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Die Weimarer Republik Am Ende des Ersten Weltkriegs war es in Deutschland zu Veränderungen gekommen. Um zu einem Waffenstillstand zu kommen, war Deutschland (gemäss den Forderungen des amerikanischen Präsidenten) zu einer parlamentarischen Republik geworden. Matrosen hatten gemeutert, Arbeiter- und Soldatenräte versuchten die Macht an sich zu reissen, Kaiser Wilhelm II. hatte abgedankt und war nach Holland gefahren. In diesem Kontext spricht man auch von „Novemberrevolution“, aber das Geschehen kann man nur bedingt als Revolution bezeichnen, weil die Verwaltung ohne Unterbrechung weiterarbeitete und fast alle Beamten, Richter und Offiziere ihre Stelle behielten. Diese Novemberrevolution führte zur Ausrufung einer Republik, die ab 1919 ihre konkrete Form an und später die Weimarer Republik genannt wurde. Wie die folgende Übersicht zeigt, lassen sich drei Phasen unterscheiden: 1. Die Gründung der Republik und die schwierigen Anfangsjahre (1918 – 1923) 2. Gleichberechtigung und Stabilisierung der Republik (1924 – 1929) 3. Die Auflösung der Republik (1930-1933) Versailler-Vertrag Dolchstosslegende Revolutionäre Unruhen Inflation Antidemokratische Kräfte Putschversuche (Kapp/Hitler) Reichsmark Hitler im Gefängnis Hindenburg Reichspräsident Gustav Stresemann Deutschland im Völkerbund Vertrag von Locarno Weltwirtschaftskrise 1932 Höchststand der Arbeitslosigkeit 1930 Präsidialkabinette Propaganda/Agitation Modernitätskrise Goldene 20iger Die Weimarer Republik 1918 – 1933 Ruhrbesetzung 1923 1932 NSDAP Stärkste Partei 1918 1923 1933 Wiederwahl Hindenburgs 1932 Hitler Reichskanzler 1. Phase 2. Phase 3. Phase

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Die Weimarer Republik Am Ende des Ersten Weltkriegs war es in Deutschland zu Veränderungen gekommen. Um zu einem Waffenstillstand zu kommen, war Deutschland (gemäss den Forderungen des amerikanischen Präsidenten) zu einer parlamentarischen Republik geworden. Matrosen hatten gemeutert, Arbeiter- und Soldatenräte versuchten die Macht an sich zu reissen, Kaiser Wilhelm II. hatte abgedankt und war nach Holland gefahren. In diesem Kontext spricht man auch von „Novemberrevolution“, aber das Geschehen kann man nur bedingt als Revolution bezeichnen, weil die Verwaltung ohne Unterbrechung weiterarbeitete und fast alle Beamten, Richter und Offiziere ihre Stelle behielten. Diese Novemberrevolution führte zur Ausrufung einer Republik, die ab 1919 ihre konkrete Form an und später die Weimarer Republik genannt wurde. Wie die folgende Übersicht zeigt, lassen sich drei Phasen unterscheiden:

1. Die Gründung der Republik und die schwierigen Anfangsjahre (1918 – 1923) 2. Gleichberechtigung und Stabilisierung der Republik (1924 – 1929) 3. Die Auflösung der Republik (1930-1933)

Versailler-Vertrag

Dolchstosslegende

RevolutionäreUnruhen

Inflation

AntidemokratischeKräfte

Putschversuche(Kapp/Hitler)

Reichsmark

HitlerimGefängnis

HindenburgReichspräsident

GustavStresemann

DeutschlandimVölkerbund

VertragvonLocarno

Weltwirtschaftskrise

1932HöchststandderArbeitslosigkeit

1930Präsidialkabinette

Propaganda/Agitation

Modernitätskrise

Goldene20iger

DieWeimarerRepublik1918–1933

Ruhrbesetzung1923

1932NSDAPStärkstePartei

1918 1923 1933

WiederwahlHindenburgs1932

HitlerReichskanzler

1.Phase 2.Phase 3.Phase

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Weimarer Republik 2

1. Die Gründung der Republik und die schwierigen Anfangsjahre (1918 – 1923) 1.1 Ausrufung der Republik und der Räterepublik Am 9. November 1918 kam es zur Ausrufung der Republik durch Philipp Scheidemann (SPD). Man bildete sofort eine neue provisorische Regierung, den „Rat der Volksbeauftragten“. Rede des Sozialdemokraten Philipp Scheidemann vom Fenster des Reichstages aus: […] Der Kaiser hat abgedankt. Er und seine Freunde sind verschwunden. Über sie alle hat das Volk auf der ganzen Linie gesiegt! Der Prinz Max von Baden hat sein Reichskanzleramt dem Abgeordneten Ebert übergeben. Unser Freund wird eine Arbeiterregierung bilden, der alle sozialistischen Parteien angehören werden. Die neue Regierung darf nicht gestört werden in ihrer Arbeit für den Frieden, in der Sorge um Brot und Arbeit. Arbeiter und Soldaten! Seid euch der geschichtlichen Bedeutung dieses Tages bewusst. Unerhörtes ist geschehen. Große und unübersehbare Arbeit steht uns bevor. Alles für das Volk, alles durch das Volk! Nichts darf geschehen, was der Arbeiterbewegung zur Unehre gereicht! Seid einig und pflichtbewusst! Das Alte und Morsche, die Monarchie ist zusammengebrochen. Es lebe das Neue! Es lebe die Deutsche Republik! Zitiert nach: W. Lautemann, M. Schlenke (Hg.), Geschichte in Quellen, Weltkriege und Revolutionen 1914-1945, Band 5, München 1961, S. 114. Aber am gleichen Tag kam es zwei Stunden später auch zur Ausrufung der Räterepublik durch Karl Liebknecht, den Führer des Spartakusbunds1 : „... Der Tag der Revolution ist gekommen. Wir haben den Frieden erzwungen. ... Das Alte ist nicht mehr. ... Parteigenossen, ich proklamiere die freie sozialistische Republik Deutschland, die alle Stämme umfassen soll, in der es keine Knechte mehr geben wird. Die Herrschaft des Kapitalismus, der Europa in einen leichten Feld verwandelt hat, ist gebrochen. ... Sie müssen alle Kräfte einspannen, um die Regierung der Arbeiter und Soldaten (Räterepublik) aufzubauen und eine neue staatliche Ordnung des Proletariats zu schaffen, eine Ordnung des Friedens, des Glücks und der Freiheit unserer deutschen Brüder und unsere Brüder in der ganzen Welt. Die reichen ihnen die Hände und rufen sie zur Vollendung der Weltrevolution auf.“ Aufgabe 1

a) Lies dir beide Quellen aufmerksam durch. b) Fasse die Hauptaussagen Scheidemanns und Liebknechts in Stichworten zusammen. c) Vergleiche beide Reden und erläutere die Unterschiede. d) Erkläre, welche zwei Lager sich 1918/1919 um das politische System einer neuen deutschen Republik stritten.

P.S. Der folgende Link kann dir dabei helfen! https://www.zeitklicks.de/weimarer-republik/zeitklicks/zeit/politik/die-revolutionaere/was-sind-arbeiter-und-soldatenraete-was-ist-eine-raeterepublik/

1 Der Spartakusbund (oder die Spartakisten) waren Linksextreme, die sich unter Führung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg von der SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands) getrennt hatten. Ab Januar 1919 bildeten sie die KPD (Kommunistische Partei Deutschlands).

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Weimarer Republik 3

Für alle weitern Themen ist es von jetzt an immer interessant, die folgende Adresse zu besuchen: https://www.zeitklicks.de/weimarer-republik 1.2 Kampf gegen die KPD Die Spartakisten unter der Führung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg wollten eine radikale Veränderung erreichen, eine Räterepublik nach dem russischen Vorbild. Deshalb versuchten sie, durch Streiks und bewaffnete Demonstrationen die Situation zu destabilisieren. Die Sozialdemokraten wollten eine parlamentarische Demokratie aufbauen und so schnell wie möglich Wahlen zu einer verfassungsgebenden Nationalversammlung durchführen. Als im Januar 1919 diese Wahlen stattfinden sollten, versuchte die KPD, die aus dem Spartakusbund entstanden war, durch einen Aufstand diese zu stören. In Berlin kam es zu schweren Strassenkämpfen. Die sozialdemokratische Regierung brauchte aber in diesem Kampf die Hilfe der Rechten, das heisst der Obersten Heeresleitung der Reichswehr (Ebert-Groener-Pakt) und der Freikorps2. Der Aufstand der Kommunisten wurde niedergeschlagen (156 Tote in Berlin). Als Freikorps-Offiziere die Führer der KPD, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordeten, gab es in ganz Deutschland Aufstände und Streiks, Arbeiter verlangten die Einführung des Rätesystems, aber es gab keine zentrale Führung, so dass all diese Versuche wenig Erfolg hatten. In München entstand aber eine Räterepublik, die durch Regierungstruppen und Freikorps aufgelöst wurde. Erst Ende April 1919 war die Ordnung in Deutschland wiederhergestellt. Es war damit der Regierung gelungen, die parlamentarische Demokratie einzuführen. Die KPD und ihre Idee der Räterepublik hatten verloren. Aber die Regierung brauchte dazu die Hilfe der Rechten (Reichswehr und Freikorps) und verzichtete auf eine klare Veränderung der Gesellschaft Aufgabe 2

a) Von wann bis wann dauerte der Aufstand der Kommunisten? b) Wer half der Regierung im Kampf gegen die Kommunisten? c) Welches waren die Konsequenzen dieses Aufstands?

2 Die Freikorps waren Freiwillige, d.h. Offiziere und Soldaten der alten aufgelösten Armee, die keine Arbeit gefunden hatten. Einige von ihnen waren auch Republikaner, die gegen den Bolschewismus kämpfen wollten. Die Freikorps waren nicht nur eine Hilfe für den Staat, sondern wurden auch eine Gefahr für ihn (Nationalisten, Rechtsextreme). Die Freikorps standen unter der Führung von Gustav Noske (SPD). Als die Regierung von Friedrich Ebert Ende 1918, Anfang 1919 Freiwillige suchte, fand sie rund 400 000 Mann.

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Weimarer Republik 4

1.3 Die Wahl zur Nationalversammlung

Am 19.Januar 1919 fanden die Wahlen zur Nationalversammlung statt. Folgende Parteien waren vertreten: Parteien, die für die parlamentarische Demokratie waren SPD (38,7%) Sozialdemokratische Partei Deutsch- lands, vertrat die Interessen der Arbeiter, war bis 1932 stärkste Partei Zentrum (21,6%) Christliche Volkspartei, christlich, katholisch orientiert, vertrat die Interessen des Mittelstands und der Bauern DDP (17,7%) Deutsche Demokratische Partei, liberal, sozial orientiert, vertrat die Interessen der Handwerker und des Mittelstandes

Gegner der parlamentarischen Demokratie DNVP (10,4%) Deutschnationale Volkspartei, rechts orientiert, wollte eine Monarchie, vertrat die Interessen des Adels, der Grossgrundbesitzer und der Industriellen DVP (4,5%) Deutsche Volkspartei, bis 1929 liberal orientiert, wollte eine Monarchie, vertrat die Interessen der Industriellen und des Mittelstandes USPD (5,2) Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands, sozialistisch, wollte die Revolution weiterführen, vertrat die Interessen der Arbeiter

Die SPD war zwar die grösste Partei, aber die Sozialisten waren trotzdem enttäuscht, dass es keine sozialistische Mehrheit gab. So waren sie gezwungen, mit den bürgerlichen Demokraten zusammenzuarbeiten, um den neuen Staat aufzubauen. Nach der Wahl trafen sich die Gewählten in Weimar. Ein Treffen in Berlin war wegen den Unruhen nicht möglich (> daher der Name „Weimarer Republik“). Die wichtigsten Aufgaben waren die Wahl eines Reichspräsidenten, die Ausarbeitung einer Verfassung und die Unterzeichnung eines Friedensvertrags. Friedrich Ebert (SPD) wurde zum Reichspräsidenten gewählt.

0

10

20

30

40

50

USPD SPD DDP Zentrum Sonstige DVP DNVP

Proz

ente

Wahlergebnisse

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Weimarer Republik 5

Aufgabe 3

a) Welche Parteien waren für die parlamentarische Demokratie? b) Welche Gruppen repräsentierten diese Gruppen? c) Welche Parteien waren gegen die parlamentarische Demokratie?3 d) Welche Gruppen repräsentierten diese Gruppen? e) Warum nannte man die neue Republik Weimarer Republik? f) Wie hiess der erste Präsident?

1.4 Die Weimarer Verfassung Ebert ernannte eine Regierung unter dem Sozialdemokraten Scheidemann. Zur Regierung gehörten Mitglieder der SPD, des Zentrums und der DDP. Diese Weimarer Koalition4 besass eine grosse Mehrheit im Parlament. Nach fünf Monaten intensiver Diskussionen stimmte die Nationalversammlung der neuen Verfassung zu, und am 11. August wurde sie von Ebert unterzeichnet. Das Volk (Frauen und Männer) wählt einerseits den Reichstag und andererseits den Reichspräsidenten. Der Reichstag wurde nach dem Proporzsystem für 4 Jahre gewählt. Dieses Wahlsystem ist verantwortlich dafür, dass viele, auch kleinere Parteien gewählt wurden. Der Reichstag (die Legislative) beschloss die Gesetze, hatte das Budgetrecht und sprach dem Reichskanzler und den Ministern das Vertrauen oder das Misstrauen aus.

3 Die USPD wird dann später aufgelöst und Teil der KPD. 4 Unter Weimarer Koalition versteht man die Zusammenarbeit der SPD, des Zentrums und der DDP. Alle drei Parteien waren für eine parlamentarische und repräsentative Demokratie. Bis 1932 waren Zentrum und DDP an allen 18 Regierungen beteiligt, die SPD war auch oft in der Regierung beteiligt oder tolerierte und unterstützte Minderheitsregierungen.

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Weimarer Republik 6

Was an dieser Verfassung auffällt, ist die starke Position des Reichspräsidenten. Er wurde für 7 Jahre gewählt, und eine Wiederwahl war möglich. Der Reichspräsident ernennt oder entlässt die Reichskanzler, kann das Parlament auflösen, ernennt das Reichsgericht (Judikative) und hat den Oberbefehl über die Reichswehr. Eine fast diktatorische Macht erhielt er durch den Artikel 48 der Verfassung (Notstandsartikel). Dieser gab ihm das Recht, bei Gefährdung der öffentlichen Sicherheit den Ausnahmezustand zu verhängen und Notverordnungen zu erlassen, und machte ihn zu einem „Ersatzkaiser“. Aufgabe 4

a) Welche Rechte hat das Volk? b) Welche Rechte der Reichstag? c) Welche Rechte hat der Reichsrat? d) Welche Rechte hat der Reichspräsident? e) Warum gab man deiner Meinung nach dem Reichspräsidenten so viele Rechte?5

Abgesehen von der starken Stellung des Reichspräsidenten gilt die Weimarer Verfassung als eine moderne Verfassung, weil zum ersten Mal das allgemeine und gleiche Wahlrecht eingeführt wurde (d.h. alle Frauen und Männer dürfen wählen und es gibt auch Zensuswahlrecht mehr, bei dem nur die Männer, die ein bestimmtes Vermögen besassen, wählen konnten.) Als klassische bürgerliche Grund- und Freiheitsrechte wurden Rechtsgleichheit, Freiheit der Person, Freizügigkeit, Recht der freien Meinungsäußerung, Petitionsrecht, Versammlungsfreiheit sowie die Glaubens- und Gewissensfreiheit in die Weimarer Verfassung aufgenommen.

5 Antwort: In Deutschland wurde die parlamentarische Demokratie erst neu eingeführt und das politische Denken war noch stark verbunden mit der Kaiserzeit, als einen Kaiser gab, der sich um sein Volk kümmern sollte. Also übernimmt man die Rolle eines starken Präsidenten, der Deutschland vor allem in schwierigen Zeiten helfen und führen sollte. Während der Krisenjahre nach 1930 und nach der Machtergreifung Hitler im Jahr 1933 wird diese starke Position des Präsidenten die politischen Entscheidungen sehr stark beeinflussen.

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Weimarer Republik 7

1.5 Die Republik und die schwierigen Anfangsjahre 1.5.1 Dolchstosslegende6

Die Einführung der Demokratie geschah, als Deutschland den Krieg hatte beenden müssen. Hindenburg, Ludendorff (die während des Krieges die obersten Generäle gewesen waren und von den Politikern eine Ende des Krieges verlangt hatten) und rechtsradikale und nationalistische Gruppen behaupteten nun, die Revolution im November habe der Reichswehr „den Dolch in den Rücken gestossen“. Die „Novemberverbrecher“ (das heisst, die Sozial- demokraten) hatten ihrer Meinung nach sie verraten. Diese Dolchstosslegende und der Hass auf die Novemberverbrecher führten bei nationalistischen Kreisen dazu, dass sie ganz klar gegen die neue Weimarer Republik waren.

Titelblatt der Süddeutschen Monatshefte, April 1924 1.5.2 Versailler Vertrag Die Mehrheit der Nationalversammlung sah sich gezwungen, den Vertrag zu unterzeichnen. Wenn Deutschland den Vertrag nicht unterzeichnet hätte, wäre der Krieg von den Alliierten weitergeführt und so Deutschland besetzt worden. Dies führte aber dann dazu, dass die rechtsradikalen Gruppen gegen die Parteien der Weimarer Koalition zu hetzen (s’acharner sur) begannen.

Bemerkung: Bevor du weiterliest, mache bitte die Wiederholungsübung zum Versailler Vertrag auf der nächsten Seite!

1.5.3 Kapp-Putsch Im März 1920 unternahm der Nationalist Wolfgang Kapp mit der Hilfe von Reichswehroffizieren und Freikorps einen Putschversuch. Die Regierung musste ihren Sitz nach Stuttgart verlegen. Erst ein von den Gewerkschaften organisierter Generalstreik konnte den Putschversuch stoppen. Nach dem Ende des Putsches zeigte sich, dass die Richter mit den am Putsch Beteiligten sympathisierten, nur ein einziger von den 700 Putschisten wurde verurteilt. Die Justiz war rechts, nationalistisch ausgerichtet.

6 La légende du coup de poignard dans le dos

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Weimarer Republik 8

Aufgabe 5 : Wiederholungsübung zum Versailler Vertrag7

Die wichtigsten Punkte lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1. Deutschland verliert ______% seiner Fläche und _____% seiner Bevölkerung.

2. Deutschland verliert alle _____________________________.

3. Das Saargebiet bleibt ______ Jahre unter der Kontrolle des ______________________.

Die Produktionserträge fallen an ___________________.

4. Deutschland übernimmt gemäss Artikel 231 die _______________________________.

Deshalb muss es für alle Schäden an Personen und Sachen aufkommen und

____________________________ zahlen.

5. Die gesamte ______________________ muss ausgeliefert werden.

6. Deutschlands Ströme werden _____________________________.

7. Das linksrheinische Gebiet wird ______________________ und Zonen um Köln, Koblenz,

Mainz und Kehl bleiben als Pfand für die Vertragserfüllung ________________.

8. Deutschlands Heer wird __________________________________________.

Alle schweren Waffen sind verboten.

Dieser Friedensvertrag war demütigend für Deutschland.

Deshalb legte der als __________________________________ von Versailles bezeichnete

Vertrag bereits den Grundstein für spätere Konflikte in Europa.

1.5.4 Kampf gegen die Kommunisten 7 Wenn es Probleme für die Antworten gibt, bitte das Dossier Die Welt nach dem Ersten Weltkrieg, S. 3 benutzen!

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Die Kommunisten hatten von der komplizierten Situation profitiert. Im Ruhrgebiet, in Sachsen und Thüringen hatten sie Aufstände begonnen. Doch diesmal war die Reichswehr bereit zu handeln und beendete diese Aufstände. 1.5.5 Die Reparationen 1921 hatten die Siegermächte die Höhe der Reparationen auf 138 Milliarden Goldmark festgelegt. Sie besetzten auch einige wirtschaftliche wertvolle Gebiete, um damit Deutschland zu Zahlungen zu zwingen. Aufgabe 6

a) Welche Probleme gab es in den Anfangsjahren der Weimarer Republik? b) Welche dieser Probleme konnten wie gelöst werden?

1.5.6 Die Inflation und das Krisenjahr 1923 Bereits während des Krieges hatte die Mark an Wert verloren. Nach dem Ende des Krieges brauchte Deutschland viel Geld. Aufgabe 7 Wozu oder für wen brauchte der Staat viel Geld?8 Der Staat hatte dafür aber zu wenige Mittel, weil er nur geringe Steuereinnahmen hatte (schlechte wirtschaftliche Lage). In dieser Situation liess der Staat Papiergeld drucken, so konnte er das Nötigste bezahlen, aber dies führte auch zu einem weiteren Wertverlust der Mark. Diese Situation verschlimmerte sich im Krisenjahr 1923 noch mehr und konnte erst durch eine radikale neue Währungspolitik gelöst werden.

8 Antwort: Reparationen, Kriegsschulden, Arbeitslose, verwundete Soldaten, Witwen (veuves), Waisen (orphelins), usw.

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Das Krisenjahr 1923 – Ruhrbesetzung - Währungsreform Da Deutschland die geforderten Reparationslieferungen nicht voll erfüllt hatte, besetzten französische (und belgische) Truppen im Januar 1923 das Ruhrgebiet. Die Reichsregierung verkündete den passiven Widerstand, d.h. die Deutschen waren nicht bereit für die Franzosen zu arbeiten. Frankreich reagierte mit starken Repressionen, die Deutschen mit Streiks, Demonstrationen und Sabotage. Mehr als 140 000 Deutsche mussten das Ruhrgebiet verlassen. Dieser Ruhrkampf kostete die Regierung enorm viel Geld. Sie musste die Streikenden und die Flüchtlinge unterstützen, deshalb liess sie immer mehr Papiergeld drucken, was zu einer Hyper-Inflation führte. Beispiele für den Preisverfall Am 9. Juni 1923 kostete in Berlin: Am 20. November 1923 kostete in Berlin: 1 Ei - 800 Reichsmark (RM) 1 Ei - 320 Milliarden Reichsmark (RM) 1 Liter Milch - 1440 RM 1 Liter Milch - 360 Milliarden RM 1 Kilo Kartoffeln - 5000 RM 1 Kilo Kartoffeln - 90 Milliarden RM 1 Straßenbahnfahrt - 600 RM 1 Straßenbahnfahrt - 50 Milliarden RM 1 Dollar entsprach 100.000 RM. 1 Dollar entsprach 4,21 Billionen RM

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Das wertlose Geld wird in Körben transportiert

Das wertlose Geld wird zu Spielgeld

Jeweilige Verzehnfachung des Dollarkurses seit Kriegausbruch 1 Goldmark = Papiermark Datum Dollarkurs in Mark Zeitraum

1 Juli 1914 4,20 10 Januar 1920 41,98 5 1/2 Jahre

100 3. Juli 1922 420,00 2 1/2 Jahre 1.000 21. Oktober 1922 4.430,00 108 Tage

10.000 31. Januar 1923 49.000,00 101 Tage 100.000 24. Juli 1923 414.000,00 174 Tage

1.000.000 8. August 1923 4.860.000,00 13 Tage 10.000.000 7. September 1923 53.000.000,00 30 Tage

100.000.000 3. Oktober 1923 440.000.000,00 26 Tage 1.000.000.000 11. Oktober 1923 5.060.000.000,00 8 Tage

10.000.000.000 22. Oktober 1923 40.000.000.000,00 11 Tage 100.000.000.000 3. November 1923 420.000.000.000,00 11 Tage

1.000.000.000.000 20. November 1923 4.200.000.000.000,00 17 Tage

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Aufgabe 8 Geld ohne Wert – Inflation Die Kaufkraft von Geld hängt vom Gegenwert der im Staat produzierten Waren ab. Im Verlauf des Ersten Weltkrieges wird immer mehr Geld gedruckt, um die Rüstung zu finanzieren. Die Menge der zu kaufenden Waren steigt nicht. Das führt zum Verlust der Kaufkraft des Geldes. Die hohen Reparationszahlungen belasten den Staatshaushalt weiter. Um die Kosten zu finanzieren, druckt der Staat immer mehr Geld, ohne einen Gegenwert von Waren zu schaffen. Es entsteht ein Teufelskreis der Geldentwertung. Die Löhne und Preise für Waren steigen. Der Geldwert auf den Scheinen erhöht sich rasant bis in den Billionenbereich. Teilweise werden Geldscheine einfach mit neuen Werten überdruckt. Während der Inflation im Jahr 1923 tragen die Menschen ihren Lohn in Waschkörben zum Einkauf, um das Geld schnell auszugeben, bevor es wertlos ist. Gewinner der Inflation sind diejenigen, die Schulden haben. Sie können Kredite leicht mit wertlosem Geld zurückzahlen. Mit der Währungsreform im November 1923 werden 1 Billion Reichsmark in 1 Rentenmark umgetauscht. Damit haben die Schulden des Staates in Höhe von 164 Milliarden Mark nur noch einen Gegenwert von 16,4 Pfennigen. Verlierer der Inflation sind all diejenigen, die gespart haben, um für das Alter vorzusorgen. Viele Menschen verlieren das Vertrauen in den Staat Setze die folgenden Begriffe in das Schema „Teufelskreis der Inflation“ ein: Geldentwertung / steigende Löhne / Preise steigen / Staat druckt Geld / Neuverschuldung9

9 Lösung: Verschuldung > Staat druckt Geld > Preise steigen > Geldentwertung > Löhne steigen > Neuverschuldung

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In dieser schwierigen Lage gab es unter Gustav Stresemann (DVP) wieder eine Regierung der Grossen Koalition. Diese neue Regierung beschloss

• den passiven Widerstand aufzugeben, • eine Währungsreform durchzuführen • und eine Sparpolitik zu machen.

Am 15. November 1923 wurde das wertlose Papiergeld ersetzt durch die Goldmark (1 Goldmark = 1 Billion „Papiermark). Damit war es möglich, dass die Wirtschaft wieder normal funktionieren konnte. Aufgabe 9

Der Kampf um das Ruhrgebiet Setze die Lösungswörter richtig in die Lücken ein.

Ausnahmezustand Besatzer Generalstreik Räumung Reichsregierung Reparationen Ruhrgebiet Schießereien Zahlung Ende 1922 kann Deutschland einen Teil der hohen_______________ nicht rechtzeitig zahlen. Französische und belgische Truppen besetzen daraufhin im Januar 1923 das _______________. Sie wollen Kohle- und Stahllieferungen aus dem Ruhrgebiet und die ausstehende ______________ der Gelder erzwingen. Die deutsche Regierung fordert die Bevölkerung zum ___________________ und Widerstand auf. Die _________________ reagieren rücksichtslos. Sie verhängen über das gesamte Ruhrgebiet den _____________________. Tausende Menschen werden verhaftet und ausgewiesen. Es kommt zu ________________ mit Todesopfern. Als die _______________________ den Widerstand aus Geldnot nicht mehr unterstützen kann, bricht der Kampf im September 1923 zusammen. Erst im August 1924 beschließt die Londoner Konferenz die ____________________ des Ruhrgebiets.10 Neben der Ruhrbesetzung und der Inflation waren 1923 hatte die Weimarer Republik noch mit anderen Problemen zu kämpfen, nämlich mit Separatisten, Kommunisten und dem Hitler-Putsch. Im Oktober 1923 hatten Separatisten, die von Frankreich unterstützt wurden, versucht, das Rheinland von Deutschland abzutrennen. Sie riefen die Rheinische Republik aus. Da im Rheinland nach den Bestimmungen des Versailler Vertrages kein Militär erlaubt war, konnte die Reichsregierung auch keine Soldaten schicken, um den Aufstand zu beenden. Die Mehrheit der Bevölkerung war aber gegen die Separatisten und ihr Widerstand stoppte diesen Putschversuch.

10 Lösung: Reparationen / Ruhrgebiet / Zahlung / Generalstreik / Besatzer / Ausnahmezustand / Schiessereien / Reichsregierung / Räumung

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Gleichzeitig gab es im Oktober 1923 wieder Konfrontationen mit den Kommunisten. In Hamburg kam es zu Strassenkämpfen zwischen Polizei und Kommunisten, in Sachsen und Thüringen intervenierte die Reichswehr.

In München gab es verschiedene rechtsradikale Gruppen. Eine davon war die Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP). Adolf Hitler, ihr Führer, machte während des Ruhrkampfes intensive Propaganda gegen die Weimarer Republik. Zusammen mit General Ludendorff wollte er nach dem Beispiel Mussolinis einen „Marsch nach Berlin“ machen. Am 8. November 1923 unternahmen Hitler und Ludendorff einen Putschversuch und riefen die Diktatur aus. Am nächsten Tag, am 9. November 1923 aber wurde ein Demonstrationszug der Putschisten von der Polizei gestoppt.

Vier Polizisten und 16 Demonstranten kamen ums Leben. Hitler konnte fliehen, wurde aber zwei Tage später verhaftet. Die NSDAP wurde nach dem missglückten Putschversuch verboten. Im Hochverratsprozess gegen Hitler im Februar 1924 erhielt dieser mit fünf Jahren Festungshaft ein relativ mildes Urteil. Aufgabe 10 a) Liste auf, welche Probleme es im Krisenjahr gab. b) Mit welchen Mitteln wurde versucht, diese Probleme zu lösen? Aufgabe 11 Schaue dir als Wiederholung das folgende Video an:

Die Weimarer Republik I Das Krisenjahr 1923 I musste wissen Geschichte https://www.youtube.com/watch?v=sVkEY87L-xI Kleine Erklärung: Die Krise Nr. 5 (Bayern) gibt es in unserem Dossier nicht.

Aufgabe 12

Wie wir gesehen haben, waren die Anfangsjahre der Weimarer schwierige Jahre. a) Wie werden deiner Meinung nach die Deutschen diese Zeit erlebt haben? b) Welches wird ihre Meinung zur neuen Republik gewesen sein?