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Dipl.-Vw. Andreas Marte Arbeits- und Sozialordnung; Verteilung Vorlesungsskript – Kapitel 6

Dipl.-Vw. Andreas Marte · 1 5 Einkommens- und Vermögensverteilung 5.1 Grundbegriffe Die volkswirtschaftliche Verteilungstheorie versucht Antworten auf die Frage zu finden, wie sich

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Dipl.-Vw. Andreas Marte

Arbeits- und Sozialordnung; Verteilung

Vorlesungsskript – Kapitel 6

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II

Gliederung5 Einkommens- und Vermögensverteilung.......................................................... 1

5.1 Grundbegriffe ................................................................................................... 15.2 Die Messung der Einkommens- und Vermögensverteilung.............................. 25.3 Verteilungstheorie: zwei unterschiedliche Erklärungen .................................. 12

5.3.1Die Grenzproduktivitätstheorie der Verteilung.......................................... 125.3.2 Die kreislauftheoretische Erklärung von Kaldor....................................... 14

5.4 Verteilungspolitik ............................................................................................ 185.4.1 Investivlohn und investive Gewinnbeteiligung ......................................... 185.4.2 Einkommensumverteilung über das Steuersystem.................................. 18

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5 Einkommens- und Vermögensverteilung

5.1 Grundbegriffe

Die volkswirtschaftliche Verteilungstheorie versucht Antworten auf die Frage zufinden, wie sich die das Produktionsergebnis einer Periode auf dieWirtschaftssubjekte oder Gruppen von Wirtschaftssubjekten verteilt.

Bei der Verteilung sind zwei grundsätzliche Ansätze zu unterscheiden:

- die funktionelle Einkommensverteilung und

- die personelle Einkommensverteilung

Funktionelle Einkommensverteilung

Eine der ersten volkswirtschaftlichen Modellkonstruktionen, die Sie in Ihrem Studiumkennen gelernt haben, war die Produktionsfunktion:

• Mikroökonomisch ergibt sich ein Produkt y aus der Kombination mehrererProduktionsfaktoren x1, x2, ... , xn.

• Makroökonomisch ergibt sich das Sozialprodukt Y aus der Kombination mehrererProduktionsfaktoren: Im einfachsten Fall von Arbeit und Kapital. Da die erstenVerteilungstheorien in vorindustriellen Zeiten entwickelt wurde, als dieVolkswirtschaften noch landwirtschaftlich geprägt waren, spielt teilweise derBoden eine Rolle. Betrachtet man die Einkommen aus der Bereitstellung dieserProduktionsfaktoren, erhält man eine Einteilung der Einkommen in Löhne, Zinsenund Bodenrenten. Seit Karl Marx wird meist nur noch zwischen Arbeit und Kapital(= Nicht - Arbeit) unterschieden. Bitte beachten Sie, dass es hier um Entgelte fürProduktionsfaktoren (Arbeit und Kapital) und nicht um Personen alsEinkommensbezieher geht (Arbeiter, Kapitalisten). Der Unterschied zwischenfunktioneller und personeller Verteilung liegt darin, dass eine Person Einkommenaus der Bereitstellung unterschiedlicher Produktionsfaktoren beziehen kann: Sokönnen Arbeiter auch Zinseinnahmen beziehen und Vermögensbesitzer(„Kapitalisten“) Einnahmen aus der Anwendung ihrer Arbeitskraft erzielen.

Gemessen wird die funktionelle Einkommensverteilung in Deutschland üblicherweisedurch die so genannte Lohnquote. Auf die Lohnquote gehen wir in Abschnitt 5.2 beider Messung der Einkommensverteilung ein.

Personelle Einkommensverteilung

Um Aussagen über die Verteilung von Armut und Reichtum in einer Volkswirtschaftmachen zu können, ist es notwendig, die personelle Einkommensverteilung zukennen. Bei der personellen Einkommensverteilung werden Einkommen oderVermögen Personen oder Haushalten zugeordnet. Nur dann sind Aussagen möglich

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wie: Auf die x Prozent der Bevölkerung mit den geringsten Einkommen entfallen yProzent der Einkommen.

Dargestellt wird die personelle Einkommensverteilung üblicherweise durch dieLorenz-Kurve, auf die ebenfalls ausführlicher in 5.2 eingehen.

primäre Einkommensverteilung:

Als Primäreinkommen oder Markteinkommen wird das Einkommen verstanden, dasden Haushalten zur Verfügung stünde, wenn es keine staatlichen Transfers undAbgaben gäbe. Es setzt sich zusammen aus dem Einkommen aus selbständiger undunselbständiger Erwerbsarbeit und dem Einkommen aus Vermögen. Dem (Brutto-)Einkommen aus unselbständiger Arbeit werden die Arbeitgeberbeiträge zurSozialversicherung hinzugerechnet, da auch diese am Markt erwirtschaftetesEinkommen darstellen. Zum Einkommen aus Vermögen zählt auch der Mietwertselbstgenutzten Wohneigentums.

sekundäre Einkommensverteilung:

Das Sekundäreinkommen oder Haushaltsnettoeinkommen stellt auf das denHaushalten zur Verfügung stehende Einkommen ab, das sich nach dem Abschlussder staatlichen Umverteilungsmaßnahmen einstellt. Zur Ermittlung desHaushaltsnettoeinkommens werden vom Markteinkommen die Einkommensteuer(einschließlich Solidaritätszuschlag) und die Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung(Arbeitgeberanteil und Arbeitnehmeranteil) abgezogen und die Bezüge aus Renten,Pensionen und Sozialtransfers hinzugerechnet. Einnahmen aus nicht öffentlichenTransferzahlungen (abgesehen von Betriebsrenten) bleiben unberücksichtigt, da sienicht Teil staatlicher Umverteilung sind. Aber Achtung: DasHaushaltsnettoeinkommen entspricht nicht dem Einkommen, das den Haushaltentatsächlich zur Verfügung steht, sondern entspricht dem, das ihnen zur Verfügungstünde, wenn keine privaten Transfers (Beispielsweise Unterstützungszahlungen vonEltern an ihre außer Haus wohnenden Kinder oder von Kindern an ihre nicht mehr imBerufsleben stehenden Eltern) stattfänden. Versicherungsleistungen und Einnahmenaus Vermögensveräußerungen bleiben ebenfalls gänzlich unberücksichtigt.

5.2 Die Messung der Einkommens- und Vermögensverteilung

Vermögensverteilung

Vermögen sind naturgemäß viel ungleicher als Einkommen verteilt. Dafür gibt es(mindestens) drei Gründe:

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• Erstens ist die relative Vermögensbildung (Sparneigung) einkommensstarkerHaushalte größer als die einkommensschwacher.

• Zweitens wird Vermögen über den Lebenszyklus hinweg aufgebaut (im Falle vonVererbung auch über mehrere Generationen). Es stellt somit die Summebisheriger Ersparnisbildung dar und kann daher das Einkommen um einVielfaches übersteigen.

• Drittens löst fehlendes Vermögen - anders als fehlendes Einkommen - keinensozialstaatlich begründeten Transfer (wie bei fehlendem Einkommen z.B. dieSozialhilfe) aus. Die staatliche Umverteilung ist beim Vermögen also geringer alsbeim Einkommen.

Wie ungleich Vermögen verteilt sind, zeigt der Sachverständigenrat imJahresgutachten 2000/2001:

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Vermögensverteilung auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1)

Früheres Bundesgebiet Neue Bundesländer Deutschland

1988 l 1993 l 1998 1993 l 1998 1993 l 1998Nettogeldvermögen2'

Mittelwert (DM) 53410 61 178 67 188 20 632 29145 53 205 60 1 03

Gini-Koeffizient 0,6233 0,6295 0,6959 0,5956 0,6486 0,6477 0,7013Quantilsgrenzen (DM)3)

25 8 000 9 500 6 000 4 500 4 300 8 000 5 40050 29 200 33 700 30 200 13 000 17 000 26 500 26 50070 57 900 64 800 68 000 24 000 33 400 54 600 59 50080 84 500 92 100 101 000 33 800 47 600 79 000 89 30090 135 900 145 500 166 500 50 700 74 400 128 800 149 700

Quantilsanteile4' (vH)

0 bis < 25 1,1 0,2 -1,4 -0,6 -2,0 0,1 -1,525 bis < 50 8,1 8,3 6,2 10,5 8,6 7,6 6,250 bis < 70 15,2 15,7 14,0 17,4 16,9 14,7 13,6

/O bis < 80 80bis < 90

13,0 12,6 12,3 19,818 8 19 1

13,8 13,/ 20,020 3

12,3 12, 1 18,819 190 bis 100 42,8 44,3 49,7 38,8 42,6 46,4 50,4

Immobilienvermögen5'

Mittelwert (DM) 215 984 226 011 55 735 76 732 183 509 198 379

Gini-Koeffizient 0,6740 0,6817 0,8563 0,8111 0,7177 0,7121Quantilsgrenzen (DM)3'

25 0 0 0 0 0 050 38 200 0 0 0 0 070 315 000 320 000 0 24 900 261 500 280 00080 385 000 419 800 80 000 150 000 360 000 400 00090 521 400 600 000 229 400 300 000 490 000 545 600

Quantilsanteile4' (vH)

0 bis < 25 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,025 bis < 50 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,050 bis < 70 18,4 18,3 0,0 0,5 13,6 13,270 bis < 80 11,2 16,6 4,0 9,6 16,5 17,080 bis < 90 27,0 20,2 24,3 28,5 16,4 23,690 bis 100 43,3 44,9 71,7 61,5 53,6 46,2

Nettogesamtvermögen6'

Mittelwert (DM) 244 525 252 632 70 676 87 624 209 089 221 984

Gini-Koeffizient 0,6293 0,6511 0,7285 0,6953 0,6672 0,6748Quantilsgrenzen (DM)3'

25 16 400 11 800 6 300 6 300 12 300 10 00050 116 600 109 700 19 500 28 700 65 000 74 80070 318 000 322 000 47 900 81 500 262 300 274 60080 420 700 446 600 93 600 151 500 375 300 399 30090 596 900 644 600 231 900 274 300 540 000 588 600

Quantilsanteile4' (vH)

0 bis < 25 0,3 -0,2 0,2 -0,2 0,3 -0,225 bis < 50 5,2 4,5 4,4 4,5 3,8 3,850 bis < 70 18,1 17,1 8,7 11,3 14,9 15,070 bis < 80 15,1 15,1 9,2 12,8 15,1 15,080 bis < 90 20,2 21,1 22,3 23,6 21,3 21,790 bis 100 41,1 42,3 55,2 48,0 44,5 44,7

1) Private Haushalte mit einem monatlichen Nettoeinkommen bis 35 000 DM (1988 bis 25 000 DM).2) Summe des Geldvermögens (Versicherungsguthaben, Bausparguthaben, Sparguthaben, Rentenwerte, Aktien, sonstige Anlagen und

Wertpapiere) abzüglich Restschuld aus Kreditverpflichtungen (ohne Hypothekarverpflichtungen).3) Auf volle 100 DM gerundet.4) Anteil des auf die Haushalte des jeweiligen Quantils entfallenden Vermögens am Gesamtvermögen.5) Summe der Verkehrswerte6) Nettogeldvermögen und Immobilienvermögen abzüglich Restschuld aus Hypothekarverpflichtungen.

Quelle: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung,Jahresgutachten 2000/2001 S. 429

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Das Vermögen wird in verschiedene Kategorien aufgeteilt, üblicherweise inGeldvermögen, Immobilienvermögen und Betriebsvermögen:

• Zum Geldvermögen zählen unter anderem Spareinlagen, Guthaben beiBausparkassen und Versicherungen sowie Wertpapiere. Zum Nettogeldvermögengelangt man, wenn man von dieser Summe die Restschuld ausKreditverpflichtungen (ohne Hypothekarverpflichtungen) abzieht; daher sind beimGeldvermögen auch negative Werte möglich.

• Das Immobilienvermögen ergibt sich als die Summe der vom Befragtengeschätzten Verkehrswerte des Immobilieneigentums. Sie mögen dieseWertangaben für zweifelhaft halten, die frühere Regelung ist aber nochzweifelhafter: Früher wurde der „Einheitswert des Immobilienvermögens“ erfasst,der sich an historischen Preisen orientiert, aber in keiner Beziehung zumVerkehrswert steht.

• Beim Betriebsvermögen sind die Messprobleme noch größer, so dass in derEinkommens- und Verbrauchsstichprobe auf eine Erfassung verzichtet wird.

Ergebnisse des Sachverständigenrates: Die ärmeren 50% der Haushalte besaßen1993 noch 8,5% des Geldvermögens, 1998 waren es nur noch 4,8% desGeldvermögens. Sie ärmsten 25% hatte insgesamt sogar ein negativesGeldvermögen. Die reichsten 10% besaßen dagegen 49,7% des Geldvermögens.

Beim Gesamtvermögen besaß die vermögensärmere Hälfte der Bevölkerung inGesmtdeutschland 1998 3,6% des Gesamtvermögens. Die vermögendsten 20% derHaushalte besaßen 66,4% der Nettogesamtvermögen, die vermögendsten 10% derHaushalte allein 44,7%.

Die Vermögensverteilung dürfte aber in Wirklichkeit noch ungleichmäßiger sein, dadas Betriebsvermögen nicht erfasst ist, da Haushalte mit mehr als 35.000 DM proMonat nicht erfasst sind und da nur die Hälfte des existerenden Geldvermögenserfasst ist.

Maßgrößen der funktionellen Einkommensverteilung

Die in der öffentlichen Diskussion am meisten beachtete Kennziffer derEinkommensverteilung ist die so genannte Lohnquote.

Lohnquote

Die Lohnquote gibt den Anteil der Einkommen aus unselbständiger Arbeit amVolkseinkommen an. Sie wird berechnet als Summe aus Bruttolöhnen und Gehälternund den Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung sowie freiwillige Beträge derArbeitgeber an die Beschäftigten. (Größenordnung: rund 2/3 des Volkseinkommens)

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Bereinigte Lohnquote

Die (unbereinigte) Lohnquote wird nicht nur von der Höhe der Löhne beeinflusst,sondern auch von der Anzahl der abhängig Beschäftigten. Würden z.B. inzunehmendem Ausmaß Arbeitnehmer – bei gleichen Bedingungen! – nicht mehroffiziell als Angestellte oder Arbeiter beschäftigt werden, sondern als„Scheinselbständige“, würde sich die Lohnquote verringern, obwohl sich dieEinkommen der Beschäftigten nicht geändert haben. Seit den 50er Jahren hat sichder Anteil der Selbständigen an der Anzahl der Erwerbstätigen verringert. Die(unbereinigte) Lohnquote ist hierdurch gestiegen. Im Zuge der Hartz-Reformen undder neuesten Vorschläge von Wirtschaftsminister Clement dürfte es in nächster Zeitzu einer zunehmenden Zahl von Existenzgründungen und von Selbständigenkommen. Die Zahl der Selbständigen dürfte damit steigen und die (unbereinigte)Lohnquote sinken.

Um diese Effekte auszuschließen, gibt es neben der (unbereinigten) Lohnquote die„bereinigte Lohnquote“ Bei ihr wird der Anteil der Selbständigen konstant gesetzt.

Formel:

0 Jahr im genSelbständi der Anteil

t Jahr im genSelbständi der Anteil t Jahr im Lohnquote teunbereinig t Jaht im Lohnquote bereinigte ×=

Arbeitseinkommensquote

Der Sachverständigenrat berechnet eine so genannte „Arbeitseinkommensquote“:Die Überlegung dabei ist, dass Selbständige abenfalls durch ihre ArbeitskraftEinkommen erzielen wie Arbeitnehmer auch. Beim Anteil der Arbeitseinkommen amVolkseinkommen sind daher auch die Einkommen der Selbständigen zuberücksichtigen. Daher unterstellt der Sachverständigenrat, dass Selbständige undmithelfende Familienangehörige im Durchschnitt das selbe Einkommen beziehen wieArbeitnehmer.

Die Arbeitseinkommensquote liegt daher über der Lohnquote. (Größenordnung: 80%des Volkseinkommens).

AEQ = (Summe aus Bruttolöhnen und Gehältern und den Arbeitgeberbeiträgen zurSozialversicherung sowie freiwillige Beträge der Arbeitgeber an die Beschäftigten +Anzahl der Selbständigen * Durchschnittseinkommen der abhängig Beschäftigten)/Volkseinkommen)

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Von den 60-er Jahren bis Anfang der 80-er Jahre stieg die Arbeitseinkommensquotean. Seit etwa 1982 bis zur Vereinigung sank sie tendenziell. Nach der Vereinigungstieg sie kurz stark an, um dann wieder tendenziell zu sinken. Nach demRegierungswechsel 1998 steigt sie wieder leicht an, um ab 2002 wieder zu sinken.

Bei der Interpretation der Lohnquote und der Arbeitseinkommensquote ist Vorsichtgeboten: Die Lohnquote macht Aussagen über die funktionelle Einkommens-verteilung, aber nicht über die personelle Einkommensverteilung. Eine steigendeLohnquote sagt also nicht aus, dass es den Arbeitnehmern besser geht als vorher.Eine Erhöhung der Lohnquote bedeutet auch nicht, dass die Löhne steigen:

Eine Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge führt (ceteris paribus) zu einersteigenden Lohnquote, aber zu sinkenden Nettolöhnen.

Maße der personellen Einkommensverteilung

Um Aussagen über die Verteilung von Armut und Reichtum in einer Volkswirtschaftmachen zu können, ist es notwendig, die personelle Einkommensverteilung zukennen.

Lorenzkurve

Die grafische Darstellung der personellen Einkommensverteilung erfolgt mit Hilfe derLorenz-Kurve.

Bei der Lorenzkurve werden auf der Abszisse, d.h. der waagrechten Achse, diekumulierten Haushalte abgetragen und auf der Ordinate, d.h. der sekrechten Achse,die kumulierten Einkommen.

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Lorenzkurve Deutschland (W est) 1988

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%0% 10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

% der Haushalte

% d

es E

inko

mm

ens

Zwei Punkte dieser Kurve sind klar:

0 Prozent der Bevölkerung beziehen 0 Prozent der Einkommen und 100 Prozent derBevölkerung müssen 100 Prozent der Einkommen beziehen.

Daraus folgt, dass die Lorenzkurve im Diagramm von links unten nach rechts obenverlaufen muss.

Frage: Was würde es bedeuten, wenn die Lorenzkurve eine Gerade zwischen diesenbeiden Punkten bilden würde?

Eine Gerade würde bedeuten, dass 10% der Haushalte 10% der Einkommenbeziehen würden, 20% der Haushalte 20% der Einkommen usw. Die 45-Grad-Liniewürde also eine Gleichverteilung darstellen, bei der alle Haushalte genau das gleicheEinkommen beziehen. Dies ist ein theoretischer Grenzfall. In der Realität gibt es inallen Volkswirtschaften ein mehr oder minder großes Ausmaß an Ungleichheit. DieLorenzkurve verläuft also immer unterhalb der 45°-Linie.

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Frage: Warum kann die Lorenzkurve nicht oberhalb der 45°-Linie verlaufen?

Dies hatten wir per Annahme ausgeschlossen: Wir hatten die Haushalte gedanklichnach der Höhe ihres Einkommens so angeordnet, dass die Haushalte mit denniedrigsten Einkommen links und die mit den höchsten Einkommen rechts liegen.

Gini-Koeffizient

Das Ausmaß der Ungleichverteilung zeigt sich bei der Lorenzkurve im Abstandzwischen der Lorenzkurve und der Gleichverteilungslinie. Dieser Abstand wird im sogenannten Gini-Koeffizient ausgedrückt. Der Gini-Koeffizient nimmt beivollkommener Gleichverteilung den Wert Null an und bei vollkommenerUngleichverteilung den Wert Eins.

Der Gini Koeffizient liegt bezogen auf die Nettoeinkommen in Gesamtdeutschland beietwa 0,28. Bezogen auf die alten Ländern liegt er auf ähnlichem Niveau, bezogen aufdie neuen Ländern liegt der Gini-Koeffizient im Bereich von 0,24. Die Verteilung derNettoeinkommen ist in den neuen Ländern also gleichmäßiger als in den alten.

Jahr West Ost gesamt

1991 0,4045 0,3624 0,4153

1994 0,4326 0,4287 0,4362

1997 0,4403 0,4520 0,4455

2000 0,4384 0,4688 0,4474

2002 0,4464 0,5066 0,4595Gini-Koeffizient für die Markteinkommen in Deutschland

Jahr West Ost gesamt

1991 0,2603 0,2015 0,2707

1994 0,2818 0,2202 0,2757

1997 0,2714 0,2172 0,2647

2000 0,2733 0,2169 0,2677

2002 0,2848 0,2420 0,2814Gini-Koeffizient für die Nettoeinkommen in Deutschland

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Die Gegenüberstellung der Gini-Koeffizienten der Primärverteilung und derSekundärverteilung macht das Ausmaß der staatlichen Umverteilung deutlich: In denalten Ländern geht der durch staatliche Umverteilung Gini-Koeffizient um 36%zurück, in den neuen sogar um mehr als 50%.

Dezilverhältnisse

Ein weiteres anschauliches Maß für die Einkommensverteilung sindDezilverhältnisse: Die Frage lautet dabei: Wie ist das Verhältnis der Einkommen desa-ten Dezils zu dem des b-ten Dezils. Der Sachverständigenrat gibt die Verhältnissezwischen dem Nettoeinkommens des 1. Dezil (unter dem 10% der Haushalte liegen),des 5. Dezil, (über und unter dem jeweils 50% der Haushalte liegen) und dem 9.Dezil (über dem 10% der Haushalte liegen) an:

West Ost gesamtJahr

90/10 90/50 50/10 90/10 90/50 50/10 90/10 90/50 50/10

1991 3,13 1,73 1,81 2,47 1,52 1,62 3,36 1,82 1,85

1997 3,45 1,83 1,89 2,68 1,58 1,70 3,31 1,80 1,84

2000 3,43 1,79 1,91 2,75 1,61 1,71 3,33 1,78 1,87

2002 3,75 1,85 2,03 2,90 1,65 1,76 3,66 1,85 1,97Dezilverhältnisse für die Nettoeinkommen in Deutschland

Auch hier zeigt sich wieder der Befund, dass die Einkommen in den neuen Länderngleichmäßiger verteilt sind als in den alten. In den neuen und den alten Ländernnimmt für sich genommen die Ungleichverteilung zu oder bleibt etwa konstant.Bezogen auf Gesamtdeutschland näherte sich die Einkommensverteilung in den90er Jahren an. Dies lag daran, dass sich das Einkommensniveau in dieser Zeit inden neuen Ländern an das der alten Länder angenähert hat. Inzwischen nimmt auchbezogen auf Gesamtdeutschland die Ungleichverteilung zu.

Neben den vorgestellten Verteilungsmaßen gibt es noch weitere Verteilungsmaßewie die Atkinson-Maße oder die Theil-Koeffizienten. Diese Maße sind aber wenigeranschaulich, mathematisch aufwändiger und spielen außerhalb der Wissenschaft sogut wie keine Rolle. Daher wird hier - wie auch in den meisten Lehrbüchern – auf ihreBehandlung verzichtet.

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Aussagefähigkeit der Maße der Einkommensverteilung

Lässt sich sagen, dass eine Gesellschaft, in der die Einkommensverteilung -gemessen an den vorgestellten Größen - gleichmäßiger ist, besser oder gerechterals eine mit einer ungleichmäßigeren Einkommensverteilung?

- Es gibt keine wissenschaftlichen Kriterien, ob eine bestimmte Verteilung besserist als eine andere. Besser oder schlechter ist eine Frage der Bewertung. DieseBewertung ist der politischen Diskussion vorbehalten. Die Wissenschaft kann fürdiese Diskussion nur Daten liefern und vor Fehlinterpretationen warnen:

- Die bisherigen Maße machten nur Aussagen über die Ungleichheit derEinkommen, nicht aber über ihr Niveau. In den damals „sozialistischen“ StaatenOsteuropas waren die Einkommen sicher gleichmäßiger verteilt als in den„kapitalistischen“ Staaten Westeuropas. Kein westeuropäischer Linker hätte dieseLänder aber wohl als erstrebenswertes wirtschaftliches Vorbild angegeben!

- Neben dem Einkommen spielt bei der Wohlstandsverteilung auch die Versorgungmit öffentlichen Gütern wie Gesundheitsfürsorge, Bildungseinrichtungen, etc. eineRolle. Diese schlagen sich nicht im bezogenen Einkommen nieder, das in diegenannten Größen eingeht.

- Armut ist nicht nur eine finanzielle Frage. Der Rat der europäischen Gemeinschaftmacht daher Armut nicht nur am Einkommen fest. Er definierte 1984 solchePersonen, Familien und Gruppen als arm, „die über so geringe (materielle,kulturelle und soziale) Mittel verfügen, dass sie von der Lebensweiseausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedsstaat, in dem sie leben, als Minimumannehmbar ist“

- Neben dem Ausmaß der Einkommensungleichheit ist auch dieEinkommensmobilität ein wichtiges Beurteilungskriterium. Wenn eine großeMobilität zwischen den (Einkommens-)Schichten besteht, ist eine ungleicheVerteilung weniger problematisch als wenn Menschen auf Dauer in ihrerVerteilungsposition festgelegt sind. Etwas mehr als 40% der Haushalte desSozio-oekonimischen Panels (SOEP), die 1999 als „arm“ galten weil sie wenigerals 50% des Medianeinkommens hatten, konnten bis 2000 ihre relativeEinkommensposition verbessern. In den alten Ländern waren weniger als 40%, inden neuen Ländern waren es rund 60%. Etwa 40% der Haushalte, die 1997 mehrals das Doppelte des Medianeinkommens bezogen, sanken in derEinkommensposition ab.

- Die Datenlage über die Einkommens- und Vermögensverteilung istunbefriedigend: Die vorgestellten Ergebnisse beruhen auf Daten des Sozio-

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oekonimischen Panels des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, derEinkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes und derSteuerstatistik. Alle Datengrundlagen haben die Gemeinsamkeit, dass die unterenund oberen Ränder der Einkommensverteilung unterrepräsentiert sind. Beimunteren Rand (Wohnsitzlose, Insassen von Anstalten und Heimen, ) gibt esErhebungsschwierigkeiten, beim oberen Rand dürfte das tatsächliche Einkommennoch über dem angegebenen Einkommen liegen. Die tatsächliche Verteilung derEinkommen und Vermögen dürfte daher ungleicher sein als hier angegeben ist.

5.3 Verteilungstheorie: zwei unterschiedliche Erklärungen

5.3.1 Die Grenzproduktivitätstheorie der Verteilung

Aus Ihrem 2. Semester kennen Sie die Entscheidung eines Unternehmens über dengewinnmaximalen Faktoreinsatz:

Gegeben sei eine Produktionsfunktion für ein Endprodukt y, das mithilfe von zweiProduktionsfaktoren (1 und 2) hergestellt wird. Die Menge der beiden Produktions-faktoren wird mit x1 bzw. x2 bezeichnet. Der Absatzpreis des Endprodukts y wird mitp bezeichnet, die Beschaffungspreise der beiden Produktionsfaktoren mit q1 bzw q2.Die Gewinnfunktion für ein Unternehmen lautet dann:

221121 ),(* xqxqxxypG −−=

Für die Berechnung des gewinnmaximalen Einsatz des Produktionsfaktors x1 mussdie erste Ableitung nach diesem Produktionsfaktors gleich Null gesetzt werden:

0* 111

=−∂∂=

∂∂ q

xyp

xG

Für den (realen) Faktorpreis des muss dann gelten:

1

1 *xy

pq

∂∂=

In Worten: Im Gewinnmaximum muss der reale Faktorpreis gleich der Grenzproduk-tivität dieses Produktionsfaktors sein.

Im 3. Semester haben wir in der Makroökonomik den neoklassischen Arbeitsmarktbehandelt. Dort galt analog zu oben (nur diesmal mit Großbuchstaben):

Gegeben sei eine gesamtwirtschaftliche Produktionsfunktion Y=Y(A,K) mit den bei-den Produktionsfaktoren Arbeit (A) und Kapital (K). Der Output Y wird mit dem Preis-niveau P bewertet. Der Lohnsatz als Entlohnung des Produktionsfaktors Arbeit wirdmit dem Symbol l bezeichnet, der Zinssatz als Entlohnung des Produktionsfaktors

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Kapital mit dem Symbol i. Analog zur Mikroökonomie hat das repräsentative Unter-nehmen und damit alle Unternehmen in der Volkswirtschaft die Gewinnfunktion:

iKlAKAYPG **),(* +−=

Das Kalkül über den optimalen Arbeitseinsatz sieht wiederum folgendermaßen aus:

max!→G

0* =−∂∂=

∂∂ l

AYP

AG

Als Ergebnis muss wiederum gelten:

AY

Pl

∂∂=*

,

In Worten: Der Reallohn muss der Grenzproduktivität des Faktors Arbeitentsprechen.

Dies ist in aller Kürze der Kern der Grenzproduktivität der Verteilung: Die Entlohnungeines Produktionsfaktors richtet sich nach dem, was dieser Produktionsfaktor (margi-nal) zum Entstehen des Sozialprodukts beiträgt.

Anschaulicher wird die Grenzproduktivitätstheorie der Verteilung in Verbindung miteiner konkreten Produktionsfunktion: Neoklassiker arbeiten gerne mit einer linear-homogenen Cobb-Douglas-Produktionsfunktion. Diese hat die Form:

α−α= 1KAY

Für den Lohnsatz l gilt dann:

α−−αα=∂∂= 11KAAYl

Die Lohnsumme ergibt sich als Produkt aus Preis und Menge der Arbeit, d.h.:

α−αα=∂∂=⋅ 1KAAYAl

Die Lohnquote stellt das Verhältnis der Lohnsumme zum Volkseinkommen dar, alsFormel:

YAl ⋅

, beziehungsweise α−α

α−αα1

1

KAKA

Wie sie unschwer erkennen können, lässt sich dieser Bruch kürzen und übrig bleibtals Höhe der Lohnquote: α

Die Lohnquote hängt also von einem einzigen Parameter ab, α , der partiellenProduktionselastizität des Produktionsfaktors Arbeit. Da die Produktionsfunktion

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technische Zusammenhänge darstellen soll, wird die Höhe der Lohnquote von derProduktionstechnologie bestimmt.

Die Grenzproduktivitätstheorie ist formal sehr elegant. Sie ist aber an sehr enge Vor-aussetzungen gebunden:

- Die Produktionsfunktion muss substitutional sein. Bei einer komplementärenProduktionsfunktion hängt die Höhe der Produktion nur vom Engpassfaktor ab.Seine Grenzproduktivität beträgt also 1. Damit würde der Engpassfaktor alleFaktorentlohnungen aus sich ziehen. Die Grenzproduktivität der ausreichen vor-handenen Produktionsfaktoren ist Null, ihre Entlohnung wäre also Null.

- Die Produktionsfunktion muss linear-homogen sein. Die Summe der partiellenProduktionselastizitäten α+β muss 1 betragen. Sind α+β größer als 1, wäre dieSumme der Faktorentlohnungen größer als die Produktionserlöse. Sind sie klei-ner, würden die Faktorentlohnungen die Produktionserlöse nicht ausschöpfen.

5.3.2 Die kreislauftheoretische Erklärung von Kaldor

Kaldor knüpft bei seiner Verteilungstheorie an Kreislaufzusammenhänge an, die Sieaus der Makroökonomik kennen.

In einer geschlossenen Volkswirtschaft ohne Staat lautet die Formel für die gesamt-wirtschaftliche Einkommensverwendung

Y = C +I

Dies bedeutet: Das Einkommen kann entweder für Konsumzwecke oder fürInvestitionszwecke verwendet werden.

In der Verteilungsrechnung geht es darum, wie sich das Volkseinkommen auf dieeinzelnen Produktionsfaktoren oder auf einzelne Gruppen verteilt.

Im einfachsten Fall unterscheiden wir nur zwei Gruppen: Lohnbezieher und Gewinn-und Kapitaleinkommensbezieher. Das Einkommen teilt sich in Löhne (L) undGewinne (G) auf.

In Formelschreibweise

Y= L +G

Kaldor übernimmt von Keynes die Annahme, dass die Ersparnis (linear) vom Volks-einkommen abhängt:

S=s*Y

Kaldor unterstellt in seinem Modell, dass Lohneinkommensbezieher und Gewinn-und Kapitaleinkommensbezieher unterschiedliche Sparquoten haben. Die Sparquote

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der Lohneinkommensbezieher sL ist niedriger als die der Gewinn- und Kapital-einkommensbezieher sG. In Formelschreibweise:

sL<sG

Für die Ersparnis der Lohneinkommensbezieher gilt damit:

SL=sL*L

Für die Ersparnis der Gewinn- und Einkommensbezieher gilt entsprechend:

SG=sG*G

Für die gesamte Ersparnis S in der Volkswirtschaft als Summe der Ersparnisse derbeiden Gruppen muss gelten:

S= s*Y = sL*L + sG*G

Für die gesamtwirtschaftliche Sparquote s gilt damit:

YGs

YLss GL ** +=

Die gesamtwirtschaftliche Sparquote s ist damit ein mit den Einkommen gewichteterDurchschnitt der beiden gruppenspezifischen Sparquoten.

Für die gesamtwirtschaftliche Sparquote muss gelten:

sL<s<sG

Die gesamtwirtschaftliche Sparquote muss also zwischen den Sparquoten der beidengruppenspezifischen Sparquoten liegen.

Für die Investitionen wird die einfachst mögliche Annahme getroffen Die Investitionensind autonom. (Kenner werden hier sicher die Parallelen zum keynesianischen Ein-kommen-Ausgaben-Modell entdecken, das als ersten makroökonomisches Modellder Einkommensbestimmung vorgestellt wurde.)

I=I0

Wir müssen noch eine Annahme über die Löhne treffen. Wir machen wiederum dieeinfachstmögliche Annahme: Wir nehmen an, dass die Löhne nominal festgelegt sindund sich im betrachteten Zeitraum nicht ändern.

L=L0

Die Gewinn- und Kapitaleinkommen sind eine Restgröße. Sie ändern sich, wenn sichdas nominale Sozialprodukt ändert.

G=Y-L

Sie kennen die Gleichgewichtsbedingung auf dem Gütermarkt bereits aus derMakroökonomik: Es muss gelten

I=S

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Unter den gemachten Annahmen gilt dann

GsLsSI GL ⋅+⋅==0

Zur Bestimmung der Lohnquote im Gleichgewicht müssen wir noch einigeUmformungen vornehmen:

)(0 LYsLsI GL −⋅+⋅=

)(0 GLG ssLYsI −+⋅=

YssLs

YI GL

G)(0 −+=

YssLs

YI GL

G)(0 −=−

als Formel für die Lohnquote YL

ergibt sich damit:

)(

0

GL

G

ss

sYI

YL

−=

Für die Gewinn- und Kapitaleinkommensquote YG

gilt entsprechend:

)(

0

LG

L

ss

sYI

YG

−=

Betrachten wir die Formeln genauer: Von welchen Größen hängt die Höhe der Lohn-quote ab?

Die Lohnquote ist um so höher, je höher die (von den Gewinnbeziehern zu beein-

flussende) Investitionsquote YI0

ist.

Die Gewinnquote ist um so niedriger (die Lohnquote folglich um so höher), je höherdie Sparquote sL der Lohneinkommensbezieher ist.

Wie sind diese Ergebnisse zu erklären?

Steigen – ausgehend von einem Gleichgewicht – die Investitionen, steigt bei ge-gebener Konsumneigung beider Gruppen die (nominale) Nachfrage. Dieser steht eingegebenes (reales) Sozialprodukt Y gegenüber. Eine steigende nominale Nachfrageführt bei gegebenem realen Angebot zu einer Erhöhung des Preisniveaus. Mit dem

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Preisniveau steigt auch das nominale Sozialprodukt. (Das reale Sozialprodukt bleibtaber unverändert!) Da die Lohnsumme nominal festgelegt ist, muss der Zuwachs desnominalen Sozialprodukts den Gewinn- und Kapitaleinkommensbezieher zukommen.Folge: Der Anteil der Gewinn- und Kapitaleinkommensbezieher am Volkseinkommensteigt.

Steigt – ausgehend von einem Gleichgewicht – die Sparquote sL der Lohneinkom-mensbezieher (bzw. sinkt ihre Konsumquote) kommt es zu einem Nachfrageausfall.Das Preisniveau und das nominale Volkseinkommen sinkt. Da die Nominallöhne festsind, müssen die nominalen Gewinn- und Kapitaleinkommen sinken. Der Anteil derLohneinkommen am Volkseinkommen steigt und der Anteil der Gewinn- und Vermö-genseinkommen sinkt. Ein neues Gleichgewicht ist dann erreicht, wenn bei einerhöheren Sparquote der Lohneinkommensbezieher die Gewinn- und Kapitaleinkom-men so weit gesunken ist, dass wieder gilt

)()( ↓⋅+⋅↑= GsLsS GL

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5.4 Verteilungspolitik

5.4.1 Investivlohn und investive Gewinnbeteiligung

Mit dem Kaldor-Modell lässt sich zeigen, dass eine höhere Ersparnis der Arbeit-nehmer zu einem höheren Anteil am Volkseinkommen führt. Der Staat kann die Ver-mögensbildung in Arbeitnehmerhand durch Appelle, Prämien und Steuervergünsti-gungen fördern. Als wirksamer gelten aber die unmittelbare Umwandlung von regel-mäßigen Einkommensbestandteilen in Ersparnis (Investivlohn) oder die Beteiligungder Arbeitnehmer an erzielten und einbehaltenen Gewinnen ihres Unternehmens(investive Gewinnbeteiligung).

Unter Investivlohn versteht man eines Teil des Lohnes, der direkt oder indirekt inve-stiven Zwecken dient und der konsumptiven Verwendung des Arbeitnehmers ent-zogen wird. Die Höhe des Investivlohns wird in Tarifverträgen oder Betriebsverein-barungen festgelegt.

Eine investive Gewinnbeteiligung ist dagegen in ihrer Höhe nicht festgelegt. DieHöhe hängt vom Gewinn ab, den der Arbeitgeber erzielt. Eine investive Gewinnbetei-ligung erfolgt nicht zwingend, als Einlage im eigenen Unternehmen. Eine Einlage imeigenen Unternehmen birgt für den Arbeitnehmer das Risiko, bei wirtschaftlichenSchwierigkeiten nicht nur den Arbeitsplatz, sondern auch einen bedeutenden Teil derErsparnis zu verlieren. Diese Erfahrung mussten in den letzten Jahren viele Beschäf-tigte in der „New Economy“ machen, bei denen Optionen auf Aktien des eigenenUnternehmens ein wichtiger Bestandteil der Bezahlung waren. Gewerkschaften be-fürworten stattdessen überbetriebliche Fonds, bei denen das Risiko stärker gestreutist. Ein Vorteil der investiven Gewinnbeteiligung gegenüber dem Investivlohn liegtdarin, dass sie in schlechten Zeiten keinen Kostenfaktor für das Unternehmendarstellt.

5.4.2 Einkommensumverteilung über das Steuersystem

Wie Sie bereits gesehen haben, ist die Sekundäreinkommensverteilung in Deutsch-land wesentlich gleichmäßiger als die Primäreinkommensverteilung. Der Staat verteiltalso massiv um. Die Umverteilung erfolgt sowohl über das Steuer- als auch über dieSozialversicherungssystem.

Die Verteilungswirkung der Sozialversicherung wurde bereits kurz angesprochen.Einige Schlaglichter:

Die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung richten sich nach dem Einkom-men, die Leistungen nach dem Bedarf. Innerhalb der gesetzlichen Krankenversiche-

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rung findet eine mehrfache Umverteilung statt: Wie bei privaten Krankenversicherun-gen auch von Gesunden zu Kranken, zusätzlich aber auch z.B. von Personen mithohem Einkommen zu solchen mit niedrigem Einkommen, von Singles zu Familienmit Kindern.

Bei der Arbeitslosenversicherung findet eine Umverteilung von Personen mitMarkteinkommen, d.h. Beschäftigten, zu solchen ohne Markteinkommen, d.h.Arbeitslosen, statt.

Bei einigen Steuern ist das Umverteilungsziel unmittelbar erkennbar z.B. bei der pro-gressiven Einkommenssteuer oder bei der (seit 1997 ausgesetzten) Vermögen-steuer.

Exkurs Vermögenssteuer: Die Vermögenssteuer wurde 1997 als Folge eines Urteilsdes Bundesverfassungsgerichts ausgesetzt. Das Bundesverfassungsgericht hatte dieungleiche Behandlung von Geld- und Grundvermögen als Verstoß gegen denGleichbehandlungsgrundsatz aufgefasst. Geldvermögen wurde bei derVermögensteuer mit dem Marktwert bewertet. Grundvermögen wurde dagegen mitdem Einheitswert bewertet. Dieser Einheitswert machte nur einen Bruchteil desMarktwerts aus. Das Problem, das bei einer Wiedereinführung der Vermögenssteuergelöst werden muss, ist eine marktgerechte Bewertung des Grundvermögens inDeutschland, d.h. eine Neubewertung aller Grundstücke und Immobilien in derBundesrepublik. Eine schnelle Wiedereinführung der Vermögenssteuer erscheintdaher unrealistisch.

Während bei diesen Steuern die Umverteilung ein erklärtes Ziel ist, ist dieUmverteilung bei anderen Steuern eher eine unerwünschte Nebenwirkung.

Im Folgenden gehen wir auf einige Steuern intensiver ein: die Einkommensteuer, dieUmsatzsteuer und Verbrauchsteuern auf spezielle Güter wie z.B. Mineralölerzeug-nisse, Tabakerzeugnisse oder Branntweinerzeugnisse.

EinkommensteuerDie Einkommensteuer ist die Steuer mit dem insgesamt höchsten Aufkommen. ImJahr 2002 betrug es etwa 165 096 Mio. €. Der Tarif der Einkommensteuer ist pro-gressiv ausgestaltet. Ein progressiver Tarif bedeutet, dass der Durchschnittssteuer-satz mit zunehmendem Einkommen zunimmt. Der Tarif der Einkommensteuer siehtfolgendermaßen aus:

Einkommen bis 7235 € bleiben steuerfrei. Der Eingangs(grenz)steuersatz bei 7 236€liegt bei 19,9% Danach steigt der Grenzsteuersatz an bis zu einem Einkommen von55 007€. Ab 55 008 € bleibt der Einkommensteuersatz konstant bei 48,5%. Diegrundsätzlich progressive Verteilungswirkung (d.h. „Reiche“ werden höher besteuertals „Arme“) wird jedoch dadurch beeinträchtigt, dass Personen mit höherem Ein-

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kommen mehr „Steuerschlupflöcher“ in Anspruch nehmen können als Personen mitgeringerem Einkommen. Bei Einkünften aus Gewerbebetrieb und aus selbständigerArbeit muss der Steuerpflichtige seine Einnahmen selbst deklarieren. Dabei sind dieGestaltungsmöglichkeiten größer als bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, wodie Einkommensteuer des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber ans Finanzamt abgeführtwird.

Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung hat die Verteilungs-wirkung der Einkommensteuer untersucht und kam zu folgender Belastung derHaushalte durch die Einkommensteuer1:

Einkommensbelastung durch die Einkommensteuer

0

2

4

6

8

10

12

14

16

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10Dezil

Ant

eil i

n Pr

ozen

t

Einkommensteuer

Einkommensteuer -Kindergeld

Hier ist ein progressiver Belastungsverlauf erkennbar: Haushalte mit höherem Ein-kommen werden relativ stärker belastet als solche mit niedrigem Einkommen.

UmsatzsteuerNach der Einkommensteuer hat die Umsatzsteuer das zweithöchste Aufkommen. ImJahr 2002 lag es bei etwa 138 195 Mio. €. Die Umsatzsteuer ist eine indirekte Steuer.Indirekte Steuern werden von den Produzenten erhoben und sollen über höherePreise an die Verbraucher „überwälzt“ werden. Bei ihnen sollen also Steuerzahlerund Träger der Steuerbelastung unterschiedliche Wirtschaftssubjekte sein. Die Um-satzsteuer wird von den Unternehmen an das Finanzamt abgeführt. Belastet werdensoll der Konsum der privaten Haushalte. Unternehmen können die bezahlte Umsatz-steuer als Vorsteuer von ihrer Umsatzsteuerbelastung wieder abziehen.

1 Wegen der Kinderfreibeträge wird das Kindergeld in die Betrachtung einbezogen.

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Die Umsatzsteuer hat einen linearen Tarif und kennt zwei Sätze: Den Normalsatzvon derzeit 16% und den ermäßigten Satz von derzeit 7%. Der ermäßigte Satz gilt fürGüter des Grundbedarfs, z.B. für Nahrungsmittel oder den ÖPNV, sowie für Güter,die aus sonstigen Gründen als förderungswürdig gelten, z.B. Zeitungen und Zeit-schriften.

Exkurs: Ermäßigt besteuerte Güter bei der Umsatzsteuer: Manchmal ist es amüsant,sich mit den Datails des Steuerrechts zu beschäftigen. Die Gegenstände, die demermäßigten Steuersatz unterliegen, sind in einer Liste im Anhang des Umsatzsteuer-gesetzes detailliert aufgelistet. Sie verdeutlichen das Ziel des ermäßigtenSteuersatzes. Einige Highlights:

- Laufende Nummer 3: „Fische und Krebstiere, Weichtiere und andere Wassertiere,ausgenommen Zierfische, Langusten, Hummer, Austern und Schnecken“.

- Laufende Nummer 28: „Zubereitungen von Fleisch, Fischen oder von Krebstieren,Weichtieren und anderen wirbellosen Wassertieren, ausgenommen Kaviar sowiezubereitete oder haltbar gemachte Langusten, Hummer, Austern undSchnecken“.

- Laufende Nummer 49: „Bücher, Zeitungen und andere Erzeugnisse desgraphischen Gewerbes – mit Ausnahme der Erzeugnisse, für die dieHinweispflicht nach §4 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die Verbreitungjugendgefährdender Schriften besteht, sowie Veröffentlichungen, die über-wiegend Werbezwecken (einschließlich Reisewerbung) dienen“.

Wie Sie (hoffentlich) noch aus der Makro-Vorlesung von der keynesianischen Kon-sumfunktion wissen, sinkt bei steigendem Einkommen der Anteil des Einommens,der für den Konsum verwendet wird. Eine Steuer, die den Konsum belastet, belastetHaushalte mit geringerem Einkommen also relativ stärker als solche mit hohem Ein-kommen, sie wirkt also regressiv2.

Die Frage , die sich bei der Umsatzsteuer stellt, ist, welche Verteilungswirkung sichaus dem Zusammenwirken von grundsätzlich regressiver Wirkung der Konsum-besteuerung und grundsätzlich progressiver Wirkung des ermäßigten Steuersatzesergibt.

Das RWI kommt zu folgender Belastung:

2 regressiv ist also hier das Gegenteil von progressiv.

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Einkommensbelastung durch die Mehrwertsteuer

0

2

4

6

8

10

12

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Dezil

Ant

eil i

n Pr

ozen

t

Im Ergebnis werden die ärmeren Haushalte stärker durch die Umsatzsteuer belastetals die reicheren Haushalte. Die regressive Wirkung überwiegt also bei der Umsatz-steuer.

Sonstige VerbrauchssteuernVerbrauchssteuern gibt es auf viele Güter, früher reichte die Liste vom Branntweinbis zum Zucker. Viele Bagatellsteuern wie die Spielkartensteuer, die Leuchtmittel-steuer (eine Steuer auf Glühbirnen!), die Salzsteuer oder die Zuckersteuer wurdendank der EG-Steuerharmonisierung abgeschafft. Eine große Bedeutung unter denVerbrauchsteuern hat die Mineralölsteuer. Sie hat nach der Einkommensteuer undder Umsatzsteuer das höchste Aufkommen unter allen Steuern. Im Jahr 2002 lag esbei 42 193 Mio. €.

Bei den Verbrauchssteuern ist die Verteilungswirkung nur schwer zu bestimmen.Dies liegt daran, dass sie zu den indirekten Steuern zählen, bei denen die Unter-nehmen, die die Steuer an das Finanzamt abführen, die Belastung über den Preis andie Verbraucher überwälzen sollen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist das Wort„sollen“. Ob die Überwälzung der Steuern tatsächlich gelingt, hängt von vielenFaktoren ab. Die wichtigsten sind die Reaktion von Angebot und Nachfrage aufPreiserhöhungen, präziser ausgedrückt, die Preiselastizität der Nachfrage und desAngebots. Falls Ihnen diese Begriffe nichts mehr sagen, schauen Sie bitte bei IhrenMikro-Unterlagen aus dem 2. Semester nach.

Betrachten wir die Wirkung einer Verbrauchssteuer im Angebots-Nachfrage-Schema:

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Menge

Preis

Angebotskurveohne Steuer

0 x1 x0

p1Prod

Bp0

CA

Angebotskurvemit Steuer

p1Kons

t

Nachfragekurve

Ausgangspunkt sind die Nachfragekurve und die Angebotskurve ohne Steuern. Sieschneiden sich in Punkt A. Als Gleichgewichtspreis ergibt sich p0 und die dazugehö-rige Menge x0.

Was passiert, wenn eine Verbrauchsteuer (in Form einer Mengensteuer3) erhobenwird?

Jede angebotene Einheit wird um den Steuerbetrag t teurer. In der Grafik bedeutetdies eine Parallelverschiebung der Angebotskurve um den Steuerbetrag t nach oben.Nach der Steuererhebung haben wir es nicht mehr mit dem gleichen Preis fürAnbieter und Nachfrager zu tun. Die Steuer schiebt sich als Keil zwischen denVerkaufserlös des Produzenten und den Kaufpreis des Konsumenten. Beim Konsu-mentenpreis ist die Verbrauchsteuer einzubeziehen, die der Nachfrager zu bezahlenhat. Diese Steuer kommt aber dem Anbieter nicht zu Gute, daher ist sie beim Produ-zentenpreis nicht einzubeziehen. Der Preis aus Sicht des Konsumenten pKons liegthöher als der Preis p0 ohne Steuern. Beim Preis pKons fragt der Nachfrager deswegennur noch eine geringere Menge x1 nach. (Punkt C). Der Erlös pProd des Anbieters liegtbei dieser Menge dagegen unter den Preis p0. Die Steuerbelastung wird alsozwischen Anbieter und Nachfrager bzw. Konsument und Produzent aufgeteilt. Im

3 Bei einer Mengensteuer ist die Steuer als Betrag je Mengeneinheit definiert, z.B. bei der Sektsteuer2 DM pro 0,75l-Flasche. Das Gegenstück stellt eine Wertsteuer dar. Bei ihr ist dieBemessungsgrundlage der Verkaufspreis. Der Satz der Umsatzsteuer beträgt z.B. 7 bzw.16% desVerkaufspreises.

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obigen Beispiel schlägt sich die Steuer etwa in gleichem Maße als Preiserhöhung fürden Konsumenten und als Erlösminderung für den Produzenten nieder.

Wir betrachten vier Fälle, die sich nach der Elastizität der Angebots- bzw. Nachfrage-seite unterscheiden:

Fall 1: stark preiselastisches Angebot = flache Angebotskurve

Preis

Menge

p1Prod

p0

p1Kons

0 x1 x0

Angebotskurveohne Steuer

Angebotskurvemit Steuer

Nachfragekurve

t

Bei einem sehr preiselastischen Angebot trägt fast ausschließlich der Nachfrager dieSteuer. Der Anbieter kann die Steuer fast ganz weiterwälzen.

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Fall 2: stark preisunelastisches Angebot = steile Angebotskurve

Preis

Menge

p1Prod

p0p1

Kons

0 x1 x0

Angebotskurveohne Steuer

Angebotskurvemit Steuer

Nachfragekurve

Hier sehen Sie, dass der Anbieter bei einem preisunelastschen Angebot - beigleicher Nachfragekurve ! - den größte Teil der Steuer trägt.

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Fall 3: stark preiselastische Nachfrage = flache Nachfragekurve

Preis

Menge

p1Prodp0

p1Kons

0 x1 x0

Angebotskurveohne Steuer

Angebotskurvemit Steuer

Nachfragekurve

Im Vergleich zu oben verläuft die Nachfragekurve jetzt flacher. Der Nachfragerreagiert auf Preisänderungen mit einer großen Änderung der nachgefragten Menge.Dies ist vorstellbar, wenn nicht besteuerte enge Substitute zum besteuerten Gut zurVerfügung stehen. Die höhere Preiselastizität der Nachfrage bewirkt, dass der Nach-frager jetzt einen geringeren Teil und der Anbieter des besteuertenden Gutes einengrößeren Teil der Steuerlast tragen muss.

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Fall 4: stark preisunelastische Nachfrage = steile Nachfragekurve

Preis

Menge

p1Prodp0

p1Kons

0 x1 x0

Angebotskurveohne Steuer

Angebotskurvemit Steuer

Nachfragekurve

Hier sehen Sie, dass der Konsument bei einer preisunelastischen Nachfrage dieHauptlast der Steuern trägt. Eine preisunelastische Nachfrage ist bei Gütern ge-geben, auf die der Konsument auch bei großen Preiserhöhungen nicht verzichtet.Dies ist z.B. bei Zigaretten, Branntwein oder Treibstoff der Fall. Um in diesen Fälleneine (wirklich beabsichtigte?) Lenkungswirkung zu erzielen, müssten die Ver-brauchssteuern noch stärker als bisher angehoben werden.

FazitAls Fazit zur Überwälzung lässt sich festhalten, dass primär keineswegs klar ist, obeine Steuer überwälzt werden kann. Der Extremfall einer völligen Überwälzung aufden Konsumenten würde nur bei einem absolut preiselastischen Angebot oder beieiner absolut preisunelastischen Nachfrage eintreten. In allen anderen Fällen kannder Anbieter einen Teil der Steuerlast nicht überwälzen. Die Besteuerung wäre aberselbst im Fall eines absolut preiselastischen Angebots mit einem Umsatzrückgang fürden Anbieter verbunden, da zwar sein Preis gleichbleibt, der Nachfrager aber seineMenge reduziert.