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Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der gemeindlichen Finanzhoheit im Spiegel der Rechtsprechung Author(s): Friedrich Klein Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 27, H. 1/2 (1968), pp. 271-290 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40910495 . Accessed: 18/06/2014 07:48 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 62.122.79.21 on Wed, 18 Jun 2014 07:48:36 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der gemeindlichen Finanzhoheit im Spiegel der Rechtsprechung

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Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der gemeindlichen Finanzhoheit im Spiegel derRechtsprechungAuthor(s): Friedrich KleinSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 27, H. 1/2 (1968), pp. 271-290Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40910495 .

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Page 2: Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der gemeindlichen Finanzhoheit im Spiegel der Rechtsprechung

Die verfassungsredhtlidie Gewahrleistung der gemeindlidien Finanzhoheit im Spiegel der

Reditsprediung von

Friedridh Klein

I

Die gemeindliche Finanzhoheit (-gewalt; -autonomie; -verantwortung; finanzielle Eigenverantwortung) oder ,,Abgabenhoheit" oder ,,Steuerhoheit" wird nicht in alien derzeitigen deutschen Verfassungsurkunden expressis verbis gewahrleistet. Ausdruck und Begriff ,, Finanzhoheit" (o.a.) in bezug auf die Gemeinden und Gemeindeverbande fehlen sowohl im Grundgesetz fur die Bundesrepublik Deutschland (GG) als auch in den Landesverfassungen (und in den Gemeindeordnungen) fast vollig; das Wort erscheint nur in Art. 125 Abs. 1 der Verfassung des Saarlandes und in der Uberschrift zu Art. 22 bayGO im Zusammenhang mit der Verwaltungshoheit der Gemeinden. In der Sache ist das Grundgesetz hinsichtlich der ausdrucklichen finanziellen Gewahrleistungen zugunsten der Gemeinden und Gemeindeverbande weit weniger ergiebig als die meisten der bundesrepublikanischen Landesverfas- sungen. Wahrend jenes in Art. 106 Abs. 6 Satze 1 und 4 sowie Abs. 7 nur einige Ausschnitte aus dem Fragenkreis der kommunalen Finanzen (Real- steuergarantie der Gemeinden; Beteiligung der Gemeinden und Gemeinde- verbande an dem Landeranteil an der Einkommensteuer und der Korper- schaftsteuer; Ausgleich von Sonderbelastungen von Landern oder Gemeinden [Gemeindeverbanden] durch den Bund) regelt, enihalten die Verfassungen der Bundesldnder - mit Ausnahme derjenigen der Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg - teils mehr, teils weniger eingehende Bestimmungen uber das gemeindliche Finanzwesen.

1. Aus den Landesverfassungen sind die folgenden Bestimmungen uber das gemeindliche Finanzwesen von Bedeutung:

a) Verfassung des Landes Baden-Wurttemberg vom 11. November 1953:

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272 Friedrich Klein

Art. 71 Abs. 3: ,,Den Gemeinden und Gemeindeverbanden kann durch Gesetz die Erledigung bestimmter offentlicher Aufgaben iibertragen werden. Dabei sind Bestimmungen iiber die Deckung der Kosten zu treffen. Fiihren diese Aufgaben zu einer Mehrbelastung der Gemeinden oder Gemeindeverbande, so ist ein entsprechen- der finanzieller Ausgleich zu schaffen."

Art. 73: ,,(1) Das Land sorgt dafiir, daB die Gemeinden und Gemeindeverbande ihre Aufgaben erfullen konnen.

(2) Die Gemeinden und Kreise haben das Recht, eigene Steuern und andere Abgaben nach Mafigabe der Gesetze zu erheben.

(3) Die Gemeinden und Gemeindeverbande werden unter Beriicksichtigung der Aufgaben des Landes an dessen Steuereinnahmen beteiligt. Naheres regelt ein Gesetz."

b) Verfassung des Freistaates Bay&rn vom 2. Dezember 1946:

Art. 12 Abs. 2: ,,Das Vermogen der Gemeinden und Gemeindeverbande kann unter keinen Umstanden zum Staatsvermogen gezogen werden. Die Vergabung solchen Vermogens ist unzulassig."

Art. 83: ,,(1) Die Gemeinden sind verpflichtet, einen Haushaltsplan aufzu- stellen. Sie haben das Recht, ihren Bedarf durch offentliche Abgaben zu decken."

(2) Bei tJbertragung staatlicher Aufgaben an die Gemeinden sind gleichzeitig die notwendigen Mittel zu erschlieBen.

(6) Die Bestimmungen der Abs. 2 mit 5 gelten auch fur die Gemeindeverbande.*'

c) Verfassung des Landes Hessen vom 1. Dezember 1946:

Art. 137 Abs. 5: ,,Der Staat hat den Gemeinden und Gemeindeverbanden die zur Durchfuhrung ihrer eigenen und der iibertragenen Aufgaben erforderlichen Geldmittel imWege des Lasten- und Finanzausgleichs zu sichern. Er stellt ihnen fur ihre freiwillige offentliche Tatigkeit in eigener Verantwortung zu verwaltende Ein- nahmequellen zur Verfiigung."

d) Vorlaufige Niedersdchsische Verfassung vom 13. April 1951:

Art. 44 Abs. 4: ,,Den Gebietskorperschaften und den sonstigen offentlich- rechtlichen Korperschaften konnen durch Gesetz staatliche Aufgaben zur Erfiillung nach Anweisung iibertragen werden, wenn gleichzeitig Bestimmungen iiber die Deckung der Kosten getroffen werden."

Art. 45: ,,Das Land ist verpflichtet, den Gebietskorperschaften die zur Erfiil- lung ihrer Aufgaben erforderlichen Mittel durch ErschlieBung eigener Steuerquellen und im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfahigkeit durch ubergemeindlichen Finanzausgleich zur Verfugung zu stellen."

e) Verfassung fiir das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 1950:

Art. 78 Abs. 3: ,,Das Land kann die Gemeinden und Gemeindeverbande durch gesetzliche Vorschriften zur tJbernahme und Durchfuhrung bestimmter offentlicher Aufgaben verpflichten, wenn gleichzeitig Bestimmungen iiber die Deckung der Kosten getroffen werden."

Art. 79: ,,Die Gemeinden haben zur Erfiillung ihrer Aufgaben das Recht auf ErschlieBung eigener Steuerquellen. Das Land ist verpflichtet, diesem Anspruch bei der Gesetzgebung Rechnung zu tragen und im Rahmen seiner finanziellen Leistungs- fahigkeit einen ubergemeindlichen Finanzausgleich zu gewahrleisten."

f) Verfassung fiir Rheinland-Pfalz vom 18. Mai 1947:

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Verfassungsrechtliche Gewdhrleistung der gemeindlichen Finanzhoheit 273

Art. 49 Abs. 5: ,,Der Staat hat den Gemeinden und Gemeindeverbanden die zur Durchfuhrung ihrer eigenen und der ubertragenen Aufgaben erforderlichen Mittel imWege des Lasten- und Finanzausgleichs zu sichern. Er stellt ihnen fur ihre freiwillige offentliche Tatigkeit in eigener Verantwortung zu verwaltende Einnahme- quellen zur Verfugung."

g) Verfassung des Saarlandes vom 15. Dezember 1947 :

Art. 125: ,,Die Finanzhoheit der Gemeinden und Gemeindeverbande wird im Rahmen der Gesetze gewahrleistet.

Der Staat hat den Gemeinden und Gemeindeverbanden die zur Durchfiihrung der ubertragenen Aufgaben erforderlichen Mittel im Wege des Lasten- und Finanz- ausgleiches zu sichern."

h) Landessatzung fur Schleswig-Holstein vom 13. Dezember 1949:

Art. 40: ,,Die Gemeinden und Gemeindeverbande fuhren ihre Haushaltswirt- schaft im Rahmen der Gesetze unter eigener Verantwortung."

Art. 41: ,,Zur Erfullung ihrer Aufgaben flieBen den Gemeinden und Gemeinde- verbanden nach MaBgabe der Steuergesetze Einnahmen aus den Realsteuern und den sonstigen Kommunalsteuern zu."

Art. 42: ,,(1) Urn die Leistungsfahigkeit der steuerschwachen Gemeinden und Gemeindeverbande zu sichern und eine unterschiedliche Belastung mit Ausgaben auszugleichen, stellt das Land den Gemeinden und Gemeindeverbanden im Wege des Finanzausgleichs Mittel zur Verfugung.

(2) Soweit den Gemeinden und Gemeindeverbanden Aufgaben iibertragen werden, aus denen Ausgaben erwachsen, ist die Bereitstellung der erforderlichen Mittel zu regeln."

2. Die vorstehend unter 1 wiedergegebenen Vorschriften der Landesver- fassungen waren bisher nur zu einem kleinen Teil Gegenstand oberstrichter- licher Entscheidungen. In einer grofleren Anzahl der vorhandenen Entschei- dungen hoher Gerichte zu Problemen des gemeindlichen Finanzwesens im allgemeinen und der gemeindlichen Finanzhoheit im besonderen wird die Frage aufgeworfen und beantwortet, ob und bejahendenfalls inwieweit die grund- gesetzliche Gewdhrleistung der kommunalen Selbstverwaltung in Art. 28 Abs. 2 GG1*2 fur das Finanzwesen der Gemeinden bedeutsam ist. Allerdings wird diese Frage von den Gerichten nur selten allgemein gestellt und gepriiffc; zumeist werden von ihnen nur Teilprobleme aus jenem Fragenbereich erortert. Vor allem fehlt es bisher an Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur

1 ,,Den Gemeinden muB das Recht gewahrleistet sein, alle Angelegenheiten der ortlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbande haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenberei- ches nach MaBgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung." 2 Aus den Landesverfassungen kommen als entsprechende Bestimmungen in Betracht: Art. 71 Abs. 1 Satze 1 und 2 der Baden-Wurttembergischen, Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der Bayerischen, Art. 144 Satz 2 der Bremischen, Art. 137 Abs. 3 Satz 1 der Hessischen, Art. 44 Abs. 1 der Niedersachsischen, Art. 78 Abs. 1 der Nordrhein-West- falischen, Art. 49 Abs. 3 Satz 1 der Rheinland-Pfalzischen und Art. 122 der Saar- landischen Verfassung.

18 Finanzarchiv N. F. 27 Heft 1-2

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274 Friedrich Klein

gemeindlichen Finanzhoheit, wohingegen dieses Gericht zur weitgehend ent- sprechenden ,,Personalhoheit" der Gemeinden im Rahmen des Art. 28 GG schon mehrfach Stellung genommen hat1.

II

Allgemeine Aussagen zur gemeindlichen Finanzhoheit finden sich bisher zwar nicht in Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, wohl aber in solchen von Landesverfassungsgerichtshofen und von hohen Verwaltungs- gerichtshofen von Bund und Landern, so des Bundesverwaltungsgerichts, des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, des Verfassungsgerichtshofs Nordrhein- Westfalen, des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs, des Wiirttemberg-Badi- schen Verwaltungsgerichtshofs und des Oberverwaltungsgerichts Mtinster.

1. Da das Bundesverfassungsgericht sich zur gemeindlichen Finanzhoheit noch nicht geauBert hat, mtissen sich die anderen Gerichte und die Rechts- lehre bei der Auslegung des dafiir mittelbar in Betracht kommenden Art. 28 Abs. 2 GG und der das gemeindliche Finanzwesen unmittelbar und ausdriick- lich betreffenden Vorschriften der Landesverfassungen mit der Heranziehung einiger weniger bundesverfassungsgerichtlicher Entscheidungen begniigen, welche die Auslegung der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie iiberhaupt betreffen.

a) Im Vrteil (sogenanntes ,,Offenbach-Urteil") des Ersten Senats vom 20. Mdrz 1952 - 1 BvR 267 /512, das in dem Verfahren iiber die - zuriick- gewiesene - Verfassungsbeschwerde der Stadt Offenbach am Main gegen die §§ 11 bis 18 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhaltnisse der unter Art. 131 GG fallenden Personen vom 11. Mai 1951 (BGB1. 1 S. 307) ergangen ist, hat das Gericht im Rahmen von Darlegungen zur gemeindlichen Personal- hoheit ohne speziellen Bezug auf die Finanzhoheit der Gemeinden ausgeflihrt:

,,Die Gesamtheit der Normen und Grundsatze, die den historisch gewordenen Begriff der Selbstverwaltung ausmachen, kann nicht in dem Sinne als unabanderlich gelten, daB sie in keiner Hinsicht und zu keiner Zeit in ihrem Bestande angetastet werden diirfte. GewiB ist ein bestimmter Kern der Selbstverwaltung gegen jede gesetzliche Schmalerung gesichert. Aber es gibt Erscheinungsformen der Selbstver- waltung, die sich in besonderen Notlagen gewisse Einschrankungen gefallen lassen mussen. Der MaBstab, an dem die Zulassigkeit solcher Eingriffe in die Selbstver- waltung zu messen ist, kann kein einheitlicher sein; er andert sich nach den beson- deren Bedurfnissen der Zeit. Was in ruhigen, verwaltungsmaBig unproblematischen Verhaltnissen bereits als unzulassiger Eingriff beanstandet werden miiBte, muB, wenn es sich um die rasche Behebung auBerordentlicher Notstande handelt, als tragbar und sogar geboten angesehen werden. Zu fordern ist lediglich, daB solche ungewohnlichen Eingriffe in der Form des Gesetzes vorgenommen und daB sie auf das zeitlich und sachlich unbedingt Notwendige begrenzt werden."

1 Beginnend mit dem unten unter II 1 a genannten Urteil des Ersten Senats vom 20. Marz 1952 - 1 BvR 267/51. - Vgl. zuletzt den BeschluB des Zweiten Senats vom 26. November 1963 - 2 BvL 12/62 - E 17, 172-188 = DVB1. 1964 S. 269-271 = JZ 1964 S. 288-290 = NJW 1964 S. 491-493 (mit Anm. der Schriftleitung). a J£ 1, 167-184 (178) = DOV. 1952 ». 50y (nur .Leitsatze) = U'm. iy&Z ». 583 = JZ 1952 S. 312 (nur Leitsatze) = NDRZ 1952 S. 93 = NJW 1952 S. 577/78 (mit Anm. der Schriftleitung) = StT. 1952 S. 187.

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Verfassungsrechtliche Oewdhrleistung der gemeindlichen Finanzhoheit 275

b) Im Beschlufi des Zweiten Senats vom 29. April 1958 - 2 BvL 25/561, der in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Priifung des § 12 Abs. lb des nordrhein-westfalischen Gesetzes iiber die Anderung beamtenrechtlicher Vorschriften und zur Anpassung des Landesrechts an die Vorschriffcen des Bundesgesetzes zur Regelung der Rechtsverhaltnisse der unter Art. 131 GG fallenden Personen vom 11. Mai 1951 (BGB1. I S. 307) - Anderungs- und Anpassungsgesetz - vom 15. Dezember 1952 (GVB1. S. 423) auf denVorlage- beschluB des Landesverwaltungsgerichts Diisseldorf vom 3. November 1955 - 2 K 221/54 - ergangen ist, hat das Bundesverfassungsgericht ausgefuhrt:

,,Selbstverwaltung ist insoweit ein geschichtlich gewordener Begriff, als historischen Entwicklungen in einem gewissen AusmaB bei der Bestimmung dessen Rechnung getragen werden muB, was unter dem Wesen der Selbstverwaltung zu ver- stehen ist...2. Die verfassungsrechtliche Garantie des Art. 28 Abs. 2 GG. schlieBt daher eine Regelung nicht aus, die auf Grund der geschichtlichen Entwicklung des Kommunalrechts als mit dem Wesen der Selbstverwaltung vereinbar angesehen wird."

c) Im Beschlufi des Zweiten Senats vom 12. Juli 1960 - 2 BvR 373, 442/603, der in dem Verfahren iiber zwei Verfassungsbeschwerden gegen § 25 Abs. 2 Satz 1 des Saarlandischen Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes (Kommunal- wahlgesetz) vom 9. Februar 1960 (AB1. S. 101) ergangen ist, hat das Bundes- verfassungsgericht ausgefuhrt:

,,Die Bestimmung des Art. 28 Abs. 2 GG. ,,unterscheidet sich von Art. 127 WRV. nur dadurch, daB sie den Begriff der Selbstverwaltung in ihrem ersten Satz naher umschreibt und das Prinzip der Allzustandigkeit in diese Umschreibung auf- nimmt...4.

Welche der Normen und Grundsatze, die den geschichtlich gewordenen Begriff der Selbstverwaltung inhaltlich naher bestimmen, sich auf den verfassungsrechtlich garantierten, gegen jede gesetzliche Schmalerung geschiitzten Kernbereich beziehen, war bereits unter der Herrschaft des Art. 127 WRV. streitig und ist heute im Rah- men des Art. 28 GG. im einzelnen streitig geblieben.

Einigkeit besteht nur dariiber, daB bei der Bestimmung dessen, was zum Wesen der Selbstverwaltung gehort, der geschichtlichen Entwicklung und den verschie- denen historischen Erscheinungsformen der Selbstverwaltung in einem gewissen AusmaB Rechnung getragen werden muB 5

a) Die Anfange der modernen Selbstverwaltung sind unlosbar mit der Stein- schen preuBischen Stadteordnung vom 19. November 1808 verkmipfb. Ihr Ziel war

1 E 7, 358-367 (364) = BayVerwBl. 1958 S. 274 = DOV. 1961 S. 394 (nur Leit- satze) = DVBL 1958 S. 704 = MDR 1958 S. 576 = NJW 1958 S. 1083/84 (mit Anm. der Schriftleitung) = ZBR. 1958 S. 204/5. 2 Das Bundesvertassungsgencht verweist hier aut sein oben unter a) genanntes Urteil vom 20. Marz 1952 sowie u.a. auf die unten unter 3 c) genannte Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes Nordrhein-Westfalen vom 7. Juli 1956.

8 E 11, 266-277 (273-276) = DOV. 1960 S. 705-707 = DVBl. 1960 S. 632-634 = JZ 1960 S. 634/35 (mit Anm. von Klaus Otto Nass) = NJW 1960 S. 1755/56 (mit Anm. der Schriftleitung) und 2283 = VerwRspr. Bd. 13 (1961) S. 260-264. 4 Das Bundesverfassungsgericht verweist hier auf BVerfGE 1, 167 (174f.) - vgl. oben unter a). 5 Das Bundesverfassungsgericht verweist hier auf BVerfGE 1, 167 (178) - vgl. oben unter a); 7, 358 (364); 8, 332 (359); VerfGH Nordrhein-Westfalen in OVGE 9, 74 (83) und 11, 149 (150) - vgl. unten unter 3c.

18*

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276 Friedrich Klein

es, das burgerliche Element enger mit dem Staate zu verbinden, den Gegensatz zwischen Obrigkeit und Untertan zu mildern und durch selbstverantwortliche Beteiligung der Biirgerschaft an der offentlichen Verwaltung in der Kommunalebene den Gemeinsinn und das politische Interesse des Einzelnen neu zu beleben und zu kraftigen.

Angesichts der Restauration benutzte das aufstrebende liberale Burgertum die Selbstverwaltung als politische Waffe gegen den Staat und als Mittel, die Staatsauf- sicht in diesem Bereich auf die Kontrolle der GesetzmaBigkeit der Verwaltung zu beschranken.

Der immer scharfer zutage tretende Gegensatz zwischen dem monarchischen Obrigkeitsstaat und der fortschreitend sich demokratisierenden Selbstverwaltung verlor erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts an Scharfe, als es dem Burgertum mit der allgemeinen Einfuhrung des Konstitutionalismus gelang, sich einen entscheiden- den EinfluB auf das staatliche Geschehen zu sichern.

b) Mit dem tJbergang vom Kaiserreich zurWeimarer Republik wurde der alte politische Gegensatz zwischen Staats- und Kommunalverwaltung durch die Ein- fuhrung des parlamentarischen Systems in Reich und Landern und die Ausdehnung der Grundsatze des Reichstagswahlrechts auch auf die Gemeindewahlen (Art. 17 Abs. 2 Satz 1 WRV.) weiter eingeebnet. Der Begriff der Selbstverwaltung wurde mehr auf mehr zu einem formalen Begriff und in zunehmendem Mafie dazu ver- wendet, den legitimen Bereich der iiberortlichen Staatsverwaltung von dem der Lokalverwaltung abzugrenzen1.

Die Ausdehnung derWahlrechtsgrundsatze der allgemeinen, gleichen, unmittel- baren und geheimenWahl sowie der Grundsatze des Verhaltniswahlrechts im Gefolge der fortschreitenden Egalisierung und Demokratisierung des politischen Lebens auf die Gemeindewahlen nahm der kommunalen Verwaltung in steigendem MaBe den fur das 19. Jahrhundert typischen Charakter der Honoratiorenverwaltung und fuhrte schlieBlich zu einer Vormachtstellung der politischen Parteien auch in diesem Bereich.

c) Unter der Herrschaft des nationalsozialistischen Regimes wurde die Selbst- verwaltung gleichgeschaltet und damit ihrer Substanz beraubt. Die Einfuhrung des Fuhrerprinzips und die Beschrankung der Zustandigkeiten der Gemeindevertretun- gen auf beratende Funktionen machten die ,Selbstverwaltung' zu einer bloBen Ver- waltungsform des zentralistisch gesteuerten Einheitsstaates.

d) Demgegeniiber sind Kommunalverfassungsrecht und -wirklichkeit seit dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes unter Anknupfung an die Tradition derWeimarer Zeit von der Tendenz gepragt, dem Gedanken des Selbst- bestimmungsrechts der Gemeindeburger vor allem durch eine Erweiterung der Zustandigkeiten der Kommunalvertretungen wieder in starkerem MaBe zum Durchbruch zu verhelfen. . .2. Kommunale Selbstverwaltung - wie sie heute verstan- den wird - bedeutet ihrem Wesen und ihrer Intention nach Aktivierung der Beteilig- ten fur ihre eigenen Angelegenheiten, die die in der ortlichen Gemeinschaft leben- digen Krafte des Volkes zur eigenverantwortlichen Erfiillung offentlicher Aufgaben der engeren Heimat zusammenschlieBt mit dem Ziel, das Wohl der Einwohner zu fordern und die geschichtliche und heimatliche Eigenart zu wahren. . A Die ortliche Gemeinschaft soil nach dem Leitbild des Art. 28 GG ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und in eigener Verantwortung solidarisch gestalten...4".

d) Im Beschlufi des Zweiten Senats vom 26. November 1963 - 2 BvL 12/626, der in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Priifung des § 84 Abs. 2

1 Das Bundesverfassungsgericht verweist hier auf Hans Peters: Grenzen der kommunalen Selbstverwaltung in PreuBen, Berlin 1926, S. 5ff.

8 Das Jttundesvertassungsgericht verweist nier aul ±JVenu±!J 7, loo (ib/). 8 Das Bundesverfassungsgericht verweist hier auf Hans Peters: Lehrbuch der Verwaltung, ... 1949, S. 292. 4 Das Bundesverfassungsgericht verweist hier auf A.Kottgen: Sicherung der gemeindlichen Selbstverwaltung, . . . 1960, S. 9. 5 E 17, 172-188 (182) = AF Art. 28 UU JNr. 2 = ±JayVerwJ51. 1964 B. 15U-15Z

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Verfassungsrechtliche Gewdhrleistung der gemeindlichen Finanzhoheit 277

Satz 1 des baden-wurttembergischen Polizeigesetzes vom 21. November 1955 (GesBl. S. 249) auf Vorlage des Verwaltungsgericlitshofs Baden-Wiirttemberg, 4. Senat (Mannheim), vom 23. Juni 1962 - IV 121/60 ergangen ist, hat das Bundesverf assungsgericht ausgef iihrt :

,,Nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG kann aber nicht die Gesamtheit der Normen und Grundsatze, die den historisch gewordenen, gemeindeutschen Begriff der Selbstverwaltung inhaltlich naher bestimmen, als unabanderlich gelten...1. Be- schrankungen der Selbstverwaltung der Gemeinden sind mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbar, wenn sie deren Kernbereich unangetastet lassen. . .2. Bei der Bestim- mung dessen, was zu dem Bereich gehort, der durch die Verfassung gegen jede gesetzliche Schmalerung gesichert ist, muB der geschichtlichen Entwicklung und den verschiedenen historischen Erscheinungsformen der Selbstverwaltung Rech- nun getragen werden. . ."3.

e) Eine Zusammenstellung der Grundsatze, die in den vorstehend unter a) bis d) wiedergegebenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts enthalten sind, ergibt: Das Gericht hat bisher die folgenden Grundsatze zur verfassungsrechtlichen Gewahrleistung der gemeindlichen Selbstverwaltung entwickelt:

1. Selbstverwaltung ist insoweit ein geschichtlich gewordener Begriff, als geschichtlichen Entwicklungen in einem gewissen AusmaB bei der Bestim- mung dessen Kechnung getragen werden muB, was unter dem Wesen der Selbstverwaltung zu verstehen ist.

2. Nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG ist ein bestimmter Kern der Selbstver- waltung der Gemeinden und nach Satz 2 ebenda ein bestimmter Kern der Selbstverwaltung der Gemeindeverbande gegen jede gesetzliche Schmalerung gesichert.

3. Die Gesamtheit der Normen und Grundsatze, die den geschichtlich gewordenen, gemeindeutschen Begriff der Selbstverwaltung inhaltlich naher bestimmen und ausmachen, kann nicht in demSinne als unabanderlich gelten, daB die Selbstverwaltung in keiner Hinsicht und zu keiner Zeit in ihrem Bestand angetastet werden dtirfte.

4. Beschrankungen der Selbstverwaltung der Gemeinden und Gemeinde- verbande sind mit Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar, wenn sie deren Kern unange- tastet lassen.

5. Bei der Bestimmung dessen, was zu dem Bereich gehort, der durch die Verfassung gegen jede gesetzliche Schmalerung gesichert ist, muB der ge- schichtlichen Entwicklung und den verschiedenen geschichtlichen Erschei- nungsformen der Selbstverwaltung Rechnung getragen werden.

= BaWiiVBl. 1964 S. 25 = DVB1. 1964 S. 269-271 = JZ 1964 S. 288-290 = MDR 1964 S. 387 (nur Leitsatze) = NJW 1964 S. 491-493 (mit Anm. der Schriftleitung) = RiA 1964 S. 60 = ZBR 1964 S. 109-113. 1 Das Bundesverfassungsgericht verweist hier auf BVerfGE 1, 167 (178) - vgl. oben unter a). 2 Das Bundesverfassungsgericht verweist hier auf BVerfGE 1, 167 (175, 178) - vgl. oben unter a); 7, 358 (364); 8, 332 (359); 9, 268 (290); 11, 266 (274) - vgl. oben unter c). 3 Das Bundesverfassungsgericht verweist hier auf BVerfGE 11, 226 (274) - vgl. oben unter c).

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278 Friedrich Klein

2. Das BundesverwaUungsgericht hat sich schon mehrfach mit der gemeindlichen Finanzhoheit befaBt und sie als durcli Art. 28 Abs. 2 GG gewahrleistet angesehen. In "Dbereinstimmung mit der sonstigen Rechtspre- chung umschreibt es Begriff und Umfang der kommunalen Finanzautonomie nicht positiv, sondern deutet nur negativ an, was mit ihr nicht vereinbar ist. Von besonderer Bedeutung ist sein Urteil vom 12. Juni 1959 - VII C 92/571, in dem es in einer mehr grundsatzlichen Stellungnahme zur gemeindlichen Finanzhoheit heiBt:

,,Art. 28 Abs. 2 GG gewahrleistet den Gemeinden die Selbstverwaltung im Rahmen der Gesetze. Daraus kann man folgern, daB der Staat die finanzielle Basis der Gemeinden nicht in einem Umfange schmalern darf, daB dadurch die Gemein- den zur Erfiillung ihrer Aufgaben auBerstande gesetzt werden. Es kann jedoch keine Rede da von sein, daB die Entziehung der Schliisselzuweisungen. . . die Erfiillung der Aufgaben der finanzstarken Gemeinden wesentlich beeintrachtigt."

Andere Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, auf die in anderem Zusammenhang noch einzugehen sein wird,2 enthalten keine so grundsatzliche Aussage zur gemeindlichen Finanzhoheit, sondern beschaffci- gen sich mit Teilfragen aus diesem Problembereich.

3. Von grundsatzlicher Bedeutung fiir die hier in Rede stehende Proble- matik sind weiterhin die folgenden Erhenntnisse anderer Gerichte:

a) Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 18. Januar 1952 - Vf . 97 - VII - 503 in der Sache: Antrag des Landkreises Hof/Saale auf Fest- stellung der Verfassungswidrigkeit4 des § 1 Ziff. 1 und des § 3 des Gesetzes zur Anderung des Gesetzes iiber den Finanzausgleich zwischen Staat, Gemeinden und Gemeindeverbanden vom 6. April 1950 (GVB1. S. 61):

,,Der Staat hat schon im allgemeinen die Verpflichtung, im Rahmen seiner finanziellen Moglichkeiten den innerstaatlichen Finanzausgleich jeweils so zu gestal- ten, daB die finanzielle Lebensfahigkeit der Gemeinden und Gemeindeverbande erhalten wird. Diese Verpflichtung folgt aus der Tatsache, daB der Staat die Selbst- verwaltung und die finanzielle Eigenverantwortlichkeit der kommunalen Korper- schaften gewahrleistet. Dies ist beziiglich der Landkreise zuletzt in Art. 1 der Land- kreisordnung vom 16. Februar 1946 (GVB1 S. 229) und in Art. 10 BV geschehen. Nach ersterer Bestimmung sind die Landkreise Korperschafben des offentlichen Rechts mit dem Recht der Selbstverwaltung nach MaCgabe der Gesetze. Nach der zweigenannten Bestimmung besteht fiir das Gebiet jeden Bezirkes (damit sind hier, wie aus Art. 9 Abs. 2 BV hervorgeht, die Landkreise und kreisunmittelbaren Stadte gemeint) ein Gemeindeverband als Selbstverwaltungskorper, der einen durch die Gesetzgebung bestimmten eigenenWirkungskreis hat und dem durch Gesetz weitere Aufgaben iibertragen werden konnen."

1 Buchholz : Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundes- verwaltungsgerichts (11) Art. 28 GG Nr. 11. 2 Vgl. unten unter III 2a) aa) bis cc), b) aa) und 3a). 3 Amtl. Big. n.F. ±Jd. 5 II. Teil JNr. 1 8. 1-13 (». y) = JJUV. 1952 ». 278/79. 4 Der Entscheidungssatz lautet: ,,§1 Zill. 1 und § d Abs. 1 15uchstabe a (letzte- rer soweit er sich auf § 1 ZifF. 1 bezieht) des Gesetzes zur Anderung des Gesetzes iiber den Finanzausgleich zwischen Staat, Gemeinden und Gemeindeverbanden vom 6. April 1950 (GVB1, S. 61) widersprechen nicht der Bayerischen Verfassung."

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Page 10: Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der gemeindlichen Finanzhoheit im Spiegel der Rechtsprechung

Verfassungsrechtliche Gewdhrleistung der gemeindlichen Finanzhokeit 279

b) Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 3. Juni 1959 -

Vf 1, 24 - VII - 521 iiber die - als unbegriindet abgewiesenen - Antrage einiger Stadte und Landkreise auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit von Vorschriften des Dritten Gesetzes zur iinderung des Gesetzes iiber den Finanzausgleich zwischen Staat, Gemeinden und Gemeindeverbanden vom 16. Oktober 1951 (GVB1. S. 197):

,,Die Gemeinden (Gemeindeverbande) konnen diesen Aufgaben im eigenen und im iibertragenen Wirkungskreis nur gerecht werden, wenn sie im Rahmen einer selbstandigen Haushaltswirtschaft (Art. 83 Abs. 2 Satz 1, Abs. 6 BV) iiber die erfor- derlichen Finanzmittel verfiigen. Aus der verfassungsmaBigen Gewahrleistung der Selbstverwaltung und finanziellen Eigenverantwortlichkeit der kommunalen Kor- perschaften (vgl. auch Art. 28 Abs. 2 GG) ergibt sich fur den Staat allgemein die Verpflichtung, im Rahmen seiner finanziellen Moglichkeiten den innerstaatlichen Finanzausgleich jeweils so zu gestalten, daB die finanzielle Lebensfahigkeit der Gemeinden und Gemeindeverbande erhalten wird...2. Es ist dabei in erster Linie sicherzustellen, daB die Gemeinden (Gemeindeverbande) im Rahmen und nach MaB- gabe der Gesetze die zur Deckung ihres Bedarfs erforderliohen Mittel sich moglichst eigenverantwortlich durch offentliche Abgaben (Steuern, Gebiihren, Beitrage) beschaffen konnen (Art. 83 Abs. 2 Satz 2, Abs. 6 BV). Dieser Verpflichtung wird dadurch Rechnung getragen, daB den Gemeinden durch Spezialgesetze bestimmte Steuern zur eigenen Erhebung und Verwaltung iibertragen sind und daB ihnen deren Ertrag iiberlassen ist ... Dariiber (namlich iiber die Erhebung von Steuern, Kreis- umlagen, Gebiihren und Beitragen sowie iiber staatliche Zuweisungen im Einzelfall oder laufende Zuschiisse gemaB Art. 83 Abs. 3 und 6 BV) hinaus verbleibt dem Staat die Verpflichtung, insoweit erganzend einzugreifen, als die eigenen Einnahmen der Gemeinden (Gemeindeverbande) - bei zumutbarer Ausschopfung aller Quellen einschlieBlich der Nutzungen des Gemeindevermogens - nicht ausreichen. Dabei muB unter Beriicksichtigung des verfassungsmaBig gewahrleisteten Selbstverwal- tungsrechts der Gemeinden (Gemeindeverbande) und der finanziellen Leistungs- fahigkeit des Staates der Finanzausgleich so gestaltet werden, daB die kommunalen Korperschaften ihre Funktionen ausiiben konnen. Mehr kann auf Grund der Art. 10 und 11 BV vom Staat nicht verlangt werden. Wie der Staat - unter Beriicksichtigung seiner Gesamteinnahmen und seiner eigenen iibrigen Aufgaben -dieser Verpflichtung gerecht wird, wie er mit anderen Worten den Finanzausgleich zwischen sich und den Gemeinden (Gemeindeverbanden) im einzelnen regelt, nach welchen MaBstaben er Schliissel- und Bedarfszuweisungen gewahrt, ist weitgehend in das gesetzgeberische Ermessen gestellt. Keinesfalls ist der Gesetzgeber dabei gehalten, die Gemeinden (Gemeindeverbande) nach MaBgabe des Aufkommens an einzelnen Steuern in den einzelnen Bezirken zu beteiligen; er kann allein auf den Bedarf der Gemeinden und Gemeindeverbande abstellen. Esbesteht auch kein AnspruchderGemeinden(Gemein- deverbande), daB ihnen bestimmte Steuern zugewiesen oder sonstige bestimmte Ein- nahmequellen eroffnet werden. Der Finanzausgleich zwischen dem Staat und seinen Gemeinden und Gemeindeverbanden kann nicht unabanderlich sein; er ist ein Teil der gesamten Staatsfinanzwirtschaft, kann nicht fiir sich allein eine starre GroBe bilden, sondern unterliegt wesensmaBig einem Wandel. Die Gemeinden und Ge- meindeverbande konnen deshalb auch nicht beanspruchen, daB ihnen eine einmal zugewiesene Steuermoglichkeit belassen wird oder daB die Merkmale, nach denen Zuweisungen gewahrt werden, unverandert bleiben."

c) Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. Juli 1956 - 5 /55s, das im Verfahren iiber Verfassungsbesch werden von kreisangehorigen

1Amtl. Slg. n.F. Bd. 12 II. Teil S. 48-64 (S. 55/56) = VerwRspr. Bd. 12 (1960) Nr.36 S. 134-147 = BayVerwBl. 1959 S. 251-254 = DOV. 1959 S. 701-704. 2 Der Verfassungsgerichtshof verweist hier auf seine oben unter a) wieder- gegebene Entscheidung. 3 Amtl. Slg. Bd. 11 S. 149-154 (S. 150 und 151-153) = DOV, 1956 S. 696/97 = DVB1. 1956 S. 722-724,

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Page 11: Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der gemeindlichen Finanzhoheit im Spiegel der Rechtsprechung

280 Friedrich Klein

Stadten gegen § 178 Abs. 2 des Beamtengesetzes fur das Land Nordrhein- Westfalen ergangen ist:

,,t3ber die rechtliche Bedeutung, den Inhalt und Umfang der in Art. 78 VerfNW enthaltenen institutionellen Garantie der Selbstverwaltung hat sich der Verfassungs- gerichtshof bereits in seinen Urteilen vom 21. 8. 1954 - VGH 3/53 . . -1 und 4. 2. 1956 - VGH 6/55 . . .2 ausgesprochen. Er hat den Sinn dieser Garantie dahin gedeutet, daB die essentialia des Begriffs der Selbstverwaltung gewahrleistet sind, wahrend die accidentalia gesetzlicher Regelung vorbehalten bleiben. Geschutzt ist hiernach der Wesensbestand der Selbstverwaltung, wie er sich nach der historischen Entwicklung darstellt8.

Das bedeutet weder eine absolute Garantie des bei Inkrafbtreten der Verfassung bestehenden Umfangs an Selbstverwaltungsrechten noch den AusschluB der Mog- lichkeit, daB sich damals bestehende Einschrankungen in Zukunft als selbstverwal- tungswidrig erweisen. Die historische Entwicklung dient vielmehr als Erkenntnis- quelle fur den Wesensbestand der Selbstverwaltung, der durch Art. 78 VerfNW gesichert werden soil; im Zweifel spricht die Vermutung dafiir, daB ein Eingriff in den beim Zustandekommen der Verfassung vorhandenen Bestand an Selbstverwal- tungsrechten eine Beeintrachtigung des garantierten Wesensbestandes darstellt. Dieser Wesensbestand darf nur eingeschrankt werden aus verstandigen Griinden im Interesse des bonum commune.

Ebenso wie die Personalhoheit gehort auch die Finanzhoheit zum essentiellen Kern der Selbstverwaltung. Sie stellt einen wesentlichen Teil der gemeindlichen Selbstverwaltung dar. Der gesetzliche Zwang zum Beitritt zu einer Versorgungskasse ist eine Beschrankung der gemeindlichen Finanzhoheit und damit ein Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht. Es wird dadurch der Gemeinde vorgeschrieben, eine ihr rechtlich obliegende Zahlungspflicht nicht nach ihrem eigenverantwortlichen Selbst- verwaltungsermessen, sondern nur auf eine staatlich fest bestimmte Art und Weise auszufuhren...

Es kommt nicht darauf an, ob eine das Selbstverwaltungsrecht einschrankende MaBnahme niitzlich oder zweckmaBig ist, sei es fur den Staat, sei es fur die Selbst- verwaltung, sei es fur andere Interessenten. Sie muB vielmehr, soil sie mit der Ver- fassung vereinbar sein, im Interesse des Gemeinwohls erforderlich sein, d.h. das Gemeinwohl muB Schaden leiden, wenn die MaBnahme nicht getroffen wird. Wiirde man vom Gesichtspunkt der reinen ZweckmaBigkeit ausgehen, so wiirde es bei dem groBen Spielraum des Ermessens kaum eine MaBnahme geben, die nicht aus Zweck- maBigkeitsgriinden unter Einschrankung des Wesensgehalts der Selbstverwaltung angeordnet werden diirfte. Dadurch wiirde Art. 78 VerfNW illusorisch werden. Da es sichhierbei jedoch um eine Vorschrift handelt, die eindeutig den Schutz des Selbstverwaltungsrechts zum Ziele hat, ihrer Aushohlung entgegenwirken und sie vor Beeintrachtigungen scbiitzen sowie in ihrem dem inneren Sinne und der histori- schen Entwicklung entsprechenden Bestand sichern will, so spricht im Zweifel die Vermutung gegen die Zulassigkeit von Einschrankungen, die nicht in der histori- schen Entwicklung begriindet sind.

Das Bundesverfassungsgericht hat...4 hinsichtlich der Personalhoheit der Gemeinden ausgefuhrt, Einschrankungen konnten bei einer besonderen Notlage

1 Amtl. Slg. Bd. 9 S. 74-84. 2 Amtl. Slg. Bd. 10 8. 282-292. 3 Vgl. Verwaltungsgerichtsnot JNorarnem-westiaien, luntscneiaung vom Z6. iviarz

1964 - 9/62 (KStZ. 1964 S. 124-126, S. 125): ,,Wie der Verfassungsgerichtshof schon wiederholt entschieden hat, ist die kommunale Selbstverwaltung kein Begriff a priori, sondern ein Inbegriff historisch entwickelter Bestimmungen, die nach Zeit und Ort wechseln konnen...Was im einzelnen zum Wesensbestand der verfassungs- maBig garantierten kommunalen Selbstverwaltung gehort, laBt sich nicht ein fur allemal festlegen." 4 Das Gericht verweist mer aut das oben unter 1 a) wiedergegebene Urteil, nennt aber als dessen Datum unrichtigerweise den 11. Mai 1951.

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Page 12: Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der gemeindlichen Finanzhoheit im Spiegel der Rechtsprechung

Verfassungsrechtliche Gewdhrleistung der gemeindlichen Finanzhoheit 281

gerechtfertigt sein, wenn sie auf das zeitlich und sachlich unbedingt Notwendige beschrankt seien. Jedoch werde der Wesensgehalt der Personalhoheit angetastet, wenn es sich nicht nur urn voriibergehende zur Behebung einer besonderen Not unerlaBliche und zeitlich begrenzte Beschrankungen handele. Diese Grundsatze miissen auch auf die Finanzhoheit der Gemeinden Anwendung finden. Auch bei dieser wird das Selbstverwaltungsrecht durch einen gesetzlichen EingrifF in seinem Wesensgehalt angetastet, wenn die wesensgemaBe Geltung und Entfaltung dieses Rechts in seinem bei Erlafi der Verfassung bestehenden Umfang starker eingeschrankt wiirde, als dies der sachliche AnlaB und Grund, der zu dem Eingriff gefuhrt hat, unbedingt zwingend gebietet. Ein iiber den historisch begriindeten Zustand hinaus- gehender EingrifF darf nur bei zwingender Notwendigkeit und in dem nach Lage der Sache geringstmoglichen Umfang vorgenommen werden und muB zugleich von dem Bestreben geleitet sein, dem Selbstverwaltungsrecht gleichwohl grundsatzlich und in weitestmoglichem Umfang Raum zu lassen.

Nicht das ist entscheidend, was nach der Beschrankung von dem Selbstver- waltungsrecht iiberhaupt iibrigbleibt, sondern es kommt auf den Zweck der Be- schrankung an, wobei grundsatzlich zu beachten ist, daB unter Umstanden eine Haufung von einzelnen an sich ,verstandigen' Einschrankungen im Gesamtbild sogar zu einer Verletzung des Kerns der Selbstverwaltung fuhren kann...1. Nur dann sind iiber die bisherige historische Entwicklung hinausgehende Eingriffe in das Selbstverwaltungsrecht mit dessen verfassungsmaBiger Garantie vereinbar, wenn far sie ,verstandige' Griinde vorliegen und das Gemeinwohl anders nicht gesichert wer- den kann. Sonst konnten einer allmahlichen Aushohlung der Selbstverwaltung Tur und Tor geoffnet werden."

d) Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 30. Mai 1960 - OS V 167/57*:

,,Wann der Wesensgehalt der Selbstverwaltung angetastet ist, richtet sich nach der zeitbedingten Art der einzelnen Selbstverwaltungsaufgaben; allgemeine Regeln lassen sich hierfur nicht aufstellen...3. Zulassig ist es jedenfalls, daB der Staat die Innehaltung der die Grundlagen der Selbstverwaltung bildenden Gesetze und die MaBnahmen der Kommunen auf dem Gebiete der Personalhoheit, Finanzhoheit usw. iiberwacht. DaB diese Hoheitsrechte zum essentiellen Kern der Selbstverwaltung gehoren, wird dadurch nicht bezweifelt. Die eigene Verantwortung schlieBt eine Staatsaufsicht nicht aus . . .4.

e) Wiirttemberg-Badischer Verwaltungsgerichtshof - Senat Karlsruhe -

Beschlufi vom 30. Januar 1951 -3K 74/505:

,,Die Gemeinden im Landesbezirk Baden sind befugt, in ihrem Hoheitsgebiet ortliche Abgaben zu erheben, soweit dem nicht bundes- oder landesrechtliche Vor- schriften entgegenstehen6. Das Recht und die Pflicht zu hoheitlicher Verwaltung

1 Das Gericht verweist hier auf das oben S. 280 zu FuBnote 1 genannte Urteil. 2 VerwRspr. Bd. 14 (1963) Nr. 115 S. 420-430 (S. 423). 3 Das Gericht verweist hier auf BVerfGE 1, 167 (vgl. oben unter la); Henrichs

in DVB1. 1954 S. 728; von Mangoldt-Klein : GG, Art. 28, Anm. IV 1. 4 Das Gericht verweist hier auf BVerfGE 1, 167 (vgl. oben unter la); 7, 358;

BVerwGE 2, 329; 3, 127; 6, 19; 6, 101; Hamann: GG, Anm. 5 zu Art. 28; von Man- goldt-Klein: GG, Art. 28, Anm. IV 1; Maunz-Ditrig: GG, Anm. Ill 8 und 9 (S. 32 und 33) ; ferner auf die in diesen Erlauterungsbtichern angefuhrten Rechtsprechungs- und Schrifbtumshinweise.

5 Amtl. Slg. Bd. 1 (1952) S. 151-161 (S. 153/54) = VerwRspr. Bd. 3 (1951) Nr. 78 S. 355-365 = A6R. Bd. 77 (1951/52) S. 345-355 (S. 346/47; mit Anm. von Gerhard Wacke S. 355-361) = DVB1. 1951 S. 288-292.

6 Dieser Satz ist in Sperrdruck hervorgehoben.

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Page 13: Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der gemeindlichen Finanzhoheit im Spiegel der Rechtsprechung

282 Friedrich Klein

enthalt bereits begrifflich die Befugnis, die zur Erfullung dieser Aufgabe erforder- lichen Mittel von den Gewaltunterworfenen zu erheben. Ob man darin bei den Gemeinden die Auswirkung eines urspriinglichen ,pouvoir municipal' oder nur die Folge einer vom Staat verliehenen Hoheitsgewalt sehen will, bedarf hier ebenso- wenig einer Erorterung, wie die Frage, ob die in Art. 28 II und in Art. 98 der Ver- fassung fur Wiirtt. -Baden erneuerte Gewahrleistung der gemeindlichen Selbstver- waltung diese Befugnis an sich umschlieBt; denn die beiden grundgesetzlichen1 Vor- schriften gewahrleisten diese Selbstverwaltung nur ,im Rahmen der Gesetze', so daB es in jedem Falle auf die positiv rechtliche Regelung ankommt. Immerhin folgert der Gerichtshof aus dieser Gewahrleistung, daB die Fragestellung dahin zu richten ist, ob und inwieweit diese positive Gesetzgebung die Erhebung einer Abgabe ver- bietet, nicht dahin, ob und inwieweit sie sie zulaBt."

f) Oberverwaltungsgericht Mitnster, Urteil vom 15. Januar 1957 - III A 1365/532:

,,Nach Art. 79 LV haben die Gemeinden zur Erfullung ihrer Aufgaben das Recht auf ErschlieBung eigener Steuerquellen, und das Land ist verpflichtet, diesem Anspruch bei der Gesetzgebung Rechnung zu tragen und im Rahmen seiner finan- ziellen Leistungsfahigkeit einen ubergemeindlichen Finanzausgleich zu gewahr- leisten. Das Recht auf ErschlieBung eigener Steuerquellen bedeutet nicht, daB die Gemeinden aus eigenem Recht die Erhebung bestimmter Steuern beschlieBen kon- nen. Es bedarf vielmehr zur ,ErschlieBung' eines Landesgesetzes . . . 3. In welcher Weise das Land diesem Anspruch der Gemeinden bei der Gesetzgebung Rechnung tragt, ist allein der EntschlieBung des Landesgesetzgebers uberlassen...4. Wenn das Land verpflichtet ist, dem Anspruch der Gemeinden auf ErschlieBung eigener Steuerquellen Rechnung zu tragen, so besagt das nicht, daB eine einmal erschlossene Steuerquelle nunmehr fur immer den Gemeinden verbleiben musse. Auch die schon erschlossene Steuerquelle unterliegt einer andernden Gesetzgebung des Landes...5. Art. 79 LV will die finanzielle Ausstattung, der die Gemeinden zur Erfullung ihrer Aufgaben bediirfen, verfassungsmaBig sicherstellen. Dem Sinn des Art. 79 LV wiirde es widersprechen, wenn das Land den Gemeinden eine Steuerquelle entziehen und hierdurch die Gemeinden finanziell so schwachen wiirde, daB die Erfullung ihrer Aufgaben gefahrdet ware. Das Finanzausgleichsgesetz 1951 6 widerspricht diesem Sinn des Art. 79 LV nicht. Es hat die Burgersteuerausgleichsbetrage den Gemeinden in ihrer Gesamtheit belassen. Wenn das Land bei der Verteilung dieser Betrage vom ,vertikalen' zum ,horizontalen' Finanzausgleich iibergegangen ist und der Vertei- lung, wie es dem Wesen des horizontalen Finanzausgleichs entspricht, Steuerkraft- Bedarfsmerkmale der einzelnen Gemeinden zu Grunde legt, so hat es hierbei dem Sinn des Art. 79 LV entsprechend darauf Riicksicht genommen, daB jede Gemeinde die zur Erfullung ihrer Aufgaben notwendigen finanziellen Mittel erhalt."

4. In diesen Zusammenhang gehort auch der Beschlufi des Wurttemberg- Badischen Verwaltungsgerichtshofs - Senat Karlsruhe - vom 30. Januar 1951 -

1 Es handelt sich nur bei Art. 28 Abs. 2 um eine ,,grundgesetzliche" Vorschrift! 2 Amtl. Slg. i5d. 12 ». 86-105 (S. y8-100) = KStZ. 1H57 S. 173-181. 3 Das Gericht verweist hier auf Vogels: Die Verfassung fur das Land Nordrhein-

Westfalen, Stuttgart und Koln 1951, S. 152; Getter- Kleinrahm: Die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, Gottingen 1950, S. 328. 4 Das Gericht befaBt sich hier mit den einschlagigen Ausfuhrungen, die Prof. Dr. Weber auf S. 19 seines Rechtsgutachtens vom 12. September 1955 iiber den Burgersteuerausgleich im Lande Nordrhein-Westfalen gemacht hat.

5 Das Gericht setzt sich hier mit der gegenteiligen Auffassung von Vogels, aaO., auseinander.

6 Nordrhein-westiahsches Gesetz zur Kegelung des jinanz- und JLastenaus- gleichs fur das Haushaltsjahr 1951 vom 3. August 1951 (GV NW S. 99).

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Verfassungsrechtliche Gewdhrleistung der gemeindlichen Finanzhoheit 283

3 K 74/501, in dem das Gericht jedoch zur Begriindung des Kernstiickes der gemeindlichen Finanzhoheit, des Besteuerungsrechtes, nicht einmal das Landesverfassungsrecht heranzieht, sondern sich mit Spezialvorschriften des einfachen Gesetzesrechts begniigt. Das Gericht nimmt ein ,,Steuererfindungs- recht" der Gemeinden an, das es aus § 15 Abs. 1 des Badischen Finanz- und Lastenausgleichsgesetzes vom 16. Juli 1943 ableitet, der f olgenden Wortlaut hat: ,,Die Gemeinden durfen Abgaben, zu deren Erhebung sie nicht ohne weiteres nach Reichs- oder Landesrecht befugt sind, nur mit Genehmigung des Minister iums des Innern und des Minister iums der Finanzen erheben." Das Gericht deutet sogar die Moglichkeit an, daB das Steuererfindungsrecht auch ohne besondere gesetzliche Anerkennung gilt. Es ftihrt aus:2

,,Es ist zuzugeben, daB der Grundsatz des Steuererfindungsrechts in der ersten Fassung3 unmiBverstandlicher zum Ausdruck kommt . . . 4. Indessen kann bei unbe- fangener Wurdigung des Wortlauts sowohl wie der Entwicklung, wohl kaum ein Zweifel daran bestehen, daB auch die heutige Fassung das Steuererfindungsrecht der Gemeinden aufrechterhalt. Sie statuiert es allerdings nicht so sehr ausdriicklich, als daB sie es voraussetzt, denn, wenn diese Bestimmung das Recht zur Erhebung gewisser Abgaben an die Genehmigung der beteiligten Ministerien bindet, so muB sie da von ausgehen, daB an sich die Erhebung solcher Abgaben zulassig ist: auch die Minister konnen nichts genehmigen, was nicht Rechtens beschlossen werden kann.

Schon die Fassung des § 2a des Steuerverteilungsgesetzes vom Jahre 1923 5 war eher als die Einschrankung eines im Sinne der eingangs genannten Grundsatze als selbstverstandlich anerkannten Rechts der gemeindlichen Hoheitsverbande auf- zufassen; diese Anerkennung entsprach auch durchaus der Stellung der Gemeinden nach der Staatsumwalzung vom Jahre 1918. Das gleiche gilt von der heutigen Fas- sung, wie denn iibrigens das Steuererfindungsrecht eine gesetzliche Anerkennung keineswegs nur im Lande Baden, sondern ebenso etwa in den Landern PreuBen (§ 13 preuB. Kommunalabgabenges.) und Bayern (Art. 7 bayer. Abgabenges.) gefunden hat und wie es moglicherweise selbst ohne eine solche ausdnickliche Aner- kennung auch in den iibrigen deutschen Landern gilt. Der Gerichtshof erblickt also in § 15 I des Gesetzes vom 16.7.1943, wie er dies beilaufig schon in seinem Urteil vom 30.9.1949, 67/49 (Benzinsteuer) zum Ausdruck gebracht hat, in der Tat die Grundlage eines gemeindlichen Steuererfindungsrechts."

Den gleichen Standpunkt hat der Wurttemberg-Badische Verwaltungs- gerichtshof - Senat Karlsruhe - in einem spateren Beschlufl vom 30. November 1951 -3 K 63/51 6 unter Bezugnahme auf den friiheren BeschluB noch einmal vertreten:

,,Der erkennende Senat hat schon in seiner Entscheidung vom 30. 1. 1951 das sog. Steuererfindungsrecht der Gemeinden bejaht. Auf die Begriindung dieses

1 Vgl. oben unter 3e. 2 AaU., S. 155. 8 Gemeint ist der wiedergegebene § 15 Abs. 1 des Finanz- und Lastenausgleichs-

gesetzes. 4 Der Gerichtshof verweist hier auf die Verhandlungen des Badischen Landtags 1923, Heft 538 der Drucksachensammlung S. 553, und das Urteil des Badischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. November 1928 Nr. 2 7/78, in: ,,Zeitschrift fur Badi- sche Verwaltung usw.", 1929, S. 169. 6 Diese Vorschrift lautete: ,,Die Gemeinden sind zur Erhebung ortlicher Ab- gaben berechtigt, soweit nicht reichs- oder landesrechtliche Vorschriften entgegen- stehen. - Die von den Gemeinden erlassenen Steuerordnungen bediirfen der Geneh- migung des Ministeriums des Innern und des Finanzministeriums." 6 Amtl. Slg. Bd. 1 S. 161-171 (S. 162/63).

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Page 15: Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der gemeindlichen Finanzhoheit im Spiegel der Rechtsprechung

284 Friedrich Klein

Beschlusses kann verwiesen werden. Das autonome Recht der Gemeinden, im Rah- men ihrer Selbstverwaltung Steuern zu setzen, wird auch von den Antragstellem nicht grundsatzlich bestritten."

5. Aus den vorstehend unter den Nrn. 2 bis 4 wiedergegebenen Gerichts- entscheidungen lassen sich u. a. die folgenden Grundsdtze, sei es in Gestalt von offiziellen Leitsatzen der Gerichte, sei es in wortlichem oder sinngemaBem Auszug aus den Entscheidungsgrunden, entnehmen:

La) ,,Ebenso wie die Personalhoheit gehort auch die Finanzhoheit zum essentiellen Kern der Selbstverwaltung. Sie stellt einen wesentlichen Teil der gemeindlichen Selbstverwaltung dar."1

b) Durch die Feststellung, daB der Staat die Innehaltung der die Grundlagen der Selbstverwaltung bildenden Gesetze und die MaBnahmen der Gemeinden auf dem Gebiete (auch) der Finanzhoheit iiberwacht, wird nicht bezweifelt, daB (auch) dieses Hoheitsrecht zum essentiellen Kern der Selbst- verwaltung gehort2.

c) ,,Die Finanzhoheit der Gemeinden fallt unter die in Art. 78 VerfNW ausgesprochene institutionelle Garantie des Wesensbestandes der gemeind- lichen Selbstverwaltung, wie er sich nach der historischen Entwicklung dar- stellt."3

2. a) ,,Ein Eingriff in den garantierten Wesensbestand ist nur zulassig, wenn das Gemeinwohl ihn zwingend erfordert, nicht aber aus reinen Zweck- maBigkeitsgriinden . " 4

b) Aus Art. 28 Abs. 2 GG ,,kann man folgern, daB der Staat die finan- zielle Basis der Gemeinden nicht in einem Umfange schmalern darf, daB dadurch die Gemeinden zur Erfiillung ihrer Aufgaben auBerstande gesetzt werden"5.

3. a) ,,Die historische Entwicklung bewirkt weder eine absolute Garantie des bei Inkrafttreten der Verfassung bestehenden Umfangs an Selbstverwal- tungsrechten, noch den AusschluB der Moglichkeit, daB sich damals beste- hende Einschrankungen in Zukunft als selbstverwaltungswidrig erweisen."6

b) ,,Im Zweifel spricht die Vermutung dafiir, daB ein Eingriff in den beim Zustandekommen der Verfassung vorhandenen Bestand an Selbstverwaltungs- rechten eine Beeintrachtigung des garantierten Wesensbestandes darstellt." 7

4. ,,Es bedeutet keine Verletzung von Art. 28 Abs. 2 GG bzw. von Art. 137 Hess. Verfassung, wenn der Staat die Innehaltung der die Grundlagen

1 Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. Juli 1956 - 5/55 (vgl. oben unter 3 c). 2 Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 30. Mai 1960 - OS V 167/51 (vgl. oben unter 3d und nachstehend unter 4). 3 Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. Juli 1956 - 5/55 (vgl. oben unter 3 c): Leitsatz 1. 4 Verfassungsgerichtshof NordrheinWestfalen, Urteil vom 7. Juli 1956 - 5/55 (vgl. oben unter 3 c): Leitsatz 5. 5 Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12. Juni 1959 - VII C 92/57 (vgl. oben unter 2). 6 Verfassungsgerichtshof NordrheinWestfalen, Urteil vom 7. Juli 1956 - 5/55 (vgl. oben unter 3 c): Leitsatz 2. 7 Verfassungsgerichtshof NordrheinWestfalen, Urteil vom 7. Juli 1956 - 5/55 (vgl. oben unter 3 c): Leitsatz 3.

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Verfassungsrechtliche Gewdhrleiskmg der gemeindlichen Finanzhoheit 285

der Selbstverwaltung bildenden Gesetze und die MaBnahmen der Kommunen auf dem Gebiete der Personalhoheit, Finanzhoheit usw. iiberwacht. Die eigene Verantwortung schlieBt eine Staatsaufsicht nicht aus."1

5. ,,Das Recht und die Pflicht zu hoheitlicher Verwaltung enthalt bereits begrifflich die Befugnis, die zur Erfullung dieser Aufgabe erforderlichen Mittel von den Gewaltunterworfenen zu erheben."2

6. a) ,,Die Gemeinden im Landesbezirk Baden des LandesWurttemberg- Baden sind befugt, in ihrem Hoheitsgebiet ortliche Abgaben zu erheben, soweit dem nicht bundes- oder landesrechtliche Vorschriften entgegenstehen (Steuerernndungsrecht) ; landesrechtlich ist die Erhebung einer gemeind- lichen Verkehrs- oder Verbrauchsteuer lediglich an die Genehmigung der Minister des Innern und der Finanzen gekniipffc."3

b) Die Gemeinden haben ein Steuerernndungsrecht4. 7. a) ,,Aus der Tatsache, daB der Staat die Selbstverwaltung und die

finanzielle Eigenverantwortlichkeit der kommunalen Korperschaffcen gewahr- leistet", folgt seine Verpflichtung, ,,im Rahmen seiner finanziellen Moglich- keiten den innerstaatlichen Finanzausgleich jeweils so zu gestalten, daB die finanzielle Lebensfahigkeit der Gemeinden und Gemeindeverbande erhalten wird."5

b) ,,Aus der verfassungsmaBigen Gewahrleistung der Selbstverwaltung und finanziellen Eigenverantwortlichkeit der kommunalen Korperschaffeen ergibt sich fur den Staat allgemein die Verpflichtung, im Rahmen seiner finanziellen Moglichkeiten den innerstaatlichen Finanzausgleich so zu gestal- ten, daB die finanzielle Lebensfahigkeit der Gemeinden und Gemeindever- bande erhalten wird. Wie der Staat dieser Verpflichtung gerecht wird, ist weitgehend in das Ermessen des Gesetzgebers gestellt. Dieser ist gehalten, die Gemeinden (Gemeindeverbande) nach MaBgabe des Aufkommens an ein- zelnen Steuern in den einzelnen Bezirken zu beteiligen, ihnen bestimmte Steuern zuzuweisen oder ihnen sonstige bestimmte Einnahmequellen zu eroffnen." 6

c) ,,Der Finanzausgleich zwischen dem Staat und seinen Gemeinden (Gemeindeverbanden) ist nicht unabanderlich. Diese konnen nicht bean- spruchen, daB ihnen eine einmal zugewiesene Steuermoglichkeit belassen wird oder daB die Merkmale, nach denen Zuweisungen gewahrt werden, unverandert bleiben." 7

1 Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 30. Mai 1960 - OS V 167/51 (vgl. oben unter 3d und vorstehend unter lb): Leitsatz. 2 Wiirttemberg-Badischer Verwaltungsgerichtshof, BeschluB vom 30. Januar 1951 - 3 K 74/50 (vgl. oben unter 3e). 8 Wurttemberg-Badischer Verwaltungsgerichtshof, BeschluB vom 30. Januar 1951 - 3 K 74/50 (vgl. oben unter 4): Leitsatz. 4 Wurttemberg-Badischer Verwaltungsgerichtshof, Beschliisse vom 30. Januar 1951 - 3 K 74/50 und 30. November 1951 - 3 K 63/51 (vgl. oben unter 4). 6 BayerischerVerfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 18. Januar 1952 - Vf. 97 - VII - 50 (vgl. oben unter 3a). 8 Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 3. Juni 1959 - Vf. 1, 24 - VII - 52 (vgl. oben unter 3b): Leitsatz 1. 7 Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 3. Juni 1959 - Vf . 1, 24 - VII - 52 (vgl. oben unter 3b): Leitsatz 2.

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286 Friedrich Klein

III

Wahrend die bisher auszugsweise wiedergegebenen oberstrichterlichen Entscheidungen allgemeine Anssagen zur gemeindlichen Finanzhoheit ent- halten, befassen sicli die im folgenden angefuhrten gerichtlichen Erkenntnisse iiberwiegend mit Teilausschnitten aus diesem Problembereich. Sie lassen sicli in drei Fallgrwpfen einteilen, die jeweils eine bestimmte Seite der kommuna- len Finanzen beriihren.

1. Zur ersten Kategorie gehoren diejenigen gerichtlichen Erkenntnisse, welche die Festsetzung der Gewerbesteuerhebesatze betreffen und dabei das Ermessen der Gemeinden betonen. Es handelt sich urn ein Urteil des Hessi- schen Verwaltungsgerichtshofs und einen BeschluB des Baden-Wurttem- bergischen Verwaltungsgerichtshofs .

a) Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat im Urteil vom 22. November 1962 -OSV 7/611 ausgefiihrt:

,,Den Gemeinden ist... die Erhebung von Gewerbesteuern nach einem von ihnen festzusetzenden Hebesatz durch Gesetz zugewiesen. Die Oemeinde beschlieBt im Rahmen des ihr zustehenden Rechtsetzungsrechts (Autonomie) in ihrer Haus- haltssatzung iiber die Steuersatze, nach denen Gewerbesteuern von ihr erhoben werden . . . 2. Die Festsetzung der Hebesatze der Realsteuern ist danach eine Ange- legenheit der ortlichen Gemeinschafb, die von der Gemeinde in eigener Verantwortung zu regeln ist; die Regelung erfolgt durch eigene ortliche Rechtsetzung. . .8. Im Lande Hessen ist diese Autonomie durch die Verfassung gewahrleistet (Art. 137 HV) . . . Die abgabenrechtliche Autonomie findet hinsichtlich der Gewerbesteuerhebesatze ihre Grenzen nur im Gesetz und Recht . . .*. Aus demWesen der gemeindlichen Autonomie folgt, daB die Gemeinde in der Bemessung der Gewerbesteuerhebesatze grundsatz- lich frei ist, sofern die Erhebung nicht gegen das Gesetz verstoBt oder als willkurlich anzusehen ist."

b) Der Baden-Wurttembergische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschlu/2 vom 30. Juli 1965 - I 404/64* ausgefiihrt:

,,Die Hebesatze der Gewerbesteuer . . . werden nach § 16 GewStG von der hebe- berechtigten Gemeinde im Rahmen des ihr zustehenden Rechtsetzungsrechts (Autonomie) jeweils fur ein Rechnungsjahr festgesetzt. Dieses Recht der Gemeinden zur Festsetzung der Hebesatze ist weder bundesrechtlich noch landesrechtlich naher begrenzt. Die Bemessung der Hebesatze steht mithin im Ermessen der Gemeinden, das seine Grenze ausschlieBlich in dem aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitendenWillkur- verbot findet...6"

1 VerwRspr. Bd. 15 (1963) Nr. 293 S. 977-982 (S. 977-979) = KStZ 1964 S. 103-105 (mit Datum vom 8. November 1962). 2 Das Gericht verweist hier auf die Ausfuhrungen des Bundesverwaltungs- gerichts Tiber Ermachtigung und Grenzen der Steuer- Autonomie der Gemeinden, insbesondere in verfassungsrechtlicher Hinsicht, im Urteil vom 7. Marz 1958 - VII C 84/57, BVerwGE 6, 247-270 = KStZ. 1958 S. 100-111.

8 Das Gericht verweist hier auf das in der vongen FuBnote angefuhrte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. 4 Das Gericht verweist hier auf die Ausfuhrungen zur Autonomie der Gemein- den in dem in der vorvorigen FuBnote angefuhrten Urteil des Bundesverwaltungs- gerichts. 6 Amtl. Sle. Bd. 15 S. 193-198 (S. 196/97). 6 Das Gericht verweist hier auf das unten unter 2 a) bb) wiedergegebene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts und die dort angezogene Rechtsprechung, insbeson- dere auch des Bundesverfassungsgerichts.

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Verfassungsrechtlicke Gewdhrleistung der gemeindlichen Finanzhoheit 287

2. Eine zweite Gruppe bilden diejenigen Falle, in denen der Staat den Gemeinden Zahlungs- oder sonstige Leistungspflichten auferlegt und dadurch die finanzielle gemeindliclie Ausstattung beeintrachtigt.

a) Um die Auferlegung von Beitrags-, TJmlage- oder Reinigungspflickten handelte es sich in den folgenden drei vom BundesverwaltungsgericM ent- schiedenen Fallen:

aa) Vrteil vom 22. November 1957 - VII C 69/571:

,,Da ferner der unantastbare Kern der Selbstverwaltung nur dann beriihrt ist, wenn durch Einschrankung des Aufgabenbereichs oder durch iibermaBige Ein- schrankung der eigenverantwortlichen Fiihrung der Geschafbe die Gefahr einer Aus- hohlung der Selbstverwaltung herbeigefuhrt wird, kann keine Kede davon sein, daB durch die Verpflichtung zur Zahlung eines Beitrages von 4000 DM jahrlich der Kern der Selbstverwaltung des Klagers2 angetastet wird."

bb) Urteil vom 18. Mdrz 1960 - VII 0 106/59* in einem Kechtsstreit, in dem eine kreisangehorige Stadt vom Kreis eine Minderbelastung mit Kreis- umlage, also deren Herabsetzung, verlangte. Das Bundesverwaltungsgericht betrachtet die Klage als AusfluB sogenannter ,,Kreismiidigkeit" eines Teils der kreisangehorigen Stadte, insbesondere der groBeren Kreisstadte, die vor allem dadurch hervorgerufen werde, daB sich die kreisangehorigen Stadte im Kreisverband finanziell benachteiligt fiihlten, weil die Kreisumlagen die groBeren kreisangehorigen Gemeinden verhaltnismaBig starker belasteten als die kleineren Gemeinden. Das Gericht fiihrt aus4:

,,Vor allem aber iibersehen die groBeren Kreisstadte..., daB die Landkreise in alien deutschen Landern auch mit der Aufgabe des Lastenausgleichs zwischen den kreisangehorigen Gemeinden betraut sind. Das bedeutet, daB mitWissen undWillen des Gesetzgebers die leistungsfahigen kreisangehorigen Gemeinden - und das sind in erster Linie die groBeren Kreisstadte - fur die leistungsschwachen Gemeinden ein- stehen sollen. Schon deshalb kann eine hohere Belastung der kreisangehorigen Stadte mit Kreisumlage je Einwohner nicht als Willkiir angesehen werden, die nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoBt...5. Nur wenn die hohere Belastung je Einwohner mit einer nach einheit- lichen Satzen bemessenen Kreisumlage in Verbindung mit der Doppelbelastung durch gemeindeeigene Anstalten und dem aus der Kreisumlage zu deckenden Fehl- betrag gleichartiger Kreisanstalten jedes verniinftige und vertretbare MaB iiber- steigen und diese Belastung nicht durch besondere Aufwendungen des Kreises auf- gehoben werden sollte, kann eine kreisangehorige Gemeinde auf Grund des Gleich- heitssatzes, gegebenenfalls sogar iiber die einschlagigen landesrechtlichen Bestim- mungen hinaus, die Einraumung einer Minderbelastung auf Grund des Gleichheits- satzes verlangen . . . Inwiefern das Selbstverwaltungsrecht der Stadt G verletzt sein soil, wenn man die Kreisumlage als Steuer betrachtet, ist unerfindlich. Das Selbst- verwaltungsrecht ist den Gemeinden durch Art. 28 Abs. 2 GG nur im Rahmen der Gesetze gewahrleistet...6. Die einschlagigen Gesetze des Landes Nordrhein-West-

1 BVerwGE 6, 19-29 (26) = VerwRspr. Bd. 10 (1958) Nr. 181 S. 736 = DOV. 1958 S. 749 = DVB1. 1958 S. 277.

2 Ein Landkreis in Niedersachsen. 3 BVerwGE 10, 224-229 = DOV. 1960 S. 594-596 = VerwRspr. Bd. 12 (1960)

Nr. 222 S. 860-866. 4 AaO., S. 227/28 und 229. 5 Das Gericht verweist hier auf einige Entscheidungen des Bundesverfassungs-

gerichts aus der Anfangszeit seiner einschlagigen Rechtsprechung. 6 Das Gericht verweist hier auf BVerwGE 2, 329 (332 ff.) und 6, 342 (345).

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288 Friedrich Klein

falen aber gestatten den Landkreisen ausdriicklich, von den kreisangehorigen Ge- meinden eine nach den Steuerkraftzahlen und den Schliisselzuweisungen berechnete Kreisumlage zu erheben, unabhangig davon, ob die Kreisumlage als Steuer oder Beitrag anzusehen ist."

cc) Beschlu/3 vom 11. November 1960 -IB 81/601:

In der "Oberbiirdung der polizeilichen Reinigungspflicht einschlieBlich der damit verbundenen Belastung auf die Gemeinden ,,liegt... kein VerstoB gegen das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden, das ihnen im Rahmen der Gesetze garan- tiert ist (Art. 28 Abs. 2 GG). Hierzu gehoren auch landesrechtliche Vorschriften, die den Gemeinden Aufgaben iibertragen, die mit finanziellen Aufwendungen verbunden sind. Eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechts konnte in einem solchen Fall nur dann anerkannt werden, wenn die mit der gesetzlichen Regelung verbundene finan- zielle Belastung so groB ware, daB den Gemeinden zu anderweitigen MaBnahmen innerhalb ihres Selbstverwaltungsbereichs keine oder doch nur geringe Mittel ver- blieben und damit ihr Selbstverwaltungsrecht ausgehohlt wiirde...2".

b) Ein Sonderproblem in diesem Zusammenhang stellt die Belastung finanzstarker Gemeinden mit Zahlungspflichten zugunsten finanzschwacher Gemeinden zufolge des Gewerbesteuerausgleichs zwischen Betriebsgemeinden und Wohngemeinden, des interkommunalen Gewerbesteuerausgleichs, dar. Hier sind je eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts und des Ver- fassungsgerichtshofs fiir das Land Nordrhein-Westfalen zu erwahnen.

aa) Das Bundesverwaltungsgericht lehnt im Urteil vom 16. Oktober 1964 - VII C 103/613 die Meinung ab, Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG gebe jeder Ge- meinde ein Recht auf den vollen in ihrem Bereich aufkommenden Gewerbe- steuerertrag. Nach seiner Ansicht hat sich vielmehr das Grundgesetz einer Regelung des Gewerbesteuerausgleichs enthalten. Es fiihrt aus:

,,Auch die von der Klagerin behaupteten Verletzungen der Art. 3 und 28 GG konnen nicht festgestellt werden. Art. 28 GG gewahrleistet die Selbstverwaltung der Gemeinden im Rahmen der Gesetze und wird durch ein Bundes- oder Landesgesetz verletzt, wenn derWesenskern des Selbstverwaltungsrechts angetastet wird. . .4. Der Wesenskern des Selbstverwaltungsrechts wird jedoch nicht dadurch angetastet, daB der schon lange ubliche und durch die Verhaltnisse gerechtfertigte Gewerbesteuer- ausgleich zwischen Betriebs- undWohngemeinde fortgesetzt wird."

bb) Entsprechend hat der Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen in seiner Entscheidung vom 23. Mdrz 1964 - 9/625 bemerkt:

,,Der interkommunale Gewerbesteuerausgleich verstoBt auch nicht gegen die Finanzhoheit der Gemeinden, die zum Recht der kommunalen Selbstverwaltung gehort...6. Denn die Finanzhoheit setzt lediglich voraus, ,daB die Gemeinden und Gemeindeverbande iiber ein gewisses . . . Volumen eigener Einkiinfte steuerlicher oder

1 NJW 1961 S. 619-621 (S. 620) mit Anm. der Schriftleitung = DVB1. 1961 S. 248/49. 2 Das Gericht verweist hier auf von Mangoldt-Klein, aaO., Art. 28 IV, und BVerfGE. 1, 167. 8 Amtl. Big. J5d. 19 K. 315-321 («. 32U/21). 4 Das Gericht verweist hier aut BVertGJtG. 7, 358 und 8, 257. 5 KStZ. 1964 S. 124-126 (S. 125). 8 Das Gericht verweist hier auf sein oben unter 3 c angefuhrtes Urteil vom 7. Juli 1956 - 5/55 sowie auf Getter- Kleinrahm- Fleck, 2. Aufl. 1963, Anm. 5f zu Art. 78 LV>

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Verfassungsrechtliche Gewdhrleistung der gemeindlichen Finanzhohe.it 289

sonstiger Art im Rahmen der gemeindewirtschaftlichen Bestimmungen selbstver- antwortlich verfugen konnen' (Geller-Kleinrahm-Fleck, Anna. 5f zu Art. 78 LV...). Diese ,Forderung nach ausreichender Finanzautonomie' ( W. Weber, Staats- und Selbstverwaltung in der Gegenwart, 1953, S. 31 ff. [55]) ist aber trotz des interkom- munalen Gewerbesteuerausgleichs durch das Gewerbesteuerausgleichsgesetz und das Gewerbesteuerausgleichsanderungsgesetz bei der Beschwerdefuhrerin und den son- stigen Gemeinden im Lande Nordrhein-Westfalen erfullt. Etwas anderes wiirde gelten, wenn durch den Gewerbesteuerausgleich die Finanzkrafb der Gemeinden entscheidend geschwacht und die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 78 LV aus- gehohlt wiirde . . . Deshalb ... ist festzustellen, daB die Finanzhoheit der Beschwerde- fuhrerin in dem durch Art. 78 LV geschiitzten Umfange durch das Gewerbesteuer- ausgleichsanderungsgesetz nicht verletzt wird.

An diesem Ergebnis wird durch Art. 79 LV und Art. 106 Abs. 6 GG nichts geandert.

Wenn auch Art. 79 LV . . . nicht zu den Vorschriften iiber das Recht der kom- munalen Selbstverwaltung im Sinne von § 50 Abs. 1 VGHG zu rechnen ist, so ist doch nicht zu bezweifeln, daB er zu den Bestimmungen gehort, die das Bild der kommunalen Selbstverwaltung pragen. Indessen spezialisiert er nur den bereits durch Art. 78 LV geschiitzten Grundsatz der kommunalen Finanzautonomie, indem er das Recht der Gemeinde auf ErschlieBung eigener Steuerquellen garantiert und das Land verpflichtet, im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfahigkeit einen iiber- gemeindlichen Finanzausgleich zu gewahrleisten. Damit stellt die Landesverfassung zwei der Einnahmequellen sicher, aus denen der kommunale Finanzbedarf gedeckt werden kann. Die verfassungsrechtliche Unzulassigkeit eines interkommunalen Gewerbesteuerausgleichs ergibt sich jedoch aus Art. 79 LV nicht.

Art. 106 GG steht in einem anderen Abschnitt des Grundgesetzes als der die kommunale Selbstverwaltung garantierende Art. 28 GG. Der sachliche Zusammen- hang von Art. 106 mit Art. 28 GG ist daher weniger eng als zwischen Art. 79 und Art. 78 LV. In seiner jetzigen Fassung... ist Art. 106 GG auch erst seit verhaltnis- maBig kurzer Zeit in Geltung. Trotzdem konnte ihm, weil Bestimmungen des Grundgesetzes besondere Beachtung beanspruchen konnen, eine das Recht der kommunalen Selbstverwaltung schon jetzt pragende Kraft zukommen, wenn sich aus ihm ein klares und eindeutiges Verbot des interkommunalen Gewerbesteueraus- gleichs entnehmen lieBe. Das ist jedoch nicht der Fall."1

3. Mehr am Rande der gemeindlichen Finanzhoheit liegt schlieBlich eine Fallgruppe, bei der es nicht darum geht, daB den Gemeinden Einnahmen ent- zogen, sondern daB ihnen bestimmte Ausgaben durch Gesetz untersagt werden. Es wird also nicht die kommunale Einnahmenhoheit, sondern die kommunale Ausgabenhoheit beschrankt. Die im folgenden zitierten Urteile betreffen gesetzliche Eingriffe, welche die Gemeinde bei der Besoldung ihrer Bedienste- ten an Hochstsatze binden. In dieser Einengung des gemeindlichen Ausgaben- Ermessens liegt zugleich eine Beeintrachtigung der gemeindlichen Personal- hoheit2.

a) Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13. Mdrz 1964 - VII C 87j60z: 1 Ebenso schon Oberverwaltungsgericht Minister, Urteil vom 14. Juni 1961 -

III A 946/58 (Amtl. Slg. Bd. 17 S. 7-16). 2 Der Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen erortert dagegen in seinem Urteil vom 4. Februar 1956 - 6/55 (Amtl. Slg. Bd. 10 S. 282-292 [S. 284 ff.]) die Besoldungsharmonisierung nur unter dem Gesichtspunkte der Personalhoheit, wahrend das Oberverwaltungsgericht Minister im Urteil vom 13. Februar 1963 - III A 549/59 (Amtl. Slg. Bd. 18 S. 252 [S. 253]) sie als Einschrankung des ,,Selbst- verwaltungsrechts" ansieht.

3 ±$VerwU.U 18, 135-142 (142) = BayVerwBl. 1964 S. 186-188 = DOV. 1964 S. 347-349 = DVB1. 1964 S. 838 (Nr. 363; nur Leitsatz) = NJW 1964 S. 1537-1539 (mit Anm. der Schriftleitung).

19 Finanzarchiv N. F. 27 Heft 1-2

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Page 21: Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der gemeindlichen Finanzhoheit im Spiegel der Rechtsprechung

290 Friedrich Klein: Gemeindliche Finanzhoheit

,,Die Selbstverwaltung der Gemeinden ist ein geschichtlich gewordener Begriff, da die historische Entwicklung in einem gewissen Umfange bei der Bestimmung dessen beriicksichtigt werden muB, was unter Selbstverwaltung der Gemeinden zu verstehen ist...1. Insoweit ist festzustellen, daB die Gemeinden und Gemeindever- bande im Laufe der Entwicklung des Kommunalrechts immer mehr an die staat- lichen Besoldungsgesetze gebunden worden sind . . .*, so daB das Selbstverwaltungs- recht der Gemeinden nicht die Befugnis enthalt, ihre Angestellten nach eigenem Ermessen zu besolden. Im iibrigen sind Einschrankungen des Selbstverwaltungs- rechts durch Gesetze zulassig, soweit sie sachlich notwendig sind und die Institution der Selbstverwaltung nicht in ihrem Wesensgehalt antasten...8. Aus dem schon Ausgefuhrten ergibt sich aber, daB durch landesgesetzliche Besoldungsangleichungs- bestimmungen der Wesensgehalt der Gemeindeselbstverwaltung nicht angetastet wird und daB solche Bestimmungen auch notwendig sind, um eine ordnungsgemaBe Selbstverwaltung fur alle Gemeinden zu garantieren."

b) Oberverwaltungsgericht Munster, Urteil vom 8. August 1956 - /// A 98/56*:

§ 42 der nordrhein-westfalischen Gemeindehaushaltsverordnung, wonach gemeindliche Dienstbezuge nur nach dem Stellenplan, der Besoldungsordnung und den Anstellungs- und Tarifvertragen gewahrt werden durfen, ,,verstoBt nicht gegen das Recht der Selbstverwaltung. Dies Recht ist den Gemeinden zwar verfassungs- rechtlich durch Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 78 Abs. 1 LV gewahrleistet; es besteht jedoch nur ,im Rahmen der Gesetze'. Die verfassungsrechtliche Gewahrleistung der Selbstverwaltung laBt gesetzliche Einschrankungen zu, die bei ErlaB der Verfassung allgemein als ,verstandig' und mit dem Sinn der gemeindlichen Selbstverwaltung als vereinbar angesehen wurden. . .5.

Um eine solche Einschrankung handelt es sich bei § 42 GemHVO, denn nach § 8 GO NW haben die Gemeinden ihr Vermogen und ihre Einkiinfte so zu verwalten, daB die Gemeindefinanzen gesund bleiben. § 42 GemHVO dient diesem Zweck; indem er bestimmt, daB Dienstbezuge nur nach den Anstellungs- und Tarifvertragen gewahrt werden durfen, sichert er die Voraussehbarkeit des Besoldungsaufwandes und verhiitet eine Gefahrdung der Gemeindefinanzen von dieser Seite her . . A

Es handelt sich auch nicht etwa um eine Ausnahmevorschrift. Auch zahlreiche andere Vorschriften sind zur Sicherung gesunder Gemeindefinanzen erlassen worden. So enthalt die Gemeindeordnung z.B. Vorsohrifben iiber den Erwerb und die Ver- auBerung von Gemeindevermogen sowie iiber die Verwendung des Erloses aus Ver- mogensverauBerungen, ferner Vorschriften iiber die Beteiligung an wirtschaftlichen Unternehmen, iiber die Voraussetzungen fur Darlehensaufnahmen und iiber die Sicherung von Darlehen (§§ 63, 64, 56, 71, 79 und 81 GO NW). Es handelt sich des- halb bei dem § 42 GemHVO nur um die Auswirkung eines, das Verhaltnis von Staat und Gemeinde in seiner Gesamtheit durchziehenden, allgemein anerkannten Rechtsgrundsatzes*

' .

1 Das Gericht verweist hier auf BVerfGE 8, 332 (360) und 1, 167 (178). 2 Das Gericht verweist hier auf Peters, Handbuch der kommunalen Wissen- schaft und Praxis, Bd. 2 S. 80ff.

8 Das Gericht verweist hier aut seme Beschlusse vom 17. dull 1957 - VI 15 109/56 und 18. Juli 1957 - VI B 111/56. * Amtl. Slg. Bd. 11 IS. 201-207, B. 204/5. 5 Das Gericht verweist hier auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs fur das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. August 1954 - 3/53.

6 Das Gericht verweist hier auf einen RunderlaB des Innenministers und des Finanzministers zu § 42 GemHVO.

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