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13 thema SONNABEND/SONNTAG, 8./9. MAI 2010 die verlagsseiten der tageszeitung www.taz.de [email protected] fon 030 . 25 90 21 33 fax 030 . 59 00 10 40 W e L t M u i K S Impressum Redaktion: Daniel Bax | Foto-Red.: Ann-Chtistine Janßen | Anzeigen: Kaspar Zucker höchste und schönste Form des Ausdrucks. Ohne Musik hätte das Leben keinen Sinn.“ Viele Regisseure sind aber musikverrückt und haben ein Faible für exotische Klänge. Sie setzen sie gezielt ein, um Stim- mungen zu erzeugen, und haben damit schon so manchen Welt- musiktrend gesetzt. Emir Kustu- rica etwa bereitete mit Filmen wie „Time of the Gypsies“ und „Schwarze Katze, weißer Kater“ der musikalischen Entdeckung des Balkans den Boden. Und die Coen-Brüder läuteten mit ihrer Südstaatenkomödie „Oh brot- her, where art thou“ ein Revival der Hillbilly-Musik ein. Das Kino hat damit mehr zur Popularisie- rung der Weltmusik beigetragen als viele andere Medien. Es war Pedro Almodovar, der die Rancherasängerin Chavela Vargas aus der Vergessenheit riss, als er ihre Lieder in die Filme „High Heels“ und „Kika“ ein- streute. Damit bescherte er in den Neunzigerjahren der Mexi- kanerin mit über 70 Jahren noch ein Comeback. Auf die gleiche Weise brachte Jim Jarmush dem äthiopischen Musiker Mulatu Astatke späten Ruhm, indem er dessen Songs in seiner romanti- schen Komödie „Broken Flo- Zwei Herzen im Dreivierteltakt FILMMUSIK Viele Regisseure schwärmen für exotische Klänge. Mit ihren Filmen haben sie die Globalisierung des Hörens befördert VON DANIEL BAX icht viele Regisseure ge- hen so weit wie Wong Kar-Wai, der Tempo und Tonfall seiner Filme von der Musik vorgeben lässt: Bei „Happy together“ von einem Tango, bei „In the Mood for Love“ von einem Walzer. Oder wie Jim Jarmusch, der sagt, Musik sei „die N „Der Klang der Liebe“: diesen Titel trägt die deutsche TV-Version von „In the Mood for Love“ mit Maggie Cheung und Tony Leung Foto: Cinetext wers“ einsetzte. Da hatte sich der Vater des „Ethio-Jazz“ längst in Addis Abeba zur Ruhe gesetzt. Manche Regisseure huldigen Musikern, die sie schätzen, in- dem sie sie in ihren Spielfilmen auftreten lassen. Man muss ja nicht gleich seine Lieblingssän- gerinnen zur Hauptfigur küren, wie es Wong Kar-Wai mit dem Kantonpopstar Faye Wong in „Chungking Express“ und später mit der Folk-Sängerin Norah Jones für „My Blueberry Nights“ getan hat. Es reicht ja schon, wenn man sie beiläufig in die Handlung einbaut wie Pedro Al- modovar, der den brasiliani- schen Songwriter Caetano Velo- so in „Sprich mit ihr“ ein Wohn- zimmerkonzert geben lässt. Oder wie Fatih Akin, der seinen Hauptdarsteller Birol Ünel in „Gegen die Wand“ in einer Schlüsselszene zur rumänischen Gipsy-Blaskapelle Fanfare Cio- carlia auf die Bühne schickte. Auch das Prinzip lässt sich ausbauen: Andreas Dresen ließ die 17 Hippies aus Berlin in seiner Tragikomödie „Halbe Treppe“ zwischen den einzelnen Episo- den quasi als Treppenwitz auf- treten. Und Wim Wenders ent- spann in „Lisbon Story“ gleich ei- ne ganze, leider etwas lahme Spielfilmhandlung um die por- tugiesische Band Madredeus. Wollen sich Regisseure ganz in den Dienst der Musik stellen, dann würdigen sie sie mit einer Dokumentation. Wim Wenders verpasste der kubanischen Mu- sik mit seiner „Buena Vista Social Club“-Doku einen enormen Schub. Aber auch Fatih Akin bau- te der türkischen Musikszene mit seiner Istanbul-Doku „Cros- sing the Bridge“ eine Brücke nach Europa. Das Globalisierungskino von heute hat jedenfalls die Globali- sierung des Hörens befördert. Auch darum ist der argentini- sche Starproduzent Gustavo San- taolalla („Amores Perros“, „Ba- bel“) zu einem der gefragtesten Soundtrackkomponisten Holly- woods aufgestiegen. Und mit sei- nem Score zu „Slumdog Millio- när“ gelang auch dem indischen Filmmusik-Superstar A. R. Rah- man der Sprung von Bollywood- Ruhm zu Oscar-Ehren. Es ist schon eine Weile her, dass Hollywoodfilme stets mit demselben einförmigen Klang- brei untermalt wurden, selbst wenn sie wie „Jenseits von Afri- ka“ an weit entfernten Orten oder in anderen Kulturen spiel- ten. Heute muss die Musik unbe- dingt einen exotischen Reiz ver- sprühen – selbst dann, wenn der Film nur in einem Vorort von Seattle oder Los Angeles spielt. Tollkühne Musiker in ihren rollenden Kisten enn am 12. Mai in Cannes das Filmfes- tival eröffnet, wird dort eine bemer- kenswerte Dokumentation ge- zeigt: ein Porträt der obdachlo- sen und polioversehrten Musi- ker von Staff Benda Bilili, das die beiden Regisseure Renaud Barret und Florent de la Tullaye in den Straßen von Kinshasa gedreht haben. Dort, in der Nähe des Zo- os, trifft sich die Band regelmä- ßig zu Spontansessions unter freiem Himmel. W In ihren selbst gebauten Roll- stühlen wirken die Musiker auf den ersten Blick wie eine Truppe skurriler Biker, und wenn sie nicht gerade mit Straßenkindern musizieren, verkaufen sie vor den Clubs der Stadt billige Ziga- retten und Schnaps. Ihre Songs wurzeln tief in der kongolesischen Rumba, gele- gentlich weht ein Echo des frü- hen James Brown oder des Buena Vista Social Clubs herüber. Auch ihre Instrumente sind zum gro- ßen Teil selbst gebaut – so, wie die aus einer Konservenbüchse gebastelte einsaitige Satongé-Gi- tarre, mit der der erst 18-jährige Roger Landu seine betagten Kol- legen um den 56-jährigen Sänger Ricky Likabu begleitet. MUSIKFILM Wie die Straßenmusiker von Staff Benda Bilili berühmt werden „Staff benda bilili“ bedeutet auf Deutsch, dass es mehr gibt, „als für das bloße Auge sichtbar ist“. Das scheinen auch andere so zu sehen: Als im vergangenen Jahr ihr Weltdebüt „Très, très fort“ erschien, standen Arte, 3sat und die ARD-Tagesthemen Kopf. Auch westliche Musikerkolle- gen waren begeistert: Ex-Blur- Sänger Damon Albarn und Mas- sive Attack gingen bei ihrem Halt im Kongo mit ihrer Africa Ex- press-Karawane mit Staff Benda Bilili auf die Bühne. Diesen Som- mer kommen die tollkühnen Musiker in ihren rollenden Kis- ten nach Deutschland. Im Herbst folgt ihnen der Film. Mehr unter www.crammed.be ANZEIGE WELTMUSIK ANZEIGE

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13

thema SONNABEND/SONNTAG, 8./9. MAI 2010

die verlagsseitender tageszeitung

[email protected] 030 . 25 90 21 33fax 030 . 59 00 10 40

WeLtMu iKS

Impressum Redaktion: Daniel Bax | Foto-Red.: Ann-Chtistine Janßen | Anzeigen: Kaspar Zucker

höchste und schönste Form desAusdrucks. Ohne Musik hätte dasLeben keinen Sinn.“

Viele Regisseure sind abermusikverrückt und haben einFaible für exotische Klänge. Siesetzen sie gezielt ein, um Stim-mungen zu erzeugen, und habendamit schon so manchen Welt-musiktrend gesetzt. Emir Kustu-rica etwa bereitete mit Filmenwie „Time of the Gypsies“ und„Schwarze Katze, weißer Kater“der musikalischen Entdeckungdes Balkans den Boden. Und dieCoen-Brüder läuteten mit ihrerSüdstaatenkomödie „Oh brot-her, where art thou“ ein Revivalder Hillbilly-Musik ein. Das Kinohat damit mehr zur Popularisie-rung der Weltmusik beigetragenals viele andere Medien.

Es war Pedro Almodovar, derdie Rancherasängerin ChavelaVargas aus der Vergessenheitriss, als er ihre Lieder in die Filme„High Heels“ und „Kika“ ein-streute. Damit bescherte er inden Neunzigerjahren der Mexi-kanerin mit über 70 Jahren nochein Comeback. Auf die gleicheWeise brachte Jim Jarmush demäthiopischen Musiker MulatuAstatke späten Ruhm, indem erdessen Songs in seiner romanti-schen Komödie „Broken Flo-

Zwei Herzen imDreivierteltaktFILMMUSIK Viele Regisseure schwärmen für

exotische Klänge. Mit ihren Filmen haben

sie die Globalisierung des Hörens befördert

VON DANIEL BAX

icht viele Regisseure ge-hen so weit wie WongKar-Wai, der Tempo undTonfall seiner Filme von

der Musik vorgeben lässt: Bei„Happy together“ von einemTango, bei „In the Mood for Love“von einem Walzer. Oder wie JimJarmusch, der sagt, Musik sei „die

N

„Der Klang der Liebe“: diesen Titel trägt die deutsche TV-Version von „In the Mood for Love“ mit Maggie Cheung und Tony Leung Foto: Cinetext

wers“ einsetzte. Da hatte sich derVater des „Ethio-Jazz“ längst inAddis Abeba zur Ruhe gesetzt.

Manche Regisseure huldigenMusikern, die sie schätzen, in-dem sie sie in ihren Spielfilmenauftreten lassen. Man muss janicht gleich seine Lieblingssän-gerinnen zur Hauptfigur küren,wie es Wong Kar-Wai mit demKantonpopstar Faye Wong in„Chungking Express“ und spätermit der Folk-Sängerin NorahJones für „My Blueberry Nights“getan hat. Es reicht ja schon,wenn man sie beiläufig in dieHandlung einbaut wie Pedro Al-modovar, der den brasiliani-schen Songwriter Caetano Velo-

so in „Sprich mit ihr“ ein Wohn-zimmerkonzert geben lässt.Oder wie Fatih Akin, der seinenHauptdarsteller Birol Ünel in„Gegen die Wand“ in einerSchlüsselszene zur rumänischenGipsy-Blaskapelle Fanfare Cio-carlia auf die Bühne schickte.

Auch das Prinzip lässt sichausbauen: Andreas Dresen ließdie 17 Hippies aus Berlin in seinerTragikomödie „Halbe Treppe“zwischen den einzelnen Episo-den quasi als Treppenwitz auf-treten. Und Wim Wenders ent-spann in „Lisbon Story“ gleich ei-ne ganze, leider etwas lahmeSpielfilmhandlung um die por-tugiesische Band Madredeus.

Wollen sich Regisseure ganz inden Dienst der Musik stellen,dann würdigen sie sie mit einerDokumentation. Wim Wendersverpasste der kubanischen Mu-sik mit seiner „Buena Vista SocialClub“-Doku einen enormenSchub. Aber auch Fatih Akin bau-te der türkischen Musikszenemit seiner Istanbul-Doku „Cros-sing the Bridge“ eine Brückenach Europa.

Das Globalisierungskino vonheute hat jedenfalls die Globali-sierung des Hörens befördert.Auch darum ist der argentini-sche Starproduzent Gustavo San-taolalla („Amores Perros“, „Ba-bel“) zu einem der gefragtesten

Soundtrackkomponisten Holly-woods aufgestiegen. Und mit sei-nem Score zu „Slumdog Millio-när“ gelang auch dem indischenFilmmusik-Superstar A. R. Rah-man der Sprung von Bollywood-Ruhm zu Oscar-Ehren.

Es ist schon eine Weile her,dass Hollywoodfilme stets mitdemselben einförmigen Klang-brei untermalt wurden, selbstwenn sie wie „Jenseits von Afri-ka“ an weit entfernten Ortenoder in anderen Kulturen spiel-ten. Heute muss die Musik unbe-dingt einen exotischen Reiz ver-sprühen – selbst dann, wenn derFilm nur in einem Vorort vonSeattle oder Los Angeles spielt.

Tollkühne Musiker in ihren rollenden Kisten

enn am 12. Mai inCannes das Filmfes-tival eröffnet, wirddort eine bemer-

kenswerte Dokumentation ge-zeigt: ein Porträt der obdachlo-sen und polioversehrten Musi-ker von Staff Benda Bilili, das diebeiden Regisseure Renaud Barretund Florent de la Tullaye in denStraßen von Kinshasa gedrehthaben. Dort, in der Nähe des Zo-os, trifft sich die Band regelmä-ßig zu Spontansessions unterfreiem Himmel.

W

In ihren selbst gebauten Roll-stühlen wirken die Musiker aufden ersten Blick wie eine Truppeskurriler Biker, und wenn sienicht gerade mit Straßenkindernmusizieren, verkaufen sie vorden Clubs der Stadt billige Ziga-retten und Schnaps.

Ihre Songs wurzeln tief in derkongolesischen Rumba, gele-gentlich weht ein Echo des frü-hen James Brown oder des BuenaVista Social Clubs herüber. Auchihre Instrumente sind zum gro-ßen Teil selbst gebaut – so, wiedie aus einer Konservenbüchsegebastelte einsaitige Satongé-Gi-tarre, mit der der erst 18-jährigeRoger Landu seine betagten Kol-legen um den 56-jährigen SängerRicky Likabu begleitet.

MUSIKFILM Wie dieStraßenmusiker vonStaff Benda Bililiberühmt werden

„Staff benda bilili“ bedeutetauf Deutsch, dass es mehr gibt,„als für das bloße Auge sichtbarist“. Das scheinen auch andere sozu sehen: Als im vergangenenJahr ihr Weltdebüt „Très, trèsfort“ erschien, standen Arte, 3satund die ARD-Tagesthemen Kopf.

Auch westliche Musikerkolle-gen waren begeistert: Ex-Blur-Sänger Damon Albarn und Mas-sive Attack gingen bei ihrem Haltim Kongo mit ihrer Africa Ex-press-Karawane mit Staff BendaBilili auf die Bühne. Diesen Som-mer kommen die tollkühnenMusiker in ihren rollenden Kis-ten nach Deutschland. Im Herbstfolgt ihnen der Film.

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[email protected] SONNABEND/SONNTAG, 8./9. MAI 2010 DIE TAGESZEITUNG WELTMUSIK

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den, und verweben sie mit denMustern der westlichen Rockmu-sik und lang gezogenen Reggae-rhythmen zu einem eigenständi-gen Stil. Die Texte kreisen umzeitlose Themen wie die Liebeoder artikulieren das Unbeha-gen der Kel Tamasheq – der Leu-te, die Tamasheq sprechen, wiesich die Tuareg selbst nennen.Tamikrest verleihen den Gefüh-len und Sehnsüchten eines VolksAusdruck, das in den letzten Jahr-zehnten einen radikalen Wandelseiner Lebensweise durchma-chen musste und sich durch dieEntwicklungen in ihrer Regionan den Rand gedrängt fühlt.

„Natürlich waren Tinariwenunsere Vorbilder“, erklärt Ous-mane Ag Moussa. „Wir haben oftihre Songs gehört, sie habenmich beeinflusst“w. Die Anfängeder legendären Tuareg-Band, de-ren Name so viel wie „Leerer Ort“bedeutet, lassen sich in ein Aus-bildungslager zurückverfolgen,das der libysche Oberst GaddafiAnfang der Achtzigerjahre ein-richten ließ. Zu jener Zeit warenviele junge Tuareg vor der Dürreund dem politischen Druck inNiger und Mali gen Norden ge-flohen, nach Algerien und Liby-en, wo sie sich als Tagelöhner oh-ne Perspektive durchschlugen.Der libysche Potentat hoffte, ausdiesem Potenzial für sich eineschlagkräftige Söldnertruppe zuschmieden, um seine territoria-len Ambitionen zu befriedigen.

Zu Beginn waren die Tuareg-Musiker, die sich zur Keimzellevon Tinariwen formten, nichtviel mehr als ein Propaganda-arm einer Tuareg-Rebellengrup-pe. Mit aufrührerischen Songswarben sie für die politischenZiele dieser Bewegung und sta-chelten zum Aufstand auf. Im Ju-ni 1990 brach die Revolte los, dieals zweite große Tuareg-Rebelli-on in die Annalen eingehen soll-te – die erste hatte sich kurz nachder Unabhängigkeit in den Sech-zigerjahren ereignet.

Auf Kassetten machten dieAufnahmen von Tinariwen dieRunde und verbreiteten ihrenRuf überall da, wo Tuareg lebten,von Mali über Algerien und Liby-

en bis Niger und Burkina Faso.Nach dem spektakulären Frie-densschluss im Jahr 1996 tausch-ten sie ihre Kalaschnikows end-gültig gegen E-Gitarren ein. Seitdem Jahr 2000 tauchten Tinari-wen in ihren indigoblauen Ge-wändern, die Männer mit cha-rakteristischem Turban und Ge-sichtsschleier, auf europäischenWeltmusikfestivals auf. Ihr ener-gischer Bluesrock klang einer-seits vertraut und doch seltsamfremd und zog das Publikum ineinen hypnotischen Sog.

Tamikrest stehen nun für eineneue Generation. Der Name be-deutet so viel wie Knotenpunktoder Bündnis und bezieht sichauf die Provinzhauptstadt Kidal,das Basislager der Band. „Dorthat alles angefangen, dort hatsich unsere Gruppe formiert“, er-klärt Ousmane Ag Moussa. Die6.000-Seelen-Stadt wurde vorhundert Jahren von französi-schen Kolonialherren als Militär-posten in der Wüste gegründet,heute ist sie ein Knotenpunkt fürden Schmuggel von Zigaretten,Cannabis, Waffen oder illegalenFlüchtlingen nach Europa.

Seit Mai 2006 hat sich die Lageum Kidal wieder zugespitzt. Zwi-schenzeitlich ein beliebtes Zielfür Saharatouristen, ist die Regi-on damit wieder an den Rand derAufmerksamkeit geraten. Mit ih-rer Musik wollen Tamikrest dar-an jetzt etwas ändern.

■ Tamikrest: „Adagh“(Glitterhouse)

Der Rummel über der WüsteDESERT BLUES Die Band Tamikrest aus Mali steht für eine neue Generation des Tuareg-Rock.

Ab Mai kommt sie mit der befreundeten Rockgruppe Dirt Music auf Deutschland-Tournee

VON DANIEL BAX

ie wohnten im Zelt nebenuns“, erzählt Chris Eck-man von seiner ersten Be-gegnung mit den Tuareg-

Musikern von Tamikrest. Kaumangekommen beim berühmtenFestival au Desert, das 2001 in derWüste von Essakane aus demSand gestampft worden war undseither Gäste und Musiker aus al-ler Welt anzieht, lief Eckman demjungen Gitarristen Ousmane AgMoussa über den Weg. „Fast dieganze Zeit hingen wir zusam-men ab, tranken Tee und mach-ten gemeinsam Musik.“ Dasspontane Zusammentreffensollte Folgen haben.

Zwei Jahre später sitzen diebeiden in Berlin in einem Hotel-zimmer und reden über das, wasseitdem passiert ist. OusmaneAg Moussa hat einen portablenGasherd dabei, um sich daraufden starken Tee der Tuaregs zukochen. „Nichts an diesem Pro-jekt war einfach, vieles hatte mitGlück zu tun. Aber das meiste hatgeklappt“, berichtet Chris Eck-man stolz. Nach seiner Rückkehraus Mali fasste der Gitarrist undSänger der Rockband The Walk-abouts aus Seattle den Ent-schluss, sich mit den neuenFreunden aus der Sahara im Stu-dio zu treffen. Per E-Mail, überMobiltelefone und Kontaktleuteverabredete man ein Wiederse-hen in Malis Hauptstadt Bamako.„Sie leben zwar in der Mitte derWüste, aber sie besitzen Mobilte-lefone“, betont Eckman. „Für siewar die Anreise allerdingsschwieriger. Wir kamen mit demFlugzeug aus Paris, sie mussteneine Tagesreise quer durch dasLand antreten“.

So entstand das Album „Ad-agh“, mit dem Tamikrest im Mainach Europa kommen. In denLiedern, die Ousmane Ag Moussamit rauer Stimme vorträgt, gehtes um das Leben in der Sahara,das Aufbegehren gegen Unge-rechtigkeit und den Wunschnach Freiheit und Eintracht. Essind ausgedehnte, meditativeMelodien, die eine fast trance-hafte Atmosphäre verströmen.Die geisterhaft flehenden Gitar-ren und der grummelnde Basssind nur sparsam verstärkt undverzerrt und von zurückhalten-der Perkussion untermalt.

Tamikrest sind die jüngstenVertreter eines Genres, das manTuareg-Rock nennen kann. Mitelektrischen Gitarren greifen siejahrhundertealte Melodien auf,die an den Lagerfeuern der Saha-ranomaden von Generation zuGeneration weitergegeben wur-

S

IRISH FOLK TRIFFT MEXIKANISCHE FOLKLORE

Die Fronten gewechseltIm Krieg mit Mexiko erweiterten dieUSA von 1846 bis 1848 ihr Territori-um im Süden und Osten bis zum RioGrande: Es war der erste Erobe-rungskrieg der noch jun-gen Nation. Das Album„San Patricio“ ist eineHommage an jene Iren,die in diesem Kampf dieFronten wechselten.Vielen Iren, die geradeerst in die Neue Welt ein-gewandert waren, kam das Szena-rio an der mexikanischen Front ver-traut vor, denn dort kämpften wie inIrland Katholiken gegen Protestan-ten. Ein ganzes Bataillon, das sichnach dem irischen SchutzheiligenSankt Patrick benannte, schlug sichdarum auf die Seite der Mexikaner.

Fast wie ein Hörspiel ist „San Patri-cio“ aufgebaut, für das Chieftains-Oberhirte Paddy Moloney und RyCooder viele Mitstreiter rekrutier-

ten: von der 92-jährigenChavela Vargas über LindaRonstadt bis zum galicis-chen Dudelsackspieler Car-los Nuñez.Neben Boleros, Rancherasund mexikanischen Volks-liedern tauchen Dudel-

sack, Fiedeln und Flöten auf, zu Ma-riachis, Texmex und Akkordeon ge-sellen sich irische Jigs & Reels. Soklingt das Album mehr nach Mexikoals nach Irland, was manchen Chief-tains-Fans wohl irritieren dürfte.■ Ry Cooder & The Chieftains:„San Patricio“ (Hear/Universal)

LATIN TRIFFT AMERICANA

Melancholie in HavannaDie sportliche Trainingsjacke hatAmparo Sánchez abgestreift, ihreeinst gern mit einem Tuch zum Tur-ban hochgebundenen Dreadlockszur Strubbelfrisur gestutzt.Aus dem einstigen Hippie-Chick ist eine ernsthaftdreinblickende Künstleringeworden, die schwarzträgt und sich in gediege-ner Melancholie wiegt.Rundum erneuert präsentiert sichdie ehemalige „Königin“ des Mesti-zo-Sounds: Es ist der karge Wüsten-sound von Calexico aus Tucson, Ari-zona, der jetzt den Rahmen für ihreausdrucksstarke Stimme setzt. Erträgt die Handschrift des GitarristenJoey Burns und des SchlagzeugersJohn Convertino.

Für einen guten Teil der Aufnah-men, die sich auf „Tucson-Habana“wiederfinden, lud die spanischeSängerin die beiden befreundeten

Musiker nach Kuba ein. Siemieteten sich die berühm-ten Egrem-Studios in Ha-vanna, um tiefer in die ka-ribische Melancholie ein-zutauchen. So interpre-tiert Amparo Sanchez

schwelgerische Kuba-Balladen wie„La Parrandita de las Santas“ („DasFest der Heiligen“) oder liefert sichmit Omara Portuondo, der 79-jähri-gen Diva aus dem Buena Vista So-cial Club, ein beeindruckendes Du-ett der Generationen.■ Amparo Sanchez: „Tucson-Habana“ (Wrasse/PIAS)

Trinkt gerne Tee in der Sahara: Ousmane Ag Moussa (vorne links) im Kreis seiner Getreuen Foto: Glitterhouse

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[email protected] SONNABEND/SONNTAG, 8./9. MAI 2010 DIE TAGESZEITUNG 15WELTMUSIK

Wenn Sie Musik für Filmeschreiben, ist das heute anders– jetzt, wo Sie berühmt sind undviele Angebote bekommen?Makaroff: Wir bekommen garnicht so viele Angebote – zumin-dest nicht so viele interessante.Unsere Stücke werden zwar inFilmen benutzt. Aber es kamnoch kein Regisseur, der einenganzen Soundtrack von uns ha-ben wollte. Wir warten noch aufden Richtigen.Gotan-Tracks tauchten inBlockbustern wie „Shall WeDance“ und „Ocean Twelve“auf. Wie ist es, mit Hollywoodzu arbeiten?Solal: Einfach. Für „Shall WeDance“ mussten wir den Songnur ein wenig überarbeiten, umdas Titelthema des Films aufzu-nehmen. Es ist das zentraleStück, zu dem Richard Gere undJennifer Lopez tanzen. Holly-wood hat viele Fehler, aber auchviele Vorzüge, was Effizienz undProfessionalität betrifft. Da istdie Arbeit einfacher als mit man-chen französischen Regisseuren.Sie haben den Vergleich?Früher war ich mal musikali-scher Aufnahmeleiter und habeda für eine Menge Regisseure ge-arbeitet, von Lars von Trier überZhang Yimou bis zu Robert Alt-man. Je erfahrener sie waren,desto einfacher war es. Abermanche haben mir wirklich den

Verstand geraubt – und mir da-für noch nicht einmal im Gegen-zug einen guten Film geschenkt.Sonst wäre es ja okay gewesen.Regisseure wie Wong Kar-Waischneiden ihre Bilder zur Mu-sik. Ist das eine gute Idee?Ich empfehle jedem Regisseur,das zu tun. Fast alle Regisseureaber schneiden ihre Filme lieberzu einer anderen Musik und bit-ten dann einen Komponisten, ih-nen eine Filmmusik zu schrei-ben. Oder sie bitten einen Musi-ker, ein paar Töne zu den Bildern

zu komponieren.Man sollte es so machen wie derfranzösische Komponist MichelLegrand. Als er nach Hollywoodkam, sollte er die Musik zur „Tho-mas Crown Affair“ schreiben.Vor dem Schnitt sah er eine fünf-stündige Fassung des Films undsagte dann zum Regisseur undzum Produzenten: Ich komme indrei Wochen mit der Musik ausParis zurück und ihr schneidetden Film danach. Sie waren über-rascht, aber sie stimmten zu. Da-rum ist der Film so fantastischgeworden: weil die Verbindungvon Musik und Bildern so per-fekt ist. Man denke nur an dieSzene, in der Faye Dunaway undSteve McQueen Schach spielen –das ist eine der erotischsten Sze-nen der Filmgeschichte.Makaroff: Zu Wong Kar-Waimöchte ich noch hinzufügen,dass er mit „Happy Together“den besten Film über Buenos Ai-res gemacht hat – und das, ob-wohl er aus Hongkong und nichtaus Argentinien stammt.Heute gehen viele Regisseurewie DJs vor und bauen ihre Lieb-lingssongs in Filme ein.Das kann auch toll sein. StanleyKubrick hat gesagt: Warum sollmir jemand klassische Musikkomponieren, wenn ich Beetho-ven oder Mozart oder Wagner be-nutzen kann? Da hat er recht. Dasist eine Entscheidung.Tarrantino hat so seinen Stil ge-prägt. Manchmal sagen wir auch:Komm, lass uns eine Tarantino-Gitarre einsetzen. Natürlichspielt Tarrantino keine Gitarre.Aber jeder weiß, was gemeint ist.Auf Ihrem neuen Album findensich Anklänge an US-Westernund Alternative Country. HabenSie ein Faible für Americana?Makaroff: Es gibt viele amerika-nische Banditen, die nach Süd-amerika geflüchtet sind. So wieButch Cassidy and Sundance Kid.Insofern gibt es da einen Zusam-menhang. Aber der Tango unddie argentinische Folklore bildenbei uns den roten Faden. Wir ver-suchen nur, um diese Musik her-um etwas Neues zu schaffen.Auf Ihrem letzten Album „Lu-natico“ haben Sie die Musik aus„Paris, Texas“ zitiert. Was ver-binden Sie mit diesem Film?Solal: Als ich ihn das erste Malsah, habe ich mich natürlich inNastassja Kinski verliebt – undbin es immer noch (lacht). Unddann hat mich die Einsamkeitdieses Mannes in der Wüste be-rührt. Die Story ist sehr emotio-nal. Ich muss noch immer fastweinen, wenn ich daran denke.

■ Gotan Project: „Tango 3.0“

„Wir haben einen Film im Kopf“ELKTRO-TANGO Philippe Cohen Solal und Eduardo Makaroff vom Gotan Project im Gespräch:

über das Verhältnis von Kino und Musik, Arbeiten für Hollywood und Tarrantino-Gitarren

INTERVIEW DANIEL BAX

taz: Herr Solal, Herr Makaroff,Ihre Musik wird oft „kinemato-grafisch“ genannt. Haben Sie ei-nen Film im Kopf, wenn Sie IhreStücke schreiben?Philippe Cohen Solal: Da ist et-was dran. Auf unserem ersten Al-bum gab es Tracks, von denen ichdachte, die könnten sich gut ineinem Film von Pedro Almodo-var machen. Und unsere neuenStücke trugen zum Teil Arbeits-titel wie „David Lynch Tango“.Wie kommt das?Eduardo Makaroff: Wir alle ha-ben für Filme gearbeitet und be-wundern Regisseure, die in ihrenFilmen eine ganz eigene Atmos-phäre entstehen lassen. Das istwohl auch der Grund, warumman unsere Musik in so vielenFilmen oder TV-Serien findet.Musik für Filme zu schreiben –ist das anders, als Gotan-Trackszu komponieren?Solal: Filmemacher und Musi-ker, das ist immer eine spezielleBeziehung – weil beides Künstlersind. Darum gibt es so viele un-glaubliche Geschichten überHitchcock und den KomponistenBernard Hermann, oder über Ni-no Rota und Fellini – es ist eineHassliebe. Aber der Regisseur istder Boss. Wenn wir an einem Al-bum arbeiten, sind wir unser ei-gener Chef.

ELEKTRO BALKAN SOUNDCLASH

Falafel in ManhattanWas passiert, wenn sich der„Hotstepper“ auf eine Hochzeitsfei-er im Nahen Osten verirrt? Waskäme heraus, wenn DJs aus derBronx mit denBeatschmieden von Bei-rut, Kairo oder Marra-kesch gemeinsame Sachemachen würden? Und wieklingt es, wenn sich eineBlaskapelle vom Balkanauf einem Techno-Rave in Tel Avivein paar Ecstasy-Pillen einwirft?Die Antwort geben Balkan Beat Boxauf ihrem Album „Blue Eyed BlackBoy“. Darin reichert das Trio ausNew York ihren urbanen Melting-Pot-Sound mit nahöstlichen undBalkanklängen an: Big Apple meetsFalafel und Cevapcici.

Drei Israelis bilden Balkan Beat Box:Saxofonist Ori Kaplan, Produzent Ta-mir Muskat sowie MC Tomer Yosef.Ihr Album entstand in Tel Aviv, Wien

und Belgrad, wo der Flü-gelhornist Jovica Ajdare-vic einigen Tracks einewaschechte Balkannoteverpasste. Und auf demStück „Smatron“ lässt derGnawa-Musiker Hassan

Ben Jaafar die Elektrobeats nachseiner Santir-Laute tanzen.Der Youtube-Clip zu „War Again“zeigt die Musiker als Comic-Figuren,die vor einem bulligen und bewaff-neten Armytypen fliehen. Siehtnach Wehrdienstverweigerung aus.■ Balkan Beat Box: „Blue EyedBlack Boy“ (NatGeo)

SLOWENISCHER SCHWERENÖTER

Strizzi mit BlumenstraußWäre er nicht schon viel früher dagewesen – man könnte Magnificoals slowenische Antwort auf Boratbezeichnen. Hinter Mag-nifico verbirgt sich derMusiker Robert Pesut, dergern mit Balkanklischeesjongliert. Seine Landsleu-te lieben ihn dafür.Mit Alben wie „Stereo-tip“, „Sexy Boy“ oder „Ex-port import“ erlangte er Kultstatusals notorische Krawallschachtel,sein Hit „Hir aj kam, hir aj go“machte auch im Ausland Furore.Mal posierte er halbnackt in Leo-pardenunterwäsche, mal bewarb ersich mit einer Ode an einen bekann-ten Pornostar, um sein Land beimEurovision Song Contest zu vertre-

ten, außerdem spielte er in einigenSpielfilmen mit. Augenzwinkerndstellte er Stereotype und Vorurteile

bloß und machte mit Witzgegen Machismo, Frem-denfeindlichkeit und Ho-mophobie Front.Im weißen Anzug und mitCowboyhut wie ein Vor-stadtstrizzi gekleidet undmit Blumenstrauß in der

Hand, empfiehlt sich der Schwere-nöter auf dem Cover von „Magnifi-cation“ nun dem Rest der Welt. Mitseinem unwiderstehlichen Mix ausSurfgitarren und Mariachibläsern,Turbofolk und Balkanfunk sollte eroffene Türen einrennen.■ Magnifico: „Magnification“(Piranha. Erscheint im Juli)

Tango trifft Spaghettiwestern: Eduardo Makaroff, Christoph H. Müller, Philippe C. Solal Foto: Ya Basta!

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Das Weltnacht-Festival inBielefeld (12. Mai bis 4. Septem-ber) bietet in Folge das Al Anda-luz Project sowie das verbliebeneOrchester des Buena Vista SocialClub auf, und am 5. Juni steigtauch wieder der berühmte Car-nival der Kulturen in der Innen-stadt von Bielefeld.

Mit dem Cup of Cultures bie-tet das Haus der Kulturen derWelt in Berlin vom 11. Juni biszum 11. Juli ein packendes Be-gleitprogramm zur Fußball-WM,das neben Public Viewing auchKonzerte von Freshly Ground,dem Bluesmusiker Vieux FarkaTouré aus Mali sowie Partys vonKwaito bis Kuduro verspricht.

Die Summer Stage am KölnerTanzbrunnen dagegen steht am27. Juni unter dem Motto „LaBoom!“ und widmet sich demNachbarland Frankreich. Nebender Chanteuse Coralie Clément

und der Mittelmeer-Mischpokevom Watcha Clan ist, als Überra-schung, auch die Band La Carava-ne Passe angekündigt, die alsnächstes großes Gipsy-Punk-Ding gehandelt werden.

Vom 2. bis 4. Juli feiert dasTanz & Folkfest Rudolstadt 20Jahre – mit Gästen wie dem AfroCelt Sound System aus Irland,den Flamenco-Hoppern Ojos deBrujos aus Spanien und der Völ-kerfreundschafts-Kapelle Rot-front. Für den Länderschwer-punkt Äthiopien werden eigensStars der Ethio-Jazz-Szene wiedie Èthiopiques eingeflogen.

Gleich 25 Jahre begeht derReggae Summer Jam in Köln (2.bis 4. Juli) – mit mehreren Mar-ley-Söhnen und Gil Scott-Heronsowie deutschen Lokalmatado-ren wie Gentleman, Miss Plat-num, der Sängerin Nneka oderdem Dancehall-AktivistenduoMono & Nikitaman.

In der Kulturarena Jena kannman sich vom 7. Juli bis zum 22.August auf Rupa & the April Fis-hes, China-Pop mit Sa Ding Dingsowie ein furioses Finale mit derLatin-Punk-Combo Los de Abajoaus Mexiko freuen.

Das Zeltival Karlsruhe (8. Julibis 8. August) lockt mit Shantelund seinem Bucovina Club Orke-star, der brasilianischen SängernCèU und den kernigen Burschenvon La Brass Banda.

Das Kulturzelt Kassel hältvom 8. Juli bis zum 22. Augustmit dem Orquestrada aus Portu-gal, den Salsa-Altstars von SierraMaestra aus Kuba und den 17 Hip-pies dagegen.

Auch das Stimmen-Festivalin Lörrach (14. Juli bis 8. August)setzt auf polyglotte Konzerte, mitden italienischen Barden LucioDalla und Francesco de Gregori,Freshly Ground & Staff Benda Bi-lili, den französischen Gipsy-Gi-tarristen Thierry Robin und dempakistanischen Sänger Faiz AliFaiz jeweils im Doppelpack.

Das Bardentreffen Nürnberg(30. Julibis 1. August)steht unterdem Motto „Railroad Songs“ undlädt dazu den Songwriter ArloGuthrie, einen Spross der Folk-Legende Woodie Guthrie.

Und auch derChiemseeeReg-gae Summer glänzt (27. bis 29.August) mit Gentleman und Fet-tes Brot, Anthony B, DesordenPublico aus Venezuela und FatFreddys Drop aus Neuseeland inbetont internationalen Farben.

Afrikanischer SommerIm Schatten derFußball-WM: EinÜberblick über dieWeltmusik-Festivalsund ihre Highlights

Freshly Ground sindmit ihrem Multikulti-Pop die perfektenBotschafter der„Regenbogennation“

Der offizielle Song zur Fußball-WM stammt in diesem Jahr vonder Latin-Sängerin Shakira undder südafrikanischen PopbandFreshly Ground. Die sind in ihrerHeimat längst Superstars, an-sonsten aber noch ein Geheim-tipp. Als multiethnisches und so-zial engagiertes Ensemble, dasdiverse südafrikanische Einflüs-se in seinen leichtfüßigen Pop-sound verwebt, sind sie perfekteBotschafter der „Regenbogenna-tion“, wie sich Südafrika seit demEnde der Apartheid gerne nennt.

Dass ihr Land durch die Fuß-ball-WM in den Fokus der Auf-merksamkeit rückt, nutzenFreshly Ground, indem sie einneues Album veröffentlichenund im Sommer auf diversendeutschen Festivals auftreten.Den Auftakt ihre Tournee hierzu-lande machen sie beim 22.AfricaFestival in Würzburg (21. bis 24.Mai), das ohnehin ganz im Zei-chen der Fußball-WM in Südafri-ka stehen wird. Neben südafrika-nischen Stars wie der Soul-DivaLira oder dem Polit-Sänger VusiMahlasela stehen ansonsten gu-te alte Freunde wie YoussouN’Dour sowie Newcomer wieGuineas Reggae-Star Takana Zionoder der Seeed-Kollege Dellé aufdem Programm. Außerdem na-türlich: Filme, Debatten, Ausstel-lungen und ein Wein-Festival!

Ebenfalls an Pfingsten startetder Karneval der Kulturen inBerlin (21. bis 24. Mai) mit sei-nem viertägigen Straßenfestund mehreren Bühnen, den Hö-hepunkt bildet wie immer derbunte Straßenumzug am 23. Mai.

Zeitgleich öffnet das MoersFestival (21. bis 24. Mai) seinePforten. Es hat sich traditionelldem Jazz verschrieben, bietet indiesem jahr aber auch der Bal-kan-Queen Miss Platnum, ArtoLindsay und seinem Broken Bos-sa oder der Perforerin DobetGnahoré aus der Elfenbeinküsteeine Bühne.

Den Auftakt zur Festivalsaisonmacht in diesem Jahr aber dasMasala Festival in Hannover (5.bis 16. Mai), bei dem die spani-sche Sängerin Amparo Sanchezdas Eröffnungskonzert bestrei-tet. Ihr auf dem Fuße folgen dienorwegische Jazz-SongwriterinKari Bremnes, die finnische Star-Akkordeonistin Maria Kalaniemisowie die Red Hot Chili Pipers,die verschärften Dudel-sackalarm schlagen werden. !

Dank WM-Song im Fokus der Aufmerksamkeit: Sängerin Zolani Mahola von der Band Freshly Ground Foto: Sony

chon weit vor dem Anpfiff zurFußball-WM in Südafrika gab

es große Aufregung um die arm-langeFan-TröteVuvuzela,mitderman so markerschütternde Ge-räusche wie ein waidwunder Ele-fant oder ein Nebelhorn machenkann. Bis in die höchsten Rängeder Fifa hinauf musste man klar-stellen, dass es zu keinem Verbotin den Stadien kommen würde.

Kenner der südafrikanischenMusikszenewissenohnehin,wo-vor man sich am Kap viel mehrfürchten sollte, wenn einem dieeigenen Ohren lieb sind – vorKwaito, der mit seinen bollern-den House-Beats zum coolenSprechgesang in Zulu, Xhosaund Township-Englisch dort all-gegenwärtig ist. In dieser Party-Musik drückt sich seit dem Falldes Apartheid-Regimes das neueSelbstbewusstsein der schwar-zen Bevölkerungsmehrheit aus.InzwischenistumKwaitoherumeine regelrechte Entertainment-Industrie gewachsen, und heuteist es das populärste Genre desLandes: ob im Radio oder imFernsehen, auf Hochzeiten, imSammeltaxi oder aus dem Ghet-toblaster auf der Straße – es gibtkein Entkommen.

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Ständig bringt das pulsieren-de Genre neue Stars mit seltsa-men Namen wie DJ Clock, DJ Mu-jave oder DJ Sumsthyn Black her-vor. Einen Einblick in die aktuel-le Szene gibt der Sampler „Ayo-baness!“. Der Titel geht auf denpopulären Schlachtruf „Ayoba“zurück, mit dem man am Kapseiner Begeisterung Ausdruckverleiht. Darauf spielte der Hit„Ayobaness“ an, der in den letz-ten Jahren die Tanzflächen vonJohannesburg bis Durban zumBeben gebracht hat und jetzt aufdem Sampler enthalten ist. Erstammt von einem gewissenPastorMbhobho–einemehema-

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SOUNDTRACK FÜR DIE FUSSBALL-WM IN SÜDAFRIKA

Hohepriester der Party-Ekstase am Kapligen Radio-Comedy-Star, dernun als Kwaito-Musiker einezweite Karriere macht und sichgerne hinter Priesterkostüm,riesiger Afro-Perücke und di-ckem Goldschmuck verbirgt.

In den letzten Jahren hat dasInteresse an exotischen Dance-floor-Stilen wie brasilianischemBaile Funk aus den Favelas, Cum-bia-Rap aus Kolumbien oder an-golanischem Kuduru im Westenstark zugenommen. Die Fuß-ball-WM in Südafrika bietet nundie Chance, die boomendeHouse-Szene vom Kap ins Ram-penlicht zu rücken.

Wie in anderen urbanen Club-Genres auch geht es beim Kwaitomeist ums Feiern bis zum Ab-winken oder um profane Liebes-dinge. Politische Aussagen, diezu Zeiten von Miriam MakebaundHughMasekelamaleinMar-kenzeichen der südafrikani-schen Musik waren, sucht mandagegen vergeblich. Für Südafri-kaistdasnichtsSchlechtes:Eser-innertdaran,dasssichdortman-che Dinge gründlich zum Besse-ren gewendet haben.

■ „Ayobaness! The Sound of SouthAfrican House“ (Outhere)

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