Hauptgruppen unterteilt werden können: basolaterale Kerne, corticomediale Kerne und zentraler Kern.

Abb. A4, A5

Die Amygdala ist Teil des limbischen Systems. Sie wird häufig als Angst-oder Furchtzentrum bezeichnet; ihre Hauptaufgabe ist vermutlich die Evaluation emotionaler Stimuli, d.h. die Gewichtung nicht nur aversiver Reize hinsichtlich ihrer Bedeutung (Valenz).

die Amygdala spielt bei vielen psychiatrischen Störungsbildern eine relevante Rolle (z.B. Angststörungen, PTSD, Bindungsstörungen). Positiv besetzte Musik scheint einen dämpfenden Effekt auf die Amygdala (Blood & Zatorre, 2001) zu haben, wobei berücksichtigt werden muss, dass sich die Amygdala aus unterschiedlichen Kernen zusammensetzt, die z.T. gegensätzliche Funktionen haben (vgl. Kap. 10).

2 Area tegmentalis ventralis Area tegmentalis ventralis Ventral tegmental area

VTA Mittelhirn (Mesencephalon); die Area tegmentalis ventralis (VTA) ist Bestandteil der Mittelhirnhaube (Tegmentum), die den größten Teil des Mittelhirns ausmacht. Benachbart zur VTA finden sich motorische Hirnnervenkerne sowie der Nucleus ruber und die Substantia nigra.

Die Area tegmentalis ventralis (VTA) beherbergt die dopaminerge Zellgruppe A10 und bildet mit ihren Verbindungen das mesolimbische System, das in den Nucleus accumbens projiziert und Efferenzen in das limbische System sendet (Amygdala, Septum). Die Area tegmentalis ventralis ist ein Bestandteil des biologischen Belohnungssystems und spielt vermutlich auch bei der Entstehung von Suchtverhalten eine wesentliche Rolle.

Bildgebende Studien zeigen eine Aktivierung der VTA (sowie anderer Strukturen des Belohnungssystems) beim Musikhören, die mit der Ausschüttung von Dopamin einhergeht (Menon & Levitin, 2005).

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3 Auditorischer Cortex, primärer (primäre Hörrinde) Cortex auditivus primus Primary auditory cortex

A1 Endhirn (Telencephalon); der primäre auditorische Cortex befindet sich in dem Bereich des Temporallappens, wo die zentrale Hörbahn endet (vgl. Kap. 5). Dieser Bereich entspricht im Wesentlichen dem Brodmann-Areal 41 und ist durch die typische Struktur von querlaufenden Gyri charakterisiert. Daher auch die Bezeichnung Heschl-Querwindung (benannt nach dem österreichischen Anatomen Richard Ladislaus Heschl, 1824–1881).

Abb. A1

Der primäre auditorische Cortex ist tonotop gegliedert, d.h. die Frequenzen sind – ähnlich wie auf einer Klaviertastatur – nebeneinander angeordnet: tiefe Frequenzen mehr anterolateral, hohe mehr posteromedial. Während im A1 die „interpretationstreue Bewusstwerdung“ der akustischen Stimuli stattfindet, ist es Aufgabe der sekundären Hörrinde, eine sinnvolle Verknüpfung aus Lauten zu Wörtern oder aus Tönen zu einer Melodie herzustellen.

In einer neueren Bildgebungs-Studie wurde das Hörsystem bei Kindern mit ADHS, ADS und Dyslexie (Durchschnittsalter 11 Jahre) untersucht (Serrallach et al., 2016). Es zeigte sich, dass Kinder mit den o.g. Diagnosen – im Vergleich mit einer gesunden Kontrollgruppe – ein vergrößertes Planum temporale im linken primären auditorischen Cortex aufweisen sowie im MEG eine Asynchronie zwischen rechter und linker Hirnhälfte. Letztere Auffälligkeit reduzierte sich im Verlauf von drei Jahren signifikant bei den Kindern, die ein Musikinstrument lernten. Somit kämen Auffälligkeiten im Hörsystem als neuronale Marker in Betracht (vgl. Einleitung).

4 Balken Corpus callosum Corpus callosum

CC Endhirn (Telencephalon); das Corpus callosum verbindet die beiden Großhirn-Hemisphären miteinander; es setzt sich aus vier Abschnitten zusammen: Splenium, Truncus, Genu und Rostrum.

Abb. A2

Das Corpus callosum stellt die größte Kommissur (die Mittellinie des Gehirns kreuzende Verbindung) im ZNS dar. Die auch als Balken bezeichnete Struktur besteht überwiegend aus weißer Substanz (vgl. Kap. 2), verbindet Hirnareale der linken und rechten Hemisphäre und sorgt für den entsprechenden Informationsaustausch.

Koordination z.B. bei beidhändigen Aufgaben (Klavier-, Schlagzeugspiel etc.). Studien zeigen eine übungsabhängige Zunahme der Dicke des Corpus callosum bei Klavier lernenden Kindern (Schlaug et al., 2009) und sind ein gutes Beispiel für die Neuroplastizität des Gehirns (vgl. Kap. 1) und für die strukturellen Korrelate von Lernvorgängen (vgl. Kap. 9).

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5 Basalganglien Nuclei basales Basal ganglia

BG Endhirn (Telencephalon); die Basalganglien umfassen eine Gruppe von subkortikalen Kernen, d.h. eine Ansammlung von Nervenzellkörpern, die unterhalb des Cortex im Marklager (weiße Substanz) des Großhirns liegen. Zu den Basalganglien werden folgende Strukturen gezählt:

Striatum (bestehend aus Ncl. caudatus und Putamen)

Pallidum (= Globus Pallidus)

Ncl. subthalamicus Substantia nigra

Abb. A2

Die Basalganglien spielen eine wichtige Rolle bei der Modulation von motorischen, aber auch von nicht-motorischen Aufgaben. Die Auffassung, die Basalganglien seien lediglich das oberste Steuerungszentrum des extrapyramidalen Systems, gilt heute als überholt. Vielmehr geht man davon aus, dass den Basalganglien eine Filter-funktion bei der Auswahl von Handlungsmustern zukommt.

Die Basalganglien spielen eine wichtige Rolle sowohl im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Rhythmus und Timing als auch mit der Kontrolle des zeitlichen Ablaufs von motorischen Aktionen (Stichwort: Taktgeber). Die Basalganglien werden z.B. aktiviert, wenn Menschen akustischen Stimuli mit einem starken und vorhersagbaren Beat zuhören oder Abweichungen in rhythmischen Strukturen erkennen sollen. Möglicherweise sind die Basalganglien auch bei der Tonhöhendiskrimination involviert (Brown et al., 2015). Interessanterweise können Defizite in der Verarbeitung von rhythmischen Prozessen, wie sie durch Schädigungen der Basalganglien z.B. bei Parkinson-PatientInnen vorliegen (vgl. Kap. 15), durch andere Hirnregionen kompensiert werden (Bellinger et al., 2017).

6 Broca-Areal (keine spezifische lat. Bezeichnung) Broca’s area (benannt nach dem französischen Mediziner Paul Broca, 1824–1880)

BA44/45

Endhirn (Telencephalon); das Broca-Areal umfasst die Pars opercularis und die Pars triangularis (Brodmann-Areale 44 und 45) im Gyrus frontalis inferior. Es ist über den Fasciculus arcuatus mit dem Wernicke-Areal verbunden.

Abb. A1; Abb. 2.2

Das Broca-Areal gilt traditionell als das motorische Sprachzentrum, welches sich in der Regel auf der linken (für Rechtshänder dominanten) Hirnhälfte befindet. Danach dient es primär der Sprachproduktion. Neuere Forschungsergebnisse weisen allerdings darauf hin, dass diese lokalistische Sichtweise (Broca-Areal = motorisches Sprachzentrum) zugunsten eines Netzwerkmodells revidiert werden muss, in welchem

Schädigungen im Broca-Areal führen zu einer motorischen Aphasie. Musiktherapeutische Behandlungsansätze, z.B. mittels Melodic Intonation Therapy (MIT), nutzen u.a. die Aktivierung des kontralateralen Broca-Areals durch Musik zur Sprach-Rehabilitation (Thaut & Hömberg, 2015). Ferner scheint das Broca-Areal auch bei musikalischen Improvisationen involviert zu sein (Beaty, 2015; vgl. Kap. 2).

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verschiedene Hirnareale in die Sprachproduktion involviert sind und dem Broca-Areal eine eher modulierende Rolle zukommt (Flinker et al., 2015). Darüber hinaus wird das Broca-Areal auch mit der Spiegelneuronen-Funktion in Verbindung gebracht (vgl. Kap. 15).

7 Formatio reticularis Formatio reticularis Reticular formation

FR Rautenhirn (Rhombencephalon); die Formatio reticularis ist ein Koordinationsgebiet aus Zellkernen und netzartig (= reticularis) verzweigten Nervenzellgruppen, die sich vom Mittelhirn (Mesencephalon) bis an das kaudale Ende der Medulla oblongata erstrecken.

Abb. A6

Zu den vielfältigen Aufgaben der Formatio reticularis gehört v.a. die Koordination lebenswichtiger Funktionen im Hirnstamm. Diese werden gesteuert bzw. reguliert durch: Weck- oder Wachzentrum, motorisches Zentrum, Atemzentrum, Kreislaufzentrum, Brechzentrum (Area postrema), Miktionszentrum und Augenbewegungszentrum.

Funktionell lässt sich die Formatio reticularis den Arousal-Systemen (Weck- oder Wachzentrum) zuordnen. Diese sind eng mit der Hörbahn verknüpft und spielen daher vermutlich eine wichtige Rolle bei vitalisierenden und entspannungsfördernden Effekten von Musik (vgl. Kap. 12).

8 Gyrus cinguli Gyrus cinguli Cingulate (cortex)

ACC Endhirn (Telencephalon); Der Gyrus cinguli ist im Sagittalschnitt oberhalb des Corpus callosum als „gürtelförmige“ Struktur (cingulum = Gürtel) gut auszumachen.

Abb. A4 und 11.1

Der Gyrus cinguli gehört funktionell zum limbischen System. Durch seine ausgeprägten Faserverbindungen zu anderen Teilen des limbischen Systems, zum Striatum und zum Assoziationskortex spielt er eine wichtige Rolle für den psychomotorischen und lokomotorischen Antrieb. Der vordere Anteil (ACC) fungiert auch als „Supervisor“ für den präfrontalen Cortex, d.h. er ist für die Fehler- bzw. Konfliktdetektion zuständig. Insgesamt stellt der Gyrus cinguli ein wichtiges Integrationsareal für die Domänen

In einer Längsschnittstudie (Sachs et al., 2017) zum Effekt von zusätzlichem Musikunterricht zeigte sich, dass Kinder, die 2 Jahre lang ein Instrument gelernt hatten, im Vergleich zu einer Gruppe ohne zusätzliche Angebote eine signifikant stärkere Aktivierung im ACC während eines Aufmerksamkeitstests (Color-Word Stroop task) aufwiesen. Im Vergleich zu einer Gruppe, die über den gleichen Zeitraum ein zusätzliches Sport-Angebot erhielt, zeigten sich jedoch keine Unterschiede. Die Ergebnisse weisen insgesamt darauf hin, dass systematische Zusatzangebote, die u.a.

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Emotion, Kognition und Verhalten dar (Braus, 2014).

der Förderung von Konzentration und Ausdauer dienen, positive Effekte auf neuronale Strukturen haben, die für exekutive Fähigkeiten relevant sind.

9 Gyrus postcentralis (primäre somatosensorische Rinde) Gyrus postcentralis Postcentral gyrus (Primary somatosensory cortex)

S1 (BA 1, 2 und 3)

Endhirn (Telencephalon); der primäre somatosensorische Cortex liegt – seiner Bezeichnung entsprechend – hinter dem Sulcus centralis im Parietallappen.

Abb. A1

Im primären somatosensorischen Cortex enden die somatosensiblen Bahnen, die Informationen über Berührungs-, Temperatur-, Schmerz- und propriozeptive Reize von der Peripherie zum Gehirn leiten und dort zu Bewusstsein bringen. Wie der benachbarte Motocortex weist auch der Gyrus postcentralis eine somatotopische Gliederung auf (Homunculus; siehe Kap. 6).

Dem Gyrus postcentralis kommt eine wichtige Feedback-Funktion beim Musikmachen zu (vgl. Kap. 14). Bei professionellen GeigerInnen, die früh mit dem Musikunterricht begonnen haben, lassen sich Vergrößerungen der Repräsentationen der linken Hand (also im rechten Gyrus postcentralis) nachweisen (Elbert et al., 1995). Ferner läuft auch die Aufnahme von Schwingungen/Vibrationen bei verschiedenen rezeptiven Musiktherapie-Methoden und -Techniken über die primäre somatosensorische Rinde.

10 Gyrus präcentralis (primäre somatomotorische Rinde/Motocortex) Gyrus praecentralis Precentral gyrus (Primary motor cortex)

M1 (BA 4)

Endhirn (Telencephalon); wie es der lateinische Name bereits verrät, findet sich der Gyrus präcentralis vor dem Sulcus centralis. Diese Windung entspricht dem Brodmann- Areal 4.

Abb. A1

Die auch geläufigen deutschen Bezeichnungen für den Gyrus präcentralis betonen die Funktion dieses Hirnareals: Es dient der Steuerung der Willkürmotorik, d.h. von hier aus gehen die Befehle zu den Ausführungsorganen (Ursprungsort der Pyramidenbahn). Wichtig ist die somatotopische Gliederung (Homunculus; siehe Kap. 6).

Typisch für die somatotopische Gliederung ist, dass die Körperteile, die z.B. für die Feinmotorik zuständig sind, einen größeren Raum im Gyrus präcentralis einnehmen als beispielsweise Körperregionen wie der Rücken. Dies spiegelt sich auch wider bei Vergleichen zwischen professionellen Pianisten, Amateur-Musikern und Nicht-Musikern. So zeigte sich bei ersteren z.B. eine signifikante Zunahme der grauen Substanz im primären Motocortex (Gaser & Schlaug, 2003).

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11 Hippocampus Hippocampus Hippocampus

HC Endhirn (Telencephalon); der Hippocampus (bzw. die Hippocampus-Formation bestehend aus Gyrus dentatus, Cornu ammonis und Subiculum) befindet sich zum größten Teil im Temporallappen in Nachbarschaft zum Unterhorn des Seitenventrikels.

Abb. A4

Dem Hippocampus kommt eine zentrale Rolle bei der Gedächtnisbildung zu; darüber hinaus ist er als Teil des Papez-Kreises eine wichtige Struktur des limbischen Systems. Aufgrund der funktionell und räumlich engen Verbindung zur Amygdala spricht man auch von der Amygdala-Hippocampus-Formation.

Bei positiv konnotierter Musik zeigt sich in der Regel auch eine Aktivierung der Hippocampus-Formation (Koelsch, 2010). Musik scheint über Einwirkung auf den Hippocampus auch einen gedächtnisfördernden Effekt zu haben: In einem Tiermodell mit „autistischen“ Ratten, deren Kurzzeitgedächtnis experimentell gestört worden war, führte das regelmäßige Vorspielen von klassischer Musik zu neurorehabilitativen Effekten im Hippocampus (u.a. eine erhöhte Expression des Wachstumsfaktors BDNF; Lee et al., 2016).

12 Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) Hypophysis Pituitary gland

HVL + HHL

Zwischenhirn (Diencephalon); die Hypophyse ist eine unpaare Hormondrüse, die in der Sella turcica (Türkensattel) lokalisiert ist, einer knöchernen Struktur des Keilbeins in Höhe der Nasenwurzel. Der Hypophysenhinterlappen ist über das Infundibulum (Hypophysenstiel) mit dem Hypothalamus verbunden.

Abb. A3

Die Hypophyse kann als „Hormonzentrale“ des Körpers bezeichnet werden; sie ist Bestandteil der HPA-Achse (vgl. Kap. 4). Die Hypophyse besteht aus zwei Anteilen: der Adenohypophyse (Hypophysenvorderlappen, HVL) und der Neurohypophyse (Hypophysenhinterlappen, HHL). Im HVL werden glandotrope Hormone (z.B. ACTH) und Effektorhormone (z.B. Prolaktin) gebildet. Der HHL gehört anatomisch und funktionell zum Hypothalamus – Hormone, die im Hypothalamus produziert werden (Oxytocin, ADH), werden im HHL in die Blutbahn abgegeben.

In Verbindung mit Musik und Stressreduktion kommt der Hypophyse eine wichtige Rolle zu. Das ACTH, das im HVL gebildet wird, bewirkt die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol in der Nebennierenrinde. Die entspannungsfördernden Effekte von Musik – verbunden mit einer Reduktion von Cortisol – sind gut belegt. Auch das „Bindungshormon“ Oxytocin stammt aus der Hypophyse: Es wird über den HHL abgegeben. Musik – z.B. Singen – erhöht den Oxytocin-Spiegel und hat darüber ebenfalls eine stressreduzierende Wirkung (Koelsch & Stegemann, 2012).

13 Hypothalamus Hypothalamus

HT Zwischenhirn (Diencephalon); wie die Bezeichnung es nahelegt,

Oberstes Integrations- und Steuerungszentrum vegetativer

In einer der wenigen Musik-Bildgebungsstudien (Koelsch &

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Hypothalamus befindet sich der Hypothalamus unterhalb vom Thalamus und bildet Boden sowie Teile der Seiten- und Vorderwand des III. Ventrikels.

Abb. A3

Funktionen (Atmung, Kreislauf, Temperatur, Flüssigkeitshaushalt, Nahrungsaufnahme, Reproduktionsverhalten etc.). Er ist Teil der HPA-Achse und somit wesentlich an der Stressregulierung beteiligt (vgl. Kap. 4).

Skouras, 2014), in denen eine Beteiligung des Hypothalamus direkt dargestellt werden konnte, ist der Hypothalamus als ein „Knotenpunkt“ im Zusammenhang mit der Emotion Freude identifiziert worden. Dabei scheint die Verbindung mit dem Hippocampus eine wichtige Rolle zu spielen: Über diesen Weg wird die HPA-Achse moduliert, d.h. positive, durch Musik hervorgerufene Emotionen dämpfen die Stressantwort.

14 Insula (Inselkortex) Insula, Lobus insularis Insula, insular cortex

Endhirn (Telencephalon); die Insula befindet sich vom Frontal-, Parietal- und Temporallappen überdeckt in der Tiefe des Sulcus lateralis.

Abb. A1

Bei der Insula handelt es sich um ein multisensorisches Kortexareal, dem vor allem die Funktion eines Integrationszentrums zukommt: Dabei werden sensorische Informationen (Schmerz-, Wärme-, Geruchswahrnehmung) mit emotionalen Eindrücken aus dem limbischen System sowie mit bewusstem Empfinden („Wie fühle ich mich?“) abgeglichen.

Eine Bildgebungsstudie (Zamorano et al., 2017) bei professionellen Musikerinnen, in der Konnektivitäten von Subkomponenten der Insula im Ruhe-Zustand untersucht wurden, ergab deutliche Unterschiede zu Nicht-Musikerinnen: Abhängig von der Gesamtzeit musikalischer Betätigung waren die Verbindungen der Insula zu kognitiven und affektiven Netzwerken sowie jenen, die eine wichtige Rolle bei der Bewertung von Reizen spielen, besonders ausgeprägt. Somit ergeben sich aus der Studie Hinweise für eine entscheidende Bedeutung der Insula bei der Integration sensomotorischer Informationen, emotionalen Ausdrucks und kognitiver Kontrolle beim Musizieren.

15 Kleinhirn Cerebellum Cerebellum

Das Kleinhirn (Cerebellum) befindet sich in der unteren Schädelgrube an der Unterseite des Großhirns (Lobus occipitalis).

Das Kleinhirn spielt eine zentrale Rolle bei der Bewegungskoordination (Gleichgewicht, Feinabstimmung),

Außer bei der Bewegungsplanung und -ausführung sowie dem Erlernen von Bewegungsabläufen, die allesamt von großer Bedeutung beim Musikmachen

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Es grenzt an den IV. Ventrikel sowie an die Medulla oblongata und den Pons und ist mit dem Hirnstamm über die drei Kleinhirnstiele verbunden. Es besteht aus dem zentral gelegenen Kleinhirnwurm (Vermis) und den beiden Hemisphären.

Abb. A1, Abb. 2.1

der Bewegungsplanung und dem Erlernen von Bewegungsabläufen. Zusätzlich kommen dem Kleinhirn wohl auch Aufgaben bei kognitiven Leistungen (Lernen) zu.

sind, scheint das Kleinhirn auch beim Erkennen von rhythmischen Strukturen eine wichtige Rolle zu spielen: In einer Bildgebungsstudie zeigten sich Korrelationen zwischen dem Volumen der grauen Substanz in bestimmten Abschnitten des Kleinhirns und dem erfolgreichen Absolvieren eines Rhythmus-Tests (Paquette et al., 2017).

16 Limbisches System Limbic system

Das limbische System setzt sich aus einer – nicht einheitlich definierten – Reihe von Hirnstrukturen zusammen, die in der Tiefe des Großhirns liegen. Historisch leitet sich die Bezeichnung „limbisches System“ von der Beschreibung von Gehirnteilen ab, die wie ein Saum (lat. limbus) um das Corpus Callosum und das Zwischenhirn angeordnet sind.

Abb. A4

Das limbische System gilt als das Emotionszentrum oder einfach als „Bauch in unserem Kopf“. Es umfasst Hirnareale, die eine zentrale Funktion für Emotionen, Affektverhalten, Antrieb und Gedächtnis einnehmen. Dazu werden in der Regel die folgenden Hirnareale gezählt: • Amygdala (Mandelkern) • Hippocampus • Gyrus cinguli • Fornix • Teile des Thalamus und des Hypothalamus

Das Hören und das Machen von (insbesondere positiv konnotierter) Musik geht in der Regel mit der Aktivierung des limbischen Systems einher, was für die Wirksamkeit von Musiktherapie eine zentrale Bedeutung haben dürfte (siehe Kap. 10 und Kap. 15). Aber auch Angst induzierende Musik (Koelsch et al., 2013) bzw. aversive Geräusche (wie das Quietschen von Kreide auf einer Tafel; Kumar et al., 2012) aktivieren limbische Areale, insbesondere Verbindungen zwischen der Amygdala und dem auditorischen Cortex.

17 Nucleus accumbens Nucleus accumbens Nucleus accumbens

NA, NAcc

Endhirn (Telencephalon); Kernstruktur im ventralen Teil der Basalganglien, die Putamen und Nucleus caudatus miteinander verbindet.

Abb. A5

Der Nucl. accumbens – auch als „pleasure centre“ bezeichnet – ist eine zentrale Struktur des mesolimbischen Systems. Er spielt eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit Belohnung und Sucht.

Eine Bildgebungsstudie konnte zeigen, dass der Höhepunkt (peak) beim Musikerleben mit Dopaminausschüttung im Nucl. accumbens einhergeht (Salimpoor et al., 2011). Auch andere Studien belegen die zentrale Rolle dieser Struktur bei der Verarbeitung von positiv konnotierter Musik (Mavridis, 2015).

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18 Orbitofrontaler Cortex Orbitofrontal cortex

OFC Endhirn (Telencephalon); als orbitofrontalen Cortex bezeichnet man den Teil des präfrontalen Cortex, der sich direkt über der Augenhöhle (Orbita) befindet.

Abb. A5

Der orbitofrontale Cortex ist eine wichtige Struktur für die Evaluation emotionaler Stimuli im Hinblick auf zu erwartende positive oder negative Auswirkungen. Diese Hirnregion wird nicht zuletzt auch deshalb als Sitz ethischer Empfindung angesehen. Schädigungen des OFC führen zu Veränderungen der Persönlichkeit und des Charakters (z.B. Enthemmtheit oder Affektverflachung).

In musikpsychologischen Studien (Koelsch, 2012) zeigte sich, dass der orbitofrontale Cortex (OFC) – ähnlich wie die Amygdala – durch unerwartete Akkord(w)endungen aktiviert werden kann. Er reagiert also besonders auf Regelverletzungen und nicht erfüllte Erwartungen (breaches of expectation).

19 Parahippocampus Gyrus parahippocampalis Parahippocampal gyrus

Endhirn (Telencephalon); der parahippocampale Cortex (kurz: Parahippocampus) befindet sich ventral des Hippocampus im medialen Temporallappen.

Abb. A4

Der Parahippocampus spielt eine wichtige Rolle bei der Enkodierung und Speicherung von Gedächtnisinhalten. Zusammen mit dem Hippocampus und dem Temporalpol bildet der Parahippocampus ein Netzwerk, dem außer bei der Integration von Gedächtnisfunktionen auch eine zentrale Bedeutung bei der Emotionsverarbeitung zukommt. Während der Hippocampus eine entscheidende Rolle bei der Gedächtnisbildung und der Generierung von positiven Emotionen spielt, ist der Parahippocampus vermutlich in die Speicherung und Wiedererkennung emotionaler Gedächtnisinhalte involviert. Der Temporalpol ist schließlich für das Abrufen (retrieval) dieser Erinnerungen zuständig.

Eine Aktivierung des Parahippocampus in musikpsychologischen bildgebenden Studien wurde vor allem in Zusammenhang mit unangenehmen Stimuli beobachtet, woraus sich ableiten lässt, dass der Parahippocampus bei der Analyse von konsonanten vs. dissonanten Klängen eine wichtige Rolle spielt bzw. bei der Einschätzung von „Rauigkeit“ (roughness; Koelsch et al., 2010). Dies könnte evolutionär insofern von Relevanz gewesen sein, da derartige Geräusche (Donner, Gebrüll von wilden Tieren etc.) potenziell mit Gefahr verbunden sind und ein schnelles Identifizieren entsprechender Geräuschquellen deshalb einen Überlebensvorteil darstellte.

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20 Periaquäduktales Grau (zentrales Höhlengrau) Substantia grisea centralis Periaqueductal gray (central gray)

PAG Mittelhirn (Mesencephalon); das Periaquäduktale Grau ist eine Ansammlung grauer Substanz, die den zentral gelegenen Aquaeductus mesencephali (die Verbindung zwischen dem dritten und vierten Ventrikel) umgibt.

Abb. A6, Abb. 2.1

Das Periaquäduktale Grau (PAG) fungiert als vegetatives Integrationszentrum. Über Faserverbindungen zum limbischen System werden Angst- und Fluchtreflexe generiert. Aufgrund der zahlreichen Opioid-Rezeptoren spielt das PAG auch eine wichtige Rolle für das endogene Schmerzunterdrückungs-system. Im Zusammenhang mit der hohen Dichte an Oxytocin- und Vasopressin-Rezeptoren wird auch die Bedeutung des PAG für mütterliches Verhalten (Bindung) diskutiert.

In einer fMRI-Studie (Dobek et al., 2014) wurde untersucht, wie gesunde Probandinnen auf Schmerz-Stimuli unter zwei verschiedenen Versuchsbedingungen reagieren: mit und ohne Musik. In der Musik-Bedingung wurde der Schmerz um ca. 10% weniger stark eingeschätzt. Damit korrespondierend zeigte sich in der Bildgebung u.a. eine stärkere Aktivierung des PAG in der Musik-Bedingung. Dies wird von den AutorInnen dahingehend interpretiert, dass über das PAG die absteigende Schmerzhemmung aktiviert und damit die Schmerzintensität reduziert wird.

21 Präfrontaler Cortex Cortex praefrontalis Prefrontal cortex

PFC Endhirn (Telencephalon); der präfrontale Cortex umfasst die Bereiche des Frontallappens, die rostral der prämotorischen Rinde liegen. Der präfrontale Cortex lässt sich unterteilen in einen orbitofrontalen, medialen und lateralen Anteil. Letztere werden häufig noch in einen ventralen bzw. dorsalen Bereich unterteilt (VMPFC, VLPFC, DLPFC).

Abb. 0.3

Der präfrontale Cortex gilt als der Sitz höherer kognitiver Leistungen beim Menschen (u.a. Exekutivfunktionen wie Zielsetzung, Motivation, Handlungsplanung, Impulskontrolle u.v.m.). Außerdem nimmt er eine wichtige Funktion bei der Gedächtnisorganisation (Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis) ein.

In einer Bildgebungsstudie (Ferreri et al., 2015) mit funktioneller Nahinfrarot-Spektroskopie (fNIRS) wurde untersucht, welchen Einfluss Hintergrundmusik auf die Gedächtnisleistung bei gesunden ProbandInnen hat. Die Ergebnisse zeigten, dass die ProbandInnen unter der Musik-Bedingung (instrumentaler Smooth Jazz) signifikant mehr zusammenhängende Wörter („chunks“) abrufen konnten als in der Kontrollbedingung (Stille). Im lateralen PFC zeigte sich eine geringere Aktivierung sowohl während des Einprägens der Wortlisten (encoding) als auch beim Abrufen des Erinnerten (retrieval). Dies wird von den AutorInnen der Studie dahingehend interpretiert, dass Musik die PFC-Aktivität so moduliert,

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dass durch alternative Assoziationsstrategien mit weniger Aufwand bessere Gedächtnisleistungen erzielt werden können.

22 Striatum Corpus striatum Striatum

Endhirn (Telencephalon); das Corpus striatum (kurz: Striatum = „Streifenkörper“) setzt sich zusammen aus dem Nucl. caudatus und dem Putamen. Es befindet sich lateral vom Thalamus und wird von Fasern der Capsula interna durchzogen.

Abb. A2

Das Striatum ist der größte Kern der Basalganglien und hat fördernde sowie v.a. auch hemmende Effekte auf die Motorik. Darüber hinaus beherbergt das Striatum den Nucl. accumbens und ist damit Teil des mesolimbischen Belohnungssystems.

In einer fMRI-Studie (Trost et al., 2012), in der die neuronalen Korrelate von emotionalen Reaktionen auf das Hören unterschiedlicher klassischer Musikstücke untersucht wurden, zeigten sich für das ventrale Striatum Seitenunterschiede: Aktivierungen im linken Striatum waren assoziiert mit positiven Emotionen und hohem Arousal (Erstaunen; Freude), Aktivierungen auf der rechten Seite hingegen mit positiven Emotionen und niedrigem Arousal (Nostalgie; „tenderness“).

23 Supplementär-motorisches Areal (Supplementär-motorisches Rindenfeld) Supplementary motor area

SMA (M 2)

Endhirn (Telencephalon); das SMA liegt im Frontallappen, direkt an den Gyrus präcentralis angrenzend. Es umfasst Teile des Brodmann-Areals 6.

Abb. A1

Das SMA wird als eine Schnittstelle (interface) verstanden zwischen dem frontalen Cortex, wo willkürliche Bewegungen initiiert werden, und dem Motocortex, wo sie in Handlungsimpulse umgesetzt werden. Komplexe Bewegungsmuster sind im SMA sozusagen abgespeichert, bevor sie über den Motocortex zur Ausführung gelangen. Das SMA wird bereits aktiviert, wenn Bewegungen nur im Geiste durchgegangen werden (mentales Training).

Interessanterweise scheint das SMA nicht nur in Bewegungsplanung und -vorbereitung involviert zu sein, sondern auch in die Verarbeitung akustischer Stimuli und in die Vorstellung (Imagination) von akustischen Ereignissen (wie z.B. Musik; Lima et al., 2016). Während die obere Temporalwindung (STG) stärker beim Hören als bei der Imagination von Musik aktiviert ist, ist es beim SMA genau umgekehrt: Die Aktivierung ist stärker bei der Imagination. Möglicherweise ist das SMA auch bei der Aufrechterhaltung von Ohrwürmern beteiligt – die Dauer von „involuntary musical imagery“

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(INMI) korreliert mit der Cortex-Dicke des anterioren Pre-SMA (Farrugia et al., 2015).

24 Thalamus Thalamus Thalamus

Zwischenhirn (Diencephalon); der Thalamus nimmt den größten Teil des Zwischenhirns ein und setzt sich aus verschiedenen Kernen zusammen, die miteinander und mit dem Großhirn durch eine Vielzahl von Faserverbindungen in enger Beziehung stehen.

Abb. A2, Abb. 2.1

Der Thalamus gilt als das „Tor zum Bewusstsein“. Ihm kommen zentrale Aufgaben als Integrations- und Relaisstation zu, d.h. ihm obliegt die Filterung von Informationen, die an das Großhirn weitergeleitet werden. Dies ist z.B. bei der Verarbeitung potentiell gefährlicher Stimuli relevant (vgl. „high and low road to amygdala“ in Kap. 10).

Der Thalamus ist möglicherweise auch in die Verarbeitung positiver emotionaler Stimuli (wie „Gänsehaut-Musik“) involviert (Blood & Zatorre, 2001). Eine Meta-Analyse (Kühn & Gallinat, 2012) bestätigt die Beteiligung des linken Thalamus bei der Verarbeitung subjektiv positiv bewerteter Stimuli unterschiedlicher Sinnesmodalitäten (außer Musik z.B. Geruch, Geschmack, Temperatur, Fotos).

25 Zwischenhirn Diencephalon Diencephalon

Das Diencephalon ist der höchstgelegene Teil des Stammhirns (cave: nicht identisch mit Hirnstamm) und grenzt kaudal an das Mittelhirn (Mesencephalon). Die wichtigsten Strukturen des Zwischenhirns sind der Thalamus, der darunter liegende Hypothalamus, die Hypophyse und die Epiphyse (Glandula pinealis).

Abb. A3, Abb. 2.1

Das Zwischenhirn beherbergt wichtige vegetative Zentren und ist generell für die Koordination unbewusster vegetativer und sensomotorischer Funktionen zuständig (vgl. Kap. 2).

Der Thalamus – als größte Struktur des Diencephalons – besteht aus einer Vielzahl von Kernen mit unterschiedlichen Aufgaben. Dazu gehört auch das Corpus geniculatum mediale (CGM), das eine Umschaltstation der zentralen Hörbahn darstellt (vgl. Kap. 5). Im CGM können neben dem ventralen ein dorsaler und ein medialer Teil unterschieden werden: Über den ventralen Teil ziehen Verbindungen direkt zum primären auditorischen Cortex („classical auditory pathway“), während es über den dorsalen Abschnitt eine direkte Verbindung zur Amygdala gibt („non-classical auditory pathway“; Möller, 2013). Diese direkte Verbindung zum limbischen System („low route“) dürfte mit ein Grund sein für die starke emotionale Wirkung, die Musik auf Menschen haben kann.

Stegemann, Was MusiktherapeutInnen über das Gehirn wissen sollten © 2018 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

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