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MotivationsforschungBand 22

Implizite Motivevon Dr. David Scheffer

Herausgeber der Reihe:Prof. Dr. Julius Kuhl und Dr. Frank HalischBegründer der Reihe:Prof. Dr. Heinz Heckhausen

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Implizite Motive

von

David Scheffer

Göttingen • Bern • Toronto • Seattle • Oxford • Prag

Hogrefe

Entwicklung, Struktur und Messung

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Druck: Druckerei Kaestner GmbH & Co. KG, 37124 GöttingenPrinted in GermanyAuf säurefreiem Papier gedruckt

ISBN 3-8017-1778-X

http://www.hogrefe.deAktuelle Informationen • Weitere Titel zum Thema • Ergänzende Materialien

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts-gesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Dasgilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfil-mungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischenSystemen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografischeDaten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

© 2005 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KGGöttingen • Bern • Toronto • Seattle • Oxford • PragRohnsweg 25, 37085 Göttingen

Dr. rer. nat. David Scheffer, geb. 1970. 1990-1996 Studium der Psychologie in Osnabrück.1996-1998 Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Rahmen eines DFG-Projekts „EvolutionäreSozialisationsforschung“ an der Universität Osnabrück. Seit 1998 WissenschaftlicherMitarbeiter im Fachgebiet Organisationspsychologie und Personalmanagement an derUniversität der Bundeswehr Hamburg.

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Für Sunje, die diese Arbeit mit vielen kritischen, kreativen und konstruktiven Diskussionen

begleitet hat.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort der Herausgeber............................................................................................ IX

Vorwort .................................................................................................................... XIII

1 Allgemeine Grundlagen .................................................................................... 1

1.1 Einführung......................................................................................................... 1 1.2 Warum Motive sich nicht mit Fragebögen messen lassen ................................ 5 1.2.1 Befunde aus der experimentellen Psychologie.................................................. 6 1.2.2 Implizites Wissen und operante Tests............................................................... 9 1.3 Der TAT .......................................................................................................... 12 1.3.1 Das Bindungsmotiv ......................................................................................... 13 1.3.2 Das Leistungsmotiv......................................................................................... 16 1.3.3 Das Machtmotiv .............................................................................................. 18 1.3.4 Zur Validität des TAT..................................................................................... 21 1.3.5 Entwicklungspsychologische Studien mit dem TAT...................................... 28 1.4 Zur Reliabilität von operanten Tests ............................................................... 32

2 Entwicklungspsychologische Grundlagen ...................................................... 37

2.1 Hypothese zur Entstehung des Bindungsmotivs ............................................. 38 2.2 Hypothese zur Entstehung des Leistungsmotivs............................................. 40 2.3 Diskussion zur Bindungs- und Leistungsmotiventwicklung........................... 44 2.4 Eine Entwicklungshypothese zum Machtmotiv.............................................. 46 2.4.1 Das Machtmotiv im Kulturvergleich............................................................... 48 2.4.2 Ein empirischer Test........................................................................................ 51 2.5 Die Rolle des Vaters bei der Motiventwicklung ............................................. 52 2.5.1 Zugänglichkeit und Involviertheit................................................................... 53 2.5.2 Entwicklungshypothesen und die Messung von Motiven............................... 55

3 Differentialpsychologische Grundlagen.......................................................... 57

3.1 Lageorientierung versus Handlungsorientierung ............................................ 58 3.2 Lageorientierung, die Alienation verursacht................................................... 60 3.3 Die PSI-Theorie............................................................................................... 61 3.4 Die Trennung von Bedürfnis und Umsetzungsstrategien im OMT ................ 64 3.5 Das Ebenen-Modell des OMT und die „Big-Five“ der Persönlichkeit........... 69 3.6 Empirische Befunde zu der Interaktion von Bedürfnissen und

Umsetzungsstilen ............................................................................................ 74

4 Zur Validität des OMT.................................................................................... 85

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VIII Inhaltsverzeichnis

4.1 Alter bei der ersten festen Beziehung, dem ersten Geschlechtsverkehr und der Geburt des ersten Kindes.................................................................................86

4.2 Partnerwahl......................................................................................................86 4.3 Zusammenhänge zwischen OMT-Motiven und Fragebögen ..........................87 4.4 Zusammenhang zwischen TAT und OMT......................................................89 4.5 Studienleistung ................................................................................................89 4.6 Kritische Verhaltensweisen .............................................................................91 4.6.1 Brainstormingphase.........................................................................................93 4.6.2 Rücksortierungsphase......................................................................................94 4.6.3 Authentizität und kontextuelle Performanz.....................................................95 4.7 Validitätshinweise aus Einzelfallstudien.........................................................99 4.7.1 Der Bindungstyp..............................................................................................99 4.7.2 Der Leistungstyp ...........................................................................................100 4.7.3 Der Machttyp.................................................................................................101 4.7.4 Verhaltenskorrelate verschiedener Umsetzungsstile.....................................102 4.8 Implizite Motive und Organisationsentwicklung ..........................................109

5 Veränderung von Motiven und Motive zur Veränderung .............................111

5.1 Implizite Motive aus evolutionspsychologischer Sicht.................................112 5.2 Motiventwicklung .........................................................................................116 5.2.1 Motive fokussieren ........................................................................................117 5.2.2 Motive anpassen ............................................................................................123 5.3 Ausblick.........................................................................................................127

Literatur.....................................................................................................................131

Anhang ......................................................................................................................145

A: Version 1 Der Operante Motiv Test (OMT) ........................................................147

B: Version 2 Der Operante Motiv Test (OMT).........................................................156

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Vorwort der Herausgeber

Selten in der Geschichte der Psychologie ist eine psychodiagnostische Methode so kontrovers aufgenommen worden wie die standardisierte Variante des Thematischen Apperzeptions-Tests (TAT) zur Messung von Bedürfnissen und Motiven. Selten war aber auch ein Test Gegenstand einer derart umfassenden theoretischen Begründung und experimentellen Validierung wie der TAT (Atkinson, 1958; McClelland, Koest-ner & Weinberger, 1989; Spangler, 1992). Welcher Persönlichkeits-Fragebogen kann schon für sich in Anspruch nehmen, durch eine umfassende Theorie nicht nur des zu messenden Konstrukts, sondern auch der bei der Messung wirksamen Prozesse be-gründet zu sein? Der hier vorgelegte Band von David Scheffer setzt die Tradition eines halben Jahrhunderts empirischer und theoretischer Entwicklung der Motivmes-sung fort. Scheffer unterzieht eine Fortentwicklung des TAT, den Operanten Motiv-test (OMT), einer gründlichen theoretischen und empirischen Analyse. Die Validie-rung eines Tests mit einer derart umfassenden empirischen Verankerung, wie es die klassischen Werke von David McClelland, John Atkinson und Heinz Heckhausen dokumentieren, ist keine leichte Aufgabe: Kann ein modifizierter Motivtest all das leisten, was der TAT in einem halben Jahrhundert ermöglicht hat? Lohnt es sich, den als unnötig empfundenen theoretischen Ballast abzuwerfen (wie etwa das psychoana-lytische Konzept der Projektion als notwendige Bedingung für die Messung) und psychometrisch als nützlich aufgefasste Modifikationen einzuführen (wie die Verkür-zung der Wiedergabe der erfundenen Geschichten auf stichwortartige Assoziationen)? Der OMT beruht auf der Strategie, die Vorzüge des TAT nicht voreilig über Bord zu werfen, sondern das Erhaltenswerte von dem Verbesserungsfähigen zu unterscheiden, um einen echten Fortschritt zu ermöglichen. Festgehalten wird an dem Format der freien Reproduktion, das nach wie vor auch bei Gedächtnistests verwendet wird, die nicht die reizabhängige („respondente“), sondern die spontane („operante“) Verfüg-barkeit von Gedächtnisleistungen erfassen sollen. Beibehalten wird auch das narrative Format: Dadurch dass die Probanden Geschichten erfinden sollen, wird das Niveau der kognitiv-emotionalen Verarbeitung erfasst, das Motive von rein kognitiven Zie-len, aber auch von Bedürfnissen unterscheidet, die als präkognitive, ja sogar präaffek-tive Sollwerte aufgefasst werden. Die Kritik an der von McClelland, Atkinson und Heckhausen weiter entwickelten TAT-Methodik mag z. T. auf einer Überkompensa-tion der „Lehnstuhlvergangenheit“ der Psychologie beruhen, die die introspektive „Seelenschau“ als einzige Erkenntnisquelle heranzog. Der methodologische Behavio-rismus, der nur „objektiv“ messbare Konstrukte zulässt, hat eine regelrechte Aversion gegenüber den „intelligenteren“ Formen der Verhaltensdetermination und ihrer Mes-sung erzeugt. Davon hat sich die Psychologie bis heute nicht vollständig befreien können. Die Inhaltsanalyse von Motiven erfordert mindestens so hohe Inferenz-leistungen auf Seiten des Auswerters, wie die zu messenden Motive beinhalten: Ein

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X Vorwort der Herausgeber

Motiv lässt sich nicht auf ein noch so elaboriertes Reiz-Reaktions-Schema reduzieren, sondern repräsentiert die Verknüpfung eines Bedürfnisses mit der höchsten Stufe der Intelligenz, die es ermöglicht, Ziele zur Befriedigung des Bedürfnisses zu generieren und für deren Umsetzung in einer schier unendlichen Zahl möglicher Kontexte die jeweils angemessenen Verhaltensmöglichkeiten zu finden. Lassen sich derart komplexe Handlungsdeterminanten zuverlässig und valide mes-sen? Lassen sich die zur Messung solcher „intelligenten“ Handlungsdeterminanten notwendigen Inferenzleistungen von Auswertern so trainieren, dass eine hinreichende Übereinstimmung erzielt werden kann? Die Beantwortung solcher Fragen ist nicht nur notwendig, um den intelligenteren Determinanten menschlichen Handelns mehr Raum in der psychologischen Forschung geben zu können, sondern auch um Krite-rien zu besitzen, zukünftige methodische Vereinfachungen (z. B. Fragebögen oder neurobiologische Indikatoren) darauf hin beurteilen zu können, ob es sich um Verein-fachungsillusionen handelt, die um der Vereinfachung willen die Komplexitätsebene der zu messenden Konstrukte verfehlt, oder ob echte methodische Fortschritte erzielt worden sind. Die Validierungsbefunde, die Scheffer in diesem Band darstellt, über-treffen in einigen Punkten sogar das, was in der bisherigen Motivationsforschung mit dem TAT geleistet wurde. Dieser Fortschritt beruht sicherlich nicht nur auf den ver-besserten klassischen psychometrischen Eigenschaften des OMT gegenüber dem TAT, sondern auch darauf, dass zwischen verschiedenen Formen der motivgeleiteten Verhaltensbahnung unterschieden wird (d. h. mit und ohne Beteiligung des Selbst, in einer jeweils mit positivem oder mit negativem Affekt verbundenen Variante). So konnten neue Informationen zu den Entwicklungsbedingungen der drei wichtigsten sozialen Motive (Bindung, Leistung, Macht) gewonnen werden, die ein verblüffend klares Bild ergeben: Motive entwickeln sich umso ausgeprägter, je stärker die ent-sprechenden Bedürfnisse (nach Bindung, Leistung, Macht) in der Kindheit frustriert wurden (d. h. je weniger Nähe, fremde Hilfe bzw. väterliche Autorität die betreffende Person als Kind erlebt hat). Zahlreiche für die Motivationsforschung neue Befunde sind erst durch die von Schef-fer berücksichtigten theoretischen und methodischen Differenzierungen möglich geworden. Die selten so klar dokumentierte Prognostizierbarkeit von Studienleistun-gen (Klausurnoten) aufgrund von Motivausprägungen gelingt nicht etwa für die klas-sischen Kennwerte des intrinsischen Leistungsmotivs, sondern für diejenige Motivva-riante, die sich direkt auf die aktive Auseinandersetzung mit Misserfolgsrisiken be-zieht. Die außergewöhnlich hohen Regressionsgewichte zur Prognose der in einem Assessment Center von Experten beurteilten Verhaltensmerkmale der Führungskom-petenz zeigte sich erst dann, wenn statt der üblichen Kennwerte für das Machtmotiv (die Status- und Dominanzstreben erfassen), die von einem positiv valenzierten Selbstsystem gespeiste Form des Machtmotivs berücksichtigt wurde. Erst die Sepa-rierung der Begegnungskomponente der Beziehungsmotivation (bzw. des Bindungs-motivs) mit der positiv valenzierten Beteiligung des Selbst an der Motivumsetzung ermöglichte die geradezu Bahn brechende Erkenntnis, dass sogar ein von innerer Leere und abrupten Gefühlsumschwüngen charakterisierter Persönlichkeitsstil (der der Borderline-Störung nahe kommt), paradoxerweise diese ausgeglichene Form der Beziehungsmotivation (d. h. das auf persönliche Begegnung und positiven Austausch

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Vorwort der Herausgeber XI

ausgerichtete Beziehungsmotiv) fördern kann: nämlich dann, wenn dieser sonst Be-ziehungen stark belastende Stil mit einem guten „Reziprozitätsempfinden“ einhergeht (das man als einen Indikator für eine gut entwickelte Selbststeuerung auffassen kann). Hier wird deutlich, dass in Trainings- und Therapiekontexten weder die Motivdia-gnostik noch die Diagnostik von Persönlichkeitsstilen oder -störungen ohne eine ergänzende Selbststeuerungsdiagnostik durchgeführt werden sollte: Selbst extrem sensible emotionale Spontanreaktionen können geradezu zum Motor einer gesunden Persönlichkeitsentwicklung mutieren, wenn die Person aufgrund intakter Affektregu-lationskompetenzen nicht auf die emotionale oder kognitive Spontanreaktion fixiert ist. Angesichts der in dieser Dichte ganz außergewöhnlichen Validierung des neuen Ver-fahrens zur Motivdiagnostik geraten die erzielten Verbesserungen dieses Instruments, die die klassischen Methoden zur Schätzung der internen Konsistenz bzw. Wiederho-lungsreliabilität betreffen, schon fast in den Hintergrund. Das ist im Grunde auch gut so, weil die Grenzen dieser auf der Klassischen Testtheorie fußenden Kennwerte gerade bei der Messung von Motiven deutlich werden. Ein derart stimmiges Ge-samtmuster an Validierungsbefunden, wie es in dieser Arbeit vorgelegt wird, würde selbst dann, wenn die klassischen psychometrischen Kennwerte für die Reliabilität zu wünschen übrig ließen, eher Zweifel an der Anwendbarkeit der diesen Kennwerten zugrunde liegenden Annahmen auf die Motivmessung aufkommen lassen, als die psychometrische Qualität des OMT in Frage stellen. In Bereichen, in denen die An-nahmen der klassischen Testtheorien an ihre Grenzen stoßen, ist vielleicht auch das Theorem, dass die Validität eines Tests eine hinreichende Reliabilität voraussetzt, in Frage zu stellen: Möglicherweise ist dann die Validität die beste Schätzung der Reli-abilität (zumindest solange keine geeigneteren Messmodelle entwickelt wurden). Die vorliegende Arbeit präsentiert nicht nur alle für den Einsatz des neuen Verfahrens zur Motivmessung notwendigen wissenschaftlichen Befunde, sondern vertieft auch unser Verständnis grundlegender Motivationsprozesse. Sie gibt auch im Anhang an Hand von Beispielen eine erste intuitive Einführung in die Anwendung des Tests.

Osnabrück und München, im April 2004

Julius Kuhl Frank Halisch

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Vorwort

Was Menschen antreibt, ihrem Verhalten Energie, Ausdauer und Richtung verleiht, ist nicht immer bewusst in einem abrufbaren Selbstkonzept enthalten. Dass wir oft Schwierigkeiten haben, die exakten Gründe für unser Handeln und Streben zu benen-nen, liegt vermutlich daran, dass wichtige menschliche Motive implizit, d.h. in einem nicht-sprachlichen Format gespeichert sind. Dies wiederum ist darauf zurückzufüh-ren, dass implizite Motive bereits in vorsprachlichen Entwicklungsabschnitten entste-hen, und dass sie eine komplexe Struktur aufweisen, in der mehrere Persönlichkeits-systeme miteinander interagieren. Aufgrund der hohen Bedeutung von impliziten Motiven für das Handeln von Men-schen, hat es in den vergangenen Jahrzehnten nicht an Versuchen gemangelt, implizi-te Motive durch indirekte bzw. operante Methoden zu messen. Noch immer werden die Erfolge dieser Bemühungen jedoch äußerst kontrovers diskutiert. Das vorliegende Buch gibt einen Überblick über die Befundlage zweier operanter Methoden, den Thematischen Apperzeptiontest (TAT) und eine aus diesem entwickelte Methode, den Operanten Motiv Test (OMT). Der OMT unterscheidet sich vom TAT in zweifacher Hinsicht: Zum einen beruht er auf einem evolutionspsychologisch informierten Entwicklungsmodell. Dieses postu-liert, dass familiäre Interaktionsstrukturen als Signale für Kinder interpretiert werden können, bestimmte stabile Bedürfnisse zu entwickeln. Ein geringer Zusammenhalt in der Familie (insbesondere in unruhigen Zeiten wie bspw. Kriegen) führt nach dieser „Defizit-Hypothese“ zu einem erhöhten Bedürfnis nach Anschluss oder Bindung; frühe Unabhängigkeit von der Mutter zu einem Bedürfnis nach Leistung; unklare hierarchische Interaktionsstrukturen (insbesondere ein als wenig einflussreich erlebter Vater) zu einem Bedürfnis nach Macht. Zum anderen fasst der OMT, anders als der TAT, Motive konzeptionell als Interakti-onen zwischen unabhängigen Persönlichkeitssystemen auf, nämlich Bedürfnissen, Affekten und kognitiven Umsetzungsstilen (insbesondere Lage- und Handlungsorien-tierung). Aus dieser Sicht heraus wird erklärt, warum aus „defizitär“ entstandenen Bedürfnissen (im Sinne von Ist-Soll-Abweichungen) handlungsbahnende Motive entstehen können. Durch die Konzeption von Motiven als Persönlichkeits-System-Interaktion wird eine komplexere Struktur von Motiven postuliert, die sich im OMT als eine Matrix aus drei Bedürfnissen (nach Bindung, Leistung und Macht) und fünf affektiv-kognitiven Umsetzungsstilen darstellen lässt. Die gleichzeitige Messung dieser 15 Motive stellt die Motivdiagnostik vor erhebliche Herausforderungen, die anzunehmen sich jedoch offenbar lohnt, da viele der in die-sem Buch berichteten Validierungsbefunde (wie bspw. die Vorhersage von Studiums-leistungen, Performanz in einem Assessment Center und im Beruf) sich erst durch

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XIV Vorwort

diese Differenzierung nachweisen ließen. Diese empirischen Befunde machen deut-lich, dass operante Methoden ein wichtiger Bestandteil der psychologischen Diagnos-tik bleiben sollten. Implizite Motive, die sich offenbar prinzipiell nicht valide mit Fragebögen messen lassen, sind bspw. relevant für Personalentwicklung und Coa-ching, weil sie sich gezielter ändern lassen als andere Persönlichkeitseigenschaften. Aber auch für die Personalauswahl ist die Messung impliziter Motive von Interesse, da sich auf deren Basis (trotz ihrer Veränderbarkeit) Verhalten langfristig prognosti-zieren lässt. Hamburg, im April 2004

David Scheffer

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1 Allgemeine Grundlagen

1.1 Einführung

Viele Kernthemen der Betriebswirtschaftslehre, der Pädagogik und der Psychologie liegen im Feld der Motivation. Motivierte Menschen arbeiten und lernen besser, sie nehmen auch große Anstrengungen und Entbehrungen auf sich, um bestimmte Ziele zu erreichen. Die kollektive Motivation von Gruppen (also die Summe der individuel-len Motivationsausprägungen) und Nationen beeinflusst die wirtschaftliche Entwick-lung und Prosperität von ganzen Volkswirtschaften (McClelland, 1961, 1965b) und den Eintritt von Nationen in kriegerische Auseinandersetzungen (Winter, 1993). An-gesichts dieser hohen Bedeutung von Motivation stellt sich die Frage, wie man dessen stabilen Kern, also Motive, messbar und damit auch verstehbar und kontrollierbar machen kann.

Wäre die Messung von Motiven einfach, dann würde es sich nicht lohnen, darüber ein Buch zu schreiben. Die Messung von Motiven ist jedoch komplex, weil Motive implizit sind, d.h., sie lassen sich sprachlich nur schwer ausdrücken, sie sind in einem gewissen Sinn unbewusst (McClelland, Koestner & Weinberger, 1989). Eine Erklä-rung für den impliziten Charakter von Motiven kann aus der Gedächtnisforschung ab-geleitet werden und wird im ersten Kapitel behandelt. Motive sind offenbar in einem bildhaft-episodischen Format gespeichert, das sich mit Sprache nur sehr schwer aus-drücken lässt. Es gibt Hinweise darauf, dass Motive bereits in vorsprachlichen Ent-wicklungsstufen der Kindheit entstehen, was deren impliziten Charakter erklären könnte (McClelland & Pilon, 1983).

Eine andere Erklärung für den impliziten Charakter von Motiven ist „ultimat“, also evolutionspsychologisch. Sie versucht, den adaptiven Nutzen einer impliziten Reprä-sentation von Motiven zu begründen. In der Evolution des Menschen spielte das Zu-sammenleben mit nahen Verwandten in kleinen Gruppen über sehr lange Zeiträume eine wichtige Rolle, und dort war es nicht adaptiv, die persönliche Bedürfnisbe-friedigung in den Vordergrund zu stellen. Vielmehr wurde von allen Gruppenmitglie-dern eine „kollektivistische“ bzw. „interdependente“ Orientierung erwartet, welche die Interessen der Gruppe über die eigenen stellt (Keller, 1997a). Motive dienen der eigenen Bedürfnisbefriedigung. In bestimmten Kontexten müssen sie daher vor ande-ren verborgen werden. Am besten kann man jedoch seine Motive und deren ego-istischen Charakter verbergen, wenn man sie selbst nicht kennt (Chasiotis & Keller, 1992).

Unter bestimmten Umständen mag es tatsächlich besser sein, wenn ein Mensch sich nicht bewusst vergegenwärtigt, dass er oder sie bspw. vor allem nach Macht, Status und Aufmerksamkeit strebt. Der implizite Charakter von Motiven kann jedoch

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2 Kapitel 1

zu emotionalen Problemen führen, wenn diese nicht zum bewussten Selbstkonzept passen, d.h., eine Inkongruenz zwischen bewussten Werten und impliziten Motiven besteht (Brunstein, Schultheiß & Grässmann, 1998). Manche Menschen würden bspw. von ihrer Motivlage her fast alles tun, um Bindungen zu anderen aufzubauen, zu vertiefen oder zu bewahren. Sie probieren die unterschiedlichsten Verhaltensstra-tegien aus, um anderen nahe zu sein, Aufmerksamkeit, Geborgenheit und das Gefühl, umsorgt zu sein, zu erfahren. Wenn dieses implizite Bindungsmotiv jedoch nicht zum bewussten Selbstkonzept einer Person passt, die Person also von sich meint, unab-hängig zu sein, dann führt dies zwangsläufig zu Konfusionen bei sich und anderen. Nach außen hin wird signalisiert, Liebe und Nähe wären gar nicht so wichtig, von in-nen heraus ist dieser Wunsch jedoch übermächtig.

Andere Menschen suchen in erster Linie nach der Möglichkeit, Einfluss auf andere auszuüben. Sie wollen spüren, dass sie das Denken und Verhalten anderer verändern, etwas bewegen und Menschen motivieren können. Sie streben danach, in möglichst jeder Interaktion überlegen zu sein. Sie wollen Entscheidungen selber treffen und sich unter keinen Umständen dominieren lassen. Je stärker dieses implizite Machtmotiv einer Person ist, desto rastloser wird sie nach Status und Einflusspositionen streben. Wenn eine Person jedoch gleichzeitig von sich ein Selbstkonzept besitzt, dass Macht und Status ihr gar nicht wichtig ist (bei diesem Motiv ein verbreitetes Phänomen), dann könnte das zwar taktisch klug sein, führt aber in Wirklichkeit zu mangelnder Selbstkongruenz und kommunikativen Untiefen, die sich langfristig negativ auswir-ken, im Privatleben wie im Beruf. Heute wird von Führungskräften und Mitarbeitern eine gute Selbstkenntnis und die Bereitschaft, durch Feedback zu lernen, erwartet (Scherm & Sarges, 2002). Besonders Führungskräfte sollten daher zu ihrem oft sehr hohen Machtmotiv stehen, um kongruent und authentisch kommunizieren zu können.

Andere Menschen schließlich richten ihr Denken und ihre psychische Energie ganz darauf aus, in bestimmten Tätigkeiten besser als andere zu werden, sich Ex-pertise anzueignen, Dinge zu verstehen und zu perfektionieren. Je stärker dieses Leis-tungsmotiv einer Person ausgeprägt ist, desto hartnäckiger wird sie auch komplexe Probleme lösen, Detailfragen angehen, sich selbst klare, schwierige aber erfüllbare Gütemaßstäbe auferlegen und nach diesen handeln. Wie beim Machtmotiv kreisen die Gedanken von hoch Leistungsmotivierten oft um Inhalte wie Kontrolle und Wettbe-werb. Leistungsmotivierte denken dabei aber nicht in personalen, sondern in abstrak-ten Kategorien: Kontrolle ist im Leistungsmotiv eine Kontrolle von Prozessen und nicht von Menschen. Und während Wettbewerb im Machtmotiv eine Möglichkeit ist, Überlegenheit auszudrücken, bedeutet er im Leistungsmotiv einen willkommenen Gütestandard, an dem es sich zu orientieren gilt.

Auch beim Leistungsmotiv ist Kongruenz zwischen impliziten und expliziten Werten wichtig, d.h., das Leistungsmotiv muss mit einem Selbstkonzept korrespon-dieren, das auf bewusste Leistungsziele gerichtet ist, die optimalerweise im Beruf zu finden sind. Wer sein Leistungsmotiv nur im Beziehungsleben oder bei Hobbys aus-lebt, kann damit zwar evtl. ganz zufrieden, kaum jedoch wirklich erfolgreich sein. Besonders in unbestimmten beruflichen Situationen, in denen Ziele von außen nicht oder nur unklar vorgegeben sind (eine typische Konstellation in der sich immer stär-ker wandelnden Wirtschaftswelt), ist Kongruenz im Leistungsmotivbereich, d. h. die

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Allgemeine Grundlagen 3

Übereinstimmung von bewussten Leistungszielen und der Stärke des impliziten Leis-tungsmotivs eine wichtige Voraussetzung für beruflichen Erfolg (Scheffer & Scherm, 2004).

Langfristig ist aber wohl das implizite Machtmotiv für die Karriere am wich-tigsten. So konnten McClelland und Boyatzis (1982) nachweisen, dass nur macht-motivierte Manager in einem großen amerikanischen Unternehmen 16 Jahre später eine Top-Position in ihrer Organisation ausfüllten. Leistungsmotivierte waren nur bis in mittlere Hierarchieebenen gelangt. Da Führungsnachwuchskräfte jedoch zunächst vor allem leistungsmotiviert sein müssen (s.o.), ist es wahrscheinlich taktisch klug, sein Machtmotiv zu verbergen, oder besser noch, gar nicht zu kennen. In der Studie von McClelland und Boyatzis waren wohl deswegen nur die Führungsnachwuchs-kräfte langfristig erfolgreich, die ihr Machtmotiv „inhibieren“ also hemmen konnten.

Am wenigsten vorangekommen waren in der Studie von McClelland und Boyat-zis bindungsmotivierte Manager. Dafür scheint das Bindungsmotiv aber für den pri-vaten Bereich bedeutsam zu sein und langfristig mit einer höheren Lebenszufrieden-heit und psychosozialen Gesundheit zusammenzuhängen (McAdams & Vaillant, 1982). Im Arbeitsleben jedoch sollte man es wohl besser vor anderen nicht allzu deutlich offen legen.

Vordergründig gibt es also tatsächlich einleuchtende Gründe dafür, die eigenen Motive anderen nicht zu offenbaren. Die Kehrseite davon ist aber, dass Menschen dadurch oft Dinge tun und berufliche Wege einschlagen, die gar nicht zu ihnen pas-sen. Ein bindungsmotivierter Mensch sollte eben besser nicht in einen Beruf einstei-gen, in dem es darauf ankommt, Einfluss auszuüben, Menschen zu verändern und zu motivieren (wie bspw. im Beruf des Managers). Besser wäre es, einen Beruf auszu-üben, der viel mit sozialem Austausch „auf Augenhöhe“ zu tun hat, also etwa im Service und Dienstleistungsbereich. Im Grunde spricht daher sehr viel dafür, sich offen und ehrlich mit den eigenen Motiven auseinander zu setzen, gerade wenn sie nicht zum eigenen Selbstkonzept passen. Diskrepanzen zwischen bewussten Zielen und unbewussten Motiven spielen eine empirisch nachweisbare Vermittlungsrolle bei der Entstehung und Verschlimmerung psychischer Symptome wie Depression, Angst-symptome, Essstörungen und Zwangserkrankungen (Baumann, Kaschel & Kuhl, 2003). Es kann als gesichert gelten, dass viele Menschen ihre Motive nicht kennen. Eine Vielzahl von Untersuchungen zeigt, dass implizite Motive und bewusste bzw. explizite Motive nicht miteinander korrelieren (z.B. King, 1995; Schultheiß & Brunstein, 1999). Das bedeutet, dass es im Motivbereich eine blinden Fleck der Selbstkenntnis gibt.

Dieses Buch stellt Methoden und ihre theoretischen Grundlagen zur Messung von Motiven vor. Implizite Motive können nicht durch direkte Befragungen gemessen werden, die ja das Selbstkonzept, also das, was eine Person von sich zu wissen glaubt, erfassen. Die bekannteste Methode zur Messung von impliziten Motiven ist der Thematische Apperzeptionstest (TAT), der allerdings in dem Ruf steht, subjektiv und wenig zuverlässig zu sein. Diese Kritik beruht auf der Tatsache, dass beim TAT die zu mehrdeutigen Bildern geschriebenen Geschichten von externen Auswertern kodiert werden, und die Auswerterübereinstimmungen nie bei 100% liegt. Aber das gilt für alle Fremdbeobachtungen, wie bspw. Lehrer- oder Vorgesetztenurteile. Da

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4 Kapitel 1

Motive implizit sind, können wir auf diese Fremdbeobachtung zur Messung von Motiven aus prinzipiellen Gründen nicht verzichten. Viele interessante Eigenschaften (und eben ganz besonders Motive) können durch Selbsteinschätzung einfach nicht erfasst werden, weil die Introspektionsfähigkeit von Menschen begrenzt ist. Durch eine Auswerterschulung und geeignete Kodiersysteme lässt sich der Beobachterfehler aber bei Tests wie dem TAT minimieren.

Ein weiterer Grund für das Unbehagen vieler Psychologen mit dem TAT ist si-cherlich die Assoziation mit „projektiv“ und dadurch mit der Psychoanalyse. Begriffe wie „projektiv“ sind jedoch nicht notwendig, um diese Methode zur Messung von Motiven zu beschreiben. Motivationsforscher bevorzugen heute den Begriff „ope-rant“, um deutlich zu machen, wie implizite Motive gemessen werden können (Mc-Clelland, 1987). Der Begriff „operant“ stammt ursprünglich aus der Lerntheorie von Skinner (1953), der damit das Phänomen beschreiben wollte, dass viele Verhaltens-weisen von Tieren und Menschen spontan, also nicht durch Reize ausgelöst („reak-tiv“) sind, um eine Belohnung zu bekommen oder eine Bestrafung zu vermeiden.

Operante Tests wie der TAT erfassen diese spontanen, nicht vorgegebenen Ver-haltenstendenzen von Menschen. Damit unterscheiden sie sich von respondenten Verfahren (bspw. Fragebögen), in denen Teilnehmer lediglich vorgegebene Antwort-alternativen auswählen müssen. Motive und operantes Verhalten hängen konzeptio-nell sehr eng zusammen (McClelland, Koestner & Weinberger, 1989). Hungrige Lebewesen tun alles nur Erdenkbare, um an Nahrung zu gelangen. Und für macht-, bindungs- oder leistungshungrige Menschen gilt das gleiche. Was genau eine be-stimmte Person tut, um bspw. Macht zu gewinnen, hängt dabei ganz von den jeweili-gen Umständen ab, in der sich die Person befindet. Darum sind Motive nicht mit den immer gleichen Verhaltensweisen verbunden. Ganz im Gegenteil, je nach Situation werden verschiedene Verhaltensweisen daraufhin getestet, wie nahe sie die Person an ihr Ziel, die Befriedigung des Bedürfnisses, bringen, und es werden immer wieder neue, dem jeweiligen Kontext und Erfahrungsstand der Person angepassten Verhal-tensmöglichkeiten konstruiert, statt sich auf feste Reiz-Reaktionskopplungen zu redu-zieren.

Hierin liegt für viele Psychologen ein weiteres Problem. Operantes Verhalten ist, per definitionem, von nicht sehr hoher Konsistenz und Stabilität. Wenn einem Domi-nanz bei der Befriedigung eines impliziten Machtmotivs nichts bringt, versucht man es evtl. im nächsten Moment schon mit Demutsgesten. Das dominante Verhalten ist ja kein Ziel an sich, es dient der Befriedigung eines Motivs und kann ausgetauscht werden, wenn es diesem übergeordneten Ziel nicht näher bringt.

Motivation bedeutet, etwas Bestimmtes erreichen zu wollen. Dieser Wunsch ist natürlich nicht sichtbar. Wir können ihn nur aufgrund von Verhaltenweisen erschlie-ßen. Bei operantem Verhalten ist das jedoch schwer, weil es sehr individuell ist, oft spontan und unzusammenhängend erscheint. Bei Psychometrikern führt diese Eigen-art von operantem Verhalten zu Abwehrreflexen, weil Tests, die auf operantem Ver-halten beruhen, sich nicht in das starre Korsett der klassischen Testtheorie pressen lassen. Wenn Psychologen jedoch Motive messen wollen, dann müssen sie sich ein Stück weit vom Dogma der klassischen Testtheorie lösen (Atkinson, 1981): Solange die dominierende Testtheorie Motivationsprozesse nicht abbilden kann und eine an-

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Allgemeine Grundlagen 5

gemessene Alternative nicht zur Verfügung steht, sind replizierbare Validierungsbe-funde die aussagekräftigste Informationsquelle über die Testgüte.

Trotz der prinzipiellen Gründe, operante Methoden zur Messung von Motiven zu verwenden, sind einige methodische Einwände gegen den TAT berechtigt (Tuer-linckx, De Boeck & Lens, 2002). Dass sollte aber nicht dazu führen, auf operante Methoden zu verzichten, sondern diese zu verbessern. Der TAT muss konzeptionell überarbeitet werden, um eine höhere Reliabilität und Validität der Messung von Mo-tiven zu erreichen: Auch wenn konventionelle Kennwerte der Reliabilitätsschätzung aufgrund der nur bedingt tauglichen Annahmen der klassischen Testtheorie keine zuverlässige Beurteilung der wahren Reliabilität ermöglichen, sind Verbesserungen in diesen Kennwerten erstrebenswert. Deutliche Verbesserungen können erwartet wer-den, wenn die Differenzierungsstärke des Instruments dahingehend erhöht wird, dass die beim derzeitigen Stand der Forschung erzielbaren Differenzierungen berücksich-tigt werden. Einige Differenzierungen werden in der vorliegenden Arbeit aufgegrif-fen: In den operanten Inhalten wird nicht nur nach Anzeichen für Bedürfnisse gesucht, so wie dies im TAT getan wird, sondern auch nach den Umsetzungsstrate-gien dieser Bedürfnisse. Dazu bedarf es einer kombinierten entwicklungs- und diffe-rentialpsychologischen Perspektive, welche Motive als Kombination aus biogra-phisch entstandenen Bedürfnissen und differenziellen Umsetzungsstrategien auffasst (Scheffer, Kuhl & Eichstaedt, 2003).

Der zweite Teil des Buches beschäftigt sich daher mit einem neu entwickelten Motivmaß, dem Operanten Motiv Test (OMT). Dieser Test stellt eine Weiter-entwicklung des TAT dar, der in der Auswertung einfacher und klarer ist (Kuhl & Scheffer, 2003). Die Auswertung beruht auf einem Modell, das sich aus der Kombi-nation einer entwicklungspsychologischen Theorie (Keller, 1997a,b,c) sowie einer Theorie über die Interaktion von psychischen Funktionen (der sog. „PSI“-Theorie, Kuhl, 2000, 2001) ergibt.

Motivmessung ist ein aktiver Prozess, der Diagnostiker voll fordert und Wissen auf unterschiedlichen Gebieten verlangt. Motivmessung kann daher sehr spannend und aufschlussreich sein, für Forscher wie für Praktiker. Motivmessung ist nicht nur zur Verbesserung der Menschenkenntnis nützlich, sondern wirkt auch auf die aus-wertende Person zurück. Eine intensive Auseinandersetzung mit Auswertungs-schlüsseln und Verhaltenskorrelaten von Motiven gilt als eine der besten Methoden, auch die eigenen Motive besser kennen zu lernen (McClelland, 1987). In diesem Sinne hoffe ich, dass dieses Buch sowohl wissenschaftlich wie praktisch interessier-ten Lesern einige Aufschlüsse über ein Themengebiet gibt, welches für Kernbereiche der Psychologie und anderer Fachgebiete Bedeutung hat.

1.2 Warum Motive sich nicht mit Fragebögen messen lassen

Angesichts der Kritik an „projektiven“ bzw. operanten Tests stellt sich die Frage, warum man die Mühe auf sich nehmen sollte, weiter mit diesen Tests zu arbeiten. Warum gelingt die Messung impliziter Motive nicht mit konventionellen Methoden

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6 Kapitel 1

wie Interviews oder Fragebögen, die psychometrisch so viel einfacher zu handhaben sind? Das folgende Kapitel versucht hierauf eine Antwort zu geben.

Schon die Alltagserfahrung lehrt, dass es oft nicht leicht fällt, anderen zu erklären, wie und warum man etwas macht. Tennisprofis fällt es bspw. schwer, anderen zu erklären, warum sie die Bewegung beim Aufschlag genau in der Weise ausführen, in der sie es tun. Ein in der Arbeitswelt häufig auftauchendes Problem ist, dass erfahrene Spezialisten anderen nicht immer im Detail erklären können, wie und warum ein be-stimmter Prozess genau so gesteuert werden muss, wie sie es tun, um optimale Er-gebnisse zu erzielen. Das führt regelmäßig zu Missverständnissen beim Anlernen von Nachfolgern. Das abstrakte Erklären bringt in solchen Fällen wenig. Die Bewegungs- bzw. Arbeitsprozesse von Spezialisten sind durch lange Erfahrung so automatisiert worden, dass sie sich schriftlich oder abstrakt nicht erfragen lassen. In der experimen-tellen Psychologie unterscheidet man daher seit längerem zwischen verbalisierbarem bzw. explizitem, und nicht verbalisierbarem bzw. implizitem Wissen.

1.2.1 Befunde aus der experimentellen Psychologie

Die Unterscheidung zwischen explizitem und implizitem Wissen ist in den vergan-genen zwei Jahrzehnten recht intensiv erforscht worden. Reber (1989) definiert im-plizites Wissen als Repräsentation von Kontexten, welche in Abwesenheit bewusster, reflektierbarer Lernstrategien erworben wurden, und daher nicht verbalisiert werden können. Berry und Broadbent (1987) nehmen an, dass implizites Wissen ein Wissen über „nicht-saliente“, d. h. nicht offensichtliche Systembeziehungen ist.

In der experimentellen Psychologie wird implizites Wissen dementsprechend dann angenommen, wenn Versuchspersonen in Befragungen nur wenige der erworbenen Kontext- bzw. Systemmerkmale korrekt benennen können, gleichzeitig jedoch in ihrem Handeln Wissen über Regelhaftigkeiten deutlich wird (Haider, 1999). Implizi-tes Wissen würde man bspw. dann konstatieren, wenn Versuchspersonen nach einer Lernphase, in der sie sich Buchstabenfolgen lediglich einprägen sollen, darin enthal-tene Regelhaftigkeiten zwar nicht angeben können, danach aber dennoch neue regel-hafte Buchstabenfolgen mit höherer Leistung bearbeiten können, als nach Zufall zu erwarten gewesen wäre.

Implizites Wissen kann also nicht durch Verbaldaten (Fragebögen, Interviews etc.) erfasst, sondern nur durch indirekte Methoden erschlossen werden. Eine indirekte Methode in der Experimentellen Psychologie ist bspw. eine Wortergänzungsübung (s. Kirsner et al., 1998). Dabei wird getestet, ob z.B. bei der Silbe „Mot_“ dann eher mit der Endung „_iv“ ergänzt wird, wenn das Wort Motiv vorher auf einer umfangreichen Wortliste präsentiert wurde (dabei jedoch nicht erinnert werden kann!), als etwa mit der Endung „_or“, wobei das Wort Motor vorher nicht präsentiert worden ist, aber in der Sprache viel häufiger verwendet wird.

Man kann daher definieren: Während explizites Lernen in Form von direkten Ge-dächtnisaufgaben wie Erinnern und Wiedererkennen gemessen wird, welche die be-wusste Vergegenwärtigung vorher begegneter Episoden voraussetzt, müssen implizite Gedächtnisleistungen indirekt durch funktionales Verhalten erschlossen werden.

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Allgemeine Grundlagen 7

Eine ähnliche Unterscheidung wie implizit/explizit haben auch Piaget und Inhelder (1973) vorgenommen. Sie bezeichnen das implizite Gedächtnis als „breites Wissen“, das adaptive Reaktionen beinhaltet, die auf sensumotorischen Schemata basieren. Ein entscheidender Aspekt sensumotorischer Prozeduren ist, dass ein Großteil der verar-beiteten Information dem Bewusstsein nicht zugänglich ist. Sensumotorische Pro-zeduren werden nur in einem spezifischen Kontext aktiviert, was dem Prozess des Wiedererkennens gleicht und laut Piaget und Inhelder streng zu unterscheiden ist vom Erinnern, da letzteres die Vergegenwärtigung abwesender Objekte voraussetzt, was laut Piaget durch sensumotorische Prozesse unmöglich ist.

Implizites Wissen kann erlebte Episoden integrieren Die Umschreibung des impliziten Wissens als „breit“ von Piaget und Inhelder war erstaunlich weitsichtig für die damalige Zeit. Heute wissen wir, dass es tatsächlich ein episodisches Gedächtnissystem gibt, welches ausgedehntes Erfahrungswissen bein-haltet, holistische Repräsentationen von Erlebnissen, die alle Gefühle und Hand-lungen in einer bestimmten Situation speichern (Kuhl, 2001). Dieses episodische Ge-dächtnis, an dessen Leistung der Hippocampus maßgeblich beteiligt ist, arbeitet holistisch und weist daher grundsätzlich andere Funktionsmerkmale auf als das sog. deklarative Gedächtnis, das mehr mit der Aktivität der linken Hemisphäre in Verbin-dung gebracht wird (Klein, Cosmides, Tooby, & Chance, 2002). In der rechten Hemi-sphäre (besonders in ihren vorderen Regionen, die für die Selbstwahrnehmung besonders wichtig sind), werden episodische Erinnerungen mitsamt ihren kognitiven und emotionalen Anteilen in ein ständig wachsendes selbstrepräsentierendes System eingespeist, das in seiner immensen Ausdehnung nicht mehr bewusst (deklarativ) abrufbar ist, sondern als implizites Gedächtnis fungiert. Wegen der großen Ausdeh-nung des Gedächtnisses, das u. a. aus unzählig vielen erlebten Episoden implizite Selbstrepräsentationen bildet, wurde der Begriff Extensiongedächtnis vorgeschlagen (Kuhl, 2001). Das deklarative Gedächtnis fasst einige der im episodischen Gedächtnis und in dem daraus resultierenden Selbstsystem analog gespeicherten Erlebnisse mit der Zeit zu expliziten Konzepten oder Regeln zusammen, die man sich in der ein-fachsten Form als eine Art Mittelwert aller Episoden aus einem bestimmten Bereich vorstellen kann. Die Aufgabe des deklarativen Teils des semantischen Gedächtnisses ist es also, die Vielzahl von Erfahrungen zu bündeln und durch Regeln explizierbar, d.h. verbalisierbar zu machen. Diese Regeln lassen sich dann einfach und schnell abrufen und kommunizieren, was Entscheidungen sehr erleichtert.

Fragebögen können nur deklarativ-semantisches bzw. explizites Wissen abrufen, gleichgültig ob es sich um Regelwissen in einem Experiment („wenn die Silbe Mot_ kommt, muss ich mit _iv ergänzen“) oder um Selbstbeschreibungen handelt („Ich bin ein sehr zuverlässiger Mensch“). Dieses semantische Wissen ist nur dann zutreffend, wenn die Datenbasis, aus der die Regeln abstrahiert wurden, groß ist. Wenn ein Pro-band zwei Stunden ein Wortergänzungsexperiment durchführt und hinreichend oft erlebt hat, dass nach der Silbe Mot_ meistens _iv folgt, dann kann er das auch an-schließend explizieren, d.h. in einem Fragebogen angeben. Bei einem kurzen Expe-riment, kann er das nicht, weil er noch kein deklaratives Konzept gebildet hat. Den-

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noch hat das episodische Gedächtnis, die nicht-salienten Regeln bereits implizit ge-speichert, so dass sich im Experiment beobachten lässt, dass die Person statistisch häufiger mit _iv ergänzt als bspw. mit _or, obwohl sie diesen Zusammenhang be-wusst nicht kennt (Berry & Broadbent, 1987). Dieses Regelwissen ist dann nicht deklarativ sondern implizit gespeichert.

Spezialisten und Tennisprofis haben Schwierigkeiten ihren Bewegungsablauf zu explizieren, weil dieser nie gleich verläuft, sondern situationsspezifisch variiert. Komplexe Prozesse lassen sich nicht in einfache Regeln zwängen. Aber das ist auch nicht nötig, da ja mit dem episodischen bzw. Extensionsgedächtnis ein kognitives System besteht, welches auch ausgedehnte Assoziationsketten und komplexe, multi-modale Erfahrungswerte speichern kann (Kuhl, 2001).

Komplexe Zusammenhänge, wie die Beurteilung von anderen Menschen hinsicht-lich bestimmter Charaktereigenschaften, sollte nach Klein et al. (2002) auch auf dem episodischen und nicht nur auf dem semantischen Gedächtnis aufbauen. Andere Men-schen lassen sich durch eine episodische Repräsentation genauer einordnen als ledig-lich durch semantische Konzepte. Das Konzept bspw. „diese Person ist ordentlich“ generalisiert ihr Verhalten sehr stark. Solange es nicht auf sehr vielen Episoden auf-baut, in denen sich die Person tatsächlich unordentlich verhalten hat, ist eine solche Kategorisierung evtl. fehlerhaft.

Für die Messung von Motiven ist dies bedeutsam: Komplexes Wissen über sich und andere ist offenbar nicht nur semantisch bzw. explizit gespeichert sondern auch episodisch bzw. implizit.

Das Wissen über die eigenen Motive ist episodisch fundiert Warum sollten die eigenen, persönlichen Motive nicht explizit gespeichert sein? Man kann sich doch selbst ständig beobachten, so dass daraus präzise, semantische Kon-zepte abgeleitet werden können! Eine Antwort auf diese Frage wurde schon im Vor-wort angedeutet. Motive hängen eng mit operantem Verhalten zusammen. Und operantes Verhalten ist flexibel, d.h. ist der in dem jeweiligen Kontext vorliegenden Konstellation von Anreizen und Barrieren dynamisch angepasst. Besonders beim Menschen hängt die Befriedigung von Bedürfnissen von flexiblen, variierbaren Stra-tegien ab. Es gibt z.B. selten einfache Wenn-Dann-Regeln dafür, im Laufe des Le-bens die große Liebe zu gewinnen, sich gegen einen Konkurrenten durchzusetzen oder eine exzellente Arbeit anzufertigen. Das bedeutet aber, dass sich für die Befrie-digung von Bedürfnissen in sozialen Kontexten nur schwer semantische Konzepte bilden lassen. Das Machtmotiv bspw. ist eher ein affektives Netzwerk unterschied-lichster Verhaltensweisen in verschiedenen Kontexten, verbunden mit Gefühlen und Sinneseindrücken, als ein abstraktes Selbstkonzept (McClelland, 1965a). Ein Beispiel für ein solches Netzwerk könnte so aussehen:

�� In Situation A anderen Hilfe anbieten. Sich unentbehrlich fühlen. �� In Situation B einen Witz erzählen. Aufmerksamkeit spüren. �� In Situation C laut schimpfen, weil ein anderer nicht gehorcht. Ärger und Zorn

empfinden.

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Allgemeine Grundlagen 9

�� In Situation D sich Statussymbole kaufen. Merken, dass andere einem hinter-her schauen.

�� In Situation E sich gegenüber dem Chef unterordnen. Strategische Ziele ange-hen. In der Hierarchie aufsteigen. Kalt und berechnend denken.

�� In Situation F sich Wissen aneignen, um sich behaupten zu können. Offen sein. Alle diese Verhaltensweisen und damit verbundenen Gefühle/Empfindungen ver-weisen auf ein assoziatives Netzwerk, das irgendwo in der Person gespeichert sein muss. Im Grunde ist es weder möglich noch unbedingt nötig, dieses ganzheitliche Netzwerk, welches letztlich auf erlebten und abgespeicherten Episoden beruht, auf ein semantisches Konzept („hohes Machtmotiv“) zu reduzieren. Das mit diesem asso-ziativen Netzwerk verbundene Verhalten kann trotz der Einspeisung hochdifferen-zierter, „intelligenter“ Wissensrepräsentationen hochgradig automatisiert sein und weitgehend intuitiv ablaufen (Kuhl, 2000). Es ist deshalb oft dem Bewusstsein nicht zugänglich. Das kann für eine Person, die ein solches implizites, assoziatives Netz-werk auslebt, dann problematisch werden, wenn sie von sich selbst denkt, dass sie an Macht gar nicht interessiert ist. Da ein assoziatives Netzwerk per definitionem ausge-dehnt und daher schwer fassbar ist, kommt es gar nicht selten vor, dass Menschen von sich semantisch ein anderes Konzept haben, als in ihrem Extensions- bzw. episo-dischen Gedächtnis gespeichert ist. Dafür gibt es wahrscheinlich auch persönlich-keitspsychologische Gründe: Manchen Menschen gelingt es nur schwer, Zugang zu ihrem Extensionsgedächtnis zu erlangen (Kuhl, 2001). Doch dazu später mehr.

1.2.2 Implizites Wissen und operante Tests

In der Motivmessung erfahrene Leser werden sofort erkennen, dass alle oben auf-gelisteten Verhaltensweisen, Gefühle und Empfindungen häufig mit dem Versuch zusammenhängen, andere zu beeinflussen, also das Machtmotiv zu befriedigen. Das gilt natürlich nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, denn es kommt auf die je-weiligen Umstände an, ob dieses Verhalten so interpretiert werden kann. Und des-wegen fällt es so schwer, diese Verhaltensweisen zu einem semantischen Konzept zusammenfassen. Dieses Konzept könnte sein: „Ich bin machtmotiviert“. In einem Fragebogen oder in einem Interview bezeichnen sich viele Menschen oft nicht als machtmotiviert, obwohl sie sich sehr häufig so verhalten. Vor dem Hintergrund der eben vorgestellten Befunde aus der experimentellen Psychologie würde das bedeuten, dass solche Menschen die im episodischen Gedächtnis gespeicherten machtbezoge-nen Erlebnisse, Handlungen und Gefühle nicht zu einem semantischen Selbstkonzept bündeln. Für die Verhaltenssteuerung ist dies auch nicht nötig, denn das aus dem episodischen Gedächtnis abgeleitete System impliziter Selbstrepräsentationen (kurz: Selbst) verfügt über ausreichend breite Wissensbestände, auch ohne semantisches Konzept, solche Verhaltensweisen intuitiv auszulösen, wenn einem die Durchsetzung eigener Bedürfnisse durch die Beeinflussung anderer wichtig erscheint (Kuhl, 2000).

Zwei Begründungen für die „Blockade“ dieser Transformation von implizitem zu deklarativ-semantischem Wissen über das Selbst wurden im Vorwort bereits erwähnt:

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10 Kapitel 1

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Es könnte seín, dass es kulturelle Barrieren gibt, das Wissen über die Möglichkeiten, sich gegen andere durchzusetzen, zu explizieren und damit jederzeit abrufbar zu ma-chen. Dieses Argument lässt sich evolutionspsychologisch durchaus begründen, wie später noch gezeigt wird. Die zweite Begründung widerspricht der ersten nicht, son-dern ergänzt sie auf einer proximaten Ebene: Die ontogenetisch primäre Form des Wissens ist implizit (Perrig, Wippich, & Perrig-Chiello, 1993). Wenn Motive sich tat-sächlich in einem frühen Entwicklungsstadium bilden, (McClelland & Pilon, 1983), dann könnte dies eine entwicklungspsychologische Erklärung für den impliziten Cha-rakter von Motiven sein (McClelland et al., 1989).

Mandler (1988) hat gezeigt dass explizite Repräsentationen nicht auf einer Trans-formation primärer sensumotorischer Schemata in sekundäre symbolische Funktionen aufbauen, sondern dass ein explizites Gedächtnissystem parallel zu dem impliziten Gedächtnis entsteht, also anders als Piaget angenommen hat, kein Derivat ist. Er argumentiert also für die Existenz eines „dualen“ Systems. Jegliches prozedurale Wissen gehört dabei dem impliziten Wissensbereich an, und hierzu gehören auch die von Piaget beschriebenen sensumotorischen Prozeduren, die Aktivation semantischer Netze, Priming und ähnliche Phänomene (mit Priming ist die unbewusste Reaktions-zeitverkürzung gemeint, die auftritt, wenn man im Anschluss an die Darbietung eines Wortes wie „grün“ auf ein semantisch verwandtes Wort wie „Gras“ reagieren soll). Bewusste Einschätzungen und Erinnerungen dagegen gehören dem expliziten Wis-sensbereich an.

Implizites Wissen kann operant erfasst werden Das bedeutet, dass implizite Motive, die in der frühen Kindheit entstehen, aus ent-wicklungspsychologischer Sicht tatsächlich nicht in das semantische Gedächtnis übersetzt werden müssen. Das explizite Selbstkonzept bildet sich unabhängig von den eigenen Motiven. Wenn die beiden Wissensformen über das Selbst deckungsgleich sind, dann sprechen wir von Selbstkonkordanz. Angesichts der nahe Null liegenden Korrelationen zwischen impliziten und expliziten Motiven müssen wir jedoch davon ausgehen, dass Konkordanz nicht häufiger auftritt als der umgekehrte Fall der Dis-krepanz zwischen impliziten und expliziten Motiven (King, 1995).

Zusammengefasst lässt sich also festhalten, dass in der experimentellen Psycho-logie die Validität von Verbaldaten wie Fragebögen oder Interviews als Indikator für die Verfügbarkeit von implizitem Wissen angezweifelt wird. Man geht davon aus, dass die implizite Wissensrepräsentation durch eine intuitive Steuerung von Reaktio-nen ohne Beteiligung eines übergeordneten expliziten Gedächtnisses zum Ausdruck kommt (Goschke, 1997). Wichtig für die Messung impliziter Vorgänge ist also, dass die Versuchsperson nicht entscheiden muss, sondern spontan agieren kann (Perrig et al., 1993). Übertragen auf die Messung von Motiven bedeutet dies, das indirekte (operante) Methoden wie der TAT trotz der mit ihnen verbundenen Probleme unver-zichtbar bleiben.

Es war die wegweisende Idee von Henry Murray (1938), die Arbeitsweise des epi-sodischen Gedächtnisses und der auf ihm aufbauenden impliziten Selbstrepräsentati-onen auf die Messung von Motiven zu übertragen. Wenn Menschen eine mehrdeutige

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Allgemeine Grundlagen 11

soziale Interaktion in einer Szene deuten und beschreiben sollen, dann müssen sie sich auf ihre „Erfahrungen“ mit eigenen Interaktionen verlassen, da es keine eindeuti-ge Interpretationslinie für das Bild gibt. Wenn jemandem zu fünf Bildern die oben beschriebenen fünf machtthematischen Themen einfallen, dann müssen wir, so jeden-falls legt die Forschungstradition mit dem TAT nahe, davon ausgehen, dass diese Person selbst dann machtmotiviert ist, wenn sie sich selbst niemals so bezeichnen würde. So verstanden könnten die gegenüber „projektiven“ Verfahren skeptischen Psychologen eigentlich gegenüber dem TAT etwas aufgeschlossener sein, da es sich im Prinzip um eine indirekte Methode handelt, wie sie auch in der experimentellen Psychologie verwendet wird. Natürlich bleibt das Problem einer nicht perfekten Ob-jektivität bestehen. Wie der nächste Abschnitt zeigt, gibt es jedoch durchaus nach-vollziehbare Auswertungsschlüssel für die Motive Bindung, Leistung und Macht, die auf den Erfahrungen einer mittlerweile ca. 70 Jahre andauernden Forschungstradition aufbauen. Vielleicht hat der letzte Abschnitt dazu beigetragen, die Notwendigkeit von impliziten Tests wie dem TAT für die Messung von Motiven zu verdeutlichen.

Operante Tests und moderne Kunst – ein Exkurs Ein kurzer Exkurs in die moderne Kunst mag dies noch unterstreichen. Insbesondere die moderne Malerei hat mit der Unmittelbarkeit der Wahrnehmung gebrochen und damit begonnen, Prozesse zu zeigen, indem sie ihre Motive (!) so verfremdet bis die Wahrnehmung selbst wahrnehmbar wird. Bilder werden zu mehrdeutigen „Sinncon-tainern“, in die man Sinn hineinprojizieren kann (Schwanitz, 2002). Damit legt die moderne Malerei in radikaler Weise offen, dass das, was wir wahrnehmen, ein sub-jektiver Prozess ist, der etwas über uns selbst aussagt. Erst durch diesen Bruch mit der Illusion einer unmittelbaren Wahrnehmung in der modernen Kunst wird deutlich, warum die Bedeutung des Begriffs „Motiv“ in der Malerei und in der Psychologie vergleichbar ist: Ein Motiv ist ein Interpretationsprozess, eine Interaktion zwischen einem Sinnstifter mit einer mehrdeutigen Welt. Das Resultat dieses Prozesses hängt zum einen von der Lebenserfahrung des Sinnstifters, zum anderen aber auch von der Bildvorlage ab. Große Kunst zeichnet sich dadurch aus, dass sie eine bestimmte In-terpretation und damit verbundene Gefühle und Taten anregt.

Offenbar gibt es allgemeingültige Gesetzmäßigkeiten, die diesen Interpretations-prozess bei sozialen Interaktionen bestimmen. In der Forschung mit dem TAT sind diese mit den Chiffren Bindung, Leistung und Macht umschrieben worden. Aufgrund der persönlichen Biographie schreibt jeder Mensch zu den Bildern im TAT sehr per-sönliche Geschichten. Diese Vielfalt zu einem Konzept (Motiv) zusammenzufassen ist für Auswerterinnen und Auswerter nicht immer einfach. Sie beobachten die Beo-bachtung des Testteilnehmers, ohne diese selbst zu beeinflussen. Ich meine, dass der hohe Aufwand dieses Auswertungsprozesses gerechtfertigt ist. Um implizite Motive messen zu können, müssen wir den Wahrnehmungs- und Interpretationsprozess der Testeilnehmer anhand der geschriebenen Geschichten zu den Bildern erschließen. Die Vorgabe von Interpretationsmöglichkeiten beeinflusst aus Sicht von Künstlern den Wahrnehmungs- und Interpretationsprozess. Sie wollen erreichen, dass die Betrachter

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selbst Sinn herstellen, auch oder gerade dann, wenn dieser Sinn von dem ursprünglich intendierten abweicht.

In der Motivdiagnostik ist man aufgrund der psychometrischen Probleme von op-eranten Tests wie dem TAT dazu übergegangen, Interpretationsmöglichkeiten von Bildern vorzugeben. Bei der „Gitter-Technik“ (Schmalt, Sokolowski & Langens, 1994; Sokolowski, Schmalt, Langens & Puca, 2000) können Testteilnehmer nach der Betrachtung von Bildern eine von mehreren Themen ankreuzen. Trotz der unbestrit-tenen Vorteile dieses Verfahrens, halte ich es für die Motivmessung nicht für den richtigen Weg. Es ist auch in der Motivdiagnostik nicht auszuschließen, dass der Wahrnehmungs- und Interpretationsprozesses des Testteilnehmers durch Interpretati-onsvorgaben verfälscht werden könnte. Im Grunde handelt es sich bei der Gitter-Technik daher um einen respondenten Test und die bessere psychometrische Hand-habbarkeit nutzt wenig, wenn das zu Messende nicht erfasst wird. So zeigte eine Untersuchung von Langens (Langens, 2002), dass die für das implizite Leistungsmo-tiv zu erwartende aktive Gegenregulation affektiver Zustände (z. B. Gelassenheit herstellen sowohl nach Erfolg als auch nach Misserfolg), nicht mit dem Gitter, wohl aber mit der klassischen TAT-Methode replizierbar war. Andererseits hat das Motiv-Gitter eine respektable Zahl von Validierungskorrelaten erbracht, die deutlich ma-chen, dass es eine wichtige Ebene der Motivation erfasst, die wahrscheinlich weder mit dem, was Motivfragebögen messen, noch mit dem, was operante Methoden mes-sen, identisch ist (Langens, Sokolowski & Schmalt, 2003). Motivationsforscher soll-ten es meines Erachtens nicht unversucht lassen, operante Motivmaße auch ohne Hinzunahme respondenter Elemente besser zu machen. Vorbild hierfür bleibt, trotz aller unbestreitbaren Nachteile, der TAT.

1.3 Der TAT

Motive orientieren, selektieren und energetisieren das Verhalten (McClelland, 1987). Sie haben also insbesondere etwas damit zu tun, in welchen Lebensbereich Menschen ihre Zeit, Energie und Hoffnung vorrangig investieren. Wenn eine Person ein be-stimmtes Motiv in einer starken Ausprägung hat, dann sollte sie in ihrem episodi-schen Gedächtnis viele Erfahrungen gespeichert haben, die etwas mit der Umsetzung dieses Motivs zu tun haben. Zu einem Motiv gehören wahrscheinlich auch sehr früh erworbene Gedächtnisinhalte, von denen zumindest ein Teil unbewusster Natur ist (Wheeler, Stuss & Tulving, 1997). Andere Erfahrungen mit einem Motiv sind zwar implizit, weil die entsprechenden Abstraktionen aus dem episodischen Gedächtnis nicht in Form von verbalisierbaren Kategorien abspeichert werden, können aber ohne weiteres bewusst werden.

Mit dem TAT von Murray (1938) wurde erstmals eine standardisierte Methode vorgelegt, aufgrund von impliziten Gedächtnisinhalten, die auf einer Vielzahl erlebter Episoden beruhen, auf die Motive einer Person zu schließen. Sicherlich wird man dabei aus methodischer Sicht heute manche Merkmale dieser Methode kritisieren müssen. Dennoch verdanken wir dieser Forschung einiges, u.a. dass es insbesondere

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