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Die Zinsen im schweizerischen Obligationenrecht Geltendes Recht und Vorschlag für eine Revision Dissertation der Universität St. Gallen Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften sowie Internationale Beziehungen (HSG) zur Erlangung der Würde eines Doktors der Rechtswissenschaft vorgelegt von Alexander Blaeser aus Deutschland Genehmigt auf Antrag der Herren PD Dr. Lukas Glanzmann und Prof. Dr. Markus Müller-Chen Dissertation Nr. 3869 Dike Verlag Zürich/St. Gallen 2011

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Die Zinsen im schweizerischen Obligationenrecht –

Geltendes Recht und Vorschlag für eine Revision

Dissertation

der Universität St. Gallen

Hochschule für Wirtschafts-,

Rechts- und Sozialwissenschaften

sowie Internationale Beziehungen (HSG)

zur Erlangung der Würde eines

Doktors der Rechtswissenschaft

vorgelegt von

Alexander Blaeser

aus

Deutschland

Genehmigt auf Antrag der Herren

PD Dr. Lukas Glanzmann

und

Prof. Dr. Markus Müller-Chen

Dissertation Nr. 3869

Dike Verlag Zürich/St. Gallen 2011

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Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften

sowie Internationale Beziehungen (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der

vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen

Stellung zu nehmen.

St. Gallen, den 17. Mai 2011

Der Rektor:

Prof. Dr. Thomas Bieger

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Meinen Eltern

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VORWORT

Mein erster Dank gilt meinem verehrten Doktorvater Herrn Privatdozent Dr. Lukas

Glanzmann und meinem Korreferenten Herrn Prof. Dr. Markus Müller-Chen für ihre stete

Unterstützung, die unkomplizierte Betreuung und die mir gewährte Freiheit bei der

Bearbeitung des Themas.

Besonderer Dank gebührt zudem Herrn Dr. Felix R. Ehrat und Herrn Dr. Christoph

Neeracher, Partner bei Bär & Karrer, Zürich, die mich während meiner Zeit als Substitut

sowohl fachlich als auch persönlich gefördert haben und deren vertrauensvolle

Unterstützung mich angespornt und bestärkt hat, die vorliegende Arbeit zu vollenden.

Zu großem Dank verpflichtet bin ich schließlich meinen Eltern, die mir das Studium an der

Universität St.Gallen ermöglicht haben und ohne deren Unterstützung und Ermutigung ich

diese Dissertation nicht hätte fertigstellen können.

Zuletzt danke ich Tamara, die trotz meiner vielfachen Abwesenheit stets zu mir gehalten hat

und mich immer noch begleitet.

Otelfingen, im Juni 2011 Alexander Blaeser

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INHALTSÜBERSICHT

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IX

INHALTSÜBERSICHT

INHALTSÜBERSICHT IX INHALTSVERZEICHNIS XI ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS XXIII ABSTRACT XXVII

§ 1 EINLEITUNG 1

TEIL I: GRUNDLAGEN DES RECHTS DER ZINSEN

§ 2 DER ZINS 3 § 3 DIE ZINSFORDERUNG 15

§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN 43

TEIL II: DIE ZINSEN IM ALLGEMEINEN TEIL UND IN DEN

VERTRAGSVERHÄLTNISSEN

§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG 75

§ 6 DER ZINS IM SCHULDNERVERZUG 95 § 7 DER SCHADENSZINS 113 § 8 DER ZINS IM BEREICHERUNGSRECHT 127

§ 9 DER ZINS AUF VERWENDUNGSERSATZ 133 § 10 DER ZINS IM KAUFRECHT 141 § 11 DER ZINS IN DER AUFTRAGSRECHTLICHEN HERAUSGABEPFLICHT 147

TEIL III: DIE ZINSEN IM GESELLSCHAFTS- UND WERTPAPIERRECHT

§ 12 DER KAPITALZINS IN DER KOLLEKTIVGESELLSCHAFT 153 § 13 DIE ZINSGRENZE IN DER GENOSSENSCHAFT 159

§ 14 DIE ZINSEN IN DER AG UND DER GMBH 163

§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE 169

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INHALTSÜBERSICHT

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X

TEIL IV: ERGEBNIS UND VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER

ZINSBESTIMMUNGEN IM OR

§ 16 ERGEBNIS UND ZUSAMMENFASSUNG 185

§ 17 NATIONALE UND INTERNATIONALE RECHTSENTWICKLUNGEN 193 § 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN 199

LITERATURVERZEICHNIS 213

SACHREGISTER 225

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INHALTSVERZEICHNIS

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XI

INHALTSVERZEICHNIS

INHALTSÜBERSICHT IX INHALTSVERZEICHNIS XI ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS XXIII ABSTRACT XXVII

§ 1 EINLEITUNG 1

TEIL I: GRUNDLAGEN DES RECHTS DER ZINSEN

§ 2 DER ZINS 3 I. BEGRIFF 3 II. ZWECK 4

III. EXKURS: ZINSBERECHNUNG 8

1. Jährliche Verzinsung 9 2. Unterjährige Verzinsung 10 3. Effektiver Zinssatz 10 4. Effektiver Jahreszinssatz 10

IV. DISKONTIERUNG 13 V. ZUSAMMENFASSUNG 14

§ 3 DIE ZINSFORDERUNG 15 I. RECHTLICHE MERKMALE 15

1. Entstehung 17 2. Umfang 17 3. Erlöschen 18 4. Ausnahme: Selbstständigkeit 18

a. Durch Vereinbarung 18 b. Durch Verbriefung 19

A Juristisch 4 B Wirtschaftlich 7

A Lineare Verzinsung 9 B Exponentielle Verzinsung 9

C Tagesgenaue Verzinsung 11 D Stetige Verzinsung 12

A Geldforderung 15 B Prinzip der Stoffgleichheit 15 C Laufzeitabhängigkeit 16 D Akzessorietät 17

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INHALTSVERZEICHNIS

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XII

II. ENTSTEHUNG DER ZINSFORDERUNG 20

III. HÖHE DER ZINSFORDERUNG 22

IV. FÄLLIGKEIT 25 V. ERLÖSCHEN DER ZINSFORDERUNG 26

1. Allgemeines 26 2. Nennwertprinzip 26 3. Fremdwährungsschulden 27 4. Beweis 27

1. Allgemeines 28 2. Voraussetzungen 28

a. Positive Voraussetzungen 28 b. Negative Voraussetzungen 29

3. Wirkungen 29

1. Allgemeines 30 2. Beweis 30 3. Abgrenzungen 31

a. Aufhebung des Vertragsverhältnisses 31 b. Pactum de non petendo und Stundung 31 c. Nachlassvertrag 31 d. Klagerückzug 31

1. Allgemeines 32 2. Novation der Zinsforderung 33 3. Novation im Kontokorrentverkehr 33

VI. VERJÄHRUNG 34 VII. FORDERUNGSABTRETUNG UND SCHULDÜBERNAHME 35

E Zusammenwachsen von Zins- und Hauptforderung 19

A Rechtsgeschäftliche Zinsen 20 B Gesetzliche Zinsen 21 C Richterliche Zinsen 22

A Rechtsgeschäftliche Zinsen 22 B Gesetzliche Zinsen 23 C Zinssatz nach Übung 24 D Richterliche Vertragsergänzung 25

A Erfüllung 26

B Verrechnung 28

C Erlass 30

D Vereinigung 32 E Novation 32

A Zession 35 B Schuldübernahme 36

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INHALTSVERZEICHNIS

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XIII

VIII. GERICHTLICHE DURCHSETZUNG 36

IX. ABGRENZUNGEN 39

X. ZUSAMMENFASSUNG 41

§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN 43 I. ÖFFENTLICH-RECHTLICHE EINSCHRÄNKUNGEN 43

1. Interkantonales Konkordat von 1957 44 2. Kantonale Höchstzinsvorschriften 45 3. Rechtsfolgen 46

II. ZIVILRECHTLICHE ZINSBESCHRÄNKUNGEN 47

1. Inhaltsschranken 47 a. Grundlagen 47 b. Sittenwidrigkeit im Besonderen 48 c. Prozessuales 49 d. Rechtsfolgen 50

i. Ganznichtigkeit 50 ii. Teilnichtigkeit 51 iii. Geltungserhaltende Reduktion 52 iv. Prozessuales 52

e. Sittenwidrigkeit einer Zinsvereinbarung 53 2. Übervorteilung 54

a. Grundlagen 54 b. Historische Entwicklung 55 c. Tatbestandsvoraussetzungen 56 d. Prozessuales 57 e. Rechtsfolgen 58

i. Einseitige Unverbindlichkeit 58 ii. Wirkung der Unverbindlichkeit 58 iii. Teilweise Unverbindlichkeit 59

A Prozessuales 36 B Beweislast 37

A Miet- und Pachtzinsen 39 B Amortisationszahlungen 39 C Dividenden und Gewinnanteile 40 D Rentenleistungen 40 E Provisionen 40 F Zuschläge und Abschläge bei Darlehensverträgen 41 G Diskont 41

A Konsumkreditgesetz 44 B Einschränkungen im kantonalen Recht 44

A Allgemeine Rechtsgrundsätze 47

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INHALTSVERZEICHNIS

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XIV

1. Grundlagen 60 2. Anwendungsbereich 61 3. Weitere Bestimmungen 62 4. Anmerkungen 63

III. ZINSMAXIMUM AUS GEWOHNHEITSRECHT 63 IV. STRAFRECHTLICHER WUCHER 64

1. Unterlegenheitsgründe 65 2. Wuchergeschäft 67 3. Vermögensvorteil 67 4. Ausbeutung einer Schwächesituation 68

V. KASUISTIK ÜBERHÖHTER ZINSVEREINBARUNGEN 70 VI. ZUSAMMENFASSUNG 71

TEIL II: DIE ZINSEN IM ALLGEMEINEN TEIL UND IN DEN

VERTRAGSVERHÄLTNISSEN

§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG 75 I. DER DARLEHENSVERTRAG 75

1. Übergabe der Valuta 76 2. Belassungspflicht 77 3. Ort und Zeitpunkt der Übergabepflicht 78

a. Leistungsort 78 b. Leistungszeitpunkt 79

4. Rechtsfolgen der Pflichtverletzung 79 5. Exkurs: Rückbehaltungsrecht des Darleihers 79

1. Rückerstattungspflicht 80 2. Exkurs: Vorzeitige Rückerstattung 81 3. Pflicht zur Entgeltleistung 82 4. Annahmepflicht 82

II. DAS VERZINSLICHE DARLEHEN 83

B Beschränkungen von Zinseszinsen 60

A Grundlagen 64 B Objektiver Tatbestand 65

C Subjektiver Tatbestand 68 D Nachwucher 68 E Strafandrohung 69 F Verhältnis zur zivilrechtlichen Übervorteilung 69

A Definition 75 B Verpflichtungen des Darleihers 76

C Verpflichtungen des Borgers 80

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INHALTSVERZEICHNIS

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XV

1. Bürgerlicher Rechtsverkehr 83 2. Kaufmännischer Verkehr 83

1. Grundsatz der Vertragsfreiheit 85 2. Subsidiärer üblicher Zinssatz 86 3. Fehlende Ortsüblichkeit 88 4. Bewusst ungeregelter Nebenpunkt 90

III. PROZESSUALES 91 IV. VERJÄHRUNG 92 V. ZUSAMMENFASSUNG 92

§ 6 DER ZINS IM SCHULDNERVERZUG 95 I. DER VERZUG 95

1. Nichtleistung trotz Möglichkeit zur Leistung 95 2. Fälligkeit 96 3. Mahnung 96

a. Grundsatz 96 b. Ausnahmen 97

i. Verfalltag nach Parteivereinbarung 97 ii. Verfalltag nach Kündigung 98 iii. Antizipierter Vertragsbruch 98 iv. Entzug vor Mahnung 99 v. Einseitige Erkennbarkeit 99

4. Pflichtwidrigkeit 99

1. Verschuldensunabhängig 100 2. Bei Verschulden des Schuldners 100 3. Geldschulden 101

II. DER VERZUGSZINS 101

1. Gesetzlicher Zinssatz 103 2. Vertragliche Vereinbarung 103 3. Sonderordnung unter Kaufleuten 104

a. Begriff der Kaufleute 104 b. Maßgeblicher Zinssatz 105

A Systematik 83

B Begriff 84 C Höhe des Zinssatzes 85

A Voraussetzungen 95

B Rechtsfolgen 100

A Begriff 101 B Ratio Legis 101 C Beginn und Ende der Zinspflicht 102 D Höhe des Zinssatzes 103

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INHALTSVERZEICHNIS

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XVI

c. Beweislast 106 III. ERSATZ VON WEITEREM SCHADEN 106

1. Konkreter Schadensnachweis 107 2. Abstrakter Schadensnachweis 107

1. Kapitalkosten 108 2. Zinsschaden 109 3. Währungsverluste (Valutaverluste) 110 4. Kaufkraftverluste 111

IV. ZUSAMMENFASSUNG 111

§ 7 DER SCHADENSZINS 113 I. BEGRIFF 113 II. ANWENDUNGSBEREICH 113 III. HÖHE DES ZINSES 114 IV. BEGINN DER VERZINSUNG 115

V. VERHÄLTNIS VON SCHADENSZINS UND VERZUGSZINS 119

1. Allgemeines 119 2. Die ältere Praxis des Bundesgerichts 120 3. Die aktuelle Praxis des Bundesgerichts 121

a. Vertragliche Haftung 121 b. Ausservertragliche Haftung und Genugtuung 121

4. Zusammenfassung der Praxis 122 VI. KAPITALISIERTER SCHADENSERSATZ 122 VII. PROZESSUALES 124

1. Rechtsprechung des Bundesgericht 124 2. Nach neuem Bundesgerichtsgesetz (BGG) 125

VIII. ZUSAMMENFASSUNG 125

A Allgemeines 106 B Schadensberechnung 107

C Schadensarten 108

D Prozessuales 111

A Allgemeines 115 B Kostenersatz 116 C Verdienstausfall, Haushalts- und Versorgerschäden 117 D Genugtuung 117

A Funktionale Abgrenzung 119 B Kumulative Beanspruchung 119

A Streitwert 124

B Beweislast 125

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INHALTSVERZEICHNIS

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XVII

§ 8 DER ZINS IM BEREICHERUNGSRECHT 127 I. ALLGEMEINES 127 II. ZWECK 127 III. UMFANG DER ZINSFORDERUNG 128

IV. ZINSENLAUF 129 V. VERJÄHRUNG 130 VI. PROZESSUALES 130 VII. ZUSAMMENFASSUNG 131

§ 9 DER ZINS AUF VERWENDUNGSERSATZ 133 I. ALLGEMEINES 133 II. DER VERWENDUNGSERSATZ 133

III. DER VERWENDUNGSZINS 135 IV. DIE WEITEREN VERTRAGSVERHÄLTNISSE 136

1. Anspruchsvoraussetzungen 138 2. Qualifikation des Ersatzanspruches 138 3. Zins 139 4. Fälligkeit der Ersatzforderung 139

V. ZUSAMMENFASSUNG 140

§ 10 DER ZINS IM KAUFRECHT 141 I. ALLGEMEINES 141 II. DER ZINS IN DER RÜCKERSTATTUNG DES KAUFPREISES 141

III. DER ZINS IM VERZUG DES KÄUFERS 144 IV. ZUSAMMENFASSUNG 145

A Gutgläubigkeit 128 B Bösgläubigkeit 129

A Begriff 133 B Zweck 134 C Entstehung und Fälligkeit 134 D Prozessuales 135 E Verjährung 135

A Maklervertrag 136 B Agenturvertrag 136 C Kommission 136 D Geschäftsführung ohne Auftrag 137 E Einfache Gesellschaft 138

A Der Rückerstattungsanspruch 141 B Der Zins 142 C Ersatz für gezogene Nutzungen samt Zins 143 D Verjährung 143

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INHALTSVERZEICHNIS

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XVIII

§ 11 DER ZINS IN DER AUFTRAGSRECHTLICHEN HERAUSGABEPFLICHT 147 I. DER AUFTRAG 147 II. PFLICHTEN DES BEAUFTRAGTEN 147

1. Rechenschaftspflicht 148 2. Herausgabepflicht 149

III. VERJÄHRUNG 150 IV. ZUSAMMENFASSUNG 150

TEIL III: DIE ZINSEN IM GESELLSCHAFTS- UND WERTPAPIERRECHT

§ 12 DER KAPITALZINS IN DER KOLLEKTIVGESELLSCHAFT 153 I. HINTERGRUND 153 II. DER KAPITALANTEIL 153

III. DER KAPITALZINS 155

IV. EXKURS: ANWENDBARKEIT IN DER KOMMANDITGESELLSCHAFT 157 V. ZUSAMMENFASSUNG 157

§ 13 DIE ZINSGRENZE IN DER GENOSSENSCHAFT 159 I. GRUNDLAGEN 159 II. VERTEILUNG DES GENOSSENSCHAFTSERTRAGS 159 III. BESCHRÄNKUNG DER VERTEILUNG NACH ANTEILEN 160 IV. DER LANDESÜBLICHE ZINSSATZ IM GENOSSENSCHAFTSRECHT 161 V. ZUSAMMENFASSUNG 162

§ 14 DIE ZINSEN IN DER AG UND DER GMBH 163 I. GRUNDSATZ: ZINSVERBOT 163 II. AUSNAHME: BAUZINSEN 164

III. AUSBLICK 166 IV. EXKURS: RECHTSLAGE IN DEUTSCHLAND 166 V. ZUSAMMENFASSUNG UND BEMERKUNGEN 167

A Rechenschaftspflicht und Ablieferungsobligation 148

B Verzinsungspflicht 149

A Begriff 153 B Berechnung 154

A Begriff 155 B Höhe des Zinssatzes 155 C Forderbarkeit 156

A Allgemeines 164 B Rechtsnatur und Bedeutung 164 C Verfahren 165

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INHALTSVERZEICHNIS

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XIX

§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE 169 I. DER ZINS IM WECHSELRECHT 169

1. Rechtsnatur 169 a. Der gezogene Wechsel 169 b. Der eigene Wechsel 170

2. Übertragbarkeit 170 3. Funktion 171

a. Zahlungsfunktion 171 b. Kreditfunktion 171

4. Wechselforderung 172 5. Einredeausschluss 172 6. Wechselstrenge 173 7. Präsentation 173 8. Annahme 174 9. Zahlung 174 10. Diskontierung 175

1. Das Zinsversprechen 175 a. Grundsatz 175 b. Ausnahme: Sicht- und Nachsichtwechsel 176 c. Einzelfragen 177 d. Prozessuales 177

2. Der Regresszins 177 a. Rückgriff des Inhabers 177 b. Rückgriff des Einlösers 178

3. Der Diskontzins im Regress vor Verfall 178 II. DER ZINS IM CHECKRECHT 179

1. Begriff 179 2. Funktion 180 3. Wirtschaftliche Bedeutung 180 4. Umlauffähigkeit 181 5. Zahlung 181

1. Zinsversprechen 181 2. Regresszins 182

a. Rückgriff des Inhabers 182 b. Rückgriff des Einlösers 182

A Der Wechsel 169

B Die Zinsbestimmungen 175

A Der Check 179

B Die Zinsbestimmungen 181

C Exkurs: Ausfallstrafe bei mangelnder Deckung 182

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INHALTSVERZEICHNIS

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XX

III. BEMERKUNGEN 183 IV. ZUSAMMENFASSUNG 184

TEIL IV: ERGEBNIS UND VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER

ZINSBESTIMMUNGEN IM OR

§ 16 ERGEBNIS UND ZUSAMMENFASSUNG 185 I. VORBEMERKUNGEN 185 II. DER ZINS IM ALLGEMEINEN 185 III. DIE HÖHE DER ZINSSÄTZE 185 IV. DER ÜBLICHE ZINSSATZ IM DARLEHENSRECHT 186 V. DIE ANWENDUNG DER SUBSIDIÄREN ZINSBESTIMMUNGEN 187

VI. BESONDERE ZINSSÄTZE 189 VII. BESCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN 190 VIII. AUSBLICK 191

§ 17 NATIONALE UND INTERNATIONALE RECHTSENTWICKLUNGEN 193 I. VORENTWURF ZU EINER REVISION DES VERZUGSZINSES 193 II. DER VERZUGSZINS IN DER EUROPÄISCHEN UNION 194 III. DER BASISZINS UND VERZUGSZINS IN DEUTSCHLAND 195 IV. UNIDROIT-PRINCIPLES 197 V. DRAFT COMMON FRAME OF REFERENCE (DCFR) 198

§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN 199 I. ALLGEMEINES 199 II. DIFFERENZIERUNG DER ZINSBESTIMMUNGEN 200 III. ELEMENTE EINER REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN 201

1. Der Referenzzins 202 2. Der Aufschlag 205

IV. WEITERE ÄNDERUNGEN 207

A Im Allgemeinen 187 B Im bürgerlichen Verkehr 188 C Im kaufmännischen Verkehr 188

A Bürgerlicher Verkehr 201 B Kaufmännischer Verkehr 201

C Das Verfahren zur Festlegung des Basiszinses 206

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INHALTSVERZEICHNIS

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XXI

V. DER ENTWURF (EN-OR) 211

LITERATURVERZEICHNIS 213 SACHREGISTER 225

A Allgemeine Bestimmungen 207 B Durch die Rechtsprechung festgelegte Zinssätze 208 C Der Einlagezinssatz in der Kollektivgesellschaft 208 D Die Zinsschranke in der Genossenschaft 209 E Zinsen auf Fremdwährungsschulden 209 F Bauzinsen 209 G Zinsbeschränkungen 210

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XXII

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ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

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XXIII

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

A. / Aufl. Auflage

a.A. anderer Ansicht

ABGB Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch für Österreich

Abl. Amtsblatt

Abs. Absatz

AcP Archiv für die civilistische Praxis

a.E. am Ende

AG Aktiengesellschaft

AJP Aktuelle Juristische Praxis

AktG Aktiengesetz (D)

ALR Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794

a.M. anderer Meinung

aOR (altes) Bundesgesetz über das Obligationenrecht (vom 14. Juni 1881)

AppGer Appellationsgericht

Art. Artikel

AT Allgemeiner Teil

BBl Bundesblatt der Schweizerischen Eidgenossenschaft

Bd. Band

BGB Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. August 1896 (D)

BGB-RGRK Reichsgerichtsräte-Kommentar zum BGB (D)

BGE Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts

BGer Bundesgericht

BGH Bundesgerichtshof (D)

BIS Bank for International Settlements (Basel)

BJM Basler juristische Mitteilungen

BK Berner Kommentar

BSK Baseler Kommentar

BT Besonderer Teil

BV Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom

18. April 1999

BzGer Bezirksgericht

bzw. beziehungsweise

CHF Schweizer Franken

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ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

__________________________________________________________________________

XXIV

CR Commentaire Romand

d.h. das heißt

Diss. Dissertation

E. Erwägung (en)

EGZGB Einführungsgesetz zu Zivilgesetzbuch

Einl Einleitung

E-OR Entwurf zur Revision des Aktien- und Rechnungslegungsrechts, BBl 2008,

S. 1751

EUR Euro

f. folgende Seite, Note, Randziffer etc.

ff. folgende Seiten, Noten, Randziffern etc.

FN Fußnote

FS Festschrift

GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GVP SG St. Gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis

HAVE Haftung und Versicherung

HGB Handelsgesetzbuch (D)

HGer Handelsgericht

h.L. herrschende Lehre

Hrsg. Herausgeber

i.c. in casu

i.d.R. in der Regel

insb. insbesondere

i.S.v. im Sinne von

i.V.m. in Verbindung mit

JherJhb Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts

JT Journal des Tribunaux

JZ Juristenzeitung (D)

KGer Kantonsgericht

KKG Bundesgesetz vom 23. März 2001 über den Konsumkredit (KKG),

SR 221.214.1

KöKo Kölner Kommentar zum Aktiengesetz (D)

lat. lateinisch

lit. litera

LIBOR London Interbank Offered Rate

m.E. meines Erachtens

MüKo Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (D)

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ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

__________________________________________________________________________

XXV

N Note (n)

NJW Neue Juristische Wochenschrift (D)

Nr. Nummer (n)

OGer Obergericht

oHG offene Handelsgesellschaft (D)

OR Bundesgesetz vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des

Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht), SR 220

p.a. per annum

PüG Preisüberwachungsgesetz vom 20. Dezember 1985 (PüG), SR 942.20

Pra Die Praxis des Bundesgerichts

recht Zeitschrift für juristische Weiterbildung und Praxis

RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (D)

Rz. Randziffer (n)

S. Seite (n)

SAG Schweizerische Aktiengesellschaft (ab 1990 SZW)

SchG / ScheckG Scheckgesetz (D)

SchKG Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und

Konkurs (SchKG), SR 281.1

SJ La Semaine Judiciaire

SJZ Schweizerische Juristenzeitung

SNB Schweizerische Nationalbank

sog. So genannt (e)(er)(es)

SPR Schweizerisches Privatrecht

SR Systematische Sammlung des Bundesrechts

(Systematische Rechtssammlung)

StGB Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937, SR 311.0

SZW Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

TC Tribunal Cantonal

u.a. unter anderem

u.U. unter Umständen

UWG Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb

(UWG), SR 241

v. vom/von

VE-OR Vorentwurf zur Revision des Obligationenrechts

vgl. vergleiche

VKKG Verordnung vom 6. November 2002 zum Konsumkreditgesetz

(VKKG), SR 221.214.11

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ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

__________________________________________________________________________

XXVI

WG Wechselgesetz (D)

z.B. zum Beispiel

ZBGR Schweizerische Zeitschrift für Beurkundungs- und Grundbuchrecht

ZBJV Zeitschrift des Bernisches Juristenvereins

ZGB Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907, SR 210

Ziff. Ziffer (n)

ZK Zürcher Kommentar

ZPO Schweizerische Zivilprozessordnung, BBl 2009, S. 21

ZPO ZH Zürcherische Zivilprozessordnung vom 13. Juni 1976

ZSR Zeitschrift für Schweizerisches Recht

ZR Blätter für Zürcherische Rechtsprechung

z.T. zum Teil

ZWR Zeitschrift für Walliser Rechtsprechung

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ABSTRACT

__________________________________________________________________________

XXVII

ABSTRACT

Mit der vorliegenden Arbeit wird eine grundlegende Bestandsaufnahme und Analyse

der im Zusammenhang mit Zinsen relevanten Bestimmungen im schweizerischen

Obligationenrecht vorgenommen. Diese umfasst jegliche Normen, welche die Begründung,

Bestimmung oder Begrenzung einer Zinsforderung bzw. Zinsschuld zum Inhalt haben,

wobei sowohl vertraglich vereinbarte als auch gesetzlich angeordnete Zinsen berücksichtigt

werden.

Ausgehend von der klassischen Zinsdefinition der Pandektistik und dem darauf

basierenden Zinsbegriff des Schweizerischen Bundesgerichts werden zunächst die

charakteristischen Merkmale und Eigenschaften des Zinses als Leistungsinhalt einer

Obligation dargestellt. Anschließend folgt ein Überblick über die geltenden gesetzlichen

Beschränkungen von Zinsvereinbarungen im Bundesprivatrecht, im öffentlichen Recht des

Bundes und der Kantone sowie im Strafrecht. Zudem werden die obligationenrechtlichen

Zinseszinsverbote diskutiert.

Aufbauend auf den im ersten Teil erarbeiteten Merkmalen des Zinses im rechtlichen

Sinn werden im zweiten und dritten Teil der Arbeit die verschiedenen Zinsen im

Allgemeinen Teil und in den Bestimmungen über die einzelnen Vertragsverhältnisse im

Obligationenrecht detailliert betrachtet, von der allgemeinen Zinsbestimmung in Art. 73 OR

über den Verzugszins und den Darlehenszins bis zu den Zinsen im Check- und

Wechselrecht. Dabei liegt der Fokus der Ausführungen besonders auf der Höhe der jeweils

anzuwendenden Zinssätze und deren Bestimmungsfaktoren, sei es, dass sie durch die

Parteien vereinbart, im Gesetz festgelegt oder durch die Rechtsprechung bestimmt werden.

Eine nähere Betrachtung lässt zudem erkennen, dass nicht jede Vergütung, die das Gesetz

als Zins bezeichnet, auch tatsächlich ein Zins im rechtlichen Sinn ist.

Den Abschluss der Arbeit bildet ein Vorschlag für eine Revision der zinsrelevanten

Bestimmungen im Obligationenrecht, der bei den zuvor festgestellten Mängeln und

Ungenauigkeiten des geltenden Rechts ansetzt. Insbesondere wird vorgeschlagen, die

Zinssätze für den kaufmännischen Verkehr und das Gesellschaftsrecht flexibel

auszugestalten und an die Entwicklung eines Marktzinses anzuknüpfen, wie es bereits in

ähnlicher Form im EU-Recht und im deutschen Recht, dort allerdings hauptsächlich für den

Verzugszins, vorgeschrieben ist.

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XXVIII

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§ 1 EINLEITUNG __________________________________________________________________________

1

§ 1 EINLEITUNG

Zinsen als Entgelt für die Überlassung von Geld begegnen uns im Alltag regelmäßig

und in verschiedenen Formen, wie z.B. als Kreditzinsen, Sparzinsen, Verzugszinsen auf

gemahnten Geldbeträgen, effektiven Jahreszinsen beim Ratenkauf, Teilzahlungszinsen auf

ausstehenden Kreditkartenforderungen oder Hypothekarzinsen, so dass eine moderne Volks-

und Finanzwirtschaft ohne Zinsen heute kaum vorstellbar ist. Im Geschäftsverkehr und

insbesondere in der Kreditwirtschaft erfolgt die Überlassung von Geld ausschließlich gegen

die Zahlung von Zinsen und häufig werden bereits vergleichsweise kurze Perioden für die

Anlage von Geld oder die Gewährung von Krediten genutzt, da auf hohen Beträgen auch

während solcher Verzinsungsperioden erhebliche Zinsbeträge anwachsen können. Im

Verkehr unter Geschäftsbanken oder zwischen Geschäfts- und Zentralbanken erfolgt der

Verleih und die Anlage von Geld sogar für die kurze Frist von einer Nacht, damit das

Kapital während dieser Zeit nicht ohne Ertrag bleibt. Je nach Vereinbarung und gesetzlicher

Zulässigkeit können Zinsen auch auf aufgelaufenen Zinsen berechnet werden, mit der Folge,

dass die Gesamtzinsschuld mit zunehmender Verzinsungsdauer exponentiell ansteigt.

Bereits bei einem Jahreszinssatz von 10% verdoppelt sich eine Forderung mit Zinseszinsen

in ca. sieben Jahren, beim üblichen Teilzahlungszinssatz von Kreditkarten von 15% p.a. in

weniger als fünf Jahren. Bestimmte Zinssätze werden an den Geld- und Kapitalmärkten

täglich für eine Vielzahl von Währungen und Laufzeiten als Referenzwerte festgestellt.

Zudem wird von den Marktteilnehmern angestrebt, möglichst viele Risiken, die auf Seiten

des Schuldners bestehen, zu quantifizieren und in die Berechnung der individuellen

Zinssätze einfließen zu lassen. Hierfür werden an den Märkten allgemeine Risikoprämien

für verschiedene Bonitätsstufen bestimmt. Verschlechtert sich die Zahlungsfähigkeit eines

Schuldners, dann führt dies mitunter kurzfristig zu einem rapiden Anstieg der von ihm zu

zahlenden Zinssätze.

Das schweizerische Obligationenrecht enthält eine Vielzahl von Bestimmungen,

welche die Verzinsung von Forderungen gestatten, anordnen oder beschränken und teilweise

auch die Details der anwendbaren Zinssätze festlegen. Viele dieser Bestimmungen sind in

der heutigen Form bereits seit der Einführung des Obligationenrechts am 1. Januar 1912 in

Kraft und mache waren schon im vorhergehenden alten Obligationenrecht vom 1. Januar

1883 enthalten. Seither wurden nur wenige dieser Zinsbestimmungen vom Gesetzgeber

revidiert, während sich die Finanzmärkte und die Kreditwirtschaft im gleichen Zeitraum

verändert haben und zunehmend genauere und differenziertere, aber auch komplexere

Methoden zur Bestimmung und Berechnung von Zinssätzen und Risikoprämien entwickelt

wurden oder neue Anlage- und Finanzierungsformen in immer schnellerer Abfolge die

bestehenden ersetzt haben.

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§ 1 EINLEITUNG __________________________________________________________________________

2

Die vorliegende Arbeit soll prüfen, ob die gesetzliche und dogmatische Ausgestaltung

der Zinsbestimmungen im schweizerischen Obligationenrecht mit diesen Entwicklungen

außerhalb des Rechts Schritt gehalten hat und auf Möglichkeiten zur Anpassung bzw.

Neuorientierung des geltenden Rechts hinweisen. Zu diesem Zweck soll zunächst eine

Bestandsaufnahme und Analyse des geltenden Rechts und der ergangenen Rechtsprechung

zu den Zinsbestimmungen im Obligationenrecht vorgenommen werden. Diese Betrachtung

soll beim rechtlichen und ökonomischen Zinsbegriff beginnen und danach die wichtigsten

Elemente der Zinsforderung bzw. Zinsschuld als Leistungsinhalt einer Obligation sowie die

bestehenden gesetzlichen Beschränkungen für die Vereinbarung von Zinsen und

Zinseszinsen darstellen. Basierend auf den erkannten Unklarheiten und Defiziten in den

geltenden Zinsbestimmungen im OR soll im letzten Teil der vorliegenden Arbeit ein

Vorschlag für eine Revision der wichtigsten Zinsbestimmungen im Gesetz entworfen

werden. Dieser Vorschlag erfolgt unter Einbezug der jüngsten Vernehmlassungsvorlage des

Bundesrates vom 18. August 2010 zur Änderung des Verzugszinses im kaufmännischen

Verkehr sowie einer rechtsvergleichenden Betrachtung ausgewählter Zinsbestimmungen im

Europäischen Recht und in internationalen Soft Law Kodifikationen. Im Rahmen dieses

Vorschlags soll versucht werden, die Zinsbestimmungen im Obligationenrecht an die

Erfordernisse des modernen Wirtschaftsverkehrs anzupassen und eine angemessene,

marktgerechte und systematische Regelung der Zinsen und Zinseszinsen aufstellen. Dabei

soll die Verständlichkeit, geringe Komplexität und einfache Anwendbarkeit des geltenden

Rechts, speziell für betroffene Laien im bürgerlichen Verkehr, soweit wie möglich

beibehalten und nicht übermäßig beeinträchtigt werden.

Nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind die Zinsbestimmungen des

Zivilgesetzbuches, der Nebengesetze des Obligationenrechts und des öffentlichen Rechts.

Auch die Zinsbestimmungen des Konsumkreditgesetzes sollen lediglich in Einzelfällen und

überblicksartig betrachtet werden. Zudem wird das kantonale Recht nur soweit erforderlich

in die Betrachtungen einbezogen. Zivilprozessuale Themen werden ausschließlich unter der

eidgenössischen Zivilprozessordnung behandelt.

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§ 2 DER ZINS __________________________________________________________________________

3

TEIL I: GRUNDLAGEN DES RECHTS DER ZINSEN

§ 2 DER ZINS

I. BEGRIFF

Die schweizerischen Privatrechtsgesetze erweisen sich in Bezug auf die Bestimmung

des Zinsbegriffs und grundlegende Regelungen zur Zinsschuld als äußerst lückenhaft.

Insbesondere enthält das Obligationenrecht keine Legaldefinition des Zinses und verzichtet

ebenfalls auf allgemeine Normen zur Zinsschuld als Leistungsinhalt einer Obligation. Die

Bestimmung des Zinsbegriffs erfolgt daher in Lehre und Rechtsprechung regelmäßig unter

Rückgriff auf die Überlieferungen des gemeinen Rechts. Danach ist der Zins (von lat. census1)

„eine Vergütung für den Gläubiger wegen der einstweiligen Entbehrung des Genusses dessen,

was er zu fordern hat“.2 Während dieser Zinsbegriff auch Naturalzinsen für jegliche

Gattungsschulden vertretbarer Sachen umfasst3, hat sich in der heutigen Lehre das Verständnis

von Zinsen als Geldzinsen durchgesetzt.4 Das Bundesgericht hat diese Auffassung bereits 1926

in die Rechtsprechung übernommen und behandelt den Zins im rechtlichen Sinn als

„Vergütung, welche ein Gläubiger für die Entbehrung einer ihm geschuldeten Geldsumme zu

fordern hat und welche sich nach der Höhe der geschuldeten Summe und der Dauer der Schuld

bestimmt“.5 Diese Formel dient auch als Grundlage für die Abgrenzung der Zinsschuld von

anderen Vergütungsformen. Unbeachtlich ist hingegen die Bezeichnung einer Vergütung,

entsprechend dem allgemeinen Prinzip von Art. 18 Abs. 1 OR (falsa demonstratio non nocet).6

Sachenrechtlich betrachtet gehört der Zins zu den juristischen bzw. bürgerlichen

Früchten. Obwohl das schweizerische Recht diesen Begriff nicht ausdrücklich kennt, wird er

von der Lehre als notwendiges Pendant zu den natürlichen Früchten vorausgesetzt.7 Letztere

erwähnt das ZGB an verschiedenen Stellen explizit8, während die bürgerlichen Früchte jeweils

eine spezielle Begriffsbestimmung9 erfahren.10 Juristische Früchte entstehen aus dem ihnen

zugrundeliegenden Kapital heraus, aber im Gegensatz zu den natürlichen Früchten entstehen

sie nicht von selbst, sondern sie benötigen einen rechtlichen Entstehungsgrund.11 Formal

1 Die Zählung bzw. Vermögensschätzung. 2 WINDSCHEID/KIPP, Band II, § 259. 3 V. THUR/PETER, § 10 FN 1a. 4 WEBER, BK, Art. 73 OR N 4, 13; LEU, BSK, Art. 73 OR N 1; GUHL/KOLLER, § 11 N 15; V. THUR/PETER, § 10 S. 68. 5 BGE 52 II 228 E. 3. 6 BGE 52 II 228 E. 3. 7 MEIER-HAYOZ, BK, Art. 643 ZGB N 1, 22; OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 73 OR N 1; WEBER, BK, Art. 73 OR N 14. 8 Vgl. Art. 643, 756, 892 ZGB. 9 Vgl. Art. 218, 757, 773 ZGB. 10 BGE 46 II 473 E. 1. 11 OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 73 OR N 1.

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§ 2 DER ZINS __________________________________________________________________________

4

betrachtet ist die unmittelbare juristische Frucht der Hauptforderung ebenfalls eine Forderung,

nämlich jene auf eine Geldleistung. Der Zins ist nur mittelbar in Form des auf die Forderung

hin geleisteten Geldes die Frucht des Kapitals.12

II. ZWECK

A JURISTISCH

Die herrschende Lehre13 in der Schweiz und ebenso das schweizerische

Bundesgericht in stetiger Rechtsprechung14 betrachten den Zins als „die Vergütung, die ein

Gläubiger für die Entbehrung einer ihm geschuldeten Geldsumme zu fordern hat, sofern

diese Vergütung sich nach der Höhe der geschuldeten Summe und der Dauer der Schuld

bestimmt“15. Maßgeblich für das Vorliegen eines Zinses im rechtlichen Sinn ist nach der

herrschenden Ansicht somit, dass der Zins dem Ausgleich des entgangenen Nutzens des

Gläubigers an der ihm geschuldeten Geldsumme dient. In der schweizerischen Lehre

bestehen hingegen auch abweichende Ansichten über den Zweck des Zinses, allerdings

werden die Unterschiede in den verwendeten Zinsbegriffen nicht immer klar als solche

erkannt und benannt. Die wichtigste abweichende schweizerische Lehrmeinung16 versteht

den Zins als „Preis, den der Schuldner für die Nutzung des ihm befristet überlassenen

Geldkapitals zu entrichten hat“17, wobei nach WEBER „konkret (…) die Gebrauchs-

möglichkeit vergütet, nicht jedoch die Überlassung des Kapitals abgegolten“18 werde.

Ebenso behandelt die herrschende Lehre in Deutschland19 und die neuere deutsche

Rechtsprechung20 den Zins als „gewinn- und umsatzunabhängige, laufzeitabhängige, in

Geld oder anderen vertretbaren Sachen zu entrichtende Vergütung für die Möglichkeit des

Gebrauchs eines Kapitals“21. Ohne eine vertiefte Auseinandersetzung mit den beiden

genannten Lehrmeinungen vertritt zudem eine Minderheit in der schweizerischen Lehre die

vermittelnde Position, dass der Zins „die vom Schuldner für die Nutzung oder Entbehrung

eines Kapitals (…) zu entrichtende Vergütung“22 sei. Zuletzt schlägt MAURENBRECHER, in

12 V. THUR/PETER, § 10 FN 4. 13 V. THUR/PETER, § 10 N 68; GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2401; MERZ, SPR VI/1, S. 175; SCHWENZER, N 10.06. 14 BGE 52 II 228 E. 3 a.E.; BGE 115 II 349 E. 3; BGer v. 21.11.1990, BJM 1994 S. 37; 15 BGer v. 21.11.1990, BJM 1994 S. 37. 16 CHRIST, SPR VII/2, S. 244; ENGEL, S. 647, WEBER, BK, Art. 73 N 14; OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 73 OR N 1. 17 WEBER, BK, Art. 73 OR N 14. 18 WEBER, BK, Art. 73 OR N 14. 19 CANARIS, NJW 1978, S. 1892; GRUNDMANN, MüKo 5.A., § 246 BGB N 12; SOERGEL/TEICHMANN, 12.A., § 246

BGB N 3 f.; ALFF, BGB-RGRK, § 246 N 1; a.A.: STAUDINGER/BLASCHCZOK, § 246 BGB N 7. 20 BGH NJW 1979, 540, 541; BGH NJW 1979, 805, 806; BGH NJW 1979, 2089, 2090. 21 CANARIS, NJW 1978, S. 1892. 22 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 6; ähnlich: GUHL/KOLLER, § 11 N 15.

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§ 2 DER ZINS __________________________________________________________________________

5

Anlehnung an MÜLBERT23, einen flexiblen Zinsbegriff vor, der weder ausschließlich an die

Entbehrung des Gläubigers noch an die Nutzung bzw. Nutzungsmöglichkeit des Schuldners

anknüpft, sondern den Zins als eine „laufzeitabhängige, in Geld oder vertretbaren Sachen zu

entrichtende Vergütung für die tatsächliche oder vertraglich ermöglichte Inanspruchnahme

wirtschaftlich fremden Kapitals durch den Schuldner“ 24 definiert. Die unterschiedliche

Anknüpfung der beiden Hauptlehrmeinungen an der Entbehrung bzw. der Nutzung des

Kapitals resultiert aus einer Betrachtung der wirtschaftlichen Folgen einer Kapital-

überlassung.25 Einerseits wird auf die Opportunitätskosten abgestellt die dem Gläubiger

durch die freiwillige oder unfreiwillige Kapitalüberlassung entstehen, d.h. auf den Nutzen

der ihm entgeht, und andererseits auf den Nutzen den der Schuldner durch die Überlassung

des Kapitals erzielen kann. 26 Auf Seiten des Gläubigers kann sich die Entbehrung sowohl

durch einen entgangenen Zinsertrag aus einer anderweitigen Verwendung, als auch durch

erhöhte Zinskosten für die Aufnahme eines Kredits auswirken. Ebenso kann auf Seiten des

Schuldners durch die Kapitalüberlassung ein Nutzen durch die zinstragende Anlage des

Kapitals oder durch die geringere Aufnahme von Kredit aus anderen Quellen resultieren.

Die Entscheidung zwischen der entbehrungs- und der nutzungsorientierten Anknüpfung

kann nicht aufgrund zwingender logischer Argumente getroffen werden, da beide Positionen

grundsätzlich vertretbar sind und von den gesetzlichen Zinsbestimmungen auch jeweils ein

Teil an die Entbehrung einer Geldsumme und ein anderer Teil an die Nutzungsmöglichkeit

des Schuldners an einem Kapital anknüpft. Zudem existieren aber auch weitere Zins-

bestimmungen, die entweder keinen eindeutigen Bezug auf die Entbehrung oder die

Nutzungsmöglichkeit nehmen oder an beide anknüpfen.27

Für die Behandlung des Zinses als Vergütung für die Entbehrung des Kapitals

spricht insbesondere, dass durch den Zins ein tatsächlicher Vermögensnachteil des

Gläubigers ausgeglichen wird der immer dann entsteht, wenn der Gläubiger sein Kapital

nicht selbst nutzen kann, sei es durch entgangene Zinserträge oder notwendig gewordene

Zinszahlungen. Hingegen kann die abweichende Lehrmeinung, die eine Anknüpfung an die

Nutzung des Schuldners vertritt, m.E. keine zwingenden Gründe für ihre Position und gegen

die Rechtsprechung des Bundesgerichts vorbringen. Allenfalls aus Gründen der Prävention

oder eines besseren Gläubigerschutzes mag es gerechtfertigt sein, einen weiteren Nutzen des

Schuldners abzuschöpfen und dem Gläubiger zukommen zu lassen.

Die weiteren abweichenden Lehrmeinungen haben in der Literatur bisher keine

wesentliche Resonanz erfahren. Auch der flexible Zinsbegriff von MAURENBRECHER, in

23 Zum deutsche Recht: MÜLBERT, AcP 1992, S. 498. 24 MAURENBRECHER (1995), S. 94. 25 MÜLBERT, AcP 1992, S. 496. 26 MÜLBERT, AcP 1992, S. 496. 27 MAURENBRECHER (1995), S. 91 ff; ähnlich zum deutschen Recht: MÜLBERT, AcP 1992, S. 497 f.

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§ 2 DER ZINS __________________________________________________________________________

6

Anlehnung an MÜLBERT, kann m.E. nicht vollständig überzeugen. Zwar soll durch die

Anknüpfung an die Inanspruchnahme des Kapitals durch den Schuldner eine von den

wirtschaftlichen Folgen der Kapitalüberlassung unabhängige Anknüpfung vorgenommen

werden, die alle gesetzlichen und vertraglichen Zinsen erfasst28, aber tatsächlich werden

bloß die umstrittenen Akzente der Entbehrung und der Nutzung vermieden und durch den

ebenso weiten wie unbestimmten Begriff der Inanspruchnahme ersetzt. Dieser steht gemäß

DUDEN für „das Gebrauchmachen, Nutzen von etwas, was jemandem als Recht zusteht oder

als Möglichkeit angeboten wird“ 29. Somit bezieht sich auch dieser Zinsbegriff letztlich auf

die Nutzung des Kapitals durch den Schuldner.

Für die Betrachtung der Zinsbestimmungen und insbesondere der Zinssätze im

Rahmen der vorliegenden Arbeit soll daher der Zinsbegriff des Bundesgerichts und der

herrschenden Lehre herangezogen werden, der den Zins als Vergütung für den Gläubiger für

die Entbehrung eines ihm geschuldeten Kapitals betrachtet, die sich nach der Höhe der

geschuldeten Summe und der Dauer der Schuld bestimmt. Die Anknüpfung an die

Entbehrung des Gläubigers schließt hingegen nicht aus, dass bei der Bestimmung der

anwendbaren Zinssätze auch andere Faktoren aus dem Zweck der zugrundeliegenden Norm,

wie z.B. ein Präventionsaspekt im Verzug, berücksichtigt werden.

Für die Anknüpfung der Verzinsungspflicht selbst ist der vertretene Zinsbegriff

nicht maßgeblich, da diese entweder von den Parteien vertraglich vereinbart oder vom

Gesetz, zumeist dispositiv, angeordnet wird. Relevant wird der Zinsbegriff bzw. der Zweck

des Zinses im juristischen Sinn hingegen, wenn sich bestimmte Rechtsfolgen an die

Einordnung einer Vergütung als Zins knüpfen. Dies gilt zunächst für alle Bestimmungen,

welche die Vereinbarung oder Auszahlung von Zinsen und Zinseszinsen verbieten30 oder in

der Höhe beschränken31, aber auch für weitere Bestimmungen, die sich auf das Verhältnis

der Zinsen zu der ihnen zugrundeliegenden Hauptforderung beziehen32 oder die spezielle

Verjährungsfrist für Kapitalzinsen als periodische Leistungen33. In Bezug auf die

Beschränkungen der Höhe der Zinssätze ist allerdings zu berücksichtigen, dass sowohl das

Konsumkreditgesetz als auch das Züricher EGZGB nicht nur eigentliche Zinsen, sondern

auch weitere Gebühren und Provisionen in die Berechnung des Zinssatzes einfließen lassen,

um eine Umgehung durch die Vereinbarung nicht direkt an der Laufzeit orientierter

Vergütungen zu verhindern. Gleiches muss für die allgemeinen Schranken der

Sittenwidrigkeit und der Übervorteilung gelten. Zudem kann der verwendete Zinsbegriff

von Bedeutung sein, wenn z.B. die exakte Länge einer Verzinsung zu bestimmen ist.

28 MAURENBRECHER (1995), S. 94; MÜLBERT, AcP 1992, S. 496 f. 29 DUDEN, DEUTSCHES UNIVERSALWÖRTERBUCH (Inanspruchnahme). 30 Art. 675 Abs. 1, 798a Abs. 1, Art. 105 Abs. 1, 3, Art. 314 Abs. 3 OR. 31 Art. 20, 21 OR, Art. 15 KKG, Art. 215 EGZGB ZH. 32 Art. 89 Abs. 2, Art. 114 Abs. 2, Art. 133 OR. 33 Art. 128 Ziff. 1 OR.

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§ 2 DER ZINS __________________________________________________________________________

7

Abgesehen vom seltenen Fall, dass das Kapital bar zur Verfügung gestellt und zurück-

gezahlt wird, kann es zu Abgrenzungsproblemen kommen, da der Zeitpunkt in dem der

Schuldner das Kapital nicht mehr nutzen kann regelmäßig nicht mit jenem Zeitpunkt

zusammenfällt in dem der Gläubiger wieder die Verfügungsmöglichkeit hat. Abhängig von

der Art der Übertragung, z.B. im Rahmen des elektronischen Zahlungsverkehrs, wird diese

Frist faktisch mindestens einen (Buchungs-)Tag betragen, der entweder vom Schuldner zu

verzinsen ist oder nicht.34

B WIRTSCHAFTLICH

Auch aus ökonomischer Perspektive ist der Zinsbegriff umstritten und kann daher

nicht als Begründung für oder gegen die Anwendung einer der o.g. juristischen Zinsbegriffe

dienen. Je nach Sichtweise sind Zinsen entweder „eine Entschädigung für Geld, Kredit und

Kapital, welche zur Verfügung gestellt werden, d.h. eine Vergütung für die Nutzung eines

Vermögensgegenstandes“35 oder „der Preis für die Überlassung eines Geldbetrages während

einer bestimmten Zeit“36. Teilweise wird diese Differenzierung auch vermieden und der

Zinssatz stattdessen definiert als „der Preis, der vom Schuldner an den Gläubiger für die

zeitweilige Verfügung über einen Geldbetrag oder eine Gütermenge zu entrichten ist“.37 Die

Berechnung und Darstellung von Zinsen erfolgt in Prozenten der Kapitalsumme pro Jahr,38

wobei nach FISHER39 im Sinne exakter Begrifflichkeit zwischen dem Zins und dem Zinssatz

zu differenzieren ist. Ersterer ist „eine ökonomische Größe innerhalb eines Preissystems“

und bezieht „sich auf eine bestimmte Periodenlänge, beispielsweise ein Jahr“, während der

Zinssatz bzw. Zinsfuß der „Zins in Relation zum Kapitalwert (Marktwert)“ ist.40 Sofern

keine weitere Bestimmung erfolgt, umfasst der Zinsbegriff im wirtschaftlichen Sinn sowohl

den Eigenzins, der bei der Nutzung durch den Eigentümer selbst anfällt, als auch den

Fremdzins, den der Eigentümer aufgrund einer Nutzung des Kapitals durch Dritte erhält.41

Weiter ist aus ökonomischer Perspektive zu differenzieren zwischen dem Nominalzins, dem

Realzins und der Rendite. Der Nominalzins ist die prozentuale Angabe der jährlich über die

Laufzeit zu leistenden Vergütung im Verhältnis zum Nominalwert des zugrundeliegenden

Wertes z.B. einer in einem Wertpapier verbrieften Anleihe. Reduziert um die prozentuale

34 MAURENBRECHER (1995), S. 89 ff. 35 ANDEREGG, S. 93. 36 SCHMID (2001), S. 188. 37 REETZ, S. 30; vgl. auch: WOLL, S. 248 (Der Zins „als Preis für die zeitweise Überlassung von Kaufkraft in

Geldform (Kredit)“) . 38 SCHMID (2001), S. 163; SCHIERENBECK, S. 717 (Zins). 39 FISHER, S. 12, 28. 40 ANDEREGG, S. 93. 41 MAURENBRECHER (1995), S. 11.

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§ 2 DER ZINS __________________________________________________________________________

8

Rate der Geldentwertung wird der Nominalzins zum Realzins42, so dass der Realzins

theoretisch negativ sein kann, wenn die prozentuale Inflationsrate höher ist als der

Nominalzinssatz. Die Rendite hingegen ist der „in Prozenten ausgedrückte Ertrag pro Jahr,

den der für den Erwerb des Titels aufzuwendende Geldbetrag abwirft“.43 Zum Nominalzins

unterscheidet sich die Rendite dadurch, dass sie sich nicht auf den Nennwert, sondern den

tatsächlichen Marktwert bezieht. Sofern ein Wertpapier z.B. eine Anleihe zum Nominalwert

erworben wird, sind Nominalzins und Rendite gleich hoch. Wird die Anleihe hingegen über

pari ausgegeben oder zu einem über dem Nennwert liegenden Marktpreis erworben, so ist

die Rendite kleiner als der Nominalzins. Kurs und Rendite stehen folglich in einer inversen

Beziehung. Während die absolute Vergütung und damit der Nominalzins stets gleich hoch

bleibt, führt ein steigender Kurs zu einer sinkenden Rendite und umgekehrt. In

wirtschaftlichen Zusammenhängen ist die Rendite entsprechend von größerer Bedeutung als

die nominale Verzinsung und der Begriff des Zinses wird i.d.R. in diesem Sinn verstanden.44

III. EXKURS: ZINSBERECHNUNG

Im Gesetz oder in Gerichtsentscheiden werden Zinsen i.d.R. als Prozentsatz einer

Schuld oder Forderung angegeben. Die Berechnung der Zinsen erfolgt mangels gesetzlicher

Bestimmungen nach den Regeln der Zinsrechnung, deren Grundlagen daher in diesem

Abschnitt kurz betrachtet werden sollen. Die Zinsrechnung ist ein Verfahren der Finanz-

mathematik, das dazu dient jenen Betrag zu berechnen auf den ein Kapital im Verlauf einer

bestimmten Zeitperiode angewachsen ist. Die Höhe des Endkapitals (Kn bzw. Kt) ist dabei

vom zugrundeliegenden Kapital (K0), von der Höhe des anwendbaren Zinssatzes (i) sowie

von der Dauer der Verzinsung in Zinsperioden (n) oder in Teilen bzw. Vielfachen (t) einer

Zinsperiode abhängig.45 Die Kalkulation der Zinsen bzw. des Endkapitals unterscheidet sich

zudem danach, ob eine lineare oder eine exponentielle Verzinsung erfolgen soll. Dabei ist

für die folgenden Erwägungen der Zins (i) in Dezimalform zu verstehen und nicht als

Zinssatz (p) in Prozenten pro Jahr. Es gilt folglich die Regel:

46

42 ANDEREGG, S. 93. 43 SCHMID (2001), S. 163. 44 SCHMID (2001), S. 163. 45 KRUMNOW/GRAMLICH/LANGE/DEWNER, S. 1471 (Zinsrechnung); GRUNDMANN/LUDERER, S. 21, 26.

46 Vgl. SIEBER, S. 8; GRUNDMANN/LUDERER, S. 21.

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§ 2 DER ZINS __________________________________________________________________________

9

A LINEARE VERZINSUNG

Bei der linearen oder auch einfachen Verzinsung wird der Zins ausschließlich vom

zugrundeliegenden Kapital berechnet, unabhängig davon ob eine jährliche oder unterjährige

Verzinsung vorliegt. Umfasst der Berechnungszeitraum mehrere Zinsperioden, dann werden

die in einer Periode angewachsenen Zinsen in den folgenden Perioden nicht wieder verzinst.

Aufgrund der gesetzlichen Beschränkungen von Zinseszinsen47 ist eine Verzinsungspflicht

im OR vermutungsweise als einfache bzw. lineare Verzinsung zu verstehen, sofern nicht

eine spezielle Ausnahme vorliegt. Die Berechnung erfolgt anhand folgender Formel:

48

B EXPONENTIELLE VERZINSUNG

1. JÄHRLICHE VERZINSUNG

Die exponentielle Verzinsung, die auch als Zinseszinsrechnung bezeichnet wird,

unterscheidet sich von der linearen Verzinsung dadurch, dass die am Ende jeder Zinsperiode

aufgelaufenen Zinsen nicht ausgezahlt, sondern kapitalisiert und in den anschließenden

Zinsperioden ebenfalls verzinst werden.49 Die Berechnung des Endkapitals ist nur mit Hilfe

der Exponentialrechnung möglich. Zur Kalkulation der für ein bestimmtes Zinsergebnis

notwendigen Laufzeit sind Logarithmen anzuwenden.50 Für eine jährliche Verzinsung

inklusive Zinseszinsen ist folgende Formel anzuwenden:

51

Durch die Umstellung dieser Formel nach dem gesuchten Faktor lassen sich mit

gegebenen Werten auch der Zinssatz (i) und die Laufzeit (n) einer Verzinsung ausrechnen.

Die rückwärtsorientierte Berechnung des ursprünglichen Kapitals (K0) wird später im

Abschnitt über die Diskontierung dargestellt.52

53

47 Siehe § 4 II B. 48 GRUNDMANN/LUDERER, S. 21.BEISPIEL I: K0 = CHF 1„000,-, i = 5% p.a., t = 3 Jahre. K3 = 1„000 x (1 + 3 x 0,05) = 1„150. 49 KRUMNOW/GRAMLICH/LANGE/DEWNER, S. 1464 (Zinseszins). 50 KRUMNOW/GRAMLICH/LANGE/DEWNER, S. 1464 (Zinseszinsrechnung). 51 GRUNDMANN/LUDERER, S. 27. BEISPIEL II: K0 = CHF 1„000,-, i = 5% p.a., n = 3 Jahre. K3 = 1„000 x (1 + 0,05)3 = 1„157,62. 52 Siehe § 2 IV. 53 GRUNDMANN/LUDERER, S. 27.

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§ 2 DER ZINS __________________________________________________________________________

10

54

2. UNTERJÄHRIGE VERZINSUNG

Im Fall von unterjährigen exponentiellen Verzinsungen erfolgt der Zuschlag der

Zinsen auf das Kapital mehrfach pro Jahr.55 Die Berechnung der Zinsen erfolgt daher unter

Berücksichtigung der Anzahl (n) der Jahre und der Anzahl (m) der Zinsperioden pro Jahr.

Die Kalkulation erfolgt mit dem relativen Zinssatz (irel), der sich aus dem nominalen

Zinssatz und der Anzahl der Teilperioden pro Zinsperiode herleitet:

56

Die Formel für die Berechnung unterjähriger exponentieller Zinsen lautet daher wie folgt:

57

3. EFFEKTIVER ZINSSATZ

Zusätzlich zum relativen Zinssatz für die Berechnung unterjähriger Verzinsungen,

kann auch der effektive durchschnittliche Zinssatz (ieff) kalkuliert werden. Dieser

berücksichtigt im Gegensatz zum nominalen und relativen Zinssatz auch den über die

Laufzeit der Verzinsung wirksamen Zinseszinseffekt. Eine unterjährige (m-malige)

exponentielle Verzinsung zum relativen Zinssatz führt daher zum gleichen Resultat wie eine

jährliche exponentielle Verzinsung zum effektiven Zinssatz.58 Die Umrechnung der

nominalen bzw. relativen Zinssätze erfolgt mit den folgenden Formeln:

59

4. EFFEKTIVER JAHRESZINSSATZ

Der zuvor dargestellte effektive Zinssatz ist nicht zu verwechseln mit dem

effektiven Jahreszinssatz gemäß Konsumkreditgesetz (KKG)60. Dessen Berechnung erfolgt

54 GRUNDMANN/LUDERER, S. 27. 55 GRUNDMANN/LUDERER, S. 28. 56 GRUNDMANN/LUDERER, S. 28. 57 GRUNDMANN/LUDERER, S. 28; BEISPIEL III: K0 = CHF 1„000,-, inom = 5% p.a., n = 3 Jahre, m = 4, irel = 0,05/4 = 0,0125;

K3 = 1„000 x (1 + 0,0125)[3 x 4] = 1„160,75. 58 GRUNDMANN/LUDERER, S. 28. 59 Vgl. SIEBER, S. 8; GRUNDMANN/LUDERER, S. 28; BEISPIEL IV: m = 4. inom = 0,05. ieff = (1 + 0,05/4)4 – 1 = 0,0509453. 60 Bundesgesetz vom 23. März 2001 über den Konsumkredit (KKG), SR 221.214.1.

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§ 2 DER ZINS __________________________________________________________________________

11

nach Art. 33 f. KKG und mit der Formel in Anhang 1 zum KKG, unter Einbezug sämtlicher

vergebener Kredite (AK) und aller Tilgungszahlungen sowie Zahlungen von Kosten (A′K′).

61

C TAGESGENAUE VERZINSUNG

Einen Sonderfall der einfachen und der exponentielle Verzinsung stellt die tagesgenaue

Verzinsung eines Kapitalbetrages dar. Zur genauen Berechnung solcher Zinsperioden wurden

verschiedene Verfahren entwickelt, die sich in Bezug auf ihre Annahmen über die Anzahl der

Tage eines Monats und eines Jahres unterscheiden. So wird im bürgerlichen Verkehr von einem

Jahr mit 365 Tagen (366 im Schaltjahr) ausgegangen und jeder Monat zählt mit seiner

kalendarischen Anzahl an Tagen. 62 Die übliche Bezeichnung dieser Methode ist „act/act“.63

Im kaufmännischen Verkehr hingegen (Handels- und Bankverkehr) werden drei

Berechnungsmethoden, die sog. Usanzen, unterschieden. Die deutsche Usanz (Bond-Methode,

30E/360), die regelmäßig auch in der Schweiz angewendet wird, geht von einem Jahr mit 360

Tagen aus, wobei jeder Monat auf eine Länge von 30 Tagen standardisiert wird. Fällt der

Zinstermin auf den 31. Tag eines Monats, dann wird dennoch als Zinstermin der 30. Tag

angenommen. Andererseits wird auch der Februar als ganzer Monat mit 30 Tagen angesetzt.64

Daneben besteht die englische Usanz (Englische Methode, act/365), die ähnlich der bürgerlichen

Zinsrechnung jedes Jahr mit 365 Tagen und die Monate mit ihrer tatsächlichen Anzahl an Tagen

berücksichtigt, allerdings die Schaltjahre außer Acht lässt. Zudem gibt es die französische Usanz

(Eurozins-Methode, act/360), die zwar von Monaten mit ihrer tatsächlichen Anzahl an Tagen

ausgeht, aber dennoch ein ganzes Jahr auf 360 Tage normiert.65

Unter Anwendung der deutschen Usanz (30E/360) erfolgt die Berechnung des

Endkapitals (Kt) einer Verzinsung mit dem nominalen Zinssatz (i) vom ersten (t1 = T1M1J1) bis

zum letzten Tag (t2 = T2M2J2) der verzinsten Laufzeit (t) mittels folgenden Formeln für die

Laufzeit (1) sowie die lineare (2) und die exponentielle (3) Verzinsung:

(1)

66

61 BEISPIEL IV: Darlehen in Höhe von CHF 1„000,- (AK, t1 = 0), Rückzahlung in zwei Raten nach einem und zwei

Jahren: A′1 = CHF 600.- (t1 = 1), A′2 = CHF 600.- (t2 = 2); Effektiver Jahreszins: i = 13,07%. 62 BOEMLE/GSELL/JETZER/NYFFELER/THALMANN, S. 1148 (Zinsrechnung); GRUNDMANN/LUDERER, S. 24. 63 GRUNDMANN/LUDERER, S. 24. 64 GRUNDMANN/LUDERER, S. 25. 65 BOEMLE/GSELL/JETZER/NYFFELER/THALMANN, S. 1148 (Zinsrechnung); GRUNDMANN/LUDERER, S. 24. 66 GRUNDMANN/LUDERER, S. 24;

BEISPIEL V: Laufzeit: 27.01.2006-07.06.2009; t = 1/360 [360 x (2009-2006) + 30 x (6-1) + 7 - 27] = 1210/360.

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§ 2 DER ZINS __________________________________________________________________________

12

(2) 67

(3) 68

D STETIGE VERZINSUNG

Eine besondere Form der exponentiellen Zinsberechnung ist die sog. stetige

Verzinsung. Im Gegensatz zu den zuvor behandelten diskreten Formen der Zinseszins-

berechnung sind die Anzahl (m) der Zinsperioden pro Jahr (n) und deren Länge im Fall der

stetigen Verzinsung nicht exakt bestimmt, sondern die Anzahl der Zinsperioden wird als

gegen unendlich strebend angenommen, wodurch die Länge jeder einzelnen Zeiteinheit

unendlich klein wird bzw. gegen Null strebt. Jeder kleinste auflaufende Zins wird

unmittelbar nach seiner Entstehung kapitalisiert und wiederum in der nächsten Periode

verzinst. In der Praxis ist diese Form der Verzinsung nur annäherungsweise umsetzbar;

hingegen hat sie für die Theorie eine große Bedeutung. Eine Approximation dieses

unendlichen Prozesses wird mathematisch mit Hilfe des Limes erreicht.

Zur Berechnung einer stetigen Verzinsung wird eine Multiplikation mit der

natürlichen Exponentialfunktion bzw. mit der Eulerschen Zahl e durchgeführt. Für eine

Verzinsungsdauer (t) von einem Teil oder einem Vielfachen eines Zeitraums, z.B. eines

Jahres (n), ergibt sich folgende Darstellung:

69

Durch die Umwandlung und Anwendung dieser Formel kann für eine bestimmte

Laufzeit und eine gegebene Differenz zwischen Erwerbspreis und Rückzahlungspreis der

stetige Zinssatz, z.B. für einen Zero-Bond, berechnet werden. Für eine zehnjährige Anleihe

(n=10) mit einem Rückzahlungspreis (K10) von 200 und einem Kaufpreis (K0) von 100

ergibt sich so der nachfolgende approximierte stetige Zinssatz (1) und im Vergleich dazu der

rechnerische Zinssatz für eine normale exponentielle Verzinsung (2):

67 BEISPIEL VI: K0 = CHF 1„000,-, i = 5% p.a., t = 1210/360; K1210/360 = 1„000 x (1 + 0,05 x (1210/360)) = 1„168,06. 68 BEISPIEL VII: K0 = CHF 1„000,-, i = 5% p.a., t = 1210/360; K1210/360 = 1„000 x (1 + 0,05) 1210/360 = 1„178,20. 69 GRUNDMANN/LUDERER, S. 21, 29; GAUGLHOFER/MÜLLER, S. 17 f.;

BEISPIEL VIII: K0 = CHF 1„000,-, i = 5% p.a., t = 3 Jahre; K3 = 1„000 x e 0,05 x 3 = 1„161,83.

BEISPIEL IX: K0 = CHF 1„000,-, i = 5% p.a., 27.01.2006-07.06.2009; K1210/360 = 1„000 x e 0,05 x (1210/360) = 1„183,00.

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§ 2 DER ZINS __________________________________________________________________________

13

(1)

(2)

In diesem Fall ergibt die nachträgliche Berechnung bei gleichem Zinsergebnis

einen geringeren stetigen kalkulatorischen Zinssatz. Bei gleichen Ausgangsbedingungen und

einer Verzinsung mit dem gleichen nominalen Zinssatz hingegen erbringt die stetige

Verzinsung ein der exponentiellen überlegenes Zinsergebnis.

IV. DISKONTIERUNG

Die Diskontierung bzw. Abzinsung ist ein finanzmathematisches Verfahren, mit dem

sich der Wert eines zukünftigen Zahlungsstroms zu einem vor dem Zahlungstermin (t)

liegenden Zeitpunkt bestimmen lässt. Gesucht ist der Wert eines Kapitals, das mit Zinsen für

die verstrichene Zeit das vorgegebene Endkapital ergibt.70 Der Termin auf den die

Berechnung vorgenommen wird ist regelmäßig der Zeitpunkt der Kalkulation selbst. Das

Ergebnis wird üblicherweise als Barwert der zukünftigen Zahlung bezeichnet. Die

Diskontierung kann aber auch auf jeden beliebigen anderen Termin zwischen dem Zeitpunkt

der Berechnung (t1) und der Zahlung (t2) vorgenommen werden. Der resultierende

Ertragswert bzw. Barwert (K0) ist vom vorgegebenen Kapitalbetrag, von der Zeit zwischen

den beiden Zeitpunkten und dem Diskontierungszinssatz (i) abhängig. Die Kalkulation

erfolgt mit folgenden Formeln für die lineare Verzinsung (1) und die exponentielle

Verzinsung (2) unter Berücksichtigung des Zinseszinseffekts:

(1)

71

(2)

72

Falls der Endbetrag aus mehreren Beträgen besteht, die zu unterschiedlichen

Zeitpunkten (t) ausgezahlt werden, kann die Formel wie folgt ergänzt werden:

73

70 KRUMNOW/GRAMLICH/LANGE/DEWNER, S. 1464 (Zinseszinsrechnung). 71 GRUNDMANN/LUDERER, S. 22;

BEISPIEL X: Kn = CHF 5„000,-, inom = 5% p.a., n = 5 Jahre; K0 = 5„000 / (1 + 5 x 0,05) = 4000,00. 72 GRUNDMANN/LUDERER, S. 27;

BEISPIEL XI: Kn = CHF 5„000,-, inom = 5% p.a., n = 5 Jahre; K0 = 5„000 / (1 + 0,05) 5 = 3„917,63.

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§ 2 DER ZINS __________________________________________________________________________

14

Die Diskontierung ist in der juristischen Praxis von großer Bedeutung bei der

Berechnung kapitalisierter Rentenleistungen, wie z.B. einmaliger Kapitalleistungen für

Erwerbsausfall oder Versorgerschäden. Die Wahl des Diskontierungszinssatzes hat dabei

große Auswirkungen auf die Höhe der kapitalisierten Ersatzleistung.74

V. ZUSAMMENFASSUNG

Das Bundesgericht definiert den Zins in seiner Rechtsprechung als „die Vergütung,

die ein Gläubiger für die Entbehrung einer ihm geschuldeten Geldsumme zu fordern hat,

sofern diese Vergütung sich nach der Höhe der geschuldeten Summe und der Dauer der

Schuld bestimmt“75. Diese Definition beinhaltet bereits einige charakteristische Merkmale

der Zinsforderung, namentlich die Abhängigkeit vom Bestand und der Höhe der zugrunde-

liegenden Hauptforderung sowie die Laufzeitabhängigkeit. Sie ist zudem die Grundlage für

die Abgrenzung der Zinsforderung von anderen Vergütungsformen. Sachenrechtlich sind

Zinsen juristische bzw. bürgerliche Früchte, die aus dem ihnen zugrundeliegenden Kapital

entstehen, wobei sie dafür einen rechtlichen Entstehungsgrund in Vertrag oder Gesetz

benötigen. Teilweise werden in der juristischen Lehre auch andere Zinsbegriffe vertreten,

die den Zins als Vergütung für die Nutzung bzw. Nutzungsmöglichkeit des Kapitals

verstehen oder eine vermittelnde Position einnehmen. Vorliegend soll der Rechtsprechung

des Bundesgerichts gefolgt und der Zins als Vergütung für die Nutzungsentbehrung des

Gläubigers verstanden werden. Diese Entbehrung soll entsprechend auch als wichtigstes

Anknüpfungsobjekt für die Betrachtung und Bestimmung der gesetzlichen Zinssätze

herangezogen werden, wobei im Einzelfall weitere Faktoren berücksichtigt werden müssen.

Aus ökonomischer Perspektive ist ebenfalls umstritten, ob der Zins eine

Entschädigung für die Nutzung oder die Überlassung von Vermögensgegenständen,

insbesondere von Geldkapital, während einer bestimmten Zeit ist. Teilweise wird aber auch

auf die Unterscheidung verzichtet und an die bloße Verfügungsmöglichkeit über das Kapital

angeknüpft. Je nach Verwendung des Zinses ist in wirtschaftlichen Zusammenhängen

zudem weiter zu differenzieren zwischen dem Nominalzins, dem Realzins und der Rendite.

Für die Berechnung von Zinsen und Zinseszinsen sowie die Diskontierung kommen

die genannten Formeln der Zinsrechnung zu Anwendung.

73 BEISPIEL XII: K1 = CHF 500,-, K2 = CHF 500,-, K3 = CHF 500,-, K4 = CHF 500,-, K5 = CHF 2000,-, inom = 5% p.a.;

K0 = 500 / (1 + 0,05) 1 + 500 / (1 + 0,05) 2 + 500 / (1 + 0,05) 3 + 500 / (1 + 0,05) 4 + 3„000 / (1 + 0,05) 5 = 4„123,55. 74 Siehe § 7 VI. 75 BGer v. 21.11.1990, BJM 1994 S. 37.

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§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________

15

§ 3 DIE ZINSFORDERUNG

Die vorangegangene Betrachtung des Zinsbegriffs hat gezeigt, dass bestimmte

Merkmale gegeben sein müssen, damit eine Vergütung für die Überlassung von Kapital

auch rechtlich als Zins qualifiziert werden kann. Nachfolgend sollen zunächst die

rechtlichen Merkmale einer Zinsforderung sowie die möglichen Entstehungsgründe der

Zinsforderung als juristische Frucht einer Hauptforderung genauer betrachtet werden.

Anschließend soll das geltende Recht betreffend die Höhe der Zinsforderung sowie deren

Fälligkeit, Erlöschen, Verjährung und prozessuale Durchsetzung dargestellt werden. Zuletzt

erfolgt eine Abgrenzung zu anderen Formen der Vergütung.

I. RECHTLICHE MERKMALE

A GELDFORDERUNG

Die herrschende Lehre behandelt die Zinsforderung ausschließlich im Zusammen-

hang mit Geldforderungen als zugrundeliegende Hauptforderung, obwohl ein Zins, wie es in

der Begriffsbestimmung der Pandektistik zum Ausdruck kommt, grundsätzlich auch für jede

Gattungsschuld, die auf vertretbare Sachen lautet, vereinbart werden kann.76 Aufgrund der

überwiegenden praktischen Bedeutung des Zinses als Entgelt für die Überlassung von Geld

soll nachfolgend auf die Darstellung von Naturalzinsen weitgehend verzichtet werden.

B PRINZIP DER STOFFGLEICHHEIT

Gemäß dem Erfordernis der Stoffgleichheit ist eine Zinsforderung nicht nur als

Quote des Kapitals zu berechnen, sondern auch in der gleichen Gattung zu erbringen.77 Bei

Geldforderungen ist dieses Kriterium selbstverständlich gegeben, sofern auch der Zins in

Geld und in der gleichen Währung wie die Hauptforderung zu erbringen ist.78 Das

Erfordernis gilt aber auch beim Naturalzins, der entsprechend aus der gleichen Gattung wie

die Hauptschuld zu leisten ist.79 Umstritten ist hingegen, ob in Ausnahmefällen auch

Abweichungen vom Prinzip der Stoffgleichheit zugelassen werden sollten. Dies betrifft z.B.

die Frage, ob die Entstehung von Zinsen im rechtlichen Sinn auch aufgrund einer

Hauptforderung auf nicht vertretbare Sachen möglich sein sollte. In diesem Fall würde für

die Zinsberechnung der Verkehrs- oder Schätzwert der Hauptforderung zugrunde gelegt und

76 MERZ, SPR VI/1, S. 175; V. THUR/PETER, § 10 S. 68, FN 1a; LARENZ, S. 180; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 6. 77 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2351; WEBER, BK, Art. 73 OR N 25; BECKER, BK, Art. 73 OR N 6;

SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 10. 78 BECKER, BK, Art. 73 OR N 6; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 10. 79 V. THUR/PETER, § 10 FN 1a.

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§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________

16

die Zinsforderung als Geldforderung ausgestaltet. Entsprechend müsste aber auf das

Erfordernis der Stoffgleichheit von Zinsen und Kapital verzichtet werden.80 Andere Autoren

sprechen sich sogar dafür aus in gewissen Situationen das Erfordernis der Stoffgleichheit

gänzlich fallen zu lassen, sofern die übrigen Begriffsmerkmale einer Zinsforderung gegeben

sind.81 Nach SCHRANER soll den Parteien die Möglichkeit gegeben werden, sowohl

Geldzinsen bei Sachdarlehen zu vereinbaren als auch Sachzinsen bei Gelddarlehen zwecks

Sicherung des Darlehenswertes, z.B. in Zeiten starker Geldentwertung.82 Während die

Bedeutung von Naturalzinsen auf Geldforderungen gering sein dürfte, sprechen m.E.

insbesondere praktische Gründe für einen Verzicht auf das Erfordernis der Stoffgleichheit,

wenn die Parteien Geldzinsen als Vergütung für die Überlassung von anderen vertretbaren

oder nicht vertretbaren Sachen vereinbart haben. Beispielsweise können zwei Parteien

anstelle der Auszahlung der Valuta in Geld auch die Übertragung von öffentlich-

gehandelten und leicht veräußerbaren Wertpapieren oder anderen Vermögensgegenständen

mit einem regelmäßig festgestellten Marktpreis vereinbaren, deren Wert der Borger durch

Verkauf oder Sicherheitenbestellung gebrauchen können soll und deren Rückgabe bloß in

der gleichen Gattung erfolgen muss. Erhält der Borger z.B. anstelle der Valuta

Bundesobligationen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, mit der Verpflichtung

Wertpapiere der gleichen Laufzeit, Verzinsung und Stückelung sowie in gleicher Menge

zurückzuerstatten, dann kann es m.E. für die Qualifikation als Zins nicht darauf ankommen,

ob das Entgelt in Form von Wertpapieren der gleichen Gattung oder in Form von Geld

geleistet wird. Insbesondere im Bereich der Zinsbeschränkungen wäre sonst eine einfache

und nicht gerechtfertigte Umgehung möglich.

C LAUFZEITABHÄNGIGKEIT

Ein entscheidendes Merkmal der Zinsforderung ist ihre Laufzeitabhängigkeit bzw. ihre

Entstehung pro rata temporis. Die Zinsforderung entsteht nicht einmalig in einem bestimmten

Zeitpunkt, sondern sie wächst periodisch an solange die Hauptforderung besteht.83 Unabhängig

davon und daher zu unterscheiden von der laufzeitabhängigen Entstehung sind hingegen die

Fälligkeit und die tatsächliche Erfüllung der Zinsforderung.84 Beides kann sowohl fortlaufend und

regelmäßig (z.B. jährlich), als auch, je nach Vereinbarung, einmalig erfolgen; unter Umständen

sogar durch einen Abzug vom Kapital bereits bei der Auszahlung der Hauptschuld.85

80 WEBER, BK, Art. 73 OR N 26. 81 BECKER, BK, Art. 73 OR N 6; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 10. 82 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 10; in Deutschland: STAUDINGER/SCHMIDT, § 246 BGB N 13. 83 WEBER, BK, Art. 73 OR N 22; LARENZ, S. 180; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 7; OSER/SCHÖNENBERGER, ZK,

Art. 73 OR N 20. 84 Siehe § 3 IV. 85 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 9; MERZ, SPR VI/1, S. 175; LARENZ, S. 180 FN 52.

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§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________

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D AKZESSORIETÄT

Die Zinsforderung ist in verschiedener Hinsicht rechtlich abhängig von der

zugrundeliegenden Hauptforderung. Diese Abhängigkeit von der Kapitalschuld wird als

Akzessorietät bezeichnet und qualifiziert den Zins zu einer Nebenleistung bzw. die

Zinsforderung zu einem akzessorischen Recht der Hauptforderung.86 Dieses Verhältnis von

Haupt- und Zinsforderung kommt auch in Art. 133 OR zum Ausdruck, der für die

Verjährung den aus einem Hauptanspruch entspringenden Zins den Nebenansprüchen und

den entsprechenden Fristen zuordnet. Hingegen darf die Akzessorietät auch nicht als

dauernde Verknüpfung von Haupt- und Zinsforderung verstanden werden, da die

Zinsforderung nur in Bezug auf ihre Entstehung und ihren Umfang absolut akzessorisch ist.

Hinsichtlich ihres Bestands und Erlöschens kann die Zinsforderung auch selbstständig

sein.87 Nachfolgend sollen einige Folgen der Akzessorietät genauer betrachtet werden.

1. ENTSTEHUNG

Die unmittelbarste Folge der akzessorischen Natur der Zinsforderung ist ihre

Abhängigkeit von der Hauptforderung für ihre Entstehung. Ohne eine rechtsgültig

entstandene Hauptforderung kann keine Zinsforderung entstehen oder anwachsen.88

Allerdings muss die Hauptforderung nur entstanden, aber noch nicht in ihrer Höhe fixiert

sein, um die Grundlage für eine Verzinsung zu bilden. Sogar ein noch nicht rechtskräftiger

Anspruch auf Genugtuung kann nach WEBER als Rechtsgrund für eine Zinspflicht dienen.89

2. UMFANG

Auch in Bezug auf ihren Umfang ist die Zinsforderung akzessorisch zur Haupt-

forderung. Die Höhe der Zinsforderung ergibt sich einerseits aus dem Betrag der Haupt-

forderung und andererseits aus der Dauer der Inanspruchnahme des Kapitals (Laufzeit).90

Der Zinssatz ist regelmäßig eine Quote der Kapitalforderung in Prozenten pro Jahr, wobei

auch andere Berechnungsperioden möglich sind.91 Der anwendbare Zinssatz braucht nicht

über die gesamte Laufzeit konstant zu bleiben, sondern kann variabel ausgestaltet oder an

externen Entwicklungen, wie dem Verlauf eines Referenzzinssatzes (z.B. LIBOR,

Diskontsatz), orientiert werden.92

86 V. THUR/PETER, § 10 S. 71, GUHL/KOLLER, § 11 N 20; MERZ, SPR VI/1, S. 178; SCHWENZER, N 10.07. 87 WEBER, BK, Art. 73 OR N 44 f. 88 V. THUR/PETER, § 10 S. 71; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 46; LARENZ, S. 180. 89 WEBER, BK, Art. 73 OR N 46. 90 GUHL/KOLLER, § 11 N 15; WEBER, BK, Art. 73 OR N 20. 91 MERZ, SPR VI/1, S. 175 f.; LARENZ, S. 180. 92 WEBER, BK, Art. 73 OR N 20; LARENZ, S. 180; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 8.

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§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________

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3. ERLÖSCHEN

Die Akzessorietät der Zinsforderung zeigt sich teilweise auch in ihrem Erlöschen.

Gemäß Art. 114 Abs. 1 OR erlöschen mit dem Untergang der Hauptforderung grundsätzlich

auch alle Nebenrechte, wie z.B. Zinsen, sofern diese nicht vorbehalten oder

verselbstständigt wurden (Art. 89 Abs. 2, Art. 114 Abs. 2, Art. 133 OR).93 Dies kann laut

Gesetz durch „Erfüllung oder auf andere Weise“ geschehen, womit auch die Fälle des

Forderungserlasses, der Verrechnung und der Hinterlegung bei Gläubigerverzug erfasst

sind.94 Im Fall einer vorzeitigen Erfüllung ist hingegen, insbesondere beim Darlehen, das

legitime Interesse des Gläubigers an den Zinsen bis zum vereinbarten Vertragsende bzw.

zum nächsten Kündigungstermin zu berücksichtigen.95 Zudem ermöglicht Art. 114 Abs. 2

OR die Nachforderung bereits aufgelaufener Zinsen, sofern dies vereinbart oder den

Umständen zu entnehmen ist.96 Die Beweispflicht dafür liegt beim Gläubiger.97 Bereits vor

dem Erlöschen der Hauptforderung geht die Zinsforderung unter wenn gegen den Schuldner

Pfändungs- oder Konkursverlustscheine ausgestellt worden sind (Art. 149 Abs. 4 und 265

Abs. 2 SchKG) bzw. wenn über ihn nach Art. 209 SchKG der Konkurs eröffnet worden ist,

wobei letztere Bestimmung eine Ausnahme für pfandgesicherte Forderungen macht.98

4. AUSNAHME: SELBSTSTÄNDIGKEIT

a. DURCH VEREINBARUNG

Die Wirkung der akzessorischen Natur der Zinsforderung kann abgemildert

werden indem diese rechtlich verselbstständigt wird.99 Dies kann zunächst durch eine

Vereinbarung der Parteien erreicht werden, dass z.B. die Zinsen nicht mit der

Hauptforderung untergehen sollen. Ebenso kann der Gläubiger bei einer Abtretung der

Hauptforderung die gesamte Zinsforderung oder einzelne Teile davon gesondert abtreten,

sich die Zinsforderung zurückbehalten oder bereits bei Vertragsabschluss die Zinsforderung

nach Art. 112 OR einem Dritten zukommen lassen.100 Die Zinsforderung kann sodann

selbstständig in Betreibung gesetzt (Art. 41 Abs. 2 SchKG) und eingeklagt werden. Sie kann

ebenso wie die Hauptforderung einzeln gepfändet oder verpfändet werden und sie steht für

die Dauer einer allfälligen Nutznießung der Hauptforderung dem Nutznießer zu (Art. 773

93 MERZ, SPR VI/1, S. 179; GUHL/KOLLER, § 11 N 21. 94 WEBER, BK, Art. 73 OR N 48, 51 ff.; V. THUR/PETER, § 10 S. 72. 95 Siehe § 5 I C 2. 96 GUHL/KOLLER, § 11 N 21; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 51; 97 BUCHER, OR AT, S. 415. 98 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 50; V. THUR/PETER, § 10 S. 72; WEBER, BK, Art. 73 OR N 50. 99 WEBER, BK, Art. 73 OR N 66. 100 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 64 ff.; WEBER, BK, Art. 73 OR N 67 ff.

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§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________

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Abs. 1 und 757 ZGB).101 Diese Selbstständigkeit ist allerdings nur eine relative,102 da das

Anwachsen der Zinsen weiterhin mit dem Erlöschen der Hauptforderung endet, auch wenn

vereinbarungsgemäß die aufgelaufenen Zinsen nachgefordert werden können.103

b. DURCH VERBRIEFUNG

Eine stärkere Form der Selbstständigkeit der Zinsforderung kann durch deren

Verbriefung in Inhaberpapieren, Coupons oder Zinsscheinen erreicht werden (vgl. Art. 114

Abs. 3 und 980 Abs. 1 OR, Art. 904 Abs. 2 ZGB). In diesem Fall spricht man von einer

erhöhten und dauernden Selbstständigkeit.104 Die Zinsforderung wird von der

Hauptforderung gelöst und in einem Wertpapier verkörpert, wodurch der Inhaber des

Wertpapiers den Zins unter Vorlage des Papiers einfordern kann und der Verpflichtete nur

an den Inhaber leisten darf und muss.105 Gutgläubigen Dritten gegenüber verliert die

Zinsforderung dadurch jegliche Abhängigkeit von der Hauptforderung.106 Die Vermutung

des Art. 114 Abs. 1 OR über den Untergang der Nebenrechte ist gemäß Art. 114 Abs. 3 OR

nicht anwendbar und gegen die verbriefte Forderung kann nicht die Einrede der Tilgung der

Hauptforderung erhoben werden (Art. 980 Abs. 1 OR). Somit kann die verbriefte

Zinsforderung aufgrund der Natur des Inhaberpapiers und zum Schutz des Rechtsverkehrs

auch nach Erlöschen der Hauptforderung entstehen und fortbestehen.107 Die Zinsforderung

wird durch Übergabe des Wertpapiers übertragen und nach Art. 170 Abs. 3 OR wird bei der

Zession der Hauptforderung der Übergang rückständiger Zinsen nicht vermutet.108 Um

dennoch zu verhindern, dass der Schuldner der Hauptforderung auch für die Zeit nach deren

Erlöschen die Zinsen an den Inhaber der verbrieften Zinsforderung zu leisten hat, ist er nach

Art. 980 Abs. 2 OR berechtigt bei der Bezahlung der Kapitalschuld den Betrag der nicht

abgelieferten zukünftig verfallenden Zinsscheine bis zu ihrer Verjährung zurückzubehalten,

sofern sie nicht kraftlos erklärt oder ihr Betrag sichergestellt worden ist.109

E ZUSAMMENWACHSEN VON ZINS- UND HAUPTFORDERUNG

In bestimmten Rechtsverhältnissen können Zinsen auch einen Bestandteil der

Hauptforderung darstellen und mit dieser „zusammenwachsen“.110 Dies gilt z.B. für den

101 BGE 52 II 215 E. 3; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 71 ff., 80; V. THUR/PETER, § 10 S. 73; V. THUR/ESCHER, § 98 S. 375;

WEBER, BK, Art. 73 OR N 76; OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 73 OR N 15. 102 LEU, BSK, Art 73 OR N 2. 103 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 68; WEBER, BK, Art. 73 OR N 70. 104 LEU, BSK, Art. 73 OR N 2; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 69; WEBER, BK, Art. 73 OR N 71. 105 MEIER-HAYOZ/VON DER CRONE, § 2 N 140 ff. 106 OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 73 OR N 15. 107 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 69; WEBER, BK, Art. 73 OR N 72. 108 MEIER-HAYOZ/VON DER CRONE, § 2 N 155 f.; V. THUR/PETER, § 10 S. 73. 109 V. THUR/PETER, § 10 S. 73, insb. FN 29; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 70; WEBER, BK, Art. 73 OR N 72. 110 WEBER, BK, Art. 73 OR N 39.

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§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________

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Zins auf einer ungerechtfertigten Bereicherung111, den in einem Herausgabeanspruch im

Auftragsrecht enthaltenen Zins den der Beauftragte von einem Dritten eingezogen hat oder

die Zinsen in der Regresssumme beim Regress des Indossanten im Check- und

Wechselrecht, die jener zuvor an den Inhaber gezahlt hat112.113 Das Zusammenwachsen von

Zins- und Hauptforderung hat zu Folge, dass einerseits die gesamte Forderung inkl. der

ursprünglichen Zinsen verzinslich ist und andererseits die Zinsen als Bestandteil der

Hauptforderung nicht der verkürzten Verjährung von Art. 128 Ziff. 1 OR unterliegen.114

II. ENTSTEHUNG DER ZINSFORDERUNG

Geldforderungen und Forderungen die auf andere vertretbare Sachen lauten sind im

schweizerischen Recht nicht in jedem Fall zinspflichtig. Die Entstehung der Zinsforderung

als juristische Frucht bedarf eines rechtlichen Grundes, der sich entweder aus einem

Rechtsgeschäft oder einer Gesetzesvorschrift ergibt.115 Nach einer von SCHWENZER

vertretenen Ansicht kann auch die Übung ein eigener Entstehungsgrund sein.116 Richterliche

Zinsen allein aufgrund eines Urteils, wie sie von OSER/SCHÖNENBERGER als weiterer

Entstehungsgrund vertreten werden, gibt es nach herrschender Ansicht im schweizerischen

Recht nicht.117

A RECHTSGESCHÄFTLICHE ZINSEN

Solange keine Gesetzesbestimmung eine ausdrückliche Pflicht zur Verzinsung

anordnet, müssen die Parteien diese in einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung vorsehen.

Dies gilt grundsätzlich auch im kaufmännischen Verkehr, allerdings mit der Ausnahme des

Darlehens (Art. 313 Abs. 2 OR).118 Die Zinsvereinbarung kann ausdrücklich in einer

Vertragsklausel vorgesehen werden, bedarf aber nicht zwingend einer bestimmten Form.

Somit kann sie auch stillschweigend oder konkludent erfolgen; zudem ist sie auch nach

Vertragsabschluss möglich.119 Insbesondere wenn, z.B. im Geschäftsverkehr, eine Ver-

zinsung allgemein üblich ist und die Vertragsparteien eine solche nicht ausdrücklich

ausgeschlossen haben, kann auch eine stillschweigende Zinsvereinbarung angenommen

werden.120 Falls das zugrundeliegende Rechtsverhältnis eine aufschiebende Bedingung

111 Siehe § 8 IV. 112 Siehe § 15 I B 2 b, § 15 II B 2 b. 113 V. THUR/PETER, § 10 S. 70; WEBER, BK, Art. 73 OR N 40-42. 114 Siehe § 3 VI; V. THUR/PETER, § 10 S. 70; WEBER, BK, Art. 73 OR N 43. 115 V. THUR/PETER, § 10 S. 74; WEBER, BK, Art. 73 OR N 84; LEU, BSK, Art. 73 OR N 1. 116 SCHWENZER, N 10.08. 117 OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 73 OR N 8; a.A. V. THUR/PETER, § 10 S. 74 FN 32. 118 WEBER, BK, Art. 73 OR N 85 f.; HGer ZH v. 12.10.1964, ZR 1965 Nr. 147 E. VIII. 119 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 313 N 1. 120 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 29; WEBER, BK, Art. 73 OR N 86.

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§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________

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enthält (Art. 151 ff. OR), beginnt auch der Zinsenlauf erst mit Eintritt der Bedingung. Die

Zeit zwischen Vertragsabschluss und Eintritt der Bedingung ist nur dann zu verzinsen, wenn

dies ausdrücklich vereinbart wurde oder anzunehmen ist (Art. 151 Abs. 2 OR). Eine

auflösende Bedingung (Art. 154 ff. OR) beendet auch die Verzinsungspflicht, aber führt nur

dann zu einem Anspruch auf Rückforderung der aufgelaufenen Zinsen, wenn dies vereinbart

wurde.121 Außer durch vertragliche Vereinbarung kann eine Zinsforderung auch durch ein

einseitiges Rechtsgeschäft, wie eine letztwillige Verfügung des Erblassers (z.B. Zins vor der

Fälligkeit einer Geldsumme als Vermächtnis, Art. 484 ff. ZGB) begründet werden.122

Nur in wenigen Fällen wird die Vereinbarung von Zinsen durch das Gesetz ausdrücklich

ausgeschlossen. Dies betrifft z.B. die Verzinsung des Aktien- bzw. Stammkapitals bei der

AG und der GmbH (Art. 675 Abs. 1 und Art. 798a Abs. 1 OR)123 oder die Verzinsung der

Checkschuld (Art. 1106 OR) und der Wechselschuld (Art. 995 Abs. 1 OR).124

B GESETZLICHE ZINSEN

Gesetzliche Bestimmungen aufgrund derer eine Zinsforderung entsteht finden sich

in einer großen Anzahl im OR. Der Gesetzgeber verfolgt damit das Ziel dem Gläubiger

einer Kapitalforderung den durch die Vorenthaltung des Kapitals entstandenen Schaden

auszugleichen bzw. die Entstehung von dauerhaften Schäden zu verhindern,125 da der

Gläubiger das Kapital zinstragend hätte anlegen oder sich Zinskosten hätte ersparen können,

wenn er es selbst genutzt und nicht unfreiwillig einem Dritten überlassen hätte.126 Dieser

Zweck kommt auch in dem vom Bundesgericht verwendeten Zinsbegriff zum Ausdruck.127

Die wichtigsten Beispiele gesetzlicher Zinsen sind der Zins im Schuldnerverzug (Art. 104

OR), die Verzinsung einer Schadenersatzsumme, sei es aus Vertrag (Art. 97 OR) oder

unerlaubter Handlung (Art. 41 OR) und der Zins auf Auslagen- und Verwendungsersatz im

Auftragsrecht (Art. 402 OR) oder in der einfachen Gesellschaft (Art. 537 OR). Zudem

bestimmt Art. 73 Abs. 1 OR einen allgemeinen (höchst) subsidiären Zinssatz, der zur

Anwendung kommt, wenn die Parteien die Pflicht zur Verzinsung der Hauptforderung

vereinbart haben, aber kein Zinssatz bestimmt wurde und sich aus Gesetz oder Übung kein

solcher ergibt. 128

121 WEBER, BK, Art. 73 OR N 87. 122 V. THUR/PETER, § 10 S. 74; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 29; WEBER, BK, Art. 73 OR N 88; PIOTET, SPR IV/1, S. 135. 123 Siehe § 14. 124 Siehe § 15. 125 WEBER, BK, Art. 73 OR N 6, 90. 126 LARENZ, S. 182. 127 Siehe § 2 II A. 128 SCHWENZER, N 10.11 f.

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§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________

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C RICHTERLICHE ZINSEN

Wie erwähnt kennt das schweizerische Recht keine Zinsen die allein durch eine

Entscheidung des Richters entstehen. Der Richter kann nur Zinsen zusprechen, die eine

Grundlage im materiellen Recht haben.129 Zudem ist er aufgrund der Dispositionsmaxime

im Zivilprozess bei der Festlegung des Zinssatzes an die Anträge und Beweismittel der

Parteien gebunden.130 Einzig wenn die Parteien sich zwar auf die Zinsschuld selbst aber

nicht auf die Höhe des Zinssatzes einigen konnten und diesen Punkt bewusst vorbehalten

haben, kann der Richter den Zinssatz nach der „Natur des Geschäfts“ festlegen.131

Dogmatisch handelt es sich aber auch in diesem Fall nicht um echte richterliche Zinsen,

sondern um eine von den Parteien vereinbarte Zinsschuld.132

III. HÖHE DER ZINSFORDERUNG

Die Höhe einer von den Parteien vereinbarten oder vom Gesetz angeordneten

Zinspflicht bestimmt sich entweder nach der Vereinbarung der Parteien, nach Gesetz oder

nach einer allfälligen Übung. Der Zins wird allgemein als Quote der zugrundeliegenden

Kapitalforderung, d.h. als Zinssatz, angegeben. Sofern nichts anders vereinbart ist, sind

Zinsangaben als Prozente pro Jahr zu verstehen (so auch Art. 314 Abs. 2 OR).133

A RECHTSGESCHÄFTLICHE ZINSEN

Im Bereich der rechtsgeschäftlichen Zinsen steht es den Parteien grundsätzlich frei,

den Zinssatz nach ihren Vorstellungen durch Vereinbarung oder einseitiges Rechtsgeschäft

festzulegen.134 Die gesetzlichen Zinssätze stehen diesem Vorgehen nicht entgegen, da sie

dispositiver Natur sind und nur subsidiär zur Anwendung kommen.135 Diese Rangordnung

ergibt sich aus Art. 73 Abs. 1 OR, der für die Anwendung des allgemeinen subsidiären

Zinssatzes von 5% p.a. voraussetzt, dass die Parteien zwar eine Verzinsungspflicht

vereinbart haben, aber dass sich die Höhe des Zinssatzes weder aus dem Vertrag selbst, noch

aus Gesetz oder aufgrund einer Übung bestimmen lässt. Bei der Festlegung des Zinssatzes

können die Parteien verschiedene Faktoren, wie das allgemeine Zinsniveau, die

Inflationsentwicklung, individuelle Risikofaktoren des Schuldners oder allfällige Personal-

und Realsicherheiten berücksichtigen.136 Der Zinssatz braucht nicht über die ganze Laufzeit

129 V. THUR/PETER, § 10 FN 32; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 28; WEBER, BK, Art. 73 OR N 84. 130 BERGER/GÜNGERICH, Rz. 517 ff. 131 WEBER, BK, Art. 73 OR N 119. 132 Siehe § 3 III D. 133 CHRIST, SPR VII/2, S. 244; WEBER, BK, Art. 73 OR N 116. 134 BGE 69 I 171 E. 4. 135 WEBER, BK, Art. 73 OR N 117. 136 MERZ, SPR VI/1, S. 177; CHRIST, SPR VII/2, S. 245; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 88.

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§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________

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konstant zu bleiben oder von Beginn an genau bestimmt zu sein, sondern er kann variabel

ausgestaltet sein oder von externen Faktoren, wie der Veränderung einer Referenzgröße

abhängig gemacht werden.137 Möglich ist auch die Vereinbarung eines partiarischen

Darlehens, bei dem die Vergütung im Wesentlichen aus einer Beteiligung am Gewinn der

finanzierten Unternehmung besteht, wobei der Zins nicht allein von Gewinn abhängig sein

darf, sondern sich an der Höhe der Kapitalforderung und deren Laufzeit orientieren muss.138

Einschränkend zum Grundsatz der vertraglichen Inhaltsfreiheit gilt jedoch der allgemeine

Grundsatz, dass sich jede Zinsvereinbarung der Parteien im Rahmen der Rechtsordnung und

der guten Sitten bewegen muss. Diese Grenzen der Privatautonomie ergeben sich aus

verschiedenen Gesetzesbestimmungen, die regelmäßig den Schutz des Schuldners als

schwächere Vertragspartei bewirken sollen und einerseits die Höhe eines vereinbarten

Zinssatzes sowie andererseits die Vereinbarung von Zinseszinsen beschränken.139

B GESETZLICHE ZINSEN

Ebenso wie das Gesetz in verschiedenen Bestimmung die Entstehung einer Zins-

schuld anordnet, enthält das OR auch mehrere Normen, die einen dispositiven Zinssatz140

für den Fall einer fehlenden Parteivereinbarung über die Höhe des Zinssatzes bestimmen.

Einen allgemeinen subsidiären Zinssatz gibt Art. 73 Abs. 1 OR mit 5 % p.a. vor, sofern

nicht eine Übung oder eine andere gesetzliche Bestimmung vorrangig anwendbar sind. Die

wichtigsten übrigen gesetzlichen Zinssätze sind der allgemeine Verzugszinssatz von

ebenfalls 5% (Art. 104 Abs. 1 OR), die Einlageverzinsung in der Kollektiv- und

Kommanditgesellschaft von 4% (Art. 558 Abs. 2 OR) sowie der Zinssatz im Check- und

Wechselregress von 6% p.a. (Art. 1045 Abs. 1 Ziff. 2, 1046 Ziff. 2 und 1130 Ziff. 2 OR).141

Obwohl diese Zinssätze alle die gleiche Entbehrung von Kapital vergüten sollen,

unterscheiden sie sich ohne nähere Begründung in ihrer Höhe. Dies muss m.E. als ein

Resultat der verschiedenen Gesetzgebungsverfahren betrachtet werden. Während der

Zinssatz von 4% in der Kollektivgesellschaft (so schon in Art. 556 Abs. 2 aOR) aus der

starken Anlehnung an die offene Handelsgesellschaft (oHG) im deutschen Handels-

gesetzbuch (HGB) vom 10. Mai 1897 und dessen Vorgänger, dem Allgemeinen Deutschen

Handelsgesetzbuch vom 31. Mai 1861, zu resultieren scheint, hat der Satz von 6% im

Check- und Wechselrecht seinen Ursprung in den internationalen Abkommen über das

Einheitliche Wechselgesetz bzw. das Einheitliche Checkgesetz.142

137 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 89. 138 GRAF, S. 10 ff.; WEBER, BK, Art. 73 OR N 118. 139 Siehe die Darstellung in § 4. 140 BECKER, BK, Art. 73 OR N 7 f. 141 SCHWENZER, N 10.11 f.; WEBER, BK, Art. 73 OR N 125 ff.; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 93 ff; GUHL/KOLLER, § 11 N 18. 142 Siehe § 15 III.

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§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________

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Andere Bestimmungen, welche die Entstehung einer Zinsforderung anordnen,

verzichten hingegen auf die Festsetzung eines dispositiven Zinssatzes. In diesen Fällen zieht

das Bundesgericht regelmäßig die zuvor genannten Normen vergleichend oder analog heran.

C ZINSSATZ NACH ÜBUNG

Einige gesetzliche Normen verweisen, wie bereits erwähnt, zur Bestimmung der

Höhe eines Zinssatzes auf einen übungsgemäßen bzw. üblichen Zinssatz. Dabei ist jedoch

klarzustellen, dass in diesen Fällen nur der Zinssatz durch die Übung bestimmt wird,

während die Zinspflicht selbst ihren Entstehungsgrund in einem Rechtsgeschäft oder einer

Gesetzesbestimmung hat. Ohne eine solche rechtliche Grundlage ist auch ein Gericht nicht

befugt einen „für derartige Verträge üblichen Zinssatz“ zuzusprechen.143 Aufgrund von Art.

73 Abs. 1 OR gilt der Verweis auf die Übung für jegliche Zinsforderungen deren Zinssatz

unbestimmt geblieben ist und zwar noch bevor dispositives Gesetzesrecht zur Anwendung

kommt.144 Nach der herrschenden Lehre braucht der übungsgemäße Zinssatz den Parteien

nicht bekannt zu sein und sie müssen ihn auch nicht ausdrücklich oder stillschweigend in

den Vertrag aufgenommen haben, da es sich dabei um objektives Recht handelt.145 Ebenfalls

auf einen üblichen Zinssatz verweist Art. 314 Abs. 1 OR als Vermutung für den Darlehens-

zins, insbesondere für das vermutungsweise verzinsliche Darlehen im kaufmännischen

Verkehr. Diese Bestimmung dürfte die praktisch wichtigste Grundlage für den üblichen

Zinssatz sein und wird daher auch zur näheren Bestimmung der maßgeblichen Übung von

Art. 73 Abs. 1 OR herangezogen.146 Weitere übliche Zinssätze finden sich in Art. 104 Abs. 3

OR mit dem Verweis auf den üblichen Bankdiskontsatz und in Art. 859 Abs. 3 OR mit dem

landesüblichen Zinsfuß für langfristige Darlehen ohne besondere Sicherheiten. Dabei ist

auffällig, dass trotz der hohen Bedeutung der Übung als Bestimmungsgrundlage für den

Zinssatz kein einheitlicher Begriff des üblichen Zinssatzes besteht und kein eindeutiger

Verweis auf eine bestimmte Referenzgröße existiert. In diesem Bereich hat sich daher ein

weites Feld für die Ausgestaltung durch Lehre und Praxis eröffnet.

Parallel existiert zudem ein eigenständiger „landesüblicher Zinssatz“, der

insbesondere im Enteignungsrecht und im öffentlich-rechtlichen Verzug Anwendung findet.

Diesen hat das Bundesgericht unabhängig von seiner privatrechtlichen Rechtsprechung

geprägt und in verschiedenen Fällen auf 3%, 4% oder 4½% festgelegt.147

143 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2351; KGer VS v. 30.09.1987, ZWR 1988 S.368, E. 3e. 144 SCHWENZER, N 10.11 f.; V. THUR/PETER, § 10 S. 75; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 90; GUHL/KOLLER, § 11 N 18. 145 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 90; WEBER, BK, Art. 73 OR N 120; BECKER, BK, Art. 73 OR N 7 f.;

a.M.: OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 73 OR N 18. 146 BECKER, BK, Art. 73 OR N 8; WEBER, BK, Art. 73 OR N 124; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 90. 147 BGE 78 I 86 E. 5; BGE 85 I 180 E. 4; BGE 87 I 411 E. 4; BGE 94 I 286 E. I.4 = Pra 1968 Nr. 137 E. I.4;

WEBER, BK, Art. 73 OR N 121; V. THUR/PETER, § 10 FN 38b.

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§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________

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D RICHTERLICHE VERTRAGSERGÄNZUNG

Die dargestellte abschließende gesetzliche Regelung bezüglich der Festlegung der

Zinshöhe lässt keinen Platz für echte richterliche Zinsen oder lückenfüllende

Rechtsprechung modo legislatoris. Das schweizerische Recht kennt folglich keine Zinsen

deren Höhe vollständig im Ermessen des Richters liegt. Einzig wenn die Parteien sich zwar

auf die Verzinsungspflicht selbst, aber nicht auf die Höhe des Zinssatzes geeinigt und diesen

Nebenpunkt bewusst offengelassen haben, kann der Richter den Zinssatz gemäß Art. 2 Abs.

2 OR nach der „Natur des Geschäfts“ festlegen.148 Die Parteien können in diesem Fall „auf

Ergänzung des Vertrags durch richterliches Gestaltungsurteil“ klagen, ohne ihren Antrag

genau spezifizieren zu müssen.149 Der Richter muss daraufhin eine „den Interessen der

Parteien adäquate individuelle Lösung“ 150 finden, die einerseits den Vertragswillen bzw.

Vertragszweck achtet und den Vertrag andererseits so ergänzt, dass er mit der Ergänzung ein

„harmonisches Ganzes“ bildet.151 Der hypothetische Parteiwille ist für ihn bei der

Ausfüllung der Vertragslücke unbeachtlich, da ein solcher aufgrund der bewusst fehlenden

Einigung der Parteien nicht vorliegen kann. Ebenso ist der Richter nicht an dispositives

Gesetzesrecht gebunden, weil die Parteien sich in Bezug auf die ungeregelten Punkte gerade

gegen eine Regelung im Sinne des dispositiven Rechts entschieden haben. 152 Dies hindert

das Gericht hingegen nicht daran zu dem Schluss zu kommen, dass ein Urteil entweder im

Sinne der Verkehrssitte oder analog zum dispositiven Recht eine der „Natur des konkreten

Geschäfts“ adäquate Lösung für den jeweiligen Einzelfall darstellt.153 In letzter Instanz

müsse nach VON TUHR/PETER ohnehin dispositives Gesetzesrecht gelten.154

IV. FÄLLIGKEIT

Gemäß der allgemeinen Bestimmung von Art. 75 OR werden auch Zinsforderungen

grundsätzlich mit ihrer Entstehung zugleich fällig und können jederzeit eingefordert

werden.155 Da der Zins eine periodische Leistung ist und für jede Zinsperiode eine neue

Zinsforderung entsteht, ist es bei Zinsvereinbarungen üblich, dass feste Zinsperioden und

Zinstermine vereinbart werden. Die Fälligkeit der Zinsforderung tritt i.d.R. am Ende der

Zinsperiode ein (postnumerando), allerdings steht es den Parteien auch frei, die Fälligkeit

148 WEBER, BK, Art. 73 OR N 119. 149 KRAMER, BK, Art. 2 OR N 22 f. 150 KRAMER, BK, Art. 2 OR N 24. 151 SCHÖNENBERGER/JÄGGI, ZK, Art. 2 OR N 51. 152 KRAMER, BK, Art. 2 OR N 23. 153 KRAMER, BK, Art. 2 OR N 25. 154 V. THUR/PETER, § 24 S. 190. 155 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 44; WEBER, BK, Art. 73 OR N 105; OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 73 OR N 20.

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§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________

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für den Beginn der Zinsperiode zu vereinbaren (pränumerando).156 Zudem ist es zulässig,

dass der über die gesamte Laufzeit angefallene Zins erst mit der Fälligkeit der Haupt-

forderung fällig wird oder dass der gesamte Zins bei der Auszahlung des Kapitals fällig wird

und das ausgezahlte Kapital bereits um den vollen Zinsbetrag reduziert ist.157 Wird der Zins

im Voraus fällig, dann können die bereits bezahlten Zinse aus Art. 62 OR anteilig

zurückgefordert werden, falls die Hauptforderung vor Ablauf der Zinsperiode untergeht.158

V. ERLÖSCHEN DER ZINSFORDERUNG

Aufgrund des akzessorischen Charakters der Zinsforderung geht diese, wie gezeigt,

spätestens mit dem Erlöschen der Hauptforderung unter, sofern keine anderslautende

Abrede dem entgegen steht oder die Zinsforderung in einem Wertpapier verselbstständigt

wurde. Die Zinsforderung kann aber auch unabhängig von der Hauptforderung nach den

allgemeinen schuldrechtlichen Regeln erlöschen, die nachfolgend kurz dargestellt werden.

A ERFÜLLUNG

1. ALLGEMEINES

Der wichtigste Untergangsgrund der Zinsforderung ist die Erfüllung, d.h. die

Zahlung der fälligen Teilbeträge durch den Schuldner zum vereinbarten Termin. Dabei

gelten die allgemeinen Regeln zur Begleichung von Geldschulden, namentlich das

Nennwertprinzip, der Grundsatz, dass Geldschulden Bringschulden sind (Art. 74 Abs. 2

Ziff. 1 OR), die Möglichkeit der Hinterlegung bei Gläubigerverzug (Art. 92 OR) und die

Regeln zur vorzeitigen Erfüllbarkeit (Art. 81 OR).159

2. NENNWERTPRINZIP

Das Nennwertprinzip findet im Gesetz keine spezielle Erwähnung, wird aber von

Praxis160 und Lehre161 einhellig anerkannt. Danach ist die Geldschuld eine „Wertschuld“162

und wird „durch die Leistung von Sachen getilgt, die im Zeitpunkt der Zahlung gesetzliche

Zahlungsmittel sind und die, wenn man den ihnen aufgedruckten Geldwert addiert, einen der

156 WEBER, BK, Art. 73 OR N 105 f.; V. THUR/PETER, § 10 S. 68 f.; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 44. 157 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 9; MERZ, SPR VI/1, S. 175; LARENZ, S. 180 FN 52. 158 WEBER, BK, Art. 73 OR N 106; V. THUR/PETER, § 10 S. 69 FN 9. 159 WEBER, BK, Art. 73 OR N 107. 160 BGE 51 II 303 E. 3; BGE 56 II 189 S.194; BGE 57 II 368 E. 3; BGE 57 II 596 E. 4. 161 LEU, BSK, Art. 84 OR N 5; V. THUR/PETER, § 9 S. 62; WEBER, BK, Art. 84 OR N 183; OSER/SCHÖNENBERGER,

ZK, Art. 84 OR N 13; SCHRANER, ZK, Art. 84 OR N 73, 77; GUHL/KOLLER, § 11 N 6 f.; V. BÜREN, S. 35 f. 162 OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 73 OR N 17.

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§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________

27

Schuldsumme entsprechenden Betrag ergeben“163. Das Risiko einer Geldwertveränderung

trägt somit der Gläubiger, allerdings sind die Parteien nicht daran gehindert durch

vertragliche Wertsicherungs- oder Indexklauseln den Ausgleich von Wertschwankungen auf

den Schuldner zu übertragen.164

3. FREMDWÄHRUNGSSCHULDEN

Das Nennwertprinzip gilt grundsätzlich auch für Fremdwährungsschulden. Nach

Art. 84 Abs. 1 OR sind Geldschulden in den gesetzlichen Zahlungsmitteln der geschuldeten

Währung zu bezahlen. Liegt jedoch der Erfüllungsort in der Schweiz, so kann der Schuldner

gemäß Art. 84 Abs. 2 OR auch durch den umgerechneten Betrag in schweizerischer

Landeswährung die Schuld wirksam erfüllen, sofern nicht eine Effektivklausel eine Pflicht zur

Erfüllung in der geschuldeten Währung vorsieht. Die Umrechnung erfolgt zum Zeitpunkt der

Fälligkeit und mangels gesetzlicher Regel wohl zum Wechselkurs am Zahlungsort.165 Der

Gläubiger hingegen hat keinen Anspruch darauf, dass der Schuldner auf sein Verlangen hin in

Schweizer Franken statt in der verabredeten Währung leistet.166 Das Risiko der

Wertveränderung trägt somit auch im internationalen Verkehr der Gläubiger, wobei das

Bundesgericht167 in der Vergangenheit bei starken Geldwertveränderungen, Währungs-

zusammenbrüchen oder staatlich verordneten Abwertungen eine gerichtliche Aufwertung

vorgenommen hat.168 Die Lehre begründet dieses Vorgehen unter dem Titel der clausula rebus

sic stantibus nach Art. 2 ZGB, falls es sich um ein unvorhergesehenes Ereignis in einem

langfristig abgeschlossenen Vertrag handelt, das zu einem unzumutbaren Missverhältnis

zwischen Leistung und Gegenleistung für eine Partei führt. Das Bundesgericht hingegen hat

sich in seiner Praxis zur richterlichen Aufwertung nicht auf die clausula rebus sic stantibus

gestützt, sondern im Einzelfall verschiedene Argumente herangezogen.169

4. BEWEIS

Der Beweis für die erfolgte Zahlung einer Geldforderung obliegt nach Art. 8 ZGB

dem Schuldner, da es sich beim Beweis des Untergangs einer Verpflichtung um eine

rechtsverhindernde Tatsache handelt.170 Der Schuldner wird aber vom Gesetz geschützt,

indem ihm für seine Zahlung, z.B. von Zinsen, ein Anspruch auf eine Quittung und bei

163 MANN, S. 66. 164 SCHRANER, Art. 84 N 94 ff.; MANN, S. 66; GUHL/KOLLER, § 11 N 6. 165 WEBER, BK, Art. 84 OR N 320 ff.; LEU, BSK, Art. 84 OR N 7; WIEGAND/BERGER, recht 1998, S. 92 f. 166 BGE 134 III 151 E. 2.2; WEBER, BK, Art. 84 OR N 325. 167 BGE 51 II 303 E. 4; BGE 53 II 76 E. 3; BGE 57 II 368 E. 3; BGE 57 II 596 E. 4. 168 WEBER, BK, Art. 84 OR N 321; LEU, BSK, Art. 84 OR N 6; SCHRANER, ZK, Art. 84 OR N 137 f. 169 LEU, BSK, Art. 84 OR N 6; SCHRANER, ZK, Art. 84 OR N 137 f. 170 SCHMID, BSK, Art. 8 ZGB N 56 ff.

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§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________

28

vollständiger Tilgung einer Schuld ein solcher auf Aushändigung des Schuldscheins

eingeräumt wird (Art. 88 Abs. 1 OR). Bei einer Weigerung des Gläubigers eine Quittung

auszustellen hat der Schuldner zudem ein Rückbehaltungsrecht des geschuldeten Betrags.171

Bei einer teilweisen Tilgung hat der Schuldner nur einen Anspruch auf einen Vermerk auf

dem Schuldschein (Art. 88 Abs. 2 OR). Die Ausstellung der Quittung bzw. die Rückgabe

des Schuldscheins begründen gesetzliche Vermutungen zur Erleichterung der Beweislast des

Schuldners, wobei diese durch einen Gegenbeweis entkräftet werden können. Nach Art. 89

Abs. 3 OR wird bei Rückgabe des Schuldscheins die Tilgung der Schuld vermutet. Zudem

stellt Art. 89 Abs. 2 OR die Vermutung auf, dass bei Vorliegen einer Quittung über die

Hauptschuld auch die Zinsen bezahlt wurden. Zuletzt kann aus Quittungen über periodische

Leistungen, wie z.B. Zinszahlungen, vermutungsweise geschlossen werden, dass auch die in

vorherigen Perioden fällig gewordenen Forderungen erfüllt worden sind.172

B VERRECHNUNG

1. ALLGEMEINES

Die Zinsforderung kann gemäß Art. 120 OR verrechnet werden. Die Verrechnung

bezeichnet die wechselseitige „Tilgung zweier sich gegenüberstehender Forderungen durch

einseitiges Rechtsgeschäft“. Sie ist ein Gestaltungsrecht, welches der Verrechnende

(Kompensant) mit seiner Verrechnungsforderung durch einseitige Erklärung gegenüber dem

Verrechnungsgegner (Kompensat) und dessen Hauptforderung geltend macht.173

2. VORAUSSETZUNGEN

Die Verrechnung ist ausschließlich dann möglich, wenn sich zwei Gläubiger mit

gegenseitigen und gleichartigen Forderungen gegenüberstehen, die fällig und klagbar sind,

während weder aus Vertrag noch aus Gesetz ein Verrechnungsausschluss besteht.174

a. POSITIVE VORAUSSETZUNGEN

Die Gegenseitigkeit der Forderungen ist die Hauptvoraussetzung der Verrechnung.

Daher kann insbesondere in Dreiecksverhältnissen und im Verkehr mit Personengesell-

schaften unklar sein, welche Parteien gegenseitig verrechnen können.175 Desweiteren

verlangt Art. 120 Abs. 1 OR zwingend die Gleichartigkeit der Forderungen, d.h. der

Leistungsgegenstände, die beispielweise bei Geldforderungen immer gegeben ist. Dies gilt

171 ArbGer ZH v. 27.09.1994, ZR 1997 Nr. 93 S. 186; GUHL/KOLLER, § 36 N 4 f. 172 GUHL/KOLLER, § 36 N 5 f. 173 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3202; GUHL/KOLLER, § 37 N 4; PETER, BSK, Vor Art. 120-126 OR N 1. 174 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3207 ff. 175 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3211 ff.; GUHL/KOLLER, § 37 N 8.

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§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________

29

gemäß aktueller Rechtsprechung auch für Forderungen in Fremdwährung ohne Effektiv-

klausel (Art. 84 Abs. 2 OR; Umrechnungszeitpunkt umstritten).176 Hingegen müssen die

Leistungen nicht gleich hoch (gleichwertig) sein, sondern es ist ausreichend, wenn die

Hauptforderung nur teilweise durch die Gegenforderung getilgt wird. Im Gegensatz zur

allgemeinen Erfüllungsregel nach Art. 69 Abs. 1 OR muss der Kompensat die teilweise

Tilgung durch Verrechnung akzeptieren. Weitergehende Gleichartigkeit der Forderungen in

Bezug auf einen einheitlichen Rechtsgrund, Erfüllungsort oder Gerichtsstand wird nicht

verlangt.177 Auch muss die Gleichartigkeit erst im Zeitpunkt der Verrechnung gegeben sein,

so dass z.B. nachträglich in Geldforderungen umgewandelte Ansprüche im Konkurs oder in

Schadenersatz umgewandelte Erfüllungsansprüche mit Geldforderungen verrechnet werden

können.178 Entgegen dem Wortlaut von Art. 120 Abs. 1 OR muss zudem nur die Ver-

rechnungsforderung fällig sein, während für die Hauptforderung Erfüllbarkeit ausreicht.179

Insofern kann jede Partei verrechnen, sobald sie ihre Leistung erbringen und die Leistung

des Schuldners einfordern kann.

b. NEGATIVE VORAUSSETZUNGEN

Zuletzt muss die Verrechnungsforderung erzwingbar bzw. einklagbar sein, d.h. ihr

darf keine ein Leistungsverweigerungsrecht begründende Einrede entgegen stehen. Daher

kann grundsätzlich keine verjährte oder verwirkte Forderung verrechnet werden. Diese

Regel wird allerdings durch die Ausnahmebestimmung des Art. 120 Abs. 3 OR einge-

schränkt, der die Verrechnung einer verjährten Forderung dennoch zulässt, sofern die

Verrechnungsmöglichkeit bereits im Zeitpunkt der Verjährung bestand.180

Die Verrechnung darf zudem nicht ausgeschlossen sein. Ein solcher Ausschluss

kann sich einerseits aus einem Verrechnungsverzicht des Schuldners ergeben, den dieser im

Voraus entweder explizit erklärt hat oder der aus den Umständen hervorgeht. Andererseits

kann die Verrechnung auch aufgrund von Art. 125 OR bzw. Art. 213 Abs. 2 SchKG

ausgeschlossen oder gemäß Art. 214 SchKG anfechtbar sein.181

3. WIRKUNGEN

Die Wirkung der Verrechnung ist der Untergang beider Forderungen, sofern diese

gleichwertig waren, bzw. andernfalls nur der Untergang der im Wert kleineren Forderung,

während die andere in reduziertem Umfang fortbesteht. Notwendig ist eine einseitige

176 BGE 130 III 312 E. 6.2. 177 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3216 ff.; GUHL/KOLLER, § 37 N 10 f.; PETER, BSK, Art. 120 OR N 10 ff. 178 GUHL/KOLLER, § 37 N 10; PETER, BSK, Art. 120 OR N 14. 179 SCHWENZER, N 77.15, 77.17. 180 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3227 ff.; GUHL/KOLLER, § 37 N 12 ff.; PETER, BSK, Art. 120 OR N 4, 24. 181 GUHL/KOLLER, § 37 N 25 ff.

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§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________

30

Verrechnungserklärung des Kompensanten, wobei die Wirkung aufgrund der gesetzlichen

Vermutung von Art. 124 Abs. 2 OR auf jenen Zeitpunkt zurückwirkt, von dem an sich die

Forderungen verrechenbar gegenüber standen.182 Die Verrechnung kann gemäß Art. 126 OR

von den Parteien vertraglich ausgeschlossen werden und ist in den von Art. 125 OR

erfassten Fällen nicht gegen den Willen des Gläubigers möglich.

C ERLASS

1. ALLGEMEINES

Wie jede andere Forderung ist auch die Zinsforderung dem Untergang durch

vertragliche Aufhebung nach Art. 115 OR zugänglich. Als zweiseitiges Rechtsgeschäft

bedarf der Aufhebungsvertrag der Zustimmung beider Parteien über alle wesentlichen

Vertragsbestandteile.183 Im Sinne der Vertragsfreiheit können die Parteien frei über die

Aufhebung jeglicher Forderungen entscheiden und eine solche Vereinbarung, unabhängig

von allfälligen Formvorschriften zur Entstehung der betroffenen Forderung, formlos durch

gegenseitige Übereinkunft abschließen.184 Die Offerte des Gläubigers kann u.U. sogar in

konkludentem Verhalten bestehen (z.B. Einklagen der Hauptforderung ohne Verzugszinsen)

und die Zustimmung des Schuldners kann stillschweigend erfolgen.185 Hingegen darf nach

der Praxis des BGer nicht leichthin von einer konkludenten Offerte zur Aufhebung

ausgegangen werden, wenn der Gläubiger bloß die Forderung verjähren lässt186, gelegentlich

die Ausübung eines Rechts unterlässt187 oder eine Forderung über längere Zeit nicht geltend

macht188, sofern nicht weitere Umstände hinzutreten, die auf eine Erlassofferte hindeuten.189

2. BEWEIS

Der Beweis für den Schuldenerlass obliegt dem Schuldner als Anspruchsteller und

unterliegt strengen Voraussetzungen. Insbesondere beim stillschweigenden Schuldenerlass

besteht keine Vermutung zugunsten eines entsprechenden Willens des Gläubigers.190 Sofern

Schuldscheine über die Forderung ausgestellt wurden kann die Forderung auch ohne deren

182 GUHL/KOLLER, § 37 N 23. 183 BGer 4P.77/2005 E. 2.2 v. 27.04.2005. 184 GONZENBACH, BSK, Art. 115 OR N 1; GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3111 ff., 3124 ff. 185 BGE 110 II 344 E. 2; BGer 4C.363/2001 E. 3 v. 07.07.2003; GUHL/KOLLER, § 38 N 1. 186 BGE 70 II 21 E. 1. 187 BGE 59 II 264 E. 8. 188 BGE 54 II 197 E. 3 (i.c. über Jahre weder Zinsen noch Kapital eines Darlehens eingefordert). 189 BGer 4C.363/2001 E. 3 v. 07.07.2003. 190 BGer 5C.56/2005 E. 3.2 v. 15.07.2005.

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§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________

31

Rückgabe untergehen (Art. 115 OR). Die hohen Anforderungen an den Beweis des

Schuldenerlasses erscheinen vor diesem Hintergrund als gerechtfertigt.191

3. ABGRENZUNGEN

a. AUFHEBUNG DES VERTRAGSVERHÄLTNISSES

Der Erlassvertrag ist, wie gezeigt, eine Vereinbarung der beteiligten Parteien über

die teilweise oder vollständige Aufhebung einer Forderung. Er ist daher nicht zu

verwechseln mit der Aufhebung eines ganzen Vertragsverhältnisses (contrarius actus) oder

einem negativen Schuldanerkenntnis, bei welchem der Gläubiger einen eventuellen Erlass

einer ungewissen oder streitigen Forderung für den Fall zusichert, dass diese besteht.192

b. PACTUM DE NON PETENDO UND STUNDUNG

Ebenfalls zu unterscheiden ist der Erlass vom pactum de non petendo, bei dem der

Gläubiger dem Schuldner zusichert eine Forderung während einer bestimmten Frist nicht

geltend zu machen, während im Gegensatz zum Erlassvertrag die Nebenrechte und das

Recht auf Verrechnung fortbestehen. Gleiches gilt für die Stundung, welche nachträglich die

Fälligkeit einer Forderung verschiebt und damit deren Klagbarkeit ausschließt. Der Bestand

der Forderung selbst wird in beiden Fällen, im Gegensatz zum Erlass, nicht beeinträchtigt.193

c. NACHLASSVERTRAG

Der Nachlassvertrag nach SchKG ist in seinen Wirkungen mit dem Erlassvertrag

verwandt. Er ist allerdings ein konkursrechtliches Instrument, welches speziell zum Zweck

der Sanierung eines Gemeinschuldners zwischen diesem und mehreren Gläubigern

geschlossen wird. Er untersteht nicht dem Privatrecht, sondern dem öffentlichen Recht und

führt zu einem gerichtlichen Teilerlass der Schuldpflichten des Schuldners, mit Wirkung für

alle Gläubiger. Deren Forderungen gehen zu einem gewissen Anteil unter, wie es im

Nachlassvertrag vereinbart wurde.194

d. KLAGERÜCKZUG

Zuletzt abzugrenzen bleibt der vorbehaltlose Klagerückzug als einseitige Prozess-

handlung des Gläubigers, der nach den Regeln des anwendbaren Prozessrechts zur

Beendigung des laufenden Verfahrens führt. Sobald die Entscheidung über den Klage-

rückzug rechtskräftig wird, steht der Neueinreichung der Klage die Einrede der res iudicata

191 GONZENBACH, BSK, Art. 115 OR N 12. 192 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3133 f.; V. THUR/ESCHER, § 74 S. 165 f., § 75 S. 179. 193 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3136 f.; V. THUR/ESCHER, § 75 S. 177 f.; GONZENBACH, BSK, Art. 115 OR N 3. 194 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3138 f.; GONZENBACH, BSK, Art. 115 OR N 3.

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§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________

32

entgegen.195 Die Auswirkungen auf den Bestand der Forderung richten sich nach den

Bestimmungen des Prozessrechts. Die bisher in den meisten kantonalen Zivilprozess-

ordnungen vorherrschende Regelung findet sich auch in der neuen eidgenössischen

Zivilprozessordnung (ZPO). Nach Art. 65 ZPO kann eine Klage beim zuständigen Gericht

nur vor der Zustellung der Klageschrift an die beteiligten Parteien, d.h. vor Eintritt der

Rechtshängigkeit oder erst später, aber dann nur mit Zustimmung der Gegenpartei(en),

folgenlos zurückgezogen werden.196 In allen anderen Fällen hat der Klagerückzug nach Art.

241 ZPO die Wirkung eines rechtskräftigen Entscheids.197 Folglich trifft in diesem Fall den

Kläger die Fortführungslast und er muss den angehobenen Prozess entweder bis zum

materiellen Entscheid durchfechten oder auf den Anspruch verzichten, indem er den Weg

des Klagerückzugs mit materieller Rechtskraft wählt.198

D VEREINIGUNG

Die Zinsforderung kann auch dadurch untergehen, dass die Positionen des

Gläubigers und des Schuldners im Vermögen der gleichen Person vereinigt werden (Art.

118 Abs. 1 OR). Der sog. Untergang durch Konfusion ist hingegen nicht endgültig, sondern

die Forderung kann wiederaufleben wenn die Vereinigung rückgängig gemacht wird. Dies

gilt ebenso für die nach Art. 114 Abs. 1 OR mit der Hauptforderung untergegangenen

Nebenrechte und die Verjährungsfrist, die wieder aufleben und weiterlaufen.199

E NOVATION

1. ALLGEMEINES

Die Novation bzw. Neuerung einer Forderung ist die Tilgung einer bestehenden

Schuld durch die Begründung einer neuen. Anstelle der geschuldeten Leistung erhält der

Gläubiger eine neue Forderung gegen den bisherigen Schuldner, der sich wiederum durch

ein neues Leistungsversprechen befreit, ohne die bisher geschuldete Leistung erbringen zu

müssen. Die Novation ähnelt daher stark der „Hingabe an Zahlungsstatt“.200 Sie führt nach

der Praxis des Bundesgerichts zur Aufhebung der Identität der ursprünglichen Forderung

und zum Untergang der dem abgelösten Anspruch anhaftenden Einreden und Schwächen.201

195 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3139 f.; GONZENBACH, BSK, Art. 115 OR N 3; BUCHER, OR AT, S. 399;

vgl. Art. 65 ZPO, BBl 2009, 21. 196 WALDER-RICHLI/GROB-ANDERMACHER, § 26 N 81, § 27 N 38. 197 Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO), BBl 2006 7221, S. 7278, 7345 198 WALDER-RICHLI/GROB-ANDERMACHER, § 27 N 37 ff. 199 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3176 ff., 3187 ff.; GONZENBACH, BSK, Art. 118 OR N 1 ff., 8; BUCHER, OR AT, S. 405 f. 200 V. THUR/ESCHER, § 76 S. 179 f. 201 BGE 105 II 273 E. 3.

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§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________

33

Im Gegenzug zum Untergang der Einreden des Schuldners, gehen auch sämtliche Nebenrechte

des Gläubigers durch die Neuerung unter.202 Aufgrund der weitgehenden Folgen der Novation

stellt Art. 116 Abs. 1 OR explizit klar, dass diese nicht vom Gesetz vermutet wird. Ganz im

Gegenteil ist derjenige der den Abschluss eines Novierungsvertrages behauptet dafür nach Art.

8 ZGB beweispflichtig.203 Zudem gilt nach Art. 116 Abs. 2 OR, dass die Ausstellung eines

Wechsels „nicht als Tilgung (Hingabe an Zahlungsstatt), sondern als Hingabe zahlungshalber“

zu verstehen ist, d.h. die bisherige Forderung wird nicht durch Novation getilgt, sondern erst

durch und mit Einlösung des Wechsels.204

2. NOVATION DER ZINSFORDERUNG

Bei der Zinsforderung führt die Novation dazu, dass sie nicht mehr den

Beschränkungen von Art. 105 Abs. 1 OR unterliegt und daher verzinslich wird. Zudem

unterliegt die novierte Forderung der ordentlichen Verjährung von Art. 127 OR.205 Durch

Parteivereinbarung kann somit jede Zinsschuld in eine beliebige Geldschuld, d.h. eine

Darlehensschuld, umgewandelt werden. Die Übertragung des Geldes an den Darlehens-

nehmer wird dadurch ersetzt, dass der Gläubiger dem Schuldner jenen Geldbetrag weiterhin

überlässt, den dieser aufgrund der bisherigen Schuld bereits schuldete.206

3. NOVATION IM KONTOKORRENTVERKEHR

Eine Sonderordnung beinhaltet das Gesetz in Art. 117 OR für den Kontokorrent-

verkehr. Das Einstellen der einzelnen gegenseitigen Forderungen in die Kontokorrent-

rechnung bewirkt noch keine Novation, sondern bloß die Stundung der Forderungen. Erst

wenn aufgrund der Verrechnungsvereinbarung der Saldo gezogen und anerkannt wird

(Schuldanerkenntnis), kommt es zur Novation (Art. 117 Abs. 2 OR). Die zuvor bestehenden

Einzelforderungen gehen dadurch unter und an ihre Stelle tritt die Saldoforderung. Allfällige

Sicherheiten für Einzelforderungen bleiben gemäß Art. 117 Abs. 3 OR erhalten und sichern

in bisheriger Höhe die neue Saldoforderung.207 Fehlbuchungen können auch nach der

Anerkennung der Saldoforderung aus ungerechtfertigter Bereicherung zurückgefordert

werden, da die Novation den gültigen Bestand der zugrundeliegenden Forderungen

voraussetzt. Hingegen wird auf die „Geltendmachung bereits bekannter Willensmängel“ und

„streitiger oder ungewisser, aber nicht ausdrücklich vorbehaltener Einreden“ gegen die

202 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3150. 203 GONZENBACH, BSK, Art. 116 OR N 13; BUCHER, OR AT, S. 411. 204 BGE 127 III 559 E. 3b; BUCHER, OR AT, S. 411. 205 SCHWENZER, N 80.04; GONZENBACH, BSK, Art. 116 OR N 17. 206 OGer LU v. 07.01.1975, ZBJV 1975 S. 301. 207 SCHWENZER, N 80.06.

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§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________

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Posten in der Kontokorrentrechnung mit der Saldoanerkennung verzichtet.208 Einfache

Rechenfehler können aber korrigiert werden.209 Im Kontokorrentverhältnis, ebenso wie bei

der Novation anderer verzinslicher Geldforderungen, ist die anerkannte Saldoforderung eine

Forderung aus eigenem Rechtsgrund. Auch wenn sie zum Teil aus den vormaligen

Zinsforderungen besteht, ist sie keine Zinsforderung, da die Zinsen durch die

Saldoanerkennung Teil des Kapitals geworden sind. Sie unterliegt nicht dem Zinseszins-

verbot gemäß Art. 314 Abs. 3 OR, sie kann im Verzug in vollem Umfang verzinst werden,

da Art. 105 Abs. 3 OR nicht anwendbar ist und untersteht der ordentlichen Verjährung.210

Gleiches gilt auch für auf das Kapital und über die Laufzeit erhobene Kommissionen211, da

diese funktional betrachtet ein Entgelt für die Überlassung und Entbehrung des Kapitals

durch den Gläubiger sind.

VI. VERJÄHRUNG

Bei der Verjährung zeigt sich die ambivalente Natur der Zinsforderung einerseits als

akzessorische Forderung und Nebenleistung der Hauptforderung, andererseits als eigene

Forderung mit einer gewissen Selbstständigkeit. Art. 128 Ziff. 1 OR behandelt die

Verjährung von periodischen Leistungen212, wobei es sich um „regelmäßig wiederkehrende

Forderungen, die auf einem einheitlichen Schuldgrund beruhen“213 handelt. Dabei ist nicht

vorausgesetzt, dass die Höhe der Leistungen oder die Zeiträume zwischen deren Fälligkeiten

identisch sind.214 Zinsen auf Kapitalforderungen fallen unter diesen Begriff, so dass sowohl

gesetzliche als auch rechtsgeschäftliche Zinsforderungen grundsätzlich fünf Jahre nach ihrer

Fälligkeit verjähren (Art. 128 Ziff. 1 OR).215 Entsprechend den unterschiedlichen

Fälligkeiten beginnt und endet auch die Verjährungsfrist jeder Zinstranche zu einem anderen

Zeitpunkt.216 Als Nebenleistungen verjähren Zinsforderungen aber auch mit der Haupt-

forderung (Art. 133 OR), sofern sie noch nicht selbst verjährt sind.217 Für Zinsforderungen

die weniger als fünf Jahre vor der Verjährung der Hauptforderung fällig werden bedeutet

dies, dass sie nur einer verkürzten Verjährungsfrist unterliegen. Zinsforderungen die erst

nach der Verjährung der Hauptforderung fällig werden, können nach einer Lehrmeinung

208 BGE 104 II 190 E. 3a; SCHWENZER, N 80.07. 209 BGE 100 III 79 E. 6. 210 BGE 130 III 694 E. 2.2.3 = Pra 2005 Nr. 64; GONZENBACH, BSK, Art. 117 OR N 14. 211 BGE 130 III 694 E. 2.2.3 = Pra 2005 Nr. 64; CHRIST, SPR VII/2, S. 266; WEBER, FS Keller, S. 326 f. 212 OGer BL v. 31.01.1941, ZBGR 1942 S. 283. 213 BGer 4C.207/2006 E. 2.2.1 vom 27.09.2006. 214 BGer 4C.207/2006 E. 2.2.1 vom 27.09.2006. 215 DÄPPEN, BSK, Art. 128 OR N 2 f. 216 V. THUR/ESCHER, § 81 S. 234. 217 WEBER, BK, Art. 73 OR N 112; V. THUR/ESCHER, § 81 S. 234.

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§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________

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bereits mit ihrer Entstehung verjährt sein.218 Sofern die Zinsforderung in einem Wertpapier

verselbstständigt wurde, teilt sie hingegen nicht das Schicksal der Verjährung mit der

Hauptforderung (Art. 114 Abs. 3 OR).219 Keine periodisch fällig werdenden Leistungen im

Sinn von Art. 128 Ziff. 1 OR sind Verzugszinsen, sondern sie unterliegen der Verjährungs-

frist des jeweiligen Hauptanspruchs.220 Im Übrigen gilt die kurze Verjährungsfrist nicht für

solche Zinsforderungen, die „mit der Hauptforderung zusammengewachsen“ sind, wie z.B.

Zinsen die ein Teil einer Schadenersatzforderung, einer Forderung aus ungerechtfertigter

Bereicherung, eines Herausgabeanspruches oder eines Anspruches auf Vergütungs- oder

Verwendungsersatz sind.221 Wird die Zinsforderung bloß einmalig am Ende der Laufzeit

fällig, so ist hingegen die fünfjährige Frist m.E. nicht anwendbar, da die notwendige

Periodizität der Leistung nicht gegeben ist.

VII. FORDERUNGSABTRETUNG UND SCHULDÜBERNAHME

A ZESSION

Bei der Abtretung einer Forderung wird nach Art. 170 Abs. 3 OR vermutet, dass

sowohl die rückständigen als auch die laufenden Zinsen auf den Erwerber übergehen.222

Dies gilt für gesetzliche und vertragliche Zinsforderungen.223 Nach der Abtretung der

Hauptforderung entstehen die Zinsforderungen gegen den Zessionsschuldner unmittelbar

beim Zessionar. Dies gilt hingegen nicht, wenn die Zinsansprüche verselbstständigt wurden

und das Schicksal der Hauptforderung nicht teilen. Letzteres betrifft z.B. für eine vor der

Zession entstandene Verzugszinsforderung.224 Erst ab dem Zeitpunkt der erfolgten

Übertragung der Hauptforderung entsteht der Verzugszins beim Zessionar. Ebenfalls nicht

mit der zugrundeliegenden Forderung übertragen werden Vorzugs- und Nebenrechte, die

untrennbar mit der Person des Zedenten verknüpft sind, wozu insbesondere der höhere

Verzugszinsanspruch unter Kaufleuten nach Art. 104 Abs. 3 OR gehört.225 Durch eine

entsprechende vertragliche Abrede können die Parteien auch abweichend von der

dispositiven gesetzlichen Regelung vereinbaren, dass nur die zukünftigen Zinsforderungen

mit der Hauptforderung übergehen sollen oder dass sie unabhängig von der Hauptforderung

an einen Dritten abgetreten werden. Ebenso kann sich der Zedent durch Vereinbarung

218 V. THUR/ESCHER, § 81 S. 234; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 54. 219 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 54. 220 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 55. 221 WEBER, BK, Art. 73 OR N 112; siehe § 3 I E. 222 V. THUR/PETER, § 10 S. 72; WEBER, BK, Art. 73 OR N 57; BGE 77 II 360 E. 3 = Pra 1952 Nr. 29 E. 3. 223 WEBER, BK, Art. 73 OR N 57; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 56; a.M.: OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 170 OR N 10. 224 V. THUR/ESCHER, § 95 S. 356; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 56; WEBER, BK, Art. 73 OR N 57;

GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3459. 225 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3460; WEBER, BK, Art. 73 OR N 57.

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§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________

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sowohl die rückständigen als auch die zukünftigen Zinsforderungen vorbehalten und nur die

Hauptforderung abtreten.226

B SCHULDÜBERNAHME

In der Lehre wird allgemein angenommen, dass von der Übernahme einer Schuld

durch einen neuen Schuldner auch rückständige und laufende Zinsschulden erfasst werden

(analog Art. 170 Abs. 3 OR). Diese Annahme ist vor dem Hintergrund des Zwecks der

Schuldübernahme gerechtfertigt, da der Schuldner daran interessiert ist sich vollständig zu

befreien, während der Gläubiger i.d.R. kein Interesse daran hat, sich für seine Ansprüche an

verschiedene Schuldner halten zu müssen. Andererseits ist es dem neuen Schuldner

zuzumuten, sich nach ausstehenden Zinsschulden zu erkundigen und einen entsprechenden

Abzug vom Forderungspreis zu vereinbaren. Die zukünftigen Zinsschulden entstehen

ohnehin beim neuen Schuldner, nachdem dieser durch die Übernahme Schuldner der

Kapitalforderung geworden ist.227

Das Gesetz stellt dazu lediglich in Art. 178 Abs. 1 OR klar, dass grundsätzlich Nebenrechte

von einem Schuldnerwechsel nicht berührt werden. Das bedeutet, dass die Schuldübernahme

keine Novation bewirkt.228 Nebenrechte (z.B. Zinsrechte), Vorzugsrechte- (Konventional-

strafen, Gerichtsstandsklauseln) und Gestaltungsrechte (Wahlrecht, Kündigungs-

möglichkeit) bestehen gegenüber dem neuen Schuldner wie gegenüber dem vorherigen

weiter.229 Allerdings kann durch vertragliche Vereinbarung die dargestellte Ordnung auch

abgeändert werden, so dass z.B. nur die zukünftigen Zinsschulden oder sogar nur die

Kapitalschuld vom neuen Schuldner übernommen wird, während der vorherige Schuldner

weiterhin für die bereits entstandenen Zinsen aufkommen muss.230

VIII. GERICHTLICHE DURCHSETZUNG

A PROZESSUALES

Die Zinsforderung wird i.d.R. zusammen mit der Hauptforderung eingeklagt. Zu

diesem Zweck muss der Gläubiger sowohl die Höhe des vereinbarten Zinssatzes als auch

den Beginn des Zinsenlaufs nachweisen, da der Richter aufgrund der Dispositionsmaxime

bei der Bestimmung des Umfangs der Zinsforderung an die Anträge und Beweismittel der

226 WEBER, BK, Art. 73 OR N 65 ff.; V. THUR/PETER, § 10 S. 71 f. 227 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 57; V. THUR/ESCHER, § 99 S. 392; GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3599;

TSCHÄNI, BSK, Art. 178 OR N 1; a.M. bzgl. rückständiger Zinsen: OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 178 OR N 3. 228 WEBER, BK, Art. 73 OR N 58; TSCHÄNI, BSK, Art. 178 OR N 1. 229 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 3599; TSCHÄNI, BSK, Art. 178 OR N 1. 230 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 66.

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§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________

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Parteien gebunden ist.231 Insbesondere kann der Richter nur dann einen anderen als den

dispositiven gesetzlichen Zinssatz berücksichtigen, wenn ein abweichender fester oder

variabler Zins und dessen Höhe von der beweispflichtigen Partei nachgewiesen werden

konnte (z.B. Hypothekarzinssatz).232 Der Gläubiger kann seine Zinsforderung aber auch

selbstständig vom Schuldner einklagen bzw. in Betreibung setzen (Art. 41 Abs. 2

SchKG).233 Dem Schuldner steht in diesem Fall der Einwand der getilgten Hauptschuld

zu.234 Ebenso kann der Schuldner allein gegen die Zinsforderung Rechtsvorschlag erheben

(Art. 74 Abs. 2 SchKG). Das Bundesgericht hat die selbstständige Klagbarkeit der

Zinsforderung in einigen Fällen für zulässig erklärt, allerdings bisher nur in solchen Fällen

in denen dieses Vorgehen ohnehin selbstverständlich erscheint. Dies betraf z.B.

Konstellationen mit unterschiedlichen Gläubigern von Haupt- und Zinsforderung, Verfahren

in denen einzig die Zinsforderung streitig war oder Vereinbarungen nach denen die

Zinsforderung das Erlöschen der Hauptforderung überdauern sollte.235

Der Zinsenlauf endet mit der Erfüllung der Hauptforderung oder der Ausstellung

eines Verlustscheins nach Art. 149 Abs. 4 SchKG. Im Konkurs endet er mit der

Konkurseröffnung (Art. 209 Abs. 1 SchKG), mit einer Ausnahme für pfandgesicherte

Forderungen.236 Wird eine Hauptforderung ohne Zinsen eingeklagt und getilgt, so ergibt

sich aus Art. 114 Abs. 2 OR die Vermutung eines Verzichts bzw. eines Erlassangebots bzgl.

der Zinsforderung, dessen Annahme stillschweigend erfolgen kann.237

B BEWEISLAST

Der Zivilprozess wird zu wesentlichen Teilen von der Verhandlungsmaxime

dominiert. Danach ist es Aufgabe der Parteien den Sachverhalt durch das Vorbringen von

Tatsachen darzulegen und zu beweisen (Art. 55 Abs. 1 ZPO).238 Das Gericht darf seiner

Entscheidung gemäß dem Grundsatz da mihi facta, dabo tibi ius239 nur behauptete und

allfällig bewiesene Tatsachen zugrunde legen.240 Den Beweis für eine behauptete Tatsache

hat gemäß Art. 8 ZGB jene Partei zu erbringen, die aus ihr Rechte ableitet. Daher obliegt

dem Gläubiger der Nachweis jener Tatsachen, die zur Berechnung der Zinsforderung

231 BERGER/GÜNGERICH, N 517 ff.; WEBER, BK, Art. 73 OR N 114. 232 BGE 126 III 189 E. 2c = Pra 2000 Nr. 119 E. 2c. 233 V. THUR/PETER, § 10 S. 73; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 71. 234 WEBER, BK, Art. 73 OR N 113. 235 BGE 52 II 215 E. 3. 236 WEBER, BK, Art. 73 OR N 115. 237 BGE 52 II 215 E. 5; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 75; V. THUR/PETER, § 10 S. 73; a.M.: HGer ZH v. 12.10.1964,

ZR 1965 Nr. 147 E. IV. 238 WALDER-RICHLI/GROB-ANDERMACHER, § 17 N 1. 239 Gib mir die Tatsachen, ich werde die das Recht geben; BERGER/GÜNGERICH, N 500. 240 WALDER-RICHLI/GROB-ANDERMACHER, § 17 N 2.

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§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________

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notwendig sind.241 Die Verteilung der Beweislast ist insbesondere deshalb entscheidend,

weil es sich bei der Bestimmung des Zinssatzes um eine Frage der Beweiswürdigung und

Tatsachenfeststellung handelt, so dass entsprechende Feststellungen der Überprüfung durch

eine Berufungsinstanz entzogen bleiben.242 Kann vor Gericht nicht der Nachweis des

vereinbarten Zinssatzes erbracht werden oder wird er nicht rechtzeitig im Rahmen der

Beweiserhebung im kantonalen Verfahren erbracht, so kann der Richter keinen

abweichenden Zinssatz anwenden und muss auf den subsidiären Zinssatz im allgemeinen

Zinsartikel (Art. 73 Abs. 1 OR) bzw. im Verzugsrecht (Art. 104 Abs. 1 OR) zurück-

greifen.243 Dies ist als Folge der Beweislosigkeit aufgrund der gesetzlichen Beweislast-

verteilung gerechtfertigt, führt allerdings durch die Anwendung der geringen subsidiären

Zinssätze leicht zu erheblichen finanziellen Nachteilen für den Gläubiger. Hingegen führt

die Beweislosigkeit nach Ansicht des Bundesgerichts in der Regel „nicht zum Ausschluss

jeglichen Zinses, was der Abmachung der Parteien offensichtlich widersprechen würde“244,

obwohl die Zinslosigkeit m.E. ebenfalls eine gerechtfertigte Folge der Beweislosigkeit des

Gläubigers wäre. In diesem Sinn hat das Bundesgericht in einem jüngeren Entscheid,

allerdings ausdrücklich ohne von der bestehenden Praxis (BGE 126 III 189) abweichen zu

wollen, entschieden, dass der subsidiäre Zinssatz auf ein Darlehen keine Anwendung finden

soll, wenn die Parteien zwar einen flexiblen Referenzzins vereinbart haben245, aber die

beweispflichtige Partei die tatsächliche Höhe des Zinssatzes nicht nachgewiesen hat. Anders

als im zuvor genannten Entscheid weigert sich das Bundesgericht damit den subsidiären

Zinssatz zuzusprechen, da nicht bewiesen sei, dass der flexible Referenzzins jemals das

Niveau von 5% erreicht habe.246 Dadurch scheint das Bundesgericht verhindern zu wollen,

dass die beweispflichtige Partei den ihr obliegenden Beweis bewusst unterlässt, um in den

Genuss des im Einzelfall höheren subsidiären Zinssatzes zu gelangen. Offen bleibt hingegen

eine substanzielle Begründung dieser Rechtsprechung, wenn das Bundesgericht seine

Abgrenzung an der Höhe eines nicht nachgewiesenen Zinssatzes vornimmt und sich zudem

grundsätzlich weigert diesen Zinssatz selbst zu bestimmen, weil auch ein Marktzins wie ein

LIBOR keine notorisch bekannte Tatsache sei, die vor Gericht von den Parteien nicht

bewiesen werden brauche.247 Nach diesem Entscheid ist es unklarer denn je, unter welchen

Umständen das Bundesgericht zukünftig bei Beweislosigkeit einen subsidiären Zinssatz

anwenden oder dem Gläubiger keinen Zins zusprechen wird.

241 BGE 126 III 189 E. 2b = Pra 2000 Nr. 119 E. 2b; BERGER/GÜNGERICH, N 500 ff.; HABSCHEID (1990), N 644. 242 BGE 116 II 196 E. 3a; BGE 122 III 219 E. 3b, c. 243 BGE 126 III 189 E. 2c = Pra 2000 Nr. 119 E. 2c; WEBER, BK, Art. 73 OR N 121, 126 f. 244 BGE 126 III 189 E. 2c = Pra 2000 Nr. 119 E. 2c. 245 i.c. 3-Monats-LIBOR auf ECU. 246 Im Gegensatz zum nachgewiesenen Anfangsniveau in BGE 126 III 189. 247 BGE 134 III 224 E. 7 = Pra 2008 Nr. 143 E. 7.

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§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________

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IX. ABGRENZUNGEN

An den Begriff des Zinses knüpfen verschiedene spezielle Rechtsfolgen an, die in

diesem Abschnitt bereits teilweise dargestellt wurden. Daher muss der Zins im Sinne des

schweizerischen Rechts von anderen periodisch fällig werdenden Leistungen bzw. solchen

mit ähnlicher wirtschaftlicher Funktion unterschieden und abgegrenzt werden. Dabei ist

auch die allgemeine Regel falsa demonstratio non nocet gem. Art. 18 Abs. 1 OR zu

beachten, so dass unabhängig von der durch die Parteien verwendeten Bezeichnung ein Zins

im Rechtssinne vorliegt wenn alle Begriffselemente einer Zinsschuld gegeben sind.248

A MIET- UND PACHTZINSEN

Eindeutig keine Zinsen im Rechtssinne sind Miet- und Pachtzinsen, auch wenn sie

im üblichen Sprachgebrauch ungenau als Zinsen bezeichnet werden und obwohl auch der

Gesetzgeber diese unpräzisen Begriffe verwendet (Vgl. Art. 257, 281 OR). Bei beiden

handelt es sich zwar um periodisch entstehende und fällig werdende Leistungen, allerdings

haben sie ihren rechtlichen Entstehungsgrund nicht in der Überlassung eines Wertes (z.B.

Kapital), sondern in der zeitweiligen Überlassung einer bestimmten Sache oder einer

Mehrzahl spezifischer Sachen zu deren Gebrauch. Die vom Gesetzgeber gewollte und in der

Lehre einhellig vertretene Differenzierung zwischen den drei Begriffen zeigt sich z.B. bei

den Bestimmungen zur Verjährung; Art. 128 Ziff. 1 OR nennt in seiner nicht-

abschließenden Aufzählung explizit Miet-, Pacht- und Kapitalzinsen.249

B AMORTISATIONSZAHLUNGEN

Ebenfalls kein Zins im rechtlichen Sinne sind Amortisationszahlungen. Sie erfolgen

zwar häufig auch in regelmäßigen Abständen, aber sie sind keine Gegenleistung bzw.

Vergütung für die Überlassung von Kapital, sondern Rückzahlungen einer bestehenden

Kapitalschuld. Amortisationszahlungen können auch in Form von sog. Annuitäten auftreten.

Dabei handelt es sich um im Betrag konstante Raten über die Laufzeit der Kapitalschuld, die

einen Anteil Zins- und Tilgungszahlung beinhalten. Im Zeitverlauf nimmt dabei der als Zins

zu qualifizierende Anteil ab, während der Amortisationsbetrag ansteigt.250

248 BGE 52 II 228 E. 3. 249 Zum Abschnitt: WEBER, BK, Art. 73 OR N 28; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 14; V. THUR/PETER, § 10 S. 69;

MERZ, SPR VI/1, S. 176; GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2351; V. BÜREN, S. 39. 250 Vgl. WEBER, BK, Art. 73 OR N 30; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 16 f.; V. THUR/PETER, § 10 S. 69;

GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2352; V. BÜREN, S. 39.

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§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________

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C DIVIDENDEN UND GEWINNANTEILE

Dividenden und Gewinnanteile, die von juristischen Personen ausgezahlt werden,

stellen keine Zinsen auf das einbezahlte Kapital der Gesellschafter dar, sondern sind der

Anteil der Gesellschafter an den ausgeschütteten Gewinnen, d.h. am Geschäftserfolg der

Gesellschaft.251 Die Höhe der Ausschüttung bestimmt sich im Verhältnis zum Anteil am

Nominalkapital der Gesellschaft. Die Ausschüttung von eigentlichen Zinsen auf das

Gesellschaftskapital ist bei den beiden wichtigsten Gesellschaftsformen sogar ausdrücklich

verboten (vgl. Art. 675 Abs. 1 und Art. 804 Abs. 2 OR).252 Zinsen im Rechtssinne können

hingegen in der Kollektiv- und der Kommanditgesellschaft an die Gesellschafter ausgezahlt

werden (Art. 558 Abs. 2 OR).253

D RENTENLEISTUNGEN

Renten sind nach SCHRANER „gleichartige, regelmäßig wiederkehrende Leistungen

(meistens Geldleistungen), die entweder für einen von vornherein bestimmten oder noch

ungewissen Zeitraum, z.B. für die Lebensdauer des Berechtigten, geschuldet werden“254. Sie

haben ihre Entstehungsgrundlage nicht in der zeitweisen Überlassung einer Kapitalsumme

(fehlende Akzessorietät), sondern der Anspruch auf Rentenzahlungen hat einen eigenen

rechtlichen Entstehungsgrund. Die einzige Verpflichtung des Schuldners besteht in der

periodischen Zahlung der Renten, hingegen nicht in der Rückzahlung einer Kapitalsumme.

Es kann aber vorkommen, dass regelmäßige Zahlungen z.B. aus einer Anleihe im

allgemeinen Sprachgebrauch als Renten bezeichnet werden, obwohl es sich rechtlich um

Zinsen handelt und diese folglich auch als solche zu behandeln sind.255

E PROVISIONEN

Provisionen und andere Kreditkosten werden häufig wie Zinsen im Verhältnis zum Wert

eines Geldbetrags berechnet. Dennoch sind sie nicht als Zinsen zu qualifizieren, wenn ihre Höhe

nicht in Abhängigkeit zur Laufzeit des überlassenen Kapitals steht. Dies betrifft z.B. einmalig

fällig werdende Bearbeitungsgebühren, Bereitstellungsprovisionen oder Vermittlungsprovisionen.

Falls der Betrag einer solchen Provision hingegen unter Einbezug einer zeitlichen Komponente

(i.d.R. Kreditlaufzeit) berechnet wird, dann liegt, z.B. bei Darlehensverträgen, regelmäßig eine

Vergütung für die Entbehrung des Gläubigers und damit ein Zins vor. Die Abgrenzung ist im

251 MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, § 16 N 115, § 18 N 49, § 19 N 54. 252 Siehe § 14. 253 WEBER, BK, Art. 73 OR N 36 f.; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 19 f.; V. THUR/PETER, § 10 S. 70; MERZ, SPR VI/1,

S. 176; siehe § 12. 254 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 15. 255 WEBER, BK, Art. 73 OR N 31; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 15; V. THUR/PETER, § 10 S. 69; MERZ, SPR VI/1, S. 176.

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§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________

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Einzelfall und unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Umstände vorzunehmen, um zu

verhindern, dass z.B. Maximalzinsbestimmungen umgangen werden.256

F ZUSCHLÄGE UND ABSCHLÄGE BEI DARLEHENSVERTRÄGEN

Zuschläge und Abschläge, die bei der Aus- oder Rückzahlung einer Valuta vor-

genommen werden und die nicht in Abhängigkeit zur Laufzeit der Überlassung stehen, sind

i.d.R. nicht als Zinsen im rechtlichen Sinn zu qualifizieren, obwohl sie häufig mit der Höhe

des nominalen Zinssatzes zusammenhängen. Dies gilt sowohl für die Auszahlung einer

Valuta unter ihrem Nominalwert, als auch für eine Rückzahlungsverpflichtung von mehr als

100% der Valuta. Allerdings ist auch in diesen Fällen individuell zu prüfen, ob ein Zuschlag

oder Abzug tatsächlich nicht von der Laufzeit abhängig ist, da andernfalls von einem Zins

auszugehen ist.257 In diesem Sinn hat das Bundesgericht in einem grundlegenden Entscheid

eine dreiprozentige Bankkommission über eine feste fünfjährige Kreditlaufzeit als Zins

qualifiziert, da unbestritten gewesen sei, dass „die Höhe der Vergütung, welche der Kläger

durch den (…) vorgenommenen Abzug der dreiprozentigen sog. Provision geleistet hat,

nach der Dauer des Darlehensverhältnisses berechnet worden“ war. Daher konnte bei der

vorzeitigen Rückzahlung der Valuta der Abzug pro rata zurückgefordert werden.258

G DISKONT

Der Begriff des Diskonts bezeichnet einen Abzug „der bei der Abtretung einer noch

nicht fälligen unverzinslichen Forderung vom Nominalbetrag gemacht wird“259. Diese Form

des Abzugs kommt insbesondere bei der Indossierung von Wechseln zur Anwendung und

wird i.d.R. in Prozenten der zugrundeliegenden Wechselforderung berechnet. Wirtschaftlich

betrachtet ist der Diskont zwar die Vergütung für die ausgezahlte Geldsumme, allerdings

entsteht aus dem Diskontgeschäft keine Kapitalschuld des Abtretenden. Damit fehlt ein

notwendiges Begriffselement einer Zinsschuld im juristischen Sinn. Abgesehen von der

Anwendung im Bereich der Forderungsabtretung hat der Diskont nach WEBER hingegen den

Charakter eines Zinses.260

X. ZUSAMMENFASSUNG

Die Zinsforderung ist hinsichtlich ihrer Entstehung und ihres Umfangs von der

Hauptforderung abhängig, vorbehaltlich der Verselbstständigung der Zinsforderung durch

256 WEBER, BK, Art. 73 OR N 32 ff.; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 15; V. THUR/PETER, § 10 S. 69; MERZ, SPR VI/1, S. 176. 257 WEBER, BK, Art. 73 OR N 32 ff.; V. THUR/PETER, § 10 S. 69 f. 258 BGE 52 II 228 E. 3, 4. 259 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 21. 260 WEBER, BK, Art. 73 OR N 29; V. THUR/PETER, § 10 S. 70.

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§ 3 DIE ZINSFORDERUNG __________________________________________________________________________

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Vereinbarung oder Verbriefung. Sie wächst zudem über die Laufzeit der Hauptforderung an

und ist grundsätzlich in der gleichen Gattung wie jene zu erbringen, d.h. sie ist regelmäßig

eine Geldforderung, wobei gewisse Abweichungen vom Prinzip der Stoffgleichheit,

zumindest für wirtschaftlich vergleichbare Geschäfte, zulässig sein sollten. Der rechtliche

Grund für die Entstehung der Zinsforderung als juristische Frucht kann entweder in einer

Parteivereinbarung oder einer gesetzlichen Bestimmung enthalten sein. Zinsen die allein

aufgrund einer Entscheidung des Gerichts entstehen kennt das schweizerischen Recht nicht.

Nur in vereinzelten Fällen bestimmt das Gesetz ein absolutes Verbot der Vereinbarung von

Zinsen.

Die Höhe der Zinsforderung bestimmt sich primär nach der Vereinbarung der

Parteien. Falls die Parteien keine Vereinbarung über den anwendbaren Zinssatz getroffen

haben oder dieser nicht nachweisbar ist, kommen die dispositiven Zinsbestimmungen des

Gesetzes zur Anwendung, die entweder auf die ortsüblichen Zinssätze verweisen oder

subsidiäre Zinssätze vorgeben. Subsidiär gilt ein allgemeiner Zinssatz von 5% p.a.

Vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung bestimmt sich die Fälligkeit der

Zinsforderung nach den allgemeinen Bestimmungen des OR. Ebenso erlöscht die

Zinsforderung nach den allgemeinen schuldrechtlichen Regeln durch Erfüllung,

Verrechnung, Erlass, Vereinigung oder Novation. Die Verjährung richtet sich nach den

Bestimmungen für periodische Leistungen, mit einer Frist von fünf Jahren, allerdings

verjährt die Zinsforderung spätestens zusammen mit der Hauptforderung, sofern sie nicht in

einem Wertpapier verselbstständigt wurde. Die verkürzte Verjährungsfrist gilt zudem nicht

für Zinsforderungen, die mit der Hauptforderung zusammengewachsen sind, wie der

Bereicherungszins oder der Zins auf Verwendungsersatz.

Die Zinsforderung kann zusammen mit der Hauptforderung oder separat abgetreten

werden, wobei eine gesetzliche Vermutung für den Übergang der rückständigen und

laufenden Zinsen mit der Hauptforderung spricht. Gleiches wird für die Übernahme der

Schuld mit Zinsen durch einen neuen Schuldner angenommen, wobei abweichende

Vereinbarungen möglich sind. Die Zinsforderung kann gemeinsam mit der Hauptforderung

oder separat eingeklagt und in Betreibung gesetzt werden. Die Beweislast für die Höhe der

Zinsforderung bzw. für die zur Berechnung notwendigen Tatsachen liegt beim Gläubiger,

der diesen Zinssatz einfordert. Kann er den Beweis nicht erbringen, dann hat er die Folgen

der Beweislosigkeit zu tragen, was i.d.R. eine Beschränkung auf einen dispositiven oder

subsidiären gesetzlichen Zinssatz bedeutet. Vor dem Hintergrund der neuesten Recht-

sprechung des Bundesgerichts kommt hingegen, zumindest im Darlehensrecht, auch die

Verweigerung einer Verzinsung als Folge der Beweislosigkeit des Gläubigers in Bezug auf

die Höhe des Zinssatzes in Betracht. Unklar bleibt allerdings, ob dies einen Widerspruch

zum geltenden Recht darstellt, das einen allgemeinen subsidiären Zinssatz in Art. 73 Abs. 1

OR vorsieht.

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN __________________________________________________________________________

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN

Das schweizerische Privatrecht wird vom Grundsatz der Vertragsfreiheit bestimmt,

daher steht es den Vertragsparteien frei, für die Überlassung einer Kapitalsumme eine

Vergütung zu vereinbaren und deren Konditionen festzulegen. Sofern aber diese Vergütung

gemäß den Kriterien des vorherigen Kapitels als Zins zu qualifizieren ist, werden der

Freiheit der Parteien Grenzen durch die Rechtsordnung gesetzt. Dabei handelt es sich

zunächst um zivilrechtliche Bestimmungen über die Zinshöhe und grundlegende Regeln des

allgemeinen Schuldrechts. Aber auch aus Normen des öffentlichen Rechts des Bundes und

der Kantone sowie des Strafrechts können sich Beschränkungen der Vertragsfreiheit

ergeben. Die nachfolgenden Ausführungen sollen diese Schranken darstellen und aufzeigen

wann sie anwendbar sind. Außerdem wird die Frage betrachtet, ob ein allgemeingültiger

privatrechtlicher Maximalzinssatz aus Gesetz oder Gewohnheitsrecht existiert.

I. ÖFFENTLICH-RECHTLICHE EINSCHRÄNKUNGEN

Art. 73 Abs. 2 OR stellt einen Vorbehalt zur Beschränkung der Vertragsfreiheit durch

das öffentliche Recht auf, um dem Gesetzgeber zu ermöglichen gegen „Missbräuche im

Zinswesen“ vorzugehen. Eine korrespondierende Bestimmung existierte bereits im aOR von

1881. Im Gegensatz zum damaligen Art. 83 Abs. 2 aOR beschränkt der Artikel in seiner

heute gültigen Fassung diese Kompetenz aber nicht mehr auf die kantonale Gesetzgebung.

Es handelt sich um einen „unechten Vorbehalt“261, da die Kantone gemäß Art. 6 Abs. 1 ZGB

auch ohne eine entsprechende Norm zur öffentlich-rechtlichen Gesetzgebung zum Schutz

des Schuldners als schwächere Vertragspartei befugt wären. Außerdem wird dem

kantonalen öffentlichen Recht, über den bloßen Vorbehalt hinaus, im Bereich des

Zinswesens „bundesrechtlich eine expansive Kraft“ und eine „Unabhängigkeit vom Bundes-

zivilrecht“ zuerkannt.262 Da aber auch der Bundesgesetzgeber zuständig ist, würde eine

eidgenössische Gesetzgebung in diesem Bereich die kantonalen Regelungen aufgrund der

derogatorischen Kraft des Bundesrechts überlagern. Auf Bundesebene ist diese Kompetenz

bisher nur zu einem Teil im Konsumkreditgesetz wahrgenommen worden. In dessen

Anwendungsbereich verbleibt daher kein Raum für kantonale Vorschriften.263 Andere

kantonale Bestimmungen zum Zinswesen haben hingegen weiterhin Bestand. Zudem

unterstehen Kredite seit 1991 auch dem Preisüberwachungsgesetz264 (Art. 1 PüG).

261 HUBER, BK, Art. 6 ZGB N 102; TRAUFFER, BSK, Art. 795 ZGB N 2; HÄFELIN/HALLER/KELLER, N 1158. 262 BGE 119 Ia 59 E. 2c; HUBER, BK, Art. 6 ZGB N 70, 98; EGGER, ZK, Art. 6 ZGB N 16 ff. 263 GIGER, BK, KKG, S. 167 f. 264 Preisüberwachungsgesetz vom 20. Dezember 1985 (PüG), SR 942.20.

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN

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A KONSUMKREDITGESETZ

Mit der Inkraftsetzung des revidierten Konsumkreditgesetzes (KKG)265 von 2001

und 2003 hat der Bundesgesetzgeber einen in der gesamten Schweiz geltenden Höchstzins-

satz für Konsumkredite eingeführt, während noch 1993/1994 in Anlehnung an die

entsprechende Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft266 darauf verzichtet worden war.

Der Höchstzinssatz gilt für alle Kredite, die gewerbsmäßige Kreditgeber an Konsumenten

gewähren. Als Konsumenten gelten Personen welche die Kredite außerhalb ihrer beruflichen

oder gewerblichen Tätigkeit aufnehmen. Art. 14 KKG weist dem Bundesrat die Kompetenz

zu auf dem Verordnungsweg den Höchstzinssatz festzulegen. Als Leitlinie bestimmt Art. 14

Satz 2 KKG in nicht bindender Form, dass der Höchstzinssatz in der Regel 15% p.a. nicht

übersteigen sollte. Dieser Satz orientiert sich an der früheren kantonalen Gesetzgebung, die

regelmäßig einen Zinssatz in dieser Höhe vorsah.267 Der Bundesrat hat in der Verordnung

zum Konsumkreditgesetz (VKKG)268 den Höchstzinssatz auf derzeit 15% p.a. festgelegt,

wobei der effektive Jahreszinssatz nach Art. 33 f. KKG maßgeblich ist.269 Die Erlassform

der Verordnung erlaubt es dem Bundesrat den Zinssatz einfach und flexibel den

ökonomischen Gegebenheiten anzupassen. Für den Fall eines Verstoßes gegen den

Höchstzinssatz bestimmt Art. 15 Abs. 1 KKG die Nichtigkeit des betroffenen Kredit-

vertrages. Dieser fällt vollständig dahin und wird für den Schuldner zu einem Gratis-

darlehen. Er muss gemäß Art. 15 Abs. 2 und 3 KKG die Kreditsumme bis zum Ende der

Laufzeit in gleich hohen, vermutungsweise monatlichen Raten zurückzahlen, aber er

schuldet dem Gläubiger weder Kosten, noch Zinsen.270 Eine Reduzierung auf das

gesetzliche Maximum oder einen üblichen Zinssatz am Markt kommt aus Gründen der

Strafe und der Prävention nicht in Betracht.

B EINSCHRÄNKUNGEN IM KANTONALEN RECHT

1. INTERKANTONALES KONKORDAT VON 1957

Auch nach der Einführung des Konsumkreditgesetzes auf Bundesebene behalten

die Kantone weiterhin ihre Zuständigkeit für Kredite die nicht in den Anwendungsbereich

des KKG fallen. Dennoch haben beinahe alle beteiligten Kantone das Interkantonale

265 Bundesgesetz vom 23. März 2001 über den Konsumkredit (KKG), SR 221.214.1. 266 RICHTLINIE 87/102/EWG DES RATES vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und

Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit (ABl. Nr. L 42 vom 12.02.1987),

revidiert durch die RICHTLINIE 90/88/EWG vom 22. Februar 1990 (ABl. Nr. L 61 vom 10.03.1990). 267 GIGER, BK, KKG, S. 243 f. 268 Verordnung vom 6. November 2002 zum Konsumkreditgesetz (VKKG), SR 221.214.11. 269 Siehe § 2 III B 4. 270 GIGER, BK, KKG, S. 243 f.

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN __________________________________________________________________________

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Konkordat über Maßnahmen zur Bekämpfung von Missbräuchen im Zinswesen vom

8. Oktober 1957271 verlassen, nachdem das KKG das Konkordat in einem überwiegenden

Teil seines Anwendungsbereichs verdrängt hatte. In dem Konkordat hatten sich zuletzt

neun, vorrangig westschweizer Kantone272 zusammengeschlossen, um eine einheitliche

Missbrauchsgesetzgebung aufzustellen. Gestützt auf die Kompetenz aus Art. 73 Abs. 2 OR

wurde in Art. 1 des Konkordats ein Höchstzinssatz für Gelddarlehen in Höhe von maximal

1,5% pro Monat statuiert. Dieser Satz war als Gesamtentschädigung definiert und bestand

aus zwei Komponenten, namentlich maximal 1% für Zinsen, Provisionen, Kommissionen

und Gebühren sowie 0,5% für ausgewiesene Auslagen und Kosten. Entsprechend ergab sich

ein maximaler Jahreszins von 18%.273 Durch die beiden Komponenten sollte verhindert

werden, dass eigentliche Zinsen in Form von Gebühren oder Auslagen verrechnet und

dadurch die Schutzbestimmungen umgangen wurden.274 Rein deklaratorisch war der

ausdrückliche Vorbehalt des Strafrechts bzw. des Wuchertatbestands nach Art. 157 StGB

(Art. 13 Abs. 3 und Art. 15). Einzelne Teile des Konkordats wurden vom Bundesgericht am

4. März 1959 im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde aufgehoben. Da der Entscheid

unveröffentlicht blieb sind die Gründe dafür unbekannt.275

Der Schutz des Konkordats wird heute durch das gesamtschweizerische Konsumkredit-

gesetz und dessen Höchstzinssatz sowie ergänzend durch das Wettbewerbsrecht276

gewährleistet. Daneben bestand kein Raum mehr für eine Anwendung des Konkordats.277

2. KANTONALE HÖCHSTZINSVORSCHRIFTEN

Verschiedene Kantone die nicht dem vorgenannten Konkordat beigetreten waren,

hatten in der Vergangenheit ebenfalls gestützt auf Art. 73 Abs. 2 OR Höchstzinsvorschriften

im kantonalen Recht erlassen.278 Diese fanden sich zumeist in den kantonalen Einführungs-

gesetzen zum ZGB (EGZGB), wobei die Mehrzahl dieser Kantone die entsprechenden

Bestimmungen bis heute aufgehoben hat.279 Hingegen bestimmt im Kanton Zürich noch

immer Art. 215280 Abs. 1 EGZGB ZH281 eine maximale Höhe der Kreditkosten für

271 SR 221.121.1 (nicht mehr publiziert), AS 1958, 374. 272 BE (Austritt nach Beschluss vom 23.03.2006), ZG (Austritt nach Beschluss vom 30.11.2006), FR (Austritt nach

Beschluss vom 06.11.2003), SH (Austritt nach Beschluss vom 01.03.2004), VD (Austritt nach Beschluss vom

09.08.2006), VS (Austritt nach Beschluss vom 13.05.2004), NE (Austritt nach Beschluss vom 25.06.2003), GE

(Austritt nach Beschluss vom 24.10.2003), JU; vgl. REGIERUNGSRAT DES KANTONS ZUG, S. 5. 273 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 101. 274 WEBER, BK, Art. 73 OR N 138. 275 CHRIST, SPR VII/2, S. 247 f.; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 102; WEBER, BK, Art. 73 N 139; AS 1959, 626, 994. 276 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), SR 241. 277 REGIERUNGSRAT DES KANTONS ZUG, S. 3 f. 278 WEBER, BK, Art. 73 OR N 140. 279 BE, BL, BS, NE, SG, SH. 280 Vormals Art. 213 EGZGB ZH in der Fassung vom 22.11.1942.

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN

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sämtliche nicht dem KKG unterstehenden Kredite von 18% p.a.282 Als Kreditkosten zählen

dabei sämtliche „Beträge, die der Kreditnehmer zusätzlich zum beanspruchten Kredit

schuldet“. Für die Berechnung des jährlichen Zinssatzes von Teilzahlungskrediten und

anderen Darlehen mit „periodisch sinkender Beanspruchungsgrenze“ verweist das Gesetz

auf die Bestimmungen zur Berechnung des effektiven Jahreszinssatzes in Anhang 1 zum

KKG (Art. 215 Abs. 1 Satz 2 EGZGB ZH). In wenigen weiteren Kantonen283 bestehen

zudem Höchstzinsvorschriften für grundpfandgesicherte Forderungen, die gestützt auf den

gesetzlichen Vorbehalt in Art. 795 Abs. 2 ZGB aufgestellt wurden. Dieser ebenfalls unechte

Vorbehalt entspricht in seiner Wirkung Art. 73 Abs. 2 OR, aber er behält ausdrücklich nur

das kantonale Recht vor,284 wobei die Lehrmeinungen auseinandergehen, ob er sich auf das

Privatrecht und das öffentliche Recht bezieht285, ausschließlich auf das öffentliche Recht286

oder nur das Privatrecht287. Die übrigen Kantone, die einmal entsprechende Bestimmungen

vorsahen, haben diese inzwischen abgeschafft.288

3. RECHTSFOLGEN

Darlehensverträge, die dem interkantonalen Konkordat von 1957 unterstanden und

gegen dessen Bestimmungen verstießen, waren widerrechtlich und daher nichtig nach Art.

20 OR. Bezüglich der Rechtsfolge wurde nicht zwischen einem Verstoß gegen kantonales

oder Bundesrecht differenziert.289 Die zivilrechtliche Wirkung der kantonalen Missbrauchs-

bestimmungen ergibt sich bereits aus dem Vorbehalt von Art. 73 Abs. 2 OR und kann nicht

davon abhängen, ob das Konkordat die Nichtigkeitsfolge eigens festlegt oder nicht.290

Allerdings hat das Bundesgericht entschieden, dass z.B. bei einem Darlehensvertrag nicht

zwangsläufig Ganznichtigkeit vorliegen müsste. Beim Darlehen als unvollkommen

zweiseitigem Vertrag könne regelmäßig die Teilbarkeit des Vertrages angenommen werden,

da dieser nicht aus Leistung und Gegenleistung, sondern aus einer „Leistung nebst

Verpflichtung zur späteren Rückleistung“ bestehe. Die Verzinsung sei als optionale

Gegenleistung nicht begriffswesentlich und der Teilnichtigkeit nach Art. 20 Abs. 2 OR

281 Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch (EG zum ZGB) vom 2. April 1911, OS 230. 282 Dazu: PERREN, S. 29 ff. 283 NE, TI, AR, VS (Kompetenz zur Festlegung eines Maximalzinssatzes per Verordnung des Staatsrates derzeit nicht

genutzt), BL (Verbot von Strafzinsen), SO (Verbot von Strafzinsen); vgl. DUERR, ZK, Art. 795 ZGB N 57 ff. 284 HUBER, BK, Art. 6 ZGB N 102; TRAUFFER, BSK, Art. 795 ZGB N 2. 285 WEBER, BK, Art. 73 OR N 136; 286 TRAUFFER, BSK, Art. 795 ZGB N 2. 287 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 104; LEEMANN, BK, Art. 795 ZGB N 10. 288 Vgl. den Rechtsstand von 1925: LEEMANN, BK, Art. 795 ZGB N 19 ff. 289 BGE 80 II 327 E. 2. 290 BGE 80 II 327 E. 2, 3.

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN __________________________________________________________________________

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zugänglich. Zum Schutz der öffentlichen Ordnung genüge es, wenn die Verzinsung auf ein

erlaubtes Maß herabgesetzt werde; Ganznichtigkeit sei nicht zwingend notwendig.291

Für Zinsvereinbarungen die gegen die o.g. Höchstzinsbestimmungen einzelner Kantone,

insbesondere Art. 215 Abs. 1 EGZGB ZH, verstoßen, gelten die gleichen Rechtsfolgen. Es

ist von Nichtigkeit wegen Widerrechtlichkeit nach Art. 20 OR mit der Möglichkeit der

Teilnichtigkeit auszugehen. Das Bundesgericht hat dies in stetiger Rechtsprechung,

hauptsächlich zum Zürcher EGZGB, entsprechend entschieden.292 Der vereinbarte Zinssatz

wird in der Praxis regelmäßig unter Anwendung von Art. 20 Abs. 2 OR auf das gesetzlich

zulässige Maß reduziert („sog. modifizierte Teilnichtigkeit, für die auch der Ausdruck

Reduktion verwendet wird“293).294

II. ZIVILRECHTLICHE ZINSBESCHRÄNKUNGEN

A ALLGEMEINE RECHTSGRUNDSÄTZE

Der Bundesgesetzgeber hat darauf verzichtet einen allgemeinen Maximalzinssatz im

Zivilrecht festzulegen. Dennoch bleibt die Zinshöhe auch dann nicht vollständig der Partei-

autonomie überlassen, wenn keine der zuvor genannten Beschränkungen des kantonalen

Rechts oder des Konsumentenschutzrechtes anwendbar ist. In jedem Fall anwendbar sind

die Inhaltsschranken des Allgemeinen Teils des Obligationenrechts, namentlich die

Sittenwidrigkeit (Art. 20 Abs. 1 OR) und die Übervorteilung (Art. 21 Abs. 1 OR).

1. INHALTSSCHRANKEN

a. GRUNDLAGEN

Art. 19 Abs. 1 OR beinhaltet den allgemeinen Grundsatz der Inhaltsfreiheit als

wichtigsten Teilaspekt der Vertragsfreiheit, unter dem Vorbehalt der gesetzlichen Inhalt-

schranken. Unzulässig sind nach Art. 19 Abs. 2 OR insbesondere Vereinbarungen die gegen

zwingende Bestimmungen (ius cogens), die öffentliche Ordnung, die guten Sitten oder die

Persönlichkeitsrechte verstoßen oder eine unmögliche Leistung zum Gegenstand haben.295

Der Inhalt eines Vertrags darf demnach nicht gegen zwingendes schweizerisches Privatrecht

und öffentliches Recht verstoßen und er muss die Regeln der öffentlichen Ordnung

beachten, wobei die Bedeutung des zweiten Kriteriums umstritten ist. Nach einer

291 BGE 80 II 327 E. 4; BGE 93 II 189. 292 BGE 80 II 327 E. 2 ff.; BGE 93 II 189; BGE 96 I 4 E. 2 f. 293 SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 116. 294 V. THUR/PETER, § 29 S. 227 f.; TRAUFFER, BSK, Art. 795 ZGB N 2; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 116. 295 KRAMER, BK, Art. 19/20 OR N 128.

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN

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Lehrmeinung wird darunter ein Verstoß des Inhalts gegen öffentliches Recht verstanden,296

nach einer anderen bezieht sich der Begriff auf das Privatrecht297 und nach einer dritten

Auffassung sind „die der Rechtsordnung immanenten Wertungs- und Ordnungs-

prinzipien“298 gemeint. Dabei handelt es sich um „nicht in ausdrücklichen zwingenden

Einzelnormen konkretisierte Prinzipien der schweizerischen Rechtsordnung“299.300

Der Begriff der guten Sitten wird ebenfalls nicht einheitlich verstanden. Nach

einer extensiven Auslegung verstößt ein sittenwidriger Vertrag gegen „die herrschende

Moral“, „das allgemeine Anstandsgefühl“ bzw. „die der Rechtsordnung immanenten

ethischen Prinzipien und Wertmaßstäbe“. Dieser Auffassung ist auch das Bundesgericht mit

den zitierten Formulierungen zuzurechnen.301 Eine restriktivere Ansicht hingegen versteht

unter den guten Sitten einen Kern der konsensfähigen Konventionalethik. Im Gegenzug

werden von dieser Lehrmeinung die „der Rechtsordnung immanenten Wertungen“ dem

Begriff der öffentlichen Ordnung zugeordnet.302

Zuletzt verbleiben die Kriterien der Persönlichkeitsrechtsverletzung und der

Unmöglichkeit des Inhalts. Das Erstgenannte wird dabei häufig als Unterfall der

Sittenwidrigkeit angesehen.303 Geschützt ist insbesondere der elementare höchstpersönliche

Bereich, da dieser vertraglichen Bindungen jeglicher Form entzogen bleiben soll. Verboten

sein kann daher eine Bindung per se oder deren Umfang in sachlicher bzw. zeitlicher

Hinsicht.304 Der Fall der Unmöglichkeit hingegen bezieht sich auf Leistungen, die bereits

zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses unmöglich, d.h. von einem beliebigen Schuldner

objektiv nicht erbringbar sind, sei es aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen.305

b. SITTENWIDRIGKEIT IM BESONDEREN

Da das Bundesrecht kein allgemeines Zinsmaximum kennt, kann eine Zins-

forderung die keiner kantonalen Höchstzinsvorschrift unterliegt nicht widerrechtlich im

Sinne des Art. 19 Abs. 2 OR sein. Dennoch kann Sie unter Umständen gegen die guten

Sitten verstoßen und die Rechtsfolgen des Art. 20 Abs. 1 OR auslösen. Die Sittenwidrigkeit

als allgemeiner Rechtsgrundsatz bezieht sich auf das Verhältnis von Rechtsgeschäft und

296 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, N 648; GUHL/KOLLER, § 7 N 22. 297 V. THUR/PETER, § 31 S. 250. 298 HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 23. 299 KRAMER, BK, Art. 19/20 OR N 128. 300 KRAMER, BK, Art. 19/20 OR N 128; WENDRICH, S. 15 f.; BECKER, BK, Art. 19/20 OR N 24 ff. 301 BGE 123 III 101 E. 2; BGE 115 II 232 E. 4a; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, N 668; BUCHER, OR AT, S. 255 f. 302 HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 32; KRAMER, BK, Art. 19/20 OR N 151 ff.; 174; KELLER/SCHÖBI, Bd. I, S. 145;

V. THUR/PETER, § 31 S. 255. 303 HÜRLIMANN, N 132; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, N 656; BGE 106 II 369 E. 4 = Pra 1981 Nr. 89 E. 4. 304 HUGUENIN, BSK, Art. 27 ZGB N 8; BUCHER, OR AT, S. 260 ff. 305 KRAMER, BK, Art. 19/20 OR N 250 ff.; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, N 633 f.; HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 46;

GUHL/KOLLER, § 7 N 18; BGE 96 II 18 E. 2a.

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN __________________________________________________________________________

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gesellschaftlichen Normen, während die Widerrechtlichkeit und die Schranke der

öffentlichen Ordnung auf das Verhältnis von Rechtsgeschäft und Rechtsordnung abstellen.

Methodisch betrachtet ist der Begriff der guten Sitten eine Generalklausel, „durch welche

via Referenz auf das allgemeine Anstandsgefühl die Konsistenz der rechtlichen mit der

sozialen (moralisch-ethischen) Wertehierarchie sicherzustellen ist“.306 Daher muss der

Begriff der guten Sitten an veränderte gesellschaftliche Normen und Werte angepasst

werden, um den stetigen Wertewandel nachzuvollziehen. Die Aufgabe der Konkretisierung

und Fortbildung des Begriffs der guten Sitten liegt beim Richter, damit der allgemein

anerkannte Kern gesellschaftlicher Normen in die Rechtsordnung übernommen wird.307

Die Beurteilung eines Vertrages auf seine Sittenkonformität erfolgt auf den Zeitpunkt seines

Abschlusses hin. Allerdings muss diese Vorgabe hinterfragt werden, wenn der Wertewandel

seit Vertragsabschluss dazu geführt hat, dass ein Vertragsinhalt anerkanntermaßen nicht

mehr sittenwidrig ist. In diesem Fall sollte der Vertrag als gültig angesehen werden, da das

Ziel der Schranke der Sittenwidrigkeit nur darin bestehen kann tatsächlich mangelbehaftete

Vereinbarungen zu beseitigen und nicht den Vertrag an sich. Letzteres wäre jedoch der Fall,

wenn ein nicht mehr gegen die guten Sitten verstoßender Vertrag aufgehoben würde.308

Die Prüfung der Sittenwidrigkeit erfolgt am Inhalt des Vertrages, wobei der Begriff des

Inhalts nach der herrschenden Lehre weit auszulegen ist. Es sind sowohl der vereinbarte

Inhalt bzw. die Leistungen und Leistungsmodalitäten, als auch die Tatsache des Vertrags-

abschlusses mit diesem Inhalt und der gemeinsame Vertragszweck einzubeziehen.309

Nicht zu berücksichtigen sind hingegen die Umstände des Vertragsabschlusses bzw. die

Vorgänge die dazu führten.310 Ebenso müssen die Motive der Parteien außer Betracht

bleiben, da „die bloße Absicht, der Beweggrund als unausgesprochenes Motiv (…) nach

bekannter Rechtsauffassung nicht «Inhalt des Vertrags»“311 ist. Die Sittenwidrigkeit ist

daher nach allgemeiner Auffassung ein „objektives Kriterium“.312

c. PROZESSUALES

Die Sittenwidrigkeit ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts eine

Rechtsfrage und keine Tatfrage. Als solche ist sie von Amtes wegen zu beachten und kann

der Überprüfung durch das Bundesgericht vorgelegt werden.313 Als Einrede kann sie zudem

306 HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 34. 307 HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 34. 308 HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 35. 309 BGE 123 III 101 E. 2; BGE 115 II 232 E. 4a; BGE 119 II 222 E. 2; HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 17, 36;

GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, N 639 ff.; KRAMER, BK, Art. 19/20 OR N 136 ff.; HÜRLIMANN, N 104 ff. 310 BGE 84 II 13 E. 5. 311 BGE 42 II 485 E. 3. 312 HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 36; V. THUR/PETER, § 31 S. 255 f. 313 BGE 80 II 45 E. 2b; KRAMER, BK, Art. 19/20 OR N 183; OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 20 OR N 28.

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN

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jederzeit erhoben werden.314 Besondere Umstände und Tatsachen die eine übermäßig hoch

erscheinende Zinsvereinbarung rechtfertigen könnten sind gemäß Art. 8 ZGB vom

Gläubiger der Zinsforderung vorzubringen und nachzuweisen.315

d. RECHTSFOLGEN

i. GANZNICHTIGKEIT

Die gemeinsame Rechtsfolge eines widerrechtlichen, unmöglichen oder gegen die

guten Sitten verstoßenden Vertragsinhalts ist nach Art. 20 Abs. 1 OR die Nichtigkeit des

gesamten Vertrages. Dieser erzeugt daher von Beginn an keine rechtsgeschäftlichen

Wirkungen. Die Nichtigkeit liegt eo ipso vor und wirkt ex tunc, d.h. sie muss nicht erst

durch Anfechtungsklage bzw. Einrede geltend gemacht werden.316 Sie muss von Amtes

wegen berücksichtigt werden und kann von jedermann jederzeit auch gegenüber jedermann

geltend gemacht werden. Die Nichtigkeit kann nicht geheilt werden, d.h. sie unterliegt

keiner Verjährungsfrist und der Mangel kann nicht rückwirkend genehmigt werden.317

Zweck der Nichtigkeit ist die Wiederherstellung des Zustands wie er vor Vertragsabschluss

bestanden hat (status quo ante). Folglich sind bereits erbrachte Leistungen rückabzuwickeln,

da sie ohne gültigen Rechtsgrund (indebite) erbracht worden sind. Die Rückforderung

erfolgt nach den Grundsätzen der Leistungskondiktion (Art. 62 ff. OR - condictio indebiti)

bzw. aufgrund des Kausalitätsprinzips nach den Regeln der Vindikation (Art. 641 Abs. 2

ZGB - rei vindicatio) oder mittels Grundbuchberichtigungsklage (Art. 975 ZGB). Diese

Sekundäransprüche auf Rückabwicklung unterliegen den normalen Verjährungsfristen.318

In Bezug auf in Vollzug gesetzte Dauerschuldverhältnisse wird in der Lehre teilweise die ex

tunc-Wirkung der Nichtigkeit und die Rückabwicklung der erbrachten Leistungen

abgelehnt. Stattdessen wird eine Ausnahme im Sinne einer ex nunc-Wirkung der Nichtigkeit

gefordert und für die tatsächliche Laufzeit des Vertrags ein faktisches Vertragsverhältnis

angenommen (vgl. Art. 320 Abs. 2 OR zum Arbeitsvertrag).319

Neben dem traditionellen Begriff der Nichtigkeit vertritt zudem ein Teil der Lehre

für Fälle der Widerrechtlichkeit auch einen flexiblen Nichtigkeitsbegriff.320 Dieser

berücksichtigt stärker den Sinn und Zweck einer verletzten Norm und führt nur zwingend

zur Nichtigkeit wenn „diese Rechtsfolge ausdrücklich im betreffenden Gesetz vorgesehen ist

314 BGE 30 II 413 E. 3; HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 37. 315 BGE 93 II 189 E. b. 316 KRAMER, BK, Art. 19-20 OR N 308 ff.; HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 53; BGE 97 II 108 E. 4. 317 BGE 129 III 209 E. 2.2; BGE 123 III 60 E. 3b = Pra 1997 Nr. 107; BGE 111 II 134 E. 1; BGE 110 II 360 E. 4;

KRAMER, BK, Art. 19-20 OR N 315 f., 318; HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 70. 318 SCHWENZER, N 32.47; KRAMER, BK, Art. 19-20 OR N 311 f.; V. THUR/PETER, § 29 S. 225 f. 319 SCHWENZER, N 32.35; HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 57; a.M.: KOLLER, § 13 N 23 f. 320 HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 56 ff.; SCHWENZER, N 32.35 ff.

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oder sich aus Sinn und Zweck der verletzten Norm ergibt“.321 Zudem soll sich nach dieser

Auffassung nur die von einer Norm geschützte Partei auf die Nichtigkeit berufen können.

Die Pflicht zur Rückabwicklung und die Möglichkeit zur Heilung des Mangels sollten dabei

flexibel nach Maßgabe des Normzwecks gehandhabt werden.

ii. TEILNICHTIGKEIT

Neben der Ganznichtigkeit enthält das Gesetz zudem die weniger weitreichende

Folge der Teilnichtigkeit. Nach Art. 20 Abs. 2 OR soll die Nichtigkeitsfolge nur so weit

gehen wie „es der Schutzzweck der verletzten Norm verlangt“.322 Sofern nicht angenommen

werden muss, dass die Parteien den Vertrag nicht auch ohne den mangelhaften Teil

geschlossen hätten, ist nicht auf Ganznichtigkeit zu entscheiden, sondern es kann allein der

mangelbehaftete Teil nichtig sein, während der gültige Teil des Vertrags aufrechterhalten

wird (Ausdruck des Prinzips favor negotii). Dabei ist es unerheblich, ob der Mangel nur

Neben- oder auch Hauptpunkte des Vertrags betrifft.323 Unerlässliche Voraussetzung zur

Annahme der Teilnichtigkeit ist allerdings die Teilbarkeit des Vertrags, d.h. dass er sich in

einen mangelhaften und einen mangelfreien Teil trennen lässt.324 Maßgeblich für die

Entscheidung über Ganz- oder Teilnichtigkeit ist zunächst eine allfällige Vereinbarung der

Parteien. Sofern diese für den Fall der Nichtigkeit vereinbart haben, dass z.B. entweder der

ganze Vertrag dahinfallen soll (Nichtigkeitsabrede) oder dass die Nichtigkeit einer Klausel

nicht den Vertrag als Ganzes beeinträchtigen soll (salvatorische Klausel), ist dieser Wille zu

berücksichtigen.325 Fehlt eine solche Abrede, dann ist der sog. hypothetische Parteiwille

bzw. dogmatisch ausgedrückt: „die hypothetische subjektive Essentialität des nichtigen

Vertragsteils“326 maßgebend. Dieser entspricht nicht dem wirklichen bzw. empirischen

Willen den die Parteien tatsächlich in einer vergleichbaren Situation gehabt hätten,327

sondern es handelt sich nach Lehre328 und Rechtsprechung329 um das „was vernünftige und

redliche, also nach Treu und Glauben handelnde Vertragsparteien gewollt und vereinbart

hätten, wenn ihnen die Nichtigkeit eines Vertragsteils bewusst gewesen wäre“330. Falls kein

eindeutiger hypothetischer Wille ermittelt werden kann, dann ist im Zweifel die Rechtsfolge

321 BGE 134 III 52 E. 1.1. 322 BGE 123 III 292 E. 2e/aa; HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 61. 323 BGE 120 II 35 E. 4a = Pra 1995 Nr. 146 E. 4a; BGE 107 II 216 E. 3a; GUHL/KOLLER, § 7 N 39; KRAMER, BK,

Art. 19-20 OR N 326 f. 324 SCHWENZER, N 32.40; HGer ZH v. 27.06.1996, ZR 1997 Nr. 38 E. III./8.d). 325 SCHWENZER, N 32.41. 326 KRAMER, FS TANDOGAN, S. 156; KRAMER, BK, Art. 19-20 OR N 349. 327 BGE 107 II 419 E. 3b; KRAMER, FS TANDOGAN, S. 156; HÜRLIMANN, N 197 ff. 328 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, N 689; HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 63; GAUCH, recht 1983, S. 96;

V. THUR/PETER, § 29 S. 227 f.; CHRIST, SPR VII/2, S. 249; OFTINGER, ZSR 1983, S. 568a ff.; TANDOGAN, S. 76. 329 BGE 124 III 57 E. 3c; BGE 120 II 35 E.4b = Pra 1995 Nr. 146; BGE 107 II 216 E. 3b; HGer ZH v. 14.12.1981,

ZR 1982 Nr. 77 E. 5.3.1.1. 330 HÜRLIMANN, N 213.

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN

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mit den geringeren Auswirkungen zu wählen, da das Recht primär den Mangel beseitigen

will und nicht den Vertrag als Ganzes. Allfällig entstehende Lücken im aufrechterhaltenen

Teil des Vertrags können zunächst durch zwingendes oder dispositives Recht und sekundär

aufgrund des hypothetischen Parteiwillens ergänzt werden.331 Im Ergebnis ist jene

Ersatzlösung zu wählen, die der ursprünglichen Vereinbarung möglichst nah kommt, d.h.

möglichst wenig vom Parteiwillen abweicht.332 Bleibt von einem teilbaren Vertrag nur der

wirksame Rest bestehen, spricht man von „schlichter Teilnichtigkeit“, wird aber der

mangelhafte Vertragsteil angepasst bzw. ergänzt, so liegt ein Fall von „modifizierter

Teilnichtigkeit“ vor.333 Ist der Vertrag nicht teilbar, so ist unabhängig vom hypothetischen

Parteiwillen auf Ganznichtigkeit zu entscheiden.334

iii. GELTUNGSERHALTENDE REDUKTION

In Anlehnung an diverse Spezialbestimmungen im OR (Art. 163 Abs. 3, Art. 417,

Art. 340a Abs. 2 OR) wird in Lehre und Rechtsprechung zudem das Modell der

geltungserhaltenden Reduktion für Fälle der Teilnichtigkeit angewendet. Durch „Reduktion

auf das erlaubte Maß“335 soll nur der übermäßige Teil des Vertrages teilnichtig sein,

während der Rest innerhalb der maximalen Schranken der Rechtsordnung bestehen bleibt.

Dies gilt insbesondere für Fälle übermäßiger Bindung nach Umfang oder Zeit336 und gemäß

Bundesgericht auch für überhöhte Zinsvereinbarungen.337 Allerdings wird die geltungs-

erhaltende Reduktion in der Lehre teilweise für jene Fälle abgelehnt, in denen die

Nichtigkeit aus der Verletzung einer Norm resultiert, die dem Schutz der schwächeren

Vertragspartei dient, da in diesen Fällen die Reduktion auf das erlaubte Maß Anreize zum

Missbrauch schaffen könnte, wenn der Gläubiger davon ausgehen kann, dass seine

Forderung im Fall der Geltendmachung der Nichtigkeit bloß auf das maximal zulässige Maß

herabgesetzt würde.338

iv. PROZESSUALES

Nach Art. 20 Abs. 2 OR wird bei gegebener Teilbarkeit eines Vertrages die

Teilnichtigkeit gesetzlich vermutet und ist daher die Regel, während Ganznichtigkeit die

Ausnahme darstellt. Dieses Verhältnis spiegelt sich auch in der Beweislastverteilung wieder.

331 HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 64 f.; SCHWENZER, N 32.41 f.; BGE 109 II 239 E. 3b. 332 SPIRO, ZBJV 1952, S. 462; HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 62. 333 GUHL/KOLLER, § 7 N 40; SCHWENZER, N 32.42; POLYDOR-WERNER, S. 26. 334 GUHL/KOLLER, § 7 N 39; OGer ZH v. 20.02.1987, ZR 1988 Nr. 18 E. 3; HGer ZH v. 27.06.1996, ZR 1997 Nr.

138 E. III/8d; KRAMER, BK, Art. 19/20 OR N 334 f. 335 SCHWENZER, N 32.44. 336 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, N 706; KRAMER, BK, Art. 19/20 OR N 380 ff.; SCHWENZER, N 32.43 f. 337 BGE 93 II 189 E. b; a.A.: KRAMER, BK, Art. 19/20 OR N 379. 338 SCHWENZER, N 32.45.

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN __________________________________________________________________________

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Wenn eine Partei die Ganznichtigkeit einer Vereinbarung behauptet, hat sie auch die

Beweislast für Tatsachen zu tragen, die den Schluss auf einen entsprechenden

hypothetischen Parteiwillen erlauben.339 Das gleiche gilt für jene Partei, die sich auf die

Rechtsfolge der modifizierten Teilnichtigkeit beruft. Sie muss ebenfalls die Tatsachen

vorbringen, die den Schluss auf einen entsprechenden hypothetischen Parteiwillen

erlauben.340 Die Bestimmung des hypothetischen Parteiwillens durch das Gericht ist eine

Rechtsfrage die der Überprüfung durch das Bundesgericht offen steht, wobei es an die

tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gebunden ist.341

e. SITTENWIDRIGKEIT EINER ZINSVEREINBARUNG

Durch den Bezug auf ungeschriebene soziale Normen und Wertanschauungen die

dem Wandel der Zeit ausgesetzt sind, ist der Begriff der guten Sitten per definitionem

veränderlich und unpräzise. Daher konnte sich in der Rechtspraxis auch bisher keine

generelle Schwelle durchsetzen, ab der ein vereinbarter Zinssatz sittenwidrig ist. Die

bestehenden und früheren kantonalen Zinsmaxima können gemäß Bundesgericht zwar

vergleichsweise herangezogen werden, sind aber für den Richter nicht verbindlich.342

Zudem steht es dem Gläubiger einer Zinsforderung frei, besondere Umstände der

Kapitalgewährung nachzuweisen, die den vereinbarten Zinssatz gerechtfertigt erscheinen

lassen. Dennoch vertritt insbesondere CHRIST die Auffassung, dass von einer implizit

geltenden Zinsschwelle bei ca. 18-20% p.a. für ungesicherte Darlehen auszugehen sei,

vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls.343 Die gleichen Regeln müssen m.E.

grundsätzlich auch für Darlehensverträge in Fremdwährungen gelten, sofern auf diese

schweizerisches Recht anwendbar ist und schweizerische Gerichte zuständig sind.

Allerdings können in Währungsräumen mit einem im Vergleich zur Schweiz höheren

allgemeinen Zinsniveau, größerer Geldentwertung oder einem strukturell hohen

Schuldnerrisiko im Einzelfall auch Zinssätze angemessen sein, deren nominale Höhe in der

Schweiz als sittenwidrig angesehen würde.

Liegt ein internationaler Sachverhalt vor, dann beurteilt sich die Zulässigkeit einer

Zinsvereinbarung i.d.R. nach dem Vertragsstatut, da der Vertragsinhalt betroffen ist. Dies gilt

auch im Fall einer Valuta in Fremdwährung.344 Eine Anknüpfung an das Währungsstatut

kommt nach WEBER nicht in Betracht, da sie der einheitlichen Behandlung des Vertrags

339 BGE 93 II 189 E. b; HUGUENIN, BSK, Art. 19/20 OR N 71; HÜRLIMANN, N 229; KRAMER, BK, Art. 19/20 OR N 329;

SCHWENZER, N 32.41. 340 HÜRLIMANN, N 229. 341 BGE 120 II 35 E. 4b = Pra 1995 Nr. 146; BGE 107 II 216 E. 3b; KRAMER, BK, Art. 19/20 OR N 351; HUGUENIN,

BSK, Art. 19/20 OR N 71. 342 BGE 119 Ia 59 E. 4c; BGE 93 II 189 E. b. 343 CHRIST, SPR VII/2, S. 248. 344 WEBER, BK, Art. 73 N 142.

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN

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widersprechen würde.345 Die explizit festgelegten Höchstzinssätze des schweizerischen Rechts

können allerdings nicht unbesehen auf Fremdwährungsforderungen angewendet werden, da sie

auf Forderungen in Schweizer Franken zugeschnitten sind und aus den o.g. Gründen allenfalls

nicht für die landesüblichen Verhältnisse in einem anderen Währungsraum passend sind.

Hingegen ist die Anwendung der Schranken aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen auch für

Verträge mit einer Valuta in Fremdwährung angemessen, unter Berücksichtigung der

besonderen Verhältnisse des betroffenen Währungsraumes.346

Überhöhte Zinsvereinbarungen die gemäß Art. 20 Abs. 1 OR grundsätzlich der

Rechtsfolge der Nichtigkeit unterliegen, können nach dem Gesagten auch der bloßen

Teilnichtigkeit zugänglich sein. Damit fällt eine Zinsvereinbarung nicht vollständig dahin,

sondern sie kann modifiziert bzw. reduziert werden. Falls aus dem hypothetischen Parteiwillen

nicht geschlossen werden kann, dass insb. der Gläubiger den Darlehensvertrag nicht auch mit

einem geringeren Zinssatz abgeschlossen hätte, kann die Vergütung auf das maximal zulässige

Maß herabgesetzt werden (geltungserhaltende Reduktion).347 Eine bloße Herabsetzung auf ein

marktübliches Maß, einen subsidiären gesetzlichen Zinssatz oder überhaupt keine Verzinsung

kommt nach Ansicht des Bundesgerichts nicht in Betracht, sofern keine Anhaltspunkte für

einen entsprechenden hypothetischen Parteiwillen nachgewiesen sind.348 Aus den zuvor

angesprochenen Gründen der Missbrauchsprävention lehnt SCHWENZER hingegen die

geltungserhaltende Reduktion bei Verstößen gegen Höchstzinsvorschriften ab.349

2. ÜBERVORTEILUNG

a. GRUNDLAGEN

Obwohl sich die Übervorteilung im Abschnitt „Inhalt des Vertrages“ des

Allgemeinen Teils des OR befindet, ist sie keine Beschränkung des Inhalts, sondern sie

behandelt „die Art und Weise wie es zu diesem Inhalt kommt“350. Betrachtet werden die

Umstände des Vertragsabschlusses, wobei der Vertragsinhalt als Ergebnis des Abschlusses

die Übervorteilung ausdrückt.351 Teilweise wird die Übervorteilung daher als Kombination

von Inhalts- und Willensmangel angesehen.352 Die Zinsvereinbarung, insbesondere beim

Darlehensvertrag, ist besonders anfällig für eine Übervorteilung des Schuldners, da dieser

das Geldkapital i.d.R. nicht selbst besitzt und auf die Gewährung eines Kredits angewiesen

345 WEBER, BK, Art. 73 N 142. 346 WEBER, BK, Art. 73 N 142 f. 347 KOLLER, § 13 N 136 f.; V. THUR/PETER, § 29 S. 227 f.; BGE 80 II 327 E. 4; BGE 123 III 292 E. 2e/aa. 348 BGE 93 II 189 E. b; BGE 80 II 327; BGE 47 II 462, 464; GUHL/KOLLER § 7 N 44. 349 SCHWENZER, N 32.45. 350 GAUCH, recht 1989, S. 92. 351 GAUCH, recht 1989, S. 92. 352 HUGUENIN, BSK, Art. 21 OR N 1; BGE 84 II 107 E. 4; KRAMER, BK, Art. 21 OR N 5.

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN __________________________________________________________________________

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ist, um eine Investition zu tätigen oder eine andere Schuld zu begleichen. Insbesondere bei

zweifelhafter Bonität, mangelnden Sicherheiten oder Zeitdruck wird der Kreditnehmer auch

einen hohen Zinssatz akzeptieren, um das Kapital zu erhalten. Obwohl die Übervorteilung

nach ihrem Wortlaut auf vollkommen zweiseitige Schuldverträge (synallagmatische

Verträge) ausgerichtet ist, wird die Bestimmung zumindest analog auch auf unvollkommen

zweiseitige und einseitige Schuldverträge angewendet.353 Dies muss auch für den

Darlehensvertrag gelten, wie es in ausländischen Rechtsordnungen354 vertreten wird die

ebenfalls keine generellen Höchstzinssätze kennen.355 Abzulehnen ist hingegen die Ansicht

von BUCHER, der die Übervorteilung durch Zinswucher in Zeiten eines entwickelten

Kreditwesens und geringer Inflation für entbehrlich hält, da Zinssätze ein Resultat der

niedrigen Bonität des Schuldners, aber kein Missverhältnis im Sinn von Art. 21 OR seien.356

b. HISTORISCHE ENTWICKLUNG

Die Übervorteilung wurde erst 1911 ins OR eingefügt. Vorher sollten Missbräuche

im Zinswesen allein durch das kantonale Recht verhindert werden. Die Kantone setzten den

Vorbehalt von Art. 83 Abs. 2 aOR teilweise in kantonalen Wuchertatbeständen um.

Anlässlich der OR-Revision waren richterliche Eingriffe im Sinne einer Inhaltskontrolle und

Inhaltskorrektur aber umstritten, weil sie als Widerspruch zum Prinzip der Vertragsfreiheit

angesehen wurden.357 In Teilen der Lehre wurde daher auch nach der gesetzlichen Regelung

noch eine restriktive Anwendung der Übervorteilung gefordert.358 Diese Ansicht wird heute

u.a. von GAUCH zurückgewiesen, selbst wenn der Gesetzgeber dies unter Berücksichtigung

der damaligen Lebensverhältnisse befürwortet haben sollte. Angelehnt an die Praxis des

Bundesgerichts fordert er, dass „der Schutz des Vertragsschließenden Schritt zu halten“359

habe mit dem Wandel der „äußeren Verhältnisse und Lebensbedingungen“.360 Dieser

Ansicht ist m.E. zuzustimmen, da die Überprüfung des Vertragsinhalts im Rahmen der

Übervorteilung einen Sonderfall darstellt und speziell auf den Schutz der wirtschaftlich

schwächeren Partei ausgerichtet ist.361 Außerdem führen bereits die qualifizierten

353 KOLLER, § 14 N 254, GAUCH, recht 1989, S. 93; HUGUENIN, BSK, Art. 21 OR N 3; KRAMER, BK, Art. 21 OR N 11 f. 354 In Deutschland (§ 138 BGB) wird allgemein ein Rechtsgeschäft vorausgesetzt in dem sich Leistung und Gegen-

leistung gegenüber stehen, womit unentgeltliche Geschäfte, Bürgschaften und familienrechtliche Verpflichtungen

ausgenommen sind: ARMBRÜSTER, MüKo 5.A., § 138 BGB N 143; SOERGEL/HEFERMEHL, 13.A., § 138 N 74;

ähnlich wird in Österreich (§ 879 ABGB) ein Rechtsgeschäft mit einem Austausch oder Gegenseitigkeits-

verhältnis vorausgesetzt, d.h. z.B. keine Schenkungen oder unentgeltliche Geschäfte: RUMMEL/KREJCI, § 879

ABGB N 215; SCHWIMANN/APATHY/RIEDLER, § 879 ABGB N 24; BUCHER, OR AT, S. 230 FN 6. 355 BGE 80 II 327 E. 3b. 356 BUCHER, OR AT, S. 230. 357 GAUCH, recht 1989, S. 91 f. 358 V. BÜREN, S. 227; THILO, JT 1946, S. 355 N 5. 359 BGE 92 II 168 E. 5a (i.c. zum Element der Unerfahrenheit). 360 GAUCH, recht 1989, S. 93; bestätigend: KRAMER, BK, Art. 21 OR N 7. 361 GUHL/KOLLER, § 7 N 48.

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN

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Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 1 OR und die kurze Frist zur Geltendmachung dazu, dass

nicht jedes Missverhältnis gerichtlich überprüfbar ist.

c. TATBESTANDSVORAUSSETZUNGEN

Der Tatbestand der Übervorteilung verlangt das kumulative Vorliegen einer

objektiven und zweier subjektiven Voraussetzungen. Dies sind ein „offenbares Miss-

verhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung“ in einem Vertragsverhältnis, eine

Beeinträchtigung der Möglichkeit zur freien Entscheidung einer Vertragspartei durch

Vorliegen einer Notlage, Unerfahrenheit oder Leichtsinn sowie die Ausbeutung der

Gelegenheit zur Übervorteilung durch die andere Vertragspartei. Allerdings reicht nicht jede

Wertdifferenz zwischen den Leistungen zur Begründung eines offenbaren Missverhältnises

aus, sondern es wird ein deutliches Ungleichgewicht in einer „jedermann in die Augen

fallenden“362 Art vorausgesetzt. Maßgeblich ist der „objektive Wert“363 der vereinbarten

Leistungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses,364 d.h. regelmäßig der Marktwert. Falls

kein Marktwert verfügbar ist, muss der Richter den objektiven Wert z.B. anhand von

Vergleichspreisen oder einer Kostenrechnung mit angemessenem Profitzuschlag schätzen.365

Nicht zu berücksichtigen ist sodann „weder abweichend“ vom vertraglich Vereinbarten

„Geleistetes noch – bei Sachnutzungen – anderweitig Mögliches“.366 Ebenfalls unerheblich

sind Wertminderungen seit Vertragsabschluss.367 Die Überprüfung des Wertverhältnisses

erfolgt nach freiem richterlichen Ermessen (Art. 4 ZGB) und ist umfassend, d.h. sie muss

alle Leistungen, Gegenleistungen und Umstände des Einzelfalls berücksichtigen. Dabei

kann ein Missverhältnis aber auch in besonders günstigen Vertragsbedingungen bestehen.368

Im Rahmen der Äquivalenzprüfung wird der Zins beim Darlehensvertrag als Gegenleistung

angesehen, aber es kommen auch andere Vorteile des Darlehensgebers in Betracht. Auch ein

hoher Zinssatz kann z.B. aufgrund eines hohen Risikos beim Darlehensnehmer oder eines

größeren Währungsrisikos gerechtfertigt sein.369 Doch selbst wenn ein Missverhältnis der

Leistungen vorliegt, handelt es sich nur dann um eine rechtlich relevante Übervorteilung,

wenn beim Übervorteilten und beim Übervorteiler die subjektiven Tatbestandselemente

gegeben sind. Der Übervorteilte muss sich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in einer

Schwächesituation durch Notlage, Unerfahrenheit oder Leichtsinn und dadurch in einer

„unterlegenen Verhandlungsposition“ befunden haben, so dass er das Missverhältnis nicht

362 BGE 53 II 483 E. 2. 363 BGE 123 III 292 E. 6a. 364 BGE 109 II 347 E. 2. 365 KOLLER, § 14 N 249; HUGUENIN, BSK, Art. 21 OR N 6; HGer ZH v. 27.09.1996, ZR 1999 Nr. 37 E. III/3b. 366 BGE 123 III 292 E. 6b. 367 KOLLER, § 14 N 249; BGE 123 III 292 E. 6a. 368 KOLLER, § 14 N 255; HUGUENIN, BSK, Art. 21 OR N 5. 369 V. THUR/PETER, § 40 S. 343 f.

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN __________________________________________________________________________

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abwenden konnte.370 Die Aufzählung der Schwächegründe ist nach herrschender Lehre nicht

abschließend und muss insbesondere um jene des strafrechtlichen Wuchertatbestands

erweitert werden (Abhängigkeit, Schwäche im Urteilsvermögen). Aber auch der Einfluss

von Drogen, Medikamenten, Alkohol, Erschöpfung oder Überraschung kommen als Ursache

für eine Schwächelage in Betracht.371

Der praktisch wichtigste Anwendungsfall dürfte die wirtschaftliche Notlage sein,

aber auch andere Formen sind denkbar. Entscheidend ist, dass sich der Übervorteilte

aufgrund seiner Notlage zum Abschluss eines Vertrages mit einem nicht gewollten Inhalt

gezwungen sieht und bei seiner Abwägung den „für ihn ungünstigen Vertrag gegenüber der

Inkaufnahme drohender Nachteile als das kleinere Übel betrachtet“.372 Irrelevant ist, ob der

Übervorteilte die Schwächelage selbst herbeigeführt oder begünstigt hat.373 Ebenfalls

unerheblich ist nach GAUCH, ob sich der Übervorteilte tatsächlich in einer Zwangslage

befindet oder dies nur glaubt („imaginäre Notlage“).374 Eine Partei kann sich aber auch dann

in einer rechtlich relevanten Notlage befinden, wenn sie die Nachteile wirtschaftlich

verkraften kann.375 Hingegen darf die Notlage nicht erst durch den Abschluss des Vertrages

entstehen.376 Zuletzt muss auch beim Übervorteilenden ein subjektives Element gegeben

sein. Er muss die Zwangslage des Übervorteilten ausgenutzt haben, d.h. er muss bewusst

den ihn bevorteilenden Vertrag abgeschlossen haben. Dagegen ist es irrelevant von welcher

Partei die Initiative zum Vertragsabschluss ausgegangen ist.377

d. PROZESSUALES

Die Beweislast bezüglich aller Tatbestandselemente liegt gemäß Art 8 ZGB beim

Übervorteilten. Er muss sowohl die übermäßige Ungleichheit der Leistungen nachweisen als

auch seine Schwächesituation und die bewusste Ausnutzung dieser Lage durch die andere

Partei. Insbesondere letzteres wird jedoch i.d.R. nur über einen Indizienbeweis möglich sein,

wobei BECKER auf einige Fälle verweist, in denen aufgrund der Sachlage die gute Treue von

vornhinein auszuschließen sei (res ipsa loquitur378).379 Die Beurteilung der

Leistungsinäquivalenz ist gemäß Bundesgericht keine Tatsachenfeststellung sondern eine

Rechtsfrage. Über diese kann der Richter nach freiem Ermessen entscheiden und sein

370 GAUCH, recht 1989, S. 96; KOLLER, § 14 N 250; HUGUENIN, BSK, Art. 21 OR N 10. 371 KOLLER, § 14 N 250; HUGUENIN, BSK, Art. 21 OR N 10; KRAMER, BK, Art. 21 OR N 35; a.A.:

OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 21 OR N 13. 372 BGE 123 III 292 E. 5; KOLLER, § 14 N 251; HUGUENIN, BSK, Art. 21 OR N 11; STARK, S. 384. 373 V. THUR/PETER, § 40 S. 344. 374 GAUCH, recht 1998, S. 63. 375 BGE 123 III 292 E. 5. 376 BGE 123 III 292 E. 5; BGer 4C.226/2001 E. 4 vom 21.11.2001. 377 V. THUR/PETER, § 40 S. 345; KOLLER, § 14 N 252; BGE 61 II 31 E. 2b; a.M.: BUCHER, OR AT, S. 233 f. 378 Die Sache spricht für sich selbst. 379 BECKER, BK, Art. 21 OR N 8 f.; KRAMER, BK, Art. 21 OR N 67; HUGUENIN, BSK, Art. 21 OR N 24.

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN

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Entscheid kann vom Bundesgericht überprüft werden.380 Keine Übervorteilung liegt vor,

wenn sich die übermäßige Unverhältnismäßigkeit der Leistungen nach Vertragsabschluss

einstellt. In diesem Fall kommt allenfalls eine Vertragsanpassung an die „veränderten

Verhältnisse“ nach den Regeln der clausula rebus sic stantibus in Betracht.381

e. RECHTSFOLGEN

i. EINSEITIGE UNVERBINDLICHKEIT

Sofern alle drei genannten Tatbestandselemente gegeben sind, führt dies zur

einseitigen Unverbindlichkeit des Vertrages für den Übervorteilten.382 Dieser kann binnen

eines Jahres seit Vertragsabschluss eine Unverbindlichkeitserklärung abgeben. Dabei

handelt es sich um ein Gestaltungsrecht, das durch eine Willenserklärung ausgeübt wird

(einseitiges Rechtsgeschäft).383 Die einjährige Frist ist eine Verwirkungsfrist, die weder

unterbrochen werden noch stillstehen kann.384 Sofern der Übervorteilte keine entsprechende

Erklärung abgibt hat das Gericht die Ungültigkeit nicht von Amtes wegen zu beachten.385

ii. WIRKUNG DER UNVERBINDLICHKEIT

Es ist umstritten, ob in Bezug auf den dahinfallenden Vertrag die Anfechtbarkeits-

oder die Ungültigkeitstheorie zur Anwendung kommt. Nach der Anfechtbarkeitstheorie

führt die Erklärung des Übervorteilten zur rückwirkenden Ungültigkeit (ex tunc) des bis

dahin schwebend wirksamen Vertrages.386 Nach der Ungültigkeitstheorie hingegen ist der

Vertrag von Anfang an ungültig, darf aber erst mit Abgabe der Erklärung innerhalb der

Jahresfrist als ungültig angesehen werden. Mit dem Verstreichen der Verwirkungsfrist gilt

der Vertrag rückwirkend als genehmigt.387 Gemäß der Anfechtbarkeitstheorie ist der Vertrag

resolutiv bedingt, während er nach der Ungültigkeitstheorie suspensiv bedingt ist.388 Eine

dritte Lehrmeinung ist die vor allem durch VON TUHR/PETER vertretene „Theorie der

geteilten Ungültigkeit“. Danach soll der Vertrag für den Übervorteilten von Beginn an

ungültig sein, während er gegenüber dem Wucherer als uneingeschränkt gültig angesehen

wird bis sich der Übervorteilte erklärt hat.389 Die Rückforderung der bereits erbrachten

Leistungen richtet sich nach den Regeln über die Vindikation bzw. Kondiktion (Art. 641

380 BGE 61 II 31 E. 2a; BGE 46 II 55 E. 2; HUGUENIN, BSK, Art. 21 OR N 24. 381 HUGUENIN, BSK, Art. 21 OR N 23; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, N 1280 ff. 382 Statt vieler: KRAMER, BK, Art. 21 OR N 47; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, N 888. 383 KOLLER, § 14 N 284, § 2 N 56, § 3 N 37 ff. 384 HUGUENIN, BSK, Art. 21 OR N 2; KOLLER, § 14 N 295; BGE 114 II 131 E. 2b; BGer 4C.37/2007 E. 3 v. 11.10.2007. 385 V. THUR/PETER, § 40 S. 346. 386 KRAMER, BK, Art. 1 OR N 133 f., Art. 21 OR N 47; BUCHER, OR AT, S. 210; V. BÜREN, S. 224; SCHWENZER,

BSK, Art. 23 OR N 10; GUHL/KOLLER, § 16 N 21. 387 GAUCH, recht 1998, S. 57; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, N 890 ff. 388 GUHL/KOLLER, § 16 N 21; BGE 114 II 131 E. 3b. 389 V. THUR/PETER, § 40 S. 338, 345 f.; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, N 899 f.

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Abs. 2 ZGB; Art. 62 ff. OR), wobei die Entscheidung für eine der genannten Theorien sich

auf die Qualifikation des Bereicherungsanspruches auswirkt. Nach der Ungültigkeitstheorie

handelt es sich um die Rückforderung der Leistung einer Nichtschuld (condictio indebiti),

während die Anfechtbarkeitstheorie zu einem Anspruch aus nachträglich weggefallenem

Grund (condictio ob causam finitam) führt. Nach der Theorie der geteilten Ungültigkeit

handelt es sich beim Übervorteilten um eine Nichtschuld und beim Wucherer um eine

Leistung aus nachträglich weggefallenem Grund.390 Der Bereicherungsanspruch verjährt

spätestens zehn Jahre nach Vertragsabschluss. Dies würde nach Ansicht des Bundesgerichts

auch im Fall der Anfechtbarkeitstheorie gelten, da es sich auch bei dieser, entgegen der

Lehre, für Ungültigkeit ex tunc ausspricht.391 Im Picasso-Entscheid hat sich das Bundes-

gericht explizit gegen die Anfechtbarkeitstheorie ausgesprochen, ohne aber zur Theorie der

geteilten Ungültigkeit Stellung zu nehmen.392

iii. TEILWEISE UNVERBINDLICHKEIT

In einem neueren Entscheid hat das Bundesgericht zu der umstrittenen Frage

Stellung bezogen, ob der Übervorteilte auch nur die Teilunverbindlichkeit des Vertrages,

ähnlich wie nach Art. 20 Abs. 2 OR (Teilnichtigkeit), verlangen kann bzw. ob der Richter

nur auf Teilunverbindlichkeit entscheiden kann wenn der Übervorteilte die gänzliche

Unverbindlichkeit verlangt.393 Nachdem das Bundesgericht die zweite Teilfrage in BGE 84

II 107 verneint hatte394, hat es in seinem neuen Entscheid die partielle Unwirksamkeit eines

(zivilrechtlich) wucherischen Vertrags, zumindest auf Antrag des Übervorteilten,

zugelassen.395 Damit ermöglicht das Bundesgericht die Aufrechterhaltung des Vertrages mit

verändertem Inhalt, d.h. die geltungserhaltende Modifikation der Leistungsungleichheit, wie

es die herrschende Lehre vertritt.396 Das Bundesgericht begründet sein Vorgehen mit der

teleologischen Reduktion der Tragweite von Art. 21 Abs. 2 OR entgegen dessen weiter-

gehendem Wortlaut. Diese Lösung ergebe sich aus dem Zweck der Verbotsnorm und sei im

Ergebnis auch systemkonform.397 Die umgebenden gesetzlichen Bestimmungen über die

Inhaltsschranken und die Willensmängel seien der partiellen Unwirksamkeit zugänglich und

es sei kein zwingender Grund erkennbar, weshalb dieses Vorgehen bei der Übervorteilung

390 HUGUENIN, BSK, Art. 23 OR N 9. 391 BGE 114 II 131 E. 3b; a.A.: BUCHER, OR AT, S. 699; PIOTET, JT 1988, S. 523; WIEGAND, recht 1989, S. 111;

SCHMIDLIN, BK, Art. 23/24 OR N 139 ff. 392 BGE 114 II 131 E. 3b. 393 BGE 123 III 292; GAUCH, recht 1998, S. 57 f. 394 BGE 84 II 107 E. 4; bestätigt in einem obiter dictum in BGE 92 II 168 E. 6c. 395 BGE 123 III 292 E. 2d. 396 HUGUENIN, BSK, Art. 21 OR N 16; WEBER, BK, Art. 73 OR N 160; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 118; GAUCH,

recht 1989, S. 100; MERZ, ZBJV 1959, S. 469 f.; HONSELL, FS Giger, S. 295 f.; STARK, S. 393 f. 397 BGE 123 III 292 E. 2e/aa.

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN

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abzulehnen sei.398 In der Lehre wird das Urteil im Ergebnis anerkannt, auch wenn teilweise

eine abweichende Begründung befürwortet wird.399 Offen gelassen, da nicht relevant für den

Entscheid, hat das Bundesgericht die Frage, ob sich auch der Wucherer auf die teilweise

Unwirksamkeit berufen kann, wenn der Übervorteilte die völlige Unverbindlichkeit

verlangt.400 Entschieden ist hingegen, dass sich der Wucherer gegen die geltungserhaltende

Reduktion des Vertrages nicht mit der Forderung nach totaler Unverbindlichkeit wehren

kann.401 Auch in der Lehre wird es abgelehnt, dass sich der Übervorteilende auf einen

hypothetischen Parteiwillen berufen könnte, wonach der Vertrag unter den modifizierten

Bedingungen nicht abgeschlossen worden wäre, da dies dem Schutzzweck der Norm nicht

gerecht würde.402 Die Reduktion der überhöhten Forderung erfolgt bei der Übervorteilung

auf ein marktübliches Durchschnittsentgelt, da die Herabsetzung auf das maximal erlaubte

Maß dem Normzweck widersprechen würde.403 In Deutschland hingegen wird beim zivil-

rechtlichen Wucher im Fall des Darlehensvertrags der Zinssatz nicht herabgesetzt, sondern

die Zinsforderung wird als nichtig qualifiziert, so dass kein Zins gefordert werden kann.404

B BESCHRÄNKUNGEN VON ZINSESZINSEN

1. GRUNDLAGEN

Eine weitere Einschränkung für vertragliche Zinsvereinbarungen findet sich in

Art. 314 Abs. 3 OR und betrifft die Berechnung von Zinseszinsen, den sog. Anatozismus.

Zinseszinsen405 entstehen, wenn am Ende einer Zinsperiode die Zinsen zum Kapital

geschlagen und in der nächsten Zinsperiode mit diesem zusammen verzinst werden.406 Die

Länge der Zinsperioden kann mit der Bemessungsperiode (i.d.R. Jahreszinsen) überein-

stimmen oder auch kürzer sein (halbjährlich, quartalsweise, monatlich), d.h. dass die

kontinuierlich auflaufenden Zinsen bereits am Ende der Zinsperioden (unterjährig) fällig

werden.407 Aus der regelmäßigen Kapitalisierung und Verzinsung der Zinsen resultiert

insbesondere bei langfristigen Schuldverhältnissen und kurzen Zinsperioden eine im

Vergleich zur einfachen Verzinsung nominell höhere Gesamtverzinsung.408 Systematisch

398 BGE 123 III 292 E. 2e/bb. 399 Vgl. die Lehrmeinungen in: BGE 123 III 292 E. 2d. 400 BGE 123 III 292 E. 2 f. 401 BGE 123 III 292 E. 3. 402 WEBER, BK, Art. 21 OR N 53; HUGUENIN, BSK, Art. 21 OR N 16; a.M.: STARK, S. 396; SPIRO, ZBJV 1952, S. 521 ff. 403 KRAMER, BK, Art. 21 OR N 52; HUGUENIN, BSK, Art. 21 OR N 16. 404 RGZ 161, 52 (55 f.); BGH, NJW 1962, 1148 f.; BGH, NJW 1993, 2108; PALANDT/SPRAU, § 817 BGB N 21; a.A.

die h.L. mit Kritik an der Rechtsprechung des BGH: LIEB, MüKo, 4.A., § 817 BGB N 16 f.; MEDICUS, N 700. 405 Siehe § 2 III B. 406 BOEMLE/GSELL/JETZER/NYFFELER/THALMANN, S. 1143. 407 GLANZMANN, S. 434 f. 408 Vgl. die Beispiele in FN 48 und 51.

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN __________________________________________________________________________

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befindet sich die Beschränkung von Zinseszinsen im Darlehensrecht, hat aber nach Ansicht

des Bundesgerichts allgemeine Geltung und ist nicht nur eine Qualifikationsbestimmung des

Darlehensvertrags (vgl. die allgemeine Bestimmung des § 248 BGB).409

2. ANWENDUNGSBEREICH

In seiner absoluten Form entstammt das Verbot der Berechnung von Zinsen auf

Zinsen dem römischen Recht und war verbunden mit einer Bestimmung, dass die Summe

der kumulierten Zinsen den Betrag der zugrundeliegenden Kapitalschuld nicht übersteigen

durfte (ne ultra alterum tantum410).411 Ohne diese zusätzliche Beschränkung wurde das

Zinseszinsverbot später ins gemeine Recht übernommen (z.B. ins Allgemeine Preußische

Landrecht412) und auch das aOR von 1881 enthielt eine Regelung über die Zinseszinsen, die

der heute geltenden weitgehend entsprach (Art. 335 aOR).413 Heute umfasst das Verbot nur

noch den sog. anatocismus conjunctus, d.h. die vorgängige Vereinbarung von Zinseszinsen.

Erlaubt ist hingegen deren nachträgliche Vereinbarung (anatocismus separatus), d.h. dass

die Zinsen nach ihrer Fälligkeit zum Kapital geschlagen und verzinst werden.414 Diese

Vereinbarung kann auch stillschweigend erfolgen.415 Dadurch soll sich der Schuldner

zumindest bewusst sein, wie hoch die ausstehende und zinspflichtige Kapitalschuld ist,

Zweck des Zinseszinsverbotes ist folglich die Zinsklarheit.416 Das Zinseszinsverbot in seiner

geltenden Form ist hingegen kein wirksamer Schutz gegen eine übermäßige Belastung des

Schuldners durch den exponentiellen Anstieg seiner Schuld und bietet ebenfalls keinen

Schutz für den Gläubiger gegen einen durch das Anwachsen der Zinseszinsen größeren

Verlust im Konkurs des Schuldners.417 Dies zeigt sich auch darin, dass das OR keine

ergänzende Beschränkung ne ultra alterum tantum, d.h. keine Beschränkung der

Gesamtschuld enthält, so dass die Zinsen theorietisch so lange nachträglich kapitalisiert

werden können, bis der Schuldner überschuldet ist.418 Vom Zinseszinsverbot im OR

ausgenommen sind jegliche Zinsvereinbarungen die in den Anwendungsbereich des KKG

fallen, da das KKG den betroffenen Kreditnehmern einen ausreichenden Schutz durch einen

hohen Grad an Transparenz über die Kreditkosten inklusive Zinseszinsen gewährt.419

409 BGE 100 II 153 E. c. 410 Nicht mehr als noch einmal so viel. 411 V. HOLTZENDORFF, Bd. 1, S. 365 f. 412 Vgl. ALR I 11, § 818. 413 GLANZMANN, S. 438. 414 CHRIST, SPR VII/2, S. 251; GLANZMANN, S. 438 f., SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 314 OR N 7. 415 V. THUR/PETER, § 10 S. 76 FN 42; GLANZMANN, S. 440. 416 Vgl. mit weiteren Nachweisen: GLANZMANN, S. 442. 417 GLANZMANN, S. 441 f. 418 GLANZMANN, S. 442. 419 GLANZMANN, S. 442 f.

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN

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Desweiteren gelten Ausnahmen vom Verbot von Zinseszinsen in Bezug auf Vereinbarungen

in der kaufmännischen Zinsberechnung im Kontokorrent und ähnlichen Geschäftsformen,

bei denen die Berechnung von Zinseszinsen zur Zeit der Einführung der Bestimmung üblich

war, wie namentlich bei Sparkassen. Im Kontokorrentverkehr geht das Bundesgericht davon

aus, dass sich der Schuldner mit der Genehmigung des Saldos über seine verzinslichen

Ausstände bewusst ist. Mit der Anerkennung des Saldos entsteht durch Novation eine neue

Forderung (Art. 117 Abs. 2 OR), die wiederum als ganze verzinslich ist. Die Genehmigung

des Saldos kann dabei stillschweigend erfolgen.420 Die Ausnahme der ähnlichen Geschäfts-

formen lässt Interpretationsspielraum offen. In der Literatur anerkannt sind Zinseszinsen

z.B. im einfachen Kontokorrentverhältnis, beim offenen Konto, bei der Anlage von Geldern

mit einer Bank als Schuldnerin sowie beim Darlehens-Disagio und beim Zero-Bond.421

Wie sich aus den genannten Ausnahmen erkennen lässt, hatte das Zinseszinsverbot

ursprünglich den Zweck die i.d.R. unerfahrenen privaten Schuldner zu schützen, hingegen

sollte der Geschäftsverkehr durch das Verbot möglichst nicht behindert werden.422

3. WEITERE BESTIMMUNGEN

Neben der genannten Bestimmung im Darlehensrecht ist die Berechnung von

Zinseszinsen auch im Verzugsrecht beschränkt. Nach Art. 105 Abs. 1 OR sind rückständige

Zinsen im Verzug erst dann zu verzinsen, wenn die Betreibung eingeleitet oder die Klage

bei Gericht eingereicht wurde. Diese Beschränkung geht auf die Annahme des historischen

Gesetzgebers zurück, dass Zinsen ausschließlich dem Verbrauch bzw. Unterhalt dienen

würden und nicht für eine kapitalistische Verwendung bestimmt seien, so dass dem

Gläubiger durch die Entbehrung der Zinsen im Verzug kein Nutzungsausfall entstehen

könnte.423 Eine Vereinbarung wonach bereits die fälligen Zinsen mit dem Verzugszins

belastet werden ist grundsätzlich zulässig, unterliegt aber u.U. der Herabsetzung nach den

Regeln für die Konventionalstrafe (Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 163 Abs. 3 OR).

Zinseszinsen von Verzugszinsen sind gemäß Art. 105 Abs. 3 OR unzulässig, so

dass die Verzugszinsen auch von Beginn der Betreibung oder Klage an keine Verzugszinsen

tragen dürfen.424 Die Bestimmung ist aber wie der ganze Artikel dispositives Recht, daher

können die Parteien vereinbaren, dass die Verzugszinsen mit ihrer Fälligkeit in eine

Kapitalforderung umgewandelt werden und anschließend zu verzinsen sind.425

420 BGE 130 III 694 E. 2.2.2 = Pra 2005 Nr. 64; BGE 129 III 118 E. 2.3 = Pra 2003 Nr. 123; BGE 127 III 147 E. 2b. 421 Vgl. mit weiteren Nachweisen: GLANZMANN, S. 440 a.E. 422 GLANZMANN, S. 442 f. 423 WEBER, BK, Art. 105 OR N 10; BGE 119 V 131 E. 4c a.E. = Pra 1994 Nr. 67. 424 BGE 58 II 411 E. 6 a.E. 425 BGE 131 III 12 E. 9.3; WIEGAND, BSK, Art. 105 OR N 6; BUCHER, OR AT, S. 362 FN 130.

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN __________________________________________________________________________

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4. ANMERKUNGEN

Das Zinseszinsverbot im Darlehensrecht war zur Zeit seiner Einführung auf den

Kreditnehmer im bürgerlichen Verkehr ausgerichtet und sollte diesem Klarheit über seine

eingegangenen und ausstehenden Verpflichtungen ermöglichen, aber ihn nicht vor einem

unüberschaubaren Anwachsen seiner Schuld schützen. Daher ist im OR schon immer die

nachträgliche Kapitalisierung der Zinsen möglich und zudem bestehen Ausnahmen für die

zum Zeitpunkt der Einführung üblichen Zinseszinsberechnungen im Geschäftsverkehr.

Einen exponentiellen Anstieg einer Schuld kann das Zinseszinsverbot aufgrund seiner

Ausnahmen und mangels einer Beschränkung der Höhe der Gesamtschuld nicht verhindern.

Im heutigen Geschäftsverkehr widerspricht das Zinseszinsverbot hingegen teilweise den

üblichen Gepflogenheiten und Erfordernissen, da auch außerhalb des Kontokorrents und

ähnlicher Geschäftsformen eine Verschiebung der Zinszahlungen auf den Zeitpunkt der

Kapitalrückzahlung von den Parteien gewollt sowie ökonomisch vorteilhaft sein kann.

Ebenso kann der Zweck der speziellen Zinseszinsbeschränkung im Verzugsrecht heute nicht

mehr überzeugen, da insbesondere im Geschäftsverkehr nicht mehr davon ausgegangen

werden kann, dass Zinsen dem Unterhalt und keiner kapitalistischen Verwendung dienen.

Sowohl im bürgerlichen als auch im kaufmännischen Verkehr werden Zinsen häufig wieder

angelegt und zur Erzielung einer Rendite genutzt, so dass dem Gläubiger auch durch die

verzögerte Zahlung der Zinsen auf den geschuldeten Zinsen ein Nutzen entgeht, der

grundsätzlich auszugleichen ist. In der Rechtsprechung wird dieser entgangene Nutzen des

Gläubigers hingegen nicht berücksichtigt, obwohl eine vollständige Vergütung auch die

Zinseszinsen beinhalten müsste. Zudem führen beide Zinseszinsbeschränkungen zu

Abgrenzungsproblemen auf welche Teile einer Forderung, z.B. einer Schadenersatzsumme,

der Zins oder Verzugszins berechnet werden darf und auf welche nicht. Letztlich können

beide Zinseszinsbeschränkungen heute nicht mehr überzeugen, da sie einerseits zu einer

Unterkompensation des Gläubigers im Verzug führen und andererseits die freie

Vereinbarung von Zinseszinsen im Geschäftsverkehr beschränken, während der eigentlich

zu schützende private Kreditnehmer längst durch die spezielleren und weitergehenden

Bestimmungen des Konsumkreditgesetzes geschützt wird. Daher sind die Zinseszins-

beschränkungen im Darlehens- und Verzugsrecht m.E. entbehrlich und sollten im Zuge

einer Revision der Zinsbestimmungen aufgehoben werden.

III. ZINSMAXIMUM AUS GEWOHNHEITSRECHT

Weiter als CHRIST, der einen üblichen Höchstzins von 18-20% p.a. vertritt, geht eine

insbesondere von GIGER vertretene Lehrmeinung, nach der im Bundeszivilrecht ein

gewohnheitsrechtliches Zinsmaximum von 18% p.a. bestehe. Dies wird damit begründet,

dass in der Schweiz ein solcher Höchstzinssatz verkehrsüblich sei und eine entsprechende

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN

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Rechtsüberzeugung bestehe, die durch die Gerichte festgestellt sei.426 Dabei wird jedoch

verkannt, dass zur Entstehung von Gewohnheitsrecht nicht nur eine „längere Zeit

andauernde, ununterbrochene Übung“427 und eine dieser zugrundeliegende Rechts-

überzeugung der Behörden und Betroffenen vorliegen muss („opinio iuris et

necessitatis“428), sondern dass sich Gewohnheitsrecht nur bei Vorliegen einer Lücke im

geschriebenen Recht und einem Bedürfnis zur Füllung dieser Lücke bilden kann, wie auch

der von GIGER zitierte MEIER-HAYOZ ausführt.429 Das Bundesgericht hat einen

gewohnheitsrechtlichen Höchstzinssatz hingegen abgelehnt, da aufgrund des Vorbehalts von

Art. 73 Abs. 2 OR zugunsten des öffentlichen Rechts im Bereich des Zinsmissbrauchs keine

Lücke im geschriebenen Recht vorliege und sich „kein bundesprivates Gewohnheitsrecht“

über vorbehaltenem öffentlichem Recht bilden könne.430 Zudem müsse das Fehlen einer

Regelung im Bundesprivatrecht als qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers interpretiert

werden, das der Bildung von Gewohnheitsrecht klar entgegen stehe.431 Zwar besage die

Botschaft des Bundesrates zum KKG, dass eine „beinahe zu Gewohnheitsrecht gediehene

Höchstgrenze von 18 Jahresprozenten“432 bestehe, daraus ließen sich aber keine

Anhaltspunkte für den tatsächlichen Bestand einer solchen Höchstgrenze ableiten.433

IV. STRAFRECHTLICHER WUCHER

A GRUNDLAGEN

Die zivilrechtlichen Beschränkungen der Zinshöhe dienen dem Schutz der

schwächeren Vertragspartei und ziehen die Rechtsfolge der Nichtigkeit oder Herabsetzung

nach sich. Zusätzlich können grob übersetzte Zinsvereinbarungen aber auch strafrechtlich

geahndet werden, sofern sie nicht aufgrund der freien Willensbildung des Schuldners

zustande gekommen sind. Als strafrechtliches Gegenstück zur zivilrechtlichen Über-

vorteilung verbietet der Tatbestand des Wuchers in Art. 157 StGB die „Ausbeutung der

qualifizierten Unterlegenheit einer anderen Person zum Abschluss oder Vollzug eines für

diese unverhältnismäßig nachteiligen Geschäfts“.434 Der betroffene Schuldner kann sowohl

eine natürliche als auch eine juristische Person sein, wobei es bei letzterer unerheblich ist,

426 GIGER (1989), S. 67 f. insb. FN 247, 251. 427 BGE 119 Ia 59 E. 4b. 428 BGE 119 Ia 59 E. 4b. 429 BGE 119 Ia 59 E. 4b; BGE 105 Ia 2 E. 2a; MEIER-HAYOZ, BK, Art. 1 OR N 233, 243 ff. 430 BGE 119 Ia 59 E. 4c. 431 BGE 119 Ia 59 E. 4c; so auch allgemein: MEIER-HAYOZ, BK, Art. 1 OR N 247. 432 Botschaft über ein Konsumkreditgesetz, BBl 1978 II 485, S. 567. 433 BGE 119 Ia 59 E. 4c. 434 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 1.

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN __________________________________________________________________________

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ob die Situation bzw. der Grund der Unterlegenheit bei der betroffenen Person selbst oder

beim handelnden Organ vorliegt.435

B OBJEKTIVER TATBESTAND

Der Wucher gehört zu den Vermögensdelikten bzw. zu den Vermögensgefährdungs-

delikten, da er nicht zwingend eine Vermögenseinbuße beim Übervorteilten zur Vollendung

der Tat voraussetzt. Notwendige objektive Tatbestandsvoraussetzungen sind das Vorliegen

eines zweiseitigen Rechtsgeschäfts, ein Missverhältnis der vereinbarten Leistung und

Gegenleistung sowie die Ausbeutung einer Schwächesituation des Opfers durch den Täter

„zur Erlangung übermäßiger Vermögensvorteile“.436 Im Einzelnen muss sich der Schuldner

in einer Zwangslage, einer Position der Abhängigkeit, Unerfahrenheit oder der Schwäche im

Urteilsvermögen befinden. Diese muss eine andere Person dadurch ausbeuten, dass sie sich

oder einem Dritten Vermögensvorteile gewähren oder versprechen lässt, die zur eigenen

Leistung in einem offensichtlichen wirtschaftlichen Missverhältnis stehen.437

1. UNTERLEGENHEITSGRÜNDE

Die gesetzliche Aufzählung der nachfolgend dargestellten Unterlegenheitsgründe

ist aufgrund des strafrechtlichen Legalitätsprinzips und des Analogieverbots abschließend.

Allerdings sind die gewählten Begriffe unbestimmt und auslegungsbedürftig, wodurch der

Tatbestand im Ergebnis kaum enger gefasst ist als die zivilrechtliche Übervorteilung.438

- Der praktisch wichtigste Unterlegenheitsgrund ist die Zwangslage. Diese ist nicht

allein als wirtschaftliche Zwangslage zu verstehen, wobei dies der häufigste

Anwendungsfall sein dürfte. Ausreichend ist gemäß Bundesgericht „jede Zwangslage,

welche den Betroffenen in seiner Entschlussfreiheit dermaßen beeinträchtigt, dass er

sich zur Leistung bereiterklärt“.439 Diese Formel trägt zwar kaum zur Abgrenzung des

Begriffs der Zwangslage bei, zeigt aber dass diese nicht wirtschaftlich oder finanziell

existenzbedrohend sein muss, sondern dass ein stichhaltiger Bedarf nach einer

bestimmten Leistung aufgrund jeglicher auch nicht-wirtschaftlicher Umstände

ausreicht.440 WEISSENBERGER schlägt als Definition vor, dass „der Betroffene nach

seinen Verhältnissen auf die jeweilige Leistung, die er auf Grund der konkreten

Umstände anderweitig überhaupt nicht oder nicht günstiger erlangen kann, ernsthaft

435 BGE 80 IV 15 E. 1 a.E.; STRATENWERTH/JENNY, BT I, § 18 N 7; TRECHSEL/CRAMERI, Art. 157 StGB N 3. 436 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 1 f. 437 BGE 130 IV 106 E. 7.2 = Pra 2005 Nr. 32. 438 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 1 f.; STRATENWERTH/JENNY, BT I, § 18 N 5. 439 BGE 70 IV 200 E. 5; BGE 92 IV 132 E. 2. 440 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 9; Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches,

BBl 1991 II 1045; STRATENWERTH/JENNY, BT I, § 18 N 6.

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN

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angewiesen ist oder angewiesen zu sein glaubt“.441 Dabei muss die Zwangslage nicht

tatsächlich vorliegen, sondern es genügt wenn der Betroffene glaubt sich in einer

solchen zu befinden.442 Ebenso genügt auch eine nur vorübergehende Zwangslage und

es ist irrelevant, ob der Betroffene seine Situation selbst herbeigeführt hat.443

- Ein weiterer Unterlegenheitsgrund ist die Abhängigkeit. Dabei steht der Täter oder

ein Dritter zum Bewucherten in einer Position der Macht und Überlegenheit, die

wiederum nicht allein in wirtschaftlichen oder finanziellen, sondern in jeglichen

Umständen z.B. affektiver, psychischer, rechtlicher oder anderer Natur begründet

sein kann. Maßgebend ist die Einschätzung der Lage durch das Opfer und kein

objektiver Maßstab.444

- Der Unterlegenheitsgrund der Unerfahrenheit erfordert eine allgemeine Unkenntnis

des betroffenen Geschäftsbereichs, die sich in einer „wesentlichen Schwächesituation“

des Bewucherten manifestiert hat. Nicht ausreichend sind fehlende Spezialkenntnisse

einer ansonsten im Geschäft erfahrenen Person oder mangelnde Kenntnisse über das

betroffene Geschäft. Hingegen kann dem Betroffenen nicht vorgeworfen werden, dass

der Zuzug eines Fachmanns oder die Erlangung von Kenntnissen möglich gewesen

wäre.445

- Zuletzt verbleibt die Unterlegenheit des Opfers aufgrund einer Schwäche im

Urteilsvermögen. Diese wurde 1994 eingeführt und verlangt eine erhebliche

Beeinträchtigung der Fähigkeiten des Opfers im Vergleich zu einer durchschnittlichen

Person „eine Situation im Bereich des fraglichen Geschäfts rational zu beurteilen, die

Tragweite bestimmter Handlungen richtig einzuschätzen sowie ihren Willen nach

vernünftigen Gesichtspunkten autonom zu bilden und auch umzusetzen“.446 Der

Zustand der Unfähigkeit zur normalen Willensbildung kann nur temporär sein und

allein im betroffenen Geschäftsbereich bestehen.447 In Frage kommen z.B. geistige

Defekte wie Schwachsinn oder Senilität, aber auch jugendliches Alter, Krankheit,

Alkohol- oder Drogenrausch.448

441 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 9. 442 TRECHSEL/CRAMERI, Art. 157 StGB N 3; BGE 80 IV 15 E. 1 a.E. und 3. 443 BGE 131 IV 1 E. 2.2; BGE 130 IV 106 E. 7.2 = Pra 2005 Nr. 32; JENNY, BSK, Art. 12 StGB N 47. 444 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 15 f. 445 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 18 f.; TRECHSEL/CRAMERI, Art. 157 StGB N 3; BGE 130 IV 106 E. 7.3

= Pra 2005 Nr. 32. 446 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 21 f. 447 DONATSCH, S. 269; WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 22. 448 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 23.

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2. WUCHERGESCHÄFT

Zusätzlich zu einem der beschriebenen Unterlegenheitsgründe muss ein sog.

Wuchergeschäft vorliegen. Dieses erfordert den Bestand eines zweiseitigen entgeltlichen

Vertrags zwischen Täter und Opfer, in dem sich der Täter einen Vermögensvorteil für seine

Leistung versprechen lässt.449 Die wichtigsten praktischen Anwendungsfälle sind Darlehens-

verträge450, Kauf- und Tauschverträge, Aufträge451, Mietverträge452 und Arbeitsverträge.453

Ein unentgeltliches Rechtsgeschäft wie die Schenkung kommt nicht als Anwendungsfall des

strafrechtlichen Wuchers in Betracht.454

3. VERMÖGENSVORTEIL

Der Täter muss sich einen „vermögenswerten Vorteil gewähren oder versprechen

lassen“, wobei der strafrechtliche Vermögensbegriff maßgebend ist. Arbeitsleistung ist

danach eine mögliche Leistung, auch wenn sie i.d.R. nicht als Teil des Vermögens

qualifiziert wird.455 Hingegen sind Gegenstände die sich nicht legal in Geld umwandeln

lassen vom Begriff des geschützten Vermögens ausgenommen.456 Der Vermögensvorteil

muss nicht zwingend beim Wucherer selbst anfallen, sondern kann ebenso zu Gunsten eines

Dritten entstehen. Im Gegenzug braucht auch der Geschädigte nicht mit dem Übervorteilten

identisch zu sein.457 Der Vermögensvorteil muss aus einem offenbaren Missverhältnis der

vereinbarten Leistungen resultieren. Gemäß Bundesgericht ist ein Missverhältnis dann

offenbar, „wenn es in grober Weise gegen die Maßstäbe des anständigen Verkehrs verstößt,

d.h. wenn die Grenzen dessen, was unter Berücksichtigung aller Umstände im Verkehr

üblich ist und als angemessen gilt, erheblich überschritten sind“458. Maßgeblich für die

Beurteilung des Preis-/Leistungsverhältnisses ist eine möglichst objektive Bewertung der

Leistungen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Sofern z.B. in einem Darlehensvertrag

ein scheinbares Missverhältnis der Leistungen aufgrund eines hohen Zinssatzes vorliegt,

müssen auch wirtschaftliche Gesichtspunkte in die Bewertung einbezogen werden, wie z.B.

449 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 25 f.; DONATSCH, S. 270. 450 BGE 70 IV 200; BGE 86 IV 65. 451 BGE 82 IV 145. 452 BGE 92 IV 132; BGE 93 IV 85. 453 BGE 130 IV 106 E. 7 = Pra 2005 Nr. 32. 454 BGE 111 IV 139 E. 3. 455 TRECHSEL/CRAMERI, Art. 157 StGB N 7. 456 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 28. 457 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 29; DONATSCH, S. 271; TRECHSEL/CRAMERI, Art. 157 StGB N 13. 458 BGE 92 IV 132 E. 1.

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN

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das Risiko des Darleihers welches u.U. einen hohen Zinssatz rechtfertigen kann.459 Man

spricht in diesem Zusammenhang von einem objektiv-individuellen Vermögensbegriff.460

4. AUSBEUTUNG EINER SCHWÄCHESITUATION

Als letztes Tatbestandsmerkmal muss der Täter die Situation des Opfers

ausgenutzt haben, d.h. es muss ein Kausal- bzw. Motivationszusammenhang zwischen der

dem Täter bekannten Lage des Opfers und dem Abschluss des wucherischen Geschäfts

bestehen. Erforderlich ist, dass der Täter die Unterlegenheit des Opfers kennt und bewusst

ausnutzt, um übermäßige Vermögensvorteile zu erlangen.461 Eine qualifizierte Form der

Ausnutzung wird im schweizerischen Recht nicht verlangt. Das Opfer willigt regelmäßig in

die Ausbeutung ein, allerdings ist diese Form der Mitwirkung oder gar Förderungen des

abgeschlossen Geschäfts nicht relevant.462 Das Delikt ist vollendet mit dem Abschluss des

wucherischen Vertrags.463

C SUBJEKTIVER TATBESTAND

Der subjektive Tatbestand erfordert vorsätzliches Handeln des Wucherers, wobei

Eventualvorsatz genügt.464 Der Wucherer muss sowohl im Wissen um die Zwangslage der

bewucherten Partei, als auch in Kenntnis des Missverhältnisses der Leistungen handeln.

Außerdem muss er zumindest eventualvorsätzlich in Kauf nehmen, dass die andere Partei

nur aufgrund der bestehenden Zwangslage das Missverhältnis der Leistungen akzeptiert.

Obwohl der Wucherer also die Verwirklichung des Tatbestands für möglich hält, findet er

sich damit ab und schließt die betroffene Vereinbarung.465 Der Vorsatz muss sich auf alle

Elemente des objektiven Tatbestands beziehen, insbesondere die Schwächesituation des

Opfers und deren Ausbeutung.466 Ein Irrtum über das Missverhältnis der Leistungen stellt

einen Sachverhaltsirrtum nach Art. 13 StGB dar.467

D NACHWUCHER

Ebenfalls von Art. 157 StGB erfasst ist nach Ziff. 1 Abs. 2 der sog. Nachwucher.

Verboten ist danach der Erwerb und die anschließende Weiterveräußerung oder Geltend-

459 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 29; TRECHSEL/CRAMERI, Art. 157 StGB N 9. 460 BGE 92 IV 132 E. 1; BGE 93 IV 85 E. 2; BzGer ZH v. 08.05.1990, ZR 1994 Nr. 96 Urteil A E. 2.2.1 b. 461 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 37. 462 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 37 f.; TRECHSEL/CRAMERI, Art. 157 StGB N 11. 463 BGE 86 IV 65 E. 2; DONATSCH, S. 271 f. 464 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 43; STRATENWERTH/JENNY, BT I, § 18 N 13; DONATSCH, S. 272. 465 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 44; JENNY, BSK, Art. 12 StGB N 47. 466 TRECHSEL/CRAMERI, Art. 157 StGB N 15. 467 BGE 92 IV 132 E. 2.

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN __________________________________________________________________________

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machung einer wucherischen Forderung. Voraussetzung dafür ist der Bestand einer

wucherischen Forderung, d.h. eines Missverhältnisses vertraglicher Leistungen, das auf der

Ausbeutung einer Schwächesituation des Opfers beruht, wobei es irrelevant ist ob der

Veräußerer bzw. Vortäter bestraft wurde oder hätte bestraft werden können.468 Da es sich

um ein zweiaktiges Delikt handelt, muss der Erwerber der Forderung diese zusätzlich noch

geltend machen oder in irgendeiner Form wirtschaftlich verwerten. Die Variante der

Verwertung umfasst jede „rechtsgeschäftliche Übertragung in fremde Verfügungsgewalt“,

wobei die Entgeltlichkeit nicht begriffsnotwendig ist.469 Als Geltendmachung hingegen

kommt neben der Einforderung der Schuld z.B. auch die Verrechnung oder Arrestlegung in

Frage und zwar sowohl gegenüber dem Schuldner als auch einem Dritten.470 Der subjektive

Tatbestand erfordert den vorsätzlichen Erwerb, d.h. den Erwerb in Kenntnis des

wucherischen Charakters der Forderung. Bei fehlender Kenntnis darüber bleibt auch die

nachfolgende Verwertung oder Geltendmachung ohne strafrechtliche Konsequenzen.471

E STRAFANDROHUNG

Im Falle einer Verurteilung nach Art. 157 StGB droht dem Wucherer eine Freiheits-

strafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe. Der maximale Strafrahmen erhöht sich im

Fall der Gewerbsmäßigkeit nach Ziff. 2 auf eine Freiheitsstrafe zwischen einem und zehn

Jahren. Eine Privilegierung nach Art. 172bis StGB kommt nach Ansicht von WEISSENBERGER

kaum in Betracht, da der Wucher mit dem Element des offensichtlichen Missverhältnisses

der Leistungen bereits eine gewisse Erheblichkeit der Übervorteilung des Opfers durch den

Täter verlange und daher faktisch keine Geringfügigkeit vorliegen könne.472

F VERHÄLTNIS ZUR ZIVILRECHTLICHEN ÜBERVORTEILUNG

Der strafrechtliche Wucher und die zivilrechtliche Übervorteilung nach Art. 21 OR

stellen auf einen weitgehend ähnlichen Tatbestand ab, so dass häufig beide zugleich erfüllt

sein dürften. Allerdings knüpfen sich an beide Normen unterschiedliche zivilrechtliche

Rechtsfolgen. Während der strafrechtliche Wucher eine Widerrechtlichkeit nach Art. 20 OR

und damit die Nichtigkeit des Vertrags begründet, führt die Übervorteilung zur einseitigen

Unverbindlichkeit des Vertrages zugunsten des Übervorteilten. Auch wenn leichte Fälle der

Übervorteilung denkbar sind in denen kein Wucher vorliegt, so wird doch i.d.R. im Fall

eines tatbestandsmäßigen Wuchers auch eine Übervorteilung vorliegen. In der zweiten

Situation würde daher immer die schwerere Rechtsfolge der Nichtigkeit greifen und dem

468 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 39 f. 469 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 41. 470 DONATSCH, S. 272; WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 41. 471 STRATENWERTH/JENNY, BT I, § 18 N 15; WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 42. 472 WEISSENBERGER, BSK, Art. 157 StGB N 51.

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN

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70

Übervorteilten die Rechtsfolge nach Art. 21 OR vorenthalten bleiben. Dies wäre m.E. nicht

angemessen und deshalb sollte im Sinne KRAMERS davon ausgegangen werden, dass bei

Konkurrenz der beiden Bestimmungen dem Schuldner auch die spezielle Rechtsfolge der

einseitigen Unverbindlichkeit offen steht und der Nichtigkeit vorgeht. 473

V. KASUISTIK ÜBERHÖHTER ZINSVEREINBARUNGEN

Die Rechtsprechung hatte schon in verschiedenen Fällen die Möglichkeit sich mit

Vereinbarungen überhöhter Zinssätze auseinander zu setzen, sei es in der Anwendung von

Bundesrecht oder kantonalem Recht, von Zivilrecht oder Strafrecht. Nachfolgend sollen

einige dieser Entscheidungen exemplarisch dargestellt werden:

- In BGE 43 II 803 wurde ein als Bonus bezeichneter Zins in Höhe von umgerechnet

37,5% p.a. der Darlehenssumme vereinbart. Aufgrund des Ablaufs der Jahresfrist

konnte keine Übervorteilung geltend gemacht werden. Die Prüfung von

Widerrechtlichkeit und Sittenwidrigkeit ließ das Bundesgericht wegen fehlender

Begründung offen.474

- In BGE 70 IV 200 erkannte das Bundesgericht einen dreimonatigen

Finanzierungswechsel mit einem rechnerischen Jahreszins von 44,4% als

strafrechtlichen Wucher nach Art. 157 StGB.475

- Das Handelsgericht Zürich erklärte einen gesamten Vertrag für nichtig, der

rechnerische Jahreszinsen von 55% bzw. 300% beinhaltete.476

- Das Obergericht Zürich setzte einen Darlehenszins von rechnerisch 58,5% p.a. für

ein 110-tägiges Darlehen herab auf das gesetzliche Höchstmaß von 12% p.a.

aufgrund von Art. 215 EGZGB ZH (damals Art. 213 EGZGB ZH).477

- In BGE 80 II 327 wurde eine Gesamtvergütung von umgerechnet 38,15% p.a. für

ein 28-tägiges Darlehen vereinbart. Das Bundesgericht erkannte auf Teilnichtigkeit

der vereinbarten Kommission nach Art. 20 Abs. 2 OR und eine Beschränkung der

Vergütung auf den Zins von 5% p.a.478

473 KRAMER, BK, Art. 21 OR N 64 f. 474 BGE 43 II 803 E. 3b. 475 BGE 70 IV 200 E. 4. 476 HGer ZH v. 12.12.1947, ZR 1948 Nr. 101 E. 4. 477 OGer ZH v. 28.04.1953, ZR 1953 Nr. 78 E. 3. 478 BGE 80 II 327 E. 4-6.; vgl. die kantonale Entscheidung: OGer ZH v. 27.04.1954, ZR 1955 Nr. 82.

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN __________________________________________________________________________

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- In BGE 80 IV 15 wurde ein Zinssatz von umgerechnet 60% p.a. für eine kurzfristige

Wechselfinanzierung trotz des hohen Verlustrisikos aufgrund schlechter

wirtschaftlicher Verhältnisse der Schuldnerin (juristische Person) als strafrechtlicher

Wucher qualifiziert.479

- Das Appellationsgericht Basel-Stadt qualifizierte ein auf zehn Monate gewährtes

Darlehen mit Zinsen und Nebenleistungen von umgerechnet über 29% p.a. bei

Ausbeutung einer Notlage als Verstoß gegen Art. 21 OR. Der gesamte Vertrag

wurde für nichtig erklärt.480

- In BGE 84 II 107 wurden kurzfristige Wechseldarlehen mit rechnerischen

Jahreszinsen von bis zu 38,8% als offensichtliches Missverhältnis und

Übervorteilung im Sinne von Art 21 OR gewertet.481

- Das Strafgericht Basel-Stadt entschied, dass im Kleinkreditgeschäft ein den

landesüblichen Satz von 18-20% übersteigender Jahreszins als wucherisch im Sinn

von Art. 157 StGB zu qualifizieren sei, sofern auch die übrigen Tatbestands-

merkmale erfüllt seien (i.c. Zinssatz zwischen 30% und 40% p.a.).482

- In BGE 93 II 189 wurde ein vereinbarter Darlehenszinssatz von 26% p.a. als

Verstoß gegen die guten Sitten nach Art. 20 OR gewertet. Rechtfolge war die

Teilnichtigkeit der Zinsabrede nach Art. 20 Abs. 2 OR und die Herabsetzung des

Zinssatzes auf 18% p.a.483

VI. ZUSAMMENFASSUNG

Das geschriebene Bundesprivatrecht kennt keinen allgemeinen Maximalzinssatz.

Auch ein teilweise vertretenes gewohnheitsrechtliches Zinsmaximum von 18% p.a. hat das

Bundesgericht abgelehnt. Dennoch bestehen verschiedene Einschränkungen für die Verein-

barung von Zinsen durch Bestimmungen des allgemeinen Schuldrechts, des öffentlichen

Rechts des Bundes und der Kantone sowie des Strafrechts. Dies ist zunächst der Höchst-

zinssatz von 15% p.a. gemäß KKG für alle Kredite zwischen gewerblichen Kreditgebern

und Konsumenten, wobei der effektive Jahreszinssatz484 maßgeblich ist. Ein Verstoß gegen

diese Norm führt zur Nichtigkeit des Kreditvertrages. Der Konsument muss die erhaltene

Kreditsumme über die Laufzeit zurückzahlen, schuldet aber weder Zinsen noch Kosten.

479 BGE 80 IV 15 E 2. 480 AppGer BS v. 11.07.1956, SJZ 1956, 333 (Willkürbeschwerde vom BGer abgewiesen am 15.09.1956). 481 BGE 84 II 107 E. 3. 482 Strafgericht BS v. 25.11.1961, SJZ 1963 S. 340 E. 2 f. (bestätigt durch das AppGer BS am 21.11.1961 und das

BGer am 05.02.1963). 483 BGE 93 II 189 E. b. 484 Siehe § 2 III B 4.

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN

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Eine Reduzierung des Zinssatzes auf das gesetzliche Maximum oder einen üblichen Zinssatz

kommt aus Gründen der Prävention nicht in Betracht.

In den Kantonen wurden viele Beschränkungen der Zinshöhe seit der Einführung des

KKG aufgehoben, so auch das interkantonale Konkordat über Maßnahmen zur Bekämpfung

von Missbräuchen im Zinswesen, welches einen maximalen Jahreszins von 18% (inkl.

Gebühren und Provisionen) vorsah. Die wichtigste verbleibende Bestimmung ist Art. 215

Abs. 1 EGZGB ZH, mit einem generellen Höchstzinssatz von 18% p.a. (inkl. aller

Kreditkosten). Ein Verstoß gegen diese Norm führt zur Nichtigkeit des Vertrags wegen

Widerrechtlichkeit nach Art. 20 OR, mit der Möglichkeit der Teilnichtigkeit und der

Reduktion des Zinssatzes auf das gesetzlich zulässige Maß.

Außerhalb des Anwendungsbereichs des KKG werden Zinsvereinbarungen im

Bundesrecht zudem durch die allgemeinen Schranken der Sittenwidrigkeit und der

Übervorteilung begrenzt. Eine sittenwidrige Zinsvereinbarung führt grundsätzlich zur

Nichtigkeit des Vertrages mit der Möglichkeit der Teilnichtigkeit, sofern sich der Vertrag in

einen mangelhaften und einen mangelfreien Teil trennen lässt. Das konkrete Vorgehen

richtet sich nach dem hypothetischen Parteiwillen. Falls daraus nicht geschlossen werden

kann, dass der Vertrag nicht auch mit einem tieferen Zinssatz abgeschlossen worden wäre,

kann der Zinssatz auf den maximal zulässigen Satz herabgesetzt werden (geltungserhaltende

Reduktion). Die Herabsetzung auf einen anderen gesetzlichen oder marktüblichen Zinssatz

(modifizierte Teilnichtigkeit) sowie die schlichte Teilnichtigkeit der Zinsvereinbarung hat

das Bundesgericht abgelehnt, sofern der hypothetische Parteiwille dafür keine

Anhaltspunkte bietet. Dieses Vorgehen ist nicht zu beanstanden, da es nicht der Zweck des

Gesetzes sein kann Verträge generell ganz aufzuheben, sondern nur soweit wie erforderlich.

Allerdings muss insbesondere bei Zinsvereinbarungen berücksichtigt werden, dass das mit

der Überlassung von Geld verbundene individuelle Risiko für einen Gläubiger unter

Umständen nur gegen einen hohen Zinssatz akzeptabel ist und er die Vereinbarung zum

maximalen gesetzlichen Zinssatz nicht abgeschlossen hätte. Liegt hingegen eine

übervorteilende Zinsvereinbarung vor, dann führt dies grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit

des Vertrages, sondern zu dessen einseitiger Unverbindlichkeit für den Übervorteilten,

sofern dieser binnen eines Jahres die Unverbindlichkeit erklärt (Verwirkungsfrist). In einem

neueren Entscheid hat das Bundesgericht auch die partielle Unwirksamkeit eines

übervorteilenden Vertrags, zumindest auf Antrag des Übervorteilten, zugelassen. Die

Reduktion erfolgt bei der Übervorteilung nicht auf das maximal zulässige Maß, sondern auf

ein marktübliches Durchschnittsentgelt. Diese Rechtsfolge ist sinnvoll, um zu verhindern,

dass Gläubiger bewusst übervorteilende Konditionen vereinbaren, weil sie im

Ungültigkeitsfall nicht unter das maximal zulässige Maß herabgesetzt würden. Hingegen

kann die unterschiedliche Rechtsfolge im Vergleich zu einem gegen den Höchstzinssatz

nach KKG verstoßenden Vertrag nicht überzeugen.

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§ 4 EINSCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN __________________________________________________________________________

73

Zuletzt wird auch die Vereinbarung von Zinseszinsen vom Gesetz beschränkt. Dieses

aus dem Darlehensrecht stammende Verbot ist gemäß Bundesgericht eine allgemeine Zins-

bestimmung, wobei die nachträgliche Vereinbarung von Zinseszinsen und gewisse Formen

der kaufmännischen Zinsberechnung ausgenommen sind. Eine spezielle Form der

Beschränkung von Zinseszinsen findet sich zudem im Verzugsrecht. Beide Zinseszins-

verbote können m.E. nicht überzeugen, da sie einerseits aufgrund ihrer Ausnahmen das

exponentielle Wachstum einer Schuld nicht verhindern können, aber andererseits dazu

führen, dass der Gläubiger nicht seinen gesamten Nutzungsausfall ersetzt erhält. Zudem

widersprechen sie einem verbreiteten Verständnis im Geschäftsverkehr und beschränken

auch ökonomisch vorteilhafte und von den Parteien gewollte Zinsvereinbarungen. Vor dem

Hintergrund, dass der Schutz des unerfahrenen Kreditnehmers im bürgerlichen Verkehr

heute durch die Transparenz- und Maximalbestimmungen des KKG gewährleistet ist, sollten

die Zinseszinsverbote im OR m.E. aufgehoben werden, da sie im Geschäftsverkehr eher

hinderlich sind und den entgangenen Nutzen des Gläubigers an den Zinsen nicht beachten.

Neben diesen privat- und öffentlich-rechtlichen Beschränkungen von Zinsverein-

barungen steht zudem der strafrechtliche Wucher, der die Vereinbarung grob übersetzter

Zinsen ahndet, sofern die Vereinbarung nicht aufgrund der freien Willensbildung des

Schuldners zustande gekommen ist. Strafbar ist ebenfalls der Nachwucher, d.h. der Erwerb

und die anschließende Veräußerung oder Geltendmachung einer wucherischen Forderung.

Bei der Beurteilung ob eine Zinsvereinbarung gegen eine der genannten

Bestimmungen verstößt, darf nicht nur auf die als Zinsen bezeichneten Vergütungen

abgestellt werden. Auch weitere Vergütungen wie Provisionen, Kosten oder Gebühren

müssen einbezogen werden, da andernfalls über diese Posten eine Umgehung der

Zinsschranken möglich wäre. Trotz des Fehlens eines gesetzlichen Höchstzinssatzes dürfte

in der Schweiz die Schwelle für zulässige Zinsabreden, inklusive aller weiteren

Vergütungen, bei ca. 18-20% p.a. liegen, vorbehaltlich besonderer Umstände, die einen

höheren Zinssatz im Einzelfall rechtfertigen. Zu solchen Umständen muss m.E. auch die

Entwicklung des allgemeinen Zinsniveaus gehören, da ein hohes Zinsniveau auch höhere

vertragliche Zinssätze rechtfertigen kann. Dies ist hingegen unter dem Zürcher EGZGB und

dem KKG, vorbehaltlich einer Anpassung des Maximalzinssatzes durch den Bundesrat,

nicht möglich.

Nach dieser Darstellung der wichtigsten Elemente der Zinsforderung und der

Schranken von Zinsvereinbarungen sollen in den folgenden Abschnitten die Zins-

bestimmungen im Allgemeinen Teil und den einzelnen Vertragsverhältnissen im OR

betrachtet werden. Der Fokus soll dabei besonders auf die Höhe der Zinssätze und deren

Bestimmungsfaktoren gelegt werden.

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§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG __________________________________________________________________________

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TEIL II: DIE ZINSEN IM ALLGEMEINEN TEIL UND IN DEN

VERTRAGSVERHÄLTNISSEN

§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG

I. DER DARLEHENSVERTRAG

Der Darlehensvertrag ist die typische Grundlage für die Entstehung einer Zinsschuld

und hat eine weitreichende realwirtschaftliche Bedeutung. Durch den Einsatz von Darlehen

und wirtschaftlich ähnlichen Kreditformen können z.B. Investitionen realisiert werden, die

der Investor alleine nicht finanzieren könnte. Sofern die Investition erfolgreich ist, können

davon alle Beteiligten profitieren. Der Borger kann seine Investition finanzieren, während

der Darleiher für das von ihm zur Verfügung gestellte Kapital eine Vergütung erhält. Die

Höhe der Vergütung richtet sich nach den vertraglichen Vereinbarungen und kann auf

verschiedenen Faktoren beruhen, wie z.B. dem Verlustrisiko, d.h. der Bonität des Borgers,

dem allgemeinen Zinsniveau, dem Betrag der Darlehenssumme, gestellten Real- und

Personalsicherheiten oder vertraglichen Zusicherungen und Verpflichtungen des Borgers.

Trotz der wirtschaftlichen Bedeutung des Darlehens befasst sich das OR relativ kurz und

oberflächlich mit dessen gesetzlicher Regelung, so dass Lehre und Praxis stark zur

Auslegung und Rechtsentwicklung beigetragen haben. Insbesondere haben sich aus der

Vertragsgestaltung der Banken und anderer professioneller Kreditgeber Standards in der

Ausgestaltung und Dokumentation von Darlehensverträgen herausgebildet, welche

umfassend die im Gesetz nicht oder bloß dispositiv geregelten Fragen behandeln. Die

Ausführlichkeit dieser Verträge hat dazu beigetragen, dass die kantonalen Gerichte und das

Bundesgericht sich trotz der lückenhaften gesetzlichen Regelung nur selten grundlegend

zum Darlehensrecht äußern mussten.485

A DEFINITION

Der Darlehensvertrag wird gemäß Art. 312 OR über die Pflichten der beteiligten

Parteien, dem Darleiher und dem Borger, definiert. Der Darleiher verpflichtet sich zur

Übertragung des Eigentums an einer bestimmten Summe Geld oder anderer vertretbarer

Sachen, während sich der Borger verpflichtet, Sachen nämlicher Art in gleicher Menge und

Güte bei Fälligkeit zurückzuerstatten. Der Darlehensvertrag ist dogmatisch ein spezieller

Gebrauchsüberlassungsvertrag, der dem Borger den zeitlich begrenzten Gebrauch eines

Wertquantums486, d.h. nicht einer Sache selbst, sondern den Gebrauch des Wertes einer

485 MAURENBRECHER, recht 2003, S. 180. 486 GAUCH, System, S. 11; GIERKE, JherJhb, S. 399 f.

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§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG __________________________________________________________________________

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Sache ermöglicht. In der Lehre war lange umstritten, ob der Darlehensvertrag als

Dauerschuldverhältnis zu qualifizieren sei, da sich das Gesetz im Gegensatz zu anderen

Dauerschuldverhältnissen (z.B. Miete, Arbeitsvertrag) nicht explizit dazu äußert. In BGE

128 III 428 (Fiat Lux) hat sich das Bundesgericht eindeutig zu dieser Frage geäußert und sie

im Sinne der wohl überwiegenden Lehrmeinung entschieden.487 Als qualifizierendes

Merkmal eines Dauerschuldverhältnisses gilt demnach, „dass der Umfang der

Gesamtleistung von der Länge der Zeit abhängt, während der die Leistungen fortgesetzt

werden sollen“488. Im Gegensatz dazu bestimmt sich bei „einfachen Schuldverhältnissen die

Dauer der Verbindlichkeit nach dem Umfang der Leistung“489. Das Bundesgericht sieht die

Abhängigkeit der Gesamtleistung von der Dauer der Leistungspflicht beim Darlehen als

gegeben an, da insbesondere beim relevanten Gelddarlehen die Hauptpflicht des Darleihers

nicht nur in der Verschaffung der Valuta, sondern auch in der Überlassung derselben beim

Borger für einen bestimmten Zeitraum bestehe. Die Qualifikation als Dauerschuld gelte

zudem nicht nur beim verzinslichen, sondern auch beim unverzinslichen Darlehen.490

B VERPFLICHTUNGEN DES DARLEIHERS

Die Hauptpflicht des Darleihers ist gemäß der herrschenden Lehre und der neueren

Rechtsprechung eine doppelte. Einerseits hat er dem Borger die vereinbarte Darlehens-

summe, die sog. Valuta, rechtsgültig zu verschaffen, d.h. das Eigentum an der Valuta zu

übertragen. Andererseits trifft ihn die Pflicht, die Valuta über die Dauer des Vertrags beim

Borger zu belassen, d.h. ihm den Wertgebrauch am Darlehenskapital während der

vereinbarten Laufzeit zu erhalten (sog. Belassungspflicht).491

1. ÜBERGABE DER VALUTA

Die Übergabe der Darlehensvaluta an den Borger ist die Voraussetzung dafür, dass

der Darlehensvertrag seine Wirkung entfaltet und die nachfolgenden Pflichten des Borgers

überhaupt entstehen. Kommt der Darleiher dieser Pflicht nicht zum vereinbarten Zeitpunkt

nach, so gerät in Verzug und schuldet dem Borger nach Art. 102 OR Verzugszinsen sowie

allenfalls weiteren Schadenersatz. Der Borger hingegen wird ohne die vollzogene Übergabe

nicht verpflichtet, die vereinbarten Zinsen zu zahlen und es entsteht keine Pflicht zur

Rückzahlung der Valuta. Da die Grundlage für eine Zinsschuld des Borgers während des

Verzugs des Darleihers fehlt, kann der Darleiher folglich auch nicht seine Schuld zur

487 So schon: GAUCH (1968), S. 11; v. GIERKE, JherJhb 1914, S. 399. 488 BGE 128 III 428 E. 3b; vgl. auch: LARENZ, S. 29 f. 489 MAURENBRECHER, recht 2003, S. 181. 490 BGE 128 III 428 E. 3b. 491 BGE 128 III 428 E. 3b; SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 312 OR N 6; WIEGAND/GEIGER, S. 109 f.

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§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG __________________________________________________________________________

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Zahlung von Verzugszinsen mit der Zinsschuld des Borgers verrechnen. Die vertraglichen

und gesetzlichen Wirkungen des Darlehensvertrages treten erst mit der korrekten

Valutierung, d.h. der vollständigen Übergabe der Darlehensvaluta in der vereinbarten Art

und der Übertragung des Eigentums an den Borger ein.492 Handelt es sich bei der Valuta um

Bargeld, wie es der gesetzlichen Konstruktion entspricht, so erfüllt die Übergabe an den

Borger oder an dessen Hilfsperson die genannten Voraussetzungen. Sofern die Valuta durch

Überweisung, Einzahlung oder Postanweisung übertragen wird, ist die Übergabe mit der

Gutschrift auf dem Konto des Borgers abgeschlossen, wenn dieser also über das Geld

verfügen kann. In diesem Zeitpunkt geht auch die Gefahr auf den Borger über. Dabei gilt die

Post bzw. Bank des Borgers als dessen Hilfsperson, so dass er sich deren Verhalten

anrechnen lassen muss, sobald die Valuta bei dieser eingegangen ist.493 Die Valutierung

kann gemäß Parteivereinbarung auch mittelbar erfolgen, d.h. z.B. durch Übertragung der

Valuta an einen Dritten oder von einem Dritten auf Anordnung des Darleihers. Ebenso

kommt die Erfüllung zahlungshalber durch Check oder Wechsel in Betracht. Die Übergabe

von Bankdarlehen wird i.d.R. durch Gutschrift auf dem Konto des Borgers vollzogen bzw.

durch das Einverständnis der Bank mit einer Belastung desselben.494 Die Forderung auf

Übergabe der Valuta ist eine normale Forderung, über die der Borger im Rahmen der

vertraglichen Vereinbarungen verfügen kann, d.h. er kann sie gemäß der herrschenden Lehre

abtreten, verrechnen oder vererben. Sie kann zudem, vorbehaltlich einer allfälligen

Zweckbindung, verpfändet, gepfändet und verarrestiert werden.495 Insbesondere im

kommerziellen Kreditgeschäft wird die Übergabe der Valuta i.d.R. von Bedingungen, den

sog. Auszahlungsvoraussetzungen oder Conditions Precedent, abhängig gemacht. Der

Borger muss in diesen Fällen z.B. die Sicherheiten gültig bestellt oder bestimmte

Dokumente vor der Auszahlung eingereicht haben.496

2. BELASSUNGSPFLICHT

Die Pflicht des Darleihers zur Belassung der Valuta beim Borger schließt an deren

korrekte und vollständige Übertragung an. Bis zur vereinbarten Rückzahlung bzw. einer

Kündigung muss der Darleiher die Valuta beim Borger zur vertragsgemäßen Nutzung

belassen und darf sie nicht zurückfordern. Sofern der Vertrag keine gegenteiligen

Vereinbarungen enthält, unterliegt der Borger bei seinem Gebrauch der Valuta keinen

Beschränkungen. Der Darleiher darf den Borger nicht in seiner Nutzung beschränken oder

das Darlehen wegen mangelnder Nutzung zurückfordern und hat alles zu unterlassen was

492 WIEGAND/GEIGER, S. 110; HIGI, ZK, Art. 312 OR N 55. 493 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 55. 494 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 312 OR N 7; HIGI, ZK, Art. 312 OR N 56. 495 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 24; SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 312 OR N 10. 496 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 312 OR N 10b.

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den Borger an der Nutzung hindern würde.497 Er darf keine andere Schuld gegenüber dem

Borger mit einer noch nicht fälligen Darlehensforderung verrechnen, ebenso wie nicht die

Verrechnung für eine noch nicht ausgezahlte Valutaforderung erklärt werden darf.498 Die

Existenz einer Belassungspflicht des Darleihers war lange in der Lehre umstritten, wurde

aber durch die jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichts bestätigt.499 Während das Gesetz

die Belassungspflicht des Darleihers während der Laufzeit nicht erwähnt, ergibt sich aus

dem Begriff und dem Zweck des Gebrauchsüberlassungsvertrages, dass die Übertragung der

Valuta kein Selbstzweck ist, sondern zur Nutzung erfolgt. Daher muss sich der Borger

darauf verlassen können, dass er die Valuta während der Laufzeit bzw. bis zum nächsten

vertraglichen Kündigungstermin gebrauchen kann, ohne sich um die Beschaffung der

finanziellen Mittel für die Rückzahlung oder eine Umfinanzierung kümmern zu müssen.500

Insbesondere bei der Finanzierung langfristiger Investitionen ist diese Sicherheit

unerlässlich, wenn z.B. geschaffene Produktionskapazitäten betriebsnotwendig und nicht

leicht liquidierbar sind. Praktisch bedeutsam ist die Annahme einer Belassungspflicht des

Darleihers auch dann, wenn z.B. eine Bank einen noch nicht zur Rückzahlung fälligen

Kredit mit anderen Guthaben des Borgers verrechnen oder die Wiederauszahlung eines

irrtümlich getilgten Darlehens verweigern will. Ein Entzug der Valuta gegen den Willen des

Borgers ist i.d.R. nicht möglich, da der Darleiher keinen sachenrechtlichen Anspruch auf die

Valuta hat, ein Leistungskondiktionsanspruch aufgrund des Darlehensvertrages als

Rechtsgrund ausgeschlossen ist und der Rückzahlungsanspruch erst zum Vertragsende

entsteht und fällig wird.501

3. ORT UND ZEITPUNKT DER ÜBERGABEPFLICHT

a. LEISTUNGSORT

Der Ort der Übergabepflicht des Darleihers richtet sich, mangels spezifischer

Regelungen im Darlehensrecht, nach den dispositiven gesetzlichen Bestimmungen. Der

Erfüllungsort bestimmt sich daher nach Art. 74 OR. Sofern keine Vereinbarung oder

konkludentes Verhalten der Parteien nach Vertragsabschuss vorliegt, differenziert die

gesetzliche Regelung nach der Art des Darlehens. Für Gelddarlehen liegt der Erfüllungsort

gemäß Art. 74 Abs. 2 Ziff. 1 OR am Wohnsitz des Gläubigers, d.h. des Borgers.502 Es

handelt sich um eine Bringschuld, wie es auch das Bundesgericht bestätigt hat.503 Für

497 WIEGAND/GEIGER, S. 110; HIGI, ZK, Art. 312 OR N 75 f.; SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 312 OR N 6. 498 MAURENBRECHER (1995), S. 145; HIGI, ZK, Art. 312 OR N 24. 499 BGE 128 III 428 E. 3b; a.A. noch BUCHER, OR BT, S. 192. 500 WIEGAND/GEIGER, S. 110 f. 501 MAURENBRECHER (1995), S. 145. 502 GAUTSCHI, BK, Art. 481 N 4e; HIGI, ZK, Art. 312 OR N 74. 503 BGE 100 II 153 E. c.

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Naturaldarlehen liegt der Erfüllungsort nach Art. 74 Abs. 2 Ziff. 3 OR am Wohnsitz des

Schuldners, d.h. des Darleihers (Holschuld).504 Das Bundesgericht hat sich dazu im o.g.

Entscheid mangels Entscheiderheblichkeit nicht geäußert.

b. LEISTUNGSZEITPUNKT

Der Zeitpunkt der Leistungspflicht richtet sich ebenfalls nach den allgemeinen

Bestimmungen, d.h. nach Art. 75 OR. Sofern keine vertragliche Vereinbarung wie z.B. ein

Verfalltag für die Übergabe getroffen wird, ist die Valutaschuld mit dem Vertragsabschluss

erfüllbar und fällig.505 Da der Darleiher vorleistungspflichtig ist, bestimmt der tatsächliche

Leistungszeitpunkt beim verzinslichen Darlehen auch den Beginn der Verzinsungspflicht

des Borgers, die erst mit der Übergabe der Valuta anläuft.506

4. RECHTSFOLGEN DER PFLICHTVERLETZUNG

Vorbehaltlich einer gegenteiligen Vereinbarung ist die Übertragung der Valuta

nicht nur sofort fällig, sondern muss auch vollständig erbracht werden. Der Borger braucht

keine Teilleistungen zu akzeptieren (Art. 69 Abs. 1 OR). Bleibt die Übertragung aus oder

erfolgt nicht gehörig, so sind die Bestimmungen über den Schuldnerverzug nach Art. 102 ff.

OR anwendbar und beim verzinslichen Darlehen kann der Borger nach Art. 107 ff. OR

vorgehen.507 Hat der Borger hingegen eine teilweise Übertragung der Valuta angenommen,

so kann er gestützt auf Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 99 OR Schadenersatz verlangen.508 Diese

Rechtsfolge tritt auch bei einer Verletzung der Belassungspflicht durch den Darleiher ein,

d.h. wenn er dem Borger die noch nicht zur Rückzahlung fällige Darlehensvaluta entzieht

oder seinen vertragsgemäßen Gebrauch in einer anderen Weise hintertreibt. Der Ersatz

umfasst sämtliche finanziellen Einbußen die dem Borger aufgrund des pflichtwidrigen

Handelns des Darleihers entstehen, z.B. Refinanzierungskosten oder entgangene Gewinne,

die bei uneingeschränkter Nutzungsmöglichkeit der entzogenen Mittel realisiert worden

wären. Zudem entfällt die Zinspflicht des Borgers für die Dauer des Entzugs der Valuta und

im Voraus geleistete Zinsen können anteilig zurückgefordert werden.509

5. EXKURS: RÜCKBEHALTUNGSRECHT DES DARLEIHERS

Die Vorleistungspflicht bringt eine erhebliche Unsicherheit für den Darleiher mit

sich, da er die Valuta ohne unmittelbare Gegenleistung ins Eigentum des Borgers überträgt

504 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 74; SCHRANER, ZK, Art. 74 OR N 102. 505 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 65 f.; SCHRANER, ZK, Art. 75 OR N 21 ff. 506 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 70. 507 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 312 OR N 10a; HIGI, ZK, Art. 312 OR N 57. 508 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 58. 509 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 77.

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und lediglich einen zukünftigen obligatorischen Anspruch auf Rückübertragung erhält.

Dieser ist insbesondere bei Zahlungsunfähigkeit des Borgers gefährdet bzw. verliert an

Wert, da im Konkurs regelmäßig nicht genug Werte zur Befriedigung aller Gläubiger

vorhanden sind. Um das Risiko des Darleihers zumindest teilweise zu begrenzen und zu

verhindern, dass dieser die Darlehensvaluta an einen zahlungsunfähigen Borger auszahlen

muss, enthält das Gesetz eine Spezialbestimmung, die dem Darleiher erlaubt, die Aus-

zahlung der Valuta rechtmäßig zu verweigern ohne in Schuldnerverzug zu geraten und

damit faktisch vom Vertrag zurückzutreten.510 Dieses Vorgehen steht dem Darleiher nach

Art. 316 OR dann offen, wenn der Borger nach Vertragsabschluss zahlungsunfähig wird

(Abs. 1) oder bereits beim Vertragsabschluss zahlungsunfähig war, aber der Darleiher erst

nachträglich davon Kenntnis erhalten hat (Abs. 2). Dabei muss er sich weder auf Irrtum oder

Täuschung berufen noch hat er eine Gefährdung seiner Ansprüche nach Art. 83 Abs. 1 OR

nachzuweisen, sondern es genügt der Nachweis der Zahlungsunfähigkeit des Borgers.511

C VERPFLICHTUNGEN DES BORGERS

Auch den Borger treffen im Darlehensverhältnis verschiedene Verpflichtungen,

wobei seine Hauptpflicht die Rückerstattung der Valuta bei Vertragsende ist. Sofern die

Parteien ein entgeltliches Darlehen vereinbart haben, schuldet der Borger zudem ein Entgelt

als Gegenleistung für die Überlassung der Valuta.

1. RÜCKERSTATTUNGSPFLICHT

Gemäß der gesetzlichen Umschreibung ist die Rückerstattung der Valuta an den

Darleiher die Hauptpflicht des Borgers. Sie wird mit der Beendigung des Darlehensvertrags

fällig und setzt die Hingabe der Valuta zwingend voraus. 512 Hingegen ist die Rückzahlung

gemäß Bundesgericht „nicht die (gleichwertige) Gegenleistung für dessen Gewährung,

sondern die Erfüllung der mit der Darlehensaufnahme eingegangenen Pflicht zu späterer

Rückzahlung“513, da es am „gegenseitigen Austauschelement“514 fehlt. Der Borger

verpflichtet sich die Valuta in Geld bzw. in Sachen nämlicher Art, Güte und Menge an den

Darleiher zu übergeben und ihm das Eigentum daran zu verschaffen.515 Auf Seiten des

Darleihers ist die Rückerstattungsforderung eine gewöhnliche Forderung, die abgetreten,

510 CHRIST, SPR VII/2, S. 239; OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 316 OR N 3; SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK,

Art. 316 OR N 11. 511 CHRIST, SPR VII/2, S. 239; SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 316 OR N 9 f. 512 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 81, 98; WIEGAND/GEIGER, S. 112; SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 312 OR N 1. 513 BGE 134 III 452 E. 3.1; vgl. auch: BGer 5A.116/2009 E. 5 v. 28.09.2009. 514 BGE 136 III 247 E. 5. 515 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 85; SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 312 OR N 1.

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vererbt, gepfändet oder verpfändet werden kann.516 Bezüglich des Umfangs der

Rückerstattungspflicht gilt wiederum das Nennwertprinzip517, d.h. dass bei Gelddarlehen der

gleiche nominale Geldwert zu übertragen ist, der vom Darleiher übertragen wurde. Bei einer

Hingabe an Geldes statt (Art. 317 OR) bestimmt sich der maßgebliche Wert der Valuta nach

dem Marktpreis oder Kurswert zum Zeitpunkt und am Ort der Hingabe. Hat der Borger

vereinbarungsgemäß eine größere oder kleinere Valuta zurückzuerstatten als er erhalten hat,

so liegt bei einer höheren Rückerstattung ein entgeltliches Darlehen vor, wobei der die

Valuta übersteigende Teil als Vergütung zu betrachten ist, während bei einer geringeren

Rückerstattung der Differenzbetrag als Schenkung qualifiziert wird, sofern nicht ein Teil der

Rückzahlungsschuld mit einer anderen Forderung des Borgers gegen den Darleiher

verrechnet wurde.518 Die Rückerstattungsforderung entsteht erst mit der Beendigung des

Darlehensvertrags und ist mangels abweichender Vereinbarung sofort fällig. Bei befristeten

Darlehen ist der Ablauf der vereinbarten Laufzeit maßgeblich, während bei unbefristeten

Darlehen die Beendigung durch Kündigung bewirkt wird.519 Kommt der Borger seiner

Rückerstattungspflicht nicht bei Fälligkeit nach, so fällt er in Schuldnerverzug. Dieser setzt

grundsätzlich eine Mahnung durch den Darleiher voraus, es sei denn, dass ein bestimmter

Verfalltag verabredet wurde, wie z.B. der Beendigungstag beim befristeten Darlehen. Beim

unbefristeten Darlehen gerät der Borger in Verzug, wenn er nicht bis zu jenem Tag die

Valuta zurückerstattet, auf den die Kündigung den Vertrag beendet (z.B. nach sechs

Wochen gemäß Art. 318 OR); bei fristlosen Kündigungen ist dies der Tag nach Zugang der

Kündigung.520 Vom Beginn des Verzugs an hat der Borger anstelle des Vertragszinses den

Verzugszins zu zahlen, sofern nicht der vertraglich vereinbarte Darlehenszins den

Verzugszins übersteigt und daher weiter gefordert werden kann.521

2. EXKURS: VORZEITIGE RÜCKERSTATTUNG

Bei der vorzeitigen Rückerstattung der Valuta möchte sich der Borger vor Ablauf

der vereinbarten Laufzeit von seiner Rückerstattungspflicht befreien. Beim unverzinslichen

Darlehen wird dieses Vorgehen grundsätzlich als zulässig angesehen und dem Darleiher,

vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung, kein Recht zur Annahmeverweigerung

zugestanden.522 Beim verzinslichen Darlehen wird die vorzeitige Rückerstattung

insbesondere von der älteren Lehre abgelehnt sofern keine entsprechende vertragliche

516 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 86, 24. 517 WIEGAND/GEIGER, S. 112; siehe § 3 V A 2; für Fremdwährungsdarlehen siehe § 3 V A 3. 518 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 90 ff. 519 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 98; WIEGAND/GEIGER, S. 112. 520 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 100. 521 WEBER, BK, Art. 104 OR N 33, 62 ff.; HIGI, ZK, Art. 312 OR N 100. 522 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 103 ff.; V. BÜREN, S. 116; MAURENBRECHER (1995), S. 180; V. THUR/ESCHER, § 62 S. 52;

FICK, Art. 312 OR N 41.

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Vereinbarung besteht. Dabei geht es jedoch letztlich nicht um die Zulässigkeit der

Rückzahlung, sondern um deren Rechtsfolgen. Es ist davon auszugehen, dass sich der

Borger von der später entstehenden und fällig werdenden Rückerstattungspflicht wirksam

befreien kann, dass er aber den vereinbarten Zins bis zum Ablauf der Vertragslaufzeit bzw.

zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin schuldet.523 Dabei kann es sich allerdings

nicht um einen echten Zins, sondern bloß das positive Vertragsinteresse des Gläubigers

handeln, da eine Forderung des Gläubigers fehlt, die für die Entstehung von Zinsen

vorausgesetzt ist. Einzig wenn spezielle Vereinbarungen oder Interessen des Darleihers

betroffen sind, wie z.B. beim partiarischen Darlehen, bei dem das Interesse weniger auf den

Zins als die Gewinnbeteiligung am finanzierten Geschäft fokussiert ist, kann eine vorzeitige

Rückzahlung nicht zulässig sein.524

3. PFLICHT ZUR ENTGELTLEISTUNG

Trotz der großen wirtschaftlichen Bedeutung des Darlehens und der Zinsen als

Vergütung für die Überlassung und Entbehrung der Valuta ist das Vorliegen einer Zinsschuld

des Borgers nicht begriffsnotwendig für die Qualifikation des Darlehens.525 Ist hingegen ein

entgeltliches Darlehen vereinbart, so hat der Borger neben der Pflicht zur Rückerstattung auch

die Pflicht zur Leistung einer Vergütung an den Darleiher. Dieses Entgelt kann, muss aber

nicht zwingend als Zins ausgestaltet sein, so dass die Begriffe des entgeltlichen und des

verzinslichen Darlehens nicht deckungsgleich sein müssen, wobei ein verzinsliches Darlehen

in jedem Fall ein entgeltliches ist. Beim entgeltlichen nicht verzinslichen Darlehen ist die

Vergütung i.d.R. eine Entschädigung für die Kapitalkosten des Darleihers.526

4. ANNAHMEPFLICHT

Während der Darleiher verpflichtet ist, die Darlehensvaluta zu übertragen, trifft

den Borger keine Pflicht die angebotene Valuta anzunehmen. Ebenso wie er mangels einer

anderen Vereinbarung die Valuta uneingeschränkt nutzen kann, steht es ihm auch frei sie

ungenutzt zu lassen und nicht erst anzunehmen. Die Annahme der Valuta durch den Borger

ist lediglich eine Obliegenheit, deren Versäumen einen Annahmeverzug nach Art. 91 OR

begründet.527 Der Verzug beginnt mit dem Angebot der Übergabe, d.h. es genügt die

Verbaloblation.528 Entsprechend verhält es sich bei der Verletzung von Mitwirkungs-

523 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 107; CHRIST, SPR VII/2, S. 255; V. BÜREN, S. 116; MAURENBRECHER (1995), S. 180 f.;

WIEGAND/GEIGER, S. 112. 524 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 312 OR N 13. 525 CHRIST, SPR VII/2, S. 244. 526 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 115 ff. 527 CHRIST, SPR VII/2, S. 241; HIGI, ZK, Art. 312 OR N 83, 49; MAURENBRECHER (1995), S. 152. 528 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 49.

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pflichten, wie z.B. der Mitteilung einer Bankverbindung durch den Borger zwecks

Überweisung der Valuta. Der Annahmeverzug ermöglicht dem Darleiher das Vorgehen nach

den Bestimmungen über den Schuldnerverzug. In jedem Fall kann sich der Borger durch die

Annahmeverweigerung nicht von der Zinspflicht beim verzinslichen Darlehen befreien.529

Solange der Darleiher am Vertrag festhält oder während einer allfälligen Hinterlegung der

Valuta schuldet der Borger den Zins für alle Zinsperioden ab dem Zeitpunkt der gehörigen

Andienung der Valuta durch den Darleiher.530 Wird die Darlehensvaluta nicht hinterlegt,

sondern vom Darleiher, während er am Vertrag festhält, in anderer Weise profitabel genutzt,

muss er sich den erlangten Ertrag an seine Zinsforderung gegen den Borger anrechnen

lassen, da in diesem Umfang sein Verlust geschmälert ist.531

II. DAS VERZINSLICHE DARLEHEN

A SYSTEMATIK

1. BÜRGERLICHER RECHTSVERKEHR

Im bürgerlichen Verkehr ist das Darlehen gemäß Art. 313 Abs. 1 OR vermutungs-

weise nicht verzinslich. Allerdings steht es den Parteien frei einen Zins zu vereinbaren.

Diese Vereinbarung kann explizit oder stillschweigend erfolgen, sich aus den Umständen

ergeben oder erst nachträglich zum zugrundeliegenden Rechtsverhältnis hinzutreten.532

Mangels abweichender Abrede sind die Zinsen nach Art. 314 Abs. 2 OR als Jahreszinsen zu

entrichten.

2. KAUFMÄNNISCHER VERKEHR

Im kaufmännischen Verkehr hingegen stellt das Gesetz eine Vermutung für die

Verzinslichkeit des Darlehens auf, wobei auch die Vereinbarung eines unverzinslichen

Darlehens möglich ist.533 Der kaufmännische Verkehr umfasst nach WIELAND „sämtliche

ein Handelsgewerbe begründenden, vorbereitenden oder sonst mit ihm zusammenhängenden

Rechtshandlungen“.534 Ein Darlehen im kaufmännischen Verkehr liegt somit vor, wenn es

von einem gewerbsmäßigen Darleiher vergeben wird oder wenn das Darlehen vom Borger

„zu kaufmännischen Zwecken, d.h. für sein Geschäft oder Gewerbe verwendet“ wird.535

529 BUCHER, OR BT, S. 196; HIGI, ZK, Art. 312 OR N 84, 49 f.; V. BÜREN, S. 112 f. 530 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 49. 531 BUCHER, OR BT, S. 196. 532 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 313 OR N 1. 533 HIGI, ZK, Art. 313 OR N 13. 534 WIELAND, S. 59. 535 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 313 OR N 3.

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Es handelt sich folglich um einen funktionalen Begriff, der sich in erster Linie am

abgeschlossenen Geschäft orientiert und nur in zweiter Linie an den handelnden Personen.

Daher kann ein als kaufmännisch qualifiziertes Darlehen auch zwischen zwei Parteien

gewährt werden, die nicht im Handelsregister eingetragen sind.536

B BEGRIFF

Zur rechtlichen Einordnung des Darlehenszinses zeigt sich die Lehre gespalten und

auch die Rechtsprechung hat nicht zur vollständigen Klärung beigetragen. Während eine

Lehrmeinung und das Bundesgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung den Darlehenszins

als akzessorische Nebenpflicht des Darlehensvertrags qualifiziert, da die Verzinsung für den

Darlehensvertrag nicht begriffswesentlich sei537, vertritt die neuere und wohl herrschende

Lehre die Ansicht, dass der Zins beim verzinslichen Darlehen keine akzessorische

Nebenpflicht, sondern eine synallagmatische Hauptpflicht des Borgers im Gegenzug für die

Übergabe und Überlassung der Valuta sei.538 Das Bundesgericht hat in einem neuen

Entscheid den Darlehensvertrag im Sinne seiner bisherigen Rechtsprechung weiterhin als

unvollkommen zweiseitigen Vertrag qualifiziert, da „die allenfalls hinzutretende Verzinsung

für den Darlehensvertrag begrifflich unwesentlich“ sei und es zudem am gegenseitigen

Austauschverhältnis zwischen Darlehenshingabe und Rückzahlung fehle.539 Hingegen sei,

im Einklang mit der herrschenden Lehre, im „Verhältnis zwischen Zinszahlungen und

Aufrechterhaltung der Wertüberlassung (…) von einem echten Synallagma auszugehen“,

mit dem Zins als Entgelt und Gegenleistung für die Zurverfügungstellung von Kredit.540

Somit ist vorliegend davon auszugehen, dass der Zins im verzinslichen Darlehen die echte

Gegenleistung für die Überlassung und Entbehrung der Valuta ist.

In Bezug auf ihre Entstehung und ihren Umfang knüpft die Zinsforderung hingegen

an die Hauptforderung an, wobei die Parteien die Zinsforderung individuell ausgestalten

können (z.B. Fälligkeit einmalig, ratenweise, periodisch).541 Zudem muss beim

Darlehensvertrag vermutet werden, dass die aufgelaufenen Zinsen gemäß Art. 114 Abs. 2

OR nachgefordert werden können und nicht mit dem Erlöschen der Hauptforderung

entfallen. Unabhängig von der verwendeten Qualifikation des Darlehenszinses bleiben aber

die Orientierung der Vergütung an Höhe und Laufzeit der Valuta sowie die periodische

Entstehung die entscheidenden Merkmale für das Vorliegen eines Zinses. Daher sind

rechtlich auch periodische Kreditkommissionen auf ausstehenden Krediten sowie Disagios

536 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 313 OR N 3; HIGI, ZK, Art. 313 OR N 12. 537 Vgl. V. THUR/PETER, § 10 S. 71; BGE 52 II 215 E. 3; BGE 80 II 327 E. 4a; BGE 93 II 189 E. b. 538 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 313 OR N 1; HIGI, ZK, Art. 313 OR N 14 f., 25; WIEGAND/GEIGER, S. 115;

SCHÖNENBERGER, CHK, Art. 313-314 OR N 2. 539 BGE 136 III 247 E. 5. 540 BGE 136 III 247 E. 5. 541 HIGI, ZK, Art. 313 OR N 25 ff.

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bei der Auszahlung und Agios bei der Rückzahlung von befristeten Darlehen als Zinsen zu

betrachten und bei der Anwendung der Vorschriften zur Beschränkung der Zinshöhe zu

berücksichtigen.542 Hingegen können bei der Vergabe von Darlehen auch Entgelte

verrechnet werden, die nicht als Zins zu qualifizieren sind. Solche sind z.B. pauschale

Vergütungen für die Auszahlung bzw. Übergabe, die sich nicht an der Laufzeit und Höhe

der Darlehensvaluta orientieren.543 Im Rahmen der Höchstzinsvorschriften, z.B. nach KKG,

oder den gesetzlichen Inhaltsschranken von Art. 20 f. OR werden diese weiteren

Vergütungen aber häufig dennoch wie Zinsen behandelt, um Umgehungsversuche der

Beschränkungen der Zinshöhe zu verhindern.544

C HÖHE DES ZINSSATZES

Anschließend an die dargestellten gesetzlichen Vermutungen zur Verzinslichkeit

von Darlehen im bürgerlichen und kaufmännischen Verkehr stellt Art. 314 Abs. 1 OR eine

dispositive Regel bzw. Auslegungshilfe für den Fall auf, dass die Parteien sich zwar auf eine

Verzinsungspflicht geeinigt haben bzw. eine solche aufgrund der gesetzlichen Vermutung

im kaufmännischen Verkehr besteht, aber dass die Parteien nicht die Höhe des Zinssatzes

oder die maßgeblichen Faktoren für dessen Bestimmung festgelegt haben oder dies bewusst

unterlassen haben.545

1. GRUNDSATZ DER VERTRAGSFREIHEIT

Aus dem knapp gefassten Art. 314 Abs. 1 OR kann nicht nur abgeleitet werden,

dass die Zinspflicht kein notwendiges Element eines Darlehensvertrags ist, sondern dass

auch die Höhe des Zinssatzes kein notwendiger Vertragsbestandteil (essentialia negotii)

eines Vertrags über ein verzinsliches Darlehen ist.546 Zudem resultieren aus dieser

Bestimmung der absolute Vorrang einer Parteivereinbarung über die Höhe des Zinssatzes

und der dispositive Charakter der gesetzlichen Regel. Entsprechend der gesetzlich

garantierten Vertragsfreiheit sind die Parteien im Rahmen der Rechtsordnung frei, den Inhalt

des Vertrags und damit die Höhe des anwendbaren Zinssatzes festzulegen.547 Bei der

Ausgestaltung des Zinssatzes sind die Parteien ebenfalls weitgehend frei. Sie müssen keinen

über die Laufzeit des Vertrags unveränderlichen Zinssatz fixieren, sondern dieser kann

sowohl fix als auch variabel ausgestaltet sein. Er kann sich automatisch an einen

542 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 313 OR N 4a. 543 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 313 OR N 4a; HIGI, ZK, Art. 313 OR N 17 ff.; WIEGAND/GEIGER, S. 118. 544 HIGI, ZK, Art. 313 OR N 22 f. 545 HIGI, ZK, Art. 314 OR N 26; SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 314 OR N 1; TC VS v. 07.09.1995, ZWR

1996 286, 291. 546 CHRIST, SPR VII/2, S. 244; SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 314 OR N 2a. 547 CHRIST, SPR VII/2, S. 249.

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Referenzzinssatz anpassen oder es kann dem Darleiher das Recht zur einseitigen Anpassung

des Zinssatzes an veränderte Verhältnisse des Borgers oder der Märkte zugestanden werden.

Allerdings muss in diesen Fällen eine nicht-willkürliche Handhabung und angemessene

Mitteilung an den Borger sichergestellt sein.548 Ist die Höhe des Zinssatzes nicht exakt

bestimmt, sondern orientiert sich an der Entwicklung eines Referenzzinssatzes, dann muss

der Stand und Verlauf des anwendbare Referenzobjektes auch für jeden vertraglich

vorgegebenen Anpassungszeitpunkt bestimmbar sein, d.h. dass sämtliche zur Bestimmung

notwendigen Angaben vorhanden sein müssen und die Berechnung der Zinsen tatsächlich

möglich sein muss, da ein Referenzzins dessen Höhe und Entwicklung sich nicht

rekonstruieren lässt zu erheblichen Beweisproblemen in einer gerichtlichen

Auseinandersetzung führen kann. Die Höhe des Zinssatzes kann von den Parteien anhand

verschiedener Faktoren wie der Bonität des Borgers, der Laufzeit und Höhe des Darlehens,

der Valutawährung, des Darlehenszwecks oder allfälliger Sicherheiten festgelegt werden.549.

2. SUBSIDIÄRER ÜBLICHER ZINSSATZ

Falls sich durch die Auslegung des Vertrages kein anwendbarer Zinssatz ermitteln

lässt, stellt Art. 314 Abs. 1 OR eine gesetzliche Vermutung für den üblichen Zinssatz am Ort

und zur Zeit des Darlehensempfangs für die betreffende Art von Darlehen auf. Der

maßgebliche Zeitpunkt ist der Tag der vereinbarten Fälligkeit der Darlehensvaluta. Zur

Bestimmung des Erfüllungsortes ist ebenfalls auf die Vereinbarung der Parteien abzustellen

und nicht auf den unter Umständen zufälligen Ort des tatsächlichen Darlehensempfangs.550

In der Lehre wird hingegen teilweise auch die gegenteilige Auffassung vertreten.551

Subsidiär bestimmt sich der maßgebliche Erfüllungsort nach den allgemeinen

Bestimmungen, d.h. es liegt nach Art. 74 Abs. 2 Ziff. 1 OR eine Bringschuld vor.552 In der

Praxis ist allerdings davon auszugehen, dass regelmäßig eine stillschweigende Vereinbarung

bzw. Usanz einer Holschuld vorliegt, womit der Wohnsitz des Darleihers bzw. der Sitz eines

beteiligten Kreditinstituts als maßgeblicher Ort gilt.553 Ungeachtet dessen muss m.E.

grundsätzlich in Frage gestellt werden, ob in Zeiten einer global vernetzten Finanzwirtschaft

mit teilweise einheitlichen Methoden zur Risikobestimmung und Risikobewirtschaftung

tatsächlich relevante regionale Unterschiede zwischen den üblichen Zinssätzen innerhalb

eines einzelnen Landes bestehen, oder ob die Bestimmung eines üblichen Zinssatzes nicht

besser für eine Währung, z.B. für Schweizer Franken, vorgenommen werden sollte. Nach

548 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 314 OR N 2; HIGI, ZK, Art. 314 OR N 25. 549 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 314 OR N 4; HIGI, ZK, Art. 314 OR N 34. 550 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 314 OR N 2a; HIGI, ZK, Art. 314 OR N 33; TERCIER/FAVRE/BUGNON, § 40 N 3047. 551 CHRIST, SPR VII/2, S. 249 f.; GUHL/KOLLER, § 45 N 8. 552 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 73; a.A.: SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 314 OR N 2a. 553 MAURENBRECHER (1995), S. 170.

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§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG __________________________________________________________________________

87

dem derzeitigen Stand des Gesetzes ist hingegen der vereinbarte Ort der Übergabe der

Valuta maßgeblich bzw. der nächstgelegene Finanzplatz. Neben dem Ort des Darlehens-

empfangs bestimmt Art. 314 Abs. 1 OR zudem die Art des Darlehens als Bestimmungs-

faktor für den ortsüblichen Zinssatz.

Zumindest im kommerziellen Kreditgeschäft, d.h. unter Beteiligung einer Bank

oder eines anderen gewerblichen Kreditgebers, kann m.E. für viele Darlehen von einer

allgemeinen Übung ausgegangen werden, nach der sich der anwendbare Zinssatz aus einem

Referenzzinssatz für die Refinanzierungskosten des Darleihers und einer zusätzlichen Marge

zusammensetzt, wobei die Marge eine Vergütung für das vom Darleiher zu tragende

Gegenparteirisiko und dessen Kosten beinhaltet sowie einen anteiligen Gewinn. Die Höhe

der Gesamtvergütung ist daher von verschiedenen üblicherweise herangezogenen Faktoren

wie der Laufzeit, Höhe und Währung der Valuta sowie der Bonität des Borgers, des Zwecks

des Darlehens (z.B. Investition, Refinanzierung, Konsum oder Warengeschäft) und

allfälligen Sicherheiten (Grundpfand, Mobiliarpfand, Lombardkredit, Bürgschaft, Garantie,

Lebensversicherung) abhängig.554 Durch die daraus resultierende starke Individualisierung

des Darlehens kann allerdings keine abstrakte Ortsüblichkeit für die Höhe des

Darlehenszinssatzes bestehen, sondern es muss immer eine individuelle Kredit- und

Risikoprüfung des betroffenen Geschäfts erfolgen, wie sie die am Handelsplatz aktiven

Kreditgeber vornehmen würden. Die Üblichkeit kann sich daher m.E. lediglich auf die

Methode zur Bestimmung des Zinssatzes und allenfalls die Höhe sowie die Gewichtung der

einzelnen Bestimmungsfaktoren beziehen. Soll folglich der übliche Zinssatz für ein

Darlehen gefordert werden, ist es m.E. notwendig und ausreichend, einen geeigneten und

anerkannten Referenzzins, wie z.B. einen LIBOR, für die Laufzeit des Darlehens zu

bestimmen und anhand der Eigenschaften des betroffenen Geschäfts, d.h. insbesondere der

Bonität des Borgers, einen im kommerziellen Geschäft üblichen durchschnittlichen

Aufschlag als Marge nachzuweisen. Der daraus resultierende Zinssatz sollte einem

ortsüblichen Zinssatz für die betreffende Art von Darlehen entsprechen, wie im Gesetz

vorgegeben. Alternativ könnte m.E. im bürgerlichen und kaufmännischen Verkehr auch der

durchschnittliche Kontokorrentzinssatz der Geschäftsbanken als üblicher Zinssatz für

kurzfristige Darlehen angewendet werden. Allerdings ist auch die Höhe dieses Zinssatzes in

der Praxis stark vom Gegenparteirisiko, d.h. von der Bonität des Borgers und allfälligen

Sicherheiten abhängig, so dass kein allgemein geltender Kontokorrentzinssatz existiert.

Folglich muss für die Anwendung des üblichen Darlehenszinssatz ein durchschnittlicher

Zinssatz für die individuellen Merkmale des konkret betroffenen Borgers bestimmt und

nachgewiesen werden.555 Falls dies nicht möglich ist, könnte allenfalls auch ein

554 CHRIST, SPR VII/2, S. 250; SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 314 OR N 4; BOVET, CR, Art. 314 OR N 2. 555 Eine Umfrage bei den großen Geschäftsbanken am Handelsplatz Zürich im November 2010 hat ergeben, dass die

Sollzinsen im Kontokorrent in Schweizer Franken je nach Bonität des Borgers und allfälligen Sicherheiten zwischen

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§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG __________________________________________________________________________

88

durchschnittlicher Zinssatz der Geschäftsbanken für nicht-vereinbarte und ungesicherte

Überziehungen als üblich nachgewiesen und angewendet werden.556 Die geltende

Rechtsprechung des Bundesgerichts sollte diesem Vorgehen m.E. nicht entgegenstehen,

allerdings könnten hohe Anforderungen an den Nachweis der Üblichkeit, insbesondere

hinsichtlich der Höhe der Marge bzw. des Kontokorrentzinssatzes, die Forderung dieser

Zinssätze erheblich erschweren.

Die von CHRIST für den April 1977 noch zitierten üblichen Konventionen der

Banken am Handelsplatz Basel als minimale Richtwerte einer Ortsüblichkeit, die er selbst als

„wettbewerbslenkende Abrede“ bezeichnet, dürften unter der geltenden internationalen

Regulierung der Kreditvergabe von Finanzinstituten und der kartellrechtlichen Überwachung

von Wettbewerbsabreden heute nicht mehr existieren und nicht mehr anwendbar sein.557

3. FEHLENDE ORTSÜBLICHKEIT

Art. 314 Abs. 1 OR enthält keine abschließende Regel zur Bestimmung der Höhe

des Zinssatzes wenn keine Übung am maßgeblichen Ort klar feststellbar oder nicht

hinreichend beweisbar ist. In diesem Fall liegt nach den allgemeinen Auslegungsregeln eine

Gesetzeslücke vor, die gemäß Art. 1 Abs. 2 ZGB durch richterliche Lückenfüllung zu

schließen ist.558 In Praxis und Lehre hat sich die analoge Anwendung der subsidiären

Bestimmung von Art. 73 Abs. 1 OR durchgesetzt, wonach ein Zinssatz von 5% p.a.

Anwendung findet.559 In diesem Sinne hat auch das Bundesgericht in seiner jüngeren

Rechtsprechung entschieden,560 wobei Praxis und Lehre uneinig sind, ob dogmatisch

betrachtet eine analoge oder unmittelbare Anwendung des Art. 73 Abs. 1 OR vorliegt.561

In seiner jüngsten Rechtsprechung ist das Bundesgericht jedoch von seiner Praxis

abgewichen und hat dem Darleiher die analoge Anwendung des Zinssatzes von 5% p.a. aus

Art. 73 Abs. 1 OR für einen Darlehensvertrag verweigert, weil der vertraglich vereinbarte

LIBOR nicht nachgewiesen werden konnte bzw. die beweispflichtige Partei den Beweis

nicht erbringen konnte.562 Das Bundesgericht verwehrte den subsidiären Zinssatz mit der

Begründung, dass zwar ein Zinssatz vereinbart worden sei, die notwendigen Tatsachen zur

4½ und 12% p.a. lagen, zzgl. einer Kreditkommission für die zugesicherte Kreditlimite von ¼% pro Quartal. Im

gleichen Zeitraum lag der 3-Monats-LIBOR auf Schweizer Franken bei 0,18%. 556 Für ungesicherte und nicht-vereinbarte Überziehungen wurden von den Zürcher Geschäftsbanken im November 2010

Zinssätze zwischen 9¼ und 9¾% p.a. angewendet, zzgl. der genannten Kommission von von ¼% pro Quartal. 557 CHRIST, SPR VII/2, S. 250. 558 HIGI, ZK, Art. 314 OR N 37. 559 HIGI, ZK, Art. 314 OR N 37; SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 314 OR N 3; BOVET, CR, Art. 314 OR N 3. 560 BGE 126 III 189 E. 2c = Pra 2000 Nr. 119. 561 Wie das BGer im o.g. Entscheid, sprechen sich auch TERCIER/FAVRE/BUGNON, § 40 N 3048, für eine unmittelbare

Anwendung aus. 562 BGE 134 III 224 E. 7 = Pra 2008 Nr. 143.

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§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG __________________________________________________________________________

89

Bestimmung der Zinsschuld aber nicht nachgewiesen werden konnten. Daher habe der

Darleiher die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen und könne keinen Zins vom Borger

fordern. Entgegen dem früheren Entscheid BGE 126 III 189 sei im vorliegenden Fall kein

Zinssatz von über 5% streitig, sondern die Höhe des vereinbarten Zinssatzes sei

vollkommen unklar, so dass der beweispflichtige Darleiher aus seiner Beweislosigkeit nichts

für sich ableiten könne. Der Entscheid überrascht, stellt aber im Ergebnis eine nicht zu

beanstandende Folge der Beweislosigkeit des Gläubigers dar. Die zukünftige Recht-

sprechung wird zeigen, ob es sich um einen Einzelentscheid handelt oder ob das

Bundesgericht entgegen seiner eigenen Beteuerung die bisherige Praxis ändern wird. Einige

Punkte im jüngsten Entscheid sprechen aber dafür, dass das Gericht nicht bereit war dem

allenfalls bewusst beweislos gebliebenen Darleiher den subsidiären Zinssatz zuzusprechen,

da der maßgebliche Marktzins in der relevanten Periode unter 5% p.a. gelegen haben

könnte.563 Allerdings verwendet das Bundesgericht zur Begründung seines Entscheids ein

untaugliches Abgrenzungskriterium, da es gerade darauf abstellt ob der nicht nachgewiesene

Zinssatz höher oder tiefer als die subsidiären 5% p.a. gewesen sei. Dies erstaunt

insbesondere vor dem Hintergrund, dass im letzten vorhergehenden Entscheid auch nur der

Stand des variablen Referenzzinses zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nachgewiesen

war (> 5%), jedoch keine Tatsachen über die nachfolgende Entwicklung des Zinses während

der mehrjährigen Vertragslaufzeit beigebracht wurden. Das Bundesgericht lehnt es zudem

ab, Nachforschungen über die Entwicklung eines Referenzzinses anzustellen, da ein solcher

(i.c. ein 6-Monats-LIBOR auf ECU) keine notorisch bekannte Tatsache sei, von der

„jedermann Kenntnis haben kann“ und die „mit jedermann zugänglichen Mitteln“ überprüft

werden könne.564 Meines Erachtens wäre eine generelle Begründung der Zinslosigkeit als

Folge der Beweislosigkeit vorzuziehen, zumindest wenn man den Zinssatz gemäß Art. 73

Abs. 1 OR im Darlehensrecht nicht als subsidiär anwendbar betrachtet. Zudem kann man

geteilter Meinung sein, ob das Bundesgericht mit seinem konservativen Verständnis der

notorisch bekannten Tatsache in diesem Fall nicht zu restriktiv bleibt. Insbesondere das

Internet ermöglicht heute den Zugriff auf eine Vielzahl von Informationen und dies

bedeutend einfacher und umfassender als es Lexika oder Zeitungen bieten können. Über die

Internetauftritte der wichtigen National- bzw. Zentralbanken sind eine Vielzahl von

Geldmarkt- und Leitzinssätzen für die jeweiligen Währungen jederzeit verfügbar. Ebenso

sind einige LIBOR bzw. EURIBOR Zinssätze auch tagesaktuell in der Neuen Zürcher

Zeitung (NZZ) abgedruckt. Daraus ergibt sich hingegen nicht zwingend, dass jegliche

Zinssätze auch als notorisch bekannte Tatsache gelten sollten.

563 Tatsächlich lag der vereinbarte Referenzzinssatz in der relevanten Periode wahrscheinlich unter 5% p.a. 564 BGE 134 III 224 E. 5.2 = Pra 2008 Nr. 143.

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§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG __________________________________________________________________________

90

4. BEWUSST UNGEREGELTER NEBENPUNKT

Für den eher seltenen Fall, dass Borger und Darleiher zwar ein verzinsliches

Darlehen vereinbart haben, aber keine Einigung über die Höhe des Zinssatzes finden

konnten und diesen Nebenpunkt bewusst offen gelassen haben, muss der Darlehensvertrag,

wie bereits erwähnt565, durch das Gericht ergänzt werden. Die Gültigkeit des Vertrags wird

durch das Fehlen eines Zinssatzes zwar nicht gehindert, da der Zinssatz wie gezeigt kein

begriffsnotwendiges Element des Darlehensvertrags ist, aber sie steht unter dem Vorbehalt

dieses Nebenpunkts, da er mindestens für eine Partei von subjektiver Bedeutung ist (Art. 2

Abs. 2 OR) und diese Partei den Vertrag ohne eine Einigung über diesen Punkt nicht

abgeschlossen hätte.566 Der Richter muss den Zinssatz in diesem Fall gemäß Art. 2 Abs. 2

OR „nach der Natur des Geschäfts“ festlegen, wobei ihm ein relativ großer Entscheidungs-

spielraum zur Verfügung steht.567 Dennoch handelt es sich bei einem Zinssatz nach dieser

Bestimmung nicht um echte richterliche Zinsen, sondern um eine von den Parteien

vereinbarte Zinsschuld, deren Höhe einzig durch den Richter festgelegt wird. Der Richter

ergänzt folglich den zunächst bewusst lückenhaft gebliebenen Vertrag, sofern diese Lücke

nicht inzwischen gegenstandslos geworden ist (z.B. nachträgliche zwingende gesetzliche

Regelung), sich auf eine Eventualität bezog oder der Vertrag bereits in einer bestimmten

Weise erfüllt wurde.568 Es handelt sich i.d.R. um eine selbstständige Klage, d.h. der Eingriff

des Richters erfolgt auf eine Klage auf richterliches Gestaltungsurteil hin, die kein Begehren

um eine bestimmte Vertragsergänzung beinhalten muss, d.h. nicht spezialisiert sein muss.

Sie kann aber auch im Rahmen eines Rechtsstreits über die Verbindlichkeit des Vertrages

sowie einer Erfüllungs- oder Schadenersatzklage eingebracht werden.569 Die Ergänzung

erfolgt aufgrund des Gesetzeswortlauts nach der Natur des Geschäfts, d.h. nach „Recht und

Billigkeit“570. Sie kann negativ betrachtet nicht dem hypothetischen Parteiwillen folgen, da

die Parteien eben nicht in der Lage waren die ihnen bekannte Lücke durch eine

Vereinbarung zu schließen.571 Ebenso soll der Richter nicht unmittelbar auf das dispositive

Gesetzesrecht zurückgreifen, da die Parteien bewusst eine abweichende Vereinbarung den

gesetzlichen Bestimmungen vorgezogen haben. Auch die Verkehrssitte oder die Übung im

Geschäftsverkehr kann zunächst nur als Richtschnur dienen.572 Es sollte hingegen eine

Lösung gefunden werden, welche die individuellen Interessen der Parteien und den Zweck

des Vertrages sowie dessen Eigenarten berücksichtigt und angemessen erscheint. Sie muss

565 Siehe § 3 III D. 566 BUCHER, BSK, Art. 2 OR N 3, 6. 567 KRAMER, BK, Art. 2 OR N 23 ff. 568 KRAMER, BK, Art. 2 OR N 21; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, ZK, Art. 2 OR N 46. 569 KRAMER, BK, Art. 2 OR N 22; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, ZK, Art. 2 OR N 49 f.; KUT/SCHNYDER, CHK, Art. 2 OR N 5. 570 BGE 84 II 628 E. 1. 571 KRAMER, BK, Art. 2 OR N 23; a.A.: KUT/SCHNYDER, CHK, Art. 2 OR N 7. 572 BGE 84 II 628 E. 1.

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§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG __________________________________________________________________________

91

zusammen mit dem bestehenden Vertrag ein harmonisches Ganzes bilden und darf nicht

über das hinaus gehen, wie „die Parteien es nach den unzweideutigen konkreten und von

ihnen geschaffenen Umständen in guten Treuen und redlicher Weise erwarten dürfen und

erwarten müssen“573. Die Ergänzung erfolgt aus der Perspektive der Parteien und deren

Interessenlage zum Vertragsabschluss, muss aber veränderte Verhältnisse berücksichtigen,

da die Parteien diese bei einer allfälligen Einigung auch einbezogen hätten. Hingegen muss

sie den hypothetischen Willen der Parteien völlig ausblenden.574 Trotz des Vorrangs einer

individuellen Lösung zur Vertragsergänzung ist es dem Richter nicht verwehrt, sofern es

ihm im Einzelfall als angemessen erscheint, den Vertrag nach dispositivem Gesetzesrecht

oder der Verkehrsübung zu ergänzen. Allerdings ist zu überprüfen, ob dieses Vorgehen mit

der ursprünglichen Ablehnung der dispositiven Regelung durch die Parteien vereinbar ist.575

Die Bestimmung des Art. 2 Abs. 2 OR ist hingegen nach Ansicht des Bundesgerichts nicht

anwendbar „wenn die Vertragsparteien einen Nebenpunkt weder geregelt noch seine

Regelung einer späteren Vereinbarung vorbehalten haben“576; in diesem Fall ist auf

dispositives Gesetzesrecht zur Lückenfüllung zurückzugreifen.577

III. PROZESSUALES

Die Vereinbarung eine Entgeltes oder eines Zinses sowie dessen Form und Höhe ist

gemäß Art. 8 ZGB regelmäßig vom Darleiher zu beweisen.578 Abweichend von dieser

Grundregel kommt es beim Darlehen im kaufmännischen Verkehr zu einer Umkehr der

Beweislast, da die Pflicht zu Leistung von Zinsen aufgrund von Art. 313 Abs. 2 OR

vermutet wird. Dies gilt hingegen nicht für die Vereinbarung eines anderen Entgelts als

eines Zinses. Aufgrund der Vereinbarung hat der Borger zu beweisen, dass abweichend von

der gesetzlichen Vermutung ein unverzinsliches Darlehen vereinbart wurde, während der

Darleiher regelmäßig für die Behauptung beweispflichtig ist, dass das Darlehen tatsächlich

im kaufmännischen Verkehr gewährt wurde.579 Ebenso ist der Darleiher im kaufmännischen

Verkehr i.d.R. als Kläger für die Höhe des Zinssatzes beweispflichtig.580 Sofern ein flexibel

an einem Referenzzinssatz orientierter Zins vereinbart wurde, trägt der Darleiher die

Beweislast für die Höhe des Referenzsatzes über die gesamte Laufzeit des Darlehens. Falls

er den Beweis nicht erbringen kann, muss er die Folgen tragen und das Gericht setzt nach

der bisherigen Rechtsprechung den Anspruch auf den subsidiären gesetzlichen Zinssatz von

573 MERZ, BK, Art. 2 ZGB N 145. 574 KRAMER, BK, Art. 2 OR N 23 f.; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, ZK, Art. 2 OR N 51. 575 KRAMER, BK, Art. 2 OR N 25; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, ZK, Art. 2 OR N 52. 576 BGE 83 II 522 E. a. 577 KUT/SCHNYDER, CHK, Art. 2 OR N 6. 578 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 314 OR N 7b; HIGI, ZK, Art. 312 OR N 131. 579 HIGI, ZK, Art. 312 OR N 131; KUMMER, BK, Art. 8 ZGB N 352. 580 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 314 OR N 7b.

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§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG __________________________________________________________________________

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5% p.a. fest.581 Im Betreibungsbegehren muss die Zinsforderung nicht genau angegeben

werden, sondern es genügt die Angabe der Kapitalforderung, des Zinssatzes und der

Fälligkeit (Art. 67 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG). Sofern der Zinssatz ausdrücklich fixiert wurde

oder sich ohne weiteres bestimmen lässt, gilt der Darlehensvertrag als provisorischer

Rechtsöffnungstitel für die Zinsforderung.582

IV. VERJÄHRUNG

Der Rückzahlungsanspruch des Darleihers verjährt gemäß Art. 127 OR zehn Jahre

nach der Fälligkeit der Forderung (Art. 130 Abs. 1 OR). Sofern der Eintritt der Fälligkeit

eine Kündigung voraussetzt beginnt die Verjährung mit jenem Tag auf den die Kündigung

zulässig ist. Da das unbefristete Darlehen nach der dispositiven gesetzlichen Regelung

jederzeit mit einer Frist von 6 Wochen gekündigt und damit fällig gestellt werden kann,

würde die Verjährung zehn Jahre und sechs Wochen nach der Auszahlung der Valuta

eintreten (Art. 318 i.V.m. Art. 130 Abs. 2 OR). Daraus folgt beim unbefristeten Darlehen,

dass der Rückzahlungsanspruch aus langfristigen Verträgen bereits verjähren könnte bevor

er überhaupt fällig werden würde.583 Die herrschende Lehre584 und Rechtsprechung585 kann

wohl dieser Ansicht zugeordnet werden, während eine andere Lehrmeinung die Ansicht

vertritt, dass der Rückforderungsanspruch beim unbefristeten Darlehen, wie beim

Hinterlegungsvertrag und dem Auftrag, erst 10 Jahre nach der tatsächlichen Beendigung

verjähren sollte, da auch beim Darlehen die Rückerstattungspflicht nicht von Anfang an

bestehe.586 Praktisch bedeutsam ist diese Problematik aber nur beim unverzinslichen

Darlehen ohne Amortisationspflicht, da Amortisationszahlungen oder Zinszahlungen die

Verjährung gemäß Art. 135 Ziff. 1 OR unterbrechen. Ebenso wird die Verjährung im

Kontokorrentverkehr durch die Novation der Schuld unterbrochen.587

V. ZUSAMMENFASSUNG

Im Darlehensrecht gilt, wie gezeigt, eine differenzierte gesetzliche Ordnung

betreffend die Verzinsung. Nur für das Darlehen im kaufmännischen Verkehr wird die

Verzinslichkeit vom Gesetz vermutet, während im bürgerlichen Verkehr das unverzinsliche

Darlehen den gesetzlichen Regelfall darstellt. Die Vereinbarung einer Zinspflicht ist folglich

581 BGE 126 III 189 E. 2c = Pra 2000 Nr. 119; SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 314 OR N 7b. 582 STÜCHELI, S. 373; SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 314 OR N 7b. 583 HONSELL, OR BT, S. 264. 584 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 318 OR N 28; V. THUR/ESCHER, § 80 S. 220; GUHL/KOLLER, § 45 N 25;

BUCHER, OR AT, S. 197; BERTI, ZK, Art. 130 OR N 23, 59; V. BÜREN, S. 116. 585 BGE 91 II 442 E. 5b (obiter dictum); BGE 50 II 401. 586 MAURENBRECHER (1995), S. 260 f.; HIGI, ZK, Art. 315 OR N 22; zu Auftrag und Hinterlegung: BGE 91 II 442 E. 5b. 587 SCHÄRER/MAURENBRECHER, BSK, Art. 318 OR N 29.

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§ 5 DER ZINS IM DARLEHENSVERTRAG __________________________________________________________________________

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kein notwendiger Bestandteil eines Darlehensvertrages und ebenso sind der anwendbare

Zinssatz oder seine Bestimmungsfaktoren keine notwendigen Bestandteile einer

Vereinbarung über ein verzinsliches Darlehen. Die Höhe des Zinssatzes richtet sich

grundsätzlich nach der Vereinbarung der Parteien. Falls die Parteien keinen Zinssatz

ausdrücklich vereinbart haben und auch kein Zinssatz zumindest bestimmbar ist, stellt das

Gesetz subsidiär die Vermutung für den üblichen Zinssatz am Ort und zur Zeit des

Darlehensempfangs für die betreffende Art von Darlehen auf. Ein solcher üblicher Zinssatz

könnte, insbesondere für Darlehen im kommerziellen Kreditgeschäft, aus einem

Referenzzinssatz für die Refinanzierungskosten des Darleihers und einer Marge für das mit

dem Kredit verbundenen Gegenparteirisiko, allgemeine Kosten des Darleihers und einen

anteiligen Gewinn bestehen, d.h. aus den gleichen Komponenten, die kommerzielle

Kreditgeber regelmäßig zur Bestimmung ihrer Zinssätze heranziehen. Aufgrund der

Vielzahl möglicher Bestimmungsfaktoren für die Höhe des anzuwendenden Zinssatzes muss

aber die Höhe der Marge und damit der resultierende Zinssatz unter Berücksichtigung der

individuellen Eigenschaften des betroffenen Vertrages bestimmt werden, da auch im

kommerziellen Kreditgeschäft sich die Zinssätze stark aufgrund der Bonität des Borgers und

allfälliger Sicherheiten unterscheiden. Alternativ kommt m.E. sowohl im bürgerlichen als

auch im kaufmännischen Verkehr der durchschnittliche Kontokorrentzinssatz für Schweizer

Franken zur Zeit des Darlehensempfangs für den Nachweis des üblichen Zinssatzes in

Betracht, da dieser Zinssatz das Zinsniveau widerspiegelt, zu dem sich ein durchschnittlich

solventer Borger bei Banken kurzfristig Liquidität verschaffen könnte. Aufgrund seiner

Funktion als Überziehungszinssatz liegt dieser Zinssatz aber i.d.R. am oberen Ende der

üblichen Zinsspanne.588 Einen subsidiären Zinssatz legt das OR im Darlehensrecht nicht

fest, daher kommt in der Praxis der Zinssatz von 5% p.a. gemäß Art. 73 Abs. 1 OR zur

Anwendung, wobei im Fall der Beweislosigkeit des Gläubigers bezüglich des Zinssatzes

auch die vollständige Verweigerung eines Zinses durch das Gericht in Frage kommt. Falls

die Parteien die Höhe des Zinssatzes bewusst offengelassen haben, können sie auf

Ergänzung des Vertrages und Festlegung der Höhe des vereinbarten Zinssatzes nach der

Natur des Geschäfts klagen.

588 Der Zinssatz für nicht-vereinbarte und ungesicherte Überziehungen lag bei den Zürcher Geschäftsbanken im

November 2010 bei durchschnittlich 9.5% p.a., zzgl. einer üblichen Kreditkommission von ¼% pro Quartal,

während der 3-Monats-LIBOR für Schweizer Franken zum gleichen Zeitpunkt 0.18% betrug.

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§ 6 DER ZINS IM SCHULDNERVERZUG __________________________________________________________________________

95

§ 6 DER ZINS IM SCHULDNERVERZUG

I. DER VERZUG

Der Begriff des Schuldnerverzugs beschreibt die „objektiv pflichtwidrige Verspätung

der Erfüllung“589 einer Schuldpflicht durch den Schuldner. Er ist einer der nicht einheitlich

im OR behandelten Tatbestände der Leistungsstörungen und steht neben der Nichtleistung

(Unmöglichkeit) und der Schlechtleistung (positive Vertragsverletzung).590 Im Gegensatz

zur Nichterfüllung enthält der Begriff des Verzugs keine Aussage über die endgültige

Erfüllung oder das Ausbleiben der vereinbarten Leistung.591 Sobald die Erfüllung der

Leistung nicht mehr möglich ist kann per definitionem auch kein Schuldnerverzug mehr

vorliegen. Mit dessen Ende wandelt sich der Erfüllungsanspruch des Gläubigers der

ausgebliebenen Leistung in einen sekundären Schadenersatzanspruch.592

A VORAUSSETZUNGEN

Damit ein Fall des Schuldnerverzugs nach Art. 102 OR vorliegt, müssen folgende

Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst muss die Erfüllung einer versprochenen Leistungspflicht

ausbleiben, obwohl die Erfüllung möglich wäre. Zudem muss die betroffene Leistung fällig und

der Schuldner gemahnt worden sein. Zuletzt muss die Nichtleistung objektiv pflichtwidrig sein.593

1. NICHTLEISTUNG TROTZ MÖGLICHKEIT ZUR LEISTUNG

Die erste Voraussetzung grenzt den Schuldnerverzug von den anderen Tatbeständen

der Leistungsstörungen ab. Notwendig ist, dass der Schuldner die Erbringung seiner Leistung

schuldig bleibt, obwohl die Erbringung möglich wäre. Das Ausbleiben der Leistung grenzt den

Verzug von der positiven Vertragsverletzung ab, bei der die Leistung nicht gehörig erbracht

wird.594 Die zweite Voraussetzung, dass die Leistungserbringung grundsätzlich noch möglich

ist, grenzt den Verzug von den Tatbeständen der Unmöglichkeit ab. Eine Leistung ist nur dann

objektiv unmöglich, wenn sie „unabhängig von der Person des konkreten Schuldners, auch von

einem beliebigen Schuldner nicht erbracht werden könnte“ und zwar sowohl für Fälle der

tatsächlichen als auch der rechtlichen Unmöglichkeit.595 Im Gegensatz dazu ist eine Leistung

subjektiv unmöglich, wenn sie lediglich für den konkreten Schuldner, aber nicht für jede

589 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2656. 590 SCHWENZER, N 60.02. 591 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2656. 592 V. THUR/ESCHER, § 72 S. 135. 593 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2657; SCHWENZER, N 65.02. 594 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2619. 595 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2558 ff.

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andere Person, unmöglich ist; sie wird daher auch als „Unvermögen“ bezeichnet. Diesen Fall

ordnet die überwiegende Lehre unter die Regeln der Unmöglichkeit ein,596 während eine u.a.

von GAUCH vertretene Mindermeinung die subjektive Unmöglichkeit ebenfalls unter die

Regeln des Schuldnerverzugs subsumieren will.597 Das Bundesgericht hat bisher nicht zur

Klärung dieser Frage beigetragen. Vorliegend soll der herrschenden Lehre gefolgt werden und

die subjektive Unmöglichkeit nicht als Fall des Schuldnerverzugs behandelt werden.

2. FÄLLIGKEIT

Eine ausbleibende Leistung kann die Rechtsfolgen des Schuldnerverzugs nur dann

auslösen, wenn die Forderung des Gläubigers erfüllbar und fällig ist (Art. 102 Abs. 1 OR).

Vor dem Eintritt der Fälligkeit der Forderung ist der Schuldner nicht zur Leistung

verpflichtet und er kann nicht in Verzug geraten. Ab dem Zeitpunkt indem die Fälligkeit

eintritt kann der Gläubiger hingegen die Leistung einfordern und einklagen.598 Die Fälligkeit

einer Forderung kann jedoch ausgeschlossen oder aufgehoben werden durch die Geltend-

machung einer Einrede (z.B. Verjährung oder Einrede des nicht erfüllten Vertrags). Eine

bestehende aber nicht geltend gemachte Einrede hindert die Fälligkeit nicht, da die Einrede

nicht zur Aufhebung der Verpflichtung des Schuldners führt, sondern ihm nur eine Befugnis

zur Leistungsverweigerung gibt. Macht der Schuldner von seiner Einrede keinen Gebrauch,

dann kommt er bei Nichtleistung der fälligen und gemahnten Schuld in Verzug.599

3. MAHNUNG

a. GRUNDSATZ

Als weitere Voraussetzung für das Einsetzen des Verzugs bestimmt Art. 102 Abs.

1 OR die Mahnung durch den Gläubiger. Darunter versteht man die „unmissverständliche

Aufforderung der Gläubigerin an den Schuldner, die geschuldete Leistung zu erbringen“600,

d.h. sie muss „den auf Vornahme der Leistung gerichteten Willen des Gläubigers bestimmt

und deutlich zum Ausdruck bringen“601 und unzweideutig bestimmen auf welche Forderung

sich die Leistungsaufforderung bezieht.602 Die Mahnung wird als „rechtsgeschäftsähnliche

Willensäußerung“ qualifiziert, auf welche die Regeln über das Rechtsgeschäft angewendet

werden. Sie ist an keine Form gebunden, kann also mündlich oder schriftlich erfolgen, und

596 SCHWENZER, N 63.13; WEBER, BK, Art. 97 OR N 121; WIEGAND, BSK, Art. 97 OR N 13. 597 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2619; V. BÜREN, S. 365, 390 f.; SCHÖNLE, ZK, Art. 184 OR N 169, 176;

SCHENKER (1987), N 17. 598 V. THUR/ESCHER, § 72 S. 136; GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2659, 2156. 599 V. THUR/ESCHER, § 72 S. 136, § 62 S. 51; LARENZ, S. 349 f.; ENNECCERUS/LEHMANN, § 51 II 1. 600 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2619. 601 BECKER, BK, Art. 102 OR N 8. 602 V. THUR/ESCHER, § 72 S. 136, vgl. auch FN 13.

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§ 6 DER ZINS IM SCHULDNERVERZUG __________________________________________________________________________

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kann befristet oder bedingt sein, sofern dem Schuldner daraus „keine ungebührliche

Unsicherheit des Leistungstermins erwächst“603. Die Mahnung ist empfangsbedürftig und

entfaltet ihrer Wirkungen erst mit dem Eintreffen beim Schuldner bzw. ab einem ihm

zumutbaren Zeitpunkt, wenn die Zustellung an einem unpassenden Ort oder zur Unzeit

erfolgt.604 Umstritten ist in der Lehre hingegen der Zeitpunkt zu dem der Verzug eintritt. Ein

Teil der Lehre vertritt die Position, dass der Schuldner unmittelbar in Verzug gerät605,

während eine andere Lehrmeinung dem Schuldner zunächst noch eine Reaktionszeit zur

Vornahme der vertraglich geschuldeten Leistung zugesteht, bevor er in Verzug gerät.606

Eine Mahnung ist grundsätzlich immer erforderlich, es sei denn es liegt eine der

nachfolgenden Ausnahmen vor.

b. AUSNAHMEN

i. VERFALLTAG NACH PARTEIVEREINBARUNG

Nach Art. 102 Abs. 2 OR kann auf die Mahnung einer fälligen Forderung

verzichtet werden, sofern sich aus der Parteivereinbarung ein bestimmter Tag ergibt an dem

die Leistung erbracht werden muss.607 Durch die Abmachung eines Verfalltags hat der

Gläubiger bereits unmissverständlich ausgedrückt, dass er vom Schuldner die Vornahme der

fälligen Leistung erwartet und verlangt. Entsprechend dem Prinzip: Dies interpellat pro

homine608 ist eine Mahnung oder das Abwarten einer Reaktionszeit nicht mehr erforderlich,

sondern der Verzug tritt mit Ablauf des Verfalltags ein.609 Aufgrund dieser Wirkung muss

der Verfalltag genau bestimmt sein, d.h. am besten durch Festlegung eines Kalenderdatums

oder allenfalls durch Angaben welche die Bestimmung des Leistungstages mit Sicherheit

erlauben. Sofern eine Frist zur Leistungsvornahme vereinbart wird gilt deren letzter Tag als

Verfalltag. Ist die Verfallzeit noch genauer bestimmt, so beginnt der Verzug nicht auf den

folgenden Tag, sondern mit Ablauf der festgelegten Zeit.610 Ungenaue Vereinbarungen wie

z.B. sobald als möglich oder nach Ablieferung der Ware begründen keinen der Mahnung

entbehrenden Verfalltag.611 Ebenfalls kein Verfalltag liegt vor, wenn sich die Fälligkeit

nicht aus einer Parteivereinbarung, sondern direkt aus einer speziellen Gesetzesbestimmung

ergibt bzw. aus der subsidiären sofortigen Fälligkeit nach Art. 75 OR.612

603 V. THUR/ESCHER, § 72 S. 137. 604 WIEGAND, BSK, Art. 102 OR N 7; V. THUR/ESCHER, § 72 S. 137 f. 605 BUCHER, OR AT, S. 358; KELLER/SCHÖBI, Bd. I, S. 266. 606 SCHENKER, recht 1989, S. 53; GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2727; WEBER, BK, Art. 102 OR N 106. 607 SCHENKER (1987), N 79 ff. 608 Der Tag mahnt anstelle des Menschen. 609 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2711; SCHENKER (1987), N 85. 610 SCHENKER, recht 1989, S. 52. 611 V. THUR/ESCHER, § 72 S. 138 f. 612 V. THUR/ESCHER, § 72 S. 139; GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2712 f.

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ii. VERFALLTAG NACH KÜNDIGUNG

Ein Verfalltag nach Art. 102 Abs. 2 OR kann sich auch aufgrund einer Kündigung

des Rechtsverhältnisses ergeben. In diesem Fall muss die Kündigungsmöglichkeit jedoch

vertraglich vereinbart sein und vereinbarungsgemäß ausgeübt worden sein.613 Dadurch

ergibt sich im Umkehrschluss die Annahme, dass eine Kündigung, die auf einer gesetzlichen

Bestimmung beruht, die Wirkung des Verfalltags nicht zeitigt, wobei dies nicht gelten kann

falls die Parteien die gesetzliche Kündigung oder Fälligkeit in ihre Vereinbarung

übernommen haben.614 Beim unbefristeten Darlehen beispielsweise bestimmt Art. 318 OR

keinen Verfalltag sechs Wochen nach der ersten Aufforderung, sofern die Parteien dies nicht

in den Vertrag aufgenommen haben.615 Letztlich sollte aber die zweifelsfreie und

unzweideutige Bestimmbarkeit des Tages entscheidend sein bis zu dem die Leistung zu

erbringen ist und nicht allein ob die Parteien die gesetzliche Regelung in den Vertrag

übernommen haben. Daher sollte ein Verfalltag angenommen werden, wenn der

Kündigende, der sich auf eine gesetzliche Kündigungsmöglichkeit bezieht, die gesetzlich

vorgesehen Frist bzw. den Termin des Vertragsendes in seiner Kündigung mitteilt.616

iii. ANTIZIPIERTER VERTRAGSBRUCH

Das Konzept des antizipierten Vertragsbruchs wird von Lehre und Recht-

sprechung aus einer analogen Anwendung von Art. 108 Ziff. 1 OR abgeleitet. Dieser

bestimmt, dass die Ansetzung einer Nachfrist durch den Gläubiger vor der Ausübung seines

Wahlrechtes unterbleiben kann, wenn sich aus dem Verhalten des Schuldners ergibt, dass

deren Ansetzung keinen Nutzen bringen würde. Dies dürfte regelmäßig dann gegeben sein

wenn der Schuldner „klar und definitiv erklärt“, dass er trotz Fälligkeit und Mahnung „die

Leistung nicht erbringen“ werde.617 Obwohl sich diese Bestimmung eindeutig nur auf das

Verhalten des Schuldners nach Eintreten des Verzugs bezieht, wird von Lehre und

Rechtsprechung die analoge Anwendung auf die Zeit vor Eintritt des Verzugs und damit die

Möglichkeit zum Verzicht auf die verzugsbegründende Mahnung vertreten, sofern die

Erfüllungsverweigerung durch den Schuldner bestimmt und endgültig erfolgt.618 Dabei

differenziert SCHENKER, dass es sich eigentlich nicht um ein Problem des Verzugs handele,

da der Schuldner erst bei pflichtwidriger Nichtleistung in Verzug geraten könne. Bei einer

613 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2717. 614 V. THUR/ESCHER, § 72 S. 139 f. 615 V. THUR/ESCHER, § 72 S. 139, insb. FN 40. 616 SCHENKER (1987), N 217 f.; WIEGAND, BSK, Art. 102 OR N 10; BUCHER, OR AT, S. 359, insb. FN 116;

GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2720; V. THUR/ESCHER, § 72 S. 139. 617 BGer 4C.58/2004 E. 3.3 v. 23.06.2004. 618 BUCHER, OR AT, S. 363; GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2722; SCHWENZER (1987), N 66.19; RAMPINI, N 561 f.;

KELLER/SCHÖBI, Bd. I, S. 266; OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 102 OR N 15 f.; a.A.: WEBER, BK, Art. 108 N 13; BGer

4C.58/2004 E. 3.3 v. 23.06.2004; BGE 110 II 141 E. 1b = Pra 1984 Nr. 210; BGE 94 II 26 E. 3 = Pra 1968 Nr. 147.

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vor der Fälligkeit ausgesprochenen Erfüllungsverweigerung könne der Schuldner nicht in

Verzug geraten, sondern es liege ein antizipierter Vertragsbruch vor, der es rechtfertige, dass

der Gläubiger bereits sein Wahlrecht analog Art. 107-109 OR ausübe, da er nicht

gezwungen werden könne, an einen synallagmatischen Vertrag gebunden zu bleiben, wenn

die Gegenpartei mit Gewissheit ein vertragswidriges Verhalten in Aussicht stelle.619 Daher

könne der Gläubiger zwar nicht auf die Mahnung verzichten, sie aber bereits vor dem

Termin der Fälligkeit vornehmen und ab dem Fälligkeitszeitpunkt die Rechte aus Art. 103-

106 OR wahrnehmen.620 Dieser differenzierten Auffassung ist m.E. zuzustimmen.

iv. ENTZUG VOR MAHNUNG

Mit Eintritt der Fälligkeit ist auch der Verzug anzunehmen wenn sich der

Schuldner bewusst einer Mahnung entzogen hat bzw. ihre erfolgreiche Zustellung verhindert

hat, da er in diesen Fällen nicht schützenswert erscheint (analog Art. 156 OR).621

v. EINSEITIGE ERKENNBARKEIT

Zuletzt kann gemäß herrschender Lehre auf eine Mahnung verzichtet werden, wenn

der Schuldner den Leistungszeitpunkt aufgrund der gegebenen Verhältnisse als einziger

erkennen kann. In diesem Fall, der z.B. im Auftragsrecht auftritt, gerät der Schuldner ohne

Mahnung in Verzug, falls er seinen Pflichten nicht rechtzeitig nachkommt.622

4. PFLICHTWIDRIGKEIT

Die Pflichtverletzung beim Schuldnerverzug besteht in der verspäteten Erbringung

einer möglichen, fälligen und gemahnten Schuld. Nicht erforderlich für den Verzugseintritt

ist ein Verschulden des Schuldners für die verspätete Leistung. Für einen Teil der

Verzugsfolgen wird hingegen ein Verschulden vorausgesetzt.623 Zudem kann die verspätete

Erfüllung in den folgenden Fällen gerechtfertigt und daher nicht pflichtwidrig sein.

Einerseits kann der Schuldner nicht in Verzug geraten wenn sich der Gläubiger bereits in

Gläubigerverzug befindet, d.h. nicht zur geforderten Mitwirkung bereit ist und daher die

Leistung auch nicht einfordern kann. Trotz Fälligkeit und Mahnung ist die ausbleibende

Erfüllung in diesem Fall keine Pflichtverletzung.624 Andererseits liegt keine verzugs-

619 SCHENKER (1987), N 225. 620 SCHENKER (1987), N 226. 621 V. THUR/ESCHER, § 72 S. 141; BECKER, Art. 102 OR N 36; WIEGAND, BSK, Art. 102 OR N 11. 622 WIEGAND, BSK, Art. 102 OR N 11; FELLMANN, BK, Art. 400 OR N 166; WEBER, BK, Art. 102 OR N 143;

V. THUR/ESCHER, § 72 S. 140. 623 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2661; WIEGAND, BSK, Vor Art. 102-109 OR N 2; MERZ (2002), S. 15. 624 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2664; V. THUR/ESCHER, § 72 S. 142; MERZ (2002), S. 24.

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begründende Pflichtwidrigkeit des Schuldners vor, wenn dieser eine Einrede geltend macht.

Der bloße Bestand der Einrede genügt nach der schweizerischen Lehre hingegen nicht.625

B RECHTSFOLGEN

Die Rechtsfolgen des Schuldnerverzugs sind in den Art. 103-109 geregelt. Sie treten

teilweise unmittelbar mit Eintritt des Verzugs ein, während andere vom Verschulden des

Schuldners bzw. dem Misslingen des Exkulpationsbeweises abhängen. In jedem Fall kann

der Schuldner seine Leistung weiterhin vereinbarungsgemäß erbringen, es sei denn dass der

Sonderfall eines Fixgeschäfts vorliegt (Art. 108 Abs. 3 OR). Mit dem Eintreten des Verzugs

kann der Gläubiger zudem seine Forderung klageweise einfordern und seinen Anspruch

vollstrecken lassen.626 Er hat Anspruch auf Schadenersatz, kann sich von der Haftung

befreien und hat letztendlich die Möglichkeit vom Vertrag zurückzutreten.627

1. VERSCHULDENSUNABHÄNGIG

Ohne dass ein Verschulden des Schuldners vorausgesetzt wäre, hat der Gläubiger

einer Geldschuld von Beginn des Verzugs an Anspruch auf Verzugszinsen (Art. 104 OR).628

Außerdem kann der Gläubiger, wenn die Erfüllung auch nach Ansetzen einer Nachfrist

ausbleibt, gemäß Art. 107 Abs. 2 i.V.m. Art. 109 OR vom Vertrag zurücktreten und den

Ersatz des Vertrauensschadens verlangen.629 Die Regelung über den Verzugszins soll im

folgenden Abschnitt detailliert betrachtet werden. 630

2. BEI VERSCHULDEN DES SCHULDNERS

Sofern den Schuldner ein Verschulden an der Nichterfüllung seiner Leistungs-

pflicht trifft bzw. falls er den Exkulpationsbeweis nicht erbringen kann, hat der Gläubiger

gegenüber dem Schuldner, gemäß Art. 103 Abs. 1 i.V.m. Art. 107 Abs. 2 OR 1. Alternative,

einen Anspruch auf Ersatz des ihm durch den Verzug entstandenen Schadens. Der Gläubiger

kann aber auch, nach Art. 107 Abs. 2 OR 2. Alternative, auf die Erfüllung endgültig

verzichten und Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen.631 Falls der Schuldner auf

Erfüllung beharrt, bleibt der Schadenersatzanspruch nach Art. 103 OR bestehen und kann

kumulativ mit dem Erfüllungsanspruch geltend gemacht werden.632 In jedem Fall greift nach

625 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2665; WEBER, BK, Art. 82 OR N 212 ff., Art. 83 OR N 62; KOLLER, FS Kramer, S. 521 f. 626 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2667 ff. 627 WIEGAND, BSK, Art. 102 OR N 3. 628 SCHWENZER, N 66.08. 629 WIEGAND, BSK, Art. 102 OR N 3; V. THUR/ESCHER, § 72 S. 141; SCHWENZER, N 66.30, 66.34. 630 Siehe § 6 II. 631 WIEGAND, BSK, Vor Art. 102-109 OR N 3. 632 SCHWENZER, N 66.05; BUCHER, OR AT, S. 360.

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Art. 103 Abs. 1 OR eine Haftungsverschärfung, d.h. dass allfällige vertragliche

Beschränkungen der Haftung entfallen und der Schuldner auch für leichte Fahrlässigkeit und

für den Zufall einzustehen hat.633 Kann der Schuldner den Exkulpationsbeweis nicht

erbringen steht ihm zudem die Berufung auf rechtmäßiges Alternativverhalten zur

Entlastung offen, d.h. er kann den Nachweis erbringen, dass der gleiche Zufall auch bei

rechtmäßiger und rechtzeitiger Erfüllung den Schaden des Gläubigers verursacht hätte.634

3. GELDSCHULDEN

Handelt es sich bei der verzugsbehafteten Verbindlichkeit um eine Geldschuld, so

tritt neben den verschuldensunabhängigen Anspruch auf Verzugszins nach Art. 104 OR noch

ein Anspruch auf weiteren Schadenersatz. Gemäß Art. 106 OR bezieht sich dieser auf jenen

Schaden, der die pauschalen Verzugszinsen übersteigt und ist im Gegensatz zum Verzugszins

abhängig vom Verschulden des Schuldners bzw. vom Misslingen des Exkulpations-

beweises.635 Auf diesen erweiterten Schadenersatz wird später detaillierter eingegangen.636

II. DER VERZUGSZINS

A BEGRIFF

Art. 104 Abs. 1 OR bildet die rechtliche Grundlage für den Verzugszins und damit

für einen Anspruch des Gläubigers einer Geldforderung auf verschuldensunabhängigen

pauschalen Ersatz des ihm durch den Verzug des Schuldners entstandenen Schaden.637

Die Höhe des Anspruches bestimmt sich aufgrund der dispositiven gesetzlichen

Bestimmung, vorbehaltlich eines höheren vertraglich vereinbarten Zinssatzes. Eine

Sonderordnung besteht zudem im kaufmännischen Verkehr. Alle drei Varianten sind

Ausprägungen des gleichen materiellen Anspruchs auf pauschalierten Schadenersatz, einzig

der anwendbare Zinssatz unterscheidet sich nach den Umständen des Einzelfalls.638

B RATIO LEGIS

Der Grund für die verschuldensunabhängige Pflicht des Schuldners zur Zahlung von

Verzugszinsen für die Dauer der ungerechtfertigten Nichterfüllung seiner vertraglichen

Pflicht zu Leistung einer Geldschuld beruht auf der Überlegung, dass Geld im Gegensatz zu

633 WIEGAND, BSK, Art. 103 OR N 8 ff.; SCHWENZER, N 66.06. 634 SCHWENZER, N 66.07; WIEGAND, BSK, Art. 103 OR N 10 f.; GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2682. 635 WEBER, BK, Art. 102 OR N 160; WIEGAND, BSK, Art. 106 OR N 2; SCHWENZER, 66.12; BUCHER, OR AT, S. 361 f. 636 Siehe § 6 III. 637 HABSCHEID (1994), S. 287; SCHENKER (1998), S. 35. 638 HABSCHEID (1994), S. 287.

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anderen Gegenständen einer Schuldpflicht jederzeit gewinnbringend angelegt werden kann

bzw. angelegt wird, sofern es nicht dem unmittelbaren Verbrauch dient. Daher erlangt

einerseits der Verzugsschuldner einen Vorteil dadurch, dass er das geschuldete Kapital

gewinnbringend verwendet oder sich den Aufwand für dessen anderweitige Beschaffung

erspart. Andererseits erleidet der zwangsweise wartende Gläubiger dadurch einen

wirtschaftlichen Nachteil, dass er das geschuldete Kapital nicht für eine andere Nutzung

gewinnbringend verwenden kann oder sich selbst von einem Dritten Kapital gegen die

Zahlung eines Entgelts leihen muss, um eigene Verbindlichkeiten rechtzeitig zu erfüllen.639

Das Gesetz greift beide Aspekte auf und soll primär dem Gläubiger seinen Nachteil ersetzen

und allenfalls auch einen Vorteil des Schuldners abschöpfen. Der Ersatz der Entbehrung des

Gläubigers wird allerdings auf den Nutzungsausfall auf dem Kapital beschränkt, während

Art. 105 Abs. 1 OR die Zinsen von der Verzugszinspflicht ausnimmt. Der Gesetzgeber ging

dabei von der Annahme aus, dass diese i.d.R. zum Verbrauch und nicht zur Erwirtschaftung

einer Rendite genutzt würden und daher dem Gläubiger durch deren Ausbleiben kein

finanzieller Nachteil entstünde, der durch eine Verzinsung ausgeglichen werden müsste.640

Ein unrechtmäßiger Vorteil des Schuldners soll dadurch verhindert werden, dass gemäß Art.

104 Abs. 2 OR ein höherer Vertragszins auch im Verzug weiter zu leisten ist und der

Schuldner nicht durch einen niedrigeren Zinssatz im Verzug belohnt wird.641 Die

Verzugszinspflicht soll möglichst verhindern, dass sich der Verzug für den säumigen

Schuldner finanziell auszahlt und muss zudem eine gewisse generalpräventive Wirkung

haben, so dass es sachgerecht ist die pauschale Ersatzleistung weder vom Nachweis eines

konkreten Schadens des Gläubigers oder eines Vorteils des Schuldners abhängig zu

machen.642 Selbst wenn der Schuldner das fällige Geld nicht genutzt hat oder aus

entschuldbarem Irrtum nicht von seiner Pflicht wusste tritt die pauschale Ersatzfolge ein, da

der Zweck in der Entschädigung des Gläubigers besteht.643

C BEGINN UND ENDE DER ZINSPFLICHT

Der Beginn der Verzugszinspflicht ist abhängig von der Art wie der Schuldner in

Verzug gesetzt wird und berechnet sich gemäß den allgemeinen Bestimmungen des OR

(Art. 77 Abs. 1 Ziff. 1 OR). Im Fall der Mahnung beginnt der Verzugszins i.d.R. am Tag

nach deren Eintreffen beim Schuldner, beim Fristablauf ist der Tag nach dem letzten Tag

der Frist maßgeblich und sofern ein Verfalltag vorliegt beginnt der Verzugszins am darauf

639 SCHENKER (1987), N 337; HABSCHEID (1994), S. 288; SCHWENZER, N 66.08; BUCHER, OR AT, S. 361 f.;

BGE 123 III 241 E. 4b. 640 SCHENKER (1987), N 338; BECKER, BK, Art. 105 OR N 1. 641 SCHENKER (1987), N 339 f. 642 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2693; BUCHER, OR AT, S. 361 f. 643 WIEGAND, BSK, Art. 104 OR N 1; BUCHER, OR AT, S. 361 f.; WEBER, BK, Art. 104 OR N 35 f.

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folgenden Tag. Das Ende der Zinspflicht ist hingegen immer die Beendigung des Verzugs.

Dabei dürfte es sich häufig um die nachträgliche Erfüllung der Schuld handeln, aber auch

die Hinterlegung oder der Verzicht des Gläubigers kommen in Betracht, ebenso wie ein

Annahmeverzug des Gläubigers bzw. dessen Schuldnerverzug bei Zug-um-Zug-

Geschäften.644

D HÖHE DES ZINSSATZES

1. GESETZLICHER ZINSSATZ

Der dispositive gesetzliche Zinssatz nach Art. 104 Abs. 1 OR beträgt fix 5% p.a.

Er gilt selbst dann, wenn vertraglich für die ursprüngliche Forderung ein geringerer Zinssatz

vereinbart wurde. Der gesetzliche Zinssatz tritt hingegen hinter eine gegebenenfalls höhere

Parteivereinbarung zurück und ist insofern nicht absolut zwingend, sondern bildet eine

dispositive Mindestentschädigung. Ebenso kann im kaufmännischen Verkehr die

abweichende Regelung von Art. 104 Abs. 3 OR die Mindestzinshöhe von 5% p.a.

verdrängen.645

2. VERTRAGLICHE VEREINBARUNG

Der gesetzliche Zinssatz zur Verzinsung von Gelschulden im Verzug kann durch

einen abweichenden Vertragszinssatz verdrängt werden. Haben die Parteien für die

ursprüngliche Schuld einen höheren Zinssatz als 5% p.a. vereinbart, so gilt dieser auch für

die Dauer des Schuldnerverzugs.646 Die Parteien brauchen die Möglichkeit einer

Anwendung des Vertragszinses im Verzug nicht vorauszusehen, können diesen Fall aber

auch in Form eines speziellen gewillkürten Verzugszinssatzes regeln.647 Ein vertraglich

vereinbarter Verzugszinssatz kann höher oder tiefer als 5% p.a. sein; es gilt nicht wie beim

fortgesetzten Vertragszins eine faktische Untergrenze.648 Durch die Bestimmung des Art

104 Abs. 2 OR soll verhindert werden, dass der Gläubiger im Verzug, während dem er dem

Schuldner ein unfreiwilliges Darlehen gewährt, schlechter gestellt wird als unter den

vereinbarten Konditionen. Andererseits soll auch der Schuldner während der Zeit seiner

Säumnis keinen zusätzlichen Vorteil erlangen, indem er das Kapital zu besseren

Konditionen als zuvor gebrauchen kann.649 Neben dem vertraglich vereinbarten Zinssatz

erwähnt das Gesetz auch die sog. periodische Bankprovision. Unter dem Begriff ist nach der

644 WIEGAND, BSK, Art. 104 OR N 3; WEBER, BK, Art. 104 OR N 38 ff, 46 ff. 645 WEBER, BK, Art. 104 OR N 62 ff.; SCHENKER (1998), S. 35; WIEGAND, BSK, Art. 104 OR N 4; V. THUR/ESCHER, § 73 S. 146. 646 BGE 130 III 312 E. 7.1. 647 SCHENKER (1987), N 367. 648 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2690; BGE 117 V 349 E. 3b. 649 SCHENKER (1987), N 367.

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Praxis650 und der herrschenden Lehre ebenfalls ein Zins zu verstehen, der dem vertraglichen

gleichgestellt ist.651 Unabhängig davon ob der gesetzliche Zinssatz, der fortgeführte

Vertragszinssatz oder ein gewillkürter Verzugszinssatz anwendbar ist, handelt es sich

dogmatisch betrachtet immer um einen Verzugszins, für den die entsprechenden

Rechtsfolgen gelten (z.B. bzgl. der Haftung des Bürgen nach Art. 499 OR).652

3. SONDERORDNUNG UNTER KAUFLEUTEN

a. BEGRIFF DER KAUFLEUTE

Für den Verzugszins im Verkehr unter Kaufleuten hält Art. 104 Abs. 3 OR eine

Sonderordnung bereit. Die herrschende Lehre stellt für deren Anwendbarkeit aber, entgegen

dem eindeutigen Wortlaut, nicht auf die subjektive Eigenschaft als Kaufmann ab, sondern

analog zur Auslegung von Art. 313 Abs. 2 OR653 darauf, ob materiell ein kaufmännisches

Geschäft vorliegt (objektiv kaufmännischer Verkehr).654 Während die Vertreter des

subjektiven Verständnisses auf den Handelsregistereintrag der beteiligten Parteien abstellen

bzw. darauf ob sie der ordentlichen Konkursbetreibung unterliegen (Art. 39 SchKG)655, ist

nach der objektiven Betrachtungsweise und der Rechtsprechung des Bundesgerichts

entscheidend, ob das Geschäft zum Handelsverkehr gerechnet werden kann, d.h. ob „das

fragliche Geschäft in unmittelbarem Zusammenhang mit der umsatzbezogenen Tätigkeit der

Parteien“656 steht.657 Dieser Auffassung des Bundesgerichts ist m.E. zuzustimmen, weil

dadurch Geschäfte, die wirtschaftlich solchen unter Kaufleuten im formellen Sinn gleichen,

wie z.B. von nicht im Handelsregister eingetragenen Selbstständigen oder Geschäfte an

denen ein öffentliches Gemeinwesen beteiligt ist, ebenfalls den Regeln des kaufmännischen

Verkehrs unterstehen. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise erweitert den Anwendungs-

bereich angemessen, indem bei Nicht-Kaufleuten aufgrund aller Umstände geprüft wird, ob

ein Geschäft im Handelsverkehr vorliegt, während dies bei Kaufleuten im formellen Sinn zu

vermuten ist.658

650 BGE 52 II 228 E. 3. 651 WEBER, BK, Art. 104 OR N 71; V. THUR/PETER, § 10 S. 69 FN 13; SCHENKER (1987), N 368. 652 OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 104 OR N 6; V. THUR/ESCHER, § 73 S. 146 f. FN 25. 653 Siehe vorne § 5 II A 2. 654 WIEGAND, BSK, Art. 104 OR N 6; WIEGAND, ZBJV 1998, S. 201 f.; BGE 122 III 53 E. 4b; WEBER, BK, Art. 104

OR N 76 f.; WEBER, FS Keller, S. 330 f.; a.A.: SCHENKER (1987), N 360 ff. 655 SCHENKER (1987), N 364; KNOEPFEL, S. 21 ff; HGer ZH v. 27.09.1996, ZR 1999 Nr. 37 E. III/7b. 656 BGE 122 III 53 E. 4b. 657 WIEGAND, BSK, Art. 104 OR N 6; WEBER, BK, Art. 104 OR N 77; CANTIENI, S. 148 f.; GAUCH/SCHLUEP/

EMMENEGGER, N 2691. 658 WEBER, BK, Art. 104 OR N 77; WEBER, FS Keller, S. 330 f.; GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2691.

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§ 6 DER ZINS IM SCHULDNERVERZUG __________________________________________________________________________

105

b. MAßGEBLICHER ZINSSATZ

Wenn ein Geschäft als Teil des Handelsverkehrs qualifiziert werden kann, ist für

die Berechnung der Verzugszinsen der übliche Bankdiskonto am Zahlungsort maßgeblich,

sofern dieser oberhalb des gesetzlichen Verzugszinssatzes von 5% p.a. liegt. Nach der

Praxis des Bundesgerichts und der wohl überwiegenden Lehre entspricht der übliche

Bankdiskonto dem Privatdiskontsatz der ortsansässigen Banken, d.h. jenem Zinssatz „den

private Bankinstitute dem Kunden berechnen, wenn dieser bei den Banken erstklassige

Wechsel diskontiert“659.660 Nicht maßgeblich ist hingegen der Diskontsatz der Nationalbank,

da dieser nicht im direkten Kundenverkehr angewendet wird, sondern nur im Verkehr mit

Banken und im Interbankengeschäft für die Diskontierung besonderer Wechsel. Allerdings

bildet dieser Leitzins i.d.R. eine Bezugsgröße für die Entwicklung der Privatkundensätze.661

Beim Privatdiskontsatz handelt es sich um einen variablen Zinssatz, der den Schwankungen

des Marktes unterliegt. Dennoch kann der Privatdiskontsatz nicht als echter Marktzins

angesehen werden, da er nicht allein durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage

bestimmt wird, sondern von den Banken und orientiert an dem von der Nationalbank

festgelegten Leitzins.662

Das Verständnis des üblichen Bankdiskontos am Zahlungsort als Privatdiskontsatz

geht darauf zurück, dass die Diskontierung von Wechseln lange die bedeutendste Quelle für

kurzfristige Finanzierungen im kaufmännischen Verkehr darstellte. Es war daher

sachgerecht diesen Diskontsatz als Referenzgröße für den pauschalen Ersatz des

Verzugsschadens heranzuziehen, da der geschädigte Gläubiger sich theoretisch zu diesem

Satz refinanzieren musste, während er auf die Erfüllung durch den säumigen Schuldner

wartete.663 Allerdings wird in der Lehre zunehmend erkannt, dass die Diskontierung von

Wechseln im Tagesgeschäft der Banken kaum oder überhaupt nicht mehr vorkommt und es

daher auch keine ortsübliche Referenzgrundlage mehr geben kann.664 Ganz im Gegenteil hat

der Kontokorrentkredit als kurzfristige Finanzierungsmöglichkeit die Stelle des Wechsel-

geschäfts eingenommen und wäre daher nach einer Lehrmeinung die adäquatere

Berechnungsgrundlage.665 Das Bundesgericht hat diesem Verständnis jedoch mit einer eng

am Wortlaut orientierten Auslegung des Begriffs Bankdiskonto eine Absage erteilt und hält

659 BGE 116 II 140 E. 5. 660 ALBISETTI/BOEMLE/EHRSAM/GSELL, S. 550 WEBER, FS Keller, S. 331; SCHENKER (1987), S. 357;

OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 104 OR N 7; GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2692. 661 OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 104 OR N 7; WIEGAND, BSK, Art. 104 OR N 6; HABSCHEID (1994), S. 289 FN 15. 662 ALBISETTI/BOEMLE/EHRSAM/GSELL, S. 550; WEBER, BK, Art. 104 OR N 81; SCHÖNLE (1993), S. 657. 663 WEBER, BK, Art. 104 OR N 80; SCHENKER (1987), N 354 f. 664 Eine Umfrage bei den großen Zürcher Banken im November 2010 hat ergeben, dass lediglich eine Bank einen

Diskontsatz für die Diskontierung von in der Schweiz ausgestellten und zahlbaren Wechseln tagesaktuell festlegt.

Bei den übrigen Banken waren keine üblichen Diskontsätze kurzfristig verfügbar. 665 WEBER, BK, Art. 104 OR N 80; SCHENKER (1987), N 356; HABSCHEID (1994), S. 289; BUCHER, OR AT, S. 362 FN 129.

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§ 6 DER ZINS IM SCHULDNERVERZUG __________________________________________________________________________

106

für diese Auslegung eine Gesetzesänderung für notwendig.666 Diese Entscheidung ist m.E.

abzulehnen, da sie die wirtschaftliche Realität verkennt und durch eine restriktive, wörtliche

Auslegung die Anknüpfung an einen angemessenen und tatsächlich bestimmbaren Zinssatz

verhindert, dessen Anwendung meiner Meinung nach vom ursprünglichen Zweck der

betroffenen Bestimmung gedeckt wäre.

c. BEWEISLAST

Wie gezeigt, besteht der Anspruch auf den Verzugszins von 5% p.a. unabhängig

vom Nachweis eines Schadens oder eines Schuldnerverschuldens. Nachzuweisen ist

lediglich der Verzug der nichterfüllten Forderung. Behauptet der Gläubiger hingegen, dass

ein abweichender vertraglicher Verzugszins oder der Diskontsatz am Zahlungsort die

dispositiven 5% p.a. im maßgeblichen Zeitraum übersteige und verlangt er vom Richter die

Anwendung des vertraglichen Zinssatzes oder des Bankdiskontsatzes unter Kaufleuten, so

hat er die Höhe des anwendbaren Zinssatzes nachzuweisen, damit die Höhe seiner

Forderung bestimmt werden kann.667 Wird hingegen im kaufmännischen Verkehr nicht der

ortsübliche Privatdiskontsatz gemäß Art. 104 Abs. 3 OR nachgewiesen, sondern ein anderer

nicht vertraglich vereinbarter Kontokorrent- oder Sollzinssatz, dann verstößt das kantonale

Gericht nach der Praxis des Bundesgerichts gegen Bundesrecht wenn es diesen Zinssatz

zuspricht.668 Gelingt dem Gläubiger der Beweis nicht, so spricht ihm der Richter den

pauschalen Zins von 5% p.a. zu. Verlangt hingegen der Beklagte bloß die Reduktion des

Verzugszinses auf einen bestimmten Satz, aber bestreitet nicht die gesamte Verzugszins-

forderung, dann kann das Gericht auf keinen tieferen Satz als den verlangten entscheiden, da

es an die Anträge der Parteien gebunden ist (Art. 58 Abs. 1 ZPO; Art. 107 Abs. 1 BGG;

Art. 63 Abs. 1 aOG).669

III. ERSATZ VON WEITEREM SCHADEN

A ALLGEMEINES

Falls der Gläubiger durch den Leistungsverzug des Schuldners einen größeren

Schaden erlitten hat als ihm durch den pauschalen Verzugszins ersetzt wird, dann kann er

seinen Anspruch unter dem Titel weiterer Schaden nach Art. 106 OR geltend machen,

sofern es dem Schuldner nicht gelingt sich von der vermuteten Ersatzpflicht durch einen

Exkulpationsbeweis zu befreien. Zweck dieser Norm ist es sicherzustellen, dass der

Schuldner „für den gesamten, von ihm zu verantwortenden Verspätungsschaden“ einzu-

666 BGE 116 II 140 E. 5. 667 SCHENKER (1987), N 359; WIEGAND, BSK, Art. 104 OR N 8; BGE 130 III 312 E. 7.1. 668 BGE 116 II 140 E. 5. 669 BERGER/GÜNGERICH, N 521; BGE 116 II 140 E. 5.

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§ 6 DER ZINS IM SCHULDNERVERZUG __________________________________________________________________________

107

stehen hat.670 Die Bestimmung ist dispositiver Natur und kann vertraglich ausgeschlossen

oder unabhängig vom Nachweis eines Verschuldens oder Schadens ausgestaltet werden.671

B SCHADENSBERECHNUNG

1. KONKRETER SCHADENSNACHWEIS

Der Nachweis eines durch den Verzug des Schuldners verursachten Schadens, der

den Betrag des pauschalen Verzugszinses übersteigt, ist für die Geltendmachung eines

weiteren Schadens vorausgesetzt. Die Rechtsprechung verlangt dazu vom Gläubiger einen

konkreten Schadensnachweis, der nur dann gegeben ist, „wenn ganz bestimmte schädigende

Ereignisse, oder, bei Geltendmachung entgangenen Gewinns, ganz bestimmte gewinn-

bringende Ereignisse, die durch das schädigende Verhalten verunmöglicht wurden, nach-

gewiesen werden können“672. Der Nachweis kann schwierig und aufwändig sein, so dass die

Durchsetzung des Anspruches u.U. entweder unmöglich ist oder die entstehenden Kosten

prohibitiv wirken. Daher hat die Rechtsprechung in bestimmten Fallkonstellationen dem

Gläubiger beweiserleichternde Vermutungen zugestanden.673 Aufgrund dieser Vermutungen

über das potentielle Handeln des Gläubigers bei rechtzeitiger Erfüllung, insbesondere im

kaufmännischen Verkehr mit Geldsummen, wird in der Praxis ein Schaden als regelmäßig

gegeben angenommen. Die Anwendung dieser tatsächlichen Vermutungen zur Beweis-

erleichterung soll hingegen nicht als abstrakter Schadensnachweis verstanden werden,

sondern der Schaden ist nur vereinfacht aufgrund nachgewiesener Berechnungsfaktoren, wie

z.B. dem Durchschnitt ähnlicher täglich getätigter Geschäfte, zu bestimmen. 674 Dabei

handelt es sich um Tatsachen, mit deren Vorhandensein nach allgemeiner Erfahrung

gerechnet werden darf.675 Die Beweiserleichterung führt zudem nicht zu einer Umkehr der

Beweislast.676

2. ABSTRAKTER SCHADENSNACHWEIS

In der Lehre wird insbesondere für den kaufmännischen Geschäftsverkehr auch

die Möglichkeit eines abstrakten Schadensnachweises analog zum Kaufrecht gefordert (Art.

191 Abs. 3 und Art. 215 Abs. 2 OR), da im kaufmännischen Verkehr die Voraussetzung für

den abstrakten Schadensnachweis regelmäßig erfüllt sei, dass „feststehende, typische

670 WIEGAND, BSK, Art. 106 OR N 1. 671 WEBER, BK, Art. 106 OR N 7; WIEGAND, BSK, Art. 106 OR N 3. 672 BGE 89 II 214 E. 5a. 673 WEBER, BK, Art. 106 OR N 12. 674 BGE 123 III 241 E. 3a. 675 WEBER, BK, Art. 106 OR N 34. 676 BGE 123 III 241 E. 3a.

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§ 6 DER ZINS IM SCHULDNERVERZUG __________________________________________________________________________

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Geschehensabläufe, die ein hohes Maß an Üblichkeit verkörpern“ gegeben sind.677 Aber

obwohl dieses Vorgehen für den heutigen Wirtschafts- und Geschäftsverkehr besser

geeignet wäre als die Pflicht, einen konkreten Schaden beziffern zu müssen, haben die

Gerichte eine Ausweitung der kaufrechtlichen Regelung als allgemeines Prinzip nicht nur

auf den bürgerlichen Kaufvertrag, sondern auch auf andere Verträge abgelehnt.678

C SCHADENSARTEN

Im Folgenden sollen einige Arten von Schäden betrachtet werden, die üblicherweise

als erweiterter Schaden geltend gemacht werden, da sie den pauschalen Verzugszins

übersteigen. Die Grundproblematik des Verzugsschadens auf Geldsummen besteht darin,

dass zwar ein gewisser Verzugsschaden bei Geld immer anfällt, dieser aber nur schwer

konkret nachgewiesen werden kann und häufig nicht hoch genug ist, um den Aufwand für

die Einklagung und den konkreten Nachweis rechtfertigen zu können.679 Daher sollten nach

WEBER an den Nachweis des Schadens keine zu hohen Anforderungen gestellt werden, da

der weitere Schadenersatz jenen Schaden ersetzen soll, den der relativ geringe Verzugszins

von 5% p.a. nicht abdeckt. Dies ist insbesondere auch deshalb relevant, weil es im

kaufmännischen Verkehr zunehmend unmöglich wird den ortsüblichen Privatdiskontsatz

nachzuweisen und das Bundesgericht die Anwendung einer sachgerechten Referenz-

grundlage (z.B. des Kontokorrentsatzes) ablehnt.680

1. KAPITALKOSTEN

Regelmäßig nicht durch den pauschalen Verzugszins abgedeckt sind die Zinsen

und anderweitigen Kosten, die dem Verzugsgläubiger durch die kurzfristige ersatzweise

Beschaffung von Geldkapital bzw. durch die verspätete Rückzahlung einer eigenen Schuld

entstehen. Diese Kosten führen zu einer ungewollten Vermögensverminderung (damnum

emergens) und sind ein erweiterter Verzugsschaden, soweit sie den pauschalen Verzugszins-

satz übersteigen, was im Normalfall gegeben sein dürfte.681 Ebenfalls ersatzfähig sind die

mit dem benötigten Fremdkapital verbundenen Verwaltungskosten.682 Der Nachweis der

adäquaten Kausalität zwischen dem Verzug des Schuldners und dem aufgenommenen oder

fortgesetzt beanspruchten Fremdkapital obliegt dem Gläubiger, allerdings kann dieser

677 WIEGAND, BSK, Art. 106 OR N 2; WEBER, BK, Art. 106 OR N 33; WEBER, FS Keller, S. 332; BELKE, JZ 1969, S. 588 f. 678 WIEGAND, BSK, Art. 106 OR N 2; BGE 109 II 436 E. 2 = Pra 1984 Nr. 58; KGer SG v. 07.09.1972 E. 4,

GVP SG 1972 Nr. 14. 679 WEBER, FS Keller, S. 332. 680 WEBER, BK, Art. 104 OR N 81. 681 WEBER, BK, Art. 106 OR N 39; WIEGAND, BSK, Art. 106 OR N 2; BUCHER, OR AT, S. 362; CANTIENI, S. 80;

V. THUR/ESCHER, § 73 S. 147. 682 CANTIENI, S. 81.

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§ 6 DER ZINS IM SCHULDNERVERZUG __________________________________________________________________________

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Nachweis praktisch erhebliche Schwierigkeiten bereiten, so dass mit der neueren Lehre an

ihn keine zu hohen Anforderungen gestellt werden sollten.683 Dies muss insbesondere für

den kaufmännischen Verkehr gelten, wo regelmäßig mit Fremdkapital gearbeitet wird und

u.U. kein spezieller neuer Kredit aufgenommen wird, um einen Zahlungsausfall

auszugleichen. Als Nachweis für die Nutzung von Fremdkapital im fraglichen Zeitraum und

die Höhe des Zinssatzes sollte eine Bankbescheinigung über die Kreditverhältnisse des

Gläubigers ausreichen.684 In jedem Fall trifft den Gläubiger auch bei der Beschaffung von

Ersatzkapital eine gewisse Pflicht zur Schadensminderung (Art. 99 Abs. 3 OR i.V.m. Art. 44

Abs. 1 OR), wobei es sich um eine Obliegenheit aus dem Grundsatz von Treu und Glauben

handelt.685 Er ist zwar berechtigt, Fremdkapital zu einem Zinssatz für kurzfristige

ungesicherte Kredite aufzunehmen und auch jederzeitige Rückzahlbarkeit zu vereinbaren,

selbst wenn der Kredit nicht der günstigste ist, hingegen kann keine Erstattung von

unangemessen hohen Kosten, z.B. für nicht zwingend notwendige Überziehungskredite,

gefordert werden.686

2. ZINSSCHADEN

Ebenso wie durch die erhöhten Kapitalkosten (damnum emergens), kann dem

Gläubiger auch ein Schaden in Form eines entgangenen Gewinns entstehen (lucrum

cessans).687 Dieser kann daraus resultieren, dass dem Gläubiger Anlagezinsen entgangen

sind (Zinsschaden) oder dass er eigene Verbindlichkeiten nicht begleichen konnte und zu

diesem Zweck andere zinstragende Anlagen auflösen musste.688 Im zweiten Fall ist der

Gläubiger zwar nicht gezwungen zusätzliche Mittel aufzunehmen, sondern greift zur

Zwischenfinanzierung auf eigenes Kapital zurück, aber dennoch entsteht ihm gemäß der

maßgeblichen Differenztheorie ein Vermögensschaden, da er diese Mittel unfreiwillig nicht

gewinnbringend nutzen kann. Der resultierende Anlageverlust ist wirtschaftlich mit den

Kosten eines zusätzlichen Kredits gleichzusetzen. Verweigerte man dem Gläubiger die

Anerkennung solcher Anlageverluste, die den pauschalen Verzugszins übersteigen als

erweiterten Schaden, so würde man den liquiden Gläubiger, der selbst zur Zwischen-

finanzierung fähig ist, gegenüber einem Gläubiger, der zusätzliche Mittel aufnehmen muss,

benachteiligen und ihn faktisch dazu zwingen, zusätzlichen Kredit aufzunehmen, um einen

ersatzfähigen Schaden geltend machen zu können. Das Bundesgericht hat im Einklang mit

der herrschenden Lehre auch den entgangenen Gewinn grundsätzlich als ersatzfähigen

683 WEBER, BK, Art. 106 OR N 39; CANTIENI, S. 82 ff.; EMMERICH, S. 270; OGer BL v. 14.01.1995, SJZ 1996, 315. 684 EMMERICH, S. 270, CANTIENI, S. 82 ff. 685 SCHENKER (1987), N 295; WEBER, FS Keller, S. 335. 686 CANTIENI, S. 81; WEBER, FS Keller, S. 335; BELKE, JZ 1969, S. 586; WEBER, BK, Art. 106 OR N 42. 687 CANTIENI, S. 79. 688 WIEGAND, BSK, Art. 106 OR N 2.

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§ 6 DER ZINS IM SCHULDNERVERZUG __________________________________________________________________________

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Verzugsschaden anerkannt.689 Allerdings wird regelmäßig ein konkreter Schadensnachweis

verlangt, so dass der Nachweis des Schadens und der Kausalität schwierig sein kann.690

3. WÄHRUNGSVERLUSTE (VALUTAVERLUSTE)

Verluste die aufgrund einer Wechselkursveränderung oder der Abwertung der

Forderungswährung während des Schuldnerverzugs auftreten (Valutaverluste), können nach

herrschender Lehre und Praxis des Bundesgerichts ein weiterer Schaden im Sinne von Art.

106 OR sein.691 Während das Bundesgericht seine Rechtsprechung mehrfach verändert hat,

kann inzwischen als gefestigt gelten, dass der Gläubiger nicht jeden theoretischen

Währungsverlust als Verzugsschaden verlangen kann. Es wird aber zugunsten des

Gläubigers vermutet, dass er zum Zeitpunkt der Fälligkeit eine Fremdwährungsschuld in die

Landeswährung am Ort seines Wohn- bzw. Geschäftssitzes umgetauscht hätte. Für einen

Schweizer mit Sitz im Inland wird entsprechend eine Umwechselung in Schweizer Franken

vermutet.692 Wiederum liegt eine tatsächliche Vermutung vor, die den Beweis erleichtert,

aber nicht zu einer Beweislastumkehr führt.693 Der Verzugsschuldner hat den Verlust

grundsätzlich zu vertreten, da er nach Art. 103 OR auch für den Zufall haftet und der

Gläubiger keinen Kausalzusammenhang nachweisen muss.694 Behauptet der Gläubiger, dass

er statt des Umtausches in die vermutete Währung einen Umtausch in eine andere Fremd-

währung vorgenommen hätte, deren Kurs im Vergleich zur Erfüllungswährung gestiegen ist,

so hat er dies zu beweisen.695 Ebenso kann der Schuldner die genannte Vermutung durch

einen Gegenbeweis entkräften, wobei dies bereits durch das Vorbringen entsprechender

Indizien geschehen kann.696 Sind die Voraussetzungen für die Vermutung der Umwechslung

nicht gegeben, dann können auch Indizien für den Umtausch sprechen. Indizien sind „selbst

nicht rechtserhebliche Tatsachen, die aber auf solche schließen lassen“697, so dass der

Beweis bei Vorliegen mehrerer Indizien als erbracht betrachtet werden kann.698 CANTIENI

nennt beispielhaft, dass der Gläubiger frühere Zahlungen in die geforderte Währung

umgetauscht hat und auch dieses Mal entsprechend gehandelt hätte bzw. dass der Gläubiger

689 BGE 116 II 441 E. 2c; BGE 123 III 241 E. 3; BGer v. 21.01.1993, SJ 1993 321 E. 5c/aa; WEBER, BK, Art. 103

OR N 31; BECKER, BK, Art. 97 OR N 37 ff., Art. 103 OR N 14; BUCHER, OR AT, S. 360 FN 125;

GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2811. 690 BGE 123 III 241 E. 3a. 691 BGer 5C.122/2002 E. 3.2 v. 07.10.2002; HONSELL, FS Lange, S. 515; WEBER, BK, Art. 106 OR N 25; BUCHER,

OR AT, S. 362 FN 133. 692 BGE 109 II 436 E. 2b; CANTIENI, S. 45 f.; WEBER, BK, Art. 106 OR N 27. 693 BGE 109 II 436 E. 2c. 694 WEBER, BK, Art. 106 OR N 26. 695 CANTIENI, S. 46; WEBER, BK, Art. 106 OR N 28. 696 CANTIENI, S. 46; WEBER, BK, Art. 106 OR N 29. 697 CANTIENI, S. 47. 698 GULDENER, S. 10; CANTIENI, S. 47; HABSCHEID (1990), N 638.

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§ 6 DER ZINS IM SCHULDNERVERZUG __________________________________________________________________________

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sein ganzes Vermögen in dieser Währung anlegt oder dass er während des Verzugs

entsprechende Wechselgeschäfte vorgenommen hat.699

4. KAUFKRAFTVERLUSTE

Im Gegensatz zur Verschlechterung des Wechselkurses, d.h. der Devisenkaufkraft,

hat die Rechtsprechung keine Verschlechterung der allgemeinen Kaufkraft als ersatzfähigen

Verzugsschaden angenommen. Auch in Zeiten hoher Inflationsraten besteht folglich keine

Vermutung zugunsten eines Umtausches von Geld in Sachwerte.700 Ein Schaden muss aber

u.U. in Zeiten von sehr hohen Inflationsraten angenommen werden, wenn die

Landeswährung ihren Wert so schnell verliert, dass die Akzeptanz des Geldes komplett

zusammengebrochen ist. In diesen Fällen muss jedoch ein konkreter Schadensnachweis

verlangt werden. Ebenso sollte ein Kaufkraftverlust ersatzfähig sein, wenn der Gläubiger

konkret nachweisen kann, dass er die geschuldete Summe in wertbeständige Güter investiert

hätte und der Schaden dadurch nicht eingetreten wäre.701

D PROZESSUALES

Um seinen Anspruch auf erweiterten Schadenersatz einzuklagen, hat der Gläubiger

die Wahl, ob er diesen in einem separaten Verfahren oder gemäß Art. 106 Abs. 2 OR bereits

im Verfahren um den Hauptanspruch geltend machen möchte. Sofern sich der erweiterte

Schaden bereits zum Termin des Hauptverfahrens bestimmen lässt, kann der Richter

gleichzeitig über diesen Anspruch entscheiden. Macht der Gläubiger den Schaden nach Art.

106 Abs. 1 OR in einem separaten Verfahren geltend, so kann der Schuldner nicht die

Einrede der res iudicata erheben.702

IV. ZUSAMMENFASSUNG

Der Verzugszins ist ein Anspruch des Gläubigers einer Geldforderung auf

verschuldensunabhängigen pauschalen Schadenersatz gegen den Verzugsschuldner. Die

Höhe des Anspruches beträgt 5% p.a. vom Beginn des Verzugs an, wobei der Gläubiger

alternativ einen höheren vertraglich vereinbarten Zinssatz auch im Verzug fordern kann.

Unter Kaufleuten bzw. bei Vorliegen eines materiell kaufmännischen Geschäft (objektiv

kaufmännischer Verkehr) kann der Gläubiger auch eine Verzugsvergütung in Höhe des

üblichen Bankdiskontos am Zahlungsorte fordern, falls dieser den dispositiven Zinssatz von

5% p.a. übersteigt und der Gläubiger den anwendbaren Zinssatz nachweisen kann. Unter

699 CANTIENI, S. 47. 700 WEBER, BK, Art. 106 OR N 31; SCHENKER (1998), S. 37. 701 SCHENKER (1998), S. 37; zum deutschen Recht: HONSELL, FS Lange, S. 514 f. 702 BGE 109 II 436 E. 1; WIEGAND, BSK, Art. 106 OR N 5; THÉVENOZ, CR, Art. 106 OR N 12.

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§ 6 DER ZINS IM SCHULDNERVERZUG __________________________________________________________________________

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dem Begriff des üblichen Bankdiskontos versteht das Bundesgericht den Privatdiskontsatz

der Geschäftsbanken für die Diskontierung erstklassiger Wechsel ihrer Kunden. Allerdings

hat die Bedeutung von Wechseln als Zahlungsmittel und Finanzierungsinstrument in der

Wirtschaft und im Bankgeschäft stark abgenommen, so dass dieser Zinssatz heute kaum

noch existiert und nicht mehr von einer Üblichkeit gesprochen werden kann. Entsprechend

sollte der Privatdiskontsatz auch nicht mehr als Referenzgröße für die Refinanzierungs-

kosten des Gläubigers herangezogen werden, da letzterem regelmäßig der Nachweis des

anwendbaren Zinssatzes nicht möglich sein dürfte. Eine Gesetzesänderung drängt sich daher

an dieser Stelle auf, insbesondere nachdem das Bundesgericht es abgelehnt hat, den Zins für

kurzfristige Kontokorrentkredite als alternativen Zinssatz anzuwenden, obwohl der

Kontokorrent heute die vorherrschende Form der kurzfristigen Finanzierung im

Geschäftsverkehr ist und daher der Kontokorrentzinssatz eine angemessenere Berechnungs-

grundlage wäre.

Falls der Verzugsschaden des Gläubigers den Verzugszinssatz übersteigt, kann der

Gläubiger unter dem Titel des weiteren Schadens auch allfällige höhere Kapitalkosten oder

einen erlittenen Schaden durch entgangene Kapitalerträge geltend machen, wobei dem

Schuldner der Exkulpationsbeweis offen steht. Für diesen weiteren Schaden verlangt das

Bundesgericht allerdings einen konkreten Schadensnachweis, der dem Gläubiger bei

Geldforderungen häufig schwerfallen dürfte. Dies gilt besonders für den Nachweis

tatsächlich erlittener Währungs- oder Kaufkraftverluste.

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§ 7 DER SCHADENSZINS __________________________________________________________________________

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§ 7 DER SCHADENSZINS

I. BEGRIFF

Der Schadenszins ist eine „zusätzliche Leistung, die der Gläubiger über das Kapital,

dessen Bezahlung als Schadenersatz erfolgt, hinaus für die vorübergehende Entbehrung

dieser Summe erhält“.703 Er ist eine Berechnungskomponente des Schadenersatzes, die

häufig in Gerichtsentscheiden nicht einzeln ausgewiesen wird, sondern bereits in der

Schadenersatzsumme zum Urteilszeitpunkt einberechnet ist.704 Nach der stetigen Praxis des

Bundesgerichts hat der Schadenszins den Zweck, einen Berechtigten mit einem Anspruch

auf Schadenersatz „so zu stellen, wie wenn er für seine Forderung am Tage der unerlaubten

Handlung bzw. für deren wirtschaftliche Auswirkungen mit deren Entstehung befriedigt

worden wäre“.705 Dabei hat er eine doppelte Funktion, denn er soll zunächst den durch die

verhinderte Möglichkeit zur Kapitalnutzung entstandenen Nachteil des Gläubigers aus-

gleichen und gleichzeitig keinen wirtschaftlichen Vorteil für den Haftpflichtigen durch die

häufig wesentlich verzögerte Zahlung der Ersatzsumme zulassen. Wie beim Verzugszins

hätte der Gläubiger mit dem geschuldeten Betrag einen Ertrag erzielen oder sich den

finanziellen Aufwand für eine anderweitige Kapitalbeschaffung ersparen können. Hingegen

hatte der Haftpflichtige die Möglichkeit, die Ersatzsumme gewinnbringend zu nutzen oder

auf eine kostenpflichtige Beschaffung von Kapital zu verzichten.706 Trotz der Ähnlichkeit ist

der Schadenszins aber kein Verzugszins, sondern ein Teil des Schadenersatzes.707

II. ANWENDUNGSBEREICH

Die Pflicht zur Verzinsung einer Schadenersatzsumme findet sich nicht explizit im

Gesetz, sondern ergibt sich unmittelbar aus dem Zweck des Schadenersatzes, den

Geschädigten so zu stellen wie wenn der Schaden nicht eingetreten wäre. Daher ist der

Schadenszins auf jede privatrechtliche Schadenersatzforderung anzuwenden. Dies umfasst

den Ersatz für materielle Schäden aus unerlaubter Handlung (Art. 41 ff. OR), d.h. für

Sachschäden, Körperverletzungen (Art. 46 OR) und Tötungen (Art. 45 OR), aber auch

Ansprüche auf Genugtuungsleistungen für immaterielle Schäden aus Körperverletzungen

und Tötungen (Art. 47 OR) sowie widerrechtliche Verletzungen der Persönlichkeit (Art. 49

OR). Zuletzt sind auch Schadenersatzansprüche aus der vertraglichen Haftung (Art. 97 ff.

703 WEBER, BK, Art. 104 OR N 11. 704 WEBER, BK, Art. 104 OR N 11. 705 BGE 131 III 12 E. 9.1; BGE 122 III 53 E. 4a; BGE 81 II 512 E. 6. 706 LÄUBLI ZIEGLER, S. 320 f. 707 OFTINGER/STARK, Bd. I, § 6 N 25; BREHM, BK, Art. 41 OR N 97; BGE 82 II 460.

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OR) dem Schadenszins zu unterstellen.708 Typische Anwendungsfälle für Schadenszinsen in

der Praxis des Bundesgerichts betreffen die Folgen von Unfällen mit verletzten oder

getöteten Personen. Streitig ist dabei regelmäßig die Verzinsungspflicht selbst und deren

Höhe in Bezug auf Haushaltsschäden,709 Verdienstausfälle710 und Versorgerschäden711.

Ebenso wird der Schadenszins relevant im Zusammenhang mit Forderungen auf

Kostenersatz712 und Genugtuung713. Im Fall von Genugtuungszahlungen wird der Schadens-

zins teilweise auch als Genugtuungszins bezeichnet, wobei daraus in der Praxis keine

unterschiedliche Behandlung resultiert. Neben den Fällen der außervertraglichen Haftung

finden sich in der Rechtsprechung auch Entscheide zum Schadenszins in der vertraglichen

Haftung714 oder der gesellschaftsrechtlichen Haftung, z.B. der AG für unerlaubte

Handlungen ihrer Organe.715 Geldschulden die keine Schadenersatzleistung darstellen, fallen

nicht in den Anwendungsbereich des Schadenszinses. Sie unterstehen ausschließlich dem

Verzugszins nach Art. 104 OR mit der beweispflichtigen Variante des erweiterten Schadens

nach Art. 106 OR. Das Verhältnis von Verzugszins und Schadenszins wird in einem

nachfolgenden Abschnitt genauer betrachtet.716

III. HÖHE DES ZINSES

Die Höhe des Schadenszinses wurde vom Bundesgericht in der Vergangenheit nicht

immer einheitlich festgelegt, in der jüngeren Rechtsprechung hat sich allerdings eine stetige

Praxis herausgebildet. Während das Bundesgericht ursprünglich den Schadenszins bei 5%

p.a. festlegte717, wich es später von dieser Praxis ab und bezog sich in einer kleineren

Anzahl von Entscheiden auf einen an den tatsächlichen Verhältnissen am Kapitalmarkt

orientierten Zins718 von 3% p.a., wobei es explizit eine Orientierung am subsidiären

Verzugszins von Art. 104 Abs. 1 OR ablehnte.719 In den folgenden Entscheiden kehrte das

Bundesgericht wieder zu seiner ursprünglichen Praxis zurück und legte den Schadenszins

„ohne nähere Begründung in Anlehnung an Art. 73 Abs. 1 OR“720 auf einen Satz von 5%

708 BGE 130 III 591 E. 4. 709 BGer 4C.277/2005 v. 17.01.2006 = BGE 132 III 321 (nicht publ. E. 4, 5). 710 BGE 82 II 25; BGer 4C.277/2005 v. 17.01.2006 = BGE 132 III 321 (nicht publ. E. 4, 5). 711 BGE 113 II 323; BGE 101 II 346 = Pra 1975 Nr. 264. 712 BGE 119 II 411 (Kostenersatz aus Art. 679 ZGB); BGE 113 II 323; BGE 81 II 512. 713 BGE 132 II 117; BGE 129 IV 149; BGE 113 II 323; BGE 118 II 404; BGE 101 II 346 = Pra 1975 Nr. 264; BGE

82 II 25; BGE 81 II 512; BGer 4C.277/2005 v. 17.01.2006 = BGE 132 III 321 (nicht publ. E. 4, 5). 714 BGE 130 III 591 (Schlechterfüllung); BGE 103 II 330 = Pra 1978 Nr. 89 (Vertragswidriger Gebrauch der Mietsache). 715 BGE 121 III 176 = Pra 1995 Nr. 271 (Organhaftung Art. 722 OR). 716 Siehe § 7 V. 717 BGE 33 II 124 E. 7. 718 Bis heute: GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2910; WEBER, BK, Art. 73 OR N 132; LEU, BSK, Art, 73 OR N 5. 719 BGE 81 II 213 E. 5 = Pra 1955 Nr. 204; BGE 78 I 86 E. 5 (Rückerstattung im öffentlichen Recht). 720 BGE 122 III 53 E 4b.

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p.a. fest. Diese Praxis gilt seit BGE 82 II 25 für den Schadenszins auf jeglichen

Ersatzforderungen, d.h. sowohl für Ansprüche aus unerlaubter Handlung721 und für

Genugtuungszahlungen722 als auch für solche aus einer vertraglichen Haftpflicht723 oder z.B.

aus Organverantwortlichkeit724. Von dieser Praxis ist das Bundesgericht seither nicht mehr

abgewichen und tendiert zunehmend auch zu einem einheitlichen pauschalen Zinssatz für

Schadens- und Verzugszins von in der Regel bei 5% p.a. Das Bundesgericht hat in seiner

neueren Rechtsprechung allerdings auch klargestellt, dass diese Höhe des Zinssatzes von 5%

p.a. nicht zwingend sei, sondern dass es sich um eine widerlegbare Vermutung handele.

Dem Gläubiger stehe es frei, einen größeren, mit dem Kapitalentzug verbundenen

Nutzungsausfall nachzuweisen und einen höheren Zinssatz zu beanspruchen.725 Schon zehn

Jahre vor diesem Entscheid zeigte sich das Bundesgericht in BGE 121 III 176 prinzipiell

bereit, einen höheren nachgewiesenen Zinssatz zuzusprechen, allerdings misslang dem

Geschädigten der Nachweis der geforderten 6% p.a.726 Ebenso lehnte es das Bundesgericht

in BGE 122 III 53 ab, den Schadenszins analog zum Verzugszins im kaufmännischen

Verkehr auf den üblichen Bankdiskontsatz festzusetzen, weil es zu dem Ergebnis gelangte,

es läge kein Geschäft im kaufmännischen Verkehr vor, das den geforderten variablen

Zinssatz rechtfertige.727 In BGE 131 III 12 hat das Bundesgericht zudem klargestellt, dass

der pauschalen Schadenszinssatz von 5% p.a. aus einer analogen Anwendung des

subsidiären Art. 73 Abs. 1 OR resultiere.

IV. BEGINN DER VERZINSUNG

A ALLGEMEINES

Der Schadenszins hat den Zweck, einen Anspruchsberechtigten so zu stellen, „wie

wenn er für seine Forderung am Tag der unerlaubten Handlung bzw. für deren

wirtschaftliche Auswirkungen mit deren Entstehung befriedigt worden wäre“.728 Daher ist er

von jenem Zeitpunkt an geschuldet, „in dem das schädigende Ereignis sich finanziell

ausgewirkt hat“ und läuft bis zum Zeitpunkt der Zahlung des Schadenersatzes.729 Doch

während sich das Ende der Verzinsung einfach bestimmen lässt, kann der Beginn der

721 BGE 131 II 217 E. 4.2; BGE 131 III 12 E. 9.5; 103 II 330 E. 5 = Pra 1978 Nr. 89; BGE 97 II 123 E. 9 = Pra 1971 Nr. 209;

BGE 82 II 25 E. 6. 722 BGE 132 II 117 E. 3.4 (verneint); BGE 129 IV 149 E. 4.5; BGE 118 II 404 E. 3b/bb; BGE 97 II 123 E. 9 = Pra

1971 Nr. 209; BGE 82 II 25 E. 6. 723 BGE 122 III 53 E. 4b; BGE 133 III 257. 724 BGE 121 III 176 E. 5b = Pra 1995 Nr. 271. 725 BGE 131 III 12 E. 9.4; WEBER/SCHAETZLE (2004), S. 98 FN 2. 726 BGE 121 III 176 E. 5a. 727 BGE 122 III 53 E. 4b. 728 BGE 131 III 12 E. 9.1; BGE 81 II 512 E. 6. 729 BGE 131 III 12 E. 9.1; BGE 118 II 363; BGE 81 II 512 E. 6.

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Verzinsung abhängig von der Art des Schadens Schwierigkeiten aufwerfen, da sich der

Zeitpunkt in dem sich der Schaden im Vermögen des Geschädigten manifestiert hat z.T. nur

schwer bestimmen lässt. Sofern sich die Entstehung eines Schadens auf einen bestimmten

Tag datieren lässt, ist auch dieser für die Berechnung des Schadenszinses heranzuziehen.

Allerdings kann nicht jeder Schaden in dieser Form bestimmt werden, so dass das Bundes-

gericht häufig aus Praktikabilitätsgründen pauschale Betrachtungsweisen anwendet. Dieses

Vorgehen zeigt sich besonders gut in einem Entscheid, in dem verschiedene Ansprüche auf

Behandlungskosten, Genugtuung, eine Entschädigung für temporäre Arbeitsunfähigkeit und

eine Invaliditätsentschädigung betroffen waren. Statt einer Betrachtung der einzelnen

Ansprüche wurde pauschal ein sog. mittlerer Verfall als Zinstermin für alle Ansprüche

gewählt.730 Im Gegensatz dazu gibt es aber auch einzelne Entscheide, in denen eine

möglichst genaue Verzinsung angestrebt wurde. So hat das Bundesgericht in einem

Entscheid zum Kostenersatz die Daten der Abbuchungen durch die Post als Zinstermine

festgelegt.731 Ebenfalls sachgerecht ist m.E. ein später ergangener Entscheid des

Bundesgerichts zur Haftung einer AG für deliktisches Handeln ihrer Organe in Ausübung

geschäftlicher Verrichtungen, in dem der Beginn der Verzinsung auf die Daten der

Aushändigung der Checks festgelegt wurde mit denen die veruntreuten Investitionen

vorgenommen wurden.732 Diese Entscheide nehmen eine relativ genaue Schadens-

berechnung vor, indem sie für den Beginn der Verzinsung auf tatsächliche Zahlungstermine

abstellen. In der Praxis des Bundesgerichts finden sich hingegen häufiger pauschale

Vorgehensweisen.

B KOSTENERSATZ

Gerade wenn der Ersatz von Kosten betroffen ist, die kausal durch eine schädigende

Handlung entstandenen sind, sollte es i.d.R. möglich und sachgerecht sein, den Beginn der

Verzinsung auf den Termin festzulegen, an dem der Geschädigte die Kosten tragen musste.

Dies kann z.B. für die Kosten von medizinischen Behandlungen, der Bestattung oder der

anwaltlichen Vertretung vor Gericht gelten. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass in

manchen Fällen die Vielzahl der Schadensposten eine individuelle Verzinsung relativ

aufwendig machen kann. Tatsächlich tendierte das Bundesgericht in seiner frühen Praxis

dazu, Heilungs-, Behandlungs- und Bestattungskosten pauschal ab dem Zeitpunkt der

Schädigung zu verzinsen.733 Im Gegensatz dazu hat das Bundesgericht in einem neueren

Entscheid den Beginn der Verzinsung der vorprozessualen Anwaltskosten sowie der Beträge

730 BGE 101 II 346 E. 9 = Pra 1975 Nr. 264. 731 BGE 119 II 411 E. 7a. 732 BGE 121 III 176 E. 5a = Pra 1995 Nr. 271. 733 BGE 113 II 323 E. 8; BGE 82 II 25 E. 6, 8; BGE 81 II 512 E. 6.

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aus einer Insassenversicherung auf den Tag der Klageeinreichung festgelegt.734 Ob sich

zukünftig eine Änderung der Praxis im Sinne einer genauen Berechnung der Zinsperioden

ergeben wird bleibt nach der bisherigen Rechtsprechung unklar. Allerdings sprechen

Praktikabilitätserwägungen und die Tatsache, dass ein pauschales Vorgehen regelmäßig zu

einer leichten Besserstellung des Geschädigten führt, für ein solches Vorgehen bei der

Verzinsung des Kostenersatzes.

C VERDIENSTAUSFALL, HAUSHALTS- UND VERSORGERSCHÄDEN

Die Verzinsung von Verdienstausfall, Haushalts- oder Versorgerschäden wird

regelmäßig im Zusammenhang mit Unfällen mit Verletzungs- oder Todesfolgen behandelt.

Die Entscheidung erfolgt daher häufig im gleichen Verfahren wie die Erstattung von

Behandlungs- oder Bestattungskosten sowie von Genugtuungszahlungen. In einem neuen

Entscheid hat sich das Bundesgericht grundsätzlich zur Verzinsung von periodisch

entstehenden Schäden, wie z.B. Verdienst- bzw. Haushaltsschäden, geäußert. Danach ist aus

Praktikabilitätsgründen ein mittlerer Verfall zu wählen, wenn die periodische Schadenshöhe

konstant bleibt, oder es ist ein Verfalltag aufgrund der gewichteten Schadenshöhe zu

wählen, wenn sich diese im Zeitverlauf verändert.735 Letzteres ist insbesondere dann

angezeigt, wenn eine steigende Einkommensentwicklung, ein sich verändernder Invaliditäts-

grad oder Akontozahlungen auf den Schadenersatz zu berücksichtigen sind.736 Handelt es

sich um mehrere Perioden mit wiederkehrenden Verdienstausfällen, dann ist der mittlere

Verfall für jede Periode festzulegen und jeder Betrag einzeln zu verzinsen.737 In Bezug auf

Dauerschäden, zu denen insbesondere der Versorgerschaden gehört, kann auf die

Ausführungen zum kapitalisierten Schadenersatz verwiesen werden.738 Der Versorger-

schaden ist auf den Todestag zu kapitalisieren und mit dem Schadenszins zu verzinsen.739

D GENUGTUUNG

Im Zusammenhang mit unerlaubten Handlungen, die zu einer Körperverletzung,

dem Tod einer Person oder einer Persönlichkeitsverletzung geführt haben, werden häufig

auch Genugtuungssummen für immaterielle Unbill zugesprochen. Dabei handelt es sich um

eine schadenersatzunabhängige Geldleistung als „gewisser Ausgleich (…) für den erlittenen

physischen oder seelischen Schmerz“, die ein „materielles Gegengewicht für einen

734 BGE 131 III 12 E. 9.5. 735 BGE 131 III 12 E. 9.5; BREHM (2002), N 17, 464; KELLER, Bd. II, S. 47 f. 736 WEBER/SCHAETZLE (2004), S. 99. 737 KELLER, Bd. II, S. 47 f. 738 Siehe § 7 VI. 739 BGE 113 II 323 E. 8; BGE 97 II 123 E. 9; BGE 84 II 292 E. 7; KELLER, Bd. II, S. 48.

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immateriellen Schaden“740 darstellt. Wie im Fall des Schadenersatzes für materielle Schäden

ist auch bei Genugtuungssummen der Nutzungsausfall zwischen schädigender Handlung

und Zahlung zu ersetzen, da der Geschädigte andernfalls einen finanziellen Verlust erleiden

würde. Allerdings muss dabei berücksichtigt werden, dass die Höhe von Genugtuungs-

leistungen auf Schätzungen, pauschalen Ansätzen sowie einem gewissen Ermessen des

Gerichts beruht und nicht auf einer exakten Schadensberechnung. Daher wird die

Verzinsung teilweise von den Gerichten nicht gewährt, wenn sich die Genugtuungssumme

ohnehin im oberen Bereich des Üblichen und Angemessenen bewegt.

Da sich bei Genugtuungsleistungen der effektive Zeitpunkt an dem sich das

schädigende Ereignis auswirkt hat noch weniger als in den vorherigen Fällen genau

bestimmen lässt, kann auch der Beginn der Verzinsung nicht immer exakt festgelegt werden.

Das Bundesgericht hat sich daher in stetiger Rechtsprechung klar für eine Verzinsung ab

dem Tag der schädigenden Handlung ausgesprochen.741 Diese Ansicht wird auch von der

herrschenden Lehre742 vertreten und ist m.E. auch sachgerecht, da jeder spätere Termin auf

eine willkürliche Benachteiligung der geschädigten Person hinausliefe. Allerdings hat das

Bundesgericht abweichend von seiner Praxis der Verzinsung ab dem Tag der schädigenden

Handlung in einem neueren Entscheid auf Antrag der klagenden Partei den Schadenszins

erst ab dem Tag der Einreichung der Klageschrift zugesprochen.743 Ein anderes Vorgehen

wurde zudem in einem Fall von persönlichkeitsverletzenden Eingriffen in die sexuelle

Integrität gewählt. Aufgrund der Komplexität des Falls mit mehreren Opfern und einer

Vielzahl von deliktischen Verletzungen über einen Zeitraum von mehreren Jahren wurden

die insgesamt acht Genugtuungssummen für die einzelnen Schädigungszeiträume jeweils ab

einem mittleren Termin verzinst. Ein anderer Beginn der Verzinsung wurde mit der

Begründung abgelehnt, dass sich die zugesprochenen Summen inkl. Zins trotz des

Zeitablaufs noch im Rahmen der üblichen Größenordnungen hielten.744 Diese Begründung

kann nicht vollständig überzeugen, ist aber m.E. vor dem Hintergrund zu verstehen, dass

sich die Höhe des immateriellen Schadens nicht exakt berechnen lässt und daher auch der

genauen Verzinsung eine geringere Bedeutung zukommt.

740 BREHM, BK, Art. 47 OR N 6, 9; BGE 123 III 10 E. 4a (S. 15). 741 BGE 131 III 12 E. 9.5; BGE 118 II 404 E. 3b/bb; BGE 117 II 50 E. 4b = Pra 1992 Nr. 140; BGE 113 II 323;

BGE 82 II 25 E. 6, 8; BGE 81 II 512 E. 6; BGE 33 II 124 E. 7. 742 BREHM, BK, Art. 47 OR N 94, 98; KELLER, Bd. II, S. 130 f.; LÄUBLI ZIEGLER, S. 323; WEBER, BK, Art. 104 OR N 11;

SCHNYDER, BSK, Art. 47 OR N 24; GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2910; REY, N 503 (Bemessung zum Urteilstag). 743 BGE 125 III 269 E. 2d = Pra 1999 Nr. 175. 744 BGE 129 IV 149 E. 4.2.

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V. VERHÄLTNIS VON SCHADENSZINS UND VERZUGSZINS

A FUNKTIONALE ABGRENZUNG

Der Schadenszins ist, wie gezeigt, ein Element der Schadensberechnung und dient

der vollständigen Kompensation eines Geschädigten, dem durch den Zeitablauf zwischen

einer schädigenden Handlung und der tatsächlichen Ersatzleistung ein wirtschaftlicher

Nachteil entstanden ist. Er erfüllt gemäß Bundesgericht funktional den gleichen Zweck wie

der Verzugszins, da beide „den mit der Kapitalentbehrung verbundenen Nutzungsausfall

ausgleichen“ sollen.745 Sie unterscheiden sich aber hinsichtlich ihrer Entstehung bzw. des

ihnen zugrundeliegenden Leistungsgegenstandes, der beim Verzugszins eine „ausgebliebene

Geldleistung als Primärleistung“ ist, während sich der Schadenszins auf eine Ersatzleistung

bezieht, „die an die Stelle der Hauptleistung getreten ist und diese gleichsam fortsetzt“.746

Sie unterstehen zudem nicht den gleichen Voraussetzungen, da für die Entstehung des

Schadenszinses weder die Fälligkeit der Forderung noch eine Mahnung erforderlich ist.747

Der Schadenszins läuft ab jenem Tag an dem sich das schädigende Ereignis wirtschaftlich

ausgewirkt hat und erfordert keine zusätzliche Handlung des Anspruchsberechtigten.748

B KUMULATIVE BEANSPRUCHUNG

1. ALLGEMEINES

In Bezug auf das Verhältnis von Schadens- und Verzugszins war in der Lehre lange

umstritten, ob eine lineare Berechnung vorzunehmen sei oder ob beide kumulativ beansprucht

werden könnten. Aber auch der Rechtsprechung mangelte es an Stetigkeit und einer klaren

Festlegung. In der Lehre wird teilweise (noch in Anlehnung an BGE 97 II 123) eine

Aufrechnung der Schadenszinsen zum Zeitpunkt des kantonalen Urteils letzter Instanz

gefordert und damit eine kumulierte Verzinsung der Schadenszinsen mit den Verzugszinsen ab

dem Urteilszeitpunkt vertreten.749 Die Mehrheit der Lehre hingegen vertritt hingegen die

Position, dass eine Kumulation der beiden Zinsformen nicht gerechtfertigt sei und wird in

dieser Ansicht durch die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichts bestätigt.750

745 BGE 122 III 53 E. 4a, b. 746 BGE 122 III 53 E. 4b. 747 OFTINGER/STARK, Bd. I, § 6 N 25; WEBER, BK, Art.104 OR N 11; BGE 122 III 53 E. 4a; BGE 130 III 591 E. 4. 748 WEBER, BK, Art. 104 OR N 11; GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2910; BREHM, BK, Art. 41 OR N 99;

BGE 130 III 591 E. 4; BGer 4C.191/2004 E. 7.2 v. 07.09.2004. 749 BREHM, BK, Art. 41 OR N 99; KELLER, Bd. II, S. 48; LÄUBLI ZIEGLER, S. 325; WEBER/SCHAETZLE (2004), S. 98;

ROBERTO, § 30 N 821; REY, N. 170a. 750 WEBER, BK, Art. 104 OR N 11; OFTINGER/STARK, Bd. I, § 6 N 25 FN 35; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 37;

WIEGAND, ZBJV 1998,S. 201; SCHENKER (1987), N 397; HONSELL (2005), § 8 N 27; KOLLER, AJP 2006, S. 365.

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2. DIE ÄLTERE PRAXIS DES BUNDESGERICHTS

Das Bundesgericht hat in seiner älteren Praxis die lineare Berechnung von Zinsen

vertreten und den Schadenszins ab dem Zeitpunkt des kantonalen Urteils letzter Instanz bloß

durch den Verzugszins ersetzt. Der aufgelaufene Schadenszins wurde nicht auf den

Urteilszeitpunkt kapitalisiert und damit auch nicht der anschließenden Verzugsverzinsung

unterstellt.751 Später änderte das Bundesgericht ohne nähere Begründung seine Praxis und

verzinste die gesamte Ersatzleistung ab dem Tag des letzten kantonalen Urteils mit 5% p.a.

Verzugszins. Dazu führte das Bundesgericht aus: « Le dommage est calculé au jour du

jugement cantonal, c'est-à-dire au 21 septembre 1954. A l'indemnité allouée, il faut donc

ajouter l'intérêt moratoire à 5% jusqu'à cette date et dès le moment où les différents éléments

des dommages-intérêts étaient échus. ».752 In einem nachfolgenden Entscheid schützte das

Bundesgericht ein entsprechendes kantonales Urteil mit Verweis auf den o.g. Entscheid,

indem es darlegte: „Diese Berechnungsweise wonach den Klägerinnen ein Verzugszins auch

auf den bis zum Urteilszeitpunkt aufgelaufenen Zinsen zukommt, entspricht der

Rechtsprechung des Bg (BGE 81 II 49 = Pr 44 Nr. 61)“. Die anschließenden Ausführungen

des Bundesgericht stellen den Entscheid allerdings wieder unter einen gewissen Vorbehalt,

wenn es festhält, dass es bloß deshalb keine Prüfung dieser Frage vorgenommen habe, weil

das angesprochene Vorgehen der kantonalen Instanz nicht vom Beklagten beanstandet bzw.

bestritten worden sei.753 Von dieser Rechtsprechung wich das Bundesgericht in einem

folgenden Entscheid wieder ab und erklärte den Zeitpunkt des kantonalen Urteils als nicht

allein maßgeblich. Stattdessen verrechnete es zunächst die erfolgten Vorauszahlungen an

den Schadenersatz mit den bis zur entsprechenden Zahlung aufgelaufenen Schadenszinsen.

Erst ab jenem Termin, an dem die letzte Vorauszahlung nicht mehr zur Verrechnung mit den

laufenden Schadenszinsen ausreichte, wurden die bis zum Termin der letzten Vorauszahlung

auflaufenden Zinsen zum Kapital addiert und zusammen mit der restlichen Ersatzforderung

dem Verzugszins unterstellt. Maßgebend für den Beginn des Verzugszinses war daher der

Tag der letzten Vorauszahlung, wobei auch die noch aufgelaufenen Schadenszinsen verzinst

wurden.754 Diese Berechnungsweise der Schadens- und Verzugszinsen ist trotz oder gerade

wegen ihrer Genauigkeit und der damit verbundenen Komplexität nicht fortgeführt worden

und findet sich heute nicht mehr in der Rechtsprechung.

751 BGE 81 II 213 E. 5 = Pra 1955, Nr. 204; BGE 33 II 124 E. 7. 752 BGE 81 II 38 E. 5 = Pra 1955 Nr. 61. 753 BGE 97 II 123 E. 9 = Pra 1971 Nr. 209; vgl. auch BGE 131 III 12 E. 9.1. 754 BGE 113 II 323 E. 8.

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3. DIE AKTUELLE PRAXIS DES BUNDESGERICHTS

a. VERTRAGLICHE HAFTUNG

Noch in BGE 122 III 53 hat das Bundesgericht in einem Entscheid zum

Schadenszins in der Vertragshaftung eine grundsätzliche Stellungnahme zur Kumulierung

beider Zinsen vermieden. Dennoch lehnte es diese mit der Begründung ab, dass Schadens-

und Verzugszins beide auf Tatbeständen der Leistungsstörungen und damit auf einer

einheitlichen dogmatischen Grundlage basierten. Daher seien auch einheitliche Rechts-

folgen, d.h. ein einheitlicher Zinssatz von 5% p.a., gerechtfertigt, da sich eine

Harmonisierung der Rechtsfolgen der Leistungsstörungstatbestände geradezu aufdränge.

Damit lehnte es das Bundesgericht explizit ab, die seit BGE 97 II 123 bestehende Praxis im

Recht der außervertraglichen Haftung auf die Vertragshaftung zu übertragen. Eine

Auseinandersetzung mit der deliktrechtlichen Regelung erfolgte aufgrund fehlender

Entscheidungsrelevanz nicht, allerdings ließ es das Bundesgericht dennoch nicht unerwähnt,

dass auch in der Rechtsprechung zur Genugtuung die Praxis zum deliktischen Schadenersatz

für materielle Schäden keine Berücksichtigung gefunden habe.755

b. AUSSERVERTRAGLICHE HAFTUNG UND GENUGTUUNG

In BGE 131 III 12 hat sich das Bundesgericht in einem Entscheid zum Haushalts-

und Erwerbsschaden sowie zur Genugtuung grundsätzlich mit der Kumulation von

außervertraglichem Schadenszins und Verzugszins befasst. Das Bundesgericht stützt seine

ablehnende Haltung zunächst auf das verzugsrechtliche Zinseszinsverbot von Art. 105

Abs. 3 OR, welches nach seiner Ansicht durch die Aufrechnung und Verzinsung der

Schadenszinsen im Verzug verletzt würde. Aufgrund dieser Bestimmung müsse der

„Schaden für die vorenthaltene Nutzung des Kapitals mit zunehmender Zeitdauer bloß

linear, nicht exponentiell“ berechnet werden, wodurch „der entgangene Nutzen für die

aufgelaufenen Zinsen grundsätzlich unbeachtet“ bliebe.756 Zudem ergänzt das Bundesgericht

seine Begründung damit, dass eine ungleiche Behandlung des deliktischen Schadenszinses

im Vergleich zur Vertragshaftung757 und zur Entschädigung für immaterielle Schäden758

ohne nähere Begründung nicht gerechtfertigt sei und auch keine Gründe für eine solche

Unterscheidung erkennbar seien. Zuletzt zweifelt das Gericht auch an der Angemessenheit

des Tages des kantonalen Urteils als maßgeblichem Zeitpunkt für die Kapitalisierung des

Schadenszinses. Dieser Termin ergebe sich nicht aus dem Zinsbegriff, da Zinsen im

Gegenteil per definitionem laufend anwüchsen und wenn überhaupt periodisch kapitalisiert

755 BGE 122 III 53 E. 4b, c. 756 BGE 131 III 12 E. 9.3. 757 BGE 122 III 53 E. 4a; BGE 130 III 591 E. 3. 758 BGE 122 III 53 4c; BGE 118 II 404 E. 3b.

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§ 7 DER SCHADENSZINS __________________________________________________________________________

122

würden, aber nicht auf einen willkürlich gewählten und nicht beinflussbaren

Urteilszeitpunkt. Außerdem würde die ältere Rechtsprechung dazu führen, dass der

Haftpflichtige schon Zinseszinsen schulden würde während er den Anspruch noch

rechtmäßig bestreitet. Um diese Folge zu umgehen müsste der Haftpflichtige den

bestrittenen Schaden schon vor dem letzten Urteil begleichen oder aber nachträglich dafür

haften, dass er den Schadenersatz nicht vorzeitig geleistet hat. Beides könne hingegen vom

Haftpflichtigen nicht erwartet werden.759

4. ZUSAMMENFASSUNG DER PRAXIS

Das Bundesgericht geht heute davon aus, dass Schadens- und Verzugszins die

gleiche Funktion erfüllen und sich in ihrer Natur nicht wesentlich unterscheiden, wie es nur

noch von einer Minderheit der Lehre vertreten wird.760 Eine Kumulation von Schadens- und

Verzugszinsen würde daher zu einer Überentschädigung des Geschädigten führen, die im

Schadenersatzrecht ebenso zu vermeiden sei wie eine nicht gerechtfertigte zu geringe

Kompensation.761 Daher hat das Bundesgericht mit den dargestellten Entscheiden endlich

Klarheit und Verbindlichkeit geschaffen, indem es festgestellt hat, dass sowohl die

vertragliche als auch die außervertragliche Haftung und die Genugtuung bezüglich der

Kumulation von Schadens- und Vertragszins absolut gleich zu behandeln sind. Die

Verzinsung soll ausschließlich linear erfolgen und niemals exponentiell. An allfälligen

abweichenden Entscheiden aus der Vergangenheit wird explizit nicht festgehalten und die

darauf basierende Lehrmeinung abgelehnt.762 In einem anschließend ergangenen Entscheid

hat das Bundesgericht diese Rechtsprechung fortgeführt und eine Verzinsung zwischen

mittlerem Verfall und Urteilszeitpunkt vorgenommen, die nicht auf den Urteilstermin

aufzurechnen sei. Das Urteil der Vorinstanz hatte noch eine Aufrechnung der vom mittleren

Verfall an aufgelaufenen Zinsen auf den Urteilszeitpunkt vorgenommen und den gesamten

Schaden inklusive Zins ab dem Urteilstag verzinst.763

VI. KAPITALISIERTER SCHADENSERSATZ

Anstelle einer periodischen Rente für einen erst zukünftig entstehenden Dauerschaden

kann dem Geschädigten der Schadenersatz auch in Form einer kapitalisierten Rente

zugesprochen werden. Durch die Kapitalisierung erhält der Geschädigte mit der einmaligen

Kapitalabfindung jenen Betrag, der unter Berücksichtigung der erzielbaren Vermögens-

759 BGE 131 III 12 E. 9.4. 760 BGE 131 III 12 E. 9.1 f. 761 BGE 130 III 591 E. 4; WIEGAND, BSK, Art. 104 OR N 3 a.E.; SCHENKER (1987), N 397. 762 BGE 131 III 12 E. 9.4. 763 BGE 134 III 489 E. 4.5.4.

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§ 7 DER SCHADENSZINS __________________________________________________________________________

123

erträge den zukünftig entstehenden hypothetischen Gesamtschaden voll abdeckt und damit

der Zahlung einer periodischen Rente in der Zukunft entspricht.764 Zur Berechnung des

Kapitalbetrags wird die kalkulierte jährliche Rentenleistung auf einen Stichtag, regelmäßig

den Urteilstag, kapitalisiert, wobei einerseits die Laufzeit der hypothetischen Rente und

andererseits der erwartete Vermögensertrag zu berücksichtigen sind.765 In der Praxis wird

anstelle aufwendiger Berechnungen mit Barwertformeln regelmäßig eine Multiplikation der

jährlichen Rente mit einem Kapitalisierungsfaktor vorgenommen. Diese Faktoren findet

man in den Barwerttafeln von STAUFFER/SCHAETZLE766, welche ihre Grundlage in

statistischen Erhebungen sowie Annahmen über die durchschnittliche Lebenserwartung der

geschädigten Person haben und unter Einbezug des maßgeblichen Diskontierungszinssatzes

einen spezifischen Kapitalisierungsfaktor bestimmen. Der Diskontierungszinssatz dient

dabei der Berücksichtigung des vermuteten zukünftigen Vermögensertrags, wobei unter

sonst gleichen Bedingungen ein höherer Zinssatz zu einem niedrigeren Kapitalisierungs-

faktor und einer geringeren Kapitalabfindung führt, während ein niedrigerer Zinssatz einen

höheren Kapitalisierungsfaktor und eine höhere Abfindung bewirkt.767

Das Bundesgericht wendet für die Diskontierung in stetiger Rechtsprechung einen

Zinssatz von 3,5% an.768 Trotz eines teilweise erheblich schwankenden Zinsniveaus in der

Vergangenheit und wiederkehrender Kritik aus der Lehre hat sich das Bundesgericht bisher

geweigert, von dieser Praxis Abstand zu nehmen und den Zinssatz zu verändern.769 Die

Lehre kritisiert den Zinssatz als zu hoch, da er einen Abzug für den erzielbaren Kapitalertrag

darstelle und sich daher an den tatsächlich erzielbaren Renditen orientieren sollte. In den

vergangenen Jahren sei langfristig und unter Berücksichtigung der Inflationsrate kaum ein

realer Kapitalertrag von 3,5% p.a. erzielbar gewesen, ohne ein im Vergleich zu

Bundesobligationen erhöhtes Risiko eingehen zu müssen. Unterhalb dieses realen Ertrags

entsteht dem Geschädigten hingegen ein Schaden durch die anhaltende Teuerung, so dass

die Kapitalabfindung nicht für die kalkulierte Laufzeit ausreicht.770 Auf der Grundlage

tatsächlich erzielbarer, realer Anlageerträge halten WEBER/SCHAETZLE maximal einen

jährlichen Diskontierungszinssatz von 2,5% für vertretbar.771 Das Bundesgericht hat diesen

Tendenzen allerdings wiederholt eine Absage erteilt, wobei die verwendeten Argumente

764 WEBER/SCHAETZLE, AJP 1997, S. 1116. 765 WEBER/SCHAETZLE, AJP 1997, S. 1116. 766 STAUFFER/SCHAETZLE (2001). 767 WEBER/SCHAETZLE, AJP 1997, S. 1116. 768 BGE 96 II 446 E. 6d = Pra 1971 Nr. 167; BGE 125 III 312 E. 7. 769 WEBER, BK, Art. 73 OR N 122. 770 WEBER/SCHAETZLE, AJP 1997, S. 1116, 1118.

Beispiel: Bei einer durchschnittlichen Inflationsrate von 1,8% p.a. muss die Anlage eine jährliche nominelle

Rendite von 5,3% erzielen, damit der Geschädigte keinen Verlust durch die Geldentwertung erleidet. 771 WEBER/SCHAETZLE, AJP 1997, S. 1119; SCHAETZLE, ZBJV 1995, S. 522.

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§ 7 DER SCHADENSZINS __________________________________________________________________________

124

nach Ansicht der Lehre einer genaueren Prüfung kaum standhalten würden.772 Angesichts

des niedrigen Zinsniveaus in den vergangenen Jahren wäre hingegen m.E. ein geringerer

Diskontierungszinssatz gerechtfertigt, damit die geschädigte Person nicht durch eine zu

geringe Kapitalleistung einen Nachteil erleidet.

Ein weiterer Schaden kann dem Geschädigten beim kapitalisierten Schadenersatz

entstehen, wenn der Rechnungstag auf den der Schadenersatz kapitalisiert wurde und der

Zahlungstermin nicht übereinstimmen. In diesem Fall erleidet der Gläubiger einen Zins-

verlust, da für diesen Zeitraum zuvor bereits der Diskontierungszins abgezogen wurde. Der

Kapitalbetrag des zukünftigen Schadens ist daher vom Rechnungstag bis zur Zahlung mit

dem Schadenszins von 5% p.a. als Ausgleich für die Diskontierung zu verzinsen.773 Der

Termin der Kapitalisierung kann mit dem Urteilsdatum zusammenfallen, muss es aber

nicht.774

VII. PROZESSUALES

A STREITWERT

1. RECHTSPRECHUNG DES BUNDESGERICHT

Bei der Ermittlung des Streitwertes ist der Schadenszins, obwohl es sich um einen

Teil der Schadenersatzforderung handelt, gemäß Bundesgericht nicht zu berücksichtigen.775

Diese Entscheidung zum Schadenszins stützt das Bundesgericht auf die Rechtsprechung zur

Streitwertfähigkeit von Zinsen im Allgemeinen. Diese besagt, dass Zinsen nicht in die

Streitwertberechnung einzubeziehen sind, wenn sie akzessorisch zu einer Kapitalforderung

geltend gemacht werden. Einzig wenn die Zinsforderung eigenständig geltend gemacht

wird, sind die Zinsen für den Streitwert relevant. Maßgeblich war nach dieser unter altem

Recht (Art. 54 Abs. 1 aOG) begründeten Rechtsprechung zu den bundesrechtlichen

Verfahrensvorschriften nur die Tatsache, dass die Zinsen akzessorisch zu einer

Kapitalforderung geltend gemacht wurden. Diese Beschränkung gilt daher nicht für jene

Zinsen, die in der Hauptforderung aufgegangen sind, wie z.B. Zinsen die eine

Berechnungskomponente von Regressforderungen oder von Forderungen aus

ungerechtfertigter Bereicherung bilden. Abgesehen vom Merkmal der Akzessorietät kann

keine Unterscheidung zwischen verschiedenen Zinsarten vorgenommen werden.776

772 WYSS, AJP 1997, S. 849 ff.; WEBER/SCHAETZLE, AJP 1997, S. 1117. 773 BGE 131 III 12 E. 9.5; WEBER/SCHAETZLE (2004), S. 100, 104; BGE 123 III 115 E. 9a. 774 BGE 123 III 115 E. 9a; HONSELL (2005), § 8 N 27. 775 BGE 118 II 363; OFTINGER/STARK, Bd. I, § 6 N 25. 776 BGE 118 II 363.

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§ 7 DER SCHADENSZINS __________________________________________________________________________

125

2. NACH NEUEM BUNDESGERICHTSGESETZ (BGG)

Auch unter dem neuen Bundesgerichtsgesetz bleiben die Bestimmungen über den

Streitwert weitgehend unverändert. Entsprechend dem altrechtlichen Art. 36 Abs. 3 OG

bestimmt Art. 51 Abs. 3 BGG, „dass Zinsen, Früchte, Gerichtskosten und Partei-

entschädigungen, die als Nebenrechte geltend gemacht werden (…) bei der Bestimmung des

Streitwerts nicht in Betracht“ fallen. Der Streitwert richtet sich gemäß Art. 51 Abs. 1 lit. a

BGG auch unter neuem Recht „nach den Begehren, die vor der Vorinstanz streitig geblieben

waren“ und muss bei der Beschwerde in Zivilsachen über vermögensrechtliche Angelegen-

heiten nach Art. 74 Abs. 1 BGG mindestens CHF 15„000 in arbeits- und mietrechtlichen

Streitigkeiten (lit. a) bzw. CHF 30„000 in allen übrigen Fällen (lit. b) betragen, sofern keine

der speziellen Ausnahmen von Art. 74 Abs. 2 BGG vorliegt.

B BEWEISLAST

Die Pflicht zum Nachweis der Existenz und der Höhe eines Schadens liegt nach Art.

42 Abs. 1 OR bei der Partei die ihren Anspruch behauptet, d.h. der geschädigten Partei.777

Beweispflichtig ist nur der Geschädigte, während der Beklagte nicht verpflichtet werden

kann, die Tatsachenvorbringen des Geschädigten zu widerlegen, da dies auf eine

unzulässige Umkehr der Beweislast hinausliefe. Vielmehr schadet es dem Beklagten nicht,

die Sachbehauptungen des Geschädigten mit bloßem Nichtwissen zu bestreiten.778 Auch

wenn „vom Belangten je nach Gegenstand und Lage des Verfahrens verlangt werden könne,

eine Bestreitung tunlichst zu substantiieren“ ist es gemäß Bundesgericht nicht zulässig „an

diese Substantiierung die gleichen Anforderungen zu stellen wie bei Sachbehauptungen,

welche die Beurteilung des daraus abgeleiteten Anspruchs erlauben sollen“.779 Beansprucht

der Geschädigte eine höhere Entschädigung für seinen entgangenen Nutzen als die aus Art.

73 Abs. 1 OR abgeleiteten pauschalen 5% p.a., so muss er entweder den konkreten

Nachweis eines höheren Schadens erbringen oder eine entsprechende Vereinbarung mit dem

Haftpflichtigen nachweisen. Dem Geschädigten kann nicht ohne weitere Nachweise ein

höherer Zins mit Verweis auf die allgemeinen Marktbedingungen zugesprochen werden.780

VIII. ZUSAMMENFASSUNG

Der Schadenszins ist eine Berechnungskomponente des Schadenersatzes. Er soll den

entgangenen Nutzen des Gläubigers ausgleichen und gleichzeitig den wirtschaftlichen

Vorteil abschöpfen, den der Haftpflichtige durch die verzögerte Zahlung der Ersatzsumme

777 HONSELL (2005), § 8 N 28 f.; BREHM, BK, Art. 42 OR N 9; SCHNYDER, BSK, Art. 42 OR N 1; BRUNNER, N 189. 778 BGE 115 II 1 E. 4; BRUNNER, N 189. 779 BGE 115 II 1 E. 4; relativierend BGE 105 II 143 E. 6a/bb. 780 BREHM, BK, Art. 41 OR N 101; HONSELL (2005), § 8 N 27.

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§ 7 DER SCHADENSZINS __________________________________________________________________________

126

erlangt hat. Der Schadenszins ist auf alle privatrechtlichen Schadenersatzforderungen und

Genugtuungssummen anzuwenden. In Analogie zu Art. 73 Abs. 1 OR wird der Zinssatz auf

5% p.a. festgelegt. Dabei handelt es sich jedoch um eine wiederlegbare Vermutung, so dass

der Gläubiger einen höheren Zinssatz beanspruchen kann, sofern er einen größeren Schaden

bzw. entgangenen Nutzen nachweist. Auch die analoge Anwendung des variablen

Verzugszinses im kaufmännischen Verkehr sollte möglich sein, sofern die entsprechenden

Voraussetzungen gegeben sind. In der Vergangenheit hat das Bundesgericht für die

Festsetzung des Verzugszinssatzes auch schon die tatsächlichen Verhältnisse auf dem

Kapitalmarkt herangezogen, ohne dafür aber die genauen Bestimmungsfaktoren zu

definieren. Im Vergleich zu einem pauschalen Zinssatz wäre eine Anknüpfung an die

Verhältnisse auf den Kapitalmärkten jedoch besser geeignet, um einen angemessenen

Schadenszinssatz zuzusprechen.

Im Verzug dürfen auf den Betrag des aufgelaufenen Schadenszinses keine

Verzugszinsen berechnet werden, da gemäß Bundesgericht beide Zinsen die gleiche

Funktion erfüllen und eine Kumulation zu einer Überkompensation des Geschädigten führen

würde. Die Verzinsung darf daher ausschließlich linear erfolgen und niemals exponentiell.

Für die Kapitalisierung von Schadenersatzforderungen wendet das Bundesgericht in

stetiger Rechtsprechung einen Zinssatz von 3,5% an. In der Lehre wird dieser Zinssatz

regelmäßig als zu hoch kritisiert, da der Geschädigte eine solche Rendite mit dem Kapital

im langfristigen Durchschnitt nicht erzielen könne und daher unterkompensiert werde.

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§ 8 DER ZINS IM BEREICHERUNGSRECHT __________________________________________________________________________

127

§ 8 DER ZINS IM BEREICHERUNGSRECHT

I. ALLGEMEINES

Der Zins im Bereicherungsrecht wird in Literatur und Rechtsprechung weit seltener

behandelt als der Schadenszins. Während letzter insbesondere aufgrund seiner Bedeutung

im Bereich der Unfall- und Personenschäden einen sehr weiten Anwendungsbereich hat,

haben die Bestimmungen über die ungerechtfertigte Bereicherung eine geringere Bedeutung

durch die Annahme der kausalen Natur der Tradition beim Eigentumsübergang im

schweizerischen Recht.781 Anstelle des Bereicherungsanspruchs kommen häufiger die

sachenrechtlichen Ansprüche auf Herausgabe des Eigentums (Art. 641 Abs. 2 ZGB -

Vindikation) bzw. auf Grundbuchberichtigung zur Anwendung (Art. 975 ZGB).782 Der

Bereicherungsanspruch hingegen ist weitgehend beschränkt auf Geldforderungen, da ein

übertragener Geldbetrag durch Vermengung mit dem Geld des Bereicherten in dessen

Eigentum übergeht. Der Bereicherungsanspruch ist regelmäßig eine Gattungsschuld, weil

der Berechtigte kein Interesse an den effektiven Stücken, sondern nur an deren Geldwert

hat. Der Anspruch zielt folglich auf Wertersatz der Zahlung ab.783 Nur vom Vermögen des

Bereicherten getrenntes Geld muss mittels Vindikationsklage in natura zurückgefordert

werden.784 Entsprechend kommt auch der Bereicherungszins nur in den selten Fällen zur

Anwendung wenn der Bereicherungsanspruch nicht durch die sachenrechtlichen Ansprüche

verdrängt wird.

II. ZWECK

Auch wenn die Ausgestaltung des Bereicherungszinses durch die Rechtsprechung

nicht annähernd so detailliert ist wie die des Schadenszinses, so besteht dennoch Klarheit in

Bezug auf wesentliche Details der Verzinsungspflicht. Der Bereicherte hat nach Lehre und

Rechtsprechung neben der ursprünglichen Bereicherung auch jegliche vom ihm gezogenen

Nutzungen zurückzuerstatten. Dazu gehören sowohl die natürlichen als auch die

bürgerlichen Früchte, d.h. insbesondere die Zinsen sowie jegliche sonstigen Nutzungen,

„soweit sie sich in einem Geldwert ausdrücken lassen, und zwar unabhängig davon, ob sie

der Berechtigte gezogen hätte oder überhaupt hätte ziehen können“785.786 Auch wenn das

betroffene Kapital erfolgreich in eine Unternehmung investiert wurde, ist nach BECKER ein

781 SCHAUFELBERGER, S. 203. 782 SCHULIN, BSK, Art. 64 OR N 3. 783 KELLER/SCHAUFELBERGER, Bd. III, S. 71. 784 SCHULIN, BSK, Art. 64 OR N 3. 785 KELLER/SCHAUFELBERGER, Bd. III, S. 75. 786 V. THUR/PETER, § 53 S. 501; SCHWENZER, N 58.04; BGE 116 II 689 E. 3b/bb.

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§ 8 DER ZINS IM BEREICHERUNGSRECHT __________________________________________________________________________

128

entsprechender rechnerischer Zinsanteil herauszugeben.787 Der Zweck des Bereicherungs-

zinses besteht folglich in der Rückgabe eines, zum Nachteil des eigentlich an einer

Geldsumme Berechtigten, unrechtmäßig gezogenen Vorteils.788 Die Anspruchsgrundlage

der Erstattung von Nutzungen, Früchten und Zinsen findet sich nicht explizit im Gesetz789,

sondern wird aus dem Grundsatz abgeleitet, dass der Bereicherte die gesamte Bereicherung

zurückzuerstatten hat.790 Ausgenommen von diesem Prinzip sind lediglich die folgenden,

gesetzlich umschriebenen Fälle, wenn der ursprünglich Bereicherte gutgläubig nicht mehr

bereichert ist (Art. 64 OR) und wenn der gutgläubig Bereicherte Ersatz für von ihm getätigte

notwendige und nützliche Verwendungen erhält (Art. 65 OR).

III. UMFANG DER ZINSFORDERUNG

A GUTGLÄUBIGKEIT

Im Gegensatz zu den zuvor genannten Zinsformen ist der Bereicherungszins keine

akzessorische Nebenforderung der Bereicherungsforderung, sondern ein Bestandteil der

Bereicherung selbst.791 Die Zinsforderung umfasst nach der Praxis des Bundesgerichts

jegliche vom Bereicherten tatsächlich gezogenen Zinsen und wird nicht pauschal auf einen

bestimmten Zinssatz festgelegt. Dieser tatsächliche Zins sollte theoretisch ungefähr jenem

Zins entsprechen der dem Berechtigten entgangen ist.792 Allerdings ist zu berücksichtigen,

dass der Berechtigte den bezogenen Zins des Bereicherten nachweisen muss und nicht

seinen eigenen Verlust. Einzig in Fällen in denen feststeht, dass der Geldbetrag einer

Bereicherung zu einem üblichen Zinssatz angelegt wurde, kann wohl auf diesen üblichen

Zinssatz zurückgegriffen werden, anstatt auf den genauen Anlagezinssatz abzustellen.793

Diese Möglichkeit sollte insbesondere bei der Bereicherung im kaufmännischen Verkehr zur

Verfügung stehen, da im kaufmännischen Verkehr davon ausgegangen werden kann, dass

Gelder nicht ungenutzt gelassen, sondern zinstragend angelegt werden. Zum Bereicherungs-

zins gehört laut BGer auch der Zinseszins, sofern der Bereicherte solchen erzielt hat.794

In der Praxis wurde der Bereicherungszinssatz in BGE 84 II 179 auf 3% p.a. festgelegt,

wobei das Bundesgericht über den Zinssatz nicht selbst entschied, sondern die Entscheidung

der Vorinstanz bestätigte und den Zinssatz dabei als „tatsächliche Feststellung, die sich auf

787 BECKER, BK, Art. 64 OR N 2. 788 SCHENKER (1987), N 398. 789 Anders z.B. im deutschen Recht: § 818 Abs. 1 BGB. 790 BUSSY, N 185; OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 64 OR N 4; BECKER, BK, Art. 64 OR N 1. 791 BGE 116 II 689 E. 3 b/bb; BGE 84 II 179 E. 4; BGE 64 II 132 E. 1 = Pra 1938 Nr. 97; SPAHR, ZWR 1990, S. 375. 792 BGE 84 II 179 E. 4; BGE 80 II 152 E. 3; BGE 61 II 12 E. 4; BGE 40 II 249 E.5; KELLER/SCHÖBI, Bd. IV, S. 101;

BUCHER, OR AT, § 34 S. 692. 793 BGE 84 II 179 E. 4; KELLER/SCHAUFELBERGER, Bd. III, S. 75; BUCHER, OR AT, § 34 S. 692. 794 BGE 25 II 121 E. 4.

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§ 8 DER ZINS IM BEREICHERUNGSRECHT __________________________________________________________________________

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die örtlichen Verhältnisse stützt und mit der Lebenserfahrung nicht im Widerspruch steht“

betrachtete. Damit wurde der Bereicherungszins deutlich tiefer angesetzt als die Zinssätze

im Verzug oder im Schadensfall.795 Nach der Ansicht von BUCHER sollte im Einzelfall aber

auch auf den vom Bereicherten gezahlten Passivzins als Maßstab für den Bereicherungszins

abgestellt werden können, falls jener während der Dauer der Bereicherung Bankkredite oder

Darlehen von Dritten in Anspruch genommen hat.796 In diesem Fall würde der Berechtigte

den gleichen Zinssatz wie die übrigen Gläubiger des Bereicherten erhalten, d.h. es würden

die gleichen Konditionen gelten zu denen sich der Bereicherte sonst hätte finanzieren

müssen.

B BÖSGLÄUBIGKEIT

Falls der Bereicherte nicht gutgläubig war, d.h. wenn er das Fehlen des Rechts-

grundes schon zum Zeitpunkt seiner Zahlung kannte oder dies unter Anwendung der nach

den Umständen gebotenen Sorgfalt hätte kennen müssen, greift nach Art. 64 OR eine

Haftungsverschärfung. Der Bereicherte haftet dann gemäß Art. 99 Abs. 1 OR für jegliches

Verschulden und damit auch für die Unterlassung der zinstragenden Anlage des ihm nicht

zustehenden Kapitals, welches dadurch im Zeitverlauf an Wert verliert. Daher hat der

bösgläubige Bereicherte jene Zinsen herauszugeben, die er mit dem Kapital theoretisch hätte

erzielen können, es aber faktisch unterlassen hat.797 Durch diese Bestimmung wird der

Berechtigte davor geschützt, aufgrund des bösen Glaubens des Bereicherten schlechter

gestellt zu werden als im Fall eines gutgläubigen Bereicherten. Zugleich wird das Verhalten

des bösgläubig Bereicherten dadurch zusätzlich sanktioniert.

IV. ZINSENLAUF

Die Verzinsungspflicht beginnt zum Zeitpunkt des Beginns der ungerechtfertigten

Bereicherung, d.h. dem Zeitpunkt der rechtsgrundlosen Zahlung bzw. der Zahlung deren

Rechtsgrund nachträglich dahin fällt. Die Verzinsungspflicht endet mit dem Termin, an dem

die Bereicherung zurückgefordert wird. Der Bereicherungszins läuft folglich bis zu jenem

Zeitpunkt, an dem der Berechtigte den fälligen Betrag mahnt oder bis zur Klageerhebung

gegen den Bereicherten. Danach beginnt der gesetzliche Verzugszins zu laufen, der den

Bereicherungszins ausschließt und verdrängt. Hingegen sollte ein hoher Bereicherungs-

zinssatz auch im Verzug weiter berechnet werden können, soweit er den Verzugszinssatz

übersteigt.798 Da der Bereicherungszins zudem kein akzessorisches Recht, sondern ein

795 BGE 84 II 179 E. 4. 796 BUCHER, OR AT, § 34 S. 692. 797 V. THUR/PETER, § 53 S. 511 f.; BUCHER, OR AT, § 34 S. 692 FN 149; SCHENKER (1987), N 398; SPAHR, ZWR 1990, S. 375. 798 SCHENKER (1987), N 399; SPAHR, ZWR 1990, S. 375.

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§ 8 DER ZINS IM BEREICHERUNGSRECHT __________________________________________________________________________

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Bestandteil der Bereicherungsforderung ist799, liegt m.E. kein Verstoß gegen das Zinses-

zinsverbot vor, wenn auch auf dem Bereicherungszins der Verzugszins berechnet wird.

Unter Berücksichtigung der wenigen Rechtsprechung und mangels einer detaillierten

Behandlung in der Lehre ist allerdings davon auszugehen, dass der Bereicherungszins wie

schon der Schadenszins800 nicht dem Verzugszins untersteht.801

V. VERJÄHRUNG

Die Verjährung des Bereicherungszinses folgt nicht den Verjährungsregeln für

Zinsforderungen, da es sich, wie gezeigt, nicht um eine akzessorische Forderung handelt,

sondern um einen Anspruch, der in der Hauptforderung aufgeht und als deren Bestandteil zu

betrachten ist.802 Folglich untersteht der in der Kondiktionsforderung enthaltene Zins nicht

Art. 128 Ziff. 1 OR, sondern es gelten die bereicherungsrechtlichen Verjährungsfristen des

Art. 67 Abs. 1 OR.803 Der Anspruch verjährt daher mit einer relativen Frist von einem Jahr

ab Kenntnis des Bereicherungsanspruchs durch den Berechtigten bzw. nach Ablauf der

absoluten Frist von zehn Jahren seit Entstehung des Anspruchs, d.h. ab Fälligkeit der

Bereicherungsforderung.804

VI. PROZESSUALES

Als Bestandteil der Bereicherungsforderung wird der Bereicherungszins auch

zusammen mit jener vor Gericht eingeklagt. Die Beweislast bezüglich der Tatsache, dass die

ursprüngliche Bereicherung zinstragend angelegt wurde liegt beim Berechtigten, ebenso wie

der Nachweis der erzielten Rendite.805 Steht hingegen die verzinste Anlage des Kapitals fest,

dann sollte von einer Anlage zu üblichen Zinssätzen ausgegangen werden, sofern eine hohe

Wahrscheinlichkeit dafür spricht.806 Der Nachweis des exakten Ertrags der Anlage kann

vom Berechtigten aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit dieser Informationen ohnehin

nicht erwartet werden. Unter Kaufleuten (m.E. besser im kaufmännischen Verkehr) sollte

nach WEBER die zinstragende Anlage von Geld vermutet werden können, so dass der

übliche Zinssatz ohne exakten Nachweis des Berechtigten angewendet werden könnte.807

Der Bereicherte hingegen hat jene Tatsachen zu beweisen, die auf eine verminderte oder

799 WEBER, BK, Art. 73 OR N 39 ff. 800 Siehe § 7 V. 801 BGE 84 II 179 E. 4. 802 Siehe § 3 E. 803 BERTI, BK, Art. 128 OR N 16. 804 HUWILER, BSK, Art. 67 OR N 3 ff.; BGE 119 II 20 E. 2b = Pra 1993 Nr. 188. 805 KELLER/SCHAUFELBERGER, Bd. III, S. 75; SPAHR, ZWR 1990, S. 375. 806 KELLER/SCHAUFELBERGER, Bd. III, S. 75. 807 WEBER, BK, Art. 73 OR N 59; SPAHR, ZWR 1990, S. 375.

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§ 8 DER ZINS IM BEREICHERUNGSRECHT __________________________________________________________________________

131

gänzlich weggefallene Bereicherung und eine entsprechend reduzierte oder ausgeschlossene

Pflicht zur Rückerstattung schließen lassen.808 In jedem Fall zählen die Bereicherungszinsen

mit bei der Berechnung des Streitwertes, da sie in der Hauptforderung aufgegangen und

nicht akzessorischer Natur sind.809

VII. ZUSAMMENFASSUNG

Der Bereicherungszins kommt bei der Rückforderung von Geld aus ungerechtfertigter

Bereicherung zur Anwendung. Gemäß dem Grundsatz, dass der Bereicherte die gesamte

Bereicherung zurückzuerstatten hat, muss er neben der ursprünglichen Bereicherung auch

jegliche vom ihm gezogenen Nutzungen zurückerstatten. Sein Zweck ist somit die Rückgabe

eines unrechtmäßig gezogenen Vorteils. Die Zinsforderung beinhaltet alle vom Bereicherten

tatsächlich gezogenen Zinsen und ist nicht pauschal auf einen starren Zinssatz festgelegt.

Der Nachweis des gezogenen Vorteils und dessen Höhe muss vom Gläubiger erbracht

werden, wobei m.E. in gewissen Fällen eine Rendite in Höhe eines üblichen Zinssatzes

vermutet werden sollte, wenn die zinstragende Anlage von Geldbeträgen üblich ist aber der

Gläubiger den konkreten Anlagezinssatz nicht nachweisen kann. Im kaufmännischen

Verkehr sollte daher bei Gutgläubigkeit subsidiär auf den allgemeinen gesetzlichen Zinssatz

abgestellt werden. Falls der Bereicherte nicht gutgläubig ist, hat er sogar jene Zinsen

herauszugeben die er theoretisch hätte erzielen können, es aber faktisch unterlassen hat.

Zumindest im kaufmännischen Verkehr sollte m.E. in diesem Fall eine Anlage zum

allgemeinen subsidiären Zinssatz vermutet werden.

Unklar ist bisher geblieben, ob der Bereicherungszins, wie schon der Schadenszins,

nicht dem Verzugszins untersteht. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung zum

Schadenszins ist dies zu vermuten, obwohl der Zins ein Bestandteil der Bereicherungs-

forderung ist.

808 SCHULIN, BSK, Art. 64 OR N 11; BGE 92 II 168 E. 6c. 809 BGE 118 II 363; BGE 67 II 37 S. 41; FRANK/STRÄULI/MESSMER, Art. 20 ZPO ZH N 1.

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§ 9 DER ZINS AUF VERWENDUNGSERSATZ __________________________________________________________________________

133

§ 9 DER ZINS AUF VERWENDUNGSERSATZ

I. ALLGEMEINES

Der Ersatz von Auslagen und Verwendungen ist ein integraler Bestandteil des

Geschäftsführungs- bzw. Geschäftsbesorgungsrechts. Namentlich finden sich entsprechende

Bestimmungen nicht nur im Auftragsrecht und im Recht der Geschäftsführung ohne

Auftrag, sondern auch in der Kommission und in der einfachen Gesellschaft. Spezielle

Regelungen betreffen zudem den Makler- und den Agenturvertrag. Da die Bestimmungen

zum einfachen Auftrag als grundlegendem Rechtsinstitut in Literatur und Rechtsprechung

die größte Bedeutung haben, orientieren sich die anschließenden Ausführungen an Art. 402

OR. Auf die Besonderheiten der einzelnen Verträge wird ergänzend eingegangen.

II. DER VERWENDUNGSERSATZ

A BEGRIFF

Auslagen und Verwendungen sind freiwillige Vermögensverluste die ein

Beauftragter aus der Erfüllung eines Auftrags erlitten hat.810 Dabei sind unter Auslagen

Geldaufwendungen zu verstehen, die regelmäßig in Kosten, Spesen oder Baraufwendungen

bestehen und die „der Beauftragte zum Zwecke der Auftragsausführung auf sich nimmt oder

die sich als notwendige Folge der Geschäftsführung ergeben“.811 Im Gegensatz dazu sind

Verwendungen der Verbrauch von Sachen im Allgemeinen, d.h. nicht monetärer Natur oder

die übermäßige Abnutzung einer eigenen Sache.812 Der Ersatz von Auslagen und

Verwendungen ist Wertersatz einer tatsächlichen Vermögensminderung und erfolgt

regelmäßig in Geld. Die Höhe des Ersatzes bestimmt sich nach dem Betrag der Auslage

bzw. dem Verkehrswert der Verwendung zur Zeit der Aufwendung. Auslagen in fremder

Währung sind zum Kurs am Verfallstermin in Schweizer Franken umzurechnen.813 Der

Verwendungsersatz ist zu unterscheiden vom Schadenersatz.814 Letzterer ersetzt gemäß

Bundesgericht keine freiwillige, sondern eine unfreiwillige Vermögenseinbuße, für die das

Gesetz einen Ersatzanspruch nur unter den speziellen Voraussetzungen des Art. 402 Abs. 2

OR vorsieht, mit der Möglichkeit des Exkulpationsbeweises für den Auftraggeber.815

810 BGE 59 II 245 E. 5; HONSELL, OR BT, § 23 S. 322. 811 FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 15. 812 FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 16 ff. 813 FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 48 f. 814 FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 56. 815 BGE 59 II 245 E. 5.

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§ 9 DER ZINS AUF VERWENDUNGSERSATZ __________________________________________________________________________

134

B ZWECK

Der Auftrag bezweckt die Wahrung fremder Interessen durch den Beauftragten.

Entsprechend ist der Beauftragte nicht verpflichtet, sein eigenes Vermögen zum Nutzen des

Auftraggebers einzusetzen oder Verbindlichkeiten gegenüber Dritten einzugehen. Seine

Tätigkeit erfolgt auf Rechnung des Auftraggebers, so dass ihm ein Anspruch auf Ersatz der

aus seinem Vermögen getätigten Auslagen und Verwendungen bzw. für eingegangene

Verbindlichkeiten zusteht. Der Ersatzanspruch soll verhindern, dass der Beauftrage bei der

Wahrung fremder Interessen einen Vermögensnachteil erleidet.816 Diese Regelung ist vor

dem Hintergrund der ursprünglichen Unentgeltlichkeit des Auftrags zu verstehen. Da der

Beauftragte kein Honorar erhielt sollte er nicht zusätzlich auf eigene Kosten tätig werden.817

Der Ersatzanspruch ist begrenzt auf jene Kosten, die in richtiger Ausführung eines Auftrags

entstanden sind. Das bedeutet zunächst, dass die Aufwendungen im Rahmen eines

konkreten Auftrags entstanden sein müssen, womit grundsätzlich keine allgemeinen Kosten,

wie z.B. die Kosten für die Einrichtung und Unterhaltung einer beruflichen Infrastruktur

ersatzfähig sind.818 Zudem müssen die Aufwendungen bei sorgfältiger Auftragsausübung

entstanden sein, d.h. der Beauftrage muss den Weisungen des Auftraggebers gefolgt sein

und nur objektiv notwendigen und zweckmäßigen Aufwand betrieben haben.819

C ENTSTEHUNG UND FÄLLIGKEIT

Der Ersatzanspruch des Beauftragten entsteht im Zeitpunkt der Aufwendung, d.h.

der Vornahme einer Zahlung bzw. der Verwendung einer eigenen Sache. Im gleichen

Zeitpunkt wird der entstandene Anspruch fällig, d.h. der Beauftragte kann den Ersatz

einfordern und der Auftraggeber hat die Ersatzforderung zu erfüllen.820 Diese Regelung ist

dispositiv, d.h. die Parteien können abweichende Vereinbarungen vorsehen und z.B.

Abzahlungs- oder Stundungsregeln festlegen. Auch ein Aufschub bis zum Vertragsende

oder eine periodische Abrechnung sind möglich, sofern die Parteien dies vereinbaren. Neben

einer expliziten Vereinbarung ist eine abweichende Ersatzregelung auch stillschweigend

möglich, falls sie nach den Umständen als von beiden Parteien selbstverständlich gewollt

erscheint oder nach dem Zweck des Geschäfts üblich ist.821

816 WEBER, BSK, Art. 402 OR N 3; FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 10. 817 FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 11 f. 818 WEBER, BSK, Art. 402 OR N 5; FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 26 ff. 819 WEBER, BSK, Art. 402 OR N 6. 820 WEBER, BSK, Art. 402 OR N 7; FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 52; a.A. BGE 94 II 263 E. 3a. 821 BGE 78 II 42 E. 4; BGer 4C.17/2003 E. 3.3.1 v. 28.01.2004; FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 53; WEBER, BSK,

Art. 402 OR N 16.

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§ 9 DER ZINS AUF VERWENDUNGSERSATZ __________________________________________________________________________

135

D PROZESSUALES

Der Beauftrage, der den Ersatz von Auslagen und Verwendungen verlangt, hat

deren Höhe und Notwendigkeit durch die Vorlage von entsprechenden Belegen wie

Rechnungen oder Quittungen darzulegen und, falls die Aufwendungen selbst, ihre Höhe

oder ihre Angemessenheit bestritten werden, diese auch zu beweisen.822 Sofern keine exakte

Abrechnung wegen fehlender Belege möglich ist, hat das Gericht nach FELLMANN die zu

ersetzenden Aufwendungen zu schätzen.823

E VERJÄHRUNG

Der Anspruch auf den Ersatz von Auslagen und Verwendungen untersteht der

ordentlichen zehnjährigen Verjährung nach Art. 127 OR. Die Verjährungsfrist beginnt

grundsätzlich mit der Fälligkeit des Anspruches, d.h. mit der Vornahme der Auslage bzw.

Verwendung durch den Beauftragten.824

III. DER VERWENDUNGSZINS

Aus dem Zweck des Anspruches auf Auslagen- und Verwendungsersatz ergibt sich

unmittelbar auch der Anspruch auf die Verzinsung des Ersatzes durch den Auftraggeber, da

dem Beauftragen andernfalls ein finanzieller Schaden durch den nicht vollständigen Ersatz

der Entbehrung der Ersatzsumme entstünde.825 Die Zinspflicht beginnt mit der Entstehung

des Anspruches, d.h. am Tag der Auslage oder Verwendung.826 Es handelt sich nicht um

einen Verzugszins, sondern um einen Verwendungszins, der ohne Mahnung durch den

Beauftragten entsteht.827 Sowohl Auslagen als auch Verwendungen sind auf der Grundlage

ihres Geldwertes zu verzinsen. Der maßgebliche Zinssatz ist nicht im Gesetz festgelegt,

sondern wird aus der allgemeinen subsidiären Zinsbestimmung hergeleitet und beträgt

vorbehaltlich einer anderen Vereinbarung 5% p.a.828 Sofern der Anspruchsberechtigte selbst

Geld zu einem höheren Zinssatz aufnehmen musste ist er berechtigt diesen auch vom

Auftraggeber zu fordern.829 Er ist jedoch für diesen weitergehenden Anspruch

beweispflichtig. Erst ab dem Zeitpunkt der Mitteilung der ausstehenden Beträge sowie einer

Mahnung durch den Beauftragen beginnt der Verzugszins zu laufen.830 Wie bereits beim

822 GMÜR, N 114, FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 50. 823 FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 50. 824 WEBER, BSK, Art. 402 OR N 19; FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 82. 825 v. THUR/PETER, § 17 S. 133. 826 WEBER, BK, Art, 73 OR N 94; V. THUR/PETER, § 17 S. 133. 827 WEBER, BSK, Art. 402 OR N 7; FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 51; GAUTSCHI, BK, Art. 402 OR N 14. 828 OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 402 OR N 7; FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 51. 829 OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 402 OR N 7; FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 51. 830 WEBER, BK, Art, 73 OR N 95; FELLMANN, BK, Art. 402 OR N 55.

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§ 9 DER ZINS AUF VERWENDUNGSERSATZ __________________________________________________________________________

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Schadenszins ist davon auszugehen, dass auf dem Verwendungszins keine Verzugszinsen

berechnet werden und keine Zinseszinsen gefordert werden können.

IV. DIE WEITEREN VERTRAGSVERHÄLTNISSE

A MAKLERVERTRAG

Der Makler hat nach Art. 413 Abs. 3 OR nur dann einen Anspruch auf Ersatz seiner

Aufwendungen, wenn eine entsprechende Parteivereinbarung besteht. Ist ein solcher Ersatz

geschuldet, so richtet sich das Vorgehen mangels spezieller Vorschriften und aufgrund des

Verweises von Art. 412 Abs. 2 OR nach den analog heranzuziehenden Regeln des einfachen

Auftrags. Anzumerken bleibt, dass eine vereinbarte Ersatzleistung den Auftraggeber

unabhängig vom tatsächlichen Abschluss des vermittelten Geschäfts verpflichtet.831

B AGENTURVERTRAG

Das Recht des Agenturvertrags enthält in Art. 418n Abs. 1 OR eine eigene Regelung

zu den Kosten und Auslagen des Agenten. Diese hat der Agent selbst zu tragen, sofern es

sich um Aufwendungen für den regelmäßigen Geschäftsbetrieb handelt und keine anders-

lautende Vereinbarung oder Übung besteht.832 Nur außerordentliche Kosten und Auslagen

kann der Agent vom Auftraggeber zur Erstattung fordern, wenn sie durch die Ausführung

besonderer Weisungen des Auftraggebers entstanden sind.833 Das Gesetz erwähnt nur

Frachten und Zölle, aber auch andere Kosten wie z.B. für speziell angeforderte Markt-

analysen oder spezielle Reisekosten auf Anordnung des Auftraggebers sind ersatzfähig, da

die Aufzählung nicht-abschließend ist. Die Erstattung richtet sich nach den Regeln des

einfachen Auftrags oder bei gegebenen Voraussetzungen nach den Regeln der Geschäfts-

führung ohne Auftrag.834 Der Agent ist für die geforderten Ersatzbeträge beweispflichtig.835

C KOMMISSION

Gemäß Art. 431 Abs. 1 OR ist der Kommissionär berechtigt „für alle im Interesse

des Kommittenten gemachten Vorschüsse, Auslagen und andere Verwendungen Ersatz zu

fordern und von diesen Beträgen Zinse zu berechnen“. Der Ersatzanspruch ist unabhängig

von der tatsächlichen Ausführung des betroffenen Geschäfts mit dem Dritten.836 Allerdings

müssen, wie bereits im Fall von Art. 402 OR, die Auslagen in der richtigen Ausführung des

831 WEBER (1990), S. 147. 832 BGE 104 II 108 E. 3b; WEBER (1990), S. 157. 833 HONSELL, OR BT, § 26 S. 357. 834 WETTENSCHWILER, BSK, Art. 418n OR N 1 f. 835 GAUTSCHI, BK, Art. 418n OR N 2e. 836 WEBER (1990), S. 169; BGE 59 II 245 E. 5.

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§ 9 DER ZINS AUF VERWENDUNGSERSATZ __________________________________________________________________________

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Auftrages getätigt worden sein, was das Gesetz durch die Wendung im Interesse des

Kommittenten zum Ausdruck bringt. Entsprechend kann der Kommissionär wiederum keine

allgemeinen Kosten und Betriebsaufwendungen vom Kommittenten ersetzt verlangen.837

D GESCHÄFTSFÜHRUNG OHNE AUFTRAG

Die Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) ist ein vertragsähnliches gesetzliches

Schuldverhältnis und beinhaltet die Führung der Geschäfte eines anderen, ohne dass der

Geschäftsführer vom Geschäftsherrn dazu beauftragt worden wäre bzw. ohne dass eine

vertragliche oder andere rechtserhebliche Veranlassung dazu bestehen würde.838 Es handelt

sich um eine Form der uneigennützigen Hilfeleistung im Interesse eines Dritten, deren

Vornahme dadurch gefördert werden soll, dass dem Geschäftsführer bei Vorliegen aller

Voraussetzungen Ersatzansprüche zugebilligt werden, um zu verhindern dass ihm

wirtschaftliche Nachteile durch sein Handeln entstehen.839 Vorausgesetzt für eine

Geschäftsführung ohne Auftrag ist zunächst das Vorliegen eines objektiv fremden Geschäfts

sowie der regelmäßig zu vermutenden Wille des Geschäftsführers zur Fremdgeschäfts-

führung. Zudem muss die Geschäftsführung „objektiv im Interesse des Geschäftsherrn

liegen und seinem mutmaßlichen Willen entsprechen“840. Nach Art. 422 Abs. 1 OR hat der

Geschäftsherr dem Geschäftsführer einerseits jegliche Verwendungen zu erstatten, die

notwendig oder nützlich und nach den Verhältnissen angemessen waren, und ihn

andererseits von eingegangenen Verbindlichkeiten zu befreien.841 Der Ersatzanspruch

besteht aber nur soweit wie die getätigten Aufwendungen dem objektiven Maßstab

entsprechen „welchen Aufwand der Geschäftsführer nach den Umständen im Hinblick auf

den angestrebten Erfolg und den mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn in guten Treuen

als notwendig oder nützlich-angemessen erwarten durfte“842. Obwohl das Gesetz im

Gegensatz zu Art. 402 OR nur den Begriff der Verwendungen erwähnt, fallen darunter nach

herrschender Ansicht auch Auslagen, d.h. Geldleistungen.843 Tritt der angestrebte Erfolg

nicht ein, dann ist der Ersatz dennoch zu leisten, sofern der Geschäftsführer mit der

gehörigen Sorgfalt gehandelt hat.844 Der Geschäftsherr trägt folglich das Risiko einer richtig

übernommenen und ausgeführten, aber erfolglosen Geschäftsführung.845

837 VON PLANTA/LENZ, BSK, Art. 431 OR N 1; HOFSTETTER, SPR VII/6, S. 206 f. 838 WEBER, BSK, Vor Art. 419-424 OR N 1; HONSELL, OR BT, § 24 S. 329. 839 HONSELL, OR BT, § 24 S. 330. 840 HONSELL, OR BT, § 24 S. 331. 841 SCHMID, ZK, Art. 422 OR N 43. 842 SCHMID, ZK, Art. 422 OR N 44. 843 GAUTSCHI, BK, Art. 422 OR N 6a; WEBER, BSK, Art. 422 OR N 5 f.; SCHMID, ZK, Art. 422 OR N 42. 844 OSER/SCHÖNENBERGER, Art. 422 OR N 4. 845 HOFSTETTER, SPR, S. 264 f.

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§ 9 DER ZINS AUF VERWENDUNGSERSATZ __________________________________________________________________________

138

Der Verwendungsersatz ist als Geldersatz zu leisten, wobei der Wert zum Zeitpunkt

der Aufwendung bzw. eine marktübliche Entschädigung anzusetzen ist.846 Zum

Verwendungsersatz gehören nach der gesetzlichen Anordnung von Art. 422 Abs. 1 OR die

Zinsen vom Tag der Aufwendung an, damit der Geschäftsführer den gesamten

Vermögensnachteil seines uneigennützigen Handelns ersetzt erhält.847 Der Zinssatz beträgt

5% p.a., hergeleitet aus Art. 73 Abs. 1 OR.848 Allerdings muss auch in der GoA ein

gutgläubiger Geschäftsführer einen höheren Zinssatz als 5% p.a. ersetzt verlangen können,

wenn er sich für die Intervention zu diesem Zinssatz nachweislich selbst finanzielle Mittel

beschaffen musste.849

E EINFACHE GESELLSCHAFT

1. ANSPRUCHSVORAUSSETZUNGEN

Nach Art. 537 Abs. 1 OR hat jeder Gesellschafter einer einfachen Gesellschaft

einen Anspruch auf Ersatz von Auslagen und Verwendungen, wenn er diese „in den

Angelegenheiten Gesellschaft“ gemacht hat und sie nach den Umständen für erforderlich

halten durfte.850 Der Gesellschafter hat zudem nur dann einen Ersatzanspruch, wenn sich

sein Handeln im Rahmen seiner gesetzlichen oder vertraglichen Befugnisse bewegte und zur

Förderung des gemeinsamen Zwecks beitrug.851 Dabei gilt ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab,

wonach als erforderlich angesehen wird, was der handelnde Gesellschafter „bei pflicht-

gemäßer, sorgfältiger und vernünftiger Überlegung unter Berücksichtigung der ihm

bekannten Umstände, insbesondere des gemeinsamen Zwecks und der Vermögens-

verhältnisse der Gesellschaft in dem Zeitpunkt, in dem der Entscheid über die Auslage oder

die Verwendung zu treffen war, für erforderlich halten durfte“852. Hingegen ist der

Ersatzanspruch nicht abhängig vom tatsächlichen Erfolg der getätigten Aufwendungen.853

2. QUALIFIKATION DES ERSATZANSPRUCHES

Der Ersatzanspruch des Gesellschafters ist eine Gesellschaftsschuld und richtet

sich gegen die Gesamtheit der Gesellschafter, d.h. wenn das Gesellschaftsvermögen nicht

846 SCHMID, ZK, Art. 422 OR N 45; HOFSTETTER, SPR VII/6, S. 265. 847 WEBER, BSK, Art. 422 OR N 5; GAUTSCHI, BK, Art. 422 OR N 8a; SCHMID, ZK, Art. 422 OR N 46; SUTER, S. 99. 848 SCHMID, ZK, Art. 422 OR N 46; WEBER, BSK, Art. 422 OR N 5; BUCHER, OR BT, S. 260; GAUTSCHI, BK, Art.

422 OR N 8b (Beide analog zu OR 104 OR); AEBY, S. 93; BERMANN, S. 102; SUTER, S. 99; HAFNER, S. 273 f. (zu

Art. 472 aOR i.V.m. Art. 83 aOR). 849 GAUTSCHI, BK, Art. 422 OR N8b. 850 FELLMANN/MÜLLER, BK, Art. 537 OR N 25 ff. 851 FELLMANN/MÜLLER, BK, Art. 537 OR N 27 f. 852 FELLMANN/MÜLLER, BK, Art. 537 OR N 30. 853 FELLMANN/MÜLLER, BK, Art. 537 OR N 31; BAUMBACH/ HOPT, HGB, § 110 HGB N 9.

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§ 9 DER ZINS AUF VERWENDUNGSERSATZ __________________________________________________________________________

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ausreicht, haften die Gesellschafter persönlich nach Maßgabe des Innenverhältnisses.854 Der

Anspruch zielt auf Wertersatz in Geld, unabhängig davon, ob eine Barauslage oder eine

Verwendung vorliegt.855 Für Zahlungen in Fremdwährung kann die Umrechnung zum

Wechselkurs im Zeitpunkt des Verfalls nach Art. 84 Abs. 2 OR vorgenommen werden.856

3. ZINS

Gemäß Art. 537 Abs. 2 OR sind jegliche Vorschüsse der Gesellschafter, die keine

Einlagen sind, vom Tag der Zahlung an zu verzinsen. Dabei gilt vorbehaltlich abweichender

Vereinbarungen ein Zinssatz von 5% p.a. gemäß Art. 73 Abs. 1 OR.857 Entgegen dem

scheinbar klaren Wortlaut der Bestimmung gilt der Anspruch nicht nur für Vorschüsse, d.h.

Auslagen, sondern auch für den Wert von Verwendungen, d.h. für jegliche Vermögens-

minderungen, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass dem Gesellschafter neben

dem Kapital auch ein Nutzen entgangen ist.858 Wiederum ist der Zins kein Verzugszins,

sondern ein Teil der Ersatzforderung.859

4. FÄLLIGKEIT DER ERSATZFORDERUNG

Umstritten ist der Zeitpunkt der Fälligkeit der Ersatzforderung. In der Lehre wird

teilweise davon ausgegangen, dass vorbehaltlich einer Vereinbarung die Ersatzforderung

erst im Zeitpunkt der Liquidation fällig werde.860 Es werden aber auch Argumente für eine

vorzeitige Fälligkeit vorgebracht, wenn zwar kein expliziter Parteiwille vorliege, aber

aufgrund der Gesellschaftsverhältnisse von einer vorzeitigen Fälligkeit ausgegangen werden

kann, wie z.B. das Bestehen einer Gesellschaftskasse, die unzumutbar lange Dauer der

Gesellschaft bis zur Liquidation oder die große Anzahl und hohen Beträge der

Außenstände.861 In solchen Fällen soll es nach einer Lehrmeinung möglich sein, die

Ersatzleistung vor dem Zeitpunkt der Liquidation einzufordern. Insbesondere

FELLMANN/MÜLLER vertreten die Position, dass der Ersatzanspruch im Zeitpunkt der

Aufwendung entstehe und jederzeit geltend gemacht werden könnte, da kein Gesellschafter

854 HANDSCHIN, BSK, Art. 537 OR N 4; FELLMANN/MÜLLER, BK, Art. 537 OR N 43. 855 FELLMANN/MÜLLER, BK, Art. 537 OR N 41. 856 FELLMANN/MÜLLER, BK, Art. 537 OR N 34 ff. 857 HANDSCHIN, BSK, Art. 537 OR N 6; FELLMANN/MÜLLER, BK, Art. 537 OR N 38; SIEGWART, ZK, Art. 537 OR N 9;

BECKER, BK, Art. 537 OR N 7 (Allerdings unter Analogie auf Art. 104 OR). 858 SIEGWART, ZK, Art. 537 OR N 9; FELLMANN/MÜLLER, BK, Art. 537 OR N 37. 859 FELLMANN/MÜLLER, BK, Art. 537 OR N 37. 860 HANDSCHIN, BSK, Art. 537 OR N 5; a.A. FELLMANN/MÜLLER, BK, Art. 537 OR N 45. 861 SIEGWART, ZK, Art. 537 OR N 17 ff.; HANDSCHIN, BSK, Art. 537 OR N 6.

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§ 9 DER ZINS AUF VERWENDUNGSERSATZ __________________________________________________________________________

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dazu gezwungen werden könne einer Gesellschaft Kredit zu gewähren.862 Das

Bundesgericht hat diese Thematik wiederholt offen gelassen.863

V. ZUSAMMENFASSUNG

Der Auslagen- und Verwendungsersatz als Wertersatz für eine tatsächliche

Vermögensminderung bezweckt, dass der Beauftrage bei der vertragsgemäßen Wahrung

fremder Interessen keinen Vermögensnachteil erleidet. Dabei muss es sich um Kosten

handeln, die in richtiger Ausführung der Geschäfte entstanden sind. Zum vollständigen

Ersatz der Auslagen und Verwendungen gehört auch der Zins ab dem Tag der Entstehung

des Anspruches bis zu dessen Erfüllung, damit dem Beauftragen aus der zwischenzeitlichen

Entbehrung kein finanzieller Nachteil entsteht. Es handelt sich nicht um Verzugszins,

sondern um einen Verwendungszins für dessen Entstehung keine Mahnung notwendig ist.

Der Zinssatz ist nicht im Gesetz bestimmt, sondern beträgt 5% p.a. gemäß Art. 73 Abs. 1

OR, vorbehaltlich einer anderslautenden Vereinbarung. Für den Ersatz eines allfälligen

höheren Zinssatzes ist der Beauftragte beweispflichtig.

862 FELLMANN/MÜLLER, BK, Art. 537 OR N 45. 863 BGE 116 II 316 E. 2c; BGE 125 III 257 E. 2b; BGE 127 III 46 E. 3e.

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§ 10 DER ZINS IM KAUFRECHT __________________________________________________________________________

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§ 10 DER ZINS IM KAUFRECHT

I. ALLGEMEINES

Das Kaufrecht im OR beinhaltet drei vertragsspezifische Zinsbestimmungen. Diese

finden sich einerseits im Zusammenhang mit der gewährleistungsrechtlichen Pflicht zur

Rückerstattung des Kaufpreises, sowohl in der Rechts- als auch der Sachgewährleistung,

sowie andererseits im Rahmen des Verzugs des Käufers mit der Zahlung des Kaufpreises.

Im Folgenden sollen die wesentlichen Eigenschaften der entsprechenden Artikel betrachtet

werden. Vorausgesetzt wird dabei, dass jeweils ein Tatbestand der Rechts- oder

Sachgewährleistung bzw. des Zahlungsverzugs gegeben ist. Auf die Voraussetzungen der

Entstehung eines kaufrechtlichen Vertragsverhältnisses oder der Pflicht zur Rückabwicklung

kann vorliegend nicht eingegangen werden.

II. DER ZINS IN DER RÜCKERSTATTUNG DES KAUFPREISES

A DER RÜCKERSTATTUNGSANSPRUCH

Ein Mangel im Sinne der Rechtsgewährleistung liegt vor, „wenn der Kaufgegenstand

durch Rechte eines Dritten belastet ist, welche die Rechtsstellung des Käufers beeinträchtigen

und die bereits zur Zeit des Vertragsabschlusses bestanden“864. Art. 195 Abs. 1 OR bestimmt

für den Fall der vollständigen Entwehrung, d.h. wenn der Käufer den Kaufgegenstand

aufgrund eines Rechtsmangels an den berechtigten Dritten herausgeben muss, die Aufhebung

des Vertrags zwischen Käufer und Verkäufer. Der Käufer ist dann berechtigt, den Kaufpreis

samt Zinsen, allerdings unter Abzug der gezogenen und unterlassenen Nutzungen (Ziff. 1)

sowie zuzüglich der gemachten Verwendungen (Ziff. 2), der Prozesskosten (Ziff. 3) und dem

unmittelbaren Schaden (Ziff. 4) vom Verkäufer ersetzt zu verlangen. Der Anspruch ist kausaler

Natur und besteht unabhängig von einem Verschulden des Verkäufers.865 Zudem steht dem

Käufer nach Art. 195 Abs. 2 OR ein Anspruch auf den Ersatz weiteren mittelbar verursachten

Schadens zu, vorbehaltlich der Exkulpation des Verkäufers; es handelt sich folglich um eine

Verschuldens- und keine Kausalhaftung.866

Im Gegensatz dazu liegt ein Fall der Sachgewährleistung vor, wenn der Kaufgegen-

stand an einem Sachmangel, d.h. einem „Fehler“ oder dem „Fehlen einer zugesicherten

Eigenschaft“ leidet. Abstrakt ausgedrückt liegt eine „ungünstige Abweichung der Ist-

864 HONSELL, BSK, Vor Art. 192-210 OR N 5. 865 HONSELL, BSK, Vor Art. 192-210 OR N 1. 866 SCHÖNLE, ZK, Art. 195 OR N 87-89a.

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§ 10 DER ZINS IM KAUFRECHT __________________________________________________________________________

142

Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit“ vor.867 Im Gegensatz zur Rechtsgewährleistung

tritt bei der Sachgewährleistung die Rechtsfolge der Vertragsauflösung nicht ipso iure ein,

sondern nur wenn der Käufer nach Art. 205 Abs. 1 OR die Wandelung des Kaufvertrags

verlangt. Diese wird nach Art. 208 OR durchgeführt und bezweckt nicht nur die

gegenseitige Rückerstattung der erbrachten Leistungen Zug um Zug, sondern erfolgt gemäß

dem Prinzip der restitutio in integrum.868 Der Käufer kann gemäß Art. 208 Abs. 2 OR den

Kaufpreis samt Zinsen heraus verlangen und zudem die weiteren o.g. verschuldens-

unabhängigen Ersatzleistungen fordern. Außerdem besteht ein Anspruch auf Ersatz weiteren

Schadens, der aber vom Verschulden869 des Verkäufers abhängt. Der Käufer hingegen hat

die Kaufsache zurückzugeben und die tatsächlich gezogenen Nutzungen zu erstatten (Abs.

1). Die beiden Tatbestände in Art. 192 ff. OR bzw. Art. 197 ff. OR unterscheiden sich

teilweise weitgehend bzgl. der Voraussetzungen und der Rechtsfolgen des Gewährleistungs-

anspruchs.870 Hingegen ist die Regelung der Verzinsung der Rückabwicklungsansprüche

sehr ähnlich, so dass sich eine gemeinsame Behandlung anbietet.

B DER ZINS

Der maßgebliche Zinssatz für die Verzinsung des zurückzuerstattenden Kaufpreises

bemisst sich nach der allgemeinen Bestimmung von Art. 73 Abs. 1 OR. Vorbehaltlich einer

abweichenden Vereinbarung oder Übung liegt der anwendbare Zinssatz damit bei 5% p.a.871

Der Zins beginnt am Tag der tatsächlichen Übergabe des Kaufpreises zu laufen. Er ist

verschuldensunabhängig geschuldet und auch dann wenn der Verkäufer nicht mehr

bereichert ist oder wenn weder der Verkäufer einen Zinsgewinn noch der Käufer einen

Zinsverlust erlitten hat.872 Seinem Zweck entsprechend ist er bis zur tatsächlichen Rück-

erstattung des Kaufpreises samt zusätzlichen Ersatzpositionen geschuldet. Verweigert der

Verkäufer die Rückerstattung, läuft der Zins bis zur Inverzugsetzung durch den Käufer; ab

diesem Zeitpunkt beginnt der Verzugszins zu laufen. Aufgrund der Beschränkung von

Zinseszinsen ist die verzugszinsberechtigte Forderung wohl unter Abzug der zuvor

aufgelaufenen Zinsen zu berechnen.873 Der Verzugszins ist für den Berechtigten allerdings

nur dann interessant, wenn er einen höheren Zinssatz aufgrund von Art. 104 Abs. 3 OR im

kaufmännischen Verkehr fordern kann.

867 HONSELL, BSK, Art. 197 OR N 2. 868 HONSELL, BSK, Art. 208 OR N 1. 869 GIGER, BK, Art. 208 OR N 44. 870 GIGER, BK, Art. 192 OR N 18. 871 SCHÖNLE, ZK, Art. 195 OR N 42. 872 GIGER, BK, Art. 195 OR N 9, Art. 208 OR N 25; V. THUR/SIEGWART, S. 415; SCHÖNLE, ZK, Art. 195 OR N 42. 873 SCHÖNLE, ZK, Art. 195 OR N 45 f.

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§ 10 DER ZINS IM KAUFRECHT __________________________________________________________________________

143

C ERSATZ FÜR GEZOGENE NUTZUNGEN SAMT ZINS

Gemäß dem Prinzip der vollständigen Rückerstattung hat der Käufer in beiden

Fällen der gewährleistungsrechtlichen Rückerstattung des Kaufpreises dem Verkäufer

gezogene Nutzungen, d.h. natürliche und zivile Früchte sowie sonstige Erträgnisse zu

ersetzen.874 Dies gilt nach Art. 195 OR für gezogene und versäumte Nutzungen, während

Art. 208 OR ausschließlich auf tatsächlich gezogene Nutzungen beschränkt ist.875 Auch

diese Ansprüche sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Sachgewährleistung

(Art. 208 OR) zu verzinsen, obwohl das Gesetz die Verzinsung in beiden Bestimmungen

nicht erwähnt. Das Bundesgericht stellt aber fest, dass aus dem Fehlen der Verzinsungs-

pflicht nicht abgeleitet werden könne, dass diese ausgeschlossen sei. Vielmehr erfordere

„die Billigkeit den Zuspruch eines solchen Zinses, sobald die Abrechnung über die

Wandelung erst nach Benützung der Sache und Entstehung eines Nutzens“ erfolge. Zudem

erscheine „vom Begriff des Nutzens her (…) die Berücksichtigung eines Zinses geradezu als

selbstverständlich“.876 Zur Höhe des Zinssatzes äußert sich das Bundesgericht in dem kurzen

veröffentlichten Abschnitt nicht. Die Vorinstanz hatte 6% p.a. zugesprochen, während ein

im Entscheid nicht näher genannter Experte 5% p.a. für angemessen erachtete. Regelmäßig

wird wohl der gleiche Zinssatz für die Ansprüche von Käufer und Verkäufer zur

Anwendung kommen, sofern nicht besondere Umstände für einen einseitig höheren

Anspruch sprechen. Subsidiär liegt der Zinssatz gemäß Art. 73 Abs. 1 OR bei 5% p.a. Der

für die Verzinsung maßgebliche Betrag ist der kapitalisierte Wert der gezogenen Nutzungen

bzw. Früchte. Dieser ist ab dem Zeitpunkt seiner Entstehung zu verzinsen und gesamthaft

von der verzinsten Rückerstattungsforderung abzuziehen.877

D VERJÄHRUNG

Der Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises ist ein vertraglicher Anspruch

und keiner aus ungerechtfertigter Bereicherung. Die Verjährung des Anspruchs aus

Rechtsgewährleistung richtet sich daher nach Art. 127 OR. Umstritten ist allerdings ob die

zehnjährige Frist ab Vertragsabschluss, ab der ursprünglichen Übergabe des Kaufpreises

oder mit dem Eintritt des Eviktionsfalles zu laufen beginnt. 878 In jedem Fall sollte die Frist

m.E. auch für die Zinsen auf dem Kaufpreis gelten, da diese ein Bestandteil der

Rückerstattungsforderung sind und in dieser aufgehen. Für den Anspruch aus

Sachgewährleistung hingegen gilt die kürzere einjährige Verjährungsfrist des Art. 210

874 SCHÖNLE, ZK, Art. 195 OR N 49 f. 875 GIGER, BK. Art. 208 OR N 20. 876 BGE 106 II 221 E. 1c. 877 SCHÖNLE, ZK, Art. 195 OR N 55-57a. 878 HONSELL, BSK, Art. 192 OR N 11; HRUBESCH-MILLAUER, CHK, Art. 192 OR N 5; GIGER, BK, Art. 192 OR N 83.

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§ 10 DER ZINS IM KAUFRECHT __________________________________________________________________________

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Abs. 1 OR (5 Jahre für Grundstücke; Art. 219 Abs. 3 OR), die bereits ab Übergabe des

Kaufgegenstandes und nicht ab Entdeckung des Mangels zu laufen beginnt.879 Im Übrigen

gelten die allgemeinen Bestimmungen des Verjährungsrechts.880

III. DER ZINS IM VERZUG DES KÄUFERS

Art. 213 OR regelt die Fälligkeit und Verzinsung des Kaufpreises in Abweichung

bzw. Ergänzung zu den Bestimmungen des Allgemeinen Teils. Der erste Absatz der

genannten Norm verschiebt die Fälligkeit der Kaufpreisforderung im Vergleich zu Art. 75

OR und bestimmt, dass die Fälligkeit nicht im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eintritt,

sondern erst im Zeitpunkt der Übergabe der Kaufsache.881 Daraus ergibt sich hingegen keine

Vorleistungspflicht des Verkäufers, da auch ein gehöriges Angebot der Leistung die

Fälligkeit bewirkt, selbst wenn der Käufer die Annahme verweigert. Hingegen wird auch der

Käufer durch den Annahmeverzug nicht vorleistungspflichtig, sondern er kann die Zahlung

des Kaufpreises nach Maßgabe von Art. 82 OR bzw. Art. 184 Abs. 2 OR zurückhalten, da es

sich weiterhin um eine Austauschschuld handelt.882 Verweigert der Käufer die Annahme, so

kann der Verkäufer, der auf Erfüllung beharrt, nach den Bestimmungen über den Gläubiger-

verzug (Art. 91 ff OR) vorgehen und den Kaufgegenstand hinterlegen; erst damit tritt

vorbehaltlos die Fälligkeit der Kaufpreisforderung ein.883 Ist die Kaufpreisforderung fällig,

so gelten die verzugsrechtlichen Bestimmungen nach Art. 102 ff. OR. Allerdings erweitert

Art. 213 Abs. 2 OR jene Tatbestände, in denen auf eine Mahnung für die Verzinslichkeit des

Kaufpreises verzichtet werden kann. Neben dem Ablauf eines Verfalltags tritt diese

Rechtsfolge auch ein, wenn die Übung es mit sich bringt oder wenn der Käufer den Nutzen

aus der Kaufsache ziehen konnte. Es reicht aus, wenn der Käufer aufgrund des

Kaufvertrages die tatsächliche Möglichkeit hatte, Nutzen aus dem Kaufgegenstand zu

ziehen; ein tatsächlicher Bezug ist nicht notwendig.884 Dies setzt die Übergabe des

Kaufgegenstands voraus, wobei nach BECKER das Angebot der Übergabe ausreichen soll,

wenn die Übergabe durch Annahmeverzug vereitelt wurde.885 Die Verzinsung richtet sich

mangels einer speziellen Regelung nach Art. 104 OR und beträgt 5% p.a.,886 wobei m.E. bei

Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen auch Art. 104 Abs. 3 OR anwendbar sein

sollte.

879 HONSELL, BSK, Art. 210 OR N 4. 880 GIGER, BK, Art. 210 OR N 15. 881 KOLLER, BSK, Art. 213 OR N 1. 882 KOLLER, BSK, Art. 213 OR N 1; V. THUR/ESCHER, S. 49 f. FN 47; CAVIN, SPR VII/1, S. 18; BGE 79 II 280 E. 2. 883 CAVIN, SPR VII/1, S. 18. 884 GIGER, BK, Art. 213 OR N 7-9, 12; KOLLER, BSK, Art. 213 OR N 4. 885 BECKER, BK, Art. 213 OR N 3. 886 OSER/SCHÖNENBERGER, ZK, Art. 213 OR N 2; KOLLER, BSK, Art. 213 OR N 2.

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§ 10 DER ZINS IM KAUFRECHT __________________________________________________________________________

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IV. ZUSAMMENFASSUNG

In der kaufrechtlichen Rechts- und Sachgewährleistung ist die Rückerstattung des

Kaufpreises verschuldensunabhängig zu verzinsen. Der anwendbare Zinssatz beträgt gemäß

Art. 73 Abs. 1 OR 5% p.a., vorbehaltlich einer anderen Vereinbarung oder Übung. Ab dem

Zeitpunkt der Inverzugsetzung wird der Zins durch den Verzugszins ersetzt. Aufgelaufene

Zinsen unterstehen aufgrund des Zinseszinsverbots nicht dem Verzugszins. Der gleiche

subsidiäre Zinssatz gilt auch für die Verzinsung der zu erstattenden Nutzungen. Ebenfalls

mit grundsätzlich 5% p.a. zu verzinsen ist der Kaufpreis im Verzug des Käufers. Dieser

Zinssatz richtet sich allerdings nicht nach Art. 73 Abs. 1 OR, sondern nach den

Bestimmungen über den Verzug (Art. 104 OR). Daher sollte dem Gläubiger auch der

Nachweis eines allfälligen höheren Zinssatzes nach Art. 104 Abs. 3 OR offenstehen.

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§ 11 DER ZINS IN DER AUFTRAGSRECHTLICHEN HERAUSGABEPFLICHT __________________________________________________________________________

147

§ 11 DER ZINS IN DER AUFTRAGSRECHTLICHEN HERAUSGABEPFLICHT

I. DER AUFTRAG

Gemäß Art. 394 Abs. 1 OR verpflichtet sich der Beauftragte durch einen Auftrag „die

ihm übertragenen Geschäfte oder Dienste vertragsgemäß zu besorgen“, es handelt sich um

einen Vertrag zum Zweck „der Geschäftsführung im fremden Interesse, d.h. die

treuhänderische Tätigkeit für einen Anderen“887. Es geht um die „Besorgung menschlicher

Dienste irgendwelcher Art“, sofern nicht ein anderer Vertragstyp anwendbar ist. Der

Beauftragte verpflichtet sich in jedem Fall zu einem positiven Tun, d.h. einer Tat- oder

Rechtshandlung, hingegen nicht nur zu einem bloßen Dulden, Gewähren oder Unterlassen;

diese können höchstens vertragliche Nebenpflichten sein.888 Der Inhalt der vereinbarten

Arbeitsleistungen kann verschiedener Art sein, aber sie müssen „in jedem Fall die Geschäfte

des Auftraggebers betreffen, d.h. die Wahrung fremder Interessen zum Ziel haben“889. Der

Beauftragte muss die ihm übertragenen Geschäfte im Hinblick auf ein bestimmtes Resultat hin

ausführen, hingegen ist die erfolgreiche Ausführung keine Pflicht des Beauftragten, sofern

dieser alles ihm Mögliche zur Erreichung des Zwecks tut.890 Nach Art. 398 OR gilt der gleiche

Sorgfaltsmaßstab wie im Arbeitsrecht, d.h. „er richtet sich (…) nach den Fähigkeiten, Fach-

kenntnissen und Eigenschaften des Beauftragten, die der Auftraggeber gekannt hat oder hätte

kennen müssen“.891 Dies ist ein „abstrakter Sorgfaltsmaßstab (…) objektiviert betrachtet im

Lichte des berufsspezifischen Durchschnittsverhaltens“892. Der Beauftragte haftet nur für

getreue und sorgfältige Ausführung des ihm übertragenen Geschäftes, aber nicht den Erfolg.893

II. PFLICHTEN DES BEAUFTRAGTEN

Da der einfache Auftrag der Wahrung der Interessen des Auftraggebers dienen soll,

treffen den Beauftragten verschiedene Pflichten gegenüber dem Auftraggeber. Dies ist

zunächst die Pflicht zur Ausführung des übernommenen Auftrags, verbunden mit der

Haftung für sorgfältige und getreue Ausführung (Art. 398 Abs. 2 OR). Daneben hat er i.d.R.

eine Verpflichtung zur persönlichen Ausführung, es sei denn, dass eine der gesetzlichen

Ausnahmen greift (Art. 398 Abs. 3 OR). Zudem hat der Beauftragte gemäß Art. 397 OR den

Weisungen des Auftraggebers zu folgen und ihn treffen umfassende Treuepflichten. Letztere

887 WEBER, BSK, Vor Art. 394-406 OR N 2. 888 FELLMANN, BK, Art. 394 OR N 24 f.; WEBER, BSK, Art. 394 OR N 6. 889 BGE 122 III 361 E. 3b. 890 WEBER, BSK, Art. 394 OR N 2. 891 BGE 127 III 357 E. 1c. 892 WEBER, BSK, Art. 398 OR N 27. 893 WEBER, BSK, Art. 398 OR N 27.

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§ 11 DER ZINS IN DER AUFTRAGSRECHTLICHEN HERAUSGABEPFLICHT __________________________________________________________________________

148

sind deshalb von besonderer Bedeutung, weil der Beauftragte nicht nur die Interessen des

Auftraggebers wahren muss, sondern sie auch anderen Interessen vorzuziehen und

Kollisionen von Interessen zu vermeiden hat.894 Unter den Oberbegriff der Treuepflicht

fallen die Diskretions- und Geheimhaltungspflicht, das Verbot von Insichgeschäften sowie

die Rechenschaftspflicht und die Ablieferungsobligation. Die beiden letztgenannten sollen

nachfolgend genauer betrachtet werden.

A RECHENSCHAFTSPFLICHT UND ABLIEFERUNGSOBLIGATION

Art. 400 Abs. 1 OR statuiert eine umfassende Pflicht des Beauftragten auf

Verlangen des Auftraggebers, diesem „jederzeit über seine Geschäftsführung Rechenschaft

abzulegen und alles, was ihm infolge derselben aus irgendeinem Grunde zugekommen ist,

zu erstatten“. Zudem bestimmt Abs. 2 eine Verzinsungspflicht des Beauftragten für Gelder

mit deren Erstattung er sich im Rückstand befindet.

1. RECHENSCHAFTSPFLICHT

Die Rechenschaftspflicht als Nebenpflicht des Auftrags besteht aus der

Benachrichtigungs-, der Auskunfts- und der Abrechnungspflicht, wobei sich die Pflichten

zur Auskunft und Benachrichtigung nur dadurch unterscheiden, ob der Beauftragte den

Auftraggeber aktiv benachrichtigen oder auf Verlangen Auskunft erteilen muss.895 Die

Benachrichtigung kann aber auch eine Hauptpflicht des Auftrags sein, z.B. wenn er der

Beschaffung von Informationen dient.896 Die Rechenschaftspflicht ist unabdingbare

Voraussetzung für die Geltendmachung weiterer Rechte des Auftraggebers, wie z.B. das

Weisungsrecht, die Aufforderung zur Ablieferung, den Entscheid über die Fortsetzung des

Auftrags oder die Klage auf Schadenersatz.897 Inhaltlich betrifft die Rechenschaftspflicht

„alles, was für den Auftraggeber im Hinblick auf das Mandat von Bedeutung ist“, wobei

mangels expliziter Auskunftsbegehren der Beauftragte den Auftraggeber über alles zu

informieren hat, was aus der Perspektive einer sorgfältig handelnden Person als wesentlich

erscheint.898 Dazu gehören auch Informationen über die Ausführung des Auftrags, dessen

Zweckmäßigkeit, Ratschläge bzgl. erteilter Weisungen oder die mit dem Auftrag

verbundenen Kosten und Risiken. An den Umfang der Informationen werden die

Anforderungen der Vollständigkeit, Wahrheit und Rechtzeitigkeit gestellt, wobei der

Beauftragte aus Nicht- und Schlechterfüllung seiner Pflichten haftet.899 Zudem muss der

894 HOFSTETTER, SPR VII/6, S. 106. 895 WEBER, BSK, Art. 400 OR N 2; HOFSTETTER, SPR VII/6, S. 115. 896 HOFSTETTER, SPR VII/6, S. 115; vgl. dazu: DRUEY, FS Schluep, S. 147 ff. und MEIER-HAYOZ, FS Schluep, S. 191 ff. 897 FELLMANN, BK, Art. 400 OR N 14 f.; DERENDINGER, N 127. 898 FELLMANN, BK, Art. 400 OR N 19; HOFSTETTER, SPR VII/6, S. 116. 899 WEBER, BSK, Art. 400 OR N 4 f.; HOFSTETTER, SPR VII/6, S. 116.

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§ 11 DER ZINS IN DER AUFTRAGSRECHTLICHEN HERAUSGABEPFLICHT __________________________________________________________________________

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sorgfältige Beauftragte die Ausführung des Auftrags so vornehmen, dass eine

ordnungsgemäße Ablegung der Rechenschaft und Vornahme der Abrechnung möglich ist,

d.h. er hat insbesondere schriftliche Aufzeichnungen zu führen und sicherzustellen, dass er

im Rahmen der Vereinbarungen den Auftraggeber von sich aus benachrichtigt.900 Die

gleichen Anforderungen gelten auch für die Abrechnungspflicht über erhaltene Einnahmen

und gemachte Ausgaben in der Ausführung des Auftrags.

2. HERAUSGABEPFLICHT

Der Beauftragte hat dem Auftraggeber alles herauszugeben, was er in Ausführung

des Auftrags vom diesem oder von Dritten erhalten hat und was nicht für die Ausführung

verbraucht wurde. Diese Pflicht resultiert aus der Fremdnützigkeit des Auftrags und ist das

Gegenstück dazu, dass dem Beauftragten keine Nachteile aus der Besorgung des Auftrags

entstehen sollen.901 Die Herausgabepflicht kann eine Haupt- oder eine Nebenpflicht sein und

umfasst Vermögenswerte, Dokumente, Vollmachtsurkunden oder Gegenstände die dem

Beauftragten in Ausführung des Auftrags zugekommen sind, sei es vom Auftraggeber oder

von Dritten, sowie solche die in der Ausführung hergestellt wurden.902 Eine Grenze lässt

sich kaum allgemein ziehen, aber die Herausgabepflicht betrifft wohl keine Unterlagen oder

Gegenstände die als persönliche Hilfsmittel oder zur Erfüllung der Informationspflicht

angefertigt wurden.903 Mangels einer abweichenden Vereinbarung tritt die Fälligkeit der

Herausgabepflicht mit dem Erwerb der betroffenen Gegenstände sofort ein, so dass der

Beauftragte immer bereit zur Ablieferung sein muss. In Bezug auf die Herausgabe von

nicht-monetären Gegenständen muss aber wohl eine angemessene Frist (analog Art. 107

OR) zur effektiven Herausgabe veranschlagt werden.904 Die Modalitäten der Herausgabe,

insbesondere der Ablieferungsort, richten sich nach den Bestimmungen des Allgemeinen

Teils. Nach Ansicht des Bundesgerichts spricht grundsätzlich nichts gegen einen

vertraglichen Verzicht auf die Ablieferung bestimmter Vermögenswerte durch den

Auftraggeber, sofern dadurch nicht die Fremdnützigkeit des Auftrags aufgehoben wird.905

B VERZINSUNGSPFLICHT

Art. 400 Abs. 2 OR bestimmt die Rechtsfolge der Nichterfüllung der Pflicht zur

Herausgabe von Geld.906 Dies betrifft nicht nur Geld, das der Beauftragte vom Auftraggeber

900 HOFSTETTER, SPR VII/6, S. 116. 901 WEBER, BSK, Art. 400 OR N 10, 12. 902 HOFSTETTER, SPR VII/6, S. 119; WEBER, BSK, Art. 400 OR N 11 f.; BGE 132 III 460 E. 4.2. 903 HOFSTETTER, SPR VII/6, S. 119; WEBER, BSK, Art. 400 OR N 12. 904 WEBER, BSK, Art. 400 OR N 15; FELLMANN, BK, Art. 400 OR N 160; HOFSTETTER, SPR VII/6, S. 121. 905 BGE 132 III 460 E. 4.2 (in der Lehre umstritten). 906 WEBER, BSK, Art. 400 OR N 16.

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§ 11 DER ZINS IN DER AUFTRAGSRECHTLICHEN HERAUSGABEPFLICHT __________________________________________________________________________

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erhalten hat, sondern auch und gerade solches von Dritten in Ausübung des Auftrags. Dazu

beinhaltet der Artikel eine spezielle Verzugsbestimmung, die im Vergleich zu Art. 102 ff.

OR den Beginn der Verzinsungspflicht vorverlegt, wenn der Beauftragte seine Geldschuld

bei Fälligkeit nicht erfüllt. Die Fälligkeit tritt mangels einer abweichenden Vereinbarung

sofort mit Erhalt des Geldes ein. Auf das Erfordernis einer verzugsbegründenden Mahnung

wird verzichtet.907 Im Gegensatz zum allgemeinen Verzugsrecht stellt dies eine deutliche

Besserstellung des Auftraggebers dar, die allerdings vor dem Hintergrund gerechtfertigt ist,

dass der Auftraggeber nicht wissen kann, wann der Beauftragte Geld oder andere

Gegenstände in Ausübung des Auftrags von Dritten erhalten hat.908 Der Zinssatz wird

mangels einer speziellen gesetzlichen Bestimmung auf 5% p.a. analog zum allgemeinen

Verzugszins festgelegt. Zinseszinsen dürfen gemäß den allgemeinen Beschränkungen keine

berechnet werden, auch wenn dem Auftraggeber dadurch der Ertrag auf den Zinsen

entgeht.909 Diese Beschränkung gilt hingegen nicht für jene Zinsen, die der Beauftragte

selbst von einem Dritten erhalten hat, da diese ein Bestandteil des Herausgabeanspruches

sind. Im kaufmännischen Verkehr sollte der verzugsrechtliche Art. 104 Abs. 3 OR auch

analog auf die Nichterfüllung der Ablieferungspflicht anwendbar sein.910

III. VERJÄHRUNG

Der Ablieferungsanspruch des Auftraggebers verjährt gemäß Bundesgericht mit

Ablauf der ordentlichen zehnjährigen Frist. Diese beginnt nicht bereits mit dem Erhalt der

betreffenden Gelder oder Gegenstände durch den Beauftragten zu laufen, sondern „erst mit

der Beendigung des Vertragsverhältnisses infolge gegenseitiger Übereinkunft, Ablaufs der

vereinbarten Dauer, Widerrufs oder Kündigung“911. Die gegenteilige Ansicht könnte dazu

führen, dass der Rückerstattungsanspruch in langfristig angelegten Aufträgen, wie z.B. der

Vermögensverwaltung, schon vor seiner Entstehung verjähren würde. Hingegen verjährt der

Vindikationsanspruch des Auftraggebers auf Herausgabe von Eigentum nicht, selbst wenn

der obligatorische Rückerstattungsanspruch verjährt ist.912

IV. ZUSAMMENFASSUNG

Die Herausgabepflicht ist ein Teil der Treuepflichten des Beauftragten gegenüber dem

Auftraggeber, dessen Interessen der Beauftragte zu wahren hat. Die Herausgabepflicht

betrifft alles, was dem Beauftragten in Ausführung des Auftrags aus irgendeinem Grund

907 HOFSTETTER, SPR VII/6, S. 121; FELLMANN, BK, Art. 400 OR N 166. 908 WEBER, BSK, Art. 400 OR N 15; FELLMANN, BK, Art. 400 OR N 12. 909 WEBER, BSK, Art. 400 OR N 16; FELLMANN, BK, Art. 400 OR N 167. 910 FELLMANN, BK, Art. 400 OR N 167. 911 BGE 91 II 442 E. 5b. 912 FELLMANN, BK, Art. 400 OR N 168-170; WEBER, BSK, Art. 400 OR N 24.

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§ 11 DER ZINS IN DER AUFTRAGSRECHTLICHEN HERAUSGABEPFLICHT __________________________________________________________________________

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vom Auftraggeber oder von Dritten zugekommen ist oder hergestellt wurde und nicht für die

Ausführung des Auftrags verbraucht wurde. Dies gilt insbesondere auch für Geld, das der

Beauftragte vom Auftraggeber oder von Dritten erhalten hat. Befindet sich der Beauftragte

mit der Herausgabe von Geld in Verzug, dann hat er den herauszugebenden Betrag ab

Fälligkeit zu verzinsen. Mangels einer abweichenden Vereinbarung tritt die Fälligkeit sofort

mit Erhalt des Geldes ein. Eine verzugsbegründende Mahnung ist nicht erforderlich. Der

anwendbare Zinssatz bestimmt sich analog zum allgemeinen Verzugszins und beträgt

vorbehaltlich einer anderen Vereinbarung 5% p.a. Die Berechnung von Zinseszinsen ist

nicht zulässig. Im kaufmännischen Verkehr sollte dem Gläubiger zudem das Vorgehen

gemäß Art. 104 Abs. 3 OR gestattet werden.

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§ 12 DER KAPITALZINS IN DER KOLLEKTIVGESELLSCHAFT __________________________________________________________________________

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TEIL III: DIE ZINSEN IM GESELLSCHAFTS- UND WERTPAPIERRECHT

§ 12 DER KAPITALZINS IN DER KOLLEKTIVGESELLSCHAFT

I. HINTERGRUND

Das Gesetz statuiert in Art. 558 Abs. 2 OR für die Kollektivgesellschaft, dass „jedem

Gesellschafter (…) für seinen Kapitalanteil Zinse gemäß Vertrag gutgeschrieben werden“

dürfen, „auch wenn durch den Verlust des Geschäftsjahres der Kapitalanteil vermindert ist“.

Dieser Kapitalzins steht selbstständig neben sonstigen Vergütungen an die Gesellschafter,

namentlich einem allfälligen vertraglich vereinbarten Honorar sowie dem Anteil am Gewinn

des Geschäftsjahres. Die Verzinsung des Kapitalanteils bzw. der Einlage des Gesellschafters

ist im Gesellschaftsrecht eigentlich unüblich, wurde aber im Fall der Kollektivgesellschaft

bereits bei ihrer Einführung als bewusste Ausnahme damit begründet, dass ein Kollektiv-

gesellschafter häufig einen großen oder gar überwiegenden Teil seines Vermögens in die

Gesellschaft einbringe und die Zinsen daher vielfach zur Deckung des Lebensunterhalts

benötigt würden.913 Im Gegensatz dazu wird in anderen Gesellschaftsformen die Zahlung

von Zinsen auf der Kapitaleinlage im normalen Geschäftsverlauf gesetzlich untersagt (Vgl.

für die AG: Art. 675 Abs. 1 OR und bzgl. der GmbH: Art. 798a Abs. 1 OR).914

II. DER KAPITALANTEIL

A BEGRIFF

Die Berechnungsgrundlage für den Kapitalzins in der Kollektivgesellschaft ist die

Kapitaleinlage jedes Gesellschafters. Das Gesetz äußert sich allerdings nicht dazu, was

genau unter der Kapitaleinlage zu verstehen oder wie diese zu berechnen ist, sondern

erwähnt sie nur im Zusammenhang mit der Verzinsung (Art. 558 Abs. 2 OR), der

Möglichkeit von Gutschriften (Art. 559 Abs. 3 OR) und den Folgen der Verringerung

derselben (Art. 560 Abs. 1 OR).915 Die Lehre behandelt die Kapitaleinlage bzw. den

Kapitalanteil zumeist im Zusammenhang mit der vermögensrechtlichen Struktur der

Kollektivgesellschaft und bestimmt ihn analog zur diesbezüglich übereinstimmenden

einfachen Gesellschaft. Der Kapitalanteil ist zunächst vom Vermögensanteil der

Gesellschafter zu unterscheiden. Während letzterer tatsächlich einen „realen Wertanteil“

bezeichnet, namentlich „die Beteiligung eines Gesellschafters am gesamten Reinvermögen

913 Botschaft zur Revision der Titel XXIV bis XXXIII des schweizerischen Obligationenrechts, BBl 1928 I 205, S. 213 f.;

SIEGWART, ZK, Art. 558, 559, 560 OR N 21; HUBER, S. 16; VULLIEMIN, S. 60. 914 Siehe § 14. 915 V. STEIGER, SPR VIII/1, S. 494.

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§ 12 DER KAPITALZINS IN DER KOLLEKTIVGESELLSCHAFT __________________________________________________________________________

154

der Gesellschaft“, ist der Kapitalanteil ein bloßer Bilanzposten, d.h. „eine reine

Rechnungsziffer“, die keinen Bezug zum Gesellschaftsvermögen oder zur „dinglichen

Gesamtberechtigung des Gesellschafters an den Gegenständen des Gesellschaftsvermögens“

hat.916 Der Kapitalanteil beinhaltet keinen Anspruch auf die Aktiven bzw. keine

Verpflichtung aus den Passiven der Gesellschaft und kann daher weder abgetreten917 noch

gepfändet oder verwertet werden.918 Nach der klassischen Definition von HUECK zum

Kapitalanteil der vergleichbaren offenen Handelsgesellschaft (oHG) im deutschen

Handelsgesetzbuch (HGB), ist der Kapitalanteil gekennzeichnet als „Rechnungsziffer (…),

die den Wert der jeweiligen wirtschaftlichen Beteiligung des Gesellschafters am

Gesellschaftsvermögen zum Ausdruck bringen soll, und die deshalb den Maßstab bildet,

wenn der Wert dieser Beteiligung rechtlich von Bedeutung wird“919. Maßgeblich für den

Kapitalanteil können selbstverständlich nur Buchwerte und keine Verkehrswerte sein, da

stille Reserven und Ertragswerte unberücksichtigt bleiben.920

B BERECHNUNG

Der Kapitalanteil wird, vorbehaltlich abweichender vertraglicher Vereinbarungen

unter den Gesellschaftern, berechnet aus den ursprünglich geleisteten Einlagen der

Gesellschafter, zuzüglich Gutschriften aus nachträglich beschlossenen und geleisteten

Einlagen sowie nicht bezogenen Zinsen, Honoraren oder Gewinnanteilen, abzüglich

Belastungen z.B. aus verrechneten Beteiligungen an negativen Geschäftsergebnissen oder

Kapitalrückzahlungen.921 Der Kapitalanteil ist folglich keine Sperrziffer wie das

Aktienkapital, sondern kann durch Gutschriften und Entnahmen Schwankungen innerhalb

des Geschäftsjahres unterliegen.922 Auch ein negativer Kapitalanteil eines Gesellschafters ist

rechtlich möglich durch die Belastung von Verlustanteilen und Entnahmen.923 Solange der

Saldo des Kapitalkontos positiv ist spricht man von einem Kapitalanteil, ist der Saldo

negativ spricht man von einem Passivanteil.924 Es können theoretisch sogar sämtliche

Gesellschafter einen negativen Saldo auf ihren Kapitalkonten haben, ohne dass dies die

Überschuldung der Gesellschaft bedeuten würde, da diese Bilanzkonten wie erwähnt nur

Buchwerte und keine realen Werte repräsentieren.925

916 HARTMANN, BK, Art. 558 OR N 11. 917 Abtretbar ist nach HARTMANN, BK, Art. 558 OR N 11 hingegen der Anspruch auf den zukünftigen Liquidationserlös. 918 V. STEIGER, SPR VIII/1, S. 494; HANDSCHIN, BSK, Art. 558-560 OR N 2; PRIESTER, MüKo, § 120 HGB N 84. 919 HUECK, § 16 V 1 S. 229 f. 920 PRIESTER, MüKo, § 120 HGB N 84. 921 SIEGWART, ZK, Art. 558, 559, 560 OR N 11; V. STEIGER, SPR VIII/1, S. 385, 494. 922 SIEGWART, ZK, Art. 558, 559, 560 OR N 11; V. STEIGER, SPR VIII/1, S. 386; VULLIEMIN, S. 45. 923 SIEGWART, ZK, Art. 558, 559, 560 OR N 35; PRIESTER, MüKo, § 120 HGB N 88. 924 HARTMANN, BK, Art. 558 OR N 11. 925 PRIESTER, MüKo, § 120 HGB N 88.

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§ 12 DER KAPITALZINS IN DER KOLLEKTIVGESELLSCHAFT __________________________________________________________________________

155

III. DER KAPITALZINS

A BEGRIFF

Wie erwähnt hat ein Kollektivgesellschafter einen Anspruch auf die Verzinsung

seines Kapitalanteils.926 Die entsprechende Bestimmung ist allerdings dispositiv, daher

können die Gesellschafter die Verzinsung auch ausschließen.927 Bei der Zinsforderung

handelt es sich um eine echte Schuld der Gesellschaft gegenüber dem Gesellschafter.928 Sie

ist nach herrschender Ansicht eine echte Verzinsung und nicht bloß eine vorgezogene

Dividende, wie die gleich hohe Ausschüttung nach § 121 Abs. 1 Satz 1 HGB im Recht der

ansonsten weitgehend ähnlichen offenen Handelsgesellschaft.929 Dies obwohl die Kapital-

einlage „keine direkte Forderung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft“930 ist bzw.

allenfalls eine „durch die künftige Entwicklung des Geschäftsbetriebes bedingte und

befristete Forderung des Gesellschafters“931 im Hinblick auf die Liquidation der

Gesellschaft. Der Zins darf auch dann ausgezahlt oder dem Kapitalkonto gutgeschrieben

werden, wenn kein ausreichender Jahresgewinn erzielt worden ist bzw. sogar wenn die

Kapitalanteile durch einen Verlust verringert sind (Art. 558 Abs. 2 OR).932 Eine

Vorzugsdividende hingegen dürfte im Fall eines Jahresverlustes nicht ausgerichtet werden

oder müsste bei einem nicht ausreichenden Gewinn entsprechend reduziert werden.933

B HÖHE DES ZINSSATZES

Der gesetzliche Zinssatz beträgt gemäß Art. 558 Abs. 2 OR 4% p.a. Dieser Zinssatz

ist wie die Verzinsungspflicht dispositiv, so dass die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag

auch einen höheren oder niedrigeren Zinssatz vereinbaren können.934 Die Verzinsung

beginnt mit der Einbringung der Kapitaleinlage und bezieht sich zunächst auf die

ursprüngliche Einlage. Falls während des Geschäftsjahres der Kapitalanteil durch

Entnahmen verringert wird, reduziert sich auch der Zinsanspruch pro rata, d.h. es werden

für die bezogenen Beträge dem Kapitalkonto Zinsen bis zum Ende des Geschäftsjahres

926 V. STEIGER, SPR VIII/1, S. 496; SIEGWART, ZK, Art. 558, 559, 560 OR N 21 f. MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, § 13 N 45; a.A.:

HANDSCHIN/CHOU, ZK, Art. 558-560 OR N 56 (Zinsen auf Kapitalanteil nur bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung). 927 HANDSCHIN, BSK, Art. 558-560 OR N 4; SIEGWART, ZK, Art. 558, 559, 560 OR N 21. 928 V. STEIGER, SPR VIII/1, S. 495; HARTMANN, BK, Art. 558 OR N 14. 929 GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, N 2352; WEBER, BK, Art. 73 OR N 37; SIEGWART, ZK, Art. 558, 559, 560 OR N 21;

V. STEIGER, SPR VIII/1, S. 495; PRIESTER, MüKo, § 121 HGB N 16. 930 HARTMANN, BK, Art. 558 OR N 11. 931 SIEGWART, ZK, Art. 558, 559, 560 OR N 4. 932 SIEGWART, ZK, Art. 558, 559, 560 OR N 21; V. STEIGER, SPR VIII/1, S. 495; HANDSCHIN, BSK, Art. 558-560 OR N 5;

HARTMANN, BK, Art. 558 OR N 11. 933 PRIESTER, MüKo, § 121 HGB N 16. 934 HANDSCHIN, BSK, Art. 558-560 OR N 4.

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§ 12 DER KAPITALZINS IN DER KOLLEKTIVGESELLSCHAFT __________________________________________________________________________

156

belastet.935 In anschließenden Geschäftsjahren bezieht sich die Verzinsung dann nicht mehr

auf die anfängliche Einlage, sondern auf den jeweiligen Anteil am Kapital zu Beginn des

Geschäftsjahres, der u.U. durch Verluste oder Entnahmen vermindert sein kann. Die

Zinsforderung reduziert sich entsprechend (Art. 560 Abs. 1 OR).936 Auf einen Passivanteil,

d.h. ein Kapitalkonto mit negativem Saldo, werden dem Gesellschafter keine Zinsen

gutgeschrieben, allerdings werden ihm auch keine Passivzinsen belastet.937 Im Gegenzug

dürfen dem Gesellschafter gemäß Art. 560 Abs. 1 OR erst wieder Gewinne ausgezahlt

werden, wenn die von den Verlusten verursachte Verminderung seines Kapitalanteils durch

die Gutschrift von Gewinnen wieder ausgeglichen ist, d.h. nicht nur der Betrag der

ursprünglichen Einlage, sondern auch allfällige Einzahlungen und Nichtbezüge.938 Dieses

Vorgehen kann durch regelmäßig einstimmigen Beschluss der Gesellschafter auch für

Zinsen oder Honorare vorgesehen werden.939

C FORDERBARKEIT

Da es sich bei der Zinsforderung um eine echte Forderung gegen die Gesellschaft

und keinen Anspruch auf Gewinnanteil handelt, ist der Bezug der Zinsen durch die

Gesellschafter nicht vom Abschluss der Jahresrechnung und der Bestimmung des

Geschäftserfolgs abhängig.940 Entsprechend kann gemäß Art. 559 Abs. 2 OR vertraglich

vereinbart werden, dass die laufenden Zinsen schon während des Geschäftsjahres bezogen

werden können.941 Gewinnanteile dürfen hingegen zwingend erst nach Annahme der Bilanz

und der Feststellung des Gewinns ausgeschüttet werden.942 Nicht bezogene Zinsen und

andere Vergütungen werden gemäß der dispositiven Bestimmung von Art. 559 Abs. 3 OR

nach Abschluss der Bilanz dem Kapitalanteil des jeweiligen Gesellschafters gutgeschrieben,

sofern die anderen Gesellschafter keine Einwände dagegen erheben.943 In Bezug auf

verfallene Zinsen sind die Gesellschafter nach Art. 570 Abs. 2 OR im Konkurs den

Gesellschaftsgläubigern gleichgestellt, hingegen nicht für die laufenden Zinsen des

Geschäftsjahres.944

935 HARTMANN, BK, Art. 558 OR N 14. 936 V. STEIGER, SPR VIII/1, S. 496; HARTMANN, BK, Art. 558 OR N 14. 937 HARTMANN, BK, Art. 558 OR N 22. 938 HARTMANN, BK, Art. 560 OR N 3; SIEGWART, ZK, Art. 558, 559, 560 OR N 34. 939 SIEGWART, ZK, Art. 558, 559, 560 OR N 33. 940 MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, § 13 N 45; HANDSCHIN, BSK, Art. 558-560 OR N 5. 941 V. STEIGER, SPR VIII/1, S. 495; HANDSCHIN, BSK, Art. 558-560 OR N 5. 942 HANDSCHIN, BSK, Art. 558-560 OR N 6; SIEGWART, ZK, Art. 558, 559, 560 OR N 33. 943 HANDSCHIN, BSK, Art. 558-560 OR N 7. 944 V. STEIGER, SPR VIII/1, S. 495; HANDSCHIN, BSK, Art. 558-560 OR N 6.

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§ 12 DER KAPITALZINS IN DER KOLLEKTIVGESELLSCHAFT __________________________________________________________________________

157

IV. EXKURS: ANWENDBARKEIT IN DER KOMMANDITGESELLSCHAFT

Gemäß Art. 598 Abs. 2 OR kommen in der Kommanditgesellschaft für das Verhältnis

der Gesellschafter untereinander die Bestimmungen der Kollektivgesellschaft zur

Anwendung, vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen und einiger gesetzlich

umschriebener Abweichungen. Daher richtet sich auch die Verteilung von Gewinn und

Verlust grundsätzlich nach Art. 558 ff. OR, allerdings mit den notwendigen Änderungen, die

sich aus der beschränkt haftenden Stellung des Kommanditärs ergeben.945

Vorbehaltlich einer anderen Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag haben

Komplementäre und Kommanditäre einen gewinnunabhängigen Anspruch auf Zinsen für

ihre Kapitalanteile gemäß Art. 558 Abs. 2 OR.946 In Bezug auf die Stellung des

Kommanditärs ist in diesem Zusammenhang aber Art. 611 Abs. 1 OR zu beachten. Danach

ist der Kommanditär gegenüber dem Komplementär schlechter gestellt, da die Auszahlung

von Zinsen und Gewinnen nur erfolgen darf, wenn und soweit die Kommanditsumme durch

die Auszahlung nicht vermindert wird. Allerdings ist auch diese Bestimmung dispositiv und

im Fall einer Verminderung des Kapitalanteils lebt die Haftung des Kommanditärs bis zum

Betrag der Kommanditsumme wieder auf.947 Zudem ist die Regelung von Art. 601 Abs. 3

OR zu beachten. Diese legt in Abweichung von Art. 559 Abs. 3 OR fest, dass die dort

vermutete Zuweisung nicht bezogener Zinsen, Gewinne und Honorare zur Kapitaleinlage

nur solange erfolgen darf, bis die vereinbarte Höhe der Kommanditsumme erreicht ist. Nicht

bezogene Zinsen, Gewinne und Honorare die den Betrag der Kommanditsumme

übersteigen, führen vermutungsweise nicht zu einem Anwachsen der Kapitaleinlage,

sondern es wird „die Begründung außergesellschaftlicher Ansprüche (Darlehen)

vermutet“948, vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung der Gesellschafter.949

Abgesehen von diesen Sonderbestimmungen für die Kommanditäre sind die zuvor

dargestellten Regeln bzgl. der Verzinsung der Kapitaleinlage vollständig auf beide

Gesellschaftertypen der Kommanditgesellschaft anwendbar.

V. ZUSAMMENFASSUNG

Die dargestellte Verzinsung der Kapitaleinlage in der Kollektiv- und Kommandit-

gesellschaft ist eine Sonderordnung, die bei ihrer Einführung den speziellen Erfordernissen

dieser Gesellschaftsformen und ihrer Gesellschafter dienen sollte. Es handelt sich nach

945 HANDSCHIN, BSK, Art. 601 OR N 4. 946 V. STEIGER, SPR VIII/1, S. 620; MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, § 14 N 37; a.A: HANDSCHIN/CHOU, ZK, Art. 601 OR N 18

(Zinsen auf Kapitalanteil nur bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung); WEBER, BK, Art. 73 OR N 37 (Zinsen für

den Kommanditär nur nach vertraglicher Vereinbarung). 947 MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, § 14 N 38; V. STEIGER, SPR VIII/1, S. 621. 948 HANDSCHIN, BSK, Art. 601 OR N 5. 949 SIEGWART, ZK, Art. 601 OR N 7; V. STEIGER, SPR VIII/1, S. 620 f. (individualrechtliche Forderungen).

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§ 12 DER KAPITALZINS IN DER KOLLEKTIVGESELLSCHAFT __________________________________________________________________________

158

herrschender Ansicht um eine echte Verzinsung und keine vorgezogene Dividende, obwohl

die Kapitaleinlage keine direkte, sondern allenfalls eine bedingte und befristete Forderung

der Gesellschafter gegen die Gesellschaft ist. Sie darf auch dann ausgezahlt oder dem

Kapitalkonto gutgeschrieben werden wenn kein ausreichender Gewinn erwirtschaftet

worden ist. Sowohl die Bestimmung selbst als auch der im Gesetz festgelegte Zinssatz von

4% p.a. sind dispositiv und können vertraglich abgeändert werden. Der Zinssatz bezieht sich

immer auf die Höhe der Kapitaleinlage zum Beginn des Geschäftsjahres. Für unterjährige

Bezüge werden Passivzinsen belastet. Auf einem negativen Saldo des Kapitalkontos werden

keine Zinsen gutgeschrieben, aber auch keine Zinsen belastet. Die Auszahlung der Zinsen ist

nicht vom Abschluss der Jahresrechnung abhängig, daher kann auch eine unterjährige

Auszahlung vereinbart werden.

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§ 13 DIE ZINSGRENZE IN DER GENOSSENSCHAFT __________________________________________________________________________

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§ 13 DIE ZINSGRENZE IN DER GENOSSENSCHAFT

I. GRUNDLAGEN

Die Genossenschaft wird vom Gesetz definiert als körperschaftlich „organisierte

Verbindung einer nicht-geschlossenen Anzahl von Personen oder Handelsgesellschaften, die

in der Hauptsache die Förderung oder Sicherung bestimmter wirtschaftlicher Interessen ihrer

Mitglieder in gemeinsamer Selbsthilfe bezweckt“. Dieser Definition entsprechend muss die

Genossenschaft zwingend „die Erlangung materieller Vorteile zugunsten der Gesellschafter

anstreben“, wobei neben den wirtschaftlichen Zielen in untergeordneter Weise auch nicht-

wirtschaftliche Ziele verfolgt werden dürfen.950 Dabei müssen die materiellen Vorteile den

Genossenschaftlern unmittelbar aus der Tätigkeit der Genossenschaft zukommen, d.h. dass

die Mitglieder die Vorteile für ihre eigene wirtschaftliche Tätigkeit durch „das Recht der

Inanspruchnahme günstiger Leistungen durch die genossenschaftlichen Einrichtungen“

erhalten.951 Dieses Recht der Mitglieder ergibt sich unmittelbar aus dem Zweck der

Genossenschaft.952 Im Gegensatz zu den Handelsgesellschaften darf die Gewährung des

materiellen Vorteils an die Gesellschafter nicht nur mittelbar durch die Ausschüttung von

Gewinnanteilen erfolgen.953 Zur Erfüllung ihrer Funktion ist die Genossenschaft befugt, ein

Unternehmen zu betreiben, welches jedoch einerseits einen Bezug zur wirtschaftlichen

Tätigkeit der Genossenschaftler haben muss und andererseits nicht bloß der reinen Gewinn-

erziehlung dienen darf.954 In dieser gesetzlich vorgeschriebenen Funktion zeigen sich der

stärkere personalistische Charakter und der dem Konzept der Genossenschaft zugrunde-

liegende Solidargedanke im Vergleich zu den reinen Kapitalgesellschaften.955

II. VERTEILUNG DES GENOSSENSCHAFTSERTRAGS

Gemäß den vorherigen Erwägungen zur Funktion der Genossenschaft sollte diese dem

Grundsatz nach eigentlich keinen Gewinn erwirtschaften, sondern ihren Mitgliedern die dem

statutarischen Zweck entsprechenden wirtschaftlichen Vorteile unmittelbar gewähren.956

Dies geschieht in der Regel durch das Angebot bestimmter Leistungen zu niedrigen

Selbstkostenpreisen. Falls eine Genossenschaft dennoch einen Reinertrag generiert, dann hat

sie den Mitgliedern ihre Leistungen zu einem zu hohen Preis gewährt. Der erzielte Gewinn

950 BAUDENBACHER, BSK, Art. 828 OR N 14 f. 951 BAUDENBACHER, BSK, Art. 828 OR N 18. 952 BGE 118 II 168 E. 3 b/aa; MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, § 19 N 52. 953 BAUDENBACHER, BSK, Art. 828 OR N 18. 954 REYMOND, SPR VIII/5, S. 16; FORSTMOSER, BK, Art. 828 OR N. 90 f. 955 BAUDENBACHER, BSK, Art. 828 OR N 19. 956 NEUHAUS/HEIBLER, BSK, Art. 859 OR N 1.

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§ 13 DIE ZINSGRENZE IN DER GENOSSENSCHAFT __________________________________________________________________________

160

soll daher primär zur Förderung des Zwecks der Genossenschaft eingesetzt werden und den

Mitgliedern zu Gute kommen. Dieser Vorstellung entspricht die dispositive gesetzliche

Regelung zur Gewinnverteilung, nach der ein erwirtschafteter Gewinn vollumfänglich dem

Gesellschaftsvermögen zugewiesen wird, um ihn einer zweckkonformen Verwendung

zuzuführen und die Genossenschaftler unmittelbar zu begünstigen. Die Statuten können

allerdings eine abweichende Verwendung vorsehen.957 Eine solche Statutenklausel kann

nach Art. 859 Abs. 2 OR auch die Verteilung des Reinertrags an die Mitglieder vorsehen.

Vorbehaltlich einer abweichenden Regelung erfolgt die Verteilung dann nach Maßgabe der

individuellen Nutzung der Einrichtungen der Genossenschaft durch die Mitglieder. Dadurch

soll sichergestellt werden, dass jedes Mitglied seine bezogenen Leistungen durch eine

nachträgliche Korrektur des Preises günstiger erhält.958 Unter Beachtung des Charakters und

des konkreten Zwecks der Genossenschaft kann in den Statuten auch eine von der Nutzung

der Einrichtungen unabhängige Gewinnverteilung vorgesehen werden, da die gesetzlichen

Verwendungsregeln nach herrschender Ansicht dispositiv sind.959 Eine abweichende

Regelung kann z.B. auch die Kapitalbasis, jährliche Beitragsleistungen oder allfällige

Eintritts- und Einkaufssummen in die Genossenschaft einbeziehen. Hingegen ist es

unzulässig die Verteilung ausschließlich an der Kapitalbasis auszurichten, wie es für die

Kapitalgesellschaften vorgesehen ist. Diese Einschränkung beruht wiederum auf dem

Gedanken, dass die Gewinnverteilung an die Mitglieder den Charakter und den Zweck der

Genossenschaft beachten sollte.960

III. BESCHRÄNKUNG DER VERTEILUNG NACH ANTEILEN

Sofern eine Genossenschaft Anteilsscheine ausgegeben hat und die Statuten eine

Verteilung der Gewinne nach Maßgabe der Anteile vorsehen, statuiert Art. 859 Abs. 3 OR eine

Höchstquote der Gewinnverteilung auf dieser Grundlage. Die Höhe dieser Schranke ist nicht

im Gesetz fixiert, sondern orientiert sich an einem variablen Referenzzinssatz, namentlich dem

„landesüblichen Zinssatz für langfristige Darlehen ohne besondere Sicherheiten“. Der Zweck

der Beschränkung wurde bei ihrer Einführung vom Bundesrat darin gesehen, „die sogenannten

Pseudogenossenschaften und die verschiedenen Entartungen ferne zu halten, die im Laufe der

Zeit den leitenden Gedanken im Genossenschaftswesen verdunkelt haben“.961 Durch ein

Höchstmaß für die nach Anteilen berechneten Dividenden sollten solche Genossenschaften

verhindert werden, die wie Kapitalgesellschaften primär auf die Gewinnerzielung und die

Ausschüttung von Gewinnen an die Anteilseigner ausgerichtet waren, welche den

957 NEUHAUS/HEIBLER, BSK, Art. 859 OR N 2; GUTZWILLER, ZK, Art. 859 N 1; GERWIG, S. 292. 958 NEUHAUS/HEIBLER, BSK, Art. 859 OR N 4 f.; GUHL/DRUEY, § 77 N 40. 959 a.A. GUTZWILLER, ZK, Art. 859 OR N 1 (zwingende Natur). 960 NEUHAUS/HEIBLER, BSK, Art. 859 OR N 6. 961 Botschaft zur Revision der Titel XXIV bis XXXIII des schweizerischen Obligationenrechts, BBl 1928 I 205, S. 292.

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§ 13 DIE ZINSGRENZE IN DER GENOSSENSCHAFT __________________________________________________________________________

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gemeinsamen Einrichtungen fernstanden.962 Bei dem dargestellten Höchstmaß handelt sich

hingegen nicht um eine absolute Obergrenze der Gewinnverteilung, sondern es können weitere

statutarische Bestimmungen einen mehrstufigen Verteilungsprozess vorsehen, der sich aber

zumindest teilweise an der Nutzung der genossenschaftlichen Ressourcen oder an anderen

Verteilungskriterien unter Berücksichtigung der genossenschaftlichen Merkmale orientieren

muss.963 Die Beschränkung gilt sodann nach Art. 861 Abs. 1 OR nicht für die besonderen

Kreditgenossenschaften.964 Dies sind zum einen die dem Bankengesetz unterstehenden

Genossenschaftsbanken, aber auch jene Genossenschaften die ihrem Zweck entsprechend

Geldbeträge an ihre Mitglieder ausleihen, sich aber nicht öffentlich zur Annahme von Geldern

empfehlen.965 Weiter bleibt zu erwähnen, dass auch bei einer Gewinnverteilung nach Anteilen

den Mitgliedern gemäß Art. 859 Abs. 3 OR kein fester Zins auf die Anteile zugesagt werden

darf, da es sich bei der Ausschüttung rechtlich gesehen um keinen Zins, sondern eine eng

begrenzte Dividende handelt, die nur aus erzielten Gewinnen ausgeschüttet werden darf.966

IV. DER LANDESÜBLICHE ZINSSATZ IM GENOSSENSCHAFTSRECHT

Der landesübliche Zinssatz für langfristige Darlehen ohne besondere Sicherheiten hat in

der Vergangenheit und bis heute weder in der Rechtsprechung noch in der Lehre besondere

Erwähnung gefunden. Offensichtlich ist jedoch, dass der Bundesrat im Jahr 1928 das Ziel

hatte, die Genossenschaft in Bezug auf die Gewinnverteilung klar von den

Kapitalgesellschaften abzugrenzen und stärker die personalistischen und solidarischen

Merkmale der Genossenschaft zu betonen. Durch die Anlehnung an den o.g. landesüblichen

Zinssatz als Marktreferenz wurden die Genossenschaftsanteile stärker an der Rendite von

Obligationen orientiert als an jener von Aktien.967 Die Höhe dieses variablen Zinssatzes wurde

bisher nicht erkennbar von einem Gericht festgestellt. Der Satz müsste aber regelmäßig an die

durchschnittliche Höhe jener Zinssätze angelehnt werden, die von Kapitalgesellschaften für

Anleihen und Obligationen in der maßgeblichen Währung, i.d.R. Schweizer Franken, gezahlt

werden. Wie der anwendbare Zinssatz zu bestimmen ist, lässt das Gesetz offen. Insbesondere

bleibt unklar, welche Schuldnerbonität als landesüblich zugrunde gelegt werden sollte, da die

Bonität einer der wichtigsten Bestimmungsfaktoren für die Zinshöhe von Anleihen ist.

Feststehen sollte hingegen, dass ein solcher Referenzzinssatz oberhalb des Niveaus von

langfristigen Staatsanleihen bester Bonität liegen dürfte.

962 GUHL/ DRUEY, § 77 N 39. 963 NEUHAUS/HEIBLER, BSK, Art. 859 OR N 7. 964 GUHL/ DRUEY, § 77 N 41. 965 NEUHAUS/HEIBLER, BSK, Art. 858 OR N 10; GUTZWILLER, ZK, Art. 861 OR N 2 ff.; BLICKENSTORFER, S. 234;

STEINER, SAG 1943/44, S. 119. 966 GERWIG, S. 292. 967 HELMIG/PURTSCHERT/SCHAUER/WITT, S. 382 f.

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§ 13 DIE ZINSGRENZE IN DER GENOSSENSCHAFT __________________________________________________________________________

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V. ZUSAMMENFASSUNG

In der Genossenschaft dient der Zinssatz gemäß Art. 859 Abs. 3 OR nicht der

Verzinsung einer Forderung bzw. Schuld, sondern stellt eine Obergrenze für die

Gewinnverteilung nach Anteilsscheinen dar. Dabei handelt es sich nicht um eine allgemeine

Beschränkung für die Höhe der Gewinnausschüttung, sondern nur für die Verteilung nach

Anteilen. Dadurch soll verhindert werden, dass die Genossenschaft wie eine

Kapitalgesellschaft ausgestaltet wird und allein der Gewinnverteilung dient, statt der

Gewährung unmittelbarerer wirtschaftlicher Vorteile. Eine weitere Gewinnverteilung sollte

sich zumindest teilweise an der Nutzung der genossenschaftlichen Ressourcen durch die

Genossenschaftler orientieren. Der vom Gesetzgeber als Marktreferenz gewählte

landesübliche Zinssatz für langfristige Darlehen ohne besondere Sicherheiten soll die

Verteilungsgrenze an die Rendite von Obligationen anlehnen. Der Zinssatz wurde in der

Rechtsprechung bisher nicht erkennbar bestimmt, sollte sich aber wohl an der

durchschnittlichen Verzinsung von Anleihen und Obligationen von Kapitalgesellschaften in

der maßgeblichen Währung orientieren. Während die gesetzgeberische Absicht zur Wahl

dieses Zinssatzes nachvollziehbar ist, sollte diese Bestimmung dennoch in eine Revision der

Zinsbestimmungen einbezogen werden, da der derzeitige flexible Zinssatz aufgrund der

weiten Definition und der fehlenden Rechtsprechung nur schwer bestimmbar und beweisbar

ist.

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§ 14 DIE ZINSEN IN DER AG UND DER GMBH __________________________________________________________________________

163

§ 14 DIE ZINSEN IN DER AG UND DER GMBH

I. GRUNDSATZ: ZINSVERBOT

Im Recht der Aktiengesellschaft bestimmt Art. 675 Abs. 1 OR, dass auf das

einbezahlte Aktienkapital keine Zinsen bezahlt werden dürfen.968 Eine parallele Regelung

findet sich in Art. 798a Abs. 1 OR für die GmbH. Versteht man diese Bestimmungen als

eigentliches Verbot von Zinsen so sind sie eigentlich nicht notwendig969, da es sich bei

Aktien- und Stammkapital nicht um eine Forderung des Gesellschafters gegen die

Gesellschaft handelt. Der Aktionär bzw. Gesellschafter hat keinen Anspruch auf

Rückzahlung der geleisteten Einlage (Art. 680 Abs. 2 OR bzw. Art. 793 Abs. 2 OR), so dass

per definitionem die Grundlage für die Entstehung eines Zinses fehlt. Zinsen auf Einlagen

stellen einen Widerspruch in sich dar und sind als Garantie einer Ausschüttung in

bestimmter Höhe zu verstehen.970 Entsprechend muss der im Gesetz verwendete Zinsbegriff

weit verstanden werden, da nicht davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber nur echte

Zinsen verbieten wollte. Das Ziel verschiedener Bestimmungen im Aktien- und GmbH-

Recht ist der Schutz des Grundkapitals als Sperrziffer. Um z.B. das Verbot der

Kapitalrückerstattung durchzusetzen, werden nicht nur explizite Kapitalrückzahlungen,

sondern auch versteckte Rückzahlungen jeglicher Form verboten. Eine Ausnahme dafür

besteht nur im Rahmen des streng limitierten und formgebundenen Verfahrens der

Kapitalherabsetzung (Art. 732 ff. OR bzw. 782 OR).971 Wenn beide o.g. Artikel dennoch

den Begriff Zinsen verwenden, so muss dieser „alle erfolgsunabhängigen Leistungen an die

Aktionäre, periodische wie aperiodische“972 einschließen.973. Ausschüttungen an die

Aktionäre dürfen hingegen nur aus einem erwirtschafteten Erfolg der Gesellschaft

vorgenommen werden, d.h. aus dem Bilanzgewinn oder aus dafür gebildeten Reserven (Art.

675 Abs. 1 OR bzw. Art. 798 Abs. 1 OR).974

968 FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 40 N 115. 969 V. GREYERZ, SPR VIII/2, S. 63 f. 970 BAYER, MüKo, § 57 AktG N 112. 971 BÖCKLI, § 2 N 122a; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 50 N 106. 972 FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 40 N 116. 973 So auch HÜFFNER, § 57 N 21 zum deutschen § 57 Abs. 2 AktG, der unter Zinsen im Sinne der Bestimmung „alle

wiederkehrenden in ihrer Höhe bestimmten oder bestimmbaren Zahlungen“ verstehen will, „die ohne Rücksicht

auf Bilanzgewinne geleistet werden sollen“. 974 KURER, BSK, Art. 675 OR N 12; BÖCKLI, § 12 N 520.

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§ 14 DIE ZINSEN IN DER AG UND DER GMBH __________________________________________________________________________

164

II. AUSNAHME: BAUZINSEN

A ALLGEMEINES

Obwohl das Obligationenrecht auf ein strenges Zins- bzw. Ausschüttungsverbot

außerhalb der formellen und begrenzten Verfahren des Dividendenbeschlusses und der

Kapitalherabsetzung abzielt, sieht das Gesetz selbst eine ungewöhnliche und wirtschaftlich

wenig sachgerechte Ausnahme vor. Gemäß Art. 676 OR und Art. 798a Abs. 2 OR wird der

AG bzw. der GmbH die Zahlung von sog. Bauzinsen auf dem eingezahlten Aktien- bzw.

Stammkapital unter bestimmten Bedingungen ausdrücklich erlaubt. Dabei handelt es sich

um eine auf der Einlage jedes Aktionärs berechnete Ausschüttung während der Gründung

und des Aufbaus (Abs. 1) oder einer Kapitalerhöhung zwecks Erweiterung (Abs. 2) des von

der Gesellschaft betriebenen Unternehmens.

B RECHTSNATUR UND BEDEUTUNG

Das Institut der Bauzinsen fand sich bereits in Art. 630 Abs. 2 aOR von 1881975 und

sollte der Gesellschaft die Möglichkeit geben, während des Aufbaus oder der Erweiterung

des betriebenen Unternehmens eine gewisse Rendite an die Aktionäre auszuschütten.

Insbesondere für investitionsintensive Unternehmen wie Eisenbahnen, Bergbahnen oder die

produzierende Industrie ist es während der ersten Jahre nach der Gründung unmöglich

ausschüttbare Bilanzgewinne zu erwirtschaften, da erst große Beträge in den Aufbau der

betriebsnotwendigen Anlagen investiert werden müssen, bevor der Betrieb überhaupt

anlaufen kann. Der Gründungsaktionär bzw. Gründungsgesellschafter muss folglich

zunächst das für den Bau der Anlagen notwendige Kapital einzahlen, kann aber erst nach

einer gewissen Zeit mit der Auszahlung einer ersten Dividende, d.h. einer Rendite auf

seinem Kapital rechnen.976 Die Bauzinsen sollen diese für Investoren unattraktive Periode

überbrücken, indem ihnen eine minimale Rendite zugesichert wird.977 Wiederum handelt es

sich mangels einer zugrundeliegenden Hauptforderung des Aktionärs gegen die Gesellschaft

nicht um einen echten Zins im Sinne des rechtlichen Zinsbegriffs, sondern um eine in

Prozenten der Kapitaleinlage und pro rata temporis berechnete Ausschüttung, die eher die

Merkmale einer Dividende aufweist. Das Gesetz betrachtet die Bauzinsen aber wohl

dennoch als Zinsen, da sie auch wirtschaftlich die Funktion von Zinsen erfüllen.978

Rechtlich ist der Bauzins ein aus der Mitgliedschaft entstehender Anspruch, der sich jedoch

975 BBl 1881 III 109, 244; BÖCKLI, § 8 N 741 FN 1207. 976 V. STEIGER, SAG 1937/38, S. 143; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 40 N 117;

KURER, BSK, Art. 676 OR N 1. 977 BÜRGI, ZK, Art. 675, 676 OR N 6. 978 V. STEIGER, SAG 1937/38, S. 141; BÜRGI, ZK, Art. 675, 676 OR N 6; KURER, BSK, Art. 676 OR N 1.

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§ 14 DIE ZINSEN IN DER AG UND DER GMBH __________________________________________________________________________

165

nach BÜRGI zu einem selbstständigen Gläubigerrecht entwickelt hat.979 Ökonomisch können

Bauzinsen einige Probleme aufwerfen, da sie in einer Phase vorgenommen werden in der die

Gesellschaft keinen Gewinn erwirtschaften kann, aber hohe Kosten hat. Nimmt die

Gesellschaft in der Phase des Ausbaus ihres Unternehmens dennoch Ausschüttungen vor,

dann führt dies zur Rückzahlung von Aktien- bzw. Stammkapital an die Gesellschafter und

damit zu einer Reduzierung der geschützten Einlagen.980 Letztlich bekommen die

Gesellschafter die Ausschüttung aus ihren eigenen Einlagen gezahlt, was andererseits

bedeutet, dass ihre Einlagen höher sein müssen als sie für den Aufbau oder die Erweiterung

des Unternehmens notwendig wären.981 Auf eine maximale Höhe der Bauzinsen hat der

Gesetzgeber im Gegensatz zu anderen Staaten verzichtet, zur Diskussion stand bei der

Einführung eine Begrenzung auf 4% p.a.982

C VERFAHREN

Im Vergleich zum Verfahren der Kapitalherabsetzung, welches vom Gedanken des

Gläubigerschutzes dominiert wird, ist das OR relativ großzügig bei der Regelung der

Bauzinsen, obwohl es sich nicht um Zinsen oder Dividenden, sondern um eine Rückzahlung

von Grundkapital handelt. Die Bauzinsen müssen bei der Gründung bzw. dem Beschluss

über eine Kapitalerhöhung (nur für die neu ausgegebenen Aktien983) in den Statuten

verankert werden. Dies betrifft nicht nur die Höhe der Ausschüttung, sondern insbesondere

den Zeitpunkt zu dem sie enden soll. Das Gesetz begrenzt die Bauzinsen einzig auf die Zeit

der Vorbereitung und des Baus bis zum Anfang des Betriebs bzw. im Fall der Erweiterung

bis zur Aufnahme des Betriebs der neuen Anlage, gibt aber keine Maximaldauer vor. Damit

lässt das Gesetz den Gesellschaftern einen weiten Spielraum bei der Ausgestaltung der

statutarischen Grundlage.984 Allerdings muss der maximale Endzeitpunkt der Zinszahlung

kalendarisch genau bestimmt werden, ein Verweis auf den Abschluss der Arbeiten genügt

nicht.985 Dieser statutarische Zeitpunkt gilt auch dann, wenn der Aufbau noch nicht

abgeschlossen ist; andernfalls endet die Zinszahlung mit dem Abschluss der Bauzeit.986 Das

Recht auf Bauzinsen ist wohlerworben und die Generalversammlung kann die

Bauzinsforderungen weder herab- noch heraufsetzen; auch eine Veränderung der Laufzeit

kommt nicht in Betracht.987 Im Konkurs der Gesellschaft können die Aktionäre ihre

979 BÜRGI, ZK, Art. 675, 676 OR N 7. 980 KURER, BSK, Art. 676 OR N 1; BÜRGI, ZK, Art. 675, 676 OR N 8. 981 FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, § 40 N 122, 124. 982 V. STEIGER, SAG 1937/38, S. 142. 983 BÜRGI, ZK, Art. 675, 676 OR N 12. 984 V. STEIGER, SAG 1937/38, S. 142. 985 BGE 37 II 69 E. 2. 986 BÜRGI, ZK, Art. 675, 676 OR N 14; KURER, BSK, Art. 676 OR N 6, 7. 987 KURER, BSK, Art. 676 OR N 1, 6; BÜRGI, ZK, Art. 675, 676 OR N 7.

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§ 14 DIE ZINSEN IN DER AG UND DER GMBH __________________________________________________________________________

166

Forderungen wie Gläubiger geltend machen.988 Gläubigerschutzvorschriften sieht das

Gesetz nicht vor, obwohl die Gesellschaft während der Gründung vielfach neue

Gläubigerbeziehungen eingeht und insbesondere während einer Erweiterung die

Forderungen der bestehenden Gläubiger durch den Abfluss von Mitteln gefährdet sind.

Rechnungslegungsrechtlich sind die Bauzinsen kein Aufwand der in der Erfolgsrechnung

erfasst wird, sondern sie werden zusammen mit den Anschaffungs- und Herstellungskosten

in der Bilanz aktiviert. Eine Verbuchung als Aufwand würde zu einer Unterbilanz führen,

wenn die Bauzinsen nicht durch ein Agio oder allfällige Einnahmen gedeckt sind.989

III. AUSBLICK

Obwohl die Bauzinsen ein Instrument des 19. Jahrhunderts sind und von den

Erfordernissen der Industrialisierung und dem Aufbau kapitalintensiver Infrastruktur- und

Produktionsanlagen geprägt wurden, haben sie sich bis heute im Recht der AG und der

GmbH gehalten.990 Die Revision des Aktienrechts von 1991 ließ sie unangetastet und

ebenso werden sie nach dem derzeitigem Stand auch die anstehende Aktienrechtsrevision

überleben (Art. 676 E-OR)991. Einzig die systematische Nummerierung wird aufgrund der

Einfügung der Zwischendividende in Art. 675a OR angepasst und es wird in der Botschaft

angemerkt, dass die Möglichkeit zur Ausrichtung von Bauzinsen der EG-Kapitalrichtlinie992

widerspricht. 993

IV. EXKURS: RECHTSLAGE IN DEUTSCHLAND

Auch das deutsche Aktienrecht enthielt früher eine dem Art. 676 OR entsprechende

Ausnahmeregelung vom Verbot der Einlagenrückgewähr und der Einlagenverzinsung. Nach

§ 57 Abs. 3 AktG waren Bauzinsen aufgrund einer satzungsmäßigen Grundlage zulässig.

Dies aber maximal für einen Zeitraum von der Vorbereitung des Unternehmens bis zum

Anfang des vollen Betriebs.994 Die Vereinbarung von Bauzinsen nach deutschem Recht war

nur in der ursprünglichen Satzung, nicht aber im Zuge einer Kapitalerhöhung möglich.995

Für die Zulässigkeit waren zudem die Festlegung einer bestimmten Zinshöhe und ein

kalendarisch bestimmter Endzeitpunkt der Verzinsung erforderlich, unabhängig vom

988 BÜRGI, ZK, Art. 675, 676 OR N 7. 989 TREUHAND-KAMMER, HWP Bd. 1, S. 325; KURER, BSK, Art. 676 OR N 8, 10; BÖCKLI, § 8 N 741. 990 BÖCKLI, § 8 N 741. 991 BBl 2008 1751, S. 1769. 992 Siehe unten FN 997. 993 Botschaft zur Änderung des Obligationenrechts (Aktienrecht und Rechnungslegungsrecht sowie Anpassungen im

Recht der Kollektiv- und der Kommanditgesellschaft, im GmbH-Recht, Genossenschafts-, Handelsregister- sowie

Firmenrecht), BBl 2008 1589, S. 1633. 994 LUTTER, KöKo, 1.A., § 57 AktG N 27 f. 995 BAUMBACH/HUECK, § 57 N 15.

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§ 14 DIE ZINSEN IN DER AG UND DER GMBH __________________________________________________________________________

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tatsächlichen Beginn der Geschäftstätigkeit. Der Zinssatz und die Laufzeit konnten nicht

durch eine Satzungsänderung verändert werden.996 Im Zuge der rechtlichen Anpassungen an

die zweite gesellschaftsrechtliche Richtlinie der EG997 wurde die Bestimmung zum 1. Juli

1979 ersatzlos gestrichen.998

V. ZUSAMMENFASSUNG UND BEMERKUNGEN

Im Gegensatz zur bereits dargestellten Situation in der Kollektivgesellschaft ist es der

AG und der GmbH ausdrücklich nicht gestattet, Zinsen auf das eingezahlte Kapital der

Gesellschafter zu bezahlen. Die einzige Ausnahme davon sind die Bauzinsen, die es der

Gesellschaft gestatten, während des Aufbaus oder der Erweiterung des von ihr betriebenen

Unternehmens eine gewisse Rendite an die Aktionäre auszuschütten. Bei den Bauzinsen

handelt es sich nicht um einen eigentlichen Zins, da es an dem begriffsnotwendigen

Bestehen einer zugrundeliegenden Hauptschuld des Zinsverpflichteten fehlt. Hingegen

handelt es sich um eine Ausschüttung von Grundkapital in einer Periode in der die

Gesellschaft keine Gewinne erwirtschaftet.

Die Bestimmung ist daher ökonomisch zweifelhaft, da sie den Entzug von Mitteln der

Gesellschaft in einer Phase erlaubt in der sie diese dringend benötigt und gleichzeitig keine

Schutzvorschriften zugunsten der Gläubiger vorsieht. Daher wäre es grundsätzlich

wünschenswert, dass die Bauzinsen im Rahmen der anstehenden Aktienrechtsrevision

sowohl für die AG als auch für die GmbH abgeschafft würden.

996 LUTTER, KöKo, 1.A., § 57 AktG N 28 ff. 997 RICHTLINIE 77/91/EWG DES RATES vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in

den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der

Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese

Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. L 26 vom 31.01.1977, S. 1-13). 998 LUTTER, KöKo, 2.A., § 57 AktG N 82.

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§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE __________________________________________________________________________

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§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE

I. DER ZINS IM WECHSELRECHT

A DER WECHSEL

1. RECHTSNATUR

Das schweizerische OR enthält keine Definition des Wechsels, sondern statuiert in

Art. 991 OR lediglich die inhaltlichen Erfordernisse bei deren Beachtung ein gültiger

Wechsel vorliegt. Der Wechsel ist ein Wertpapier, d.h. er ist gemäß dem allgemeinen

Wertpapierbegriff von Art. 965 OR eine Urkunde, mit der ein Recht derart verknüpft ist,

dass es ohne die Urkunde weder geltend gemacht noch auf andere übertragen werden kann.

Folglich gilt: „Der Besitz des Wechsels ist zugleich sachliche Voraussetzung für die

Anspruchsberechtigung“999. Genauer betrachtet ist der Wechsel ein gesetzliches

Ordrepapier, dies lässt sich aus den Bestimmungen ableiten, dass der Wechsel an die Order

einer Person ausgestellt wird (Art. 991 Ziff. 6 OR) und die Übertragung i.d.R. mittels

Indossament erfolgt (Art. 1001 Abs. 1 OR).1000 Da das Gesetz die Eigenschaft als

Ordrepapier vermutet, muss der Wechseltext die Klausel an die Order nicht zwingend

enthalten. Hingegen muss er eine negative Orderklausel (nicht an Order) bzw. Rektaklausel

enthalten, falls der Wechsel als Rektapapier ausgestaltet werden und ausschließlich mittels

Zession übertragbar sein soll.1001 Der Wechsel kann nicht als Inhaberpapier ausgestaltet

werden, wobei die gleichen Wirkungen durch ein Blankoindossament erreicht werden

können.1002 Aufgrund der beteiligten Parteien und der Funktion des Wechsels lassen sich die

nachfolgenden zwei Grundformen unterschieden.

a. DER GEZOGENE WECHSEL

Der sog. gezogene Wechsel (Art. 991 ff. OR) beinhaltet eine „unwiderrufliche

Anweisung“1003 des Ausstellers an den Bezogenen, „an den durch die Urkunde als berechtigt

Ausgewiesenen (an die Order)“, den sog. Remittenten, „eine bestimmte Geldsumme an

einem bestimmten Tag zu zahlen“, wobei der Aussteller für die Annahme und Einlösung des

Wechsels selbst haftet (qualifizierte Zahlungsanweisung1004).1005 Wurde der Wechsel vom

999 BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, WG Einl N 6. 1000 JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 136 f. 1001 JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 137, 165; BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, WG Einl N 8. 1002 BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, WG Einl N 8. 1003 BGE 127 III 559 E. 3a. 1004 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Vor Art. 990-1099 OR N 15. 1005 BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, WG Einl N 8.

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§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE __________________________________________________________________________

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Bezogenen noch nicht angenommen bzw. akzeptiert, so wird er als Tratte bezeichnet,

während der angenommene Wechsel als Akzept geläufig ist.1006 Der gezogene Wechsel ist

seiner Grundstruktur nach eine Anweisung (Art 466-471 OR) und kann beim Fehlen

zwingender Merkmale, d.h. wenn ein nichtiger Wechsel vorliegt, u.U. dennoch

Rechtswirkungen als gewöhnliche Anweisung entfalten.1007

b. DER EIGENE WECHSEL

Der eigene Wechsel (Art. 1096 ff. OR), der auch als Sola- oder trockener Wechsel

bezeichnet wird ist keine Anweisung, sondern eine Verpflichtung des Ausstellers selbst zur

Zahlung der Wechselsumme zu einem bestimmten Zeitpunkt (qualifiziertes Zahlungs-

versprechen1008).1009 Er ist ein zweipoliges Verhältnis und entspricht insoweit einem

abstrakten Schuldbekenntnis nach Art. 17 OR, welches aber den Regeln des Wertpapier-

rechts untersteht.1010 „Der Eigenwechsel ist eine Schuldanerkennung in Wechselform“.1011

2. ÜBERTRAGBARKEIT

Der Wechsel ist als Wertpapier grundsätzlich übertragbar. Dies geschieht

entweder durch Indossierung und Übergabe des Papiers oder durch Zession.1012 Letzteres

gilt zwingend im Fall der Rektaklausel (Art. 1001 Abs. 2 OR). Die Übertragung mittels

Indossament erfolgt schriftlich, i.d.R. auf der Rückseite des Wechsels.1013 Der Weg eines

Wechsels lässt sich daher aus dem Indossament nachvollziehen. Dies hat die wichtige

Rechtsfolge, dass alle Indossanten durch ihre Unterschrift im Indossament, sofern sie keinen

Vermerk mit einem Übertragungsverbot anbringen (Art. 1005 Abs. 2 OR), aus dem Wechsel

verpflichtet werden und jedem nachfolgenden Erwerber des Wechsels solidarisch haften,

falls der Aussteller bzw. der Akzeptant dem Inhaber zum vereinbarten Zeitpunkt die

Zahlung der Wechselsumme oder der Bezogene das Akzept verweigert.1014

1006 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Art. 991 OR N 6; BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, WG Einl N 8. 1007 MEIER-HAYOZ/VON DER CRONE, § 7 N 38. 1008 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Vor Art. 990-1099 OR N 16. 1009 GUHL/DRUEY, § 87 N 9; BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, WG Einl N 7; BGE 127 III 559 E. 3a. 1010 GUHL/DRUEY, § 87 N 9; JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 146; BGE 127 III 559 E. 3a. 1011 BGE 127 III 559 E. 3a. 1012 GUHL/DRUEY, § 87 N 24; GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Vor Art. 990-1099 OR N 13. 1013 GUHL/DRUEY, § 87 N 23 f. 1014 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Vor Art. 990-1099 OR N 13; GUHL/DRUEY, § 87 N 25.

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3. FUNKTION

a. ZAHLUNGSFUNKTION

Der Wechsel wurde ursprünglich als bargeldloses Zahlungsmittel geschaffen und

wird bis heute (selten) noch zu diesem Zweck verwendet. Dabei entsteht beim gezogenen

Wechsel ein Dreiecksverhältnis mit dem sog. Valuta- bzw. Zahlungsverhältnis zwischen

Aussteller und Anweisungsempfänger, dem Deckungsverhältnis zwischen Aussteller und

Bezogenem sowie dem Außenverhältnis zwischen Anweisungsempfänger und

Bezogenem.1015 Wird der Wechsel zur Erfüllung einer Schuld verwendet werden, so handelt

es sich i.d.R. um eine Hingabe zahlungshalber und keine Hingabe an Erfüllung statt. Die

Annahme des Wechsels führt folglich noch nicht zur Erfüllung der Schuld aus dem

Grundverhältnis.1016 Die Zahlungsfunktion wurde im Zuge der technischen Entwicklung

zunehmend von neuen bargeldlosen Zahlungsformen verdrängt, von denen die meisten aber

ein Guthaben zur Ausführung der Zahlung voraussetzen. Nur im internationalen Handels-

verkehr hatte der Wechsel noch länger eine gewisse Bedeutung als Zahlungsmittel.1017

b. KREDITFUNKTION

Neben der Zahlungsfunktion hat insbesondere der Eigenwechsel auch eine Kredit-

funktion, d.h. er kann zum Zahlungsaufschub oder zur Beschaffung von Fremdkapital

genutzt werden,1018 da im Eigenwechsel als verbriefte Form des Schuldversprechens die

Positionen von Aussteller und Angewiesenem zusammenfallen. Die Verwendung als Kredit-

mittel ist heute wohl die vorherrschende Funktion des Wechsels. Gegenüber anderen Fremd-

finanzierungsformen bietet der Wechsel dem Gläubiger aufgrund der formellen und

materiellen Wechselstrenge Vorteile in Bezug auf die Sicherheit des Bestands und die

Erfüllung der Forderung sowie eine schnellere und einfachere Vollstreckbarkeit. Zudem

wirken allfällige Mitunterzeichner (Akzeptanten, Indossanten, Wechselbürgen) als

solidarisch haftende Schuldner. Die Zirkulationsfähigkeit sowie der Gutglaubensschutz

erleichtern den Verkauf bzw. die Diskontierung des Wechsels und die Wechselurkunde ist

ein einfacher Beweistitel.1019 Hingegen bietet der Wechsel dem Gläubiger keine Real- oder

Personalsicherheiten und wird daher, abgesehen von einer allfälligen geschäftlichen Übung,

häufig als zweitklassiges Sicherungsmittel und Zeichen mangelnder Bonität angesehen.1020

1015 BÜLOW, Einführung WG N 2. 1016 BGE 127 III 559 E. 3b; GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Art. 991 OR N 2. 1017 BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, WG Einl N 69 f.; GUHL/DRUEY, § 87 N 5; JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 134. 1018 JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 134. 1019 JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 135; GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Vor Art. 990-1099 OR N 18. 1020 GUHL/DRUEY, § 87 N 6.

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4. WECHSELFORDERUNG

Der Wechsel kann nach Art. 991 Ziff. 2 OR ausschließlich auf eine Zahlungs-

verbindlichkeit lauten.1021 Andere Forderungen begründen keine Wechselforderung und

führen zur Nichtigkeit des Wechsels.1022 Die im Wechsel verbriefte Forderung ist eine

abstrakte Forderung, d.h. dass sie selbstständig von dem ihr zugrundeliegenden Rechts-

geschäft besteht (materielle Abstraktheit). Zudem enthält die Wechselurkunde lediglich den

geschuldeten Betrag, aber keinen Hinweis auf das Grundgeschäft (formelle Abstraktheit).1023

Eine schriftliche Bezugnahme in der Wechselurkunde auf das Grundgeschäft führt zur

Nichtigkeit des Wechsels (Art. 991 Ziff. 2 OR).1024 Das Eingehen einer Wechsel-

verbindlichkeit bewirkt aufgrund der Vermutung von Art. 116 Abs. 2 OR keine Novation

der bisherigen Schuld.1025 Hingegen wird eine Geldschuld durch die Verbriefung im

Wechsel von einer Bringschuld zur Holschuld. Dies beruht auf dem Präsentationserfordernis

des Wertpapiers zum Zweck der Akzeptierung und Zahlung der Wechselsumme, daher ist

auch der Zahlungsort zwingend auf der Urkunde anzubringen.1026

5. EINREDEAUSSCHLUSS

Gemäß Art. 1007 OR kann der zur Zahlung Verpflichtete dem Inhaber des

Wechsels keine Einreden aus dem Grundverhältnis zum Aussteller oder dem Verhältnis zum

vorherigen Inhaber entgegen halten, es sei denn der Inhaber habe „bei Erwerb des Wechsels

bewusst zum Nachteil des Schuldners gehandelt“ (Bösgläubigkeit).1027 Der grundsätzliche

Ausschluss persönlicher bzw. relativer Einreden soll die Umlauffähigkeit des Wechsels

gewährleisten.1028 Hingegen können jene Einreden gegenüber jedem Inhaber geltend

gemacht werden, die sich aus dem Wechselrecht bzw. aus der Urkunde ergeben (absolute

Einreden), wie z.B. Formmangel, Haftungsausschluss auf dem Wechsel oder Verjährung.1029

Dies gilt auch für sog. Gültigkeitseinreden, die sich nicht auf das Grundgeschäft beziehen,

„sondern auf den wechselrechtlichen Verpflichtungstatbestand und damit den Bestand der

abstrakten Wechselverpflichtung“1030, wie z.B. ein ungültiger Begebungsvertrag.1031

1021 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Vor Art. 990-1099 OR N 9. 1022 BÜLOW, Art. 6 WG N 11. 1023 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Vor Art. 990-1099 OR N 9. 1024 BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, WG Einl N 10. 1025 BGE 127 III 559 E. 3b; BGE 84 II 645 E. 3c. 1026 JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 138; GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Art. 991 OR N 15. 1027 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Art. 1007 OR N 1, 3, 4. 1028 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Art. 1007 OR N 3, 7; BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Art. 17 WG N 8, 13. 1029 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Art. 1007 OR N 2. 1030 BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Art. 17 WG N 9. 1031 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Art. 1007 OR N 5.

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6. WECHSELSTRENGE

Art. 991 OR beinhaltet die zwingenden formellen Voraussetzungen eines gültigen

gezogenen Wechsels bzw. Art. 1096 OR jene des eigenen Wechsels. Nur wenn diese Form-

vorschriften erfüllt sind, können die enthaltenen Erklärungen ihre wechselrechtlichen

Wirkungen entfalten (materielle Wechselstrenge). Insbesondere führt eine Verletzung aber

zum Ausschluss der Wechselbetreibung.1032 Dieses spezielle Verfahren zur Durchsetzung

von Forderungen aus Wechseln und Checks wird als prozessuale oder formelle

Wechselstrenge bezeichnet und ermöglicht eine schnellere Vollstreckung der Ansprüche

durch kürzere Fristen, weniger Verfahrensschritte und einen erschwerten Rechtsvorschlag

unter besonderen Bedingungen. Die Wechselbetreibung ist in Art. 177-189 SchKG geregelt

und kann nur angewendet werden wenn der Schuldner der Konkursbetreibung untersteht

(Art. 177 Abs. 1 OR). Andernfalls ist der Wechsel die Grundlage für eine reguläre

Betreibung.1033

7. PRÄSENTATION

Der Wechsel als Wertpapier muss vom Inhaber dem Bezogenen vorgelegt werden,

um die Zahlung der Wechselsumme zu erwirken. Die Fälligkeit bzw. der Verfalltag eines

Wechsels bestimmt sich ausschließlich nach den Angaben auf der Urkunde (Art. 991 Ziff. 4

OR), wobei nach Art. 1023 Abs. 1 OR vier Möglichkeiten in Betracht kommen.1034 Beim

sog. Tagwechsel ist auf der Urkunde ein bestimmtes Datum als Verfalltag angegeben. Der

Gläubiger kann ab diesem Tag präsentieren und der Schuldner muss den fälligen und

korrekt vorgelegten Wechsel sofort einlösen.1035 Der sog. Datowechsel hingegen nennt nur

eine Frist ab dem Tag der Ausstellung, nach deren Ablauf der Gläubiger die sofortige

Leistung des Schuldners durch Präsentation der Urkunde erwirken kann. Die Berechnung

der Frist erfolgt nach Art. 1026 OR.1036 Beim sog. Sichtwechsel enthält der Wechsel weder

Datum noch Frist, sondern nur einen Vermerk Sicht. Die Fälligkeit tritt mit dem Termin der

Vorlage des Wechsels beim Gläubiger ein.1037 Der Inhaber ist in seiner Entscheidung über

den Termin weitgehend frei, allerdings bestimmt das Gesetz in Art. 1024 Abs. 1 OR, dass

vorbehaltlich einer kürzeren oder längeren vereinbarten Frist, die Präsentation binnen eines

Jahres ab Ausstellung zu erfolgen hat. Der Fristbeginn kann aber von den Parteien auch

durch Vereinbarung einer anfänglichen Sperrfrist verzögert werden (Art. 1024 Abs. 2 OR).

Zuletzt kann auch ein sog. Nachsichtwechsel ausgestellt werden. Lautet ein Wechsel auf

1032 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Vor Art. 990-1099 OR N 10; GUHL/DRUEY, § 87 N 16. 1033 JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 141. 1034 NETZLE, BSK, Art. 1023 OR N 3; JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 195. 1035 NETZLE, BSK, Art. 1023 OR N 1, 3. 1036 NETZLE, BSK, Art. 1023 OR N 3; JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 195. 1037 NETZLE, BSK, Art. 1023 OR N 3; JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 195.

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§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE __________________________________________________________________________

174

nach Sicht, so ist er gemäß Art. 1013 Abs. 1 OR binnen einer Frist von wiederum einem

Jahr ab Ausstellung dem Bezogenen bzw. Aussteller zur Annahme vorzulegen.1038 Ab dem

Datum der Annahme (auf der Annahmeerklärung zwingend anzugeben) läuft die in der

Urkunde angegebene Frist (Art. 991 Ziff. 4 OR) mit deren Ablauf der Wechsel fällig wird

und der Gläubiger ihn erneut zur Zahlung vorlegen muss (Art. 1028 OR).1039 Die vier

gesetzlichen Möglichkeiten zur Bestimmung der Fälligkeit sind nach Art. 1023 Abs. 2 OR

abschließend und abweichende Vereinbarungen machen den Wechsel nichtig.1040 Fehlt eine

Angabe der Verfallzeit so liegt gemäß Art. 992 Abs. 2 OR subsidiär ein Sichtwechsel vor.

8. ANNAHME

Art. 1011 Abs. 1 OR bestimmt, dass der Inhaber eines Wechsel diesen dem

Bezogenen zur Annahme (Akzept) vorlegen kann. Erst die unterschriftliche Annahme-

erklärung begründet nach Art. 1018 Abs. 1 OR die Pflicht des Bezogenen bei Verfall den

Wechsel einzulösen; vorher ist er wechselrechtlich nicht verpflichtet. Mit der Annahme-

erklärung wird der Bezogene zum Akzeptant und die übrigen Wechselverpflichteten haften

nur subsidiär (Art. 1033 OR).1041 Wechselrechtlich besteht keine Pflicht zur Annahme durch

den Bezogenen, eine solche kann sich aber aus dem Deckungsverhältnis zum Aussteller

ergeben.1042 Durch das Akzept steigt der Wert des Wechsels, da der Bezogene damit die

Zahlung zusichert. In der Praxis wird das Akzept häufig bereits vor der Begebung des

Wechsels an den Wechselgläubiger vom Bezogenen eingeholt.1043

9. ZAHLUNG

Nach Art. 1028 Abs. 1 OR muss der Wechsel am Zahlungstag oder an einem der

beiden folgenden Werktage dem Bezogenen oder dem Aussteller (beim Eigenwechsel) zur

Zahlung vorgelegt werden. Die Vorlage muss an dem auf der Wechselurkunde angegebenen

Ort erfolgen. Der Bezogene muss einen am richtigen Ort und innert Frist vorgelegten Wechsel

den er akzeptiert hat (Art. 1018 OR) auch einlösen. Die Vorlage darf grundsätzlich nicht früher

oder später erfolgen.1044 Legt der Inhaber den Wechsel nicht rechtzeitig zur Zahlung vor, so

behält er zwar seinen Anspruch gegenüber dem Hauptschuldner, aber er geht nach Art. 1050

Abs. 1 OR aller subsidiären Regressansprüche verlustig (Präjudizierung).1045 Erfolgt die

1038 NETZLE, BSK, Art. 1023 OR N 3, Art. 1025 OR N 1; JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 195. 1039 NETZLE, BSK, Art. 1025 OR N 1 1040 JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 196. 1041 PERGOLIS, BSK, Art. 1018 OR N 1. 1042 MEIER-HAYOZ/VON DER CRONE, § 7 N 90. 1043 PERGOLIS, BSK, Art. 1011 OR N 1, 2. 1044 NETZLE, BSK, Art. 1028 OR N 2; JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 196. 1045 NETZLE, BSK, Art. 1028 OR N 5; TAISCH/BEUTTER, S. 137.

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§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE __________________________________________________________________________

175

Präsentation hingegen form- und fristgerecht, aber verweigert der Schuldner dennoch die

Zahlung, dann kann der Inhaber nach Art. 1033 Abs. 1 OR Rückgriff gegen die Indossanten,

den Aussteller und alle anderen Wechselverpflichteten nehmen. Dies gilt gemäß Art. 1033

Abs. 2 OR bereits vor der Fälligkeit bei Verweigerung des Akzepts und bei Konkurseröffnung

über den Bezogenen bzw. Aussteller.1046

10. DISKONTIERUNG

Der Begriff der Diskontierung bezeichnet den Erwerb nicht fälliger Forderungen

gegen Entgelt unter Abzug eines Diskonts. Der Abzug von der Wechselforderung setzt sich

zusammen aus einem Zwischenzins, einem Kostenanteil und einer Provision. Der

Zwischenzins wird über die Restlaufzeit des Wechsels bis zum Fälligkeitstermin berechnet

und als Diskont bezeichnet. Durch die Diskontierung kann sich der Inhaber des Wechsels

bereits vor dessen Verfall Liquidität verschaffen. Der Diskontgeber, regelmäßig ein

Kreditinstitut, legt dann den Wechsel zum Fälligkeitstermin dem Bezogenen oder Aussteller

zur Zahlung vor.1047 Im Kundengeschäft der Banken ist für Diskontgeschäfte der

Privatdiskontsatz maßgeblich, wobei die Bedeutung dieses Geschäfts heute sehr gering ist.

Im Verhältnis der Geschäftsbanken zu den Zentralbanken ist hingegen der Diskontsatz der

jeweiligen Nationalbank maßgeblich, sofern dieser noch nicht abgeschafft worden ist. Die

Schweizerische Nationalbank äußert sich zum Diskontgeschäft nur kurz, aber sehr klar:

„Das Diskontgeschäft ist in den letzten Jahren in der Praxis bedeutungslos geworden. Die

Nationalbank ist nicht zur Gewährung von Diskontkrediten verpflichtet. Sie behält sich die

Möglichkeit zur Diskontierung von Wertpapieren für Sondersituationen vor, in denen sie

den Banken auf breiter Basis Kredite gewähren will“1048. „Gegenwärtig legt die

Nationalbank wegen der verschwindenden Bedeutung des Diskontgeschäfts keinen

Diskontsatz mehr fest“1049.

B DIE ZINSBESTIMMUNGEN

1. DAS ZINSVERSPRECHEN

a. GRUNDSATZ

Grundsätzlich sind Zinsvereinbarungen im Wechselrecht unzulässig. Dies leitet

sich aus der inhaltlichen Formvorschrift von Art. 991 Abs. 2 OR ab, dass auf der Wechsel-

1046 TAISCH/BEUTTER, S. 137. 1047 BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Art. 11 WG N 27; TAISCH/BEUTTER, S. 132 f. 1048 SCHWEIZERISCHE NATIONALBANK (SNB), Glossar (Diskontgeschäft). 1049 SCHWEIZERISCHE NATIONALBANK (SNB), Glossar (Diskontsatz).

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§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE __________________________________________________________________________

176

urkunde die Wechselsumme zu vermerken ist.1050 Dabei muss es sich um einen einheitlichen

und bestimmten Geldbetrag handeln. Unzulässig sind ungefähre Angaben, aber auch

Rahmenbeträge, Währungsgleitklauseln, Wertsicherungsklauseln oder Kurswerte von

Waren oder Wertpapieren.1051 Ebenso unzureichend ist es, wenn der Betrag nur bestimmbar

oder errechenbar ist, sondern er muss sich unmittelbar aus der Urkunde ergeben.1052 Dem

Erfordernis des einheitlichen und bestimmten Betrags widerspricht eine Verzinsung der

Wechselsumme. Ein Zinsvermerk macht den Wechsel aber nicht gesamthaft nichtig,

sondern der Vermerk wird als nicht geschrieben betrachtet (Art. 995 Abs. 1 Satz 2 OR).1053

b. AUSNAHME: SICHT- UND NACHSICHTWECHSEL

Eine Ausnahme von diesem Prinzip macht das Gesetz allerdings für zwei der vier

zuvor dargestellten Fälligkeitstypen1054. Das Zinsverbot wird aufgehoben für Wechsel, die

auf Sicht oder auf bestimmte Zeit nach Sicht lauten (Art. 995 Abs. 1 Satz. 1), wobei der

Zinssatz in diesen Fällen auf der Urkunde selbst zu vermerken ist, andernfalls gilt auch

dieser Zinsvermerk als nicht geschrieben (Art. 995 Abs. 2 OR). Die unterschiedliche

Behandlung von Tag- und Datowechseln einerseits sowie Sicht- und Nachsichtwechseln

andererseits, ist vor dem Hintergrund ihrer unterschiedlichen Konstruktion gerechtfertigt.

Bei den Tag- und Datowechseln steht die Laufzeit des Wechsels bis zur Fälligkeit fest,

daher können die Parteien einen Zinssatz vereinbaren und die Zinsen für die gesamte

Laufzeit bereits vor der Ausstellung berechnen. Die Zinsen werden dann von vornhinein in

die Wechselsumme einkalkuliert.1055 Bei Sicht- und Nachsichtwechseln hingegen steht der

Tag der Präsentation und der Zahlung nicht von vornhinein fest, sondern liegt weitgehend

im Ermessen des Inhabers. Da eine vorgängige Kalkulation der Zinsen somit nicht in

Betracht kommt, erlaubt das Gesetz den Parteien in diesen Fällen eine Verzinsung zu

vereinbaren, verlangt aber den Zinssatz auf der Urkunde zu vermerken.1056 Diese

zwingenden Formvorschriften dienen der Umlauffähigkeit des Wechsels, da nur durch die

vollständige Angabe des Zinssatzes und allfälliger Berechnungsmodalitäten die

Gesamtbelastung aus dem Wechsel ersehen und berechnet werden kann.1057

1050 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Art. 995 OR N 1. 1051 BÜLOW, Art. 1 WG N 13. 1052 BÜLOW, Art. 1 WG N 13; BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Art. 1 WG N 10. 1053 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Art. 995 OR N 1. 1054 Siehe § 15 I A 7. 1055 BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Art. 5 WG N 1. 1056 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Art. 995 OR N 2, 3; BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Art. 5 WG N 1. 1057 BÜLOW, Art. 5 WG N 2.

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§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE __________________________________________________________________________

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c. EINZELFRAGEN

Unklare oder unsichere Zinsvereinbarungen gelten als nicht geschrieben, führen

aber nicht zur Nichtigkeit des Wechsels. Mangels exakter Bestimmung durch die Parteien

sind Zinssätze ohne Bezeichnung als Jahreszinsen zu verstehen, wobei andere Berechnungs-

perioden möglich sind.1058 Finden sich auf der Wechselurkunde mehrere widersprüchliche

Zinsversprechen, so ist vermutlich jenes im Wechseltext maßgeblich.1059 Der Zinsenlauf

beginnt nach der gesetzlichen Vermutung am Tag der Ausstellung, die Parteien sind aber

frei einen anderen Zeitpunkt zu wählen.1060 In Bezug auf überhöhte Zinssätze in einem

Wechsel ist mangels spezieller Bestimmungen auf die allgemeinen Beschränkungen zu

verweisen.1061 Als Rechtsfolge kommt aber wohl nur die Teilnichtigkeit oder Reduktion der

Zinsabrede in Betracht, jedoch nicht die Nichtigkeit des Wechsels. Insbesondere zum Schutz

der Umlauffähigkeit des Wechsels und des gutgläubigen Erwerbers sollte die Berufung auf

Ganznichtigkeit ausgeschlossen sein.

d. PROZESSUALES

Den Gläubiger trifft keine Beweislast für die Höhe des Zinssatzes, sofern sich

dieser aus der Wechselurkunde selbst ergibt. Ein unklarer Zinsvermerk gilt wie erwähnt als

nicht geschrieben, daher kommt kein Beweis durch außerhalb der Urkunde liegende

Umstände in Betracht.1062 Entsprechend ist auch keine Ergänzung durch einen subsidiären

gesetzlichen Zinssatz möglich, ebenso wie die Bestimmung des Zinssatzes nicht bewusst

offen gelassen und der Entscheidung des Gerichts überlassen werden kann.

2. DER REGRESSZINS

a. RÜCKGRIFF DES INHABERS

Art. 1045 OR regelt Höhe und Bestandteile der Regressforderung des Inhabers im

Wechselrecht. Der Regress kommt zur Anwendung, wenn der Inhaber vom Akzeptanten

zum Zeitpunkt der Vorlage zur Zahlung nicht die Wechselsumme ausgezahlt erhält oder der

zur Annahme vorgelegte Wechsel nicht akzeptiert wird. Der Anspruch umfasst die

Wechselsumme selbst, nebst allfällig vereinbarter Zinsen bis zum Verfalltag (Art. 1045

Abs. 1 Ziff. 1 OR), Zinsen von 6% p.a. seit dem Verfalltag (Ziff. 2), die Kosten des Protests

und der Nachrichten sowie andere Auslagen (Ziff. 3) und eine Provision von maximal 1/3%

der Wechselsumme (Ziff. 4). Der letzte Inhaber kann diesen Betrag beim ersten Rückgriff

1058 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Art. 995 OR N 3; BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Art. 5 WG N 2. 1059 BÜLOW, Art. 5 WG N 2. 1060 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Art. 995 OR N 4; BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Art. 5 WG N 3. 1061 Siehe § 4. 1062 GRÜNINGER/HUNZIKER/ROTH, BSK, Art. 995 OR N 5.

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auf die Indossanten oder den Aussteller verlangen. Wurde der Wechsel mangels Zahlung

protestiert, dann hat der Inhaber aus Art. 1018 Abs. 2 OR auch einen unmittelbaren

Anspruch in dieser Höhe gegen den Annehmer. Die Aufzählung der Bestandteile der

Regresssumme ist abschließend; weiterer Schaden kann nicht geltend gemacht werden.1063

Insbesondere ausgeschlossen ist der erweiterte Schadenersatz nach Art. 106 OR.1064 Im

Gegenzug ist für den Anspruch auf Zinsen, Kostenersatz und Provision keine förmliche

Inverzugsetzung des Annehmers erforderlich.1065 Der Zins ist geschuldet vom Verfalltag bis

zum Tag der Einlösung auf dem nach Ziff. 1 berechneten Grundbetrag inklusive allfällig

vereinbarter Zinsen bis zum Verfalltag; die Beträge der Ziff. 3 und 4 bleiben unverzinst.1066

Durch die Regressverzinsung der Wechselsumme inklusive Zins gestattet das OR an dieser

Stelle die sonst abgelehnten Zinseszinsen. Der Zinssatz beträgt grundsätzlich 6% p.a.1067

b. RÜCKGRIFF DES EINLÖSERS

Der Zinssatz von 6% p.a. gilt nach Art. 1046 Ziff. 2 OR auch im Regress des

Einlösers, der vom Inhaber (Erstrückgriff) oder von einem nach ihm im Indossament

stehenden Indossaten (Zweit-, Drittrückgriff) selbst in Regress genommen wurde oder der

den Wechsel freiwillig eingelöst hat (Art. 1047 Abs. 1 OR).1068 Der Einlöser kann von

seinen Vordermännern eine Regresssumme verlangen, die sich ähnlich wie nach Art. 1045

Abs. 1 OR aus dem selbst gezahlten Betrag, d.h. inkl. Zinsen seit dem Verfalltag (Ziff. 1),

Zinsen zu 6% seit dem Tag der Einlösung (Ziff. 2), seinen Auslagen (Ziff. 3) und einer

Provision von maximal 2 Promille der Wechselsumme zusammensetzt (Ziff. 4). Da in dem

vom Einlöser bezahlten Betrag nach Ziff. 1 bereits die seit dem Verfalltag aufgelaufenen

Zinsen enthalten sind und auf den gesamten Betrag der Regresszins angewendet wird, lässt

das Gesetz an dieser Stelle wiederum die sonst verpönten Zinseszinsen entstehen.1069

3. DER DISKONTZINS IM REGRESS VOR VERFALL

Eine spezielle Bestimmung für den Regress des Inhabers enthält Art. 1045 Abs. 2

OR. Danach ist die Regressforderung nach Abs. 1 zu reduzieren, falls der Inhaber seinen

Rückgriff nicht nach, sondern bereits vor dem Verfalltag vornimmt. Die Reduktion erfolgt

1063 BAUER, BSK, Art. 1045 OR N 1. 1064 WEBER, BK, Art. 106 OR N 7; BGer v. 21.01.1993, SJ 1993 S. 321 E. 5c/bb. 1065 BAUER, BSK, Art. 1045 OR N 3; BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Art. 48 WG N 4. 1066 BAUER, BSK, Art. 1045 OR N 3; BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Art. 48 WG N 4; BÜLOW, Art. 48 WG N 5. 1067 Im deutschen Wechselgesetz kann auch ein höherer Zinssatz geltend gemacht werden. Sofern es sich um einen im

Inland ausgestellten und zahlbaren Wechsel handelt, gilt nach dem wortgleichen Art. 48 Abs. 1 Ziff. 2 WG ein

Aufschlag von 2% über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB, allerdings mindestens ein Satz von 6% p.a.

Vgl. BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Art. 48 WG N 4; BÜLOW, Art. 48 WG N 6. 1068 BAUER, BSK, Art. 1046 OR N 1. 1069 BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Art. 49 WG N 5; BÜLOW, Art. 49 WG N 3.

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wie beim Diskontieren durch einen prozentualen Abzug. Maßgeblich für die Diskontierung

ist die Wechselsumme samt Zinsen bis zum Verfalltag nach Art. 1045 Abs. 1 Ziff. 1 OR.

Auf diesem Betrag ist der Zins für die Zeit zwischen der vorzeitigen Einlösung und dem

ursprünglich Verfalltag zu berechnen.1070 Die Höhe des Zinssatzes ist nicht durch einen

festen Prozentsatz vorgegeben, sondern das Gesetz verweist auf den von der

Schweizerischen Nationalbank festgelegten und publizierten Diskontsatz am Tag des

Rückgriffs und am Wohnort des Inhabers. An dieser Stelle wurde das Gesetz von der realen

Entwicklung überholt. Wie zuvor dargestellt1071 gehört das Diskontgeschäft nicht mehr zum

üblichen Instrumentarium der SNB, wie übrigens auch der Europäischen Zentralbank

(EZB). Daher wird auch kein tagesaktueller Diskontsatz mehr festgelegt und veröffentlicht.

Der letzte publizierte Diskontsatz der SNB datiert vom 30.12.1999.1072 Obwohl aufgrund

des eindeutigen Verweises von Art. 1045 Abs. 2 OR keine eigentliche Gesetzeslücke

vorliegt, ist unklar welcher Zinssatz zukünftig anzuwenden ist. Daher müssen die Gerichte

eine Entscheidung auf dem Weg der Auslegung suchen, solange der Gesetzgeber keine neue

Referenzgröße bestimmt. Mangels praktischer Bedeutung des Wechsels, der in den Bilanzen

der Schweizer Banken nur noch weniger als 0,027% der gesamten Aktiven ausmacht (davon

nur ca. 20% in Schweizer Franken)1073, handelt es sich bei diesem Problem um ein unter-

geordnetes Revisionsbedürfnis, das aber aufgrund der Herkunft der Bestimmung aus dem

Abkommen über das Einheitliche Wechselgesetz nicht unproblematisch umzusetzen ist.1074

II. DER ZINS IM CHECKRECHT

A DER CHECK

1. BEGRIFF

Der Check nach Art. 1100 ff. OR zeigt wesentliche Ähnlichkeiten zum gezogenen

Wechsel, aber im Detail auch gewollte Unterschiede. Der Check ist wie der Wechsel ein

Wertpapier und „verkörpert eine wertpapierrechtliche Form der schriftlichen Bank-

anweisung“1075. Darin weist der Aussteller eine Bank abstrakt und unbedingt an, auf Sicht

eine Zahlung an den Checkberechtigten zu leisten. Die Zahlung kann damit an den auf dem

Check vermerkten Empfänger, an seine Order oder an den Inhaber des Checks erfolgen.1076

1070 BAUER, BSK, Art. 1045 OR N 6. 1071 Siehe § 15 I A 10. 1072 SCHWEIZERISCHE NATIONALBANK (SNB), Zinssätze und Renditen - Historische Zeitreihen 4, Tabelle 1.1 L. 1073 SCHWEIZERISCHE NATIONALBANK (SNB), Bankenstatistisches Monatsheft September 2010, Tabelle 1A, S. 28,

Tabelle 1G, S. 64. 1074 Siehe § 15 III. 1075 WIDMER, BSK, Art. Vor Art. 1100-1144 OR N 2. 1076 WIDMER, BSK, Art. Vor Art. 1100-1144 OR N 2.

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2. FUNKTION

Der Check hat die Funktion, eine Zahlung an einen Dritten zu bewirken, wobei der

Bezogene zwingend ein Kreditinstitut sein muss1077, bei dem der Aussteller über ein

Guthaben verfügt. Ein Check verschafft dem Aussteller daher auch kurzfristig keinen

Kredit. Diese Beschränkung ist gewollt, da der Check nur dem bargeldlosen Zahlungs-

verkehr dienen soll. Verschiedene zwingende Vorschriften im Gesetz dienen dem Zweck

eine Kreditfunktion des Checks zu verhindern. Dazu zählen neben dem Deckungserfordernis

(Art. 1103 Abs. 1 OR) insbesondere der Ausschluss des Akzepts (Art. 1104 OR), die

Beschränkung des Verfalls auf Sicht (Art. 1115 Abs. 1 OR) und der absolute Ausschluss der

Verzinsung (Art. 1106 OR).1078 Obwohl der Check der Erfüllung einer Geldforderung dient,

handelt es sich bei der Hingabe eines Checks lediglich um eine Hingabe erfüllungshalber,

nicht an Erfüllung statt. Die Grundforderung gilt solange als gestundet, wie der Gläubiger

„mit verkehrsüblicher Sorgfalt“ versucht den Check einzulösen.1079

3. WIRTSCHAFTLICHE BEDEUTUNG

Auch der Check hat in den letzten Jahren seine Funktion weitgehend verloren,

indem er durch elektronische Formen der bargeldlosen Zahlung abgelöst wurde.1080 Ein

wesentlicher Vorteil des Checks ist allerdings noch heute die Möglichkeit, eine Transaktion

tatsächlich Zug-um-Zug (z.B. Ware gegen Check) ausführen zu können. Diese örtliche und

zeitliche Kongruenz kann auch der elektronische Zahlungs- und Überweisungsverkehr nicht

in gleicher Form gewähren. Zum Rückgang der Checknutzung haben sicher auch die

aufgrund des größeren Verarbeitungsaufwandes höheren Gebühren der Banken für die

Ausgabe und Annahme von Checks beigetragen. Die Bank für Internationalen

Zahlungsausgleich (BIZ) weist in den letzten publizierten Daten für 2008 einen Anteil

sämtlicher Checks an den gesamten Zahlungstransaktionen in der Schweiz von 0,082% aus,

wobei dies immerhin ca. 1,0 Mio. Transaktionen entspricht. Die rückläufige Tendenz zeigt

sich aber eindeutig im Vergleich zu den Daten von 2003, mit ca. 3,5 Mio. Transaktionen

und einem Anteil von ca. 0,37%. Die gleiche Entwicklung zeigt sich auch bei den

übertragenen Vermögenswerten: Dies waren 2008 CHF 2,5 Mrd., entsprechend 0,058% aller

Transaktionswerte, während die Statistiken 2003 noch CHF 10,0 Mrd., d.h. 0,27%

auswiesen.1081

1077 BÜLOW, Einführung SchG N 1. 1078 WIDMER, BSK, Art. Vor Art. 1100-1144 OR N 3. 1079 BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Einl SchG N 35, 36; BÜLOW, Einführung SchG N 7. 1080 BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Einl SchG N 7. 1081 BANK FOR INTERNATIONAL SETTLEMENTS (BIS) (December 2009), S. 189 f.; BANK FOR INTERNATIONAL

SETTLEMENTS (BIS) (March 2009), S. 187 f.

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4. UMLAUFFÄHIGKEIT

Der Check ist wie der Wechsel ein gesetzliches Ordrepapier, d.h. er kann mittels

Indossament und Übergabe des Papiers übertragen werden. Aufgrund der gesetzlichen

Beschränkungen bezüglich der Nutzung des Checks zur Kreditbeschaffung ist dessen

Gebrauch als Umlaufpapier aber selten. Am wichtigsten ist in diesem Zusammenhang die

Übertragung des Checks zwecks Inkasso der verbrieften Forderung durch einen Dritten.1082

5. ZAHLUNG

Im Checkvertrag zwischen dem Aussteller und seiner Bank ist geregelt, unter

welchen Bedingungen der Austeller als Kunde berechtigt ist Checks auszustellen, d.h.

Checks auf die Bank zu ziehen und diese damit zur Zahlung anzuweisen. Außerdem

bestimmt der Vertrag, unter welchen Bedingungen die Bank verpflichtet ist die Anweisung

auszuführen. Die Bank ist aufgrund des Checks ermächtigt, aus ihrem eigenen Vermögen,

aber mit Wirkung für den Aussteller (zu Lasten seines Kontos), an den Inhaber des Checks

zu leisten.1083 Der Inhaber wird dadurch begünstigt, erlangt aber kein Forderungsrecht gegen

die Bank selber. Hingegen erlangt er einen Rückgriffsanspruch gegen den Aussteller und

allfällige Indossanten oder Checkbürgen, falls die Bank die Zahlung verweigert und die

Weigerung durch verurkundete Erklärung der Bank oder ordnungsgemäßen Protest

feststeht.1084

B DIE ZINSBESTIMMUNGEN

1. ZINSVERSPRECHEN

Wie im Wechselrecht ist auch im Checkrecht das Nehmen von Zinsen gesetzlich

beschränkt. Dies allerdings mit dem Unterschied, dass das Verbot der Zinsabrede beim

Check, der einzig auf Sicht fällig werden kann, absolut und ohne Ausnahme gilt. Art. 1106

OR bestimmt, dass ein in die Checkurkunde aufgenommener Zinsvermerk als nicht

geschrieben, d.h. ungültig anzusehen ist. Die Gültigkeit des Checks wird von dieser

Rechtsfolge nicht berührt.1085 Das Verbot der Zinsabrede macht Checks als Kreditmittel

unattraktiv, weil der Checknehmer keinen Zins für die bei Ausstellung unbestimmte

Laufzeit bis zur Einlösung bei Sicht nehmen kann, sondern sich höchstens mit einem

pauschalen zum Ausstellungszeitpunkt in die Checksumme einbezogenen Zins begnügen

1082 WIDMER, BSK, Vor Art. 1100-1144 OR N 3. 1083 BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Einl SchG N 10; WIDMER, BSK, Vor Art. 1100-1144 OR N 2. 1084 WIDMER, BSK, Vor Art. 1100-1144 OR N 2. 1085 WIDMER, BSK, Art. 1106 OR N 3; BÜLOW, Art. 7 SchG N 1.

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muss.1086 Eine Zinsvereinbarung würde aber auch die einfache Umlauffähigkeit und damit

die Zahlungsfunktion behindern, wenn beim Inkasso nicht nur die verbriefte Wechselsumme

einzufordern wäre, sondern auch die aufgelaufenen Zinsen vom Tag der Ausstellung bis zur

Vorlage berechnet werden müssten.1087 Zuletzt ist der Inhaber des Checks durch den

gesetzlichen Ausschluss von Zinsen eher daran interessiert den Check schnell vorzulegen

und einzulösen, weil er für andere Anlageformen Zinsen beziehen kann.1088 Der Check soll

eben primär Zahlungsmittel und nicht Kredit- oder Anlageform sein.

2. REGRESSZINS

a. RÜCKGRIFF DES INHABERS

Der Rückgriff des Checkinhabers in Art. 1130 OR entspricht weitgehend der

korrespondierenden Vorschrift im Wechselrecht (Art. 1045 Abs. 1 OR). Bezüglich der

Zusammensetzung der Regressforderung ergeben sich lediglich kleinere Unterschiede. Der

Anspruch des Inhabers umfasst die unverzinste Checksumme (Ziff. 1), Zinsen auf der

Checksumme von 6% p.a. ab dem Tag der tatsächlichen Vorlage (Ziff. 2)1089, Kosten und

Auslagen (Ziff. 3) sowie eine Provision von maximal 1/3% der Checksumme (Ziff. 4). Im

Fall einer teilweisen Einlösung kommt nur der offen gebliebene Teil der Checksumme als

Rückgriffsbetrag in Betracht. Eine Bestimmung zum Abzug von Zwischenzinsen gibt es

nicht, da beim Check, der auf Sicht fällig wird, per definitionem keine Einlösung vor Verfall

möglich ist.1090

b. RÜCKGRIFF DES EINLÖSERS

Der Regress des Einlösers eines Checks richtet sich aufgrund des expliziten

Verweises von Art. 1143 Abs. 1 Ziff. 13 OR nach den entsprechenden wechselrechtlichen

Bestimmungen der Art. 1046 f. OR, so dass vollumfänglich auf die zuvor gemachten

Ausführungen1091 verwiesen werden kann.1092

C EXKURS: AUSFALLSTRAFE BEI MANGELNDER DECKUNG

Eine spezielle Bestimmung enthält Art. 1103 OR im Zusammenhang mit dem

checkrechtlichen Deckungserfordernis. Gemäß Abs. 1 ist es dem Aussteller nur gestattet

einen Check auszustellen, wenn er bei der bezogenen Bank über ein entsprechendes

1086 TC VS v. 28.02.1974, ZWR 1974 S. 9 E. 3; WIDMER, BSK, Art. 1106 OR N 1. 1087 WIDMER, BSK, Art. 1106 OR N 2. 1088 BAUMBACH/HEFERMEHL/CASPER, Art. 7 SchG N 1; BÜLOW, Art. 7 SchG N 1. 1089 BÜLOW, Art. 45 SchG N 4. 1090 BÜLOW, Art. 45 SchG N 3. 1091 Siehe § 15 I B 2 b. 1092 JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 282; BAUER, BSK, Art. 1130 OR N 2.

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§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE __________________________________________________________________________

183

Guthaben verfügt. Verstößt der Aussteller gegen diese Voraussetzung ganz oder teilweise

und verweigert die Bezogene die Auszahlung der Checksumme im entsprechenden Umfang,

so beeinträchtigt dies ausdrücklich nicht die Gültigkeit des Checks (Abs. 1 Satz 2).

Hingegen wird der Aussteller gegenüber dem Inhaber haftpflichtig (Abs. 3). Er muss ihm

den gesamten verursachten Schaden ersetzten, zuzüglich einer pauschalen Entschädigung

von 5% des ungedeckten Betrages, unabhängig von der Dauer des Verzugs.1093 Die

Berechnung erfolgt zwar auf dem ungedeckten Betrag, aber nicht pro rata temporis, sondern

es ist eine einmalige effektive Quote von 5% geschuldet.1094 Daher ist diese Entschädigung

kein Zins im rechtlichen Sinn.1095 WIDMER1096 bezeichnet diese Vergütung als Privatstrafe,

OTTIKER als Buße.1097 Sie ist zudem unabhängig vom Verschulden des Ausstellers und

kumulativ zu den Regresszahlungen geschuldet.1098

III. BEMERKUNGEN

Die Zinsbestimmungen zu Wechsel und Check im OR fallen durch zwei

Besonderheiten auf. Einerseits bestimmt das Gesetz für den Regressfall in Art. 1045 f. OR

und Art. 1130 OR jeweils einen Zinssatz von 6% p.a., während im übrigen OR regelmäßig

ein Zinssatz von 5% p.a. angewendet wird. Andererseits gilt das an anderen Stellen im OR

vorgesehene Verbot von Zinseszinsen nicht für die Regresszinsen, die gemäß Art. 1045 Abs.

1 Ziff. 1 OR auf der Wechselsumme inkl. bedungener Zinsen berechnet werden. Diese

besonderen Regelungen sind dadurch begründet, dass das Wechsel- und Checkrecht durch

die Umsetzung der beiden internationalen Abkommen über das Einheitliche

Wechselgesetz1099 von 1930 und das Einheitliche Checkgesetz1100 von 1931 ins

schweizerische Recht eingeführt wurden. Die entsprechenden Bestimmungen und die

Zinssätze von 6% p.a. wurden beinahe wörtlich aus Art. 48 f. der Anlage I zum

Einheitlichen Wechselgesetz und Art. 45 der Anlage I zum Einheitlichen Checkgesetz

übernommen. Auch der Verweis auf den Diskontsatz der Nationalbank in Art. 1045 Abs. 2

OR hat seine Grundlage in Art. 48 Abs. 2 der Anlage I zum Einheitlichen Wechselgesetz.

Eine Veränderung des gesetzlichen Regresszinssatzes von 6% p.a. oder des Verweises auf

den Diskontsatz der SNB ist daher nur im Einklang mit den beiden internationalen

Abkommen möglich und kommt nur in Betracht, sofern und soweit die Abkommen dies

zulassen.

1093 OTTIKER, S. 5; V. THUR/PETER, § 10 S. 70. 1094 JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 282; ZIMMERMANN, Art. 1103 OR N 18. 1095 WEBER, BK, Art. 73 OR N 35; SCHRANER, ZK, Art. 73 OR N 22; a.A: GUHL/KOLLER, § 11 N 17 a.E (Strafzins). 1096 WIDMER, BSK, Art. 1103 OR N 5; JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, § 37 S. 282; ZIMMERMANN, Art. 1103 OR N 19 1097 OTTIKER, S. 5. 1098 BAUER, BSK, Art. 1130 OR N 3; JÄGGI/DRUEY/V. GREYERZ, S. 282; ZIMMERMANN, Art. 1103 OR N 19. 1099 Abkommen vom 7. Juni 1930 über das Einheitliche Wechselgesetz, SR 0.221.554.1. 1100 Abkommen vom 19. März 1931 über das Einheitliche Checkgesetz, SR 0.221.555.1.

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§ 15 DER ZINS IM RECHT DER BESONDEREN WERTPAPIERE __________________________________________________________________________

184

IV. ZUSAMMENFASSUNG

Die Vereinbarung von Zinsen ist im Wechselrecht grundsätzlich unzulässig. Ein

Zinsvermerk auf dem Wechsel wird als nicht geschrieben angesehen, führt hingegen nicht

zu Nichtigkeit des Wechsels. Das Zinsverbot kennt allerdings Ausnahmen für Wechsel die

auf Sicht oder auf nach Sicht lauten, wobei in diesen Fällen der Zinssatz in der Urkunde

selbst vermerkt sein muss; unklare Zinsvermerke gelten wiederum als nicht geschrieben.

Wird dem Inhaber vom Akzeptanten die Zahlung oder vom Bezogenen das Akzept

verweigert, so hat der Wechselinhaber eine Regressforderung gegen den Aussteller und alle

Indossanten. Die Regressforderung beinhaltet u.a. einen Anspruch auf Verzinsung der

Wechselsumme in Höhe von 6% p.a. seit dem Verfall. Für den Anspruch auf Zinsen,

Kostenersatz und Provision ist keine verzugsbegründende Mahnung erforderlich und

weiterer Schadenersatz wie im Verzugsrecht ist ausgeschlossen. Der gleiche Zinssatz von

6% p.a. gilt zudem auch im Regress des Einlösers der selbst in Regress genommen wurde.

Die Verzinsung der Wechselsumme im Regress erfolgt inklusive allfälliger vertraglicher

Zinsen, so dass das Gesetz im Wechselregress ausdrücklich Zinseszinsen gestattet.

Nimmt der Wechselinhaber bereits vor dem Verfall Rückgriff, so ist die

Regressforderung zu diskontieren. Der maßgebliche Zinssatz wird vom Gesetz flexibel

bestimmt durch einen Verweis auf den Diskontsatz der Schweizerischen Nationalbank am

Tag des Rückgriffs. Da dieser Zinssatz von der SNB zuletzt am 30.12.1999 festgesetzt und

publiziert wurde, ist für die Zukunft unklar, welcher Zinssatz im Regress anzuwenden ist.

Eine Revision der Bestimmung ist daher notwendig, aber nur im Einklang mit dem

internationalen Abkommen über das Einheitliche Wechselrecht möglich.

Wie im Wechselrecht ist auch im Checkrecht die Vereinbarung von Zinsen nicht

gestattet. Dies gilt beim Check hingegen ohne Ausnahme, da dieser kein Kreditmittel sein

soll, sondern ausschließlich für den Zahlungsverkehr konstruiert wurde. Ein Zinsvermerk

gilt wiederum als nicht geschrieben und die Gültigkeit des Checks wird dadurch nicht

beeinträchtigt. Der Rückgriff des Checkinhabers richtet sich nach den korrespondierenden

Bestimmungen im Wechselrecht mit einem Regresszinssatz in Höhe von 6% p.a.

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§ 16 ERGEBNIS UND ZUSAMMENFASSUNG __________________________________________________________________________

185

TEIL IV: ERGEBNIS UND VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER

ZINSBESTIMMUNGEN IM OR

§ 16 ERGEBNIS UND ZUSAMMENFASSUNG

I. VORBEMERKUNGEN

In diesem vierten Teil der vorliegenden Arbeit sollen zunächst die wichtigsten

Ergebnisse aus den vorangegangenen Kapiteln in Bezug auf die Eigenschaften von Zinsen im

rechtlichen Sinn und die Höhe der Zinssätze im schweizerischen Obligationenrecht dargestellt

werden. Aufbauend auf diesen Ergebnissen sowie dem erkannten Revisionsbedarf und -

potential im geltenden Recht soll anschließend ein Vorschlag für eine Revision verschiedener

Zinsbestimmungen vorgestellt werden, unter Berücksichtigung einer rechtsvergleichenden

Betrachtung ausgewählter Zinsbestimmungen im ausländischen Recht und in internationalen

Soft Law Kodifikationen.

II. DER ZINS IM ALLGEMEINEN

Der Zins im schweizerischen Privatrecht ist „die Vergütung, die ein Gläubiger für die

Entbehrung einer ihm geschuldeten Geldsumme zu fordern hat, sofern diese Vergütung sich

nach der Höhe der geschuldeten Summe und der Dauer der Schuld bestimmt“1101. Die

Pflicht zur Verzinsung einer Schuld bestimmt sich im Obligationenrecht primär nach einer

Vereinbarung der Parteien. Nur in bestimmten Fällen in denen davon ausgegangen werden

kann, dass der Gläubiger durch die freiwillige oder unfreiwillige Entbehrung seines Kapitals

einen wirtschaftlichen Nachteil erleidet, ordnet das Gesetz eine dispositive Verzinsungs-

pflicht zum Ausgleich des Nutzungsausfalls des Gläubigers an. In wenigen Ausnahmefällen

wird die Vereinbarung von Zinsen hingegen durch das Gesetz verboten.

III. DIE HÖHE DER ZINSSÄTZE

Die Höhe der anwendbaren Zinssätze wird ebenfalls in erster Linie durch die

beteiligten Parteien bestimmt. Dies gilt nicht nur für vertraglich vereinbarte Zinsen, sondern

grundsätzlich auch für gesetzliche Zinsen. Gemäß dem Grundsatz der Vertragsfreiheit steht

es den Parteien nicht nur offen für die Überlassung einer Geldsumme eine Vergütung zu

vereinbaren, sondern auch deren Konditionen festzulegen. Bei der Festlegung des Zinssatzes

berücksichtigen die Parteien regelmäßig verschiedene Faktoren, wie das allgemeine

Zinsniveau, die Entwicklung der Inflationsrate, das Gegenparteirisiko oder allfällige

1101 BGer v. 21.11.1990, BJM 1994 S. 37.

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§ 16 ERGEBNIS UND ZUSAMMENFASSUNG __________________________________________________________________________

186

Personal- und Realsicherheiten. Der vereinbarte Zinssatz muss nicht über die gesamte

Laufzeit der Kapitalüberlassung konstant bleiben oder von Beginn an genau bestimmt sein,

sondern er kann variabel ausgestaltet oder an die Entwicklung einer Referenzgröße

gekoppelt werden. Allerdings muss sich jede Zinsvereinbarung in den Grenzen der

Rechtsordnung bewegen, um gültig zu sein. Ein sehr hoher Zinssatz kann beispielsweise die

zivilrechtlichen Tatbestände der Sittenwidrigkeit und der Übervorteilung sowie den

strafrechtlichen Tatbestand des Wuchers erfüllen. Zudem kann eine Zinsvereinbarung im

Kanton Zürich gegen den gesetzlichen Höchstzinssatz von 18% p.a. verstoßen. Ein

allgemeiner Maximalzinssatz für die ganze Schweiz existiert nicht, sondern jede

Zinsvereinbarung muss unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls auf ihre

Vereinbarkeit mit dem geltenden Recht überprüft werden. Ein Richtwert für einen

überhöhten Zins dürfte bei einem Jahreszinssatz von ca. 18-20% liegen, wobei im Einzelfall

der Nachweis von Tatsachen möglich ist, die einen höheren Zinssatz rechtfertigen können,

z.B. schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Borgers oder eine hohe Inflationsrate. Auch

das allgemeine Zinsniveau auf den Geld- und Kapitalmärkten für die betroffene Währung

muss m.E. in die Betrachtung der Zulässigkeit einer Zinsvereinbarung einbezogen werden.

Falls die Parteien keine Vereinbarung über den anwendbaren Zinssatz getroffen haben

oder dieser nicht nachweisbar ist, kommen die gesetzlichen Zinsbestimmungen zur

Anwendung, die entweder auf den ortsüblichen Zinssatz verweisen oder dispositive

Zinssätze vorgeben. Solche dispositiven Zinssätze bestimmt das Gesetz allerdings lediglich

für den Verzug, für die Einlageverzinsung in der Kollektivgesellschaft und für den Check-

bzw. Wechselregress. Im Verzug unter Kaufleuten, im Genossenschaftsrecht und an anderer

Stelle im Wechselrecht verweist das Gesetz zudem auf unterschiedliche Marktzinssätze als

Referenzobjekte für die Bestimmung des anwendbaren Zinssatzes.

IV. DER ÜBLICHE ZINSSATZ IM DARLEHENSRECHT

Keinen dispositiven Zinssatz bestimmt das Gesetz insbesondere für den Darlehens-

vertrag, der wahrscheinlich die praktisch wichtigste rechtliche Grundlage für die

vertragliche Vereinbarung von Zinsen ist. Stattdessen wird jener Zinssatz als anwendbar

vermutet, der zur Zeit und am Ort des Darlehensempfangs für die betreffende Art von

Darlehen üblich war. In der Rechtsprechung kommt dieser übliche Zinssatz allerdings nicht

erkennbar zur Anwendung, sondern es wird stattdessen lediglich der allgemeine subsidiäre

Zinssatz angewendet. Dabei könnte m.E. gerade im Darlehensrecht ein üblicher Zinssatz aus

den Gepflogenheiten in der gewerblichen Kreditvergabe abgeleitet werden, der sich aus

einem Referenzzinssatz für die Refinanzierungskosten des Darleihers sowie einer Marge für

das von ihm zu tragende Gegenparteirisiko, seine Kosten und einen anteiligen Gewinn

zusammensetzen würde. Die Höhe der Marge wäre für jedes Darlehen anhand seiner

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§ 16 ERGEBNIS UND ZUSAMMENFASSUNG __________________________________________________________________________

187

individuellen Eigenschaften und unter Berücksichtigung der Praxis in der gewerblichen

Kreditvergabe zu bestimmen. Durch die Anwendung dieser Methode würde die

Bestimmung des Zinssatzes dem üblichen Vorgehen in der Kreditwirtschaft entsprechen und

es würde ein üblicher Zinssatz für die betreffende Art von Darlehen resultieren. Allerdings

müsste der Gläubiger vor Gericht einerseits die Üblichkeit der Methode sowie andererseits

die Höhe des angewendeten Referenzzinssatzes und der angesetzten Marge hinreichend

nachweisen. Alternativ könnte als Referenzobjekt für den üblichen Darlehenszinssatz auch

der ortsübliche Kontokorrentzinssatz der Geschäftsbanken im Kundenverkehr herangezogen

werden, wobei wiederum der Gläubiger den Nachweis erbringen müsste, dass dieser

Zinssatz auch für das betroffene Darlehen als üblich anzusehen sei. Durch den Nachweis

eines üblichen Zinssatzes in dieser Form könnte der Darleiher bereits de lege lata einen in

der Höhe angemessenen und marktkonformen Zinssatz für sein Darlehen erhalten, anstelle

der gesetzlichen 5% p.a., die allenfalls in einer Phase allgemein tiefer Zinsen eine

wirtschaftlich angemessene Vergütung darstellen. Im Gegenzug würde auch der Borger

jederzeit eine marktgerechte Vergütung schulden.

V. DIE ANWENDUNG DER SUBSIDIÄREN ZINSBESTIMMUNGEN

A IM ALLGEMEINEN

Für die Anwendung der übrigen Zinsbestimmungen, die lediglich die Verzinsungs-

pflicht anordnen, aber die Festsetzung des Zinssatzes bei Fehlen einer Vereinbarung den

Gerichten überlassen, greifen Lehre und Rechtsprechung, wie gezeigt, regelmäßig auf die

allgemeine subsidiäre Zinsbestimmung in Art. 73 Abs. 1 OR oder in gewissen Fällen auf die

allgemeine Verzugsregel in Art. 104 Abs. 1 OR zurück. Dies gilt auch für den Schadenszins,

der im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt ist.

Sofern die Parteien keine Zinsvereinbarung getroffen haben, wird ausschließlich der

von diesen Bestimmungen vorgegebene Zinssatz von 5% p.a. angewendet. Eine

Abweichung von diesem Zinssatz ist unter Art. 73 Abs. 1 OR nur durch den Nachweis eines

üblichen Zinssatzes möglich. Der tatsächliche Nachweis dieses üblichen Zinssatzes wird

aber meistens daran scheitern, dass entweder keine Übung für das betroffene Geschäft

bestimmbar ist oder die Kosten des Nachweises den potentiellen Ertrag übersteigen. Außer

im Darlehensrecht kann m.E. auch nicht ohne Weiteres an den üblichen Zinssatz im

Kontokorrentverkehr angeknüpft werden.

Kommt mangels einer Parteivereinbarung Art. 104 Abs. 1 OR analog zur

Anwendung, dann kann von dem dispositiven Zinssatz von 5% p.a. lediglich im

kaufmännischen Verkehr und nur durch den schwierigen Nachweis des üblichen

Bankdiskontos abgewichen werden. In jedem Fall bleibt dem Verzugsgläubiger allerdings

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§ 16 ERGEBNIS UND ZUSAMMENFASSUNG __________________________________________________________________________

188

im bürgerlichen und im kaufmännischen Verkehr immer der Nachweis des verschuldens-

abhängigen weiteren Schadens gemäß Art. 106 OR vorbehalten.

Die Anwendung der dargestellten Zinssätze von 5% p.a. erfolgt ohne Unterschiede

sowohl im bürgerlichen als auch im kaufmännischen Verkehr und ohne Berücksichtigung

der Entwicklung des allgemeinen Zinsniveaus. Die Angemessenheit der Höhe dieses

Zinssatzes und die fehlende Flexibilität bei seiner Bestimmung wird in der Lehre und der

Rechtsprechung kaum thematisiert, ebenso wie die fragwürdige Anwendung gleichhoher

Zinssätze im bürgerlichen und im kaufmännischen Verkehr, obwohl eine flexible

Anknüpfung und differenzierte Behandlung m.E. angebracht wäre.

B IM BÜRGERLICHEN VERKEHR

Im bürgerlichen Verkehr hat die derzeitige gesetzliche Regelung m.E. den Vorteil,

dass sie leicht verständlich und auch für den Laien einfach anwendbar ist. Zudem kann es im

bürgerlichen Verkehr nicht als üblich angesehen oder vermutet werden, dass der Gläubiger

das dem Schuldner freiwillig oder unfreiwillig überlassene Kapital ertragbringend genutzt

hätte oder sich selbst kurzfristig bei Dritten refinanzieren musste. Vor diesem Hintergrund

ist die Höhe der durch den gesetzlichen Zinssatz gewährten pauschalen Entschädigung von

5% p.a. angemessen, da der nicht-kaufmännische Gläubiger unter normalen Bedingungen

kurzfristig keinen höheren Ertrag mit seinem Kapital hätte realisieren können und ihm daher

regelmäßig kein größerer Nutzungsausfall entstanden ist. Zudem könnte die Anwendung

eines wesentlich höheren Zinssatzes im bürgerlichen Verkehr tendenziell zu negativen

gesamtwirtschaftlichen Folgen durch einen unerwünschten Anstieg der Verschuldung

privater Schuldner führen.

C IM KAUFMÄNNISCHEN VERKEHR

Im kaufmännischen Verkehr hingegen kompensiert der Zinssatz von 5% p.a. die mit

der freiwilligen oder unfreiwilligen Überlassung und Entbehrung von Kapital verbundenen

finanziellen Nachteile des Gläubigers nur unzureichend. Der starre subsidiäre Zinssatz und

ebenso der allgemeine Verzugszinssatz lassen keinen Raum für die Berücksichtigung der

tatsächlichen Finanzierungsbedingungen des Gläubigers, der Schwankungen des allgemeinen

Zinsniveaus oder des Gegenparteirisikos. Insbesondere in Phasen eines hohen Zinsniveaus

oder hoher Inflation ist ein Zinssatz von 5% p.a. für den Gläubiger eine zu geringe

Nutzungsausfallentschädigung, da er sich i.d.R. selbst zu höheren Konditionen refinanzieren

muss. Aber auch in Zeiten eines moderaten Zinsniveaus dürfte der Satz von 5% p.a. im

Geschäftsverkehr gerade einmal dem Marktniveau für einen Schuldner guter bis

durchschnittlicher Bonität entsprechen. Im Gegenzug wird der Schuldner durch diesen Zinssatz

regelmäßig bevorteilt, da er dem Gläubiger einen geringeren Zinssatz schuldet, als er für einen

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§ 16 ERGEBNIS UND ZUSAMMENFASSUNG __________________________________________________________________________

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kurzfristigen ungesicherten Kredit (z.B. Kontokorrentkredit) zu marktüblichen Konditionen

zahlen müsste, insbesondere wenn er nicht über beste Bonität verfügt. Besonders im Verzug im

kaufmännischen Verkehr werden durch die geltende Regelung sogar Anreize zum Missbrauch

geschaffen, wenn sich der Verzugsschuldner zum geringen Verzugszinssatz beim Gläubiger

finanzieren kann, anstatt bei einer Bank zu Marktkonditionen. Für den Gläubiger hingegen, der

sich vermutungsweise zu Marktbedingungen refinanzieren muss, kann sich der aus dem

geringen Verzugszinssatz resultierende finanzielle Nachteil auch zu einer Gefahr für seine

eigene Zahlungsfähigkeit entwickeln, insbesondere in Zeiten eines hohen Zinsniveaus oder

einer restriktiven Kreditvergabe der Geschäftsbanken.

Während der starre Zinssatz von 5% p.a. im bürgerlichen Verkehr somit noch als

angemessen und gerechtfertigt angesehen werden kann, ist er für die Anwendung im

kaufmännischen Verkehr zu gering, nicht marktgerecht und zu unflexibel.

VI. BESONDERE ZINSSÄTZE

Einen speziellen Zinssatz für den kaufmännischen Verkehr enthält, wie gezeigt,

derzeit nur das Verzugsrecht, mit der Möglichkeit zum Nachweis des ortsüblichen

Bankdiskontos. Die Anwendung dieses Zinssatzes scheitert in der Praxis aber regelmäßig

daran, dass dem Gläubiger der Nachweis des gemäß Bundesgericht anwendbaren

Privatdiskontsatzes der Geschäftsbanken misslingt, da die Banken diesen Zinssatz mangels

praktischer Bedeutung der Diskontierung von Wechseln im täglichen Geschäft kaum noch

tagesaktuell bestimmen, wie eine stichprobenweise Umfrage bei Zürcher Geschäftsbanken

gezeigt hat. Ohnehin stellt das Diskontgeschäft heute nicht mehr das angemessene

Referenzobjekt für den Verzugsschaden des Gläubigers dar, weil die kurzfristige

Refinanzierung im Geschäftsverkehr nicht mehr durch Wechsel, sondern i.d.R. über

Kontokorrentkredite oder kurzfristige Darlehen erfolgt. Allerdings hat das Bundesgericht,

wie erwähnt, die Anwendung des Kontokorrentzinssatzes im kaufmännischen Verzug

de lege lata abgelehnt.

Während eine solche Sonderordnung für den kaufmännischen Verkehr m.E.

grundsätzlich der richtige Ansatz ist und in andere Bereiche des Gesetzes übernommen

werden sollte, stellt der konkrete Verweis auf den heute nur noch schwer bestimmbaren und

nachweisbaren Privatdiskontsatz einen wesentlichen Mangel des geltenden Rechts dar, weil

die Bestimmung in dieser Form für den Gläubiger kaum noch durchsetzbar ist.

Auch an vereinzelten weiteren Stellen knüpft das Gesetz für die Bestimmung der

Zinssätze an die tatsächlichen Marktverhältnisse an, allerdings muss die Anwendung dieser

Bestimmungen in der Praxis ebenfalls an Beweisproblemen des Gläubigers scheitern, die

durch ungenau bezeichnete oder veraltete Referenzzinssätze entstehen. Dies gilt sowohl für

den Diskontsatz der Nationalbank im Wechselrecht als auch den landesüblichen Zinsfuss für

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§ 16 ERGEBNIS UND ZUSAMMENFASSUNG __________________________________________________________________________

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langfristige Darlehen ohne besondere Sicherheiten nach Art. 859 Abs. 3 OR. In diesem Sinn

ist insbesondere die Regelung im Wechselrecht unzureichend, da die SNB seit über zehn

Jahren keinen Diskontsatz mehr festlegt und der gesetzliche Verweis folglich ins Leere geht.

Aufgrund des Ursprungs des gesamten Check- und Wechselrechts in zwei internationalen

Abkommen kann eine Revision dieses Verweises nur im Einklang mit den zugrunde-

liegenden Abkommen erfolgen und soll daher im Rahmen der vorliegenden Arbeit

unterbleiben. Dies gilt ebenso für die untypischen gesetzlichen Zinssätze in Höhe von 6%

p.a. im Check- und Wechselrecht. Die schlichte Anwendung eines anderen Zinssatzes als

des genannten Diskontsatzes würde nicht nur den internationalen Abkommen

widersprechen, sondern könnte auch dessen spezifische Funktion und Höhe nicht

sachgerecht ersetzen.

VII. BESCHRÄNKUNGEN VON ZINSVEREINBARUNGEN

Im Bereich der Beschränkungen von Zinsvereinbarungen weist das geltende Recht

m.E. keinen dringenden Revisionsbedarf auf. Insbesondere erscheint es sachgerecht, dass

das Obligationenrecht keinen allgemeingültigen Höchstzinssatz festsetzt. Einzig das Verbot

der vorgängigen Vereinbarung von Zinseszinsen sowie die Beschränkungen für

Verzugszinsen auf ausstehenden Zinsen und Verzugszinsen sind m.E. entbehrlich, da sie

einerseits durch ihre Ausnahmen das exponentielle Anwachsen einer Schuld nicht wirksam

verhindern können, andererseits jedoch bewirken, dass dem Gläubiger nicht sein gesamter

Nutzungsausfall ersetzt wird. Außerdem widersprechen beide Beschränkungen den üblichen

Gepflogenheiten im Geschäftsverkehr, insbesondere im kommerziellen Kreditwesen, und

beschränken auch ökonomisch vorteilhafte und von den Parteien bewusst eingegangene

Zinsvereinbarungen, bei denen die Zahlung der Zinsen z.B. zur Liquiditätssteuerung

aufgeschoben werden soll. Insbesondere in Verhältnissen in denen eine Geldschuld unter

einem hohen Zinssatz lange ausstehend ist, können die kumulierten Zinsen die gleiche Höhe

wie die zugrundeliegende Hauptschuld erreichen, so dass dem Gläubiger ein wesentlicher

Wert an Zinseszinsen bzw. Verzugszinsen vorenthalten wird. Vor dem Hintergrund, dass der

Schutz des unerfahrenen Laien als Kreditnehmer im bürgerlichen Verkehr heute durch die

Vorschriften des KKG gewährleistet wird, sollten die Zinseszinsverbote im OR m.E.

aufgehoben werden, da sie im Geschäftsverkehr eher hinderlich sind, den entgangenen

Nutzen des Gläubigers an den Zinsen nicht berücksichtigen und zudem insbesondere im

Verzug zu den dargestellten Abgrenzungsproblemen zwischen zu verzinsendem Kapital und

nicht zu verzinsenden Zinsen führen.

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§ 16 ERGEBNIS UND ZUSAMMENFASSUNG __________________________________________________________________________

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VIII. AUSBLICK

Die dargestellte Ordnung der geltenden Zinsbestimmungen im Obligationenrecht und

die teilweise restriktive Rechtsprechung haben dazu geführt, dass im bürgerlichen und im

kaufmännischen Verkehr heute beinahe ausschließlich der dispositive bzw. subsidiäre

Zinssatz von 5% p.a. angewendet wird, weil es für den Gläubiger entweder nicht möglich ist

einen höheren vom Gesetz vorgesehenen Zinssatz nachzuweisen oder der Aufwand für

dessen Nachweis und Durchsetzung zu groß erscheint. Abgesehen von der dargestellten

Möglichkeit im Darlehensrecht bereits de lege lata einen üblichen Zinssatz anhand der

Übung im kommerziellen Kreditgeschäft zu fordern, können die notwendigen Änderungen

m.E. nur durch eine teilweise Revision der Zinsbestimmungen im OR vorgenommen

werden, insbesondere vor dem Hintergrund der Weigerung des Bundesgerichts im

kaufmännischen Verzug den Kontokorrentzinssatz anstelle des Privatdiskontsatzes als

Referenzwert für marktübliche Finanzierungskonditionen anzuwenden.

Zu diesem Zweck soll im übernächsten Abschnitt eine neue Regelung zur

Bestimmung der gesetzlichen Zinssätze im Obligationenrecht skizziert werden, welche auch

ohne eine bestehende Parteivereinbarung die Anwendung wirtschaftlich angemessener

Zinssätze gestattet, eine Differenzierung zwischen dem bürgerlichen und dem

kaufmännischen Verkehr ermöglicht und die Anreize zum Missbrauch der geringen

dispositiven Zinssätze reduziert. Für die Anwendung der speziellen Zinsbestimmungen für

den kaufmännischen Verkehr soll im Rahmen des Revisionsvorschlags grundsätzlich darauf

abgestellt werden, ob materiell ein kaufmännisches Geschäft vorliegt, d.h. ein Geschäft das

zum Handelsverkehr gerechnet werden kann (objektiv kaufmännischer Verkehr), so dass in

Bezug auf Art. 104 Abs. 3 OR ausdrücklich der Begriff der Kaufleute durch jenen des

kaufmännischen Verkehrs ersetzt und die derzeitige Auslegung der Bestimmung durch die

herrschende Lehre und Rechtsprechung ins Gesetz übernommen wird.1102

1102 Siehe § 6 II D 3 a.

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§ 17 NATIONALE UND INTERNATIONALE RECHTSENTWICKLUNGEN __________________________________________________________________________

193

§ 17 NATIONALE UND INTERNATIONALE RECHTSENTWICKLUNGEN

I. VORENTWURF ZU EINER REVISION DES VERZUGSZINSES

Der Bundesrat hat am 18. August 2010 einen Vorentwurf für eine Teilrevision des

Obligationenrechts in die Vernehmlassung geschickt.1103 Diese bezweckt eine Erhöhung des

gesetzlichen Verzugszinses im kaufmännischen Verkehr durch eine Änderung von Art. 104

OR. Der im kaufmännischen Verkehr anwendbare Zinssatz soll auf einen starren Satz von

10% p.a. festgelegt werden (Art. 104 Abs. 2 VE-OR). Die Möglichkeit zum Nachweis eines

höheren Privatdiskontsatzes soll hingegen ersatzlos aufgehoben werden, da es sich beim

üblichen Bankdiskonto „nicht um eine objektiv feststellbare Bezugsgröße“ handele und die

Bestimmung „deshalb in der Praxis toter Buchstabe geblieben“ sei.1104

Die Erhöhung des pauschalen Verzugszinssatzes hat das Ziel zu einer Verbesserung

der Zahlungsmoral im kaufmännischen Verkehr beizutragen und zu verhindern, dass sich

Schuldner bei ihren Gläubigern zu günstigeren Konditionen Liquidität verschaffen können

als bei kommerziellen Kreditgebern. Der Verzugszins soll daher über den reinen

Schadensausgleich hinaus auch eine präventive Funktion erfüllen und beim Schuldner

Anreize schaffen seine Geldschulden schneller zu erfüllen. Zu diesem Zweck reiche ein

Zinssatz von 5% p.a. nicht aus, sondern dieser müsse so hoch angesetzt werden, dass er den

üblichen Schaden des Gläubigers und den durch die Nichterfüllung erzielten Vorteil des

Schuldners übersteige.1105 Die Erhöhung soll aber bewusst auf den kaufmännischen Verkehr

beschränkt bleiben, da der Bundesrat von einer Erhöhung im bürgerlichen Verkehr nicht die

gleiche präventive Wirkung erwartet. Während im kaufmännischen Verkehr regelmäßig die

Beschaffung von Liquidität zu geringeren Sätzen möglich sei und daher ein Zinssatz von

10% p.a. eine gewisse abschreckende Wirkung habe, müsste der Verzugszinssatz im

bürgerlichen Verkehr noch weit höher angesetzt werden, um eine präventive Wirkung im

Vergleich z.B. zu Konsumentenkrediten zu entfalten. Außerdem beruhten Zahlungs-

rückstände im bürgerlichen Verkehr i.d.R. darauf, dass die Schuldner nicht die finanziellen

Mittel für die Bezahlung ihrer Schulden zur Verfügung hätten und nicht auf der Überlegung,

dass sie das Geld an anderer Stelle produktiver verwenden könnten. Daher sei eine

Erhöhung des Verzugszinses im bürgerlichen Verkehr sogar kontraproduktiv, da sie eher zu

einer Vergrößerung der Verschuldung privater Schuldner führen würde, als zu einer

Reduzierung des Zahlungsverzugs.1106 Die Einführung eines variablen Verzugszinses lehnt

1103 DER SCHWEIZERISCHE BUNDESRAT, Vorentwurf vom 18.08.2010; verfügbar unter: http://www.ejpd.admin.ch/

content/dam/data/wirtschaft/gesetzgebung/verzugszins/entw-d.pdf. 1104 BUNDESAMT FÜR JUSTIZ, Begleitbericht zum Vorentwurf, S. 6. 1105 BUNDESAMT FÜR JUSTIZ, Begleitbericht zum Vorentwurf, S. 12. 1106 BUNDESAMT FÜR JUSTIZ, Begleitbericht zum Vorentwurf, S. 13.

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§ 17 NATIONALE UND INTERNATIONALE RECHTSENTWICKLUNGEN __________________________________________________________________________

194

der Bundesrat nach einer vergleichenden Betrachtung der Rechtslage in den Nachbarländern

ab, da ein solcher lediglich zu erhöhter Komplexität bei der Berechnung und, insbesondere

für Laien, zu Unsicherheit über den tatsächlich anwendbaren Zinssatz führen würde.

Letztlich könnten die Gläubiger durch die aus einem flexiblen Zinssatz resultierende

Unsicherheit sogar von der Forderung von Verzugszinsen abgehalten werden. Aus Gründen

der Praktikabilität und zur Vermeidung unnötiger Komplexität wird daher ein starrer

Zinssatz von 10% p.a. ausschließlich für den kaufmännischen Verkehr vorgeschlagen.1107

II. DER VERZUGSZINS IN DER EUROPÄISCHEN UNION

In der Europäischen Union gilt seit dem Jahr 2000 aufgrund der Zahlungsverzugs-

Richtlinie1108 ein flexibler Verzugszins, der gemäß Art. 1 „für alle Zahlungen, die als Entgelt

im Geschäftsverkehr zu leisten sind, anzuwenden“ ist. Im Sinne der Richtlinie werden unter

dem Begriff Geschäftsverkehr gemäß Art. 2 Ziff. 1 alle „Geschäftsvorgänge zwischen

Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen“ verstanden, „die zu

einer Lieferung von Gütern oder Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt führen“.

Dabei gilt „jede im Rahmen ihrer unabhängigen wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit

handelnde Organisation“ als Unternehmen, „auch wenn die Tätigkeit von einer einzelnen

Person ausgeübt wird“. Nach Art. 3 Abs. 1 lit. d der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten

einen Verzugszins im nationalen Recht einführen, der sich zusammensetzt aus dem Betrag

des Zinssatzes der Europäischen Zentralbank (EZB) an ihrer jüngsten Hauptrefinanzierungs-

operation (Bezugszinssatz) durchgeführt vor dem ersten Kalendertag des betreffenden

Halbjahres, zuzüglich eines festen Aufschlags von mindestens 7 Prozentpunkten;1109

vorbehalten bleiben abweichende vertragliche Vereinbarungen. In jenen Mitgliedstaaten

„die nicht an der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion teilnehmen“, d.h. die

nicht den Euro als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt haben, gilt als Bezugszinssatz der

entsprechende Zinssatz der nationalen Zentralbank. In beiden Fällen ist der Basiszinssatz

jeweils für die Dauer des betreffenden Halbjahres gültig.

1107 BUNDESAMT FÜR JUSTIZ, Begleitbericht zum Vorentwurf, S. 15. 1108 RICHTLINIE 2000/35/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 29. Juni 2000 zur Bekämpfung

von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl. Nr. L 200 vom 08.08.2000, S. 0035-0038). 1109 WEBER, FS Bucher, S. 798.

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§ 17 NATIONALE UND INTERNATIONALE RECHTSENTWICKLUNGEN __________________________________________________________________________

195

III. DER BASISZINS UND VERZUGSZINS IN DEUTSCHLAND

Im deutschen Recht gilt aufgrund der EU-Richtlinie, gemäß § 288 Abs. 1 BGB,

grundsätzlich ein Verzugszinssatz von 5 Prozentpunkten pro Jahr über dem Basiszinssatz.

Sofern kein Verbraucher beteiligt ist, beträgt der Aufschlag gemäß Abs. 2 sogar 8 Prozent-

punkte, wobei der höhere Zinssatz einen „generalpräventiven Abschreckungscharakter“ im

kaufmännischen Verkehr haben soll.1110 Der Basiszinssatz ist in § 247 Abs. 1 BGB

festgelegt. Er liegt seit der letzten Anpassung am 1. Juli 2010 bei einem Satz von 0,12%1111

und verändert sich halbjährlich am 1. Januar und 1. Juli um jene Prozentpunkte, um die der

„Zinssatz für die jüngste Hauptrefinanzierungsoperation der Europäischen Zentralbank vor

dem ersten Kalendertag des betreffenden Halbjahrs“ gestiegen oder gefallen ist; maßgeblich

ist der marginale Satz.1112 Der Basiszinssatz nach § 247 BGB entspricht damit nicht dem in

der Zahlungsverzugs-Richtlinie vorgegebenen Hauptrefinanzierungszinssatz der EZB, der

am letzten Anpassungstermin bei 1,0% stand, sondern liegt ca. einen Prozentpunkt tiefer.

Damit die Verzugsregelung dennoch der EU-Richtlinie entspricht, beträgt der Aufschlag

nach § 288 Abs. 2 BGB 8 Prozentpunkte, statt der von der Richtlinie als Minimum

vorgegebenen 7 Prozentpunkte.1113 Die Anpassung erfolgt hingegen nach den Vorgaben der

Richtlinie, d.h. aufgrund der Veränderung des EZB-Bezugszinssatzes und im halbjährlichen

Rhythmus. Abgesehen vom Verzugsrecht gilt der Basiszinssatz nach § 247 BGB auch für

grundpfandgesicherte Forderungen1114, im Zivilprozessrecht1115, im Scheck- und Wechsel-

recht1116 sowie im Verwaltungsverfahrensgesetz1117, allerdings mit unterschiedlichen

Aufschlägen.1118 Neben dem Basiszinssatz bestimmt § 246 BGB außerdem einen

allgemeinen subsidiären Zinssatz für jegliche nach Gesetz oder Rechtsgeschäft zu

verzinsenden Schulden in Höhe von 4% p.a. „sofern nichts anderes bestimmt ist“. Die

nachfolgenden Diagramme zeigen die Entwicklung des Basiszinses nach § 247 BGB und

der Verzugszinsen nach § 288 BGB seit ihrer Einführung im Jahr 2002.

1110 WEBER, FS Bucher, S. 798. 1111 DEUTSCHE BUNDESBANK, Ausgewählte Zinssätze, gefunden am 20.10.2010 unter: http://www.bundesbank.de/

info/info_zinssaetze.php. 1112 DEUTSCHE BUNDESBANK, Glossar (Basiszinssatz des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 247 BGB)). 1113 PALANDT/HEINRICHS, § 288 N 10. 1114 § 497 Abs. 1 Ziff. 2 BGB; Aufschlag 2½ %. 1115 § 104 Abs. 1 ZPO; Aufschlag 5%. 1116 § 45, 46 ScheckG und § 28, 48, 49 WechselG; Aufschlag 2%; mindestens aber 6% inkl. Basiszins. 1117 § 49a Abs. 3 VwVfG; Aufschlag 5%. 1118 PALANDT/HEINRICHS, § 247 N 4.

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§ 17 NATIONALE UND INTERNATIONALE RECHTSENTWICKLUNGEN __________________________________________________________________________

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ABBILDUNG 17-I: ENTWICKLUNG DES BASISZINSSATZES NACH § 247 BGB VON 2002-20101119

ABBILDUNG 17-II: ENTWICKLUNG DER VERZUGSZINSSÄTZE NACH § 288 BGB VON 2002-2010

1119 QUELLE: DEUTSCHE BUNDESBANK, Ausgewählte Zinssätze, gefunden am 20.10.2010 unter: http://www.bundes-

bank.de/info/info_zinssaetze.php.

0,00%

0,50%

1,00%

1,50%

2,00%

2,50%

3,00%

3,50%

Jul.

02

Jan. 0

3

Jul.

03

Jan. 0

4

Jul.

04

Jan. 0

5

Jul.

05

Jan. 0

6

Jul.

06

Jan. 0

7

Jul.

07

Jan. 0

8

Jul.

08

Jan. 0

9

Jul.

09

Jan. 1

0

Jul.

10

BASISZINSSATZ NACH § 247 BGBJul. 2002 - Jul. 2010

0,00%

2,00%

4,00%

6,00%

8,00%

10,00%

12,00%

Jul.

02

Jan. 03

Jul.

03

Jan. 04

Jul.

04

Jan. 05

Jul.

05

Jan. 06

Jul.

06

Jan. 07

Jul.

07

Jan. 08

Jul.

08

Jan. 09

Jul.

09

Jan. 1

0

Jul.

10

VERZUGSZINSSÄTZE NACH § 288 BGBJul. 2002 - Jul. 2010

§ 288 I BGB § 288 II BGB

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§ 17 NATIONALE UND INTERNATIONALE RECHTSENTWICKLUNGEN __________________________________________________________________________

197

IV. UNIDROIT-PRINCIPLES

Die Principles for International Commercial Contracts bzw. UNIDROIT Grundregeln

der internationalen Handelsverträge1120 sind unverbindliche allgemeine Regeln für den

internationalen Handel, die vom International Institute for the Unification of Private Law

(UNIDROIT) erstellt wurden und zur Vereinheitlichung der allgemeinen Rechtsprinzipien

im bürgerlichen Recht und Handelsrecht beitragen sollen.1121 Die Regeln sind kein

staatliches Recht und nur dann anzuwenden, wenn die Parteien dies ausdrücklich vereinbart

haben. Außerdem können sie angewendet werden, wenn die Parteien die allgemeinen

Rechtsgrundsätze oder die Lex Mercatoria als maßgeblich erklärt haben.1122

In der Version von 2004 enthalten die UNIDROIT-Principles in Art. 7.4.9 und 7.4.10

zwei Bestimmungen über die Verzinsung. Dabei behandelt Art. 7.4.9 die Zinsen bei der

Nichtzahlung von Geld, d.h. den Verzugszins. Absatz 1 bestimmt allgemein, dass eine

benachteiligte Partei ein Recht auf Verzinsung vom Zeitpunkt der Fälligkeit bis zur

tatsächlichen Zahlung hat, wenn die andere Partei einen Geldbetrag nicht bei Fälligkeit

bezahlt. Dieses Recht auf Zinsen gilt unabhängig davon, ob die nichtzahlende Partei ein

Verschulden trifft oder nicht. Der anwendbare Zinssatz wird in Art. 7.4.9 Abs. 2 nicht

explizit festgelegt, sondern maßgeblich ist „der durchschnittliche Bankensatz für kurzfristige

Kredite an erstklassige Kreditnehmer, der für die Zahlungswährung am Zahlungsort gilt,

oder wenn es einen solchen Zinssatz dort nicht gibt, der gleiche Satz im Staat der

Zahlungswährung“. Dieser Zinssatz wurde gewählt, da er als am besten für die

Anforderungen des internationalen Handels geeignet erscheint. Er soll dem Gläubiger eine

adäquate Ersatzleistung gewähren, da es sich um jenen Satz handelt, zu dem er sich das

ausstehende Geld bei einer Bank leihen müsste.1123 Sofern es diesen Zinssatz an beiden

genannten Orten nicht gibt, gilt subsidiär der „angemessene Satz, den das Recht des Staates

der Zahlungswährung festlegt“. Nach Art. 7.4.9 Abs. 3 ist die benachteiligte Partei zudem

berechtigt, weiteren Schadenersatz zu verlangen, sofern sie einen größeren als den nach

Absatz 2 ersetzten Schaden nachweisen kann. Weiter bestimmt Art. 7.4.10, dass auch

„Zinsen auf Schadenersatz für die Nichterfüllung einer nicht auf Geld gerichteten Leistung

vom Zeitpunkt der Nichterfüllung an geschuldet“ sind. Ein spezieller anzuwendender

Zinssatz wird nicht bestimmt.

1120 UNIDROIT GRUNDREGELN DER INTERNATIONALEN HANDELSVERTRÄGE, der Text auf Deutsch ist verfügbar unter:

http://www.unidroit.org/english/principles/contracts/principles2004/translations/blackletter2004-german.pdf. 1121 INTERNATIONAL INSTITUTE FOR THE UNIFICATION OF PRIVATE LAW, Introduction, S. viii. 1122 Vgl. Präambel der UNIDROIT-Principles. 1123 INTERNATIONAL INSTITUTE FOR THE UNIFICATION OF PRIVATE LAW, Art. 7.4.9, S. 209.

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§ 17 NATIONALE UND INTERNATIONALE RECHTSENTWICKLUNGEN __________________________________________________________________________

198

V. DRAFT COMMON FRAME OF REFERENCE (DCFR)

Der Draft Common Frame of Reference (DCFR) bzw. der Gemeinsame Referenz-

rahmen für das Europäische Privatrecht „versteht sich als akademischer Vorschlag, der

allein den Prinzipien der Wissenschaft – und nicht der Politik – verpflichtet ist“1124. Dahinter

verbirgt sich ein großes Projekt, nämlich „nicht weniger als der Entwurf zentraler Stücke

eines Europäischen Zivilgesetzbuchs“1125. In der Outline Edition des DCFR von 20091126

enthalten die Art. III.-3:708 – III.-3:711 Bestimmungen über die Verzinsung im Verzug von

Geldforderungen. Nach Art. III.-3:708 Abs. 1 DCFR besteht ein verschuldensunabhängiger

Anspruch auf Verzugszinsen vom Tag der Fälligkeit der Forderung bis zum Zeitpunkt der

Zahlung. Der anwendbare Zinssatz ist im DCFR nicht starr festgelegt, sondern es wird

verwiesen auf die „average commercial bank short-term lending rate to prime borrowers

prevailing for the currency of payment at the place where payment is due“. Es gilt folglich

ein durchschnittlicher Zinssatz im Geschäft der Privatbanken mit Schuldnern bester Bonität,

d.h. der gleiche Zinssatz wie in den UNIDROIT-Principles.

Außerdem enthält Art. III.-3:710 DCFR eine spezielle Bestimmung für den

Zahlungsverzug in Verträgen im Geschäftsverkehr, mit einigen abweichenden Regelungen

im Vergleich zum allgemeinen Verzugszins. Dies ist einerseits die Möglichkeit des

Schuldners sich wegen eines Hinderungsgrunds außerhalb seines Einflussbereichs1127 zu

exkulpieren und andererseits der Vorbehalt eines höheren anwendbaren Zinssatzes im

Geschäftsverkehr. Letzterer wird in Art. III.-3:710 Abs. 4 DCFR bestimmt als „the interest

rate applied by the European Central Bank to its most recent main refinancing operation

carried out before the first calendar day of the half-year in question (the reference rate), plus

seven percentage points“. Für Zahlungen in der Währung eines Mitgliedstaates der nicht an

der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunions teilnimmt, gilt der entsprechende

Zinssatz der jeweiligen nationalen Zentralbank. Dieser Zinssatz für den Geschäftsverkehr

entspricht dem dargestellten Verzugszinssatz der Zahlungsverzugs-Richtlinie. Die

Geltendmachung weiteren Schadens bleibt im bürgerlichen Verkehr und Geschäftsverkehr

gemäß Art. III.-3:708 Abs. 2 bzw. Art. III.-3:710 Abs. 5 DCFR vorbehalten.

1124 EIDENMÜLLER/FAUST/GRIGOLEIT/JANSEN/WAGNER/ZIMMERMANN, JZ 2008, S. 529. 1125 EIDENMÜLLER/FAUST/GRIGOLEIT/JANSEN/WAGNER/ZIMMERMANN, JZ 2008, S. 529. 1126 DRAFT COMMON FRAME OF REFERENCE (DCFR) OUTLINE EDITION, der Text auf Englisch ist verfügbar unter:

http://webh01.ua.ac.be/storme/2009_02_DCFR_OutlineEdition.pdf. 1127 Vgl. Art. III.-3:104 DCFR: Excuse due to an impediment.

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§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN __________________________________________________________________________

199

§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN

I. ALLGEMEINES

Die vorangegangene rechtsvergleichende Betrachtung von Zinsbestimmungen im

europäischen und deutschen Recht sowie in zwei internationalen Soft Law Kodifikationen

allgemeiner Rechtsprinzipien hat gezeigt, dass heute innerhalb Europas, zumindest für den

Verzug, die flexible Anknüpfung von gesetzlichen Zinssätzen vorherrschend ist. Außerdem

werden regelmäßig unterschiedliche Regelungen für die Zinssätze im bürgerlichen und im

kaufmännischen Verkehr angewendet.1128 Von diesen flexiblen Regelungen kann aber m.E.

aufgrund der besseren objektiven Bestimmbarkeit und der einfachen Nachweisbarkeit des

Referenzobjektes nur die Anknüpfung an einen eindeutig definierten Zinssatz überzeugen,

wie an den Leitzins einer Zentralbank in der EU-Richtlinie oder im DCFR für den

Geschäftsverkehr. Die Anknüpfung an einen durchschnittlichen Zinssatz der Geschäfts-

banken für kurzfristige Kredite ist m.E. hingegen für einen allgemeinen gesetzlichen

Zinssatz oder einen Verzugszinssatz weniger geeignet, da in diesem Fall das Referenzobjekt

nicht eindeutig bestimmt ist und der anwendbare Zinssatz daher nur ungenau und mit

erheblichem Aufwand festgestellt und nachgewiesen werden kann. Zudem hat eine

Regelung mit einem flexiblen Basiszins und zusätzlichen Aufschlägen gegenüber einem

durchschnittlichen Zinssatz der Banken im Kundengeschäft den Vorteil, dass sehr einfach

unterschiedliche Zinssätze für verschiedene Zinsbestimmungen festgelegt werden können,

ohne dass auf mehrere Referenzzinssätze zurückgegriffen werden muss.

Aufbauend auf der eingehenden Darstellung des geltenden schweizerischen Rechts im

Bereich der Zinsen und der kurzen rechtsvergleichenden Betrachtung soll in diesem

Abschnitt ein Entwurf für eine Revision der Zinsbestimmungen im OR erarbeitet werden.

Diese soll über die vom Bundesrat vorgeschlagene Revision des Verzugszinses hinausgehen

und bei den m.E. derzeit unzureichend oder unklar geregelten Vorschriften im Gesetz

ansetzen. Im Fokus des Entwurfs stehen einerseits die flexible Anknüpfung der Zinssätze an

das allgemeine Marktniveau sowie andererseits die durchgängige Unterscheidung zwischen

bürgerlichem und kaufmännischem Verkehr bei der Festlegung der anwendbaren Zinssätze.

Dabei konzentriert sich der Revisionsentwurf zunächst auf die praktisch wichtigsten

Zinsbestimmungen, namentlich den Verzugszins, den allgemeinen subsidiären Zins und den

Darlehenszins. Die übrigen Zinsbestimmungen und Zinssätze werden anschließend

entweder durch die analoge Anwendung der genannten Bestimmungen oder individuelle

Neuregelungen angepasst, um eine möglichst umfassende und konsistente Regelung der

Zinsbestimmungen aufstellen.

1128 Vgl. auch die Darstellung der Regelungen in Frankreich, Österreich und Italien bei WEBER, FS Bucher, S. 798 f.

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§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN __________________________________________________________________________

200

II. DIFFERENZIERUNG DER ZINSBESTIMMUNGEN

Das geltende Recht unterscheidet nur in wenigen Bestimmungen zwischen den

anwendbaren Zinssätzen im bürgerlichen und im kaufmännischen Verkehr, obwohl diese

Unterscheidung es ermöglichen würde auf die Anforderungen beider Verkehrskreise

individuell einzugehen, anstatt einheitliche aber ungeeignete oder unzureichende

Vorschriften für alle Fälle vorzusehen. So könnten im Rahmen einer differenzierten

Regelung für den bürgerlichen Verkehr leicht verständliche und einfach anwendbare

Zinsbestimmungen vorgesehen werden, deren Zinssätze dem durchschnittlichen

Nutzungsausfall nicht-kaufmännischer Gläubiger entsprechen würden und sich ohne

wesentlichen Aufwand bestimmen ließen. Dadurch würde die Berechnung von Zinsen in

einfachen Verhältnissen auch für Personen möglich bleiben, die im Umgang mit Zinsen und

Geldforderungen nicht geübt sind. Die Zinsbestimmungen für den bürgerlichen Verkehr

sollten daher m.E. so ausgestaltet werden, dass sich auch ein Laie grundsätzlich über seine

Ansprüche und Verpflichtungen informieren und bewusst sein kann.

Für den kaufmännischen Verkehr hingegen könnten durch eine unterschiedliche

Behandlung mit speziellen Zinsbestimmungen detailliertere und komplexere Regeln

vorgesehen werden, deren Zinssätze marktgerecht und zudem hoch genug wären, um den

üblichen Nutzungsausfall im kaufmännischen Verkehr sowie allenfalls entstandene Kosten

und Auslagen des Gläubigers zu decken. Da im kaufmännischen Verkehr vermutet werden

kann, dass vorhandenes bzw. benötigtes Geldkapital üblicherweise entweder zinstragend

angelegt wird oder von Dritten gegen eine marktübliche Vergütung beschafft werden muss,

wäre es angemessen auch die gesetzlichen Zinssätze an die Entwicklung des allgemeinen

Zinsniveaus zu koppeln und damit flexibel auszugestalten, so dass der Gläubiger tatsächlich

ein marktübliches Entgelt für seine entbehrte Nutzung erhielte. Dabei kann im

kaufmännischen Verkehr davon ausgegangen werden, dass das Wissen und die Kapazitäten

vorhanden sind, um auch kompliziertere Zinsberechnungen zu verstehen und vorzunehmen.

Zudem sind im kaufmännischen Verkehr regelmäßig größere Hauptforderungen als im

bürgerlichen Verkehr betroffen, so dass der höhere Zinsbetrag auch einen allenfalls größeren

Aufwand für die Bestimmung des anwendbaren Zinssatzes und die Berechnung der

Zinsforderung rechtfertigen kann.

Nachfolgend sollen die wesentlichen Elemente einer neuen Regelung der

Zinsbestimmungen im OR mit unterschiedlichen Zinssätzen für den bürgerlichen und den

kaufmännischen Verkehr genauer betrachtet werden.

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§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN __________________________________________________________________________

201

III. ELEMENTE EINER REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN

A BÜRGERLICHER VERKEHR

Für den bürgerlichen Verkehr ist es aus den genannten Gründen der

Verständlichkeit, Praktikabilität und Rechtssicherheit angemessen, die bestehenden

Zinsbestimmungen mit fest vorgegebenen dispositiven und subsidiären Zinssätzen

beizubehalten. Obwohl eine flexible Anknüpfung der Zinssätze auch im bürgerlichen

Verkehr die Anwendung marktgerechter Zinssätze ermöglichen würde, ist eine solche

Regelung m.E. dennoch ungeeignet, da sie für den ungeübten Laien die Bestimmung der

anwendbaren Zinssätze und die Berechnung der Zinsen erheblich erschweren würde.

Außerdem könnte eine flexible Verzinsung in Zeiten eines hohen Zinsniveaus zu einer nicht

vorhersehbaren, übermäßig ansteigenden Zinslast und einem unerwünschten Anstieg der

Verschuldung der nicht-kaufmännischen Schuldner führen sowie zu zunehmenden

Zahlungsausfällen für die Gläubiger, d.h. insbesondere die Banken.

Daher sollen im vorliegenden Entwurf für den bürgerlichen Verkehr weiterhin feste

Jahreszinssätze ohne unterjährige Anpassungen vorgesehen werden. Auch eine Erhöhung

der geltenden Zinshöhe von 5% p.a. ist m.E. nicht zwingend erforderlich, da dieser Satz

regelmäßig bereits die kurzfristig von einem nicht-kaufmännischen Gläubiger erzielbare

Rendite übersteigen dürfte und daher in den meisten Fällen einen weitgehenden Ersatz des

entstandenen Nutzungsausfalls bewirkt. Allenfalls wäre im Hinblick auf Zeiten mit einem

höheren allgemeinen Zinsniveau oder für eine stärkere Präventionswirkung, z.B. im Verzug,

eine Erhöhung der Zinssätze um 1-2 Prozentpunkte angemessen, wird aber im vorliegenden

Entwurf nicht berücksichtigt.

B KAUFMÄNNISCHER VERKEHR

Für den kaufmännischen Verkehr hingegen bezweckt der Entwurf die Einführung

einer wirtschaftlich angemessenen, gerechten und präventionsorientierten Regelung der

Zinsen. Diese soll insbesondere die Schwankungen des allgemeinen Zinsniveaus in

regelmäßigen Abständen in die gesetzlichen Zinssätze übernehmen und zudem generell zur

Anwendung höherer Zinssätze als bisher führen, um einerseits den vermutungsweise

größeren Nutzungsausfall des Gläubigers im kaufmännischen Verkehr angemessen zu

ersetzen und andererseits speziell im Verzugsrecht das pönale bzw. präventive Element der

Zinsen stärker zu gewichten.

Im Rahmen der vorgeschlagenen Revision werden die Zinsbestimmungen für die

Anwendung im kaufmännischen Verkehr daher flexibel ausgestaltet. Wie in der

Zahlungsverzugs-Richtlinie der EU wird dafür ein allgemeiner Basiszinssatz definiert,

dessen Höhe in regelmäßigen Abständen an die Veränderung eines Referenzzinssatzes

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§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN __________________________________________________________________________

202

angepasst wird. Der letztlich anwendbare Zinssatz setzt sich aus dem Basiszinssatz und

einem zusätzlichen Aufschlag zusammen, der in der jeweiligen Anspruchsgrundlage für die

Verzinsung in Prozentpunkten festgelegt wird. Seine Höhe ist einerseits abhängig von den

Eigenschaften des gewählten Referenzzinses und andererseits von den Zielen, die der

Gesetzgeber mit der betroffenen Bestimmung verfolgt (z.B. Präventionsfunktion). Um die

Entstehung von Problemen beim Nachweis des Referenzzinssatzes wie in der geltenden

Verzugszinsregelung zu verhindern, muss das Referenzobjekt des Basiszinses ein eindeutig

bezeichneter, anerkannter, regelmäßig festgelegter und objektiv bestimmbarer Zinssatz sein,

der die Entwicklung des Zinsniveaus und die Erwartungen der Marktteilnehmer für die

jeweilige Währung wiederspiegelt. Der nach diesen Kriterien ausgewählte Referenzzins soll

zudem einheitlich für alle flexiblen Zinsbestimmungen im Gesetz angewendet werden.

Nachfolgend wird ein Vorschlag für die Wahl des Referenzzinses und die Ausgestaltung der

Aufschläge skizziert.

1. DER REFERENZZINS

Als Referenzzins soll im vorliegenden Entwurf der 3-Monats-LIBOR (London

Interbank Offered Rate1129) auf Schweizer Franken, d.h. der Zinssatz für drei Monate

laufende Geldmarktgeschäfte zwischen Geschäftsbanken, herangezogen werden. Der

LIBOR wird an jedem Arbeitstag um 11:00 Uhr Londoner Zeit von der British Bankers„

Association aus den Meldungen eines Panels von Referenzbanken für 10 Währungen1130 und

je 15 Laufzeiten1131 berechnet.1132 Das Panel für jede Währung umfasst zwischen 8 und 16

Banken, deren Auswahl den Stand des Marktes in dieser Währung wiederspiegeln soll und

jährlich überprüft wird. Es handelt sich um erstklassige in- und ausländische Banken am

Handelsplatz London, die aufgrund ihrer Marktaktivitäten, ihrer Reputation und ihrer

Kompetenz in der jeweiligen Währung ausgewählt werden.1133 Der LIBOR ist ein wichtiger

Referenzwert zu welchem durchschnittlichen Zinssatz eine führende Bank im

Interbankengeschäft einen ungesicherten Kredit für eine bestimmte Laufzeit in der

betroffenen Währung erhalten könnte und reflektiert somit die günstigsten Konditionen für

1129 “The rate at which an individual Contributor Panel bank could borrow funds, were it to do so by asking for and then

accepting inter-bank offers in reasonable market size, just prior to 11.00 London time”; BRITISH BANKERS„ ASSOCIATION

(BBA), Definitions, gefunden am: 20.10.2010 unter: http://www.bbalibor.com/bbalibor-explained/definitions. 1130 AUD (Australian Dollar), CAD (Canadian Dollar), CHF (Swiss Franc), DKK (Danish Krone), EUR (Euro),

GBP (Sterling), JPY (Japanese Yen), NZD (New Zealand Dollar), SEK (Swedisk Krona), USD (US Dollar). 1131 Overnight, 1Woche, 2 Wochen, 1 Monat - 12 Monate. 1132 BRITISH BANKERS„ ASSOCIATION (BBA), The Basics, gefunden am: 20.10.2010 unter: http://www.bbalibor.com/

bbalibor-explained/the-basics. 1133 BRITISH BANKERS„ ASSOCIATION (BBA), Panels, gefunden am: 20.10.2010 unter: http://www.bbalibor.com/

panels. seit Mai 2009 besteht das Panel für Schweizer Franken aus den folgenden Banken: Bank of Tokyo-

Mitsubishi UFJ Ltd, Barclays Bank plc, Citibank NA, Credit Suisse, Deutsche Bank AG, HSBC, JP Morgan

Chase, Lloyds Banking Group, Rabobank, Société Générale, The Royal Bank of Scotland Group, UBS AG.

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§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN __________________________________________________________________________

203

ungesicherte Finanzierungen am Handelsplatz London.1134 Er setzt sich definitionsgemäß

nicht aus tatsächlich vereinbarten Zinssätzen zusammen, sondern ist ein theoretischer

Zinssatz für hypothetische Geschäfte zwischen international tätigen Geschäftsbanken mit

bester Bonität. Als solcher spiegelt er für die gegebene Währung und Laufzeit die

Schwankungen der Zinsen am Markt und die Erwartungen der Marktteilnehmer wieder,

ohne Verzerrungen durch individuelle Faktoren des Schuldners, wie z.B. die Bonität.

Als einer der wichtigsten Referenzwerte auf dem Geldmarkt dient speziell der 3-Monats-

LIBOR für Schweizer Franken zudem als wichtiger Indikator im geldpolitischen Konzept

der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Zur Umsetzung ihrer geldpolitischen Absichten

nimmt die SNB über den 3-Monats-LIBOR direkt und indirekt Einfluss auf den Geldmarkt

in Schweizer Franken. Einerseits legt sie ein Zielband für den 3-Monats-LIBOR fest,

welches üblicherweise eine Breite von einem Prozentpunkt hat, regelmäßig überprüft und,

falls notwendig, angepasst wird.1135 Das Ziel der SNB ist dabei, dass sich der 3-Monats-

LIBOR immer möglichst in der Mitte des festgelegten und bekanntgegebenen Zielbandes

bewegt. Andererseits nimmt die SNB soweit notwendig auch Offenmarktoperationen vor,

um den Stand der Zinsen auf dem Geldmarkt direkt zu beeinflussen.1136 Der 3-Monats-

LIBOR auf Schweizer Franken ist daher zum einen ein Marktzins, der die Verhältnisse auf

dem Geldmarkt in dieser Währung wiederspiegelt, zum anderen steht er unter der

Beobachtung der SNB, die durch gezielte Eingriffe in den Markt versucht, unerwünschte

Schwankungen oder Fehlentwicklungen auszugleichen. Aufgrund dieser Doppelrolle ist der

3-Monats-LIBOR m.E. sehr gut als Referenzobjekt für einen allgemeinen Basiszins im OR

geeignet, da sein Stand nicht wie ein Leitzins allein auf geldpolitischen Erwägungen einer

Zentralbank beruht, sondern sich primär aufgrund der Erwartungen und Einschätzungen

wichtiger Marktteilnehmer bildet. Die nachfolgenden Abbildungen zeigen den Verlauf des

Referenzzinssatzes (3-Monats-LIBOR) seit 1989 und seit dem Jahr 2000 im Vergleich zum

SNB-Zielband.

Durch die Anordnung eines einfachen Verfahrens mit festen Verantwortlichkeiten

für die regelmäßige Feststellung des Standes des Referenzzinssatzes und die Anpassung des

Basiszinses kann zudem die öffentliche Bekanntmachung des gültigen Basiszinssatzes und

die jederzeitige Verfügbarkeit des historischen Verlaufs sichergestellt werden. Ein Entwurf

für dieses Verfahren soll in einem nachfolgenden Abschnitt ebenfalls kurz dargestellt

werden.1137

1134 BRITISH BANKERS„ ASSOCIATION (BBA), The Basiscs, gefunden am: 20.10.2010 unter: http://www.bbalibor.com/

bbalibor-explained/the-basics. 1135 SCHWEIZERISCHE NATIONALBANK (SNB), Geldpolitische Strategie, gefunden am 16.10.2010 unter:

http://www.snb.ch/de/iabout/monpol/id/ monpol_strat/14. 1136 SCHWEIZERISCHE NATIONALBANK (SNB), Richtlinien der Schweizerischen Nationalbank (SNB) über das

geldpolitische Instrumentarium vom 25. März 2004 (Stand am 1. Januar 2010), S. 1. 1137 Siehe § 18 III C.

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§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN __________________________________________________________________________

204

ABBILDUNG 18-I: ENTWICKLUNG DES 3-MONATS-LIBOR FÜR SCHWEIZER FRANKEN VON 1989-20101138

ABBILDUNG 18-II: Entwicklung DES 3-MONATS-LIBOR FÜR SCHWEIZER FRANKEN

UND DES SNB-ZIELBANDES VON 2000-20101139

1138 QUELLE: SCHWEIZERISCHE NATIONALBANK (SNB), Zinssätze und Renditen - Historische Zeitreihen 4, Tabelle 2.1

M; SCHWEIZERISCHE NATIONALBANK (SNB), Zinssätze und Devisenkurse Oktober 2010 - Geld- und Kapital-

marktsätze (Monatsende). 1139 QUELLE: SCHWEIZERISCHE NATIONALBANK (SNB), Zinssätze und Renditen - Historische Zeitreihen 4, Tabelle 2.1

M, 1.3 A; SCHWEIZERISCHE NATIONALBANK (SNB), Zielband der Schweizerischen Nationalbank, gefunden am

22.10.2010 unter: http://www.snb.ch/de/iabout/monpol/monstat/id/monpol_monstat_zielband.

0,00%

2,00%

4,00%

6,00%

8,00%

10,00%

12,00%

Jan.

89

Ok

t. 8

9

Jul.

90

Ap

r. 9

1

Jan.

92

Ok

t. 9

2

Jul.

93

Ap

r. 9

4

Jan.

95

Ok

t. 9

5

Jul.

96

Ap

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7

Jan.

98

Ok

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8

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99

Ap

r. 0

0

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1

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3

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6

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Ok

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08

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r. 0

9

Jan.

10

3-MONATS-LIBOR FÜR SCHWEIZER FRANKEN

Jan. 1989 - Sept. 2010

0,00%

0,50%

1,00%

1,50%

2,00%

2,50%

3,00%

3,50%

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4,50%

Jan. 00

Jun.

00

No

v.

00

Apr.

01

Sep

. 01

Feb

. 02

Jul.

02

Dez

. 02

Mai

. 03

Okt.

03

Mrz

. 04

Aug.

04

Jan. 05

Jun.

05

No

v.

05

Apr.

06

Sep

. 06

Feb

. 07

Jul.

07

Dez

. 07

Mai

. 08

Ok

t. 0

8

Mrz

. 09

Aug.

09

Jan. 10

Jun.

10

3-MONATS-LIBOR FÜR SCHWEIZER FRANKEN UND SNB-

ZIELBAND

Jan. 2000 - Sept. 2010

3-Monats-LIBOR CHF Unteres Zielband Oberes Zielband

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§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN __________________________________________________________________________

205

2. DER AUFSCHLAG

Bei dem vorgeschlagenen Referenzzins handelt es sich, wie erwähnt, um einen

Zinssatz im Interbankenverkehr mit einem angenommenen Schuldner bester Bonität. Daher

muss der gesetzliche Basiszins um eine weitere Komponente ergänzt werden, welche

insbesondere das vergleichsweise höhere Ausfallrisiko des Schuldners berücksichtigt, da

dieser i.d.R. weder eine Bank ist noch über erstklassige Bonität verfügt. Zudem müssen die

Kosten und Auslagen des Gläubigers pauschal einbezogen werden sowie insbesondere im

Verzug des Schuldners ein pauschaler Aufschlag für eine gewisse präventive Wirkung.

Unter gewichteter Berücksichtigung dieser Faktoren muss für jede Bestimmung in welcher

ein flexibler Zinssatz angewendet werden soll ein pauschaler Aufschlag bestimmt werden,

der in Kombination mit dem Basiszins die Höhe des anwendbaren Zinssatzes festlegt und

Differenzierungen zwischen den einzelnen Zinsbestimmungen ermöglicht, z.B. für eine

unterschiedlich starke Berücksichtigung des Risikofaktors oder des Präventionsziels. Dieser

Ansatz wurde auch in der Zahlungsverzugs-Richtlinie der EU gewählt und ist im deutschen

BGB nicht nur für den Verzugszins, sondern auch für ausgewählte andere

Zinsbestimmungen vorgesehen. Die Aufschläge liegen im BGB zwischen 2½ und 8

Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

Wenn, wie im vorliegend Revisionsentwurf, ein LIBOR als Referenzobjekt für

den Basiszins herangezogen wird, dann ist zunächst ein angemessener Risikoaufschlag zu

bestimmen, der den Unterschied zwischen der angenommenen Bonität eines

durchschnittlichen Schuldners und der Bonität einer erstklassigen Geschäftsbank

berücksichtigt. In Analogie zur beibehaltenen Zinshöhe im bürgerlichen Verkehr soll im

Entwurf der Risikoaufschlag für das schweizerische Recht auf 5 Prozentpunkte festgesetzt

werden. Hinzu kommt eine pauschale Entschädigung für Kosten und Auslagen des

Gläubigers im kaufmännischen Verkehr von einem Prozentpunkt. Damit beträgt der

pauschale Aufschlag für den dispositiven Zinssatz beim kaufmännischen Darlehen

6 Prozentpunkte. Inklusive des Basiszinssatzes, dessen Referenzgröße am 1. Oktober 2010

bei 0,18% lag1140, würde der anwendbare Zinssatz für das vierte Quartal 2010 folglich

6,18% betragen. Der gleiche Aufschlag und Zinssatz kann m.E. auch für den neuen

allgemeinen subsidiären Zinssatz im kaufmännischen Verkehr angewendet werden, da keine

zwingenden Gründe für eine unterschiedliche Behandlung im Vergleich zum Darlehenszins

ersichtlich sind. Hingegen muss für den Verzugszins im kaufmännischen Verkehr ein

höherer Aufschlag festgelegt werden, der zusätzlich berücksichtigt, dass der Gläubiger dem

Schuldner das Kapital unfreiwillig weiter zur Verfügung stellt und daher eine bestrafende

Komponente gegen den Schuldner bzw. eine höhere Entschädigung für den Gläubiger

enthalten sollte. Unter Berücksichtigung der betrachteten Regelungen in der EU-Richtline

1140 SCHWEIZERISCHE NATIONALBANK (SNB), Aktuelle Zinssätze: Übersicht (LIB – 3-Monats-Libor CHF).

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§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN __________________________________________________________________________

206

und im BGB ist dafür ein zusätzlicher Aufschlag von zwei Prozentpunkten angemessen und

für die Erzeugung einer gewissen präventiven Wirkung geeignet. Beim derzeitigen

niedrigen Zinsniveau würde der anwendbare Verzugszinssatz im kaufmännischen Verkehr

für das vierte Quartal 2010 damit 8,18% betragen und auf dem gleichen Niveau wie die o.g.

ausländischen Verzugszinssätze liegen. Hingegen wäre ein solcher Verzugszinssatz derzeit

ca. 2 Prozentpunkte geringer als der vom Bundesrat vorgeschlagene starre Satz von 10% p.a.

Erst bei einem Zinsniveau von 2% würden beide Sätze auf dem gleichen Niveau liegen und

in einer Phase höherer Zinsen würde der flexible Verzugszins den Satz von 10% p.a.

übersteigen. Allerdings lag der 3-Monats-LIBOR CHF in den vergangenen 15 Jahren nur in

wenigen Phasen über 2%, so dass sich der flexible Verzugszins in der Vergangenheit

zumeist im Bereich zwischen 8% und 10% p.a. bewegt hätte.1141

C DAS VERFAHREN ZUR FESTLEGUNG DES BASISZINSES

Der vorgeschlagene Referenzzins ist definitionsgemäß ein Zinssatz für Geschäfte

mit einer Laufzeit von drei Monaten, daher muss auch die Höhe des Basiszinssatzes alle drei

Monate an die Entwicklung des 3-Monats-LIBORs angepasst werden. Als Termin für die

Anpassung wird im vorliegenden Entwurf jeweils der erste Tag jedes Quartals bestimmt,

d.h. der 1. Januar, 1. April, 1. Juli und 1. Oktober eines jeden Jahres. Maßgeblich ist der

letzte Stand des Referenzzinses vor den genannten Terminen, d.h. für den 1. Oktober 2010

war dies der 30. September 2010. Da aber nicht für jede vierteljährliche Anpassung des

Basiszinssatzes das Gesetz geändert werden kann, wird im OR lediglich der Basiszins

definiert sowie die Referenzgröße und der Anpassungsrhythmus bestimmt. Für die Höhe des

Basiszinssatzes verweist das Gesetz auf eine neue Verordnung der Schweizerischen

Nationalbank. Diese wird vom Gesetzgeber damit beauftragt den Stand des

Referenzzinssatzes zu den genannten Terminen festzustellen und den für drei Monate

gültigen Basiszinssatz verbindlich in einer Verordnung festzulegen. Außerdem wird die

Nationalbank verpflichtet, den jeweils gültigen Basiszinssatz im Bundesblatt und evtl. im

Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) bekannt zu geben, wobei der Bekanntgabe

lediglich eine deklaratorische Wirkung zukommt. Aufgrund ihrer verfassungsgemäßen1142

Rolle als unabhängige Zentralbank mit der Zuständigkeit für die Geld- und Währungspolitik

der Schweiz ist sie für diese Aufgabe bestens geeignet und verfügt über alle zur Erfüllung

notwendigen personellen und technischen Ressourcen. Im Rahmen ihrer geldpolitischen

Strategie überwacht die SNB bereits heute den 3-Monats-LIBOR auf Schweizer Franken,

legt das SNB-Zielband für diesen Zinssatz fest und publiziert diese Daten tagesaktuell auf

ihrer Homepage sowie regelmäßig in weiteren Publikationen. Ebenso kann sie den gültigen

1141 Vgl. ABBILDUNG 18-I. 1142 Vgl. Art. 99 Abs. 2 BV.

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§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN __________________________________________________________________________

207

Basiszinssatz und den Verlauf seit seiner Einführung für Recherchezwecke auf ihrer

Homepage sowie in anderen Publikationen veröffentlichen. Durch dieses Verfahren ist der

Basiszinssatz jederzeit und für jedermann überprüf- und nachweisbar.

Die nachfolgende Abbildung 18-III zeigt die Entwicklung, den die im Entwurf

vorgeschlagenen flexiblen Zinssätze für den kaufmännischen Verkehr, d.h. der

Basiszinssatz, der allgemeine subsidiäre Zinssatz und der Verzugszinssatz zwischen 2005

und 2010 genommen hätten.

ABBILDUNG 18-III: ENTWICKLUNG DER FLEXIBLEN ZINSSÄTZE GEMÄß ENTWURF VON 2005-20101143

IV. WEITERE ÄNDERUNGEN

A ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Wie bereits im geltenden Recht, sind im dargestellten Entwurf alle Zinssätze als

Jahreszinsen zu verstehen, auch wenn der Basiszinssatz jeweils nur für drei Monate gültig

ist. Zur Vermeidung allfälliger Unklarheiten stellt daher ein neu eingefügter Art. 73a EN-

OR klar, dass vorbehaltlich einer anderen Abrede oder Bezeichnung alle gesetzlichen und

vereinbarten Zinsen als Jahreszinsen zu entrichten sind. Außerdem bestimmt Absatz 2 des

neuen Artikels, dass vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung im kaufmännischen

1143 QUELLE: SCHWEIZERISCHE NATIONALBANK (SNB), Statistisches Monatsheft Oktober 2010, E1 Geldmarktsätze

(London, Libor CHF, 3 Monate), gefunden am 05.11.2010 unter: http://www.snb.ch/ext/stats/statmon/txt/de/

statmon_E1_M1_L.txt.

0,00%

2,00%

4,00%

6,00%

8,00%

10,00%

12,00%

Jan. 0

5

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r. 0

5

Jul.

05

Ok

t. 0

5

Jan. 0

6

Ap

r. 0

6

Jul.

06

Ok

t. 0

6

Jan. 0

7

Ap

r. 0

7

Jul.

07

Ok

t. 0

7

Jan. 0

8

Ap

r. 0

8

Jul.

08

Ok

t. 0

8

Jan. 0

9

Ap

r. 0

9

Jul.

09

Ok

t. 0

9

Jan. 1

0

Ap

r. 1

0

Jul.

10

Ok

t. 1

0

BASISZINSSATZ, SUBSIDIÄRER ZINSSATZ & VERZUGSZINSSATZ

Jan. 2005 - Dez. 2010

Basiszinssatz (Art. 73b Abs. 1 EN-OR)

Subsidiärer Zinssatz (Art. 73 Abs. 1bis EN-OR)

Verzugszinssatz (Art. 104 Abs. 3 EN-OR)

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§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN __________________________________________________________________________

208

Verkehr die sog. deutsche Usanz gilt, d.h. dass die Zinsberechnung vermutungsweise für ein

Jahr mit angenommenen 360 Tagen und einheitlichen Monaten mit 30 Tagen erfolgt. Durch

diese dispositive Bestimmung soll die Berechnung der Zinsen unter den neu eingeführten

flexiblen Zinssätzen vereinfacht und allfälligen Unsicherheiten vorgebeugt werden.

B DURCH DIE RECHTSPRECHUNG FESTGELEGTE ZINSSÄTZE

Wie in den vorherigen Kapiteln dargestellt, legen nicht alle Zinsbestimmungen

einen dispositiven Zinssatz fest, sondern bestimmen teilweise nur die Pflicht zur Verzinsung

selbst. In diesen Fällen hat die Rechtsprechung bisher unterschiedslos einen Zinssatz von

5% p.a. analog angewendet. Im Zuge der vorliegenden Revision sollte daher auch die

Rechtsprechung wie folgt angepasst werden. Während im bürgerlichen Verkehr weiterhin

der subsidiäre Zinssatz von 5% p.a. anzuwenden ist, muss im kaufmännischen Verkehr der

flexible subsidiäre Zinssatz von 6 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz angewendet

werden. Dies gilt z.B. für den Schadenszins, den Zins auf Auslagen- und Verwendungs-

ersatz sowie den Zins in der kaufrechtlichen Gewährleistung. Im kaufrechtlichen Verzug

gemäß Art. 213 OR und im Verzug in der auftragsrechtlichen Herausgabepflicht sind unter

dem vorliegenden Entwurf hingegen die Verzugszinssätze von 5% p.a. im bürgerlichen

Verkehr und von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz im kaufmännischen Verkehr

analog anzuwenden.

Auf den Bereicherungszins wirkt sich die Einführung des flexiblen Basiszinssatzes

ohne eine grundlegende Änderung der Rechtsprechung nicht unmittelbar aus, da in der

ungerechtfertigten Bereicherung vom Bundesgericht jener Zinssatz angewendet wird, den

der Bereicherte tatsächlich erzielt hat bzw. hätte erzielen können. Allerdings hat die geltende

Regelung für den Berechtigten den Nachteil, dass er den Nachweis einer bestimmten

Rendite des Bereicherten aufgrund mangelnder Verfügbarkeit dieser Informationen kaum

konkret erbringen kann. Zumindest im kaufmännischen Verkehr ist diese Benachteiligung

des Berechtigten m.E. aber nicht gerechtfertigt, da im kaufmännischen Verkehr die verzinste

Anlage von Geld als üblich angenommen werden kann. Daher wäre es angemessen, auch für

den Bereicherungszins im kaufmännischen Verkehr den allgemeinen gesetzlichen Zinssatz

subsidiär anzuwenden und ihn bei Bösgläubigkeit sogar als vom Bereicherten erzielbaren

Zinssatz zu vermuten.

C DER EINLAGEZINSSATZ IN DER KOLLEKTIVGESELLSCHAFT

Im Recht der Kollektivgesellschaft wird der für die Verzinsung der Kapitaleinlage

anwendbare Zinssatz im Gesetz selbst auf 4% p.a. festgelegt. Im Rahmen des vorliegenden

Entwurfes soll auch dieser dispositive Zinssatz durch einen flexiblen Zinssatz ersetzt

werden, wie er für den kaufmännischen Verkehr vorgeschlagen wird. Im Vergleich zum

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§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN __________________________________________________________________________

209

allgemeinen subsidiären Zinssatz ist aber im Verhältnis zwischen den Gesellschaftern und

ihrer Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft kein Aufschlag für Kosten und Auslagen des

Gesellschafters sowie nur eine geringere Vergütung für das zu tragende Gegenparteirisiko

zu berücksichtigen. Daher soll für die Einlageverzinsung insgesamt ein geringerer

Aufschlag von lediglich 4 Prozentpunkten auf den Basiszinssatz vorgeschlagen werden.

Durch die flexible Orientierung am allgemeinen Zinsniveau wird den Gesellschaftern,

vorbehaltlich einer anderen Vereinbarung, eine zu allen Zeiten möglichst marktgerechte

Verzinsung ihrer Kapitaleinlage durch die Gesellschaft gewährt.

D DIE ZINSSCHRANKE IN DER GENOSSENSCHAFT

Auch der nur schwer bestimmbare landesübliche Zinsfuss für langfristige Darlehen

ohne besondere Sicherheiten im Genossenschaftsrecht soll im Rahmen der vorgeschlagenen

Revision der Zinsbestimmungen durch den neuen gesetzlichen Basiszins und einen

angemessenen Aufschlag ersetzt werden, damit die Bestimmung von Art. 859 Abs. 3 OR

wieder einen einfach bestimmbaren und tatsächlich anwendbaren Referenzzinssatz erhält.

Um zudem die Grenze für die Ausschüttung nach Anteilen trotz des flexiblen Zinssatzes

nicht zu hoch anzusetzen, soll auch für die Genossenschaft ein reduzierter Aufschlag von

4 Prozentpunkten auf den Basiszinssatz vorgeschlagen werden.

E ZINSEN AUF FREMDWÄHRUNGSSCHULDEN

Nach geltendem Recht sind für alle Forderungen die gleichen Zinssätze

anzuwenden, unabhängig von der Währung in der die Forderung zu erfüllen ist. Solange das

Gesetz die Zinshöhe unabhängig von einer Währung festschrieb, war diese Regelung für die

meisten Fälle weitgehend unproblematisch. Da im vorliegenden Entwurf aber der Basiszins

am 3-Monats-LIBOR für Schweizer Franken angeknüpft wird, kann der resultierende

Zinssatz für Forderungen in anderen Währungen zu niedrig sein. Daher bestimmt der

Entwurf in Art. 73b Abs. 3 EN-OR, dass der Gläubiger berechtigt ist anstelle des

gesetzlichen Referenzzinssatzes eine Anknüpfung des Basiszinses am 3-Monats-LIBOR für

die Währung der betroffenen Forderung zu verlangen, sofern ein solcher existiert und der

Gläubiger dessen Stand an den jeweiligen Anpassungsterminen nachweisen kann. Dadurch

kann der Gläubiger einen marktgerechten Zinssatz verlangen, der ihm auch das von ihm

getragene Währungsrisiko vergütet.

F BAUZINSEN

Da es sich bei den Bauzinsen um keine echten Zinsen im rechtlichen Sinn handelt,

sollen die entsprechenden Bestimmungen im Recht der AG und der GmbH im Rahmen des

vorliegenden Revisionsvorschlages aufgehoben werden. Letztlich handelt es sich bei

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§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN __________________________________________________________________________

210

Bauzinsen um eine Rückzahlung von Aktienkapital, welche der Gesellschaft in einer

kapitalintensiven Aufbau- oder Ausbauphase des von ihr betriebenen Unternehmens

zusätzliche finanzielle Mittel entzieht und daher geeignet ist, die Gläubiger der Gesellschaft

zu schädigen. Zudem gibt es heute vielfältige andere Finanzierungsinstrumente, mit denen

der Kapitalbedarf einer Gesellschaft in einer solchen Phase durch Fremdkapital gedeckt und

den Gläubigern ihr Risiko adäquat vergütet werden kann. Die Möglichkeit der Vereinbarung

von Bauzinsen ist daher m.E. ohne Weiteres entbehrlich.

G ZINSBESCHRÄNKUNGEN

Das geltende Recht enthält mit Ausnahme des KKG und des Zürcher EGZGB

keinen allgemeinen bindenden Maximalzinssatz. Stattdessen muss die Zulässigkeit von

Zinsvereinbarungen im Einzelfall vom Gericht unter den Schranken der Sittenwidrigkeit und

der Übervorteilung geprüft werden. An dieser Rechtslage soll auch im vorliegenden Entwurf

festgehalten werden. Allerdings können die Gerichte im Rahmen des Revisionsentwurfes

auch den Stand des neu eingeführten allgemeinen Basiszinssatzes bei der Bewertung einer

Zinsvereinbarung im kaufmännischen Verkehr und allenfalls vergleichend im bürgerlichen

Verkehr als Referenzwert berücksichtigen. Durch den Einbezug des allgemeinen

Zinsniveaus in die Zulässigkeitsprüfung könnte eine hohe Zinsvereinbarung in Zeiten eines

hohen Marktzinsniveaus unter Umständen gerechtfertigt sein, während sie in einer

Tiefzinsperiode mit einem sehr geringen Basiszinssatz unzulässig wäre. Maßgeblicher

Zeitpunkt für die Überprüfung wäre der Zeitpunkt des Abschlusses der Zinsvereinbarung

und der dann geltende (historische) Stand des Basiszinses. Als Richtwert für die

Zulässigkeit einer Zinsvereinbarung könnte beispielsweise ein Aufschlag von 18 Prozent-

punkten über dem Basiszinssatz gemäß Art. 73b EN-OR gelten. Die Betrachtung würde wie

bisher für das Jahr und unter Berücksichtigung sämtlicher vereinbarter Vergütungen

erfolgen.

Aus den in § 16 dargestellten Gründen sollen zudem die Beschränkungen von

Zinseszinsen im Darlehensrecht (Art. 314 Abs. 3 OR) und im Verzugsrecht (Art. 105 Abs. 1

und 3 OR) aufgehoben werden.

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§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN __________________________________________________________________________

211

V. DER ENTWURF (EN-OR)

Der zuvor skizzierte Revisionsvorschlag für die Zinsbestimmungen im OR mit einem

flexiblen Basiszinssatz und pauschalen Aufschlägen könnte im Rahmen des bestehenden

Gesetzes wie folgt umgesetzt werden. Die eingefügten oder geänderten Bestimmungen sind

unterstrichen, die aufgehobenen Abschnitte durchgestrichen:

Art. 73

5. Zinse

a. Im Allgemeinen

1 Geht die Schuldpflicht auf Zahlung von Zinsen und ist deren Höhe weder durch

Vertrag noch durch Gesetz oder Übung bestimmt, so sind Zinse zu fünf vom

Hundert für das Jahr zu bezahlen. 1bis Im kaufmännischen Verkehr beträgt der subsidiäre Zinssatz pro Jahr sechs

Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. 2 Dem öffentlichen Rechte bleibt es vorbehalten, Bestimmungen gegen Missbräuche im Zinswesen aufzustellen.

b. Berechnung Art. 73a

1 Vorbehaltlich einer anderen Bezeichnung oder Abrede sind sämtliche in diesem Gesetz bestimmten oder vereinbarten Zinse als Jahreszinse zu entrichten. 2 Mangels einer abweichenden Vereinbarung oder Übung erfolgt die Berechnung

von Zinsen im kaufmännischen Verkehr für ein Jahr mit 360 Tagen und Monate mit 30 Tagen.

Art. 73b

c. Basiszinssatz 1 Der Basiszinssatz wird von der Schweizerischen Nationalbank am 1. Januar,

1. April, 1. Juli und 1. Oktober jeden Jahres in einer Verordnung bestimmt. Sie setzt den Basiszinssatz auf den letzten verfügbaren Wert des Referenzzinssatzes

vor den genannten Terminen fest. Als Referenzzinssatz wird die London Interbank

Offered Rate (LIBOR) für dreimonatige Anlagen in Schweizer Franken bestimmt. 2 Die Schweizerische Nationalbank gibt den ab den in Absatz 1 genannten

Terminen gültigen Basiszinssatz unverzüglich im Bundesblatt und im

Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) bekannt. Sie kann den Basiszinssatz in weiteren elektronischen Publikationen bekannt geben. 3 Sind Zinsen auf einer Schuld zu berechnen, die nicht auf Schweizer Franken

lautet, dann kann der Gläubiger verlangen, dass als Referenzzinssatz die London Interbank Offered Rate (LIBOR) für dreimonatige Anlagen in der geschuldeten

Währung angewendet wird, sofern er dessen Stand an den in Absatz 1 genannten Terminen nachweisen kann.

Art. 104

2. Verzugszinse

a. Im Allgemeinen

1 Ist der Schuldner mit der Zahlung einer Geldschuld in Verzug, so hat er

Verzugszinse zu fünf vom Hundert für das Jahr zu bezahlen, selbst wenn die

vertragsmässigen Zinse weniger betragen. 2 Sind durch Vertrag höhere Zinse als fünf vom Hundert, sei es direkt, sei es durch

Verabredung einer periodischen Bankprovision, ausbedungen worden, so können

sie auch während des Verzuges gefordert werden. 3 Im kaufmännischen Verkehr beträgt der Verzugszins für das Jahr acht

Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

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§ 18 VORSCHLAG FÜR EINE REVISION DER ZINSBESTIMMUNGEN __________________________________________________________________________

212

Art. 105

b. Bei Zinsen,

Renten,

Schenkungen

1 Ein Schuldner, der mit der Zahlung von Zinsen oder mit der Entrichtung von Renten oder mit der Zahlung einer geschenkten Summe im Verzuge ist, hat erst

vom Tage der Anhebung der Betreibung oder der gerichtlichen Klage an

Verzugszinse zu bezahlen. 2 Eine entgegenstehende Vereinbarung ist nach den Grundsätzen über

Konventionalstrafe zu beurteilen. 3 Von Verzugszinsen dürfen keine Verzugszinse berechnet werden.

Art. 314

2. Zinsvorschriften

1 Wenn der Vertrag die Höhe des Zinsfusses nicht bestimmt, so ist derjenige

Zinsfuss zu vermuten, der zurzeit und am Orte des Darlehensempfanges für die

betreffende Art von Darlehen üblich war. Falls kein ortsüblicher Zinsfuss festgestellt werden kann ist ein Zinsfuss von fünf vom Hundert als ortsüblich zu

vermuten. 1bis Im kaufmännischen Verkehr ist ein Zinsfuss von sechs Prozentpunkten über dem Basiszins als ortsüblich zu vermuten. 2 Mangels anderer Abrede sind versprochene Zinse als Jahreszinse zu entrichten. 3 Die vorherige Übereinkunft, dass die Zinse zum Kapital geschlagen und mit diesem weiter verzinst werden sollen, ist ungültig unter Vorbehalt von

kaufmännischen Zinsberechnungen im Kontokorrent und ähnlichen

Geschäftsformen, bei denen die Berechnung von Zinseszinsen üblich ist, wie namentlich bei Sparkassen.

Art. 558

B. Gewinn- und

Verlustrechung

1 Für jedes Geschäftsjahr sind auf Grund der Gewinn- und Verlustrechnung sowie

der Bilanz der Gewinn oder Verlust zu ermitteln und der Anteil jedes

Gesellschafters zu berechnen. 2 Jedem Gesellschafter dürfen für seinen Kapitalanteil Zinse gemäss Vertrag

gutgeschrieben werden, auch wenn durch den Verlust des Geschäftsjahres der

Kapitalanteil vermindert ist. Mangels vertraglicher Abrede beträgt der Zinssatz vier Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. 3 Ein vertraglich festgesetztes Honorar für die Arbeit eines Gesellschafters wird

bei der Ermittlung von Gewinn und Verlust als Gesellschaftsschuld behandelt.

Art. 859

2. Verteilungs-

grundsätze

1 Ein Reinertrag aus dem Betriebe der Genossenschaft fällt, wenn die Statuten es

nicht anders bestimmen, in seinem ganzen Umfange in das Genossenschafts-

vermögen. 2 Ist eine Verteilung des Reinertrages unter die Genossenschafter vorgesehen, so

erfolgt sie, soweit die Statuten es nicht anders ordnen, nach dem Masse der

Benützung der genossenschaftlichen Einrichtungen durch die einzelnen Mitglieder. 3 Bestehen Anteilscheine, so darf die auf sie entfallende Quote des Reinertrages

einen Zinssatz von vier Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nicht übersteigen.

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224

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SACHREGISTER __________________________________________________________________________

225

SACHREGISTER

A

Abhängigkeit 14, 17, 19, 40, 41, 57, 65, 66, 76

Abstraktheit

- formell 172

- materiell 172

Abtretung 18, 35, 41

Agio 85, 166

Aktienkapital 21, 154, 163 ff., 210

Akzessorietät 17 f., 40, 124

Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch 23

Amortisation 39, 92

anatocismus conjunctus 61

anatocismus separatus 61

Anfechtbarkeitstheorie 58 f.

Annuität 39

Anpassungsrhythmus 206

Anteilsschein 160, 162

antizipierter Vertragsbruch 98 f.

Aufhebung 30 f., 32, 96, 141

Aufhebungsvertrag 30

Ausfallrisiko 205

Ausfallstrafe 182

Auslagenersatz 21, 133, 140, 208

Auszahlungsvoraussetzung 77

B

Bank für internationalen Zahlungsausgleich 180

Bankdiskontsatz 24, 106, 115

Bankensatz 197

Barwert 13, 123

Basiszins 178, 194 ff., 199, 201, 202 ff.

Bauzinsen 164 ff., 209 f.

Bedingung 20 f., 60, 77, 123, 164, 173, 181, 188

Belassungspflicht 76 ff.

Bemessungsperiode 60

Berechnungsperiode 17, 177

Bereicherungszins 42, 127 ff., 208

Bestandteil 19 f., 93, 128, 130 f, 133, 143, 150,

177 f.

Betreibung 18, 37, 42, 62, 173, 212

Betreibungsbegehren 92

Beweislast 28, 37 f., 42, 53, 57, 91, 106 f., 125,

130, 177

Beweislosigkeit 38, 42, 89

Bezugszins 194 f.

Bonität 1, 55, 75, 86 f., 93, 161, 171, 188 f., 198,

203, 205

Bringschuld 26, 78, 86, 172

C

census 3

clausula rebus sic stantibus 27, 58

condictio indebiti 50, 59

condictio ob causam finitam 59

contrarius actus 31

da mihi facta, dabo tibi ius 37

D

Darlehenszins 24, 70 f., 81, 84, 87, 187, 199, 205

Datowechsel 173, 176

Dauerschaden 117, 122

Dauerschuldverhältnis 50, 76

dies interpellat pro homine 97

Disagio 62, 84

Diskont 41, 175

Diskontierung 9, 13 f., 105, 112, 123 f., 171,

175 f., 179, 189

Diskontierungszinssatz 13 f., 123 f.

Diskontsatz 17, 105 f., 175, 179, 183 f., 189 f.

Diskontzins 178

Dispositionsmaxime 22, 36

Dividende 40, 155, 158, 160 f., 164 f.

Draft Common Frame of Reference 198

E

effektiver Jahreszinssatz 10

Effektivklausel 27, 29

Eigenwechsel 171, 174

einfache Gesellschaft 138

Einheitliches Checkgesetz 23, 183

Einheitliches Wechselgesetz 23, 179, 183

Einlageverzinsung 23, 186, 209

einseitige Unverbindlichkeit 58

Erfüllungsort 27, 29, 78 f., 86

Europäische Zentralbank (EZB) 179, 194 f.

Eventualvorsatz 68

Exkulpationsbeweis 100 f., 106, 112, 133

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SACHREGISTER

__________________________________________________________________________

226

F

Fälligkeit 15 f., 21, 25 ff., 31, 34, 42, 61 f., 75,

81, 84, 86, 92, 96, 97 ff., 101, 119, 130,

134 f., 139, 144, 149 ff., 173 ff., 197 f.

falsa demonstratio non nocet 3, 39

Fixgeschäft 100

Fremdwährung 29, 53 f., 139

Fremdwährungsdarlehen 81

Fremdwährungsschuld 27, 110, 209

Frucht

- juristische/bürgerliche 3 f., 15, 20, 42, 127, 143

- natürliche 3 f., 143

G

Gebühr 6, 40, 45, 72, 73, 180

Gegenbeweis 28, 110

Gegenparteirisiko 87, 93, 185, 186, 188, 209

Geldentwertung 8, 16, 53, 123

Geldwertveränderung 27

Genossenschaft 159 ff., 186, 209, 212

Genugtuung 17, 114 ff.

Genugtuungsleistung 113, 118

Geschäftsführung ohne Auftrag 133, 137

Geschäftsverkehr 1, 20, 62 f, 73, 90, 107 f., 112,

188 ff., 194, 198 f.

Gewohnheitsrecht 43, 63 f., 71

Gläubigerverzug 18, 26, 99, 144

H

Handelsgesetzbuch (HGB) 23, 154

Handelsregister 84, 104

Hauptrefinanzierungsoperation 194 f.

Hauptrefinanzierungszinssatz 195

Herabsetzung 54, 60, 62, 64, 71, 72

Hinterlegung 18, 26, 83, 92, 103

Höchstzins 44 ff., 54 f., 63 f., 72 f., 85, 186, 190

Holschuld 79, 86, 172

Hypothekarzinssatz 1, 37

hypothetischer Parteiwille 25, 51 ff., 60, 72, 90

I

Indexklausel 27

Indossament 169 f., 178, 181

Indossierung 41, 170

Inflation 55, 188

Inflationsrate 8, 111, 123, 185 f.

Inhaberpapier 19, 169

Inhaltsfreiheit 23, 47

K

Kapitalanteil 153 ff., 212

Kapitalherabsetzung 163 ff.

Kapitalisierungsfaktor 123 f.

Kapitalkosten 82, 108 f., 112

Kapitalleistung 14, 124

Kapitalmarkt 1, 114, 126, 186

Kaufkraftverlust 111 f.

Kaufleute 35, 104, 106, 111, 130, 186, 191

kaufmännischer Verkehr 2, 11, 20, 24, 62 f., 73,

83 f., 85, 87, 91 ff., 101, 103 ff., 128, 130 f.,

142, 150 f., 187 ff., 191, 193 ff, 199 ff.,

205 ff. 210, 211 f.

Klagerückzug 31 f

Kollektivgesellschaft 23, 40, 153 ff., 167, 186,

209

Kommanditgesellschaft 23, 40, 157, 209

Kommanditsumme 157

Konkordat 44 ff., 72

Konkurs 18, 29, 31, 37, 61, 80, 104, 156, 165,

173, 175

Konsumkreditgesetz (KKG) 2, 6, 10, 43 ff., 63,

64, 71 ff., 85, 190, 210

Kontokorrent 33 f., 62 f., 87 f., 92 f., 105 f., 108,

112, 187, 189, 191, 212

Kostenersatz 114, 116 f., 178, 184

Kreditkommission 84, 88, 93

Kündigung 77, 81, 92, 98, 150

Kündigungstermin 18, 78, 82

L

landesüblicher Zinssatz 24, 71, 160, 161 f., 189,

209

Landeswährung 27, 110

Laufzeitabhängigkeit 14, 16

Leistungsort 78

Leistungsstörung 95, 121

Leistungszeitpunkt 79, 99

Libor 17, 38, 87, 93, 202 ff., 209, 211

M

Mahnung 81, 96 ff., 102, 119, 135, 140, 144,

150 f., 184

Marge 87 f., 93, 186 f.

Maximalzins 41, 43, 46 f., 71, 73, 186, 210

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SACHREGISTER __________________________________________________________________________

227

mittlerer Verfall 116 f.

modo legislatoris 25

N

Nachlassvertrag 31

Nachsichtwechsel 173, 176

Nachwucher 68, 73

Nationalbank 105, 179, 183 f., 189, 203, 206

Naturalzins 3, 15 f.

ne ultra alterum tantum 61

Nennwertprinzip 26 f., 81

Nichterfüllung 95, 100 f., 149 f., 193, 197

Nichtigkeit 44, 46, 50 ff., 64, 69 ff., 172, 177,

184

- Ganznichtigkeit 46 f., 50 ff., 177

- Teilnichtigkeit 46 f., 51 ff., 70 ff., 177

Nominalzins 7 f., 14

Novation 32 ff., 36, 42, 62, 92, 172

O

offene Handelsgesellschaft 23, 154 f., 159

Opportunitätskosten 5

Ortsüblichkeit 87 f.

P

pactum de non petendo 31

partiarisches Darlehen 23, 82

periodische Bankprovision 103, 211

periodische Leistung 6, 25, 28, 42

Periodizität 35

positive Vertragsverletzung 95

postnumerando 25

praenumerando 26

Prävention 5, 44, 54, 72, 201 f., 205

Privatdiskontsatz 105 f., 108, 112, 175, 189, 191,

193

Provision 6, 40 f., 45, 72 f., 175, 177 f., 182, 184,

211

provisorischer Rechtsöffnungstitel 92

Q

Quittung 27 f., 135

Quote 15, 17, 22, 160, 183, 212

R

Realzins 7 f., 14

rechtmäßiges Alternativverhalten 101

Rechtsgewährleistung 141 ff.

Reduktion 47, 52, 54, 59 f.,72 f., 106, 177

Referenzgröße 23 f., 105, 112, 179, 186, 205 f.

Referenzzinssatz 17, 86 f., 89, 91, 93, 160 f.,

186 f., 189, 199, 201 f., 206, 209, 211

Regresszins 177 f., 182 ff.

Rendite 7 f., 14, 63, 102, 123, 126, 130 f., 161 f.,

164, 167, 179, 201, 208

Rente, Rentenleistung 14, 40, 122 f., 212

res iudicata 31, 111

restitutio in integrum 142

Rückbehaltungsrecht 28, 79

S

Sachgewährleistung 141 ff.

Saldoforderung 33 f.

Schadensarten 108

Schadensberechnung 107, 116, 118 f.

Schadensnachweis

- abstrakt 107

- konkret 107, 110, 111 f.

Schadenszins 113 ff., 127, 130 f., 136, 187, 208

Schlechtleistung 95

Schuldnerverzug 21, 79 ff., 83, 95 ff.

Schuldschein 28, 30

Schuldübernahme 35 f.

Schweizer Franken 27, 54, 86 ff., 93, 110, 133,

161, 179, 202 ff., 206, 209, 211

Schweizerische Nationalbank (SNB) 175, 179,

183 f., 190, 203 ff., 211

Schweizerisches Handelsamtsblatt (SHAB) 206,

211

Sicherheiten 16, 22, 24, 33, 55, 75, 77, 86 f., 93,

160 ff., 171, 186, 190, 209

Sichtwechsel 173 f., 176

Sittenwidrigkeit 7, 47 ff., 53, 70, 72, 186, 210

SNB-Zielband 203 f., 206

Soft Law 2, 185, 199

Sperrziffer 154, 163

Stammkapital 21, 163 ff.

Stoffgleichheit 15 f.,42

Streitwert 124 f., 131

Stundung 34, 33, 134

Synallagma 55, 84, 99

T

Tagwechsel 173, 176

Tilgung 11, 19, 28 f., 32 f., 39

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SACHREGISTER

__________________________________________________________________________

228

U

Übervorteilung 7, 47, 54 ff., 58 ff., 65, 69 ff.,

186, 210

Überziehungszinssatz 93

Unerfahrenheit 55 f., 65 f.

ungerechtfertigte Bereicherung 20, 33, 35, 124,

127 ff., 143, 208

Ungültigkeitstheorie 58 f.

UNIDROIT-Priciples 197 f.

Unmöglichkeit 48, 95 f.

Unterbilanz 166

Unterlegenheit 64 ff.

Usanz

- deutsche 11, 208

- englische 11

- französische 11

V

Valuta 16, 41, 53 f., 76 ff., 92, 110, 171

Verdienstausfall 114, 117

Vereinigung 32, 42

Verfalltag 79,81, 97 f., 102, 117, 144, 173,

177 ff.

Verhandlungsmaxime 37

Verlustschein 18, 37

Vermögensnachteil 5, 134, 138, 140

Vermögensvorteil 65, 67 f.

Verrechnung 18, 28 ff., 42, 69, 78, 120

Verrechnungsverzicht 28

Vertragsstatut 53

Verwendungsersatz 21, 35, 42, 133, 135, 138,

140, 208

Verwendungszins 135 f., 140

Verzinsung

- exponentiell 9 ff.

- jährlich 9

- linear 9, 13

- stetig 12 f.

- tagesgenau 11 f.

- unterjährig 9 f.

Verzugszins 1 f., 30, 35 f., 62 f., 76 f., 81, 95 ff.,

113 ff., 119 ff., 126, 129 ff., 135 f., 139 f.,

142, 145, 150 f., 190, 193 ff., 197 f., 199, 205,

211 f.

Verzugszinssatz 23, 103 ff., 112, 126, 129,

188 f., 193 f., 196, 198 f., 206 ff.

Vorsatz 68 f.

vorzeitige Erfüllung 18, 26

vorzeitige Rückerstattung 81 f.

W

Währungsstatut 53

Währungsverlust 110

Wechselkurs 27, 110 f., 139

Wechselstrenge

- formell 171, 173

- materiell 171, 173

Wertschuld 26

Wertsicherungsklausel 27, 176

Z

Zahlungsfähigkeit 1, 189

Zahlungsmittel 26 f., 112, 171, 182, 194

Zahlungsort 27, 105 f., 111, 172, 197

Zahlungsunfähigkeit 80

Zedent 35

Zero-Bond 12, 62

Zession 19, 35, 169 f.

Zessionar 35

Zessionsschuldner 35

Zinseszins 1 f., 6, 9, 14, 23, 60 ff., 73, 122, 128,

136, 142, 150 f., 178, 183 f., 190, 210, 212

Zinseszinsverbot 34, 61 ff., 73, 121, 145, 190

Zinsniveau 22, 53, 73, 93, 123 f., 185 f., 188 f.,

200 ff., 206, 209 f.

Zinsperiode 8 ff., 25 f., 60, 83, 117, 210

Zinsrechnung 8, 11, 14

Zinsschaden 109

Zinsvermerk 176 f., 181, 184

Zinsversprechen 175, 177, 181

Zwangslage 57, 65 f., 68

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LEBENSLAUF __________________________________________________________________________

229

LEBENSLAUF

Geburtsdatum: 19. Februar 1984

Geburtsort: Köln, Deutschland

AUSBIDLUNG

09/2008 - 06/2011 Universität St. Gallen (HSG), St. Gallen, Schweiz

Doktorat in Rechtswissenschaft (DLS)

10/2006 - 08/2008 Universität St. Gallen (HSG), St. Gallen, Schweiz

Master of Arts in Law & Economics (MLE)

09/2007 - 12/2007 University of Toronto, Ontario, Kanada

Joseph L. Rotman School of Management (Austauschsemester)

10/2003 - 10/2006 Universität St. Gallen (HSG), St. Gallen, Schweiz

Bachelor of Arts in Law & Economics (BLE)

09/1994 - 06/2003

Abitur am Gymnasium Erzbischöfliche Liebfrauenschule Köln,

Deutschland

PRAKTISCHE ERFAHRUNG

10/2009 - 03/2011 Bär & Karrer AG, Rechtsanwälte, Zürich, Schweiz

(Juristisches Substitutenjahr)

03/2008 - 02/2010 Universität St. Gallen (HSG), St. Gallen, Schweiz

Assistent PD Dr. iur. Lukas Glanzmann

03/2007 - 04/2007 Rechtspraktikum in einer Zürcher Rechtsanwaltskanzlei

09/2006 - 10/2006 Rechtspraktikum in einer deutschen Rechtsanwaltskanzlei

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