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Es ist ein ganz feiner Ton der Gi- tarrensaite, der da in der Stille der Traktorenhalle des Landwirt- schaftsmuseums in Regen ver- klingt, der noch mal zurückgewor- fen wird von den Granit- und Glas- wänden – und dann brandet der Applaus von gut 200 Menschen auf. Doris Leibold, Thomas Kohl und René Senn vom Trio „Ver- zupft“ verbeugen sich. „Vielen Dank fürs Leisesein“, bedankt sich „Danke fürs Leisesein“ Doris Leibold. Ein Schlaflied ha- ben sie soeben gespielt. Mit eini- gen ihrer Stücke, klassische Ame- ricana, bei denen auch die Steel- Guitar zum Einsatz kommt, passen sie damit eigentlich aufs drumher- um, das größte Volksmusikfestival Bayerns? Das begeisterte Klat- schen des Publikums ist besser als jede Antwort auf diese Frage. „Das drumherum ist für uns der absolute Höhepunkt im Musikan- tenjahr“, sagt Doris Leibold nach dem Konzert. Weil das Publikum hier wirklich leise und „unheim- lich aufmerksam ist“, wie sie er- klärt, „es wird gehört und verstan- den, was wir uns bei unserer Musik gedacht haben, weil im Publikum auch viele Musikanten sind“. Und dann gehört noch jemand dazu; ei- ner, der die 412 Gruppen, die in diesem Jahr beim drumherum da- bei waren, richtig einteilt. Wer passt ins Zirkuszelt, wo die wilden Musikanten spielen, die die Volks- musik auseinandernehmen, mit anderen Stilen mischen und wie- der zusammensetzen? Wer sorgt auf der Tanzbühne am Stadtplatz für den richtigen blasmusikali- schen Druck, beherrscht Galopp und Polka und Zwiefache? Wer fühlt sich in Wirtsstuben wohl? Entscheidend sind diese Momente Derjenige, der das alles weiß, ist Roland Pongratz (45), Miterfinder und Organisator des drumherum. 1998 hatte es Premiere, heuer wur- de es das zehnte Mal zelebriert. Roland Pongratz weiß auch, welche Gruppen auf der Bühne des Bayerischen Rundfunks auf- treten, ohne gegen die Entschei- dung zu protestieren, die Volksmu- sik aus dem Programm Bayern 1 zu verbannen. Denn diesen Abschied zelebriert der BR beim drumher- um. Die Samstagabend-Volksmu- siksendung kommt live vom drum- herum. Es ist die letzte Bayern-1- Volksmusiksendung auf UKW. „Auf Wiedersehen auf BR Hei- mat“, verabschiedet sich Modera- tor Stefan Frühbeis. Ohne Gage sind die Gruppen dabei, sie spielen für ein Getränk und für eine Übernachtung mit Frühstück – und für die Horizont- erweiterung. Am Samstagnachmit- tag wärmt die Sonne an diesem spätwinterlichen Wochenende ausnahmsweise mal. Vor dem „Naschkasterl“, einer Confiserie, stehen sofort ein paar Bierbänke, ein Quartett mit Akkordeon, Tuba, Gitarre und Trompete nimmt Platz und fängt ganz leise an zu musizie- ren, und als der Zahnputz-Walzer daherschaukelt, da dämmert es ei- nigen Besuchern. Die vier von Ko- felgschroa sind es, die da zur eige- nen und zur Freude der Zuhörer spielen. Im drumherum-Programm, das es mittlerweile auch in Form einer Smartphone-App gibt, taucht Ko- felgschroa nicht auf. Im Zirkuszelt spielen sie trotzdem, mit dem Kla- rinettisten und Erzmusikanten Jo- sef Zapf sind sie dort das „Maria- cron Project“. Es hat sich auch Was nicht im Programmheft steht . . . nicht geheim halten lassen, wer da spielt, und so ist das Zelt bumm- voll, als sie „Sofia“ besingen – und gleich Sepp Zapf korrigieren: Das Lied ist nicht der Eisheiligen, der kalten Sophie, gewidmet, die an diesem Tag Regen regiert. „Sofia“ besingt die Stadt Sofia. Egal, ob es an den fünf drumher- um-Tagen in Regen jetzt 40 000, 50 000 oder 60 000 Besucher wa- ren. Entscheidend sind die Mo- mente: Der Moment, in dem sich Musikanten fürs Leisesein bedan- ken, in dem zum ersten Mal der Zwiefache-Tanzschritt mit dem Takt der Musik übereinstimmt, in dem die Sonne zum Zahnputz- Walzer scheint und in dem zwei Dutzend Sänger beim Jodel-Kurs die Luft einer Wirtsstube vibrieren lassen. Michael Lukaschik Videos und Fotos vom Festival un- ter www.pnp.de/drumherum. Das nächste drumherum-Volks- musikspektakel in Regen findet vom 17. bis 21. Mai 2018 statt. Ob nun 40 000 oder 60 000 Besucher: Die Poesie im Kleinen macht das Volksmusik-Festival drumherum in Regen so außerordentlich Im Verdi-Fiebe Die Regener Disco „Tanzboden“ hat eigentlich nur noch sporadisch offen. Doch beim drumherum am Freitagabend bringt der Niederbaye- rische Musikantenstammtisch die Menschen in Bewegung. Ohne jede Ankündigung fangen sie vor einem Laden zu spielen an: Ko- felgschroa beim Überraschungsauf- tritt in Regen. − Fotos: Lukaschik

Dienstag,17.Mai 2016 EntscheidendsinddieseMomente ... 17_5_2016 - Entscheidend si… · und René Senn vom Tr io Ver- ... Guitar zum Einsatz kommt, ... Cecilia Bartoli erinnert sich

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Page 1: Dienstag,17.Mai 2016 EntscheidendsinddieseMomente ... 17_5_2016 - Entscheidend si… · und René Senn vom Tr io Ver- ... Guitar zum Einsatz kommt, ... Cecilia Bartoli erinnert sich

FEUILLETONDienstag, 17. Mai 2016 Nummer 112 7

Taucher bergenSchatz im MittelmeerIsraelische Taucher haben an derMittelmeerküste einen spektaku-lären Schatz geborgen. Es handlesich um die Ladung eines vor rund1600 Jahren gesunkenen Handels-schiffs aus der späten römischenÄra, teilte die Altertumsbehördemit. Es sei der größte Fund dieserArt seit drei Jahrzehnten. Die Tau-cher fanden die Kostbarkeiten imantiken Hafen der Stadt Caesarea.Mehrere Fundstücke aus Bronzeseien in ausgezeichnetem Zustand,etwa Abbildungen des römischenSonnengottes Sol, der MondgöttinLuna und eines afrikanischenSklaven. − dpa

„Casablanca“: LetzeDarstellerin ist totMit der Französin Madeleine Le-beau ist die letzte Schauspielerinvon „Casablanca“ gestorben. Indem Film von 1942 verkörperte diedamals 19-Jährige mit der Rolle derYvonne die verschmähte Geliebtevon Bar-Besitzer Rick alias Hum-phrey Bogart. Lebeau starb bereitsam 1. Mai im Alter von 92 Jahren,wie ihr Stiefsohn, der italienischeFilmemacher Carlos Alberto Pinel-li jetzt der Zeitschrift „HollywoodReporter“ bestätigte. Ihre ein-drucksvollste Szene hatte Lebeauin „Casablanca“ mit dem dramati-schen Ausruf „Vive la France!“,nachdem Gäste und Band in RicksCafé mit der französischen Natio-nalhymne „Marseillaise“ den Ge-sang anwesender Nazi-Soldaten(„Die Wacht am Rhein“) niederge-schmettert hatten. − dpa

KULTUR IN KÜRZE

Es ist ein ganz feiner Ton der Gi-tarrensaite, der da in der Stille derTraktorenhalle des Landwirt-schaftsmuseums in Regen ver-klingt, der noch mal zurückgewor-fen wird von den Granit- und Glas-wänden – und dann brandet derApplaus von gut 200 Menschenauf. Doris Leibold, Thomas Kohlund René Senn vom Trio „Ver-zupft“ verbeugen sich. „VielenDank fürs Leisesein“, bedankt sich

„Dankefürs Leisesein“

Doris Leibold. Ein Schlaflied ha-ben sie soeben gespielt. Mit eini-gen ihrer Stücke, klassische Ame-ricana, bei denen auch die Steel-Guitar zum Einsatz kommt, passensie damit eigentlich aufs drumher-um, das größte VolksmusikfestivalBayerns? Das begeisterte Klat-schen des Publikums ist besser alsjede Antwort auf diese Frage.

„Das drumherum ist für uns derabsolute Höhepunkt im Musikan-tenjahr“, sagt Doris Leibold nachdem Konzert. Weil das Publikumhier wirklich leise und „unheim-lich aufmerksam ist“, wie sie er-klärt, „es wird gehört und verstan-den, was wir uns bei unserer Musikgedacht haben, weil im Publikumauch viele Musikanten sind“. Unddann gehört noch jemand dazu; ei-ner, der die 412 Gruppen, die indiesem Jahr beim drumherum da-bei waren, richtig einteilt. Werpasst ins Zirkuszelt, wo die wildenMusikanten spielen, die die Volks-musik auseinandernehmen, mitanderen Stilen mischen und wie-der zusammensetzen? Wer sorgtauf der Tanzbühne am Stadtplatzfür den richtigen blasmusikali-schen Druck, beherrscht Galoppund Polka und Zwiefache? Werfühlt sich in Wirtsstuben wohl?

Entscheidend sind diese Momente

Derjenige, der das alles weiß, istRoland Pongratz (45), Miterfinderund Organisator des drumherum.1998 hatte es Premiere, heuer wur-de es das zehnte Mal zelebriert.

Roland Pongratz weiß auch,welche Gruppen auf der Bühnedes Bayerischen Rundfunks auf-treten, ohne gegen die Entschei-dung zu protestieren, die Volksmu-sik aus dem Programm Bayern 1 zuverbannen. Denn diesen Abschiedzelebriert der BR beim drumher-um. Die Samstagabend-Volksmu-siksendung kommt live vom drum-herum. Es ist die letzte Bayern-1-

Volksmusiksendung auf UKW.„Auf Wiedersehen auf BR Hei-mat“, verabschiedet sich Modera-tor Stefan Frühbeis.

Ohne Gage sind die Gruppendabei, sie spielen für ein Getränkund für eine Übernachtung mit

Frühstück – und für die Horizont-erweiterung. Am Samstagnachmit-tag wärmt die Sonne an diesemspätwinterlichen Wochenendeausnahmsweise mal. Vor dem„Naschkasterl“, einer Confiserie,stehen sofort ein paar Bierbänke,

ein Quartett mit Akkordeon, Tuba,Gitarre und Trompete nimmt Platzund fängt ganz leise an zu musizie-ren, und als der Zahnputz-Walzerdaherschaukelt, da dämmert es ei-nigen Besuchern. Die vier von Ko-felgschroa sind es, die da zur eige-nen und zur Freude der Zuhörerspielen.

Im drumherum-Programm, dases mittlerweile auch in Form einerSmartphone-App gibt, taucht Ko-felgschroa nicht auf. Im Zirkuszeltspielen sie trotzdem, mit dem Kla-rinettisten und Erzmusikanten Jo-sef Zapf sind sie dort das „Maria-cron Project“. Es hat sich auch

Was nicht imProgrammheft steht . . .

nicht geheim halten lassen, wer daspielt, und so ist das Zelt bumm-voll, als sie „Sofia“ besingen – undgleich Sepp Zapf korrigieren: DasLied ist nicht der Eisheiligen, derkalten Sophie, gewidmet, die andiesem Tag Regen regiert. „Sofia“besingt die Stadt Sofia.

Egal, ob es an den fünf drumher-um-Tagen in Regen jetzt 40 000,50 000 oder 60 000 Besucher wa-ren. Entscheidend sind die Mo-mente: Der Moment, in dem sichMusikanten fürs Leisesein bedan-ken, in dem zum ersten Mal derZwiefache-Tanzschritt mit demTakt der Musik übereinstimmt, indem die Sonne zum Zahnputz-Walzer scheint und in dem zweiDutzend Sänger beim Jodel-Kursdie Luft einer Wirtsstube vibrierenlassen.

Michael Lukaschik

Videos und Fotos vom Festival un-ter www.pnp.de/drumherum.Das nächste drumherum-Volks-musikspektakel in Regen findetvom 17. bis 21. Mai 2018 statt.

Ob nun 40 000 oder 60 000 Besucher: Die Poesie im Kleinen macht das Volksmusik-Festival drumherum in Regen so außerordentlich

Ohne Stoppuhr schwer zu sa-gen, wie lange dieser Applaus letzt-lich gedauert hat. Außerordentlichlang jedenfalls, extrem lang, in fastschon hymnischer Hingabe vorge-bracht. Die erste „Aida“ am Lan-destheater Niederbayern wurdeam Samstagabend zum Triumphfür das Haus und die Musikthea-terabteilung in Passau.

Der ägyptische Feldherr Ra-dames liebt die unterworfeneäthiopische Sklavin Aida, am En-de werden beide lebendig begra-ben − was Verdi musikalisch zumHappy End verklärt. Diese 1871 inKairo uraufgeführte Herzschmerz-und-Vaterland-Geschichte hat derbritische Regisseur Stephen Med-calf in Passau nach der Methodeder freien Assoziation inszeniert:

Von der ägyptischen GottheitIsis gelangt er phonetisch zur Ter-rorvereinigung Islamischer Staat,weshalb ans altsyrische Palmyraerinnernde Architektur die Bühne(Karlheinz Beer) ziert, die später inIS-Manier in die Luft gejagt wird.Die ägyptischen Priester tragenTurban und iPad, die ägyptischenSoldaten (hier Terroristen) Tarnan-züge, Gewehre, Sprengstoffgürtel.Ihre Kriegsgefangenen aus Äthio-pien stecken in orangefarbenenAnzügen, wie man sie aus dem US-Lager Guantanamo kennt, wäh-rend − Überraschung − Pharao undFeldherr eine Militärdiktatur-Kluftim Stile von Kim Jong-il und KimJong-un tragen.

Akzeptiert man so wenig Strin-genz in der Regie, dann ist auch derText-Bild-Bruch im Finale verzeih-lich: Aida und Radames umgebenvon Wachen, der gesamte Chorumringt sie, ein vermummter Ter-rorist filmt mit dem Handy, wie einanderer mit dem Messer Radames’Kehle durchtrennt − und all das,während die Liebenden ausführ-lich besingen, dass sie nun ganz al-lein lebendig begraben sind.

Dass die mangelnde Logik an-standslos verziehen wird, dürfte ander nichtsdestoweniger berücken-den Ästhetik liegen: Priester, diedas Feuer anbeten, fließende 1001-Nacht-Kleider und Schleier (Kos-tüme: Iris Jedamski); Haremsda-men und Soldaten sparsam undwerkdienlich choreografiert (EvaSimmeth) in zeitgenössischer wieklassisch inspirierter Bewegungs-

Im Verdi-Fieber

sprache sowie die Herren mit akro-batischen Tricking-Elemeten.

Musikalisch wähnt man sich of-fenbar noch im Wagner’schen Tris-tan-Rausch, nur dass das Stadtthe-ater etliche Kubikmeter kleiner istals die Dreiländerhalle. Der sehrgroß besetzte und von Eleni Papa-kyriakou einstudierte Chor lässtdas Haus erbeben, als hätte jemandgesagt: „Leute, das ist Verdi, gebtalles!“ − was die Tonqualität oft

Einmal mehrexzellente Solisten

derb und in den Endsilben mattwerden lässt. Dafür zeigen die Sän-ger in den schlank begleiteten bzw.A-cappella-Passagen Ende des 1.,Anfang des 2. Akts, wie fantastischhomogen und strahlend sie ihr Me-tier beherrschen.

Ähnlich die NiederbayerischePhilharmonie, dirigiert von Gene-ralmusikdirektor Basil Coleman:Im Verdi-Fieber fangen exponierteStreicherstellen versehentlich anzu flirren, der Harfe wird ein unga-lantes Rupfen abverlangt. Doch inden kammerspielartigen Szenen,etwa als Aida über sphärischemHolzbläser-Ostinato ihre Liebe ge-steht, als ihr Vater sie (beide in ei-sernen Käfigen) zum Verrat an Ra-dames anstiftet und das Orchester

die Melodien grundiert, schraffiert,ausmalt oder auch rerreißt − gera-de dann blüht diese „Aida“ auf.

Eine exzellente Wahl hat Cole-man erneut bei den Solisten getrof-fen: Aus den eigenen Reihen EmilyFultz als Priesterin, Oscar Imhoffals Bote und mit einer Glanzleis-tung Kyung Chun Kim als AidasVater. Dazu wunderbare Gäste:der in „Tristan“ als König Markegefeierte Stephan Bootz als Ober-priester so makellos wie Basskolle-ge Jisang Ryu als Pharao. TenorPaolo Lardizzone singt einen ju-gendlich heldisch-virilen Amneris,allerdings darstellerisch wenig aufdie Partner bezogen, und fürs klei-ne Theater ganz erheblich zu laut.

Größte Freude der Passauer Ai-da sind die rivalisierenden Frauen:Mezzosopran Jenny Hou als Am-neris mit wohlschmeckender PriseSchärfe im Klang, und SopranSuyoun Kang als Aida. Beides be-seelte Darstellerinnen, beides na-türlich tragende statt donnerndeStimmen; sie müssen Verdi nichtbeweisen, sie tragen ihn in sich. Inaller Zärtlichkeit, aller Wut, allerTrauer und aller souveränen Weite.

Raimund Meisenberger

S Wieder zu sehen am 11.6.(19.30), 12.6. (18.00), 25.6. (19.30),8.7. (19.30), 9.7. (19.30)S Karten unter 0851/9291913

Die erste „Aida“ am Landestheater Niederbayern wird zum Triumph

Salzburger Pfingstfestspiele:Zum ersten Mal ein Musical auf ei-ner Salzburger Festspielbühne.Cecilia Bartolis Wunsch ist denFestspielen Befehl. Und die vombegeisterten Publikum mit Stan-ding Ovations bejubelte Premierevon Leonard Bernsteins West SideStory machte diese Idee zumPfingstereignis.

Die Romeo-und-Julia-Thematik− in diesem Jahr die Programmaus-richtung des Pfingstfestivals – ha-ben Bernstein und sein TextdichterStephen Sondheim im New Yorkder 50er Jahre zum rauschendenBroadway-Erfolg gemacht. Regis-seur Philip William McKinleybringt das nostalgische Flair desvom damaligen US-Zeitgeist ge-prägten Stücks in einer perfektenShow auf die Salzburger Bühne.

Der Regisseur zeigt das Dramaim New Yorker Milieu der zweisich bekriegenden Jugend-Gangs,den Jets und den Sharks, in einerRückblende: Maria erinnert sichals Gealterte 20 Jahre nach demtragischen Ende ihrer Liebe zu To-ny noch einmal an das Geschehenvon einst. Als eine Art Schattenfi-gur ihres jungen Doubles Maria IIdurchlebt sie nochmals die vergan-genen Ereignisse. Am Ende lässtsie sich vom U-Bahn-Zug überrol-len und findet auf einer höherenEbene Vereinigung mit Tony.

„Tonight“, „One Hand, One He-art“, „I Feel Pretty“, „Somewhere“:Bartoli singt mit Herzblut und mitOpernstimme. Und lässt sich auchzu ein paar temperamentvollenTanzrunden hinreißen. NormanReinhardts Tony bietet stimmlicheine gekonnte Mischung zwischenOper und Musical und setzt in denDialogen dramatische Akzente.Die Dreierkonstellation von Tonymit den beiden Marias ist der einzi-ge Bruch in der sonst überzeugen-den Show. Tony und Maria II, diesehr jung wirkende Michelle Vein-timilla, sind ein ungleiches Paar.

Das amerikanisch-englische En-semble brilliert mit Feuer, Spiel-witz und Brillanz in der Profilie-rung der Charaktere, in den ausge-feilten Original-Dialogen sowie in

Die doppelte Maria:Bartoli in der West Side Story

der minutiös gearbeiteten fulmi-nanten Choreografie von LiamSteel. Aufwendig hat George Tsy-pin die szenische Optik gestaltet,die er auf mehreren Ebenen spielenlässt und mit fantasievollen Graffi-ti-Wänden ausstattet. PatrickWoodroffe steuert die Beleuch-tungseffekte bei. Gerd DrückersSounddesigns wie Straßenverkehr,Glockengeläut oder die durchfah-rende U-Bahn suggerieren demAmbiente den authentischen Kick.

Die im Musical üblichen Mikro-fone erleichtern den Protagonistendie akustische Präsenz, bleibenaber, vor allem bei Bartoli, nichtproblemlos. Gustavo Dudamel mitdem Simón Bolívar Symphony Or-chestra bringt die Partitur zu vita-ler Wirkung, mit gleißender Präzi-

sion in kantiger Rhythmik, aberauch mit sensiblem Fließen undfeinem Ausloten der Klangvarian-ten in den kantablen Stimmungs-passagen der melodischen Ohr-würmer.

Auch wenn Bartolis Maria I denganzen Abend auf der Bühne prä-sent ist, steht sie eigentlich nebender Handlung, bleibt sie gesanglichwie darstellerisch ein Fremdkör-per, eine Außenstehende im Ge-samtablauf. Trotzdem wird „LaBartoli“ frenetisch gefeiert. Sie hatals künstlerische Leiterin einezweifellos gelungene Produktioneingeladen, die nicht zuletzt einMagnet für ein internationales Pu-blikum ist. Im Sommer sind sechsWiederholungen geplant.

Elisabeth Aumiller

Der Opernstar bleibt ein Fremdkörper im Salzburger Musical-Experiment

Die Regener Disco „Tanzboden“ hat eigentlich nur noch sporadischoffen. Doch beim drumherum am Freitagabend bringt der Niederbaye-rische Musikantenstammtisch die Menschen in Bewegung.

Ohne jede Ankündigung fangen sievor einem Laden zu spielen an: Ko-felgschroa beim Überraschungsauf-tritt in Regen. − Fotos: Lukaschik

Auf der Nahost-Karte hinten plant Krieger Radames (Paolo Lardizzone)seinen nächsten Schlag. Privat begehrt er statt der Königstocher Amneris(Jenny Hou, r.) die Sklavin Aida (Suyoun Kang). − Foto: Peter Litvai

Diese große Liebe ist schon 20 Jahre vergangen in der der SalzburgerInszenierung: Norman Reinhardt im linken Bild als Tony und Michelle Vein-timilla als junge Maria. Cecilia Bartoli erinnert sich als gegenwärtige Mariadaran. − Fotos: Salzburger Festspiele/Silvia Lelli

PERSONALISIERTE AUSGABE FüR ROLAND PONGRATZ (ABO.-NR. 3852423)