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Die Vorgaben der Die Vorgaben der Europäischen Europäischen Menschenrechtskonvention Menschenrechtskonvention für ein faires für ein faires Strafverfahren Strafverfahren Internationale Konferenz zum Thema Internationale Konferenz zum Thema „Die Rechte der Beteiligten im Strafprozess“ „Die Rechte der Beteiligten im Strafprozess“ (Odessa, 16-18. Juni 2010) (Odessa, 16-18. Juni 2010) Prof. Dr. Robert Esser Prof. Dr. Robert Esser Universität Passau Universität Passau

Die Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention für ein faires Strafverfahren Internationale Konferenz zum Thema Die Rechte der Beteiligten im Strafprozess

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Die Vorgaben der Die Vorgaben der Europäischen Europäischen

Menschenrechtskonvention Menschenrechtskonvention für ein faires Strafverfahrenfür ein faires Strafverfahren

Internationale Konferenz zum Thema Internationale Konferenz zum Thema „Die Rechte der Beteiligten im Strafprozess“ „Die Rechte der Beteiligten im Strafprozess“

(Odessa, 16-18. Juni 2010)(Odessa, 16-18. Juni 2010)

Prof. Dr. Robert EsserProf. Dr. Robert Esser

Universität PassauUniversität Passau

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Faires Verfahren (Art. 6 I Faires Verfahren (Art. 6 I EMRK)EMRK)- Ziele -- Ziele -

Vorbeugung jeder Willkür Vorbeugung jeder Willkür Bürger darf nicht zum bloßen Objekt der Bürger darf nicht zum bloßen Objekt der

Ent-scheidungsfindung herabgewürdigt Ent-scheidungsfindung herabgewürdigt werden werden

Ermöglichung von Rahmenbedingungen, Ermöglichung von Rahmenbedingungen, damit die am Verfahren Beteiligten ihre damit die am Verfahren Beteiligten ihre Verfahrensinteressen wirksam vertreten Verfahrensinteressen wirksam vertreten könnenkönnen

Gleichheit vor Gericht („equal before the Gleichheit vor Gericht („equal before the courts and tribunals“); vgl. Art. 14 Abs. 1 courts and tribunals“); vgl. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 IPBPRSatz 1 IPBPR

Wertungsmaßstab dafür, ob die effektive Wertungsmaßstab dafür, ob die effektive Rechts-wahrung im Prozess allen Rechts-wahrung im Prozess allen Prozessparteien gleichermaßen gesichert istProzessparteien gleichermaßen gesichert ist

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Faires Verfahren (Art. 6 I Faires Verfahren (Art. 6 I EMRK)EMRK)

- Inhalt -- Inhalt - „„Fairness“ bestimmt das Verhältnis zwischen Fairness“ bestimmt das Verhältnis zwischen

den Verfahrensbeteiligten und dem Gericht den Verfahrensbeteiligten und dem Gericht ebenso wie das Verhältnis zwischen den am ebenso wie das Verhältnis zwischen den am Verfahren mit gegenläufigen Interessen Verfahren mit gegenläufigen Interessen teilnehmenden Personenteilnehmenden Personen

übergeordnetes Prinzip der übergeordnetes Prinzip der Verfahrensgerechtigkeit Verfahrensgerechtigkeit

gerechtes, unparteiisches, justizförmiges gerechtes, unparteiisches, justizförmiges VerfahrenVerfahren

Leitgedanke der Billigkeit und Gerechtigkeit Leitgedanke der Billigkeit und Gerechtigkeit Rechtsprinzipien eines adversatorischen Rechtsprinzipien eines adversatorischen

Strafver-fahrens („Waffengleichheit“)Strafver-fahrens („Waffengleichheit“) Kontradiktorisches VerfahrenKontradiktorisches Verfahren

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Faires Verfahren (Art. 6 I Faires Verfahren (Art. 6 I EMRK)EMRK)

- Inhalt / Einzelprinzipien -- Inhalt / Einzelprinzipien - Recht auf Stellungnahme zu allen Recht auf Stellungnahme zu allen

relevanten Gesichtspunkten relevanten Gesichtspunkten Recht auf effektive Einflussnahme auf Recht auf effektive Einflussnahme auf

Gang und Ergebnis des VerfahrensGang und Ergebnis des Verfahrens Möglichkeit der Auseinandersetzung mit Möglichkeit der Auseinandersetzung mit

dem verwendeten Beweismaterialdem verwendeten Beweismaterial Information über das ganze als Information über das ganze als

entscheidungs-erheblich in Betracht zu entscheidungs-erheblich in Betracht zu ziehende Beweismaterialziehende Beweismaterial

AkteneinsichtAkteneinsicht Recht auf Anwesenheit in der Recht auf Anwesenheit in der

HauptverhandlungHauptverhandlung

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Faires Verfahren (Art. 6 I Faires Verfahren (Art. 6 I EMRK)EMRK)

- Inhalt / Einzelprinzipien -- Inhalt / Einzelprinzipien - „„Mindestrechte“ (Art. 6 III EMRK) als Mindestrechte“ (Art. 6 III EMRK) als

Einzel-aspekte des fairen Verfahrens Einzel-aspekte des fairen Verfahrens Recht auf Information (lit. a)Recht auf Information (lit. a) Recht auf angemessene Zeit zur Recht auf angemessene Zeit zur

Vorbereitung der Verteidigung (lit. b)Vorbereitung der Verteidigung (lit. b) Recht auf Verteidigung (lit. c)Recht auf Verteidigung (lit. c) Konfrontationsrecht (lit. d)Konfrontationsrecht (lit. d) Recht auf Dolmetscherunterstützung Recht auf Dolmetscherunterstützung

(lit. e)(lit. e) Ungeschriebene RechteUngeschriebene Rechte

AkteneinsichtAkteneinsicht Nemo teneturNemo tenetur

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Faires Verfahren (Art. 6 I Faires Verfahren (Art. 6 I EMRK)EMRK)

- Inhalt / Verfahrensstadien -- Inhalt / Verfahrensstadien - „„Fair hearing“ – „Fair trial“Fair hearing“ – „Fair trial“ HauptverhandlungHauptverhandlung Anwendungsbereich des Art. 6 EMRKAnwendungsbereich des Art. 6 EMRK

„„angeklagte Person“ angeklagte Person“ EGMR („Imbrioscia“): auch VorverfahrenEGMR („Imbrioscia“): auch Vorverfahren

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Faires Verfahren (Art. 6 I Faires Verfahren (Art. 6 I EMRK)EMRK)

- Einzelrechte v. Gesamtwürdigung -- Einzelrechte v. Gesamtwürdigung - Zusammenschau mehrerer Zusammenschau mehrerer

EinzelprinzipienEinzelprinzipien Vorrangig: Einzelregelungen des Vorrangig: Einzelregelungen des

jeweiligen natio-nalen Verfahrensrechts jeweiligen natio-nalen Verfahrensrechts für die Einzelausgestaltung des für die Einzelausgestaltung des Verfahrens und die Tragweite einzelner Verfahrens und die Tragweite einzelner Ver-fahrensbefugnisseVer-fahrensbefugnisse

Einzelne Verfahrensrechte v. zentrales Einzelne Verfahrensrechte v. zentrales Rechts-prinzipRechts-prinzip

Heutiges Verständnis: gesamtes Heutiges Verständnis: gesamtes VerfahrenVerfahren

Konsequenz: auch Mängel im Konsequenz: auch Mängel im Vorverfahren können Fairnessverstoß Vorverfahren können Fairnessverstoß bedeuten (anders: Revision)bedeuten (anders: Revision)

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Faires Verfahren (Art. 6 I Faires Verfahren (Art. 6 I EMRK)EMRK)

- Einzelrechte v. Gesamtwürdigung -- Einzelrechte v. Gesamtwürdigung - EGMR: Faires Verfahren „in seiner EGMR: Faires Verfahren „in seiner

Gesamtheit“Gesamtheit“ Gesamtfairness = Gesamtwürdigung Gesamtfairness = Gesamtwürdigung

des konkreten Verfahrensverlaufsdes konkreten Verfahrensverlaufs Auch: Gedanke der Subsidiarität des Auch: Gedanke der Subsidiarität des

menschen-rechtlichen Kontrollsystemsmenschen-rechtlichen Kontrollsystems Möglichkeit der Kompensation von Möglichkeit der Kompensation von

Mängeln bis zum Ende der ersten Mängeln bis zum Ende der ersten gerichtlichen Instanzgerichtlichen Instanz

Ausgleich mehrerer Einzelrechte Ausgleich mehrerer Einzelrechte („praktische Konkordanz“)(„praktische Konkordanz“)

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Faires Verfahren (Art. 6 I Faires Verfahren (Art. 6 I EMRK)EMRK)

- Einzelrechte v. Gesamtwürdigung -- Einzelrechte v. Gesamtwürdigung - EGMR: Faires Verfahren „in seiner EGMR: Faires Verfahren „in seiner

Gesamtheit“Gesamtheit“ Variante 1: Verstoß gegen Variante 1: Verstoß gegen

Einzelrecht führt nicht zwingend Einzelrecht führt nicht zwingend zur Unfairnesszur Unfairness

Variante 2: eklatante Missachtung Variante 2: eklatante Missachtung eines garantierten Einzelrechts = eines garantierten Einzelrechts = kein faires Verfahrenkein faires Verfahren

Variante 3: Missachtung mehrer Variante 3: Missachtung mehrer Einzelrechte führt (nur) insgesamt Einzelrechte führt (nur) insgesamt zur Unfairness des Verfahrenszur Unfairness des Verfahrens

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Geltung der EMRK im Geltung der EMRK im deutschen Rechtdeutschen Recht

EMRK besitzt in der deutschen EMRK besitzt in der deutschen Rechtsordnung nicht den Status von Rechtsordnung nicht den Status von Verfassungsrecht iSv Art. 25 GGVerfassungsrecht iSv Art. 25 GG

sondern: einfaches Bundesgesetz (Art. sondern: einfaches Bundesgesetz (Art. 59 II GG)59 II GG)

Bestimmungen der EMRK: unmittelbar Bestimmungen der EMRK: unmittelbar geltendes deutsches Rechtgeltendes deutsches Recht

EMRK bindet sowohl die vollziehende EMRK bindet sowohl die vollziehende Gewalt als auch die Rechtsprechung Gewalt als auch die Rechtsprechung (Art. 20 III GG)(Art. 20 III GG)

EMRK ist in jedem Strafverfahren zu EMRK ist in jedem Strafverfahren zu beachtenbeachten

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Rechtsprechung des EGMRRechtsprechung des EGMR- Bindungswirkung -- Bindungswirkung -

Deutsche GerichteDeutsche Gerichte sind nicht sind nicht völkerrechtlichvölkerrechtlich, wohl aber innerstaatlich an , wohl aber innerstaatlich an die die gegen Deutschlandgegen Deutschland ergehenden Urteile ergehenden Urteile gebunden. gebunden.

Die Die gesamte Rechtsprechunggesamte Rechtsprechung des EGMR des EGMR nimmt – über das Zustimmungsgesetz (Art. 59 nimmt – über das Zustimmungsgesetz (Art. 59 II GG) – an der innerstaatlichen II GG) – an der innerstaatlichen Verbindlichkeit der EMRK teil.Verbindlichkeit der EMRK teil.

Art. 1 EMRK: Art. 1 EMRK: völkerrechtliche Bindung der völkerrechtliche Bindung der BR Deutschland an den BR Deutschland an den übertragungsfähigen Inhaltübertragungsfähigen Inhalt der der gesamtengesamten Rechtsprechung des EGMR – nicht jedoch an Rechtsprechung des EGMR – nicht jedoch an die gegen andere Staaten ergehenden Urteile die gegen andere Staaten ergehenden Urteile als solcheals solche (vgl. Art. 46 EMRK). (vgl. Art. 46 EMRK).

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Rechtsprechung des EGMRRechtsprechung des EGMR- Bindungswirkung -- Bindungswirkung -

BVerfG zieht Urteile des EGMR als BVerfG zieht Urteile des EGMR als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der vom GG Inhalt und Reichweite der vom GG geschützten Grundrechte und rechtsstaat-geschützten Grundrechte und rechtsstaat-lichen Grundsätze heran.lichen Grundsätze heran.

Nationale Gerichte müssen die in einem Nationale Gerichte müssen die in einem Strafver-fahren angewandten Vorschriften Strafver-fahren angewandten Vorschriften und Gesetze im Einklang mit den und Gesetze im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der BR völkerrechtlichen Verpflichtungen der BR Deutschland auslegen (völkerrechtsfreund-Deutschland auslegen (völkerrechtsfreund-liche Auslegung).liche Auslegung).

EMRK und mittelbar der gesamten EMRK und mittelbar der gesamten Rechtsprechung des EGMR kommt Rechtsprechung des EGMR kommt Klarstellungs-/Konkretisierungs-funktion für Klarstellungs-/Konkretisierungs-funktion für das deutsche Strafverfahrensrecht zu.das deutsche Strafverfahrensrecht zu.

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Wiederaufnahme, § 359 Nr. 6 Wiederaufnahme, § 359 Nr. 6 StPOStPO

Die Wiederaufnahme eines durch Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zugunsten des Verurteilten ist Verfahrens zugunsten des Verurteilten ist zulässig, (…) 6. wenn der EGMR eine zulässig, (…) 6. wenn der EGMR eine Verletzung der EMRK … festgestellt hat und Verletzung der EMRK … festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

(P) Beruhensklausel(P) Beruhensklausel (P) Anwendbarkeit auf (Mit-)Beschuldigte, (P) Anwendbarkeit auf (Mit-)Beschuldigte,

deren rechtskräftige Verurteilung an dem deren rechtskräftige Verurteilung an dem gleichen vom EGMR festgestellten Mangel gleichen vom EGMR festgestellten Mangel leidetleidet

(P) Ausweitung der Vorschrift auf andere (P) Ausweitung der Vorschrift auf andere rechts-kräftig Verurteilte, die selbst nicht rechts-kräftig Verurteilte, die selbst nicht den EGMR angerufen habenden EGMR angerufen haben

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Faires Verfahren Faires Verfahren - als Element der Verfassung - als Element der Verfassung

(GG) -(GG) - Innerstaatlich: Teil des Innerstaatlich: Teil des

Rechtsstaatsprinzips i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzips i.V.m. dem allgemeinen Freiheitsrecht, allgemeinen Freiheitsrecht, Art. 2 Abs. 1 GG, dem Recht auf Art. 2 Abs. 1 GG, dem Recht auf Gleichbehandlung (Art. 3 GG) und dem Gleichbehandlung (Art. 3 GG) und dem Recht auf Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG Recht auf Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG

Verfassungsrang Verfassungsrang Recht auf Gehör als Konkretisierung Recht auf Gehör als Konkretisierung

einer Anforderung des fairen Verfahrenseiner Anforderung des fairen Verfahrens

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EGMR (Fall 1)EGMR (Fall 1)Gäfgen / Deutschland (GK)Gäfgen / Deutschland (GK) 1.6.2010 1.6.2010

Androhung von Folter = Folter oder („nur“) Androhung von Folter = Folter oder („nur“) unmenschliche Behandlung?unmenschliche Behandlung?

Wegfall der Opfereigenschaft: Feststellung Wegfall der Opfereigenschaft: Feststellung des Verstoßes + ausreichende des Verstoßes + ausreichende WiedergutmachungWiedergutmachung (1) Verfolgung und Verurteilung der (1) Verfolgung und Verurteilung der

Verantwortlichen (auch Bestrafung?) undVerantwortlichen (auch Bestrafung?) und (2) Nichtverwertung der (unmittelbar) aus (2) Nichtverwertung der (unmittelbar) aus

der Erhebung stammenden Beweise der Erhebung stammenden Beweise („Früchte“?)(„Früchte“?)

(3) Finanzielle Entschädigung (und/oder?)(3) Finanzielle Entschädigung (und/oder?) „„Hartes“ Beweisverwertungsverbot (Art. 3 Hartes“ Beweisverwertungsverbot (Art. 3

EMRK) oder „weiche“ Verwertungskriterien EMRK) oder „weiche“ Verwertungskriterien aus Verfahrensfairness (Art. 6 I EMRK)?aus Verfahrensfairness (Art. 6 I EMRK)?

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EGMR (Fall 2)EGMR (Fall 2)Ramanauskas v. Litauen Ramanauskas v. Litauen

(Tatprovokation) 5.2.2008(Tatprovokation) 5.2.2008

(P) Verstoß gegen die (P) Verstoß gegen die Verfahrensfairness (Art. 6 I EMRK)Verfahrensfairness (Art. 6 I EMRK) Kriterien für ein „provozierendes Kriterien für ein „provozierendes

Verhalten“Verhalten“ (P) Rechtsfolge(P) Rechtsfolge

Verwertungsverbot / Verwertungsverbot / Verfahrenshindernis (EGMR) vs. Verfahrenshindernis (EGMR) vs. Strafzumessungslösung (BGH)Strafzumessungslösung (BGH)

EGMR, Ramanauskas v. Litauen (5.2.2008)EGMR, Ramanauskas v. Litauen (5.2.2008)EGMR, Pyrgiotakis v. Griechenland EGMR, Pyrgiotakis v. Griechenland

(21.2.2008)(21.2.2008)EGMR, Milanese v. Litauen (24.6.2008)EGMR, Milanese v. Litauen (24.6.2008) EGMR, Malininas v. Litauen (1.7.2008)EGMR, Malininas v. Litauen (1.7.2008)

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EGMR (Fall 3) – Bykov v. EGMR (Fall 3) – Bykov v. Russl. (GK)Russl. (GK)

Nemo tenetur / Beweisverwertung Nemo tenetur / Beweisverwertung 10.3.200910.3.2009

BGH: Schutz vor Zwang – nicht vor BGH: Schutz vor Zwang – nicht vor Täuschung !Täuschung !

EGMR – Allan v. UK (2002)EGMR – Allan v. UK (2002) U-Haft / Wille zu schweigen bereits U-Haft / Wille zu schweigen bereits

geäußert / „Zellspitzel“ – Form von geäußert / „Zellspitzel“ – Form von Zwang und Druck (+); unklar: enthält Zwang und Druck (+); unklar: enthält nemo tenetur (auch) Täuschungsverbot?nemo tenetur (auch) Täuschungsverbot?

BGH, 26.7.2007 – 3 StR 104/07 (VE)BGH, 26.7.2007 – 3 StR 104/07 (VE) BGH, 27.1.2009 – 4 StR 296/08 (VE)BGH, 27.1.2009 – 4 StR 296/08 (VE) BGH, 29.4.2009 – 1 StR 701/08 BGH, 29.4.2009 – 1 StR 701/08

(akustische Überwachung / U-Haft): (akustische Überwachung / U-Haft): FairnessverstoßFairnessverstoß

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EGMR (Fall 3) – Bykov v. Russl. EGMR (Fall 3) – Bykov v. Russl. (GK)(GK)

Nemo tenetur / Beweisverwertung Nemo tenetur / Beweisverwertung 10.3.200910.3.2009

Art. 8 EMRK Art. 8 EMRK

Gesetzliche Grundlage für Einsatz Gesetzliche Grundlage für Einsatz von V- Person + technischem von V- Person + technischem Mittel (Funksender)Mittel (Funksender)

Art. 6 EMRK – Faires Verfahren Art. 6 EMRK – Faires Verfahren Verwertbarkeit der Verwertbarkeit der

selbstbelastenden Äußerun-gen selbstbelastenden Äußerun-gen gegenüber V-Person?gegenüber V-Person?

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EGMR (Fall 3) – Bykov v. Russl. EGMR (Fall 3) – Bykov v. Russl. (GK)(GK)

Nemo tenetur / Beweisverwertung Nemo tenetur / Beweisverwertung 10.3.200910.3.2009 Art. 6 I EMRK Art. 6 I EMRK

1. Stufe1. Stufe: Verwertbarkeit unter dem : Verwertbarkeit unter dem Gesichtspunkt der Zuverlässigkeit des Gesichtspunkt der Zuverlässigkeit des BeweismittelsBeweismittels Zulassung(sverfahren) des Beweises muss Zulassung(sverfahren) des Beweises muss

Fairness garantierenFairness garantieren Bf. muss Zuverlässigkeit des Beweises Bf. muss Zuverlässigkeit des Beweises

effektiv in Frage stellen könneneffektiv in Frage stellen können EGMR: gerichtliches Verfahren + EGMR: gerichtliches Verfahren +

Rechtsmittel / begründete gerichtliche Rechtsmittel / begründete gerichtliche Entscheidung zur Frage der Verwertbarkeit / Entscheidung zur Frage der Verwertbarkeit / „nicht das einzige Beweismittel“„nicht das einzige Beweismittel“

2. Stufe2. Stufe: Verstoß gegen das Schweigerecht – : Verstoß gegen das Schweigerecht – nemo tenetur – Täuschungsverbot?nemo tenetur – Täuschungsverbot?

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EGMR (Fall 3) – Bykov v. Russl. EGMR (Fall 3) – Bykov v. Russl. (GK)(GK)

Nemo tenetur / Beweisverwertung Nemo tenetur / Beweisverwertung 10.3.200910.3.2009 Vorwurf: Verurteilung beruht auf „List Vorwurf: Verurteilung beruht auf „List

und Tücke“und Tücke“ EGMREGMR

• Empfang der V-Person auf privatem Empfang der V-Person auf privatem Grund; persönliches Verhältnis vermittelte Grund; persönliches Verhältnis vermittelte keinerlei Aussagedruckkeinerlei Aussagedruck

kein „Zwang oder Druck“ zum Gespräch kein „Zwang oder Druck“ zum Gespräch (insb. keine U-Haft-Situation)(insb. keine U-Haft-Situation)

• keine „direkte“ Verwertung des Gesprächs keine „direkte“ Verwertung des Gesprächs (z.B. als Geständnis) sondern als Teil einer (z.B. als Geständnis) sondern als Teil einer komplexen Reihe an Beweisenkomplexen Reihe an Beweisen

i.E. kein Verstoß gegen Art. 6 I EMRKi.E. kein Verstoß gegen Art. 6 I EMRK

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EGMR (Fall 3) – Bykov v. Russl. EGMR (Fall 3) – Bykov v. Russl. (GK)(GK)

Nemo tenetur / Beweisverwertung Nemo tenetur / Beweisverwertung 10.3.200910.3.2009

Sondervoten: Tendenz zu strengeren Sondervoten: Tendenz zu strengeren Beweisver-wertungsregeln im Rahmen Beweisver-wertungsregeln im Rahmen des Art. 6 EMRKdes Art. 6 EMRK

Vgl. auch: EGMR, Lee Davies v. Belgien Vgl. auch: EGMR, Lee Davies v. Belgien (21.7.2009)(21.7.2009) rechtswidrige Durchsuchung – kein rechtswidrige Durchsuchung – kein

Fairness-verstoß bei VerwertungFairness-verstoß bei Verwertung

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EGMR (Fall 4)EGMR (Fall 4)Kari-Pekka Pietiläinen v. Finnland Kari-Pekka Pietiläinen v. Finnland

22.9.200922.9.2009 Wahrnehmung der Verteidigungsrechte Wahrnehmung der Verteidigungsrechte

durch den Verteidiger für den in der durch den Verteidiger für den in der Hauptverhandlung (trotz Ladung) nicht Hauptverhandlung (trotz Ladung) nicht erschienenen Angeklagtenerschienenen Angeklagten

Entschuldigungsgrund nicht erforderlichEntschuldigungsgrund nicht erforderlich Einzige denkbare Ausnahme: Einzige denkbare Ausnahme:

Verfahrensabschnitt, für den eine Verfahrensabschnitt, für den eine Anwesenheit des Bf. absolut notwendig Anwesenheit des Bf. absolut notwendig istist

Konventionswidrigkeit des § 329 StPOKonventionswidrigkeit des § 329 StPO? – ? – vgl. hierzu auch: BVerfG, Beschl. v. 27.12.2006 vgl. hierzu auch: BVerfG, Beschl. v. 27.12.2006 – 2 BvR 1872-03– 2 BvR 1872-03

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EGMR (Fall 5)EGMR (Fall 5) – Salduz v. Türkei – Salduz v. TürkeiZugang zum Verteidiger 27.11.2008Zugang zum Verteidiger 27.11.2008

Grundsatz: Zugang zu einem Verteidiger Grundsatz: Zugang zu einem Verteidiger schon bei der ersten Vernehmung (i.d.R. schon bei der ersten Vernehmung (i.d.R. durch die Polizei)durch die Polizei)

Ausnahme: zwingende Gründe für Ausnahme: zwingende Gründe für BeschränkungBeschränkung

Grenze: unangemessene Beschränkung der Grenze: unangemessene Beschränkung der VerteidigungsrechteVerteidigungsrechte hier speziell: Alter des Bf. (Jugendlicher)hier speziell: Alter des Bf. (Jugendlicher)

Verzicht auf dieses Recht? – strenge Verzicht auf dieses Recht? – strenge AnforderungenAnforderungen

EGMR, Dayanan v. Türkei (13.10.2009)EGMR, Dayanan v. Türkei (13.10.2009) Verstoß Art. 6 III lit. c EMRK, obwohl Bf. Verstoß Art. 6 III lit. c EMRK, obwohl Bf.

während der polizeilichen Vernehmung während der polizeilichen Vernehmung vom Schweigerecht Gebrauch gemacht vom Schweigerecht Gebrauch gemacht hattehatte