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49 taz.thema SONNABEND/SONNTAG, 25./26. MAI 2013 die verlagsseiten der taz.die tageszeitung www.taz.de | [email protected] | fon 030 • 25 90 23 14 | fax 030• 25 10 694 Impressum Redaktion: Lars Klaaßen | Foto-Red.: Ann-Christine Jansson | Anzeigen: Tina Neuenhofen SATT & SELIG ANZEIGE So ein dickes Fell hat niemand, im Sommer süße Kühlung zu verschmähen Foto: Debra Bardowicks/Getty Images derverwendbaren Papphörn- chen. Ihr Motto: „Gelati, ecco und poco“ – hier ein bisschen Eis! Und es waren auch die Italiener, die in den 1920er Jahren in Deutsch- land die ersten Eisdielen eröffne- ten. Vor kurzem hat das Eis am Stiel Geburtstag gefeiert und ist 90 Jahre alt geworden. Keine Runzeln, keine Altersschwäche: Rund eine Milliarde werden pro Jahr verkauft – im Supermarkt, an Tankstellen, Kiosken oder in Kinos, Schwimmbädern oder im Zoo. Überall ist Eis griffbereit, da wundert es nicht, dass 2012 über 505 Millionen Liter Speiseeis aus industrieller Herstellung in Deutschland verzehrt wurden. Wir lassen uns pro Kopf rund 7,7 Liter Eis in einem Jahr schme- mer neben den 12 Eissorten: ve- gane, fruchtige Reismilchshakes, Eis-Yogi mit Yogi-Tee, Vanilleeis und Sahne-Zimt. Vor allem: Auf jegliche Streusel wird verzichtet. „Unser Eis ist ganz pur schon le- cker“, meint Sofie Bernau. „Fräulein Frost“, alias Charlot- te Pauly und Carsten Andörfer gehen in diesem Jahr mit ihrer Eisdiele in Berlin-Neukölln in die fünfte Saison mit ihrem belieb- ten GurkeZitroneMinze-Eis. Aber in der Eisküche wird jedes Früh- jahr wieder experimentiert zum Beispiel mit Kürbiskern-Vanille oder Banane mit Erdnussbutter und Schokostücken. „Ich koche alle Früchte selbst ein“, erzählt Charlotte Pauly, eigentlich Kos- tümbildnerin, die nach „intuiti- ver Marktanalyse“ befand, dass Eis mehr Zukunft für sie habe als das Theater. „Wir hatten einen guten Start hier“, sagt sie, „ob- wohl in Berlin immer mehr Eis- dielen aufmachen, relativiert sich die Konkurrenz.“ Qualität setze sich durch. Aber nicht nur das überzeugt: „Ein Eis ist immer ein kleiner Luxus“, meint Laszlo Lorant, stellvertretender Ge- schäftsführer von „Vanille & Ma- rille Eismanufaktur“ mit vier Fi- lialen in Berlin. Es sei einfach ein schönes Ritual, mit anderen in der Schlange zu stehen und zu schnattern, auf dem Bürgersteig zu sitzen und zu schlecken. Ver- kaufsschlager: „Schokolade“, so Lorant. Aber warum nicht mal den Schleckerluxus „Nougat de Montélimar mit Marillen“ oder „Schokolade mit Pflaumen- schnaps“ probieren? Irgendwie müssen ja die 7,7 Liter Pro-Kopf- Verbrauch im Jahr zusammen- kommen. Mit der Kältemaschine durch den Sommer EIS Früher wurde der Gletscherschnee noch persönlich geliefert, seit ein paar Jahren offerieren in den Kiezen die Eisdealer Angebote in unerwarteten Geschmackskombinationen – von bio bis vegan. Außerdem wird noch ein 90. Geburtstag mit Stiel begangen Die Deutschen lassen sich pro Kopf rund 7,7 Liter Eis in einem Jahr schmecken Der Frühling setzt sich langsam durch, der Sommer bringt hof- fentlich noch mehr Sonnentage. Aber auch wenn es wieder kühler werden sollte: Kälte kann süß und eine Wonne sein. Egal, wie das Wetter ist, Eis beflügelt die Sinne. Zumindest die Kreativität der Inhaberinnen und Inhaber von Berliner Eisdielen und Eisca- fés. Sie nennen sich Eispirat, Fräulein Frost, Sweet2go, Eisma- rie, Kalter Krieg, Eislabor, Miss Zucker, Eiskimo oder traditionel- ler Florida Eiscafé, Eismanufak- tur Berlin, Eiscafé Isabela Die Fantasie kennt keine Grenzen bei dem Ding an sich: dem Eis. Um das haben sich schon Chi- nesen im antiken China bemüht: Sie stellten es aus Gletscher- schnee mit Früchten, Honig oder Rosenwasser her. Die römischen Kaiser ließen sich durch Schnell- läufer Schnee und Eis von den Apenninen zur Herstellung brin- gen. Ein deutschsprachiges Kochbuch von Anna Wecker, „Ein köstlich new Kochbuch von aller- hand Speisen“ von 1597, be- schrieb erstmals ein Rezept für eisgekühlten Milchrahm, die Vorstufe von Milcheis. Eis mach- te seither eine steile Karriere. Zu- nächst als kulinarischer Luxus wurde es in alle Kontinente ex- portiert, als teure und seltene Köstlichkeit für einige wenige, die es sich leisten konnten. 1843 erfand Nancy Johnson die erste Eismaschine, aber erst die Kältemaschine von Carl von Linde verhalf dem Speiseeis zum Durchbruch als Massenware. Ab etwa 1870 verkauften italieni- sche Einwanderer in England Eis- creme auf den Straßen. Wie es sich gehört, als Kugel und in wie- Stadt. „Es ist eine Herausforde- rung, sich in dem saisonalen Ge- werbe durchzusetzen“, sagt Sofie Bernau, die 2001 die „1. Berliner BioEisDiele“ in Kreuzberg eröff- net hat. „Aber wer eine gute Eis- qualität anbietet und auf neue Nachfragen reagiert, der ist er- folgreich.“ Die BioEisDiele bleibt dabei konsequent: Alle Angebote sind 100 Prozent Demeter, der Fruchtanteil liegt bei 40 Prozent und es gibt keine Pappbecher. „Waffeln bestehen aus Mehl und Wasser, man kann sie essen und vermeidet Abfall“, so Inhaberin Bernau. Renner in diesem Som- cken, so die Zahlen des Bundes- verbandes der Deutschen Süß- warenindustrie (BDSI). In Berlin ist die Zahl der küh- len Offerten in den vergangenen Jahren enorm gewachsen: In je- dem Bezirk stolpert man über be- sondere Eis-Orte, die mit ausge- fallenen Kreationen locken: Ob Sorbets, Frucht- oder Milcheis, ob vegan und Bio, laktose- oder glutenfrei, Froozen Joghurt oder schlichter Eiskaffee. Pünktlich zum Frühlingsanfang und bis in den Herbst hinein tobt der Wett- bewerb um die Berliner und die Besucher der sommerlichen ............................................................................................... ............................................................................................... Wegweiser Die Eisbüfee und der Waffler: Kollwitzstraße 23, Prenzlauer Berg, U-Bhf. Senefelder Platz, April bis Oktober tgl. 10–19 Uhr, bei Dauerregen geschl., www.eis- buefeeundwaffler.de Vanille & Marille Eismanufak- tur: HagelbergerStr.1,Kreuzberg, tgl. 11.30–23 Uhr; Filialen in Schönberg, Steglitz und Tempel- hof; www.vanille-marille.de Fräulein Frost: Friedelstr. Neu- kölln.Mo.–Fr.ab13Uhr,Sa./So.ab 12 Uhr; www.facebook.com/pa- ges/Fräulein-Frost/ Florida Eiscafé: Klosterstraße 15, Spandau, tgl. 12–23 Uhr; Filia- len: Altstädter Ring 1, Spandau; Alt-Tegel 8 und 28, Reinickendorf; www.floridaeis.de 1. Berliner BioEisDiele: Reichen- berger Str. 104, Kreuzberg, tgl. 11– 19 Uhr; Südostallee 169, Treptow, Sa./So. 11–19 Uhr; www.bioeisdiele.de Café am Teutoburger Platz: Zi- onskirchstr. 75, Mitte, tgl. 9–19 Uhr, Sa./So. 10–19 Uhr, www.cafe-am-teutoburger- platz.com (ve)

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taz.thema SONNABEND/SONNTAG, 25./26. MAI 2013

die verlagsseiten dertaz.die tageszeitung

www.taz.de | [email protected] | fon 030 • 25 90 23 14 | fax 030• 25 10 694 Impressum Redaktion: Lars Klaaßen | Foto-Red.: Ann-Christine Jansson | Anzeigen: Tina Neuenhofen

SATT& SELIG

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So ein dickes Fell hat niemand, im Sommer süße Kühlung zu verschmähen Foto: Debra Bardowicks/Getty Images

derverwendbaren Papphörn-chen. IhrMotto: „Gelati, eccoundpoco“–hiereinbisschenEis!Undeswarenauchdie Italiener, die inden 1920er Jahren in Deutsch-landdie erstenEisdieleneröffne-ten.

Vor kurzem hat das Eis amStiel Geburtstag gefeiert und ist90 Jahre alt geworden. KeineRunzeln, keine Altersschwäche:Rund eine Milliarde werden proJahr verkauft – im Supermarkt,an Tankstellen, Kiosken oder inKinos, Schwimmbädern oder imZoo. Überall ist Eis griffbereit, dawundert es nicht, dass 2012 über505Millionen Liter Speiseeis ausindustrieller Herstellung inDeutschland verzehrt wurden.Wir lassen uns pro Kopf rund 7,7Liter Eis in einem Jahr schme-

mer neben den 12 Eissorten: ve-gane, fruchtige Reismilchshakes,Eis-Yogi mit Yogi-Tee, Vanilleeisund Sahne-Zimt. Vor allem: Aufjegliche Streusel wird verzichtet.„Unser Eis ist ganz pur schon le-cker“, meint Sofie Bernau.

„Fräulein Frost“, alias Charlot-te Pauly und Carsten Andörfergehen in diesem Jahr mit ihrerEisdiele inBerlin-Neukölln indiefünfte Saison mit ihrem belieb-tenGurkeZitroneMinze-Eis.Aberin der Eisküche wird jedes Früh-jahr wieder experimentiert zumBeispiel mit Kürbiskern-Vanilleoder Banane mit Erdnussbutterund Schokostücken. „Ich kochealle Früchte selbst ein“, erzähltCharlotte Pauly, eigentlich Kos-tümbildnerin, die nach „intuiti-ver Marktanalyse“ befand, dassEismehr Zukunft für sie habe alsdas Theater. „Wir hatten einenguten Start hier“, sagt sie, „ob-wohl in Berlin immer mehr Eis-dielen aufmachen, relativiertsich die Konkurrenz.“ Qualitätsetze sich durch. Aber nicht nurdasüberzeugt: „Ein Eis ist immerein kleiner Luxus“, meint LaszloLorant, stellvertretender Ge-schäftsführer von „Vanille & Ma-rille Eismanufaktur“ mit vier Fi-lialen in Berlin. Es sei einfach einschönes Ritual, mit anderen inder Schlange zu stehen und zuschnattern, auf dem Bürgersteigzu sitzen und zu schlecken. Ver-kaufsschlager: „Schokolade“, soLorant. Aber warum nicht malden Schleckerluxus „Nougat deMontélimar mit Marillen“ oder„Schokolade mit Pflaumen-schnaps“ probieren? Irgendwiemüssen ja die 7,7 Liter Pro-Kopf-Verbrauch im Jahr zusammen-kommen.

Mit der Kältemaschine durch den SommerEIS Früher wurde der Gletscherschnee noch persönlich geliefert, seit ein paar Jahren offerieren in den Kiezen die Eisdealer Angebotein unerwarteten Geschmackskombinationen – von bio bis vegan. Außerdemwird noch ein 90. Geburtstag mit Stiel begangen

Die Deutschen lassensich pro Kopf rund7,7 Liter Eis in einemJahr schmecken

Der Frühling setzt sich langsamdurch, der Sommer bringt hof-fentlich noch mehr Sonnentage.Aberauchwenneswiederkühlerwerden sollte: Kälte kann süßund eine Wonne sein. Egal, wiedas Wetter ist, Eis beflügelt dieSinne. Zumindest die Kreativitätder Inhaberinnen und InhabervonBerliner Eisdielen und Eisca-fés. Sie nennen sich Eispirat,Fräulein Frost, Sweet2go, Eisma-rie, Kalter Krieg, Eislabor, MissZucker, Eiskimooder traditionel-ler Florida Eiscafé, Eismanufak-tur Berlin, Eiscafé Isabela … DieFantasiekenntkeineGrenzenbeidemDing an sich: dem Eis.

Umdas haben sich schon Chi-nesen imantiken China bemüht:Sie stellten es aus Gletscher-schneemit Früchten,HonigoderRosenwasser her. Die römischenKaiser ließen sich durch Schnell-läufer Schnee und Eis von denApenninen zurHerstellungbrin-gen. Ein deutschsprachigesKochbuchvonAnnaWecker, „EinköstlichnewKochbuchvonaller-hand Speisen“ von 1597, be-schrieb erstmals ein Rezept füreisgekühlten Milchrahm, dieVorstufe von Milcheis. Eis mach-te seither eine steile Karriere. Zu-nächst als kulinarischer Luxuswurde es in alle Kontinente ex-portiert, als teure und selteneKöstlichkeit für einige wenige,die es sich leisten konnten.

1843 erfand Nancy Johnsondie erste Eismaschine, aber erstdie Kältemaschine von Carl vonLinde verhalf demSpeiseeis zumDurchbruch als Massenware. Abetwa 1870 verkauften italieni-scheEinwanderer inEnglandEis-creme auf den Straßen. Wie essich gehört, als Kugel und inwie-

Stadt. „Es ist eine Herausforde-rung, sich in dem saisonalen Ge-werbe durchzusetzen“, sagt SofieBernau, die 2001 die „1. BerlinerBioEisDiele“ in Kreuzberg eröff-net hat. „Aber wer eine gute Eis-qualität anbietet und auf neueNachfragen reagiert, der ist er-folgreich.“ Die BioEisDiele bleibtdabei konsequent: AlleAngebotesind 100 Prozent Demeter, derFruchtanteil liegt bei 40 Prozentund es gibt keine Pappbecher.„Waffeln bestehen aus Mehl undWasser, man kann sie essen undvermeidet Abfall“, so InhaberinBernau. Renner in diesem Som-

cken, so die Zahlen des Bundes-verbandes der Deutschen Süß-warenindustrie (BDSI).

In Berlin ist die Zahl der küh-len Offerten in den vergangenenJahren enorm gewachsen: In je-demBezirkstolpertmanüberbe-sondere Eis-Orte, die mit ausge-fallenen Kreationen locken: ObSorbets, Frucht- oder Milcheis,ob vegan und Bio, laktose- oderglutenfrei, Froozen Joghurt oderschlichter Eiskaffee. Pünktlichzum Frühlingsanfang und bis inden Herbst hinein tobt der Wett-bewerb um die Berliner und dieBesucher der sommerlichen

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Wegweiser

■ Die Eisbüfee und der Waffler:Kollwitzstraße 23, PrenzlauerBerg, U-Bhf. Senefelder Platz,April bis Oktober tgl. 10–19 Uhr,bei Dauerregen geschl., www.eis-buefeeundwaffler.de■ Vanille & Marille Eismanufak-tur: Hagelberger Str. 1, Kreuzberg,tgl. 11.30–23 Uhr; Filialen inSchönberg, Steglitz und Tempel-hof; www.vanille-marille.de■ Fräulein Frost: Friedelstr. Neu-kölln. Mo.–Fr. ab 13 Uhr, Sa./So. ab12 Uhr; www.facebook.com/pa-ges/Fräulein-Frost/

■ Florida Eiscafé: Klosterstraße15, Spandau, tgl. 12–23 Uhr; Filia-len: Altstädter Ring 1, Spandau;Alt-Tegel 8 und 28, Reinickendorf;www.floridaeis.de■ 1. Berliner BioEisDiele: Reichen-berger Str. 104, Kreuzberg, tgl. 11–19 Uhr; Südostallee 169, Treptow,Sa./So. 11–19 Uhr;www.bioeisdiele.de■ Café am Teutoburger Platz: Zi-onskirchstr. 75, Mitte, tgl. 9–19Uhr, Sa./So. 10–19 Uhr,www.cafe-am-teutoburger-platz.com (ve)

50 SONNABEND/SONNTAG, 25./26. MAI 2013 TAZ.AM WOCHENENDE

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Sie sind jung und machen ihr Ding: von Currywurst bis Karamelbirne (oben) Foto: Florian Bolk

sammenarbeit mit kleinen Pro-duzenten wie Bauern aus Bran-denburg. Sie changieren zwi-schen Landgasthof und Nobelre-staurant. Soempfiehlt etwaWolf-gangMüller „Ruppiner Lammrü-cken ‚Smoking Spices‘ auf ge-schmorten Rübchen“ oderMarkus Herbicht „BeelitzerLandgockel mit Zitrone undUckermärker Papiotte-Gemüse“.Doch auch Urberliner Küchekommt nicht zu kurz: mit der„Berliner Currywurst ‚De Luxe‘“und fünf verschiedenen Soßen.

Dass sich die Berliner Koch-szenegerade so spannendentwi-ckelt, hängt für Bolk unter ande-remmit den vielen Zuzügen ausanderen europäischen Städtenund auch aus den USA zusam-men.AnnaLaiundTobiasBürgerhabenzumBeispieldas „SmokedBarbecue“ auf einem langen Rittdurch sämtliche Instanzen ausTennessee in die KreuzbergerMarkthalle IX gebracht. Ein Mit-bringsel aus den USA sind auch

die sogenannten Pop-up-Restau-rants, die zu ProhibitionszeitenausderNotheraus als illegaleDi-ner mit Alkoholausschank gebo-ren wurden und heute Gast-freundschaft mit Klubexklusivi-tätverbinden.Etwader „Neuköll-ner Speiseklub“ der SchwesternCathrin und Elena Brandes. Pop-up-Restaurantsöffnennuranbe-stimmten Tagen, an verschiede-nen Orten oder laden unregel-mäßig verschiedene Küchen-chefs ein, veranstalten Picknicks,kehren auf einem Bauernhofoder in einer Privatwohnung ein.Einlass nurmit Mitgliedskarte.

33 Restaurants, aber auch Ca-fés, Wein- und andere Bars, au-ßerdem Kaffeeröster und Baris-

tas vereint „Die Stadt kocht“, un-terteilt in Kapitel wie „Der Kiezkocht“, „Hot & Urban“, „BerlinClassics“ oder „Sweet dreams“.Ergänzt wird das Ganze durch„Foodies & Tools“: Genusshand-werk von Porzellan und Gour-metgläsern über Schokolade biszu Kräutern. Zwei Rezepte hat je-der Kochprofi beigesteuert, ein-geleitet von Kurzporträts, die et-was über ihre kulinarische Her-kunft verraten und darüber, wasihnen beim Kochen wichtig ist.

Er und die Journalistin Eva-MariaHilker hättendasBuchoh-ne Problemedreimal so dickma-chen können, sagt Bolk und deu-tet an, dass sie bald nachlegenwollen. Das Buch sei zugleichKochbuch und Reiseführer. SokommtaucheineHandvollmehroderweniger bekannter BerlinerwiedieModeratorinDunjaHaya-li, der Schauspieler MichaelSchenk, der Filmemacher PepeDanquart oder der VibrafonistDavid Friedmann zu Wort, dievon ihren Lieblingsrestaurantsund ihren kulinarischen Vorlie-ben erzählen. Das Buch machtLust aufs Ausprobieren: dasNachkochen und die Restau-rants.

■ Florian Bolk, Eva-Maria Hilker:„Die Stadt kocht – Das Berlin-Koch-buch“. Verlag Le Schicken, 194 Sei-ten, 19,50 Euro. www.diestadt-kocht.de

Wir können auch andersKOCHBUCHDieBerlinerKüche entspricht nichtmehr demKlischee vonEisbeinundBulette.Die jungenWilden unter den Köchen haben sie längst für sich erobert: „Die Stadt kocht“

Etwas zugleich Wildesund Feines undimmer wiederUnkonventionelles

VON KRISTINA SIMONS

„Die Berliner Küche ist eineschlichte, rustikale Küche, diemehr Wert auf deftigen Ge-schmack und Sättigung als aufVerfeinerung legt.“ So beginntderWikipedia-Eintrag zur „Berli-nerKüche“.Wer einenBlick indieNeuerscheinung „Die Stadtkocht“ wirft, entdeckt hingegennicht nur eine große Bandbreitean Rezepten von Berliner Kö-chen, sondern etwas zugleichWildes und Feines und immerwieder Unkonventionelles.

„Die Berliner Küche entwi-ckelt sich schon eine Weile wegvon Eisbein undCo.“, sagt FlorianBolk, Fotograf und HerausgeberdesBuches. „DieStadtkocht“ver-sammelt junge und experimen-tierfreudige Köche Berlins, vielevon ihnen ehemalige Sous-Chefsvon Sterne-Restaurants, die jetztihr eigenes Ding machen. Dasdrückt sich auch in denjenigenFotos des Bandes aus, die nichtdasEssen,sonderndieMenschendahinter in den Vordergrundstellen:KoljaKleeberg,wieermitGitarre auf den Stufen zum U-Bahn-Eingang Französische Stra-ßesitzt. SigiDanleraufeinemSo-ckel unterderDecke seines PaulySaals.AufdemCoverStefanHart-mann in der Pose eines geköpf-ten Huhns vor einer vollgekrit-zelten Kellerwand.

„Wir zeigen Berliner Köche,die die Haute Cuisine in die Brei-te tragen“, sagt Bolk. Das sei einerelativ neue Bewegung. DafürstehenzumBeispielMarkusHer-bicht vom Restaurant Ø amMehringdamm, Tim Raue mitseinem Restaurant in der Rudi-Dutschke-Straße gegenüber dertaz oder Andreas Saul mit sei-nem „Bandol surmer“ inderTor-straße. So lässt sich die BerlinerKüche längst nicht mehr aufschlicht, rustikal und deftig re-duzieren. „Sie ist heute unglaub-lich heterogen, vielschichtig“,sagt Bolk. „Und es kommt stän-dig was Neues hinzu. Das istschonsehr spezifisch fürBerlin.“Er sehe einen großen Mut zumNeustart, sowohl von hervorra-gend ausgebildeten Köchen alsauch von hervorragend kochen-den Menschen ohne klassischeGastroausbildung. Die Samm-lung zeigt auch, worauf viele dervorgestellten Berliner Köche be-sonderen Wert legen: auf regio-nale Produkte und eine enge Zu-

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ahe am Wein und seinenProduzenten dran zu sein,das ist Catharina d’Aprile

wichtig. Die Betreiberin des Vi-num Spezialitätenkontor kenntdie meisten der Winzer persön-lich,derenProdukte indenRega-len stehen.DieRäumeeiner ehe-maligen Metzgerei sorgen fürangenehmes Flair. Seit 1978 be-steht dasGeschäft, das der unterBerliner Weinkennern bestensbekannte Andreas Schiechel be-gründete. Vor gut eineinhalbJahren übergab er seiner lang-jährigen Mitarbeiterin Cathari-na d’Aprile den Laden, als er sichin den Ruhestand begab. „DerWechsel war ein fließenderÜbergang“,sagtd’Aprile,dienacheigenerAussage ihrem„Mentor“viel verdankt. „Ich habe schonwährend des Studiums hier ge-jobbtundbaldgemerkt,dassmir

Nder Umgang mit Wein Spaßmacht.“ Die Konzentration desSortiments aufdieWeinebeson-derer, vor allem französischerWinzer, will sie nicht ändern, imGegenteil. „Wir suchen auf Mes-sen und auch auf Reisen immernach den Weinbauern, die Wertauf Terroir undHandwerk legenund ihr eigenes Ding machen.“Immer öfter entdeckt sie dabeiökologische Erzeugnisse: „De-ren Qualität ist oft besser, daskann man riechen und schme-cken.“

Kein Zufall also, dass der Rot-wein, den sie empfiehlt, von ei-nem Winzerpaar stammt, dasschon seit Jahren Ökoweinbaubetreibt: Nathalie und FrançoisCaumettevonderDomaineL’An-cienne Mercerie. Der schwarz-braune Schiefer der Hügelland-schaftdesFaugèresverleihtdem

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VINUM SPEZIALITÄTENKONTOR

DerpersönlicheDrahtnachFrankreich

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2010er Les Petits Mains einenganz eigenen Charakter. Der Cu-vée aus Trauben von Syrah, Cari-gnan, Grenache, Mouvèdre undCinsault schmeckt überra-schendvielfältig:weichundhar-monisch einerseits, würzig undmineralisch mit Noten von Cas-sis und Brombeeren, vollmun-digundmit leichtemBiss.

DieweißenSauvignons,die inder kalksteinhaltigenRegion an-gebaut werden, zeichnen sichvor allem durch ihre knackigeund mineralische Frische aus.Kombiniert mit 20 Prozent Se-milliontrauben wird der Bor-

deaux Blanc sec zu einer echtenGeschmacksüberraschung. Dieanfangs noch überwiegendenexotischen Fruchtnoten, die dieNase kitzeln, erweisen sich imGlas nach wenigen Minuten alsüberaus harmonisch, Litschiund Grapefruit bilden zusam-men mit den leicht salzig-her-ben Mineralien ein den Mundfüllende Geschmacksexplosion.Kalt serviert ist dieserWeißweineine echte Sommeroption.■ Vinum Spezialitätenkontor, Dan-ckelmannstr. 29, 14059 Berlin,www.vinumberlin.de■ Satt-&-selig-Angebot: Für denLes Petits Mains von der DomaineL’Ancienne Mercerie (Ladenpreis10 Euro) sowie auf den BordeauxBlanc sec von Chateau Roquefort(Ladenpreis 8,90 Euro) bei Abnah-me von sechs Flaschen 10 ProzentRabatt (Versand 5 Euro pro Kiste)

.......................................................WEINPROBE

VON

MICHAEL

PÖPPL

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SONNABEND/SONNTAG, 25./26. MAI 2013 TAZ.AM WOCHENENDE 51www.taz.de |

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Ein schlichtes Konzept, das sehr gefragt ist: „Gute und frische Zutaten, keine Treibmittel und viel Liebe“ Foto: Jordis Schlösser/Ostkreuz

Schönste butterlastig, so als hät-te Großmutter die Finger an derRührschüssel gehabt. Viele derbesten Hauptstadtbäckereiensind, so wie das Café Kredenz,vondenBackkünstenundRezep-ten der zahlreichen Zugezoge-nen inspiriert.

BäckerAvivKoriat ist zumBei-spiel in einem israelischen Kib-buz aufgewachsen. Die kulinari-schen Einflüsse der jüdischenSiedler, die ihre Wurzeln in derganzenWelt haben, beeinflussenseine Rezepte. In seiner kleinenNeuköllner Bäckerei findet mangenialen österreichischen Apfel-kuchen ebenso wie französischeHaselnussmousse-Tarte oderorientalischen Orangenkuchen.Das kommt gut an bei den jun-genNeuköllnern. Die Hocker amSchaufenster sind besetzt, dieStraße vor dem kleinen Ladenöfter mal mit schicken Kinder-wagen zugeparkt.

Victoria Fernandéz stammtaus Galizien. Als sie mit dem Ba-cken für ein befreundetes Bistrobegann, bekam die AnfängerinRezepte und Hilfe von der deut-schenGroßmutter ihrer Tochter.2008nannte sie ihr zuEhrendenersten Laden in Friedenau FrauBehrens Torten. Das Konzept istschlicht: „Gute und frische Zuta-ten, keine Treibmittel und vielLiebe“, inzwischen beliefert Fer-nandéz nicht nur Cafés in derganzen Stadt, sondern betreibtauch ihr eigenes Kaffeehaus na-he demAdenauerplatz. In der of-fenen Backstube werkeln dorttäglich vier Bäcker an süßen

Kunstwerken, die Entscheidungfällt schwer: Blaubeer-Mascar-pone-Torte, gedeckter Apfelku-chen, Himbeerschnitten oder Zi-tronentarte?

Wer es ganz biologisch mag,findet in den vier Filialen der Bä-ckerei Weichhardt wirklich fei-nen Nuss-Kirsch-Kuchen in De-meterqualität, dazu herzhaftenKäsekuchen und die beliebtespanische Vanilletorte, die alleohne irgendwelche Backhilfs-mittel zubereitet werden. Vieleder Kunden besuchen auch dieMarktstände am Kollwitzplatzam Donnerstag oder am Wo-chenende in der Domäne Dah-lem, um sich fürs nachmittägli-che Kaffeetrinken mit Plunder-stücken und Linzer Törtchen zuversorgen.

Die Wiener Tortenkunst warVorbild für die aus Zagreb undWien stammende Künstlerin Ni-ka Radić, die das Victoria in derAuguststraße betreibt, zusam-men mit einem befreundetenDiplomaten und ihrer Mutter,die früher als Architektin arbei-tete. In Berlin angekommen,merkte sie, dass sie in Deutsch-land am meisten gute Kuchenvermisste.

In der von der Frau Mama re-giertenBackstubeentstehennunfast täglich fluffige Erdbeertarte-letts, fruchtiger Himbeerku-chen, würziger Mohnkuchennach Wiener Rezept und weitereKöstlichkeiten, die man nichtnur in Berlin-Mitte lange suchenmuss. Die Obstkuchen und -tor-ten wechseln saisonal, je nach-dem, was der Markt gerade her-gibt, die Preise liegen bei 2,80 bis3,50 Euro pro Stück.

Immer im Angebot sind diedunkle Victoriatorte, eine Prali-nenkompositionmit einer Zitro-nen-Weißwein-Sauce, und dieweiße Victoriatorte mit Oran-gencreme auf Musselinbiskuit

undflambiertemBaiser,einKussimwahrsten Sinn des Wortes.

Ein weiterer Botschafter derösterreichischen Backkunst istFranz-Karl Kaufmann, der alsChefpatissier in mehreren Ho-tels arbeitete und nun eine eige-ne Konditorei im Bötzowvierteleröffnet hat. An den Wändenwerden österreichische Backbe-griffe wie „Germ“, „Powidl“ oder„Riebisel“ erkärt, in der Kuchen-vitrine liegen Klassiker wie Sa-cher- oder Linzertorte, Guglhupfund Apfelstrudel neben saisona-lem Gebäck wie der Rhabarber-Mandel-Torte oder Dauerbren-nern wie dem luftigen Bienen-stich, der schnell mal ausver-kauft ist. 2,80 bis 3 Euro kostetder Eintritt ins Wiener Torten-paradies, dasmanmit nachHau-se oder nach draußen in den be-nachbarten Volkspark mitneh-men kann.

Und das Franz-Karl liefert so-gar einen Grund, sich wieder aufdie kalte Jahreszeit zu freuen:Nur dann gibt es echte Buchteln.Was das ist, können die Interes-sierten anderWandderKondito-rei nachlesen.

Der Graf geht täglich konditernKUCHEN In Berlin entwickelt sich nicht nur eine ans Wienerische angelehnte

Kaffeehauskultur. Auch aus dem Kibbuz kommen Impulse, mit französischer Note

„Man zieht sichschön an, geht insKaffeehaus, liestZeitung oder flirtet“KÜNSTLER LO GRAF VON BLICKENSDORF

VON MICHAEL PÖPPL

Vor der kleinen Konditorei Mr.Minsch in der Yorkstraße bildensich öfter mal Schlangen. Besit-zer Andreas Minsch verziert sei-ne begehrten Süßigkeiten aufWunsch auch mal mit Toten-köpfen, riesige Käsekuchenstü-cke für 3 Eurowerdenauf buntenWandtellern serviert. Wegen derlegendärenZimtschneckenkom-menamSonntagKundenausderganzen Stadt. Von Mr. Minschund seinen Kultkuchenschwärmt auch der Künstler LoGrafvonBlickensdorf, der sich inseinem Internet-Blog blaues-blut.blogspot.com unter ande-rem auch mit der Kultivierungdes Tortenessens beschäftigt:„Man zieht sich schön an, gehtinsKaffeehaus, liestZeitungoderflirtet mit der Liebsten“, sagt derGraf. Fast täglich geht er „kondi-tern“, wenn es die gräflichen Ver-pflichtungen zulassen. Vor demVerzehr fotografiert er das edleStück per Handy und stellt es insInternet. Schon wenige Minutenspäter hat er Reaktionen seinerFacebook-Fans, von neugierigenNachfragen bis zu einem schwerzumissdeutenden „Neid!“

Regelmäßig bloggt der „Ku-chengraf“ auch aus einem klei-nen Charlottenburger Café amAmtsgerichtsplatz. „Kredenz“heißt es, benannt nach demanti-ken Möbelstück, das hinter derKuchenvitrine steht. Schmand-karamelltorte oderMohnkuchenwerden nach polnischen Rezep-ten gebacken und sind aufs

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■ Mr. Minsch: Yorckstraße 15,Kreuzberg, Mi–So und Feiertage,12–18.30 Uhr, Tel. 284 508 94■ Café Kredenz: Kantstr. 81,■ Charlottenburg,■ S Charlottenburg,Mo-Sa 11–19 Uhr, So 12–18 Uhr,Tel. 32 70 42 95,■ www.kredenz-cafe.de■ Koriat Kuchenmanufaktur: Pan-nierstr. 29, Neukölln, U Hermann-platz, tägl. 9–17.30 Uhr, Tel.28 87 91 79, www.koriat.de■ Frau Behrens Torten: Wilmers-dorfer Str. 96–97, U Adenauer-

platz, Mo–So 10–19 Uhr, Tel.88 91 28 65, www.gugelhupf-berlin.com■ Weichhardt Brot: Mehlitzstr. 7,Wilmersdorf, U Blissestraße, Di–Fr7.30–18.30 Uhr, Tel. 8 73 80 99,www.weichardt.de■ Victoria: Auguststr. 74, Mitte, SOranienburger Straße, Di–So 11–19 Uhr, Tel. 46 99 82 55,www.victoria-berlin.com■ Franz-Karl: Bötzowstr. 15, Prenz-lauer Berg, Mi–So 12–18.30 Uhr,Tel. 68 07 37 03, www.kuchen-kultur-franz-karl.de (mp)