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Diplomarbeit
Titel der Diplomarbeit
Gesundheitsbezogene Selbstbestimmungsfähigkeit bei
erwachsenen Menschen mit intellektueller
Beeinträchtigung und der Einfluss einer
Unterstützungsperson
Verfasserin
Katharina Schossleitner BA
angestrebter akademischer Grad
Magistra der Philosophie (Mag. phil.)
Wien, 2014
Studienkennzahl: 298
Studienrichtung: Psychologie
Betreuer: Ao. Univ.-Prof. Dr. Germain Weber
Man hilft den Menschen nicht, wenn man für sie tut, was sie selbst tun
können.
Abraham Lincoln
Danksagung
In diesem Kapitel meiner Diplomarbeit möchte ich all jenen Personen danken, welche
mein Leben bereichert und mich auf meinem bisherigen Lebensweg begleitet und inspiriert
haben.
Allen voran möchte ich mich bei meinen Eltern Ingrid und Helmut Schossleitner
bedanken, welche mich während meiner gesamten Schul- und Studienzeit immer
unterstützt und liebevoll aufgefangen haben. Vielen Dank für eure Liebe, eure Geduld,
eure Motivation und euren Rückhalt. Ohne eure finanzielle und mentale Hilfe und euer
Vertrauen wäre ich nun nicht an diesem Punkt in meinem Leben angekommen. Auch
meinen Großeltern Rosa und Franz Humer und meinem Bruder Sebastian Schossleitner
sowie seiner Frau Sandra ein herzliches „Danke“ für eure Motivation und Unterstützung.
Weiters möchte ich mich bei „meiner besseren Hälfte“ David Pichler bedanken, der mich
seit acht Jahren jeden Tag aufs Neue mit seiner liebevollen Art begeistert und mir
Beständigkeit und Halt gibt. Vielen Dank für die unzähligen Stunden, in denen du dir
meine Sorgen und Wünsche angehört hast und mir mit deinem offenen Ohr und deinen
guten Ratschlägen viel Angst und Druck genommen hast. Danke, dass du mein Leben so
wundervoll bereicherst.
Danken möchte ich auch ganz besonders allen Institutionen in Österreich, welche Interesse
an meiner Studie gezeigt haben und mir die Durchführung der zahlreichen Befragungen
ermöglicht haben. Vielen Dank auch an alle Interviewpartner und Interviewpartnerinnen
und deren Unterstützungspersonen für die großartigen und interessanten Gespräche. Ich
hoffe sehr, dass ich durch diese Studie etwas bewirken kann.
Mein besonderer Dank gilt auch Herrn ao. Univ.-Prof. Dr. Germain Weber, den ich nicht
nur als meinen Betreuer dieser Diplomarbeit sehe, sondern auch als ein sehr großes
Vorbild. Ich möchte ihm an dieser Stelle für seine unglaublich intensive und umfangreiche
Betreuung im letzten Jahr danken und hervorheben, dass ich durch seine enormen
Fachkenntnisse im Bereich „intellektueller Beeinträchtigung“ und seiner hingebungsvollen
Art, für diese Personengruppe etwas zu bewirken, fasziniert und inspiriert bin. Vielen
Dank für die Begeisterung und die Initiative, die du in mir geweckt hast. Ganz besonders
möchte ich mich zuletzt bei Judith Michlits, Susanne Stickel und Andreas Kocman
bedanken, dir mir mit Rat und Tat bei dieser Diplomarbeit zur Seite standen. Vielen Dank!
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung .....................................................................................................................................11
THEORETISCHER TEIL
2. Intellektuelle Beeinträchtigung ..................................................................................................13
2.1 Definition, Klassifikation und Terminologie von intellektueller Beeinträchtigung ....................13
2.2 Prävalenz von intellektueller Beeinträchtigung ..........................................................................19
2.3 Ätiologie von intellektueller Beeinträchtigung ..........................................................................20
2.4 Zusammenfassung .......................................................................................................................21
3. Exekutive Funktionen .................................................................................................................23
3.1 Definitionen .................................................................................................................................23
3.2 Theoretische Ansätze exekutiver Funktionen .............................................................................24
3.3 Neuroanatomische Grundlagen ...................................................................................................26
3.4 Methodische Besonderheiten und Probleme bei der Diagnostik von exekutiven Funktionen ....27
3.5 Forschungsergebnisse hinsichtlich der exekutiven Funktionen bei Menschen mit IB ................28
3.5.1 Bisherige Studien zur Thematik der exekutiven Funktionen bei Menschen mit IB mit Bezug
auf die gesundheitsbezogene Selbstbestimmungsfähigkeit. ..............................................................29
3.6 Zusammenfassung .......................................................................................................................30
4. Treffen von Entscheidungen bei Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung ................31
4.1 Begriffserläuterungen ..................................................................................................................31
4.1.1 Selbstbestimmung, Einwilligungsfähigkeit und „Informed Consent“ .....................................33
4.2 Kriterien für Einwilligungs(un)fähigkeit .....................................................................................36
4.3 Historische Betrachtung der Einwilligung bzw. des „Informed Consent“ ..................................37
4.4 Messinstrumente zur Erfassung der Einwilligungs(un)fähigkeit ................................................39
4.4.1 “MacArthur Competence Assessment Tool-Treatment” (MacCAT-T) ...................................40
4.4.1.1 Kritik am “MacArthur Competence Assessment Tool-Treatment” (MacCAT-T) ..........41
4.5 Bisherige Forschungsergebnisse in Bezug auf die Diplomarbeitsstudie .....................................42
4.5.1 Gesundheitsbezogene Selbstbestimmungsfähigkeit bei Menschen mit IB. .............................42
4.5.2 Wissen über medizinische Maßnahmen bei Menschen mit IB ................................................44
4.6 Faktoren, welche das Treffen von Entscheidungen bei Menschen mit IB beeinflussen .............45
4.7 Zusammenfassung .......................................................................................................................46
5. Sachwalterschaft..........................................................................................................................49
5.1 Zahlen und Fakten der Sachwalterschaft .....................................................................................49
5.1.1 Blick auf die Situation in der EU .............................................................................................49
5.2 Beschreibung der Sachwalterschaft in Österreich .......................................................................51
5.2.1 Aufgaben des/der Sachwalters/in .............................................................................................53
5.2.3 Beendigung der Sachwalterschaft ............................................................................................55
5.3 Kritische Anmerkungen zur Sachwalterschaft ............................................................................55
5.4 Bisherige Alternativen zur Sachwalterschaft ..............................................................................57
5.5 Zusammenfassung .......................................................................................................................58
6. UN-Behindertenrechtskonvention .............................................................................................59
6.1 Zusammenfassung .......................................................................................................................61
7. Zukünftige Alternativen zur Sachwalterschaft ........................................................................63
7.1 Definition und Abgrenzung der unterstützten Entscheidungsfindung ........................................63
7.2 Beispielprojekte zur unterstützten Entscheidungsfindung ..........................................................66
7.2.1 Weitere Ansätze der unterstützten Entscheidungsfindung .......................................................68
7.2.1.1 Personenzentrierte Planung ...................................................................................................68
7.2.1.2 Unterstützerkreise ..................................................................................................................69
7.2.1.3 Unterstützte Kommunikation ................................................................................................69
7.2.1.4 Training in Bezug auf den Entscheidungsprozess .................................................................70
7.3 Zukunftsperspektiven ..................................................................................................................71
8. Resümee des theoretischen Hintergrundes ...............................................................................73
EMPIRISCHER TEIL
9. Zielsetzung der Studie .................................................................................................................75
10. Fragestellungen und dazugehörige Hypothesen .....................................................................77
10.1 Fragestellung 1 ..........................................................................................................................77
10.2 Fragestellung 2 ..........................................................................................................................77
10.3 Fragestellung 3 ..........................................................................................................................78
10.4 Fragestellung 4 ..........................................................................................................................78
10.5 Fragestellung 5 ..........................................................................................................................79
11. Methoden ...................................................................................................................................81
11.1 Studiendesign und Erhebungsablauf .........................................................................................81
11.2 Zielgruppe der wissenschaftlichen Studie .................................................................................83
11.3 Ethische Kriterien der Durchführung ........................................................................................84
11.4 Beschreibung der Erhebungsinstrumente ..................................................................................86
11.4.1 Soziodemographischer Fragebogen .......................................................................................86
11.4.2 „MacArthur Competence Assessment Tool-Treatment” (MacCAT-T) .................................87
11.4.3 Hypothetische Behandlungsvignetten ....................................................................................89
11.4.4 „Frontal Assessment Battery“ (deutsche Version; FAB-D) ...................................................92
11.5 Statistische Verfahren zur Datenverarbeitung und -auswertung ...............................................97
11.5.1 Deskriptivstatistische Methoden ............................................................................................97
11.5.2 Inferenzstatistische Methoden ................................................................................................97
11.5.2.1 Voraussetzungen für die verwendeten statistischen Verfahren .....................................97
11.5.2.2 Statistische Verfahren für die Berechnung der Unterschiedshypothesen ......................99
11.5.2.3 Statistische Verfahren zur Berechnung der Einflusshypothesen .................................100
12. Ergebnisse ................................................................................................................................101
12.1 Beschreibung der Stichprobe ..................................................................................................101
12.1.1 Aufteilung der Untersuchungsgruppen ................................................................................101
12.1.2 Geschlecht ............................................................................................................................101
12.1.3 Alter ......................................................................................................................................102
12.1.4 Herkunftsland .......................................................................................................................103
12.1.5 Höchste abgeschlossene Ausbildung ....................................................................................103
12.1.6 Erwerbstätigkeit ...................................................................................................................103
12.1.7 Familienstand .......................................................................................................................104
12.1.8 Wohnsituation ......................................................................................................................104
12.1.9 Psychische Erkrankung ........................................................................................................105
12.1.10 Sachwalterschaft .................................................................................................................105
12.1.10.1 Zufriedenheit mit Sachwalter/in ..............................................................................107
12.1.10.2 Subjektives Gefühl des Miteinbezogenwerdens bei Entscheidungen .....................107
12.2 Ergebnisse zu den Fragestellungen und Hypothesen ..............................................................107
12.2.1 Fragestellung 1 und 2 ...........................................................................................................108
12.2.2 Fragestellung 3 .....................................................................................................................116
12.2.3 Fragestellung 4 .....................................................................................................................119
12.2.4 Fragestellung 5 .....................................................................................................................121
13. Diskussion und Interpretation der Ergebnisse unter Berücksichtigung der Erkenntnisse
aus dem Theorieteil .......................................................................................................................127
13.1 Soziodemographische Daten ...................................................................................................127
13.2 Gruppenunterschiede in Bezug auf die gesundheitsbezogene Selbstbestimmungsfähigkeit ..129
13.3 Einfluss der Unterstützungsperson auf die Leistungen der Gruppen in Bezug auf die
gesundheitsbezogene Selbstbestimmungsfähigkeit .........................................................................133
13.4 Gruppenunterschiede in Bezug auf die sechs exekutiven Funktionen und den Gesamtwert aus
der FAB-D .......................................................................................................................................134
13.5 Gruppenunterschiede in Bezug auf die drei Bereiche der FAB-D (Kognition, Kontrolle und
motorische Programme) ..................................................................................................................136
13.6 Einfluss der exekutiven Funktionen auf die gesundheitsbezogene Selbstbestimmungsfähigkeit
(4 Subtests des MacCAT-T) ............................................................................................................137
14. Resümee und weiterführende Überlegungen ........................................................................139
11
1. Einleitung
Die Fähigkeit Entscheidungen treffen zu können ist zentral für die meisten Bereiche des
Lebens einer Person mit oder ohne intellektuelle Beeinträchtigung (IB) (Wong, Clare,
Gunn, & Holland, 1999). Zudem ist die Selbstbestimmungsfähigkeit nicht nur wesentlich
für die Lebensqualität, sondern beispielsweise im Gesundheitskontext auch relevant für die
Qualität der erfahrenen Gesundheitsversorgung (Wehmeyer & Schwartz, 1998). Viele
Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung können nicht als aktive Bürger und
Bürgerinnen in der Gesellschaft teilnehmen und handeln (Sobekova, 2014), da ihnen die
Fähigkeit, selbstständig in verschiedenen Bereichen des Lebens eigene Entscheidungen
treffen zu können, per gerichtlichen Beschluss abgesprochen wurde. Wenn Personen nicht
die rechtliche Kompetenz besitzen, Entscheidungen selbstständig zu treffen und in
medizinische Behandlungen einzuwilligen, besteht ein ethisches Dilemma zwischen
Respekt und Autonomie einerseits und der individuellen Notwendigkeit für Unterstützung
andererseits, um diese Menschen vor Nachteilen zu schützen (Wong et al., 1999). Diese
Angelegenheiten gewinnen besonders im Gesundheitsbereich zunehmend an Bedeutung,
nicht nur aufgrund ethischer und gesetzlicher Gründe, sondern auch wegen
demographischer und sozialer Veränderungen der Gesellschaft (Wong et al., 1999). Viele
Länder sind davon betroffen, dass die Gesellschaftsstruktur immer weniger junge
Menschen aufweist, dafür die Anzahl an älteren und besonders der sehr alten Personen
ansteigt. Laut Prognosen wird in den kommenden Jahrzehnten das Altern der Bevölkerung
zu einem globalen Phänomen (Walla, Eggen, & Lipinski, 2006). Da das Risiko an Demenz
zu erkranken mit zunehmendem Alter ansteigt (Kay, 1991), ist zu erwarten, dass die immer
älter werdende Bevölkerung auch hinsichtlich der Prävalenzzahlen von Demenz einen
Anstieg erleben wird (Wong et al., 1999). Sowohl alte Menschen, vor allem jene mit
kognitivem Abbau, als auch Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung sind davon
betroffen, besonders im medizinischen Bereich oftmals keine Entscheidungen bzw. keine
Einwilligung ohne eine/n gesetzliche/n Vertreter/in treffen bzw. geben zu dürfen. In
Österreich wird hierfür das Sachwalterschaftsmodell angewandt, in dem konkrete
Wirkungsbereiche des/der Sachwalters/in festgehalten werden, in welchen die Geschäfts-
bzw. Einwilligungsfähigkeit der betroffenen Person mit IB eingeschränkt wird. Diese
Vertretungsmodelle geraten aufgrund rechtlicher Ansprüche von Menschen mit
intellektueller Beeinträchtigung und vor allem wegen der UN-
Behindertenrechtskonvention aus dem Jahr 2008, die die vorherrschenden Systeme als
letztlich immer noch entmündigend und gegen die Autonomie der hilfebedürftigen
12
Personen ansieht, in heftige Kritik. Zudem stellt sich wegen der immer größer werdenden
Nachfragen nach Sachwalterschaften die Frage deren zukünftigen Finanzierbarkeit.
Besonders die Betrachtung der Selbstbestimmungsfähigkeit im Gesundheitsbereich hat
enorme Relevanz, da Forschungen zeigen, dass viele Menschen mit IB mit einer
Bandbreite an gesundheitlichen Problemen (beispielsweise Gewichtsproblemen,
Problemen bezogen auf die Mundgesundheit, aber auch mit psychischen Problemen und
Verhaltensauffälligkeiten) zu kämpfen haben (Brehmer-Rinderer, Zigrovic, Naue, &
Weber, 2013; Department of Health, 2001; zitiert nach Ferguson & Murphy, 2013;
McGuire, Daly, & Smyth, 2007; O`Hara, McCarthy, & Bouras, 2010; Owens, Kerker,
Zigler, & Horwitz, 2006). Sehr häufig wird für diese Personengruppe eine Vielfalt und eine
hohe Anzahl an Medikamenten verschrieben, welche sowohl für die bisher genannten
gesundheitlichen Probleme, aber auch gegen Verhaltensauffälligkeiten wie beispielsweise
aggressives Verhalten eingenommen werden sollen (Arscott, Stenfert Kroese, & Dagnan,
2000). Um jedoch die gegen die Selbstbestimmung von Menschen mit IB sprechenden
Vertretungsmodelle, wie die Sachwalterschaft, abzuschaffen, bzw. durch alternative
Modelle einer unterstützenden Entscheidungsfindung zu ergänzen, ist es notwendig, solche
alternativen Möglichkeiten zu entwickeln und anschließend zu evaluieren.
Im Rahmen dieser Diplomarbeit soll dem Leser bzw. der Leserin zu Beginn ein Einblick in
das große und vielseitige Themengebiet der intellektuellen Beeinträchtigung gegeben
werden. Daran anschließend folgt die Bearbeitung der Frage, welche Rolle die exekutiven
Funktionen im Vergleich zum bisherigen oftmals herangezogenen IQ-Wert bei Personen
(mit IB) hinsichtlich der Entscheidungskompetenz haben. Weiters soll im Theorieteil
dieser Arbeit der Fokus besonders stark auf das Treffen von Entscheidungen gelegt
werden. Hierfür ist es notwendig, dass verschiedene Begriffe, wie beispielsweise
Selbstbestimmung und Einwilligungsfähigkeit sowie „Informed Consent“, erläutert
werden, als auch aktuelle Erkenntnisse, bezogen auf die Erhebung von
Entscheidungskompetenzen bei Menschen mit IB zusammengetragen werden. Im nächsten
Kapitel soll auf das Sachwaltergesetz in Österreich sowie auf die Situation in der EU
Bezug genommen werden und mit Hilfe des daran anschließenden Abschnittes zur UN-
Behindertenrechtskonvention gravierende Diskrepanzen aufgezeigt werden. Im Kapitel 7
dieser Arbeit soll dem Leser bzw. der Leserin noch ein kurzer Überblick über alternative
Modelle zur Sachwalterschaft gegeben werden, wobei zwei hervorstechende Pilotprojekte
besondere Beachtung erfahren. Im zweiten Teil der Arbeit wird der leitenden
13
Forschungsfrage nachgegangen, ob sich Menschen mit und ohne intellektuelle
Beeinträchtigung (unterteilt in drei Gruppen: Vollbetreuung, Teilbetreuung und keine
Betreuung) hinsichtlich der Selbstbestimmungsfähigkeit in den Standards (1)
Informationsverständnis (2) Krankheits- und Behandlungseinsicht (3) Urteilsvermögen und
(4) eine Wahl zu treffen, unterscheiden und welchen Einfluss Unterstützungspersonen auf
die Entscheidungskompetenzen der Interviewteilnehmer/innen haben. Zudem soll erforscht
werden, inwieweit sich die exekutiven Funktionen in den drei zuvor erwähnten Gruppen
unterscheiden und welche Vorhersagekraft diese auf die Selbstbestimmungsfähigkeit
haben. Für die Untersuchung werden im Methodenteil auf das Untersuchungsdesign sowie
auf die Rekrutierung der Stichprobe und auf ethische Fragen näher eingegangen. Daran
anschließend folgt in Kapitel 12 die Darstellung der Ergebnisse der zwei Schwerpunkte
dieser Diplomarbeitsstudie - gesundheitsbezogene Selbstbestimmungsfähigkeit (mit und
ohne Unterstützungsperson) sowie der Einfluss der exekutiven Funktionen auf diese.
Abschließend wird die Diskussion genutzt, um die gewonnenen Erkenntnisse mit den
bisherigen Forschungsergebnissen aus der Literatur zu vergleichen und kritisch zu
überdenken. Zuletzt sollen ein Resümee und ein Forschungsausblick, in welchen
zukünftige Forschungsideen und offene Fragen diskutiert werden, die Arbeit abrunden.
14
15
THEORETISCHER TEIL
2. Intellektuelle Beeinträchtigung
Im folgenden Kapitel wird auf das Konstrukt der intellektuellen Beeinträchtigung näher
eingegangen, damit die dieser Untersuchung zugrundeliegende Population klar beschrieben
werden kann. Zudem soll im weiteren Verlauf die Prävalenz und Ätiologie von
intellektueller Beeinträchtigung erläutert werden.
2.1 Definition, Klassifikation und Terminologie von intellektueller Beeinträchtigung
Laut Brown (2007) gibt es weder eine einheitliche Definition für intellektuelle
Beeinträchtigung noch eine allgemein gültige und flächendeckend anerkannte
Terminologie.
Die Definition und Klassifikation von IB bereitet aufgrund unterschiedlicher
Beeinträchtigungsarten sowie der historischen und gegenwärtigen Vorurteile und
Stigmatisierungen dieser Personengruppe in der Gesellschaft besondere Schwierigkeiten
(Speck, 2012). Die negative Sonderstellung von Menschen mit intellektueller
Beeinträchtigung wird deutlich, wenn man sich die verschiedenen Bezeichnungen, wie
Blödsinnige, Schwachsinnige, Retardierte, Idioten etc., welche für diese Menschengruppe
über die Zeit verwendet wurden, und welche vorwiegend die Exklusion und in einer
Epoche auch die vollständige Eliminierung aus der Gesellschaft zur Folge hatten, ansieht
(Speck, 2012). Intellektuelle Beeinträchtigung zu definieren hat jedoch den Vorteil bzw. ist
notwendig, um eine halbwegs praktikable Verständigung im Bereich der Forschung und in
der Praxis zu ermöglichen, um jedoch den Begriff lückenlos zu erklären, wäre ein
unendlicher Regress notwendig (Speck, 2012).
Heutzutage wird intellektuelle Beeinträchtigung von Land zu Land aber auch innerhalb
einer Region unterschiedlich definiert (Weber & Rojahn, 2009). Es wird dabei „von einem
Mangel an kognitiven Fähigkeiten sowie von verringerten sozial-adaptiven
Handlungsvermögen“ ausgegangen und der Beginn setzt vor dem 18. Lebensjahr ein
(Weber & Rojahn, 2009, S. 352). Payk (2010) erläutert, dass intellektuelle
Beeinträchtigung gekennzeichnet ist „durch Intelligenz- und Entwicklungsrückstände, die
meist von Geburt an bestehen und/oder während der frühen Kindheit in Erscheinung
treten“ (S. 273). Speck (2012) ist hingegen der Ansicht, dass es sich bei IB um ein
komplexeres Phänomen handelt und unterschiedliche Aspekte, nicht nur die Intelligenz-
16
und Entwicklungsrückstände, bei der Begriffsbildung miteinfließen. Beispielsweise
können medizinisch-genetische Aspekte, welche eine große Anzahl der zugrundeliegenden
pathologischen Faktoren versuchen miteinzubeziehen, als auch psychologische Aspekte,
welche in der Vergangenheit häufig die Intelligenzleistungen und adaptiven Kompetenzen
der Betroffenen im Fokus hatten, oder auch soziologische Aspekte, welche vor allem die
soziale Umwelt und die soziale Teilhabe der Menschen genauer beleuchten, und zuletzt die
pädagogischen Aspekte, die die Lernmöglichkeiten und die Gestaltung der Lernumwelten
umfassen, differenziert werden.
In den vergangenen Jahren zeigte sich nach langjährigen Diskussionen bezüglich der
Definition von intellektueller Beeinträchtigung ein Paradigmenwechsel, der sich dadurch
gekennzeichnet hat, dass man nicht mehr vornehmlich die begrenzten kognitiven
Fähigkeiten und Handlungsdefizite dieser Personengruppe sieht, sondern man sich eher
nach einer bedürfnisorientierten Erfassung sowie Einteilung richtet (Weber & Rojahn,
2009).
Angelehnt an die Lebenshilfe Österreich soll in dieser Arbeit nicht von „geistiger
Behinderung“ gesprochen werden, da dieser Begriff in der Vergangenheit von
Selbstvertreter/innen-Gruppen heftig kritisiert wurde und sich zahlreiche Personen mit
Beeinträchtigungen durch diese Bezeichnung diskriminiert und verletzt gefühlt haben.
Aufgrund dessen soll von „Menschen mit (intellektueller) Beeinträchtigung“ gesprochen
werden, „weil dieser Ausdruck in der derzeitigen Situation den größtmöglichen Respekt
gegenüber Menschen mit Beeinträchtigungen verschiedener Kulturen und Sprachgruppen
entgegenbringt“ (Lebenshilfe Österreich, 2014, o.S.).
Heutzutage existieren verschiedenste Klassifikationssysteme, welche versuchen, das
Konstrukt der intellektuellen Beeinträchtigung mittels operationalisierter Definitionen zu
erfassen und zudem nosologisch einzuteilen.
Die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegebene „International
Classification of Functioning, Disability and Health“ (kurz ICF) (deutsch: „Internationale
Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit“), welche die
Nachfolgerin der ICIDH (International Classification of Impairments, Disabilities and
Handicaps) darstellt, bettet intellektuelle Beeinträchtigung in ein sehr breites Konzept ein
und dient „als einheitliche und standardisierte Sprache zur Beschreibung des funktionalen
Gesundheitszustandes, der Behinderung, der sozialen Beeinträchtigung und der relevanten
17
Umgebungsfaktoren eines Menschen“, wobei vor allem bio-psycho-soziale Aspekte von
Krankheitsfolgen unter Berücksichtigung der Kontextfaktoren systematisch erfasst werden
sollen“ (DIMDI, 2014, o.S.). Zudem ist die ICF primär ressourcen- und nicht
defizitorientiert und kann auf alle Menschen, nicht nur jene mit Beeinträchtigungen,
bezogen werden. Folgende Abbildung 1 zeigt die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen
den einzelnen Komponenten, welche im Konzept der ICF erläutert werden.
Sowohl die ICD-10, welche später noch genauer vorgestellt wird, als auch die ICF gehören
den internationalen Klassifikationen der WHO an und ergänzen sich. Beide unterscheiden
sich dahingehend, dass die ICD Krankheiten bzw. Störungen klassifiziert, während die ICF
die Folgen der Krankheiten hinsichtlich der Körperfunktionen, Aktivitäten und der
Teilhabe unterscheidet (DIMDI, 2014).
Ausgehend vom Konzept der ICF definiert die „American Association on Intellectual and
Developmental Disabilities“ (kurz AAIDD; früher: „American Association on Mental
Retardation – AAMR“) intellektuelle Beeinträchtigung (englisch: „intellectual disability“)
anhand dreier Punkte. Erstens muss für eine Diagnose eine signifikante Limitation der
intellektuellen Fähigkeiten bei der Person vorliegen, zudem eine signifikante Verringerung
des adaptiven Funktionsniveaus und drittens müssen diese Einschränkungen vor dem 18.
Lebensjahr auftreten (American Association on Intellectual and Developmental
Disabilities, 2010).
Einschränkungen intellektueller Fähigkeiten liegen bei IQ-Werten unter 70 (zwei
Standardabweichungen unter dem Mittelwert). Weiters sind die sozial-adaptiven
Fähigkeiten in ein multidimensionales Konzept einzubetten, welches sowohl praktische,
als auch soziale sowie konzeptionelle Fähigkeiten umfasst, und welche von den
Abbildung 1. Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Komponenten von Gesundheit
(DIMDI, 2014, o.S.)
18
betroffenen Personen erlernt und im Alltag angewendet werden können (Schalock &
Luckasson, 2004).
Neben den bisher genannten Klassifikationssystemen gibt es noch zwei sehr gängige und
bedeutsame Systeme: das ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation (kurz WHO; 1992)
sowie das 2013 erschienene DSM-5 der American Psychiatric Association (kurz APA;
2013).
Im „Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“ (kurz DSM-5) wird
intellektuelle Beeinträchtigung als „intellectual disability“ bzw. auch angelehnt an die
ICD-10 (Dilling, Mombour, & Schmidt, 1992), welche voraussichtlich 2015 in der 11.
Revision veröffentlicht werden soll, als „intellectual developmental disorder“ bezeichnet
und als „a disorder with onset during the developmental period that includes both
intellectual and adaptive functioning deficits in conceptual, social, and practical domains“
beschrieben (American Psychiatric Association, 2013, S. 33).
Folgende drei Kriterien müssen für eine Diagnose im DSM-5 erfüllt sein (American
Psychiatric Association, 2013, S. 33):
A. “Deficits in intellectual functions, such as reasoning, problem solving, planning,
abstract thinking, judgment, academic learning, and learning from experience, confirmed
by both clinical assessment and individualized, standardized intelligence testing.”
B. “Deficits in adaptive functioning that result in failure to meet developmental and
sociocultural standards of personal independence and social responsibility. Without
ongoing support, the adaptive deficits limit functioning in one or more activities of daily
life, such as communication, social participation, and independent living, across multiple
environments, such as home, school, work, and community.”
C. “Onset of intellectual and adaptive deficits during the developmental period.”
Zudem werden Personen mit IB im DSM-5 in Schweregrade „mild“, „moderate“, „severe“
und „profound“ eingeteilt. Diese Einteilung wird jedoch nicht mehr aufgrund von IQ-
Werten wie bisher in der Vorgängerversion namens DSM-IV-TR (American Psychiatric
Association, 2011) getroffen, sondern anhand der adaptiven Funktionen einer Person und
des Grades an Unterstützung, welcher individuell benötigt wird. Aufgrund dessen werden
die Schweregrade von IB anhand der Bereiche „conceptual domain“, „social domain“ und
„practical domain“ im DSM-5 genauer erläutert (American Psychiatric Association, 2013).
In der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen in der 10. Revision (kurz ICD-
10) im Kapitel F der Weltgesundheitsorganisation wird intellektuelle Beeinträchtigung im
19
Kapitel F7 „Intelligenzminderung“ näher betrachtet und ist „eine sich in der Entwicklung
manifestierende, stehen gebliebene oder unvollständige Entwicklung der geistigen
Fähigkeiten, mit besonderer Beeinträchtigung von Fertigkeiten, die zum Intelligenzniveau
beitragen, wie z.B. Kognition, Sprache, motorische und soziale Fähigkeiten“ (Dilling,
Mombour, & Schmidt, 2010, S. 276). Unterschieden wird dabei zwischen vier
verschiedenen Schweregraden, welche sich je nach IQ-Wert einteilen lassen (siehe Tabelle
1) (Dilling et al., 2010)
Tabelle 1
Kategorien der Intelligenzminderung im ICD-10 (Dilling et al., 2010, S. 277ff.)
Kategorie Intelligenzminderung IQ- Bereich
F70 leicht 50-69
F71 mittelgradig 35-49
F72 schwer 20-34
F73 schwerst unter 20
Für die Überarbeitung der ICD-10 wurde eine eigene Arbeitsgruppe namens „Working
Group on the Classification of Intellectual Disabilities“ gegründet, welche durch intensive
Literatur-Reviews und Experten/innen- Diskussionen einen auf Konsens basierenden und
geeigneten Begriff für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung im ICD-11 finden
soll (Harris, 2013). Vorwiegend beschäftigte die Arbeitsgruppe die Frage, ob intellektuelle
Beeinträchtigung als ein gesundheitlicher Zustand oder als eine Behinderung definiert
werden soll. IB wird bisher in der englischsprachigen Version der ICD-10 (WHO, 1992)
als „mental retardation“ bezeichnet, wobei im internationalen Vergleich dieser Terminus
vorwiegend durch den der „intellectual disability“ ersetzt wurde (Harris, 2013). Aufgrund
dessen wurde beschlossen im ICD-11 mental retardation durch den Begriff der
„intellectual developmental disorders“ (kurz IDDs) zu ersetzen und dieser Terminus
beschreibt „a group of developmental conditions characterized by significant impairments
of cognitive functions, which are associated with limitations of learning, adaptive behavior
and skills“ (Salvador-Carulla et al., 2011, S. 175).
2.2 Prävalenz von intellektueller Beeinträchtigung
Laut Schanze (2007) erweist es sich als äußerst schwierig für die Personengruppe mit IB
exakte Prävalenzzahlen anzugeben, da eine große Bandbreite an Definitionen und
unterschiedlichen Erfassungskriterien (siehe Kapitel 2.1) von IB vorliegen und viele
Zahlen auf Schätzungen von Versorgungsstatistiken beruhen. Die Prävalenzraten
20
differieren von 1 bis 4% in internationalen Studien (Schanze, 2007). Weber und Rojahn
(2009) gehen davon aus, dass ca. 1 bis 2,5% der Bevölkerung die Kriterien von
intellektueller Beeinträchtigung erfüllen und Steinhausen (2005) ist der Ansicht, dass die
Häufigkeit von IB bei einem Erwartungswert von 2 bis 3% liegt, welche jedoch mit
zunehmenden Schweregrad abnimmt. Sarimski (2001) berichtet, dass in englischen,
skandinavischen sowie deutschen Studien eine Prävalenzrate von 0,4% für schwere
Formen von IB und 2,5 bis 2,9% für leichte Formen von IB angegeben wird (Roeleveld &
Zielhuis, 1997; Thimm, 1999, zitiert nach Sarimski, 2001). Besonders der Anteil der
Menschen mit leichter intellektueller Beeinträchtigung variiert sehr stark und dieser ist eng
mit einer niedrigen Sozialschicht verknüpft (Steinhausen, 2005). Männer sind dabei
häufiger von IB betroffen als Frauen, da sie eine höhere biologische Vulnerabilität
aufweisen (Steinhausen, 2005). Auch größere Studien zu diesem Personenkreis zeigen,
dass das männliche Geschlecht bezüglich der Betroffenheit von IB deutlich
überrepräsentiert ist (Liepmann, 1979; Thimm, von Ferber, Schilling, & Wedekind, 1985;
McLaren & Bryson, 1987; Roeleveld, Zielhuis, & Gabreels, 1997; zitiert nach Neuhäuser
& Steinhausen, 2003). Neuhäuser und Steinhausen (2003) merken zudem an, dass sowohl
biologische Gründe als auch geschlechtsspezifische Rollenforderungen und andere
soziokulturelle Einflüsse für diesen Geschlechterunterschied verantwortlich sind.
Laut Neuhäuser und Steinhausen (2003) gibt es in Deutschland keine zuverlässigen
Angaben über die Gesamtzahl der Menschen mit IB. Die Bundesvereinigung Lebenshilfe
für Menschen mit IB in Deutschland geht jedoch von ca. 420000 Menschen (0.6% der
Bevölkerung) aus, mit einer Aufteilung von ca. 185000 Kindern und Jugendlichen und
etwa 235000 Erwachsenen (Neuhäuser & Steinhausen, 2003). Für Österreich können aus
Gründen des Bürgerschutzes keine genauen statistischen Angaben bezüglich der
Prävalenzzahlen gemacht werden (Weber & Rojahn, 2009). Badelt und Österle (1993)
geben aber an, dass in Österreich im Jahr 1993 ca. 0.6% der Bevölkerung von IB betroffen
waren, was in etwa eine Anzahl von 48000 Personen ausmacht und auch die Lebenshilfe
Österreich (2014) geht davon aus, dass in etwa 50000 Menschen mit intellektueller
Beeinträchtigung im Land Österreich leben.
2.3 Ätiologie von intellektueller Beeinträchtigung
Bis heute ist die Ätiologie, bzw. besser gesagt, sind die Ätiologien von intellektueller
Beeinträchtigung nicht eindeutig und allumfassend geklärt. Als Ursachen für intellektuelle
Beeinträchtigung werden sowohl biologische als auch psychosoziale Faktoren gesehen,
21
wobei je nach Zustandsbild der relative Beitrag der genannten Faktoren variieren kann und
beide Risikofaktoren nicht isoliert voneinander betrachtet werden dürfen, sondern immer
nur in Kombination (Weber & Rojahn, 2009).
Auch Neuhäuser und Steinhausen (2003) sind der Ansicht, dass sowohl biologische
Faktoren (vor allem bei schwerer IB) als auch soziokulturelle Einflüsse (besonders bei
leichteren Formen der IB) eine entscheidende Rolle hinsichtlich der Ätiologie spielen,
wobei das komplexe Wechselspiel der verschiedenen Ursachen gesehen werden muss. Zu
unterscheiden gilt es zwischen prä- (vor der Geburt), peri- (während der Geburt) und
postnatalen (nach der Geburt) Ursachen. Zu den pränatalen Faktoren zählen laut Neuhäuser
und Steinhausen (2003) genetische Bedingungen (wie Genmutationen und
Chromosomenstörungen), sowie Schwangerschaftsbelastungen und Umweltgifte. Vor
allem chromosomale sowie nicht-chromosomale Dysmorphiesyndrome treten bei dieser
Personengruppe am häufigsten auf, wobei das Down-Syndrom mit ca. 30% und das
Fragile-X-Syndrom mit ca. 5% sehr häufig vorkommen (Gillberg, 1997; zitiert nach
Sarimski, 2001). Perinatale Faktoren sind beispielsweise Geburtstraumatas, neonatale
Infektionen, und Frühgeburten und postnatale Ursachen sind unter anderem
Hirnschädigungen, Mangelernährung oder entzündliche Erkrankungen des
Zentralnervensystems.
Hagberg und Kyllerman (1983; zitiert nach Neuhäuser & Steinhausen, 2003) gehen auf die
Verteilung der Ursachen bei Kindern mit schwerer und leichter IB näher ein. Laut den
Autoren überwiegen bei schwerer IB pränatale Ursachen (55%), gefolgt von unbekannten
Ursachen (18%), perinatalen Ursachen (15%), postnatalen Faktoren (11%) und zuletzt die
Psychosen (1%). Bei Kindern mit leichter IB sind vor allem unbekannte Ursachen (55%)
bei der Verteilung derzeit noch vorwiegend. Daran anschließend folgen pränatale Ursachen
mit 23%, perinatale Ursachen sind 18% und postnatale Ursachen mit 2%. Psychosen
machen in dieser Verteilung nur 2% aus (Hagberg & Kyllerman, 1983; zitiert nach
Neuhäuser & Steinhausen, 2003).
2.4 Zusammenfassung
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass bisher weder eine einheitliche Definition für
intellektuelle Beeinträchtigung, noch genaue Prävalenzzahlen oder Erkenntnisse über die
genauen Ursachen vorliegen. Zudem ist es aufgrund historischer Vorkommnisse und
wegen der enormen Heterogenität dieser Personengruppe schwierig, einen passenden
22
allumfassenden Begriff zu finden, welcher den größtmöglichen Respekt diesen Menschen
entgegenbringt und in keiner Weise diskriminiert. Da in unserer Gesellschaft bisher noch
keine Inklusion1 von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung stattgefunden hat, ist
es für eine praktikable Verständigung in der Forschung und Praxis notwendig, einen
Begriff für das Konstrukt IB zu finden und Klassifikationssysteme zu entwickeln, welche
einen Wissensaustausch ermöglichen.
1 Der Begriff der Inklusion bedeutet, dass es keine Gruppe von Personen mit und ohne Beeinträchtigungen
mehr gibt, sondern alle Menschen gleich sind, gemeinsame und individuelle Bedürfnisse ihren Platz haben und die Vielfalt Normalität wird (Stiftung Schweizer Zentrum für Heil- und Sonderpädagogik, 2011). Zudem geht der Inklusionsgedanke davon aus, dass alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, Beeinträchtigung, ihrem Lebensalter etc. ein anerkannter und wertgeschätzter Part der Gesellschaft sind (Lebenshilfe Österreich, 2014).
23
3. Exekutive Funktionen
In der kognitiven Psychologie sind exekutive Funktionen (EF) ein wichtiges Konzept, das
jedoch vor allem bei Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung und im
Zusammenhang mit dem Treffen von Entscheidungen bisher nur wenig untersucht wurde
(Willner, Bailey, Parry, & Dymond, 2010a). Im folgenden Abschnitt soll daher zu Beginn
der Begriff der exekutiven Funktionen erläutert sowie verschiedene theoretische Ansätze
und neuroanatomische Grundlagen dargestellt werden. Daran anschließend liegt der Fokus
auf der Diagnostik von EF. In diesem Zusammenhang werden aktuelle Studien, welche
sich mit dem Einfluss der exekutiven Funktionen auf Entscheidungskompetenzen vor
allem bei Menschen mit IB konzentrieren, präsentiert.
3.1 Definitionen
Exekutive Funktionen sind laut Schellig, Drechsler, Heinemann, und Sturm (2009)
Regulations- und Kontrollmechanismen, welche sowohl zielorientierte als auch
situationsangepasste Handlungen von Menschen ermöglichen. Zudem regulieren sie
sogenannte „top-down“ domänenspezifische Fähigkeiten, die in neuen Situationen ein
Abweichen von bereits gelernten Handlungsroutinen erfordern. Weiters werden EF
besonders in der neuropsychologischen Literatur als psychologisches Konstrukt aufgefasst,
da sie vorwiegend kognitive Fähigkeiten bezeichnen (Schellig et al., 2009). Ein Großteil
der Autoren und Autorinnen versteht unter den exekutiven Funktionen verschiedene und
unabhängige Prozesse, welche selektiv gestört sein können und bei verschiedenen
Störungsbildern von Patienten/innen zu unterschiedlichen Verhaltensproblemen führen
können (Schellig et al., 2009).
Laut Jäncke (2013) sind EF „Kontrollprozesse, die es einem Individuum erlauben, sein
Verhalten situationsgerecht zu optimieren, indem die grundlegenden psychischen
Funktionen zielführend eingesetzt werden“ (S. 388). Folgende psychische Funktionen
können dem Begriff der exekutiven Funktionen subsumiert werden: Setzen von Zielen,
Planen, Entscheiden, Setzen von Prioritäten, Starten und Sequenzieren von Handlungen,
Kontrolle und Beobachtung von Handlungsergebnissen, Korrektur eigener Handlungen,
Erkennen von Fehlern, Umgang mit neuen Informationen, Regellernen, Aufrechterhalten
von Handlungsplänen, Selbstkontrolle, abstraktes Denken und motorische Kontrolle
(Jäncke, 2013). Karnath und Thier (2012) zählen zu den exekutiven Funktionen ähnlich
wie Jäncke (2013) kognitive Prozesse wie „Problemlösen, Planen, Entscheiden, sowie
Initiation und Inhibition von Handlungen“ (S. 598). Als dysexekutives Syndrom wird
24
vorwiegend eine umfassende Störung der zuvor genannten Funktionen bezeichnet (Karnath
& Thier, 2012).
Aufgrund zahlreicher Subkomponenten, welche den EF untergeordnet werden, wie aus
dem letzten Abschnitt ersichtlich wird, ist es laut Jäncke (2013) schwierig, das
Gemeinsame zu erkennen. Zudem werden viele Verhaltensbereiche nicht bzw. nur mäßig
operationalisiert und die verwendeten Datenquellen unterscheiden sich oder sind nicht
miteinander kompatibel (Jäncke, 2013).
3.2 Theoretische Ansätze exekutiver Funktionen
Derzeit gibt es insgesamt vier einflussreiche theoretische Ansätze zu den exekutiven
Funktionen, auf die im Folgenden näher eingegangen werden soll. Erstens das
Arbeitsgedächtnismodell, zweitens das System der überwachenden Aufmerksamkeit
(supervisory attentional system, SAS), drittens das handlungstheoretische Modell und
viertens die Theorie der somatischen Marker (Jäncke, 2013).
Im ersten Modell, dem Arbeitsgedächtnismodell, geht man davon aus, dass exekutive
Funktionen weitestgehend identisch mit dem Arbeitsgedächtnis sind, wobei die exekutive
Kontrolle (oder auch als Zentrale Exekutive bekannt) als ein wichtiger Bestandteil
aufgefasst wird, der als ein Supervisor fungiert, welcher in die Auswahl, Aufrechterhaltung
sowie in die Manipulation von Informationen eingreifen kann (Jäncke, 2013) und
Kontrolle über den visuellen und phonologischen Arbeitsspeicher sowie über den
episodischen Speicher ausübt (Schellig et al., 2009). Zu den wichtigsten Funktionen der
Zentralen Exekutive gehören vor allem die Kompetenz der Aufmerksamkeitsausrichtung,
der Verlagerung des Aufmerksamkeitsfokus und der Regulation der Verteilung der
Aufmerksamkeit bei zwei gleichzeitig auszuführenden Aufgaben (Schellig et al., 2009).
Auch Schellig und Kollegen (2009) betonen, dass viele Autoren/innen die exekutiven
Funktionen mit dem Arbeitsgedächtnis gleichsetzen. Zudem konnte in Arbeiten gezeigt
werden, dass Störungen des Arbeitsgedächtnisses auch Verhaltensauffälligkeiten ähnlich
der dysexekutiven Störungen nach sich ziehen (Kimberg & Farrah, 1993; zitiert nach
Jäncke, 2013).
Im System der überwachenden Aufmerksamkeit nach Norman und Shallice (SAS; 1980;
1986) spielt die Aufmerksamkeitskontrolle für die Planung und Überwachung von
menschlichen Handlungen eine wichtige Rolle (Jäncke, 2013). Relevant scheint in diesem
Modell die Vorstellung, dass manche Handlungen automatische Prozesse sind und andere
25
wiederum eine bewusste Kontrolle benötigen. Hierfür werden zwei unterschiedliche
Subsysteme für die Kontrolle benötigt – das supervirsory attentional system (SAS) und das
contention scheduling system (CS). Während das CS automatisch arbeitet und durch
Umweltreize ausgelöst wird (ein Beispiel hierfür wäre das Einlegen eines Ganges im
Auto), greift das SAS bei Unterbrechungen der Routinetätigkeiten bzw. dort wo eine
flexible Anpassung erforderlich wird, ein (Schellig et al., 2009) und verstärkt die
Aufmerksamkeit der Person auf die gewünschte Aktivität (Jäncke, 2013).
Das dritte Modell, dem handlungstheoretischen Modell, ursprünglich von Miller und
Kollegen (1969) unter dem Namen TOTE bekannt geworden, geht davon aus, dass der
Frontalkortex besonders bei der Planung, Strukturierung und Überwachung von
komplexeren Handlungsabläufen eine Rolle spielt (genauere Informationen hinsichtlich
des Zusammenhangs zwischen Frontalkortex und exekutiven Funktionen folgt im Kapitel
3.3). Handlungen werden nach diesem Modell so gesehen, dass eine Diskrepanz zwischen
einem Soll- und einem Ist-Wert besteht, welche die handelnde Person überwinden möchte.
Dabei ist das vorrangige Ziel, dass Regelabweichungen reduziert bzw. eliminiert werden
(Jäncke, 2013).
In der letzten Theorie – der Theorie der somatischen Marker von Damasio, geht man
davon aus, dass Gefühle einen bedeutenden Einfluss auf Entscheidungen haben und
Emotionen, Entscheidungen und Denken eng miteinander in Verbindung stehen.
Somatische Marker werden als emotionale Reaktionen verstanden, „die über das vegetative
Nervensystem, oder im Sinne einer Simulation im Kortex generiert werden“ und als
Richtungsweiser für die Verhaltenskontrolle und –planung in Entscheidungssituationen
dienen (Jäncke, 2013, S. 392). Vor allem frontale Strukturen sind laut dieser Theorie
zuständig, dass eine Verknüpfung zwischen Erfahrungen und positiven oder negativen
Körpersensationen stattfindet (Schellig et al., 2009). Im Falle einer Schädigung dieser
Verbindungen aufgrund von Läsionen, wird die Fähigkeit, sich beim Handeln von
Gefühlen sowie Bewertungen leiten zu lassen, vom Patienten bzw. der Patientin verloren
(Schellig et al., 2009). Wichtig ist, dass beim Fehlen des modulierenden Einflusses von
Emotionen, Entscheidungen impulsiv und willkürlich getroffen werden (Jäncke, 2013).
Auch Schellig und Kollegen (2009) betonen, dass exekutive Prozesse nicht rein auf
kognitive Faktoren beschränkt werden dürfen, sondern auch emotionale
Regulationsprozesse eine wesentliche Rolle haben und EF stark von Gefühlen, der
Motivation und des Antriebs abhängen. Heutzutage unterscheidet man aufgrund dessen
26
sogenannte „cold“ und „hot executive functions“, welche die kognitiven und
motivationalen exekutiven Funktionen darstellen (Kerr & Zelazo, 2004; zitiert nach
Schellig et al., 2009).
Drechsler (2007; zitiert nach Jäncke, 2013) versucht mit ihrer Taxonomie verschiedene
theoretische Strömungen hinsichtlich der EF zusammenzubringen und einen gemeinsamen
Rahmen zu generieren. Sie unterscheidet dabei vier verschiedene Regulationsebenen:
kognitive Regulation, Aktivitätsregulation, Emotionsregulation und zuletzt die Regulation
von Sozialverhalten, sowie zwei Komplexitätsebenen: die basale und die komplexe
(Jäncke, 2013). Dabei spielen vier basale Prozesse eine wichtige Rolle: Hemmen,
Initiieren, Wechseln und das Erneuern von Informationen im Arbeitsspeicher (Jäncke,
2013).
3.3 Neuroanatomische Grundlagen
Eine sehr bedeutsame Hirnstruktur im menschlichen Körper für die EF ist der
Frontalkortex und dieser nimmt ca. ein Drittel des gesamten Kortexvolumens in Anspruch
(Jäncke, 2013). Einige weitere Hirnbereiche sind jedoch an der Kontrolle der exekutiven
Funktionen maßgeblich beteiligt: einerseits der dorsolaterale Präfrontalkortex (kurz
DLPFC), der ventromediale Präfrontalkortex (kurz VMPFC), der posteriore Parietallappen
(kurz PPC) sowie die Basalganglien (kurz BG). Schellig und Kollegen (2009) erläutern,
dass in älteren Werken EF vorwiegend in präfrontalen Strukturen lokalisiert wurden
(Luria, 1966; Baddeley, 1986, zitiert nach Schellig et al., 2009). Heutzutage weiß man
jedoch, dass die Frontallappen im menschlichen Gehirn komplexe Verbindungen sowohl
mit posterioren, als auch mit subkortikalen oder cerebellären Strukturen aufweisen
(Petrides & Pandya, 2002; Heyder et al., 2004; zitiert nach Schellig et al., 2009).
Beeinträchtigungen der EF können sowohl bei Läsionen frontaler Strukturen als auch
nicht-frontalen Teile des Gehirns auftreten (Schellig et al., 2009). Häufig sind für
neuropsychologische Störungen drei wichtige fronto-striale Kreisläufe verantwortlich: der
dorsolaterale präfrontale Kreislauf, der orbitofrontale Kreislauf und ein weiterer Kreislauf,
der beim anterioren Cingulum beginnt (Schellig et al., 2009). Genauere Ausführungen, wie
die einzelnen Gehirnareale in Bezug auf die EF zusammenwirken, finden sich bei Schellig
et al. (2009). Karnath und Thier (2012) erläutern, dass Störungen der EF vor allem nach
Läsionen der medialen und dorsolateralen Abschnitte, sowie nach Schädigungen anderer
kortikaler Areale und subkortikaler Strukturen (beispielsweise des medialen Thalamus,
Nucleus caudatus oder Globus pallidus) auftreten. Zudem lässt sich aufgrund der engen
27
Assoziationen des Arbeitsgedächtnisses zu den EF die Vermutung anstellen, dass auch
kortikosubkortikale Strukturen beteiligt sind (Karnath & Thier, 2012).
3.4 Methodische Besonderheiten und Probleme bei der Diagnostik von exekutiven
Funktionen
Vor allem die ökologische Validität bereitet heutzutage bei der Diagnostik von exekutiven
Funktionen noch gravierende Probleme (Cripe, 1996; zitiert nach Schellig et al., 2009). Es
besteht einerseits die Schwierigkeit, dass bei strukturierten Testsituationen mit klaren
Aufgabenstellungen Versuchsleiter/innen die exekutiven Funktionen für die Testperson
übernehmen und andererseits das Problem, das realistischere neuropsychologische
Testbatterien, welche Alltagsanforderungen abbilden, derzeit noch die Ausnahme
darstellen (Schellig et al., 2009).
Häufig können Personen mit Beeinträchtigungen der EF gut beschreiben, was sie in
bestimmten Situationen tun würden, dies jedoch in der Realität nur schwer umsetzen, daher
können in der Praxis nur beschränkte Prognosen zum Umgang mit Problemsituationen im
Alltag der Betroffenen gegeben werden (Schellig et al., 2009). Zudem stellt sich die Frage,
ob die in abstrakten Leistungen, welche in solchen Tests gemessen werden, nicht eher
typisch für domänenspezifische Subsysteme sind, also aufgabenspezifisch, oder ob diese
tatsächlich übergreifende Fähigkeiten erfassen, welche für den Alltag der Betroffenen
wichtig sind (Schellig et al., 2009).
Hinsichtlich der Konstruktvalidität gibt es keine „reinen“ exekutiven Tests, welche
entwickelt werden konnten, und die nicht auch andere domänenspezifische Fähigkeiten
(wie beispielsweise sprachliche Leistungen und/oder das Gedächtnis) erfassen, und dass in
vielen Testverfahren mehrere unterschiedliche exekutive Funktionen gleichzeitig gemessen
werden (Schellig et al., 2009). Zudem sind exekutive Funktionen in vielen älteren
Standard-Testverfahren erst nachträglich als „exekutiv“ erkannt worden und nicht bereits
in der neuropsychologischen Theorie vorab als solche beschrieben worden (Schellig et al.,
2009). Bisher gibt es auch noch keine einheitliche Theorie zu den EF und die theoretischen
Konzepte werden oft unzureichend definiert bzw. wenig aufeinander bezogen und
voneinander abgegrenzt. Häufig bleibt gänzlich unklar, welches Konstrukt mit diesem Test
gemessen wird (Schellig et al., 2009).
Bezüglich des Gütekriteriums der Retestreliabilität ist bei exekutiven Funktionstests eine
Wiederholung wie beispielsweise mittels einer Paralleltestform nicht möglich ist, da das
28
Finden neuer Lösungswege nicht gefordert werden kann (Rabbitt, 1997; zitiert nach
Schellig et al., 2009). Zudem kann eine split-half Reliabilität schnell zu falschen
Schlussfolgerungen führen und daher dürfte vor allem die Interrater-Reliabilität die
zuverlässigste Variante darstellen.
Schellig und Kollegen (2009) geben in ihrem Werk einen umfangreichen Überblick über
rezensierte Tests und Verfahren für die Erhebung von exekutiven Funktionen. Daher soll
an dieser Stelle für eine genauere Auseinandersetzung mit dieser Thematik darauf
verwiesen werden. Die „Frontal Assessment Battery“ (FAB; Dubois, Slachevsky, Litvan,
& Pillon, 2000), welche in der deutschen Version (FAB-D; Benke, Karner, & Delazer,
2013) im Rahmen dieser Diplomarbeitsstudie verwendet wurde, wird im Kapitel 11.4.4
dieser Arbeit genauer erläutert.
3.5 Forschungsergebnisse hinsichtlich der exekutiven Funktionen bei Menschen mit
IB
Eine wichtige Studie, an welche sich die hier vorliegende Diplomarbeitsuntersuchung
anlehnt, ist jene von Sgaramella, Carrieri, und Barone (2012), welche erstmals die „Frontal
Assessment Battery“ (Dubois et al., 2000) für die Beurteilung der exekutiven Funktionen
bei jungen und alten Menschen mit IB herangezogen hat. Insgesamt wurden 122 Menschen
mit geringer bis schwerer IB untersucht. Das Alter reichte dabei von 18 bis 50 Jahren. Die
Studienteilnehmer/innen wurden hierfür, basierend auf den Werten, welche bei den
„Raven`s Coloured Progressive Matrices“ (RCPM) zuvor erreicht wurden, in drei Gruppen
eingeteilt: geringe IB (Raven Wert größer 17), mittelgradige IB (Wert zwischen 11 und 17)
und schwere IB (Wert unter 11 im RCPM).
Insgesamt konnte gezeigt werden, dass es signifikante Gruppenunterscheide hinsichtlich
der exekutiven Funktionen gibt. Hierbei konnte ein progressiver Abfall der Leistungen mit
zunehmendem Schweregrad der Beeinträchtigung festgestellt werden (Sgaramella et al.,
2012). Signifikante Gruppeneffekte konnten dabei für alle Subtests gezeigt werden, außer
für den der Umweltautonomie, jedoch nur für zwei von drei Bereichen (Kognition und
motorische Programme). Die Kontrolle zeigte nur einen signifikanten Effekt, wenn man
die Gruppen mit geringer und schwerer Beeinträchtigung sowie die Gruppen mit
mittelgradiger und schwerer IB miteinander verglich, aber nicht wenn man die Gruppen
mit geringer und mittelgradiger IB betrachtete (Sgaramella et al., 2012). Es konnten keine
Geschlechtseffekte gezeigt werden, weder bei der Betrachtung der einzelnen Subtests noch
29
bei den drei exekutiven Bereichen. Alterseffekte konnten, nachdem insgesamt drei
Altersgruppen gebildet wurden, nur bei den Subtests der Gemeinsamkeiten und den für
motorische Programme gefunden werden. Post-Hoc-Tests zeigten, dass es bei den
motorischen Programmen signifikante Unterschiede zwischen den jungen (18-25 Jahre)
und den Personen im mittleren Alter (26-35 Jahre) gab, wobei die junge Gruppe hier
höhere Werte erzielte. Keine Altersgruppenunterschiede wurden zwischen den mittelalten
und den alten Personen (36-45 Jahre) gefunden. Wenn man die Gruppe der jungen und der
alten Teilnehmer/innen miteinander verglich, so konnten zudem signifikante Unterschiede
im Bereich der Gemeinsamkeiten und der motorischen Programme erneut festgestellt
werden. (Sgaramella et al., 2012)
3.5.1 Bisherige Studien zur Thematik der exekutiven Funktionen bei Menschen mit
IB) mit Bezug auf die gesundheitsbezogene Selbstbestimmungsfähigkeit.
„Informed Consent“ für eine Behandlung zu geben ist eine komplexe Fähigkeit im
Entscheidungsprozess und abhängig von einer hohen Anzahl an neurokognitiven
Kompetenzen, welche je nach Typ bzw. Grad an Beeinträchtigung und je nach
fokussiertem Einwilligungsstandard abhängen (Okonkwo, Wadley, Griffith, Ball, &
Marson, 2008). Einige der kognitiven Fähigkeiten konnten bereits in verschiedenen
Studien identifiziert werden, wie beispielsweise verbales logisches Schlussfolgern,
verbales Gedächtnis, semantisches Wissen. Vor allem die exekutiven Funktionen konnten
als Schlüsselvariablen im Zusammenhang mit der Selbstbestimmungsfähigkeit von
Personen aufgedeckt werden (Dymek, Atchison, Harrell, & Marson, 1999; Marson,
Chatterjee, Ingram, & Harrell, 1996; Moye, Karel, Edelstein, Hicken, Armesto, & Gurrera,
2007). Hierfür sind in der Vergangenheit vor allem alte Menschen mit dementiellem
Abbau in den Forschungsfokus gerückt, in den letzten Jahren zeigen sich jedoch
Bestrebungen, auch die Zielgruppe der Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung
verstärkt zu erforschen. Fasst man diese Publikationen bezüglich der Personengruppe mit
Demenz zusammen, so scheint es, als ob die exekutiven Funktionen eine gute
Vorhersagekraft für die Einwilligungskompetenz besitzen (Dymek et al., 1999; Marson et
al., 1996; Moye et al., 2007).
Willner, Bailey, Parry, und Dymond (2010a; 2010b; 2010c) haben sich in drei
verschiedenen Studien die exekutiven Funktionen bei Menschen mit intellektueller
Beeinträchtigung angesehen, in welchen gezeigt werden konnte, dass es zwar signifikante
Zusammenhänge zwischen dem IQ-Wert und den exekutiven Funktionen gibt, diese jedoch
30
sehr gering sind. Zudem wurde herausgefunden, dass sowohl die konsistente Durchführung
der „Temporal Discounting Tasks“ als auch das positive Training bei Personen mit IB
besser durch die exekutiven Funktionen der Teilnehmer/innen vorhergesagt werden
konnten als durch einen IQ-Wert (Willner et al., 2010b). Die Autoren sind daher der
Ansicht, dass exekutive Funktionen bessere Prädiktoren für die Fähigkeit, Entscheidungen
zu treffen, sind als ein IQ-Wert. Zudem konnte in der dritten Studie von der Autorenschaft
(2010c) gezeigt werden, dass die Fähigkeiten in einem „Financial Decision-Making Task“,
Informationen abzuwägen, bei dieser Personengruppe eher gering ausgeprägt sind und
Menschen mit IB sich vor allem auf den Aussagengehalt eines Items stützen, anstatt die
Informationen beider Items miteinander abzuwägen. Nur ein Drittel der untersuchten
Personen zeigte konsistente, jedoch meist impulsive Leistungen in diesem Test.
Insgesamt lässt sich schlussfolgern, dass die exekutiven Funktionen einen wichtigen
Beitrag für die Vorhersage der Einwilligungsfähigkeit leisten können, bisher jedoch noch
enormer Mangel an Forschungsarbeiten besteht, welche vor allem bei der Personengruppe
der Menschen mit IB das genaue Zusammenwirken dieser Fähigkeitsbereiche betrachtet.
3.6 Zusammenfassung
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass exekutive Funktionen vor allem in der
kognitiven Psychologie ein immer wichtiger werdendes Konzept, vor allem was die
Fähigkeit betrifft, Entscheidungen selbstbestimmt zu treffen, sind. Die letzten Jahre waren
dadurch gekennzeichnet, dass Forscher und Forscherinnen versucht haben, herauszufinden,
welche Subkomponenten dem Bereich der exekutiven Funktionen untergeordnet werden
können, wo EF im menschlichen Gehirn verortete sind, wie diese diagnostisch erfassbar
gemacht werden können und ob bzw. wenn ja, welche Verbindungen zwischen den EFs
und dem IQ-Wert bestehen. Dies konnte jedoch bis heute nicht ausreichend geklärt werden
und bedarf noch weiterer zukünftiger Forschungsarbeit. Weiters konnte demonstriert
werden, dass davon ausgegangen werden kann, dass die exekutiven Funktionen eine gute
Vorhersagekraft für die Einwilligungskompetenz besitzen, vor allem im deutschsprachigen
Raum aber noch ein erheblicher Forschungsbedarf in Bezug auf das Zusammenwirken
zwischen kognitiven Fähigkeiten, vor allem im Bereich der exekutiven Funktionen, und
der Einwilligungsfähigkeit bei Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung besteht.
31
4. Treffen von Entscheidungen bei Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung
Das Recht zu entscheiden, wo man wohnen möchte, für was man Geld ausgeben möchte,
ob man heirateten will, ob man in eine medizinischen Behandlung einwilligen möchte usw.
ist etwas, das für viele Menschen normal und alltäglich erscheint. Für zahlreiche tausende
Europäer/innen, welche eine Vormundschaft bzw. eine Sachwalterschaft haben, ist dies
jedoch nicht Realität (Council of Europe, 2008). Denn in etlichen Mitgliedsstaaten wird
erwachsenen Menschen ihre gesetzliche Kompetenz, Entscheidungen zu treffen, aufgrund
eines ärztlichen bzw. gerichtlichen Urteils entzogen. Dies bedeutet, dass diese Personen
nicht länger Entscheidungen mit gesetzlichen Auswirkungen ohne die Zustimmung eines
gesetzlichen Vertreters oder einer gesetzlichen Vertreterin treffen können (Council of
Europe, 2008). Obwohl in den letzten Jahren viel dafür getan wurde, dass Menschen mit
IB bei einer hohen Anzahl an Alltagsentscheidungen miteinbezogen werden, ist die
Partizipation dieser Personengruppe bei Entscheidungen im medizinischen Bereich noch
immer eingeschränkt (Ferguson, Jarrett, & Terras, 2010).
4.1 Begriffserläuterungen
In der Literatur werden das Treffen von Entscheidungen bzw. Wahlentscheidungen bei
Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung je nach Kontext bzw. Blickrichtung mit
folgenden Termini in Verbindung gebracht: Selbstbestimmung, Entscheidungsfähigkeit,
Einwilligungsfähigkeit, Geschäftsfähigkeit, Autonomie und etwas weiter gefasst auch die
Inklusion, das Empowerment2, die Lebensqualität und das Wohlbefinden.
Zu Beginn dieses Kapitels soll daher versucht werden, die genannten Begriffe näher zu
erläutern und wenn möglich eine geeignete Verbindung bzw. Abgrenzung zu finden.
In der Entscheidungsforschung werden als Gegenstand Situationen betrachtet, in welchen
sich eine Person zwischen mindestens zwei verschiedenen Optionen präferentiell
entscheiden muss, was bedeutet, dass man eine Option gegenüber einer anderen vorziehen
muss. Als Optionen können sowohl Objekte wie Medikamente, Computer, Wohnorte etc.
dienen oder auch Handlungen wie beispielsweise die Anweisungen einer Person. Dabei
können sich die Entscheidungssituationen in vielfältiger Weise voneinander unterscheiden
(Jungermann, Pfister, & Fischer, 2010). Der Begriff der Entscheidung bedeutet laut
2 Der Begriff des Empowerments bezieht sich auf die Selbstbefähigung und die Selbstbemächtigung eines
Menschen sowie auf die Stärkung von Eigenmacht, Autonomie und der Selbstverfügung (Theunissen, 2007).
32
Jungermann et al. (2010, S. 3) ein generell „mehr oder weniger überlegtes,
konfliktbewußtes [sic.], abwägendes und zielorientiertes Handeln“.
Neben dem Begriff der Entscheidung wird auch häufig jener der Wahl sowohl in der
Literatur als auch in der Praxis im Bereich von intellektueller Beeinträchtigung verwendet,
vor allem dann, wenn er auf Lebensqualität, Selbstbestimmung, Rechte oder Integration
bezogen wird (Brown & Brown, 2009). Manchmal wird der Begriff aber auch synonym
mit dem Terminus der (persönlichen) Kontrolle bzw. mit dem Treffen von Entscheidungen
verwendet (Brown & Brown, 2009). Neely-Barnes, Marcenko, Weber, und Lakin (2008)
sind der Ansicht, dass das Treffen von Entscheidungen bezüglich Dienstleistungen und des
täglichen Lebens als zentrales Element von Selbstbestimmung und Empowerment für
Menschen (mit Beeinträchtigungen) betrachtet werden kann. Menschen treffen Wahlen
über etwas, dass es ihrer Ansicht nach wert ist darüber nachzudenken (Brown & Brown,
2009). Die Voraussetzung dafür ist jedoch, dass Personen das individuelle Recht bzw. den
Rechtsanspruch haben, eine Wahl zu treffen (Brown & Brown, 2009). Wenn man überlegt,
wie man eine Wahl durchführen kann, so ist es wichtig zu verstehen, dass diese
Möglichkeit ein fundamentaler Aspekt von Lebensqualität ist, soweit es sich als
persönlicher Wunsch des Individuums manifestiert und als Lebensweg aufgezeigt werden
kann, den der/die Betroffene gehen möchte (Brown & Brown, 2009). Eine Wahl zu treffen
bedeutet, dass der Mensch selbst die Kontrolle bekommt, was wiederum die Entwicklung
eines positiven und verantwortungsbewussten Selbstverständnisses auslösen kann (Brown
& Brown, 2009). Bis heute lässt die Literatur keinen Zweifel daran, dass es für Menschen
mit IB wichtig ist, die Möglichkeit zu haben, Wahlentscheidungen durchführen zu können
(Brown & Brown, 2009). Die Notwendigkeit, dass Menschen mit IB relevante Fähigkeiten
für das Treffen einer Wahl entwickeln müssen, wird von vielen Autoren/innen
hervorgehoben (Wehmeyer, 2007).
Laut Shirli (2012) ist das Treffen von Entscheidungen von Menschen mit IB ein zentrales
Element für Selbstbestimmung, Empowerment und soziale Inklusion. Der Autor ist zudem
der Ansicht, dass unter dem Begriff der Autonomie die individuelle Kompetenz über sich
selbst zu bestimmen verstanden werden kann. Für die Ausübung von informierten
Entscheidungen ist es relevant, dass Individuen alle wichtigen Informationen erhalten, sie
fähig sind über Nutzen, Wünsche und Ziele zu reflektieren und diese zu bekräftigen oder
nicht intentionale Urteile und Entscheidungen aufgrund dessen abzugeben und die
getroffene Auswahl anderen Personen zu kommunizieren (Shirli, 2012). Autonomie im
33
Zusammenhang mit Selbstbestimmung und Unabhängigkeit kann nach Wehmeyer et al.
(1996, S. 632) gesehen werden als: „A behaviour is considered to be autonomous if the
person acts (a) according to own preferences, interests, and/or abilities and (b)
independently, free from undue external influence or interference”. Wolfensberger und
Glen (1975; zitiert nach Wullink, Widdershoven, van Schrojenstein Lantman- de Valk,
Metsemakers, & Dinant, 2009) sehen Autonomie eher als Kontrolle, wo Menschen mit
Beeinträchtigungen dieselbe Menge an Macht über die Handlungen, Entscheidungen,
Wünsche und Anliegen wie jede andere Person im vergleichbaren Alter haben soll.
Wullink et al. (2009) gehen daher in ihrem Modell von insgesamt vier Elementen für
Autonomie aus: Selbstbestimmung, Unabhängigkeit, Selbstregulation und
Selbstrealisation.
4.1.1 Selbstbestimmung, Einwilligungsfähigkeit und „Informed Consent“.
Wenn es um das Treffen von Entscheidungen im medizinischen Bereich geht, sind vor
allem die Begriffe der Selbstbestimmung und der Einwilligungsfähigkeit bzw. des
„Informed Consent“ von großer Bedeutung. Auf diese Begriffe soll daher im Folgenden
näher eingegangen werden.
Das Wort der Selbstbestimmung wurde erstmals im Feld der intellektuellen
Beeinträchtigung verwendet, als die Normalisierungsbewegung in Nordamerika eingeführt
wurde (Shogren, Wehmeyer, Reese, & O`Hara, 2006). Heutzutage wird Selbstbestimmung
auf Bemühungen bezogen, dass Menschen mit Beeinträchtigungen die Fähigkeiten, die
Möglichkeiten und die notwendige Unterstützung erhalten, um als ursächlich
Bevollmächtigte in ihrem Leben handeln zu können (Shogren et al., 2006).
Selbstbestimmung kann einerseits als Ermächtigung von Menschen mit intellektueller
Beeinträchtigung identifiziert werden, um wichtige Lebensergebnisse zu erreichen
(beispielsweise die Gleichberechtigung bezüglich verschiedener Möglichkeiten, die volle
Partizipation, ein unabhängiges Leben und ökonomische bzw. wirtschaftliche
Unabhängigkeit) und andererseits als ein wichtiges Lebensergebnis selbst (Shogren et al.,
2006). Selbstbestimmung im Zusammenhang mit gesundheitlichen Angelegenheiten (wie
dem körperlichen und emotionalen Wohlbefinden) wurde zudem als Kerndimension für
Lebensqualität bei dieser Personengruppe definiert (Shogren et al., 2006). In der Literatur
werden acht Hauptdimensionen für Lebensqualität genannt, welche in bisherigen
Forschungsarbeiten identifiziert werden konnten: emotionales Wohlbefinden,
interpersonale Beziehungen, materielles Wohlbefinden, persönliche Entwicklung,
34
körperliches Wohlbefinden, Selbstbestimmung, soziale Inklusion und individuelle Rechte
(Schalock et al., 2002). Diese acht Dimensionen interagieren miteinander und beeinflussen
sich gegenseitig und fließen auch in die individuelle Auffassung über die eigene
Lebensqualität mit ein (Shogren et al., 2006). Obwohl bei jedem Individuum die
Zusammensetzung dieser Dimensionen unterschiedlich aussieht und sowohl persönliche
Präferenzen als auch kulturelle Ansichten miteinfließen können, konnte dennoch gezeigt
werden, dass ein Zusammenhang zwischen dem Grad an Selbstbestimmung und der
Lebensqualität vorherrschend ist (Shogren et al., 2006). Wehmeyer und Schwartz (1998)
konnten in ihrer Studie zeigen, dass Menschen mit IB, welche einen höheren
Selbstbestimmungswert in ihrem Leben angaben, auch über eine höhere Lebensqualität
berichteten.
Laut Vollmann und Kollegen (2008) benötigt man eine Selbstbestimmungsfähigkeit
(oftmals als Einwilligungsfähigkeit bezeichnet), um autonome Patienten/innen-
Entscheidungen treffen zu können. Vor allem in der juristischen Literatur wird eher der
Begriff der Einwilligungsfähigkeit verwendet, im medizin-ethischen Bereich jener der
Selbstbestimmungsfähigkeit (Vollmann et al., 2008). Beide können jedoch auch synonym
verwendet werden, daher sind auch in dieser Arbeit beide Begriffe gleichzusetzen. Im Titel
der vorliegenden Arbeit wurde der Begriff der Selbstbestimmungsfähigkeit gewählt, da
dieser nach Auffassung der Autorin als breiter angesehen werden kann und den Begriff der
Einwilligungsfähigkeit, der sich vorwiegend auf die Durchführung des Einwilligungsakts
im medizinischen Bereich bezieht, miteinschließt.
Schwierigkeiten ergeben sich, wenn man den Begriff der Einwilligungsfähigkeit definieren
möchte. Vor allem in der englischsprachigen Literatur findet man variierende
Bezeichnungen, wie beispielsweise die Termini „mental competence“ oder „mental
capacity“ (Vollmann et al., 2008), oder aber „capacity to consent“ (Moye et al., 2007),
wobei die Begriffe teilweise gleichbedeutend und an anderen Stellen unterschiedlich
verwendet werden. Das Wort „competency“ wird dabei häufig bei juristischen, „capacity“
bei medizinischen Urteilen gebraucht (Appelbaum, 2007; Karlawish, 2008; Moye, Gurrera,
Karel, Edelstein, & O´Connell, 2005). Unabhängig davon, wie nun Einwilligungsfähigkeit
definiert wird, kommt die Frage auf, wann man von einer einwilligungsfähigen und wann
von einer einwilligungsunfähigen Person sprechen kann, und wo die Grenze für das
Vorliegen oder Nicht-Vorliegen dieser Fähigkeit zu ziehen ist.
35
In der Literatur werden dafür sowohl kategoriale als auch dimensionale Modelle der
Einwilligungsfähigkeit dargestellt. Als kategoriales Merkmal wird die Fähigkeit der
Einwilligung vor allem in der Praxis beschrieben (Helmchen & Lauter, 1995). Dabei wird
davon ausgegangen, dass ein Mensch entweder einwilligungsfähig oder
einwilligungsunfähig ist und es wichtig ist, dass ein Grenzwert oder Cut-Off-Wert ermittelt
wird, um ein adäquates Kompetenzurteil abgeben zu können (Welie & Welie, 2001b).
Diesem Modell gegenüber steht das Konzept der dimensionalen Ansätze, bei denen
Einwilligungsfähigkeit als relationales Merkmal betrachtet wird, das nur hinsichtlich einer
bestimmten Maßnahme festgelegt werden kann (Helmchen & Lauter, 1995). Bei diesem
Modell ist es möglich, dass betroffene Personen einfache, leicht überschaubare
Entscheidungen alleine treffen können, schwierigere bzw. komplexere Entscheidungen
nicht, bei denen die Einwilligungsfähigkeit abgesprochen werden muss (Helmchen &
Lauter, 1995; Welie & Welie, 2001a). Laut Helmchen (2008) ist die
Einwilligungsfähigkeit kein stabiles, sondern ein über die Zeit veränderndes Merkmal
einer Person und muss immer aktuell betrachtet werden. Nach diesem Modell ist es
relevant, Einwilligungsfähigkeit bzw. –unfähigkeit immer in einem dynamischen Prozess
zu betrachten (Vollmann, 2000).
Laut Kopetzki (2002) ist die Einwilligung des Patienten/der Patientin sowohl Legitimation
als auch eine Schranke ärztlichen Handelns. Dabei muss Einwilligung nicht nur auf einer
hinreichenden Aufklärung beruhen (sogenannter „Informed Consent“), sondern auch die
notwendigen Fähigkeiten für selbstbestimmte Entscheidungen von den betroffenen
Personen vorausgesetzt werden können, um rechtlich wirksam zu werden. Unter dem
Begriff des „Informed Consent“, zu Deutsch Einwilligung nach Aufklärung, versteht man,
dass der behandelnde Arzt bzw. die behandelnde Ärztin vor jeder medizinischen
Maßnahme den Patienten bzw. die Patientin über den Inhalt, das Ziel, die Vor- und
Nachteile der Behandlung als auch über mögliche Alternativen verständlich aufklären
muss. Anschließend muss der/die Patient/in in die Behandlung einwilligen, außer es
handelt sich um einen Notfall. Zudem muss die betroffene Person die Art der Behandlung,
mögliche Gefahren und Nebenwirkungen verstehen und ohne Druck, sondern freiwillig,
die Einwilligung geben (O´Sullivan, 1999). „Informed Consent“ wird dabei als ein Prozess
des „shared decison-making“ (deutsch partizipative bzw. gemeinsame
Entscheidungsfindung) zwischen Patienten/innen und im Gesundheitsbereich arbeitenden
Personen gesehen (Des Noyers Hurley & O´Sullivan, 1999). Es wird ersichtlich, dass die
36
Einwilligungsfähigkeit nicht nur ein grundlegender Aspekt von „Informed Consent“ ist,
sondern auch maßgeblich – durch das Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein –
bestimmt, ob es Gültigkeit hat.
4.2 Kriterien für Einwilligungs(un)fähigkeit
Was zu den Kriterien für eine Einwilligungs(un)fähigkeit gehört und was nicht, wird in der
Literatur zwar wortreich, aber nur sehr ungenau und uneinheitlich beschrieben (Kopetzki,
2002). Unter der konkreten „Einsichts- und Urteilsfähigkeit“ wird einerseits ein
Relationsbegriff verstanden, welcher besagt, dass es sich dabei nicht um bestimmte
Eigenschaften eines Menschen handelt, „sondern um die Fähigkeit zu autonomer
Entscheidung bezogen auf eine konkrete Maßnahme“ und andererseits wird dadurch
erläutert, dass „weder eine bestimmte Altersgrenze noch das Vorliegen einer psychischen
Krankheit für sich genommen über die Einwilligungsfähigkeit des Betroffenen Auskunft
gibt“ (Kopetzki, 2002, S. 2). Zur Unterscheidung zwischen der Einsichts- und
Urteilsfähigkeit sowie der Geschäftsfähigkeit ist zu sagen, dass ein zentraler Punkt darin
besteht, dass „die zivilrechtliche Geschäftsfähigkeit meist an abstrakte Merkmale (Alter)
oder an konstitutive Rechtsakte (Sachwalterbestellung) anknüpft und somit vom Inhalt der
einzelnen (rechtsgeschäftlichen) Willenserklärungen unabhängig ist“ und es auf keine
konkrete Einsichtsfähigkeitsprüfung ankommt, hingegen bei der Einsichts- und
Urteilsfähigkeit sehr wohl eine spezifische Beurteilung im Einzelfall notwendig ist
(Kopetzki, 2002, S. 2). Zudem kann an dieser Stelle das Unterscheidungsmerkmal
zwischen Einwilligungs- und Geschäftsfähigkeit angemerkt werden, dass zweitgenannter
Begriff nicht relativiert werden kann, erstgenannter jedoch schon (Nedopil & Müller,
2012). Beide Fähigkeiten werden in unterschiedlichen Gesetzestexten verschieden
aufgefasst und auch hinsichtlich der Rechtsprechung uneinheitlich betrachtet. Die
Einwilligungsfähigkeit ist im Gegensatz zur Geschäftsfähigkeit widerrufbar, was bedeutet,
dass man diese jederzeit zurückziehen kann. Bei Rechtsgeschäften können jedoch diverse
Vereinbarungen lediglich innerhalb einer vereinbarten Frist rückgängig gemacht werden
(Nedopil & Müller, 2012). Im Falle einer nicht einwilligungsfähigen Person hinsichtlich
medizinischer Behandlungsentscheidungen, sieht die Rechtsordnung normalerweise „eine
Entscheidungssubstitution durch Dritte vor“, welche vorwiegend sorgeberechtigte
Personen oder gesetzliche Vertreter/innen (beispielsweise Eltern oder Sachwalter/innen)
sind (Kopetzki, 2002, S. 3) (diese Vertretungsmodelle werden im Kapitel 5 dieser Arbeit
genauer betrachtet). Wenn jedoch Gefahr in Verzug ist oder im Falle einer
37
missbräuchlichen Ausübung des Sorgerechts kann der Arzt bzw. die Ärztin unmittelbar die
Entscheidungsbefugnis übernehmen, unabhängig von der Einwilligung der betroffenen
Person. Dies demonstriert in sehr eindrucksvoller Weise die Schranke zwischen einer
privatautonomen Selbstbestimmung (höchstpersönliche Behandlungsentscheidung durch
die betroffene Person) und einer fürsorglichen Fremdbestimmung (substituierende
Behandlungsentscheidungen durch Dritte) (Kopetzki, 2002).
4.3 Historische Betrachtung der Einwilligung bzw. des „Informed Consent“
Historisch gesehen standen „die medizinethischen Prinzipien des ärztlichen Handelns zum
gesundheitlichen Wohl des Kranken (»salus aegroti suprema lex«) und das Prinzip der
Schadenvermeidung (»nihil nocere«) (…) im Mittelpunkt ärztlicher Ethik“ und vor allem
dem Respekt vor der Selbstbestimmung eines bzw. einer Patienten/in wurde bis zur
zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wenig Bedeutung beigemessen (Vollmann et al., 2008,
S. 13f.). Problematisch war in der Vergangenheit, dass kranke Menschen häufig nicht über
ihre gesundheitliche Situation vom Arzt bzw. der Ärztin informiert, sondern allenfalls die
Angehörigen über eine schlechte Prognose aufgeklärt wurden. Dabei nahmen die
Ärzte/innen sehr wenig Rücksicht auf die Selbstbestimmungsrechte der Betroffenen,
sondern sahen lediglich die Notwendigkeit, selbst alle medizinischen Entscheidungen zum
Wohl der kranken Person zu treffen (Vollmann et al., 2008).
Als Geburtsstunde des „Informed Consent“ wird in der amerikanischen bioethischen
Literatur häufig das Jahr 1947 (Nürnberger Kodex) oder das Jahr 1957, in dem in den USA
erstmals die höchstrichterliche Entscheidung getroffen wurde, dass die „Informed-
Consent-Doktrin“ im „Case Law“ (dem amerikanischen Fallrecht) anerkannt wird,
angegeben (Vollmann et al., 2008). Neuere Untersuchungen zeigen jedoch, dass die
Diskussion über die Begriffe Wahrheit, Information, Einwilligung und Zusammenarbeit
zwischen Ärzten/innen und Patienten/innen bereits früher, seit Ende des 19. Jahrhunderts,
nachweisbar ist (Vollmann et al., 2008).
Mit dem amerikanischen „Case Law“ aus dem Jahr 1957 wurden erstmalig drei wichtige
Voraussetzungen für den „Informed Consent“, welcher nun rechtsgültig ist, festgelegt.
Darunter fallen die Informationsvermittlung, die Freiwilligkeit hinsichtlich einer
Entscheidung sowie die Einwilligungsfähigkeit (Appelbaum & Grisso, 1995). Dieser
Auffassung der rechtlichen Kriterien für einen „Informed Consent“ lehnt man sich noch
38
heute im deutschsprachigen Raum an, ergänzt aber das Informationsverständnis seitens der
Patienten/innen für eine gültige Einwilligung (Vollmann et al., 2008).
Die Aufklärung und die Einwilligung von Patienten/innen hat heutzutage mit den
zunehmenden Therapiemöglichkeiten und den immer riskanter werdenden
Behandlungseingriffen durch den technischen Fortschritt im medizinischen Bereich vor
allem praktisch, rechtlich und ethisch an Bedeutung gewonnen (Vollmann et al., 2008).
Eine deutsche Studie aus dem Jahr 1983 zeigte, dass von 400 befragten Personen, über
80% angaben, „ein hohes, inhaltlich bestimmtes und subjektiv begründetes
Informationsbedürfnis“ in Bezug auf eine ärztliche Aufklärung zu haben (Raspe, 1983;
zitiert nach Vollmann et al., 2008, S. 18). Auch Singer, Choudhry, und Armstrong (1993;
zitiert nach Vollmann et al., 2008) konnten in einer Feldstudie mit 10000 Teilnehmer/innen
zeigen, dass die Probanden über ein ausgeprägtes Aufklärungsbedürfnis und einen hohen
Mitbestimmungswunsch in gesundheitlichen Angelegenheiten verfügen.
Jeder Patient bzw. jede Patientin muss vor einem medizinischen Eingriff ausdrücklich
seine/ ihre Einwilligung geben (Vollmann et al., 2008). In der sogenannten
Informationsvermittlung muss der zuständige Arzt bzw. die zuständige Ärztin die
Patienten/innen über das Ziel, den Nutzen und über die Risiken und eventuellen
Alternativen aufklären. Dabei ist es wichtig, dass die betroffene Person diese Aufklärung
versteht, er bzw. sie einwilligungsfähig ist und ohne äußeren Druck, Zwang oder
Manipulation die Entscheidung treffen kann.
Laut Faden und Beauchamp (1986) sowie Vollmann (1996) setzt eine gültige Einwilligung
nach Aufklärung (dem sogenannten „Informed Consent“) folgende Punkte voraus:
- die Informationsvermittlung
- das Informationsverständnis
- die Einwilligungsfähigkeit und
- die freie Entscheidung (zitiert nach Vollmann et al., 2008).
Schwierig wird das Konzept der Aufklärung bzw. der Einwilligung, wenn trotz einer
optimalen Informationsvermittlung durch den Arzt bzw. die Ärztin die betroffene Person
die notwendigen Informationen nicht ausreichend versteht oder diese für eine autonome
Entscheidung nicht adäquat nutzen kann (Vollmann et al., 2008). Diese Situation tritt vor
allem bei Kindern oder Menschen mit schweren psychischen oder kognitiven
Beeinträchtigungen auf (Helmchen & Lauter, 1995; Vollmann, 1996; zitiert nach
39
Vollmann et al., 2008). „Ein einwilligungsfähiger Patient muss eine Wahlmöglichkeit
nutzen können, die Natur und wahrscheinlichen Konsequenzen der eigenen Situation
erkennen und die gegebenen Informationen selbstständig und rational verarbeiten können“
(Appelbaum & Grisso, 1995; zitiert nach Vollmann et al., 2008, S. 47).
4.4 Messinstrumente zur Erfassung der Einwilligungs(un)fähigkeit
Die letzten Jahrzehnte waren dadurch gekennzeichnet, dass man versucht hat, die
Erfassung vom Konstrukt der Einwilligungsfähigkeit zu erleichtern und zu
vereinheitlichen. Forscher/innen sowie Praktiker/innen waren daher bestrebt,
Testinstrumente zur Erhebung zu entwickeln (Moye et al., 2005), welche jedoch eine
starke Heterogenität aufweisen (Bauer & Vollmann, 2002).
Vor allem in der Art und der Anzahl der als wichtig erachteten Fähigkeiten, welche eine
Person für eine Einwilligungsfähigkeit haben muss, unterscheiden sich die vorliegenden
Verfahren enorm und die meisten orientieren sich an einem oder an mehreren Standards,
welche von Appelbaum und Grisso (1988) formuliert wurden: (1) „choice“ (2)
„understanding“ (3) „rational manipulation of the information“ und (4) „appreciation“ oder
an den fünf Standards, welche bereits 1977 von Roth, Meisel, und Lidz formuliert wurden
und lauten:
- Treffen einer Wahlentscheidung (»evidencing a choice«)
- Nachvollziehbarkeit der Entscheidung (»reasonable outcome of choice«)
- Rationale Begründung der Entscheidung (»choice based on rational reason«)
- Verständlichkeit (»ability to understand«) und
- Tatsächliches Verstehen (»actual understanding«) (zitiert nach Vollmann et al., 2008,
S. 73).
In einer Analyse von Bauer und Vollmann (2002), in der verschiedene Testverfahren
analysiert wurden, konnte gezeigt werden, dass manche Verfahren für die Eruierung der
Einwilligungsfähigkeit nur das Informationsverständnis heranzogen, bei anderen wiederum
auch das Treffen einer Entscheidung als Voraussetzung miteinbezogen wurde. Zudem
konnten auch andere Testinstrumente gefunden werden, in welchen alle vier Standards
nach Appelbaum und Grisso (1998) für das Vorliegen einer Einwilligungsfähigkeit
verlangt werden. Joffe, Cook, Cleary, Jeffrey, und Weeks (2011) sowie auch bei Palmer et
al. (2005) und Resnick et al. (2007) verwenden für die Erhebung der
Einwilligungsfähigkeit ein Screening, welches vorwiegend den Standard „understanding“
40
beurteilt. Im „Capacity to Consent to Treatment Instrument“ (kurz CCTI) von Marson,
Ingram, Cody, und Harrell (1995) orientiert man sich sowohl an den von Roth und
Kollegen (1977) entworfenen Standards als auch an Appelbaum und Grissos (1982)
definierten Fähigkeiten für „Informed Consent“.
Bei den hier erwähnten Erhebungsinstrumenten besteht keinesfalls Anspruch auf
Vollständigkeit, es soll lediglich aufgezeigt werden, welche Pluralität und Diversität
heutzutage bei den Verfahren zur Erhebung der Einwilligungsfähigkeit vorherrschen.
Zudem unterscheiden sich die verwendeten Behandlungsvignetten in den jeweiligen
Studien enorm. Fallvignetten können dabei entweder reale Einwilligungssituationen
darstellen (Bauer & Vollmann, 2002) oder aber auch hypothetischen Charakter aufweisen
(Cea & Fisher, 2003; Marson et al., 1995).
Im folgenden Kapitel soll nun ein Erhebungsinstrument genauer dargestellt werden,
welches besonders im angloamerikanischen Raum zum goldenen Standard der klinischen
Psychiatrie geworden ist (Vollmann et al., 2008) und sich großer Popularität erfreut.
Mittlerweile gibt es dieses Instrument auch in deutscher Sprache und findet sowohl in der
Kinder- und Jugendpsychiatrie (Kölch & Fegert, 2001) als auch in der
Erwachsenenpsychiatrie bzw. bei demenzkranken Patienten/innen (Vollmann et al., 2008)
Anwendung. Dieses übersetzte Verfahren wurde auch im Rahmen der hier durchgeführten
Studie verwendet und in angepasster Form erstmals Menschen mit intellektueller
Beeinträchtigung vorgegeben.
4.4.1 “MacArthur Competence Assessment Tool-Treatment” (MacCAT-T).
Das „MacArthur Competence Assessment Tool-Treatment“ (MacCAT-T), welches von
Grisso und Appelbaum (1998) entwickelt wurde, ist ein formalisiertes Testinstrument,
welches aus einer Forschungsstudie mit dem Titel „MacArthur Competence Study“
(Appelbaum & Grisso, 1995; Grisso & Appelbaum, 1995) resultierte. Das Verfahren
besticht laut Vollmann und Kollegen (2008) vor allem durch die gute Anwendbarkeit und
es überzeugt durch das klare Konzept, die genau bestimmten Kriterien, welche sowohl
ethische als auch rechtliche Standards miteinbeziehen und durch das hohe Maß an
Objektivität, Validität und Reliabilität. Zudem betonen die Autoren, dass der MacCAT-T
bis heute eines der ausgereiftesten Untersuchungsinstrumente zur Überprüfung der
Einwilligungsfähigkeit ist.
41
Dieses Instrument ist ein semistrukturiertes Interview, welches für die Beurteilung der
Selbstbestimmungsfähigkeit von Patienten/innen anhand von vier Standards, die sich auf
die Normen im Kontext des amerikanischen Rechtssystems beziehen, verwendet wird
(Vollmann et al., 2008). Diese vier Standards lauten:
1. Die Fähigkeit, relevante Information in Bezug auf eine konkrete
Behandlungsentscheidung zu verstehen (Informationsverständnis)
2. Relevante Informationen rational zu verarbeiten, um Vergleiche anzustellen und
Alternativen abzuwägen (Urteilsvermögen)
3. Die vermittelten Informationen über die Krankheit und die mögliche Behandlung in
ihrer Bedeutung für die eigene Person zu ermessen (Krankheits- und Behandlungseinsicht)
4. Eine Wahl treffen und kommunizieren zu können (Grisso & Appelbaum, 1995, zitiert
nach Vollmann et al., 2008, S. 74).
In einer ca. 30 minütige Untersuchung werden die Fähigkeiten des bzw. der Patienten/in,
selbstbestimmte Entscheidungen treffen zu können, beurteilt (Vollmann et al., 2008). „Zu
diesen Kompetenzen gehört es, die Krankheit und Behandlung zu verstehen, ihre
Tragweite anzuerkennen, darüber nachzudenken und eine Wahl zu treffen und zu
kommunizieren“ (Vollmann et al., 2008, S. 74).
4.4.1.1 Kritik am “MacArthur Competence Assessment Tool-Treatment” (MacCAT-T).
Obwohl der MacCAT-T zahlreiche Stärken in der Ermittlung der Einwilligungsfähigkeit
aufweist, sollen doch in diesem Abschnitt auch einige Schwächen und Kritikpunkte
angemerkt werden. Einerseits kann die zu lange Durchführungsdauer kritisiert werden
(Resnick et al., 2007), andererseits auch der intensive Fokus auf ausschließlich kognitive
Aspekte und gleichzeitig der Vernachlässigung der emotionalen Merkmale in Bezug auf
die Einwilligung einer Person (Breden & Vollmann, 2004; Charland, 2009; Vollmann,
2000). An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass Entscheidungsprozesse selten auf
rein rationalen Vorstellungen beruhen, sondern auch Emotionen, Intuitionen und
dergleichen eine große Rolle spielen (Thomae, 1974). Auch Breden und Vollmann (2004)
sind der Ansicht, dass kognitive Fähigkeiten eine notwendige aber keinesfalls hinreichende
Bedingung für Selbstbestimmung sind. Zudem konnte in der Studie von Vollmann, Kühl,
Tilmann, Hartung, und Helmchen aus dem Jahr 2004 keine signifikanten Korrelationen
zwischen der Selbstbestimmungsfähigkeit und den kognitiven Funktionen von
Demenzpatienten/innen gezeigt werden. Sehr wohl gibt es jedoch Untersuchungen wie
42
beispielsweise von Marson et al. (1995), welche einzelne kognitive Fähigkeiten als
Einflussfaktoren auf die Einwilligungsfähigkeit bei Personen mit Demenz zeigen konnten,
hierfür bedarf es jedoch noch weiterer Studien mit größerem Stichprobenumfang, um
bessere Aussagen machen zu können. Breden und Vollmann (2004) fordern daher die
Einbeziehung von Emotionen und Werten, welche bisher bei der Operationalisierung des
MacCAT-T noch keine Berücksichtigung fanden. Zudem wird kritisiert, Cut-Off-Werte in
den Subskalen des MacCAT-T anhand der Mittelwerte einer gesunden Kontrollgruppe
abzüglich zweier Standardabweichungen zu bilden, da sich dadurch mehr Personen ohne
Einwilligungsfähigkeit ergeben, als durch ein klinisches Urteil eines erfahrenen Arztes
bzw. einer erfahrenen Ärztin (Breden & Vollmann, 2004). Weitere relevante
Informationen zum Interviewverfahren findet man im Kapitel 11.4.2 in dieser Arbeit.
4.5 Bisherige Forschungsergebnisse in Bezug auf die Diplomarbeitsstudie
Dieses Kapitel soll dazu dienen, dem Leser bzw. der Leserin einen Überblick über
derzeitige Forschungsbestrebungen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen
Selbstbestimmungsfähigkeit bei Personen mit intellektueller Beeinträchtigung zu geben
sowie bisherige Untersuchungsergebnisse hinsichtlich des Wissens von Menschen mit IB
über eigene medizinische Maßnahmen zu präsentieren.
4.5.1 Gesundheitsbezogene Selbstbestimmungsfähigkeit bei Menschen mit IB.
Angelehnt an die Studie von Cea und Fisher (2003) wurde die vorliegende
Diplomarbeitsstudie entworfen. Daher soll bereits zu Beginn des Abschnitts kurz darauf
eingegangen werden. Die Autorinnen untersuchten die Fähigkeiten von 90 Personen mit
leichter, mittelgradiger und keiner intellektuellen Beeinträchtigung hinsichtlich des
Verständnisses von drei hypothetischen Behandlungs-Vignetten. Zwei der drei Vignetten
wurden auch für die hier vorliegende Untersuchung herangezogen. Genauere
Informationen zu den Vignetten findet man im Kapitel 11.4.3. In dieser Studie fand das
„Assessment of Consent Capacity- Treatment“ Verwendung, welches speziell für diese
Untersuchung entworfen wurde und sich an den vier Entscheidungsstandards nach
Appelbaum und Roth (1982) orientiert. Zusammengefasst fanden Cea und Fisher (2003)
heraus, dass sich die Gruppen (a) Teilnehmer/innen ohne IB und mit mittelgradiger IB und
(b) Personen mit mittelgradiger und geringer IB signifikant bezüglich des Standards eine
Wahl zu kommunizieren unterscheiden. Zudem wurden signifikante Unterschiede
zwischen allen Gruppen gezeigt, wenn es darum ging, sachliche Informationen zu
43
verstehen und die Situation als auch die Konsequenzen zu beurteilen. Keine signifikanten
Unterschiede konnten zwischen Personen ohne IB und mit geringer IB bezüglich der
Kommunikation einer Wahl gefunden werden und keine signifikanten Unterschiede
zwischen der Gruppe mit geringer IB und mittelgradiger IB hinsichtlich des Standards
Behandlungsinformationen rational zu manipulieren. Ein Vergleich der Prozentangaben
der gegebenen Antworten der drei Gruppen zeigt, dass sich die Leistungen in allen
Gruppen mit zunehmender Komplexität der Entscheidungsfindung verringerten. Die
meisten Erwachsenen mit geringer und keiner IB und fast die Hälfte der Personen mit
mittelgradiger IB waren fähig, Behandlungsentscheidungen zu treffen und zu begründen
und haben vollständig oder teilweise die Behandlungsinformationen verstanden. Weiters
konnten fast alle Personen ohne IB, 50% mit geringer IB und 18% mit mittelgradiger IB
teilweise die Relevanz der Behandlungswahl bezüglich der Situation des/der fiktiven
Patienten/in einschätzen und die Nutzen der Behandlung mit den Risiken abwägen. Die
Studie zeigt, dass viele Personen mit geringer IB und einige mit mittelgradiger IB fähig
waren, Behandlungsentscheidungen zu treffen und zu begründen sowie die
Entscheidungen, welche in den hypothetischen Vignetten dargestellt wurden, zu verstehen.
Weiters konnte demonstriert werden, dass Personen mit IB sich für oder gegen eine
Behandlungsteilnahme entscheiden können. Fast alle Personen mit geringer IB und die
Hälfte der Personen mit mittelgradiger IB war es möglich, adäquate oder zumindest
teilweise nachvollziehbare Antworten bezüglich sachlicher Informationen über die
Behandlungen zu geben. Laut Tepper und Elwork (1984) sollten daher Ärzte und
Ärztinnen darauf achten, den betroffenen Personen vernünftige Auskunft bezüglich der
Behandlungsmöglichkeiten zu geben und alle relevanten Informationen für „Informed
Consent“ zur Verfügung zu stellen. Im dritten Standard, der das Urteilsvermögen über die
Situation und die Konsequenzen betrifft, zeigten alle drei Gruppen in der Studie von Cea
und Fisher (2003) eine geringere Kompetenz als bei den Standards „eine Wahl zu
kommuniziere“ und „Informationen zu verstehen“. Dennoch demonstrierte die Mehrheit
der Personen mit IB zumindest ein teilweises Verständnis. Alle Gruppen zeigten bei der
rationalen Manipulation von Informationen, der strengsten der vier Standards, die
schlechtesten Ergebnisse.
44
4.5.2 Wissen über medizinische Maßnahmen bei Menschen mit IB.
Um jedoch gesundheitsbezogene Selbstbestimmungsfähigkeit ausüben zu können, ist es
erforderlich, alle notwendigen Informationen für einen „Informed Consent“ durch den/die
behandelnde/n Arzt/Ärztin zu erhalten und zu verstehen.
Jeder Patient bzw. jede Patientin, egal ob mit oder ohne Beeinträchtigung, sollte
Informationen bezüglich der Wirkungsweise der Medikamente, der Gründe für eine
Verschreibung, der Nebeneffekte, der Risiken und Nutzen und der Alternativen bekommen
(Fergueson & Murphy, 2013). Huneke, Gupta, Halder, und Chaudhry (2012) fanden jedoch
in ihrer Studie mit insgesamt 45 Teilnehmer/innen mit intellektueller Beeinträchtigung
heraus, dass das Wissen über die eigene Medikation in dieser Personengruppe, besonders
was die vorgeschlagene Dauer der Einnahme aber auch die Nachteile und den Namen des
Medikaments betrifft, sehr gering ist. Für die Untersuchung wurde ein Fragebogen an
insgesamt 70 Personen mit IB im Einzugsgebiet Salford (Greater Manchester, UK)
gesendet, wobei folgende acht Items abgefragt wurden: Name und Ziel der Medikation,
Dauer der Behandlung, Nutzen der Medikation, mögliche nachteilige Effekte,
Konsequenzen, wenn das Medikament nicht eingenommen wird, und Nahrungsmittel bzw.
Getränke, welche kontraindiziert sind. Diese Items bezogen sich auf das jeweilige
Medikament, welches der/die Patient/in tatsächlich zum Zeitpunkt der Befragung einnahm.
Zudem wurde erhoben, ob der/die Untersuchungsteilnehmer/in in die Behandlung zuvor
eingewilligt hat, wer diese Medikation verschrieben hat, ob die Medikation ohne die
Erlaubnis des/der Patientin/en bereits einmal verändert wurde und ob jemand dem/der
Patienten/in bei Entscheidungen bezüglich der eigenen Medikation hilft (Huneke et al.,
2012). Die Ergebnisse zeigen, dass nur acht der 45 Personen von den zuständigen
Betreuungspersonen als einwilligungsfähig angegeben wurden. Diese acht Personen gaben
an, selbstständig der eigenen medizinischen Behandlung zugestimmt zu haben und ihre
Medikamente ohne Hilfe einzunehmen. Zwei der acht Personen vermerkten jedoch, dass es
bereits vorkam, dass ihre Medikation auch ohne ihre Zustimmung geändert wurde (Huneke
et al., 2012). Bezüglich der anderen 37 Teilnehmer/innen, bei denen die
Betreuungspersonen beurteilten, dass diese nicht über die notwendige
Entscheidungskompetenz verfügen, wurden 19 Personen bei Diskussionen über ihre eigene
Medikation nicht miteinbezogen oder waren unsicher, wer ihnen bei Entscheidungen
bezogen auf die Medikation hilft. Neun Studienteilnehmer/innen gaben an, dass ihnen der
zuständige Arzt bzw. die zuständige Ärztin bei Entscheidungen hinsichtlich ihrer
45
Medikation hilft, weitere neun vermerkten, dass dies Betreuungspersonen oder Angehörige
für sie tun (Huneke et al., 2012). Die Autorenschaft fordert daher, dass die
Informationsweitergabe zwischen Arzt/Ärztin und Patient/in mit IB verbessert werden
muss, als auch das Verständnis der betroffenen Personen über die medikamentösen
Behandlungen sorgfältiger überprüft werden soll (Huneke et al., 2012). Arscott und
Kollegen (2000) fanden in ihrer Studie heraus, dass fast alle Teilnehmer/innen mit IB den
Verschreibungszeitpunkt ihres Medikaments, die Konsequenzen, wenn sie das
Medikament nicht einnehmen würden, die Gründe für das Einnehmen als auch die
Wirkung des Medikaments wussten. Wenig Wissen war jedoch in den Bereichen
Nebenwirkungen und alternative Behandlungsmöglichkeiten vorhanden. Heslop, Folkes,
und Rodgers (2005) fanden heraus, dass allgemein sehr wenige Informationen an
betroffene Personen mit IB oder an ihre Betreuungspersonen hinsichtlich der
medizinischen Behandlung gegeben und Entscheidungen eher vom Arzt bzw. der Ärztin
selbst getroffen werden. Diese vorliegenden Ergebnisse wirken sehr erschütternd, wenn
man die Resultate von Beisecker und Beisecker (1990) gegenüberstellt, wo gezeigt werden
konnte, dass die Mehrheit der erwachsenen Menschen sowohl gute als auch schlechte
Informationen über ihren Gesundheitszustand haben möchte und auch über die
vorhandenen Möglichkeiten von medizinischen Eingriffen in Kenntnis gesetzt werden
möchte. Die Informationsarten und die -dichten variieren jedoch je nach Zeitpunkt und je
nach Art der Interaktion mit Ärzten/innen (Cassileth, Zupkis, Sutton-Smith, & March,
1980).
4.6 Faktoren, welche das Treffen von Entscheidungen bei Menschen mit IB
beeinflussen
Laut Goldsmith, Skirton, und Webb (2008) gibt es etliche Berichte, dass die professionelle
Haltung gegenüber Menschen mit IB jene ist, dass diese unfähig sind, eine medizinische
Einwilligung zu geben, obwohl dies gegen ihre Rechte spricht und es bereits einige Belege
dafür gibt, dass dies bei vielen nicht der Fall ist. Äquivalent zu den zuvor erwähnten
Berichten, stellen West und Parent (1992) fest, dass Menschen mit IB häufig beim Treffen
von Entscheidungen in Bezug auf ihre Gesundheit oder ihre Gesundheitsversorgung von
Ärzten/innen und Betreuungspersonen ausgeschlossen werden. Dies ist ihrer Ansicht nach
als ein Resultat organisatorischer Barrieren aber auch aufgrund von negativen Haltungen
gegenüber dieser Personengruppe und weniger aufgrund von Limitationen, ausgelöst durch
die Beeinträchtigung der Personen mit IB, zu sehen. Auch Ferguson et al. (2010) schließen
46
sich dieser Ansicht an, indem sie betonen, dass die Exklusion des Individuums mit IB
häufig entsteht, da die im Gesundheitsbereich arbeitenden Personen eher die
Betreuungspersonen befragen, anstatt direkt mit der betroffenen Patienten/innen zu
sprechen. Zudem fanden Keywood, Fovargue, und Flynn (1999) heraus, dass vor allem
Eltern und Betreuungspersonen sich subjektiv eher als die Entscheidungsträger/innen im
Leben der Person mit IB sehen, und dass vielen Personen mit IB gesagt wird, dass sie
keine Wahl hinsichtlich einer bevorstehenden medizinischen Behandlung hätten (Morris,
Niederbuhl, & Mahr (1993).
Weiters werden Informationen häufig nicht adäquat vermittelt, daher kann sich eine Person
mit IB trotz möglicher angestrebter Integration dennoch wenig einbringen, da das
notwendige Verständnis nicht vorhanden ist oder die relevante Information nicht in einer
verständlichen Art und Form vermittelt wird (Ferguson et al., 2010). Generell begegnen
Menschen mit IB in der Gesundheitsversorgung häufig Barrieren, wobei vor allem die
Kommunikation eine wesentliche Schranke darstellt und sowohl den Zugang zu als auch
die Erfahrung mit Einrichtungen beeinflussen kann. Kommunikationsprobleme machen es
Menschen mit IB schwer, ihre gesundheitlichen Bedürfnisse ausreichend zu äußern
(Ferguson et al., 2010). Falls Informationen nicht in umfangreichem Maße und in
adäquater Weiser vermittelt werden, kann es nicht nur dazu beitragen, dass eine Person mit
IB keine Einwilligungsfähigkeit aufbringt, sondern auch, dass sie schlechte Erfahrungen
mit dem Gesundheitssystem macht und dies zu Angst führen kann (Keywood et al., 1999,
zitiert nach Ferguson et al., 2010) oder darüber hinaus sogar zu einer generellen
Vermeidung des Aufsuchens von Gesundheitseinrichtungen (Ferguson et al., 2010). Dye,
Hare, und Hendy (2007) betonen, dass limitierte Möglichkeiten für das Treffen von
Entscheidungen im alltäglichen Leben von Menschen mit IB auch die Kompetenz
verringern, eine Einwilligung in eine medizinische Behandlung geben zu können.
4.7 Zusammenfassung
Das Recht auf Selbstbestimmung und die Möglichkeit des Treffens von Entscheidungen
spielen im Leben von Menschen mit und ohne intellektuelle Beeinträchtigung eine
beachtliche Rolle. Vielen Individuen mit IB ist es heutzutage noch nicht möglich, eigene
Wahlentscheidungen in bestimmten Bereichen ihres Lebens (wie beispielsweise für oder
gegen medizinische Behandlungen) ohne gesetzliche Vertreter/innen zu treffen. In der
Literatur können bis dato viele unterschiedliche Begriffe für die Entscheidungsfähigkeit
wie beispielsweise Selbstbestimmungs- oder Einwilligungsfähigkeit gefunden werden, die
47
jedoch schwierig sind, zu definieren und gegeneinander abzugrenzen. Hinzu kommt, dass
es bis heute keine allgemein gültigen Kriterien für Einwilligungsfähigkeit gibt, welche
darüber bestimmen, ob eine Person als einwilligungsfähig oder –unfähig beurteilt wird.
Zudem existieren sehr unterschiedliche Messinstrumente zur Erfassung dieser Kompetenz,
welche sich vorwiegend an einem Standard oder mehreren Standards von Appelbaum und
Grisso (1998) orientieren: (1) „choice“ (2) „understanding“ (3) „rational manipulation of
the information“ und (4) „appreciation“. Bezugnehmend auf die Personengruppe mit
intellektueller Beeinträchtigung konnte in bisherigen Studien gezeigt werden, dass viele
Menschen mit IB fähig sind, medizinische Entscheidungen zu treffen und zu begründen.
Im Gegensatz dazu konnte jedoch berichtet werden, dass sehr häufig
behandlungsspezifische Informationen nicht an die Zielgruppe mit IB weitergegeben
werden, sondern generell noch die Haltung gegenüber dieser Personengruppe in der Praxis
aufrecht ist, dass sie unfähig ist, Entscheidungen selbstständig zu treffen und daher die
notwendigen Infos lediglich an Betreuungspersonen ausgehändigt werden müssen.
Besonders die rechtliche Lage in den verschiedenen Ländern erschwert es Individuen mit
IB, selbstbestimmt und mit größtmöglicher Autonomie Entscheidungen treffen zu können.
Im nächsten Kapitel soll daher auf die Situation in Österreich und in der EU eingegangen
werden, um die positiven und vor allem negativen Aspekte von sogenannten
Vertretungsmodellen aufzuzeigen.
48
49
5. Sachwalterschaft
5.1 Zahlen und Fakten der Sachwalterschaft
In Österreich betrug im Jahr 2009 die Zahl der aufrechten Sachwalterschaften ca. 50.000,
eine Zahl, die sich jedoch seit 2000 um fast 50% erhöht hat (Pilgram, Hanak, Kreiss, &
Neumann, 2009). Betrachtet man die Periode seit dem Inkrafttreten des Sachwalterrechts-
Änderungsgesetzes (kurz SWRÄG) im Jahr 2006 so ist der Anstieg zwischen 2003 und
2007, mit fast 12.000 neu dazugekommenen Sachwalterschaften, besonders hoch (Pilgram
et al., 2009). Wenn man die Bundesländer in Österreich einzeln betrachtet, so ist zu
erkennen, dass in Wien die meisten aufrechten Sachwalterschaften vorherrschend sind,
gefolgt von der Steiermark und Niederösterreich. Oberösterreich, Tirol und Salzburg liegen
dabei am unteren Ende der Skala (Pilgram et al., 2009). Prognosen zufolge soll sich der
Bestand der Sachwalterschaften zwischen den Jahren 2009 und 2020 von ca. 52.000 Ende
2009 auf mindestens 79.000 Personen Ende 2020 erhöhen (Pilgram et al., 2009). Diese
Vorausschau auf die zukünftige Situation in Österreich legt die Frage nahe, wie das Modell
der Sachwalterschaft aufgrund des enormen Anstieges bis 2020 finanziert werden kann
bzw. welche Alternativmodelle eine Sachwalterschaft ersetzen könnten.
5.1.1 Blick auf die Situation in der EU.
Einige EU Mitgliedstaaten haben anerkannt, dass sie ihre Gesetzgebung hinsichtlich der
Rechtslage von Menschen mit IB mit den gegenwärtigen internationalen und europäischen
Standards in Einklang bringen müssen und manche von ihnen haben kürzlich ihr nationales
Gesetzgebungsrahmenmodell für Rechtsfähigkeit, wie beispielsweise England und Wales
(2005), Frankreich (2007) und Deutschland (2009) geändert (European Union Agency for
Fundamental Rights, 2013). Schweden schaffte bereits im Jahr 1989 die totale
Vormundschaft ab. Obwohl die UN-Konvention den Schritt weg vom Vormundschafts-
und Sachwalterschafts-Modell zeigt, weichen in vielen EU Mitgliedsstaaten die
Gesetzestexte, welche die Rechtsfähigkeit von Menschen mit IB bestimmen, bisher noch
deutlich davon ab (European Union Agency for Fundamental Rights, 2013). Eine „Analyse
der European Union Agency for Fundamental Rights“ (2013) weist darauf hin, dass es
zwei typische Modelle für den Entzug der Rechtsfähigkeit bei Menschen mit IB gibt,
welche sich entweder auf die völlige bzw. uneingeschränkte Vormundschaft oder auf die
partielle Vormundschaft beziehen. Beim völligen Entzug der Rechtsfähigkeit der Personen
mit IB wird von einer völligen Vormundschaft gesprochen und ein Stellvertreter bzw. eine
50
Stellvertreterin wird für die betroffene Person berufen. Im Fall des teilweisen Verlustes der
Rechtsfähigkeit wird diese nur für spezielle Bereiche bestimmt, in welchen die
Rechtsfähigkeit der Person mit Beeinträchtigung eingeschränkt ist (European Union
Agency for Fundamental Rights, 2013). Die Analysen zeigen weiters, dass die Mehrheit
der EU Mitgliedstaaten unterschiedliche Grade bezüglich des Entzuges der Rechtsfähigkeit
vornehmen, angepasst an die individuelle Situation der Betroffenen. Andere Länder wie
beispielsweise Deutschland und Schweden stellen wiederum Alternativen zur völligen oder
teilweisen Vormundschaft bereit, da andere Unterstützungsmechanismen geschaffen
wurden (European Union Agency for Fundamental Rights, 2013). Deutschland ersetzte die
Vormundschaft durch die sogenannte rechtliche Betreuung im Jahr 1992, wobei die
Besonderheit daran ist, dass die Person, welche eine solche Betreuung erhält, das Recht auf
Selbstbestimmung im größten Ausmaß behält. Die Berufung eines Betreuers bzw. einer
Betreuerin bedeutet nicht gleichzeitig die Restriktion der Rechtsfähigkeit der Person.
Schweden ersetzte die Vormundschaft durch zwei alternative Maßnahmen der
Unterstützung im Jahr 1989. Entweder kann das Gericht einen „god man“ oder einen
„förvaltare“ beauftragen. Der sogenannte „god man“ kann Unterstützung anbieten ohne die
Rechtsfähigkeit der betroffenen Person einzuschränken. Ein „förvaltare“ hingegen wird
bestimmt, wenn ein Individuum nicht fähig ist, auf sich selbst und sein/ihr Eigentum
aufzupassen. Beim zweitgenannten Modell benötigt der „förvaltare“ nicht die Einwilligung
der Person mit Beeinträchtigung um gesetzlich bindende Entscheidungen für diese zu
treffen (European Union Agency for Fundamental Rights, 2013).
Als weiteres Alternativmodell zur Vormundschaft kann das Vereinigte Königreich
angeführt werden, in welchem es „independent mental health advocates“ (IHMAs) gibt,
die unterstützen sollen, dass die Person mit Beeinträchtigung befähigt wird, die
gesetzlichen Rechte zu verstehen und ausüben zu können. Zudem gibt es die „independent
mental capacity advocates“ (IMCAs), welche die betroffene Person repräsentierten und in
Zeiten, in denen kritische Entscheidungen bezüglich der Gesundheit oder der sozialen
Versorgung anfallen, unterstützen sollen. Diese „Vertreter/innen“ werden involviert, wenn
es Menschen an notwendiger Kompetenz mangelt, Entscheidungen selbst zu treffen und
keine Familie oder Freunde eingesetzt werden können, um sie zu repräsentieren. (European
Union Agency for Fundamental Rights, 2013)
51
5.2 Beschreibung der Sachwalterschaft in Österreich
Laut Barth und Ganner (2010) ist nach § 268 Abs. 1 im ABGB ein Sachwalter bzw. eine
Sachwalterin für Personen zu bestellen, welche volljährig sind und entweder an einer
psychischen Krankheit leiden oder eine „geistige Behinderung“ haben und aufgrund dessen
einzelne oder alle Angelegenheiten im Leben nicht ohne Gefahr des Nachteils für sich
selber verrichten können. Als wesentliche Merkmale der „geistigen Behinderung“ werden
dabei folgende gesehen (Barth & Ganner, 2010, S. 41):
- vor dem 18. Lebensjahr beginnend
- deutlich unterdurchschnittliche allgemeine intellektuelle Leistungsfähigkeit
- bei gleichzeitig gestörter oder eingeschränkter sozialen Anpassungsfähigkeit
Dass eine Person eine intellektuelle Beeinträchtigung hat, genügt aber nicht alleine, dass
ihr ein Sachwalter bzw. eine Sachwalterin bestellt wird (Barth & Ganner, 2010) und die
Bestellung eines Sachwalters bzw. eine Sachwalterin „ist unzulässig, soweit
Angelegenheiten der behinderten Person durch einen anderen gesetzlichen Vertreter oder
im Rahmen einer anderen Hilfe, besonders in der Familie, in Pflegeeinrichtungen, in
Einrichtungen der Behindertenhilfe oder im Rahmen sozialer oder psychosozialer Dienste,
im erforderlichen Ausmaß besorgt werden“ (ABGB, § 268, Abs. 2). Zudem muss eine
Notwendigkeit für eine Sachwalterschaft begründet sein (Müller & Prinz, 2010) und die
betroffene Person darf nicht in der Lage sein, die eigenen Angelegenheiten selbst zu
erledigen, ohne jeglichen Nachteil für sich selbst zu haben (Kolba & Resetarits, 2007).
Am 1. Juli 2007 wurde das bislang gültige Sachwaltergesetz in Österreich durch das
Sachwalterrechts-Änderungsgesetz (kurz SWRÄG) abgelöst (Barth & Ganner, 2010).
Müller und Prinz (2010) führen einige wichtige Änderungen an, welche durch das neue
Gesetz aufgekommen sind. Besonders relevant erscheint, dass Sachwalterschaften durch
das neue Gesetz nun nur mehr für volljährige Personen gelten. Zudem muss ein
persönlicher Kontakt zwischen dem/der beauftragten Sachwalter/in und der betroffenen
Person bestehen (Müller & Prinz, 2010). Als weitere Änderung muss genannt werden, dass
mit dem neuen Gesetz vermehrt die Selbstbestimmung von Menschen mit intellektueller
Beeinträchtigung sowie die Familienautonomie gefördert werden sollen (Zierl, 2007).
Zudem gilt als weitere Erneuerung, dass es ab 2006 eine Beschränkung der
Sachwalterschaften gibt: private Personen nur mehr höchstens fünf Personen, Notare und
52
Rechtsanwälte maximal 25 Personen vertreten dürfen (Zierl, 2007). Weiters sind die
sogenannte Vorsorgevollmacht sowie die Vertretungsbefugnis durch den nächsten
Angehörigen zwei Neuerungen bzw. Alternativen zum Sachwaltermodell (Kolba &
Resetarits, 2007) und auch bei einer vorliegenden Patienten/innenverfügung darf ein
Sachwalter bzw. eine Sachwalterin nicht bestellt werden (ABGB, § 268, Abs. 2).
Die Aufgabe der Sachwalterschaft können in Österreich nur bestimmte Personen
übernehmen (Barth & Ganner, 2010), wobei dafür ein Antrag auf eine Bestellung des/der
Sachwalters/in entweder durch die betroffene Person selbst, durch das Pflegeheim, das
Krankenhaus oder über andere Personen, wie beispielsweise nahe Angehörige beim
Gericht gestellt werden muss (Müller & Prinz, 2010). Ein zuständiges Gericht erhebt
anschließend die Lebensumstände der Person mit Beeinträchtigung und alle Bereiche,
welche der betroffene Mensch nicht selbstständig ohne Hilfestellung durchführen kann
(Glanzer, 2009). Falls daran anschließend die Meinung vom Richter bzw. der Richterin
beibehalten wird, dass eine Sachwalterschaft in diesem Fall notwendig ist, wird ein
entsprechendes Verfahren eingeleitet (Kolba & Resetarits, 2007). Wichtig ist an dieser
Stelle jedoch noch einmal zu erwähnen, dass sowohl die Vertretungsbefugnis nächster
Angehöriger als auch eine Vorsorgevollmacht dem Modell der Sachwalterschaft
vorgezogen werden muss (Kolba & Resetarits, 2007).
Für die Bestellung einer bzw. eines Sachwalters/in ist es notwendig, dass ein Gutachten
über die zu besachwalterte Person entweder von einem Facharzt/einer Fachärztin für
Psychiatrie oder Neurologie, einem Internisten/einer Internistin oder einem
Sachverständiger/einer Sachverständigerin angefertigt wird, um die Notwendigkeit für die
Bestellung einer Sachwalterschaft zu bestätigen (Müller & Prinz, 2010).
Zuletzt wird vom Gericht ein schriftlicher Beschluss verfasst, in dem alle wichtigen
Informationen über die Sachwalterschaft (z.B. der Name des/der Sachwalters/in und die zu
erledigenden Angelegenheiten) dokumentiert werden (Kolba & Resetarits, 2007). Dabei
entscheidet ausdrücklich das Gericht, welchen Wirkungskreis der Sachwalter bzw. die
Sachwalterin hat und in welchen Bereichen die Geschäftsfähigkeit der betroffenen Person
eingeschränkt wird (Zierl, 2007). Wichtig ist, dass alle Bereiche schriftlich festgehalten
werden, die der/die Betroffene nun an den Sachwalter bzw. die Sachwalterin abgeben
muss. Die Person mit Beeinträchtigung darf „innerhalb des Wirkungskreises des
Sachwalters ohne dessen ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung
rechtsgeschäftlich weder verfügen noch sich verpflichten“ (ABGB, § 280, Abs. 1). Falls
53
dennoch ohne die Zustimmung des/der beauftragten Sachwalters/in Geschäfte von der
betroffenen Person getätigt werden, so sind diese nicht gültig, wenn die Vertretungsperson
diese im Nachhinein nicht genehmigt (Kolba & Resetarits, 2007).
5.2.1 Aufgaben des/der Sachwalters/in.
Die Aufgabe des Sachwalters bzw. der Sachwalterin können in Österreich einerseits
Angehörige bzw. nahestehende Personen, aber auch Rechtsanwälte, Notare, ehrenamtliche
bzw. hauptberufliche Vereinssachwalter/innen (diese sind in der Regel über Vereine
organisiert, wie beispielsweise der „Verein VertretungsNetz“) und andere geeignete
Personen wie Sozialarbeiter/innen übernehmen (Albert, 2010; Bundesministerium für
Justiz, 2011). Dabei entscheidet das Gericht, wer diese Aufgabe innehaben soll und vor
allem welche der Aufgaben übernommen werden sollen (Bundesministerium für Justiz,
2011). Um die Tätigkeit des/der Sachwalter/in zu übernehmen, gibt es bisher keine
speziellen Ausbildungserfordernisse bzw. Schulungen.
Zu den Pflichten der Personen, welche eine Sachwalterschaft übernommen haben, gehört
es, dass diese dem Menschen mit Beeinträchtigung Hilfestellungen geben und ihn dabei
unterstützen, dass er sein eigenes Leben bewältigen kann (Müller & Prinz, 2010).
Insgesamt können drei zu besorgende Aufgabengebiete unterschieden werden: Persönliche
Angelegenheiten, Vermögenssorge und die Vertretung im privat rechtlichen und öffentlich
rechtlichen Bereich (Zierl, 2007). Welche konkreten Aufgaben vom Richter bzw. der
Richterin an die Vertretungsperson übertragen werden, muss jedoch individuell festgelegt
werden (Bundesministerium für Justiz, 2011). Es gibt die Möglichkeit, dass ein Sachwalter
bzw. eine Sachwalterin entweder nur für eine einzelne Angelegenheiten beauftragt wird,
aber auch für alle Bereiche (Bundesministerium für Justiz, 2011). Das Bundesministerium
für Justiz (2011) erläutert, dass beispielsweise zu den Aufgaben eines Sachwalters bzw.
einer Sachwalterin gehören kann, die betroffenen Personen vor Ämtern, Behörden und
gegenüber privaten Vertragspartnern/innen zu vertreten, oder bei der Verwaltung von
diversen Vermögensangelegenheiten sowie bei der Geltendmachung von finanziellen
Ansprüchen und auch bei der Zustimmung hinsichtlich medizinischer Behandlungen zu
vertreten.
Eine wesentliche Aufgabe betrifft die sogenannte Personensorge, welche zu den
persönlichen Angelegenheiten zählt und sich einerseits auf den persönlichen Kontakt mit
der besachwalterten Person als auch auf die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung und
54
der sozialen bzw. pflegerischen Betreuung bezieht (Barth & Ganner, 2010). Dafür ist es
notwendig, dass der Sachwalter bzw. die Sachwalterin mit der Person mit Beeinträchtigung
persönlichen Kontakt in dem Ausmaß halten muss, wie es je nach Umstand erforderlich ist.
Der Kontakt sollte, wenn nicht bloß einzelne Angelegenheiten besorgt werden müssen,
mindestens einmal im Monat erfolgen (ABGB, § 282). Der Sachwalter bzw. die
Sachwalterin muss dazu immer das Wohl der/des Pflegebefohlenen im Blick haben und
dieses bestmöglich fördern (ABGB, § 275, Abs. 1). Zudem steht ausdrücklich, dass die
Wünsche der betroffenen Person zu berücksichtigen sind, sofern sie dem Wohl des
Individuums entsprechen und es darauf zu achten gilt, dass die betroffene Person ihre
eigenen Lebensverhältnisse nach individuellen Wünschen und Vorstellungen gestalten
kann (ABGB, § 281, Abs. 1). Allgemein versteht man unter Personensorge einerseits die
Entscheidungen bei medizinischen Angelegenheiten, aber auch die Bestimmung des
Wohnorts der betroffenen Person (Zierl, 2007). Wichtig ist, dass der/die Sachwalter/in sich
darum kümmern muss, dass eine angemessene Versorgung unter medizinischer, aber auch
pflegerischer und sozialer bzw. pädagogischer Sicht gewährleistet wird (Müller & Prinz,
2010). Da besonders der Bereich der medizinischen Entscheidungen für diese
Diplomarbeit relevant ist, soll der Fokus im Folgenden darauf gelegt werden. Im
Sachwalterrechts-Änderungsgesetz aus dem Jahr 2006 steht ausdrücklich, dass bei
medizinischen Behandlungen nur die Person selber, ausgenommen sie ist einsichts- und
urteilsunfähig, einwilligen kann. Falls keine Einsichts- und Urteilsunfähigkeit vorliegt, ist
die Zustimmung über den/die Sachwalter/in erforderlich (wenn dies vom Gericht so
festgelegt wurde) (ABGB, § 283, Abs. 1). „Einer medizinischen Behandlung, die
gewöhnlich mit einer schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen
Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden ist, kann der Sachwalter nur zustimmen,
wenn ein vom behandelnden Arzt unabhängiger Arzt ein einem ärztlichen Zeugnis
bestätigt, dass die behinderte Person nicht über die erforderliche Einsichts- und
Urteilsfähigkeit verfügt und die Vornahme der Behandlung zur Wahrung ihres Wohles
erforderlich ist“ (ABGB, § 281, Abs. 2). Im Falle des Nicht-Vorliegens solch eines
Zeugnisses, oder wenn die betroffene Person mit Beeinträchtigung die Behandlung
ablehnt, muss ein Gericht beauftragt werden, welches diesen Sachverhalt prüft und ggf.
eine Zustimmung oder Ablehnung erteilt (ABGB, § 281, Abs. 2).
Diese Einwilligung ist nur in einem Ausnahmefall nicht notwendig, wenn eine Behandlung
solch ein dringendes Ausmaß annimmt, dass das Leben der betroffenen Person gefährdet
werden würde oder eine Gefahr für schwere Schädigungen der Gesundheit bei der Person
55
mit Beeinträchtigung bestünde (ABGB, § 281, Abs. 3). Einer Sterilisation des betroffenen
Menschen darf der zuständige bzw. die zuständige Sachwalter/in grundsätzlich nicht
zustimmen, außer „wenn aufgrund eines körperlichen Leidens ohne diesen Eingriff das
Leben oder die Gesundheit der betroffenen Person gefährdet wäre“ (Bundesministerium
für Justiz, 2011, S. 15)
Das zweite Aufgabengebiet im Rahmen einer Sachwalterschaft unter dem Namen der
Vermögenssorge bedeutet, dass der Sachwalter bzw. die Sachwalterin sich um die
finanziellen Angelegenheiten annimmt und sich um die Sicherung des Lebensbedarfs der
Person mit Beeinträchtigung kümmert. Beispielsweise muss der Sachwalter bzw. die
Sachwalterin sich um laufende Kosten kümmern, wie die Bezahlung der Miete, der
Pflegekosten aber auch die Aushändigung des Taschengeldes (Müller & Prinz, 2010).
Als letzter Bereich soll noch der privat rechtliche und öffentlich rechtliche angeführt
werden. Hierzu zählt vor allem der Abschluss von Rechtsgeschäften, wo die beauftragte
Person im Namen des besachwalterten Menschen und zu dessen Vorteil Verträge
abschließen soll (Müller & Prinz, 2010).
5.2.2 Beendigung der Sachwalterschaft.
Grundsätzlich endet eine Sachwalterschaft mit dem Tod der besachwalterten Person
(Bundesministerium für Justiz, 2011). Das Gericht muss jedoch eine/n neuen Sachwalter/in
beauftragen, wenn die derzeit zuständige Person ihre Aufgaben nicht angemessen erfüllt
(Kolba & Resetarits, 2007). Sowohl die betroffene Person selbst, als auch der/die
Sachwalter/in und das Gericht können einen Antrag stellen, um eine laufende
Sachwalterschaft vorzeitig zu beenden (Kolba & Resetarits, 2007). Zudem ist es die Pflicht
des Gerichts, Sachwalter und Sachwalterinnen regelmäßig hinsichtlich ihrer Tätigkeit zu
überprüfen und den Sachverhalt zu klären, ob eine bestehende Sachwalterschaft überhaupt
noch notwendig ist (Kolba & Resetarits, 2007).
5.3 Kritische Anmerkungen zur Sachwalterschaft
In diesem Abschnitt soll ein kurzer, jedoch keinesfalls vollständiger Einblick in mögliche
Problemfelder hinsichtlich einer Sachwalterschaft gegeben werden. Neben dem Problem,
dass Sachwalter und Sachwalterinnen von Menschen (mit intellektueller Beeinträchtigung)
Entscheidungen in verschiedenen Bereichen des Lebens übernehmen und somit die
individuelle Selbstbestimmungsfähigkeit bei den Betroffenen drastisch eingeschränkt wird,
56
ist zudem kritisch anzumerken, dass Sachwalter/innen für die Übernahme einer
Sachwalterschaft keinerlei Ausbildung oder Schulung (z.B. hinsichtlich der
Kommunikation mit Menschen mit IB) aufweisen müssen. Weiters muss der Sachverhalt
beleuchtet werden, dass vorwiegend nahestehende Personen die Aufgaben einer
Sachwalterschaft übernehmen. Dies ist zum einen positiv, da man die zu besachwalternde
Person mit IB am besten kennt, kann jedoch auch dazu führen, dass beispielsweise die
volljährige Tochter oder der volljährige Sohn mit IB von den Eltern (welche in dem Fall
Sachwalter sind) immer als schutzbedürftiges Kind gesehen wird und nie als erwachsener
Mensch mit eigenen Bedürfnissen und Rechten.
Zudem zeigt die unklare Formulierung im Gesetz, dass der Kontakt zwischen
Sachwalter/innen und betroffenen Personen, wenn nicht bloß einzelne Angelegenheiten
besorgt werden müssen, mindestens einmal im Monat erfolgen soll (ABGB, § 282), in der
Praxis recht deutlich, dass Sachwalter/innen diese Passage sehr unterschiedlich auffassen
bzw. auslegen und von sehr intensivem Austausch einmal pro Woche bis hin zu fast
keinem Austausch (beispielsweise einmal im Jahr) alle Facetten der Intensität einer
Kontaktaufnahme gegeben sind. Häufig müssen hier Betreuungspersonen als Vermittler
fungieren um überhaupt einen Kontakt zwischen den Beteiligten aufrecht zu erhalten, um
Bedürfnisse der Klienten/innen mit IB zu erfüllen.
Zuletzt soll noch auf die Problematik eingegangen werden, dass das Gericht eine/n neuen
Sachwalter/in beauftragen muss, wenn die derzeit zuständige Person ihre Aufgaben nicht
angemessen erfüllt (Kolba & Resetarits, 2007). Hier ist es die Pflicht des Gerichts,
Sachwalter und Sachwalterinnen regelmäßig hinsichtlich ihrer Tätigkeit zu überprüfen und
den Sachverhalt zu klären, ob eine bestehende Sachwalterschaft überhaupt noch notwendig
ist (Kolba & Resetarits, 2007). Dies wird in der derzeitigen Praxis nur unzureichend und
lediglich auf Basis der schriftlichen Dokumentation der Sachwalter/innen gemacht. Hier
wäre es jedoch erforderlich, dass verstärkt Kontrollen durchgeführt werden und die
Zufriedenheit der Betroffenen mit ihren Sachwalter/innen in regelmäßigen Abständen
erfragt wird. Zudem sollten immer wiederkehrende Überprüfungen stattfinden, in denen
die Notwendigkeit einer Sachwalterschaft kontrolliert wird und die Möglichkeit von
Alternativen den betroffenen Personen mit IB aufgezeigt sowie deren Umsetzbarkeit
durchdacht wird.
57
5.4 Bisherige Alternativen zur Sachwalterschaft
Wie bereits zuvor erwähnt gibt es gesetzlich zwei Möglichkeiten um einer
Sachwalterschaft zu entgehen. Einerseits können Menschen mit Beeinträchtigungen beim
Fehlen der erforderlichen Einsichts- und Urteilsfähigkeit auch von nächsten Angehörigen
wie beispielsweise den Eltern, volljährigen Kindern, im gleichen Haushalt lebenden
Ehegatten oder Ehegattinnen usw. (ABGB, § 284c, Abs. 1) bei Rechtsgeschäften des
täglichen Lebens oder zur Deckung des Pflegebedarfs sowie bezüglich der
Geltendmachung von Ansprüchen vertreten werden (ABGB, § 284b, Abs. 1). In folgenden
Bereichen können Menschen mit IB durch nächste Angehörige vertreten werden
(Bundesministerium für Justiz, 2011, S. 6):
- Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens (z.B. Einkauf von Lebensmitteln und Kleidung,
Bezahlung der Miete)
- Rechtsgeschäfte zur Deckung des Pflegebedarfs (z.B. Kauf von Pflegeutensilien,
Organisation einer Pflegekraft)
- Geltendmachung von Ansprüchen, die sich durch Alter, Krankheit oder Behinderung
ergeben (z.B. Pflegegeldantrag, Sozialhilfeantrag, Antrag auf
Rundfunkgebührenbefreiung).
Zu dieser Vertretungsbefugnis des nächsten Angehörigen zählt „auch die Zustimmung zu
einer medizinischen Behandlung, sofern diese nicht gewöhnlich mit einer schweren oder
nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit
verbunden ist“ (ABGB, § 284b, Abs. 3).
Als zweite Alternative ist die Vorsorgevollmacht anzuführen. Unter dieser versteht man
eine Vollmacht, „die nach ihrem Inhalt dann wirksam werden soll, wenn der
Vollmachtgeber die zur Besorgung der anvertrauten Angelegenheiten erforderliche
Geschäftsfähigkeit oder Einsichts- und Urteilsfähigkeit oder seine Äußerungsfähigkeit
verliert“ (ABGB, § 284f, Abs. 1) und sie soll als Absicherung dienen, wenn man selbst die
Angelegenheiten nicht mehr besorgen kann (Glanzer, 2009).
Laut Barth (2006) wird bei der Vorsorgevollmacht vom Verlust der Geschäftsfähigkeit
ausgegangen und es wird eine Person des Vertrauens bestimmt, wobei die Bestellung eines
Sachwalters bzw. einer Sachwalterin nicht mehr erforderlich ist. Diese bestimmte Person
soll in Zukunft für die Person mit Beeinträchtigung bestimmte Angelegenheiten erledigen.
Bei schwerwiegenden Vertretungshandlungen, wie beispielsweise bei der Einwilligung in
58
kritische medizinische Behandlungen oder bei verwaltungsintensiven
Vermögensangelegenheiten, muss diese Vorsorgevollmacht bei einem/einer Notar/in bzw.
bei einem/einer Rechtsanwalt/Rechtsanwältin oder bei Gericht beantragt werden
(Bundesministerium für Justiz, 2011).
5.5 Zusammenfassung
Die Anzahl erwachsener Menschen, die eine dauerhafte rechtliche Stellvertretung
benötigen, steigt in vielen westlichen Ländern rasant an. Als Konsequenz dieses enormen
Anstiegs geraten die Länder, welche auf Vertretungsmodelle (wie die Sachwalterschaft)
setzen, nun aber in Schwierigkeiten, was die zukünftige Finanzierbarkeit anlangt in heftige
Kritik. Vor allem die UN-Behindertenrechtskonvention, welche die vorherrschenden
Modelle als letztlich immer noch entmündigend und gegen die Autonomie der
hilfebedürftigen Personen ansieht, fordert Unterstützungsmodelle, welche anstelle einer
Sachwalterschaft eingesetzt werden können. Im folgenden Kapitel soll daher auf diese
Konvention näher eingegangen werden, damit die Diskrepanz zwischen den derzeit
vorherrschenden Vertretungsmodellen, wie die der Sachwalterschaft in Österreich, und den
Rechten von Menschen mit Beeinträchtigungen aufgezeigt wird.
59
6. UN-Behindertenrechtskonvention
„Die UN-Konvention ist ein internationaler Vertrag, in dem sich die Unterzeichnerstaaten
verpflichten, die Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu
schützen und zu gewährleisten“ (Bundesministerium für Arbeit, Soziales und
Konsumentenschutz, 2014, o.S.). Im Jahr 2008 ist das Land Österreich diesem
Übereinkommen beigetreten und hat diesen Vertrag als auch das Zusatzprotokoll
ratifiziert. „Österreich verpflichtet sich damit völkerrechtlich, die in der UN-Konvention
festgelegten Standards durch österreichische Gesetze umzusetzen und zu gewährleisten“
(Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, 2014, o.S.). Bis Februar
2014 haben bereits 158 Länder die UN-Konvention unterschrieben (United Nations Treaty
Collection, 2014). In der Konvention werden jedoch keine neuen Menschenrechte für eine
spezielle Gruppen formuliert, sondern man versucht für Menschen mit einer
Beeinträchtigung eine volle sowie gleichberechtigte Inanspruchnahme aller internationalen
Menschenrechte zu ermöglichen, da dies bisher nicht gewährleistet wurde (Aichele, 2008).
Laut Osterkorn (2011) stellt die UN-Konvention ein bedeutendes Rechtsinstrument dar,
welches für die Durchsetzung der Rechte von Personen mit Beeinträchtigung spricht und
damit in Richtung Gleichheit aller Menschen arbeitet. Zur Umsetzung der Konvention
wurde ein Kontrollinstrument, der unabhängige Monitoringausschuss, eingeführt, welcher
Stellungnahmen sowie Empfehlungen für den Bundesbehindertenbeirat hinsichtlich der
Umsetzung der Rechte von Menschen mit Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit der
UN-Konvention formuliert und Überprüfungen der Umsetzung in den jeweiligen Ländern
anstellt (Osterkorn, 2011).
Vor allem der Artikel 12 der UN-Konvention ist für diese Diplomarbeitsstudie von
Bedeutung, daher soll der Fokus im Folgenden darauf gelegt werden. Dieser Artikel mit
dem Titel „Gleiche Anerkennung vor dem Recht“ besagt, dass „die Vertragsstaaten
bekräftigen, dass Menschen mit Behinderungen das Recht haben, überall als Rechtssubjekt
anerkannt zu werden“ (Bundeskanzleramt Rechtsinformationssystem, 2008, S. 14). Zudem
müssen alle Staaten, welche den Vertrag unterzeichnet haben, anerkennen, dass
„Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen gleichberechtigt mit anderen
Rechts- und Handlungsfähigkeit genießen“ und sie geeignete Maßnahmen treffen, „um
Menschen mit Behinderungen Zugang zu der Unterstützung zu verschaffen, die sie bei der
Ausübung ihrer Rechts- und Handlungsfähigkeit gegebenenfalls benötigen“
(Bundeskanzleramt Rechtsinformationssystem, 2008, S. 14). Weiters muss sichergestellt
60
werden, „dass zu allen die Ausübung der Rechts- und Handlungsfähigkeit betreffenden
Maßnahmen im Einklang mit den internationalen Menschenrechtsnormen geeignete und
wirksame Sicherungen vorgesehen werden, um Missbräuche zu verhindern“
(Bundeskanzleramt Rechtsinformationssystem, 2008, S. 14f.). Dabei müssen diese
Sicherungen gewährleistet sein „dass bei den Maßnahmen betreffend die Ausübung der
Rechts- und Handlungsfähigkeit die Rechte, der Wille und die Präferenzen der
betreffenden Person geachtet werden“, „es nicht zu Interessenkonflikten und
missbräuchlicher Einflussnahme kommt“, „die Maßnahmen verhältnismäßig und auf die
Umstände der Person zugeschnitten sind“, „sie von möglichst kurzer Dauer sind und dass
sie einer regelmäßigen Überprüfung durch eine zuständige, unabhängige und unparteiische
Behörde oder gerichtliche Stelle unterliegen“ (Bundeskanzleramt
Rechtsinformationssystem, 2008, S. 15). Auch Shirli (2012) betont laut Artikel 12 der UN-
Konvention: „all individuals should have the right to legal capacity“ (S. 2). Um jedoch das
Menschenrecht der Autonomie ausüben zu können, muss es Individuen erlaubt sein, eigene
Entscheidungen treffen und diese kommunizieren zu können (Shirli, 2012). Anhand des
letzten dargestellten Abschnitts wird deutlich, wie sehr das derzeit vorherrschende
Sachwalterschaftsmodell in Österreich gegen die Rechte von Menschen mit intellektueller
Beeinträchtigung spricht, da viele Menschen mit IB bisher weder das Recht besitzen,
überall als Rechtssubjekte anerkannt zu werden, noch die relevante Unterstützung gegeben
wird, um ihnen in allen Lebensbereichen Gleichberechtigung und die Möglichkeit der
Ausübung der Rechts- und Handlungsfähigkeit zu gewährleisten.
Persönliche Autonomie meint jedoch nicht, dass jemand fähig ist, alles alleine zu tun,
sondern dass alle Menschen die Kontrolle über ihr Leben bekommen sollen und die
Möglichkeit erhalten, Entscheidungen selbstständig zu treffen, welche von anderen
Personen respektiert werden (Council of Europe, 2008). Für die Realisierung dieses Ziels
ist es notwendig, dass Institutionen unterstützte Entscheidungsfindung anstreben, was
wiederum eine große Veränderung in der Wahrnehmung von Menschen mit IB als auch im
Umgang mit dieser Personengruppe sowohl in Familien, bei Experten/innen, bei
Dienstleistungsanbietern und in der allgemeinen Bevölkerung bewirken würde (Shirli,
2012). Ein Blick auf zukünftige alternative Modelle zur Sachwalterschaft folgt im Kapitel
7 in dieser Diplomarbeit.
Seit September 2013 existiert nun auch ein Kommentar des UN-Komitees für die Rechte
der Menschen mit Beeinträchtigungen bezogen auf Artikel 12 der UN-Konvention mit dem
61
Titel „Draft General Comment on Article 12 of the Convention - Equal Recognition before
the Law“ (United Nations Human Rights, 2014). Dieser neue UN-Kommentar zeigt laut
Brandstätter (2013) sehr deutlich, dass das Modell der Sachwalterschaft in Österreich
radikal verändert bzw. sogar aufgehoben werden muss und ein neues Modell der
unterstützten Entscheidungsfindung anstelle dessen eingeführt werden soll. Grund für den
UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen diesen neue Kommentar
zu verfassen war, dass bisherige Staatenprüfungen zeigen, dass der Artikel 12 der UN-
Behindertenrechtskonvention nicht richtig verstanden wird. Das Dokument soll nun dazu
dienen, dass die Bedeutung des Artikels hervorgehoben wird und die daraus abgeleiteten
Konsequenzen klargestellt werden (Brandstätter, 2013). Brandstätter (2013) erläutert, dass
Artikel 12 nicht zum Entzug bzw. der Einschränkung der Rechts- und Handlungsfähigkeit
aufgrund intellektueller oder psychosozialer Beeinträchtigung ermächtigt, sondern dazu
verpflichtet, entsprechende Unterstützung für die Ausübung der Rechts- und
Handlungsfähigkeit den Betroffenen zu garantieren. „Die Unterstützung bei der Ausübung
der Rechts- und Handlungsfähigkeit muss die Rechte, den Willen und die Vorlieben der
Person berücksichtigen und darf niemals dazu führen, dass an Stelle der Person
entschieden wird, das heißt sie darf nicht auf eine Vertretung hinauslaufen“ (Brandstätter,
2013, o.S.).
6.1 Zusammenfassung
In diesem Kapitel wurde sehr umfangreich beschrieben, welche Rechte für Menschen mit
(intellektueller) Beeinträchtigung durch die UN-Behindertenrechtskonvention gefordert
werden und wie das derzeit etablierte Modell der Sachwalterschaft in Österreich gegen
diese Rechte spricht. Im nachfolgenden Abschnitt soll nun versucht werden einen
Überblick zu geben, welche Möglichkeiten es bisher anstelle der entmündigenden
Vertretungsmodelle durch Dritte gibt und welche zukünftigen Chancen in der Literatur
angeführt werden. Zudem sollen zwei aktuelle Pilotmodelle vorgestellt werden, welche die
derzeitigen Praxisvorschläge zur unterstützten Entscheidungsfindung sehr gut abbilden.
62
63
7. Zukünftige Alternativen zur Sachwalterschaft
Hinsichtlich der Unterstützung bei Entscheidungen von Menschen mit intellektueller
Beeinträchtigung gibt es heutzutage unterschiedliche Formen (sowohl formell als auch
informell) und diese kennzeichnen sich durch differierende Intensität aus. Unterstützung
kann dabei entweder durch eine oder mehrere Personen (beispielsweise Peers) erfolgen
und diverse Kommunikationshilfsmittel inkludieren (Brandstätter, 2013). Weiters gehört
auch ein universelles Design sowie Barrierefreiheit und die zur Verfügungstellung von
leicht verständlicher Information, beispielsweise bei Behörden oder Banken, dazu
(Brandstätter, 2013). Im Folgenden Kapitel soll zunächst die unterstützte
Entscheidungsfindung dem Leser bzw. der Leserin nähergebracht werden. Daran
anschließend sollen Projekte und Ansätze vorgestellt werden, welche derzeit entwickelt
und erprobt werden, um Alternativen zur Vormund- bzw. Sachwalterschaft in Europa zu
schaffen. Das Kapitel schließt mit möglichen Zukunftsperspektiven und offenen Fragen
auf dem Gebiet der unterstützten Entscheidungsfindung.
7.1 Definition und Abgrenzung der unterstützten Entscheidungsfindung
Unterstützung kann als eine Ressource und als eine Strategie gesehen werden, welche die
menschliche Funktionsfähigkeit steigert (Luckasson et al., 2002, zitiert nach Thompson et
al., 2009). Wir leben in einer ineinandergreifenden Welt, in der jeder Mensch eine
unterschiedliche Vielfalt und Intensität an Unterstützung benötigt, so auch Personen mit
intellektueller Beeinträchtigung (Thompson et al., 2009). Kein Individuum wird jedoch
alle Arten von Unterstützung benötigen, welche derzeit verfügbar sind, sondern der
notwendige Unterstützungsbedarf variiert sowohl quantitativ hinsichtlich der Anzahl an
Unterstützungsarten als auch qualitativ in der Beschaffenheit der Unterstützungsangebote
(Thompson et al., 2009).
Unter dem Begriff des „supported decision-making“, zu Deutsch die unterstützte
Entscheidungsfindung, versteht man, dass eine Unterstützungsperson einen Menschen mit
Beeinträchtigung dazu ermächtigt, eigene Entscheidungen zu treffen und diese zu
kommunizieren (European Union Agency for Fundamental Rights, 2013). Bei diesem
Modell liegt der Fokus immer auf der Person mit Beeinträchtigung und jene wird als die
relevante Entscheidungsperson im gesamten Prozess gesehen. Die Unterstützungsperson
ist dazu da, die Angelegenheit bzw. das vorliegende Problem bei Bedarf zu erläutern und
die Zeichen und Präferenzen der Entscheidungsperson angemessen zu interpretieren. Sogar
64
dann, wenn eine Person völlige Unterstützung benötigt, sollte die Unterstützungsperson
den Menschen mit Beeinträchtigung so weit ermächtigen, dass dieser seine Rechtsfähigkeit
in höchstem Maße ausüben kann (European Union Agency for Fundamental Rights, 2013).
Im Gegensatz zum Modell der unterstützten Entscheidungsfindung gibt es auch das
„substituted decision-making- Modell“ (deutsch: stellvertretendes Treffen von
Entscheidungen), welches im Rahmen des Kapitels zur Sachwalterschaft bereits erläutert
wurde. Dieses meint, dass gesetzliche Stellvertreter/innen, Sachwalter/innen oder
Betreuer/innen vom Gericht beauftragt werden, um Entscheidungen im Namen einer
Person mit Beeinträchtigung zu treffen (European Union Agency for Fundamental Rights,
2013). Bei diesem Modell verlieren die betroffenen Personen (fast) alle Bürgerrechte und
der/die Sachwalter/in trifft in einem oder in mehreren bis hin zu allen Bereich/en
gesetzliche Entscheidungen für die Person mit IB. Dies macht es für den betroffenen
Menschen fast unmöglich, eigene Entscheidungen im Leben treffen zu können (European
Union Agency for Fundamental Rights, 2013).
Für eine weitere Begriffsabgrenzung ist es zudem erforderlich den Terminus des „shared
decision-making“ anzuführen, welcher hauptsächlich im medizinischen Bereich verwendet
wird. Dieser bezieht sich, seit seiner Etablierung in den siebziger Jahren (Cassileth et al.,
1980), auf den Versuch, „ein Verhalten zu definieren, das auf einer gleichberechtigten
Partnerschaft zwischen Arzt und Patient beruht, in welcher beide Seiten die Verantwortung
für Entscheidungen und die Durchführung der Therapie tragen“ (Charles, Gafni, &
Whelan, 1997, zitiert nach Scheibler, 2004, S. 9). „Shared decision-making“ kann dabei als
Mittelweg zwischen zwei Modellen verstanden werden. Einerseits dem „informed
decision-making“, wo Ärzte/innen die zu behandelnden Patienten/innen mit ausreichend
relevanten Informationen versorgen und anschließend die (autonome) Entscheidung der
betreffenden Person abwarten müssen, um eine gewünschte medizinische Maßnahme zu
planen. Andererseits das „professional-as-agent Modell“, wo es zwar die Aufgabe vom
Arzt bzw. der Ärztin ist, die Präferenzen von Patienten/innen zu erfragen, Entscheidungen
bezüglich medizinischer Maßnahmen jedoch stellvertretend für die Person getroffen
werden (Scheibler, 2004).
Wie bereits aus dem Kapitel der UN-Konvention abgeleitet werden kann, fordert diese
einen Wechsel vom „substituted decision-making“ hin zu individuell zugeschnittenen
Systemen von Unterstützung im Rahmen unterstützter Entscheidungsfindung (European
Union Agency for Fundamental Rights, 2013).
65
Wichtig für eine unterstützte Entscheidungsfindung ist, dass die betroffene Person mit
Unterstützungsbedarf im Fokus steht und es um die Maximierung der individuellen
Selbstbestimmung geht. Zudem richtet sich der Bedarf an Unterstützung ausschließlich
nach den Bedürfnissen der Person mit IB. Darüber hinaus müssen alle
Unterstützungsformen auf den Vorlieben und dem Willen des Individuums mit IB basieren
und die Entscheidung darf nicht über dritte Personen erfolgen (Brandstätter, 2013).
Relevant ist in diesem Zusammenhang auch, dass eine freie Wahl durch die zu
unterstützende Person erfolgen muss, welche passende Unterstützungsform von ihr
gewählt werden möchte (Brandstätter, 2013). Hierfür ist es notwendig, dass alle Menschen
Zugang zu diesen unterstützenden Entscheidungsangeboten haben und unterschiedliche
bzw. einander ergänzende Möglichkeiten der Hilfe entwickelt und angeboten werden. Bei
der Entwicklung der Unterstützungsmodelle sollte vor allem die Zielgruppe – Menschen
mit IB, Personen mit psychischen Erkrankungen, ältere Menschen und die Gruppe der
Angehörigen – umfangreich miteinbezogen werden (Brandstätter, 2013).
Besonders bei Personen mit IB muss darauf geachtet werden, dass es eventuell notwendig
ist, ähnlich wie beim „Informed Consent“, dass es zu abgewandelten und umfangreichen
Modifikationen hinsichtlich der typischen Vermittlung von Informationen kommen kann,
wie beispielsweis durch die Hinzuziehung von umfangreichen
Kommunikationshilfsmitteln. Jegliche verbale Kommunikation sollte an die kognitiven
Fähigkeiten der betroffenen Person angepasst werden. Beispielsweise muss das verwendete
Vokabular einfach und konkret sein. Zudem sollte der Satzbau einfach sein und
Informationen sollten langsam vermittelt werden, um diese adäquat aufnehmen zu können.
Weiters sollte ausreichend Zeit gegeben werden, um Fragen stellen zu können.
Unterstützungspersonen sollten ähnlich wie Ärzte/innen während des Gesprächs durch die
gegebenen Antworten herausfinden, ob das Verständnis bei der betroffenen Person
vorhanden ist, oder ob es weiterer Klärung des vorliegenden Sachverhaltes bedarf. Zudem
sollte jegliches geschriebene Material in einfacher Sprache präsentiert und verbal übersetzt
werden, um das Verständnis der Personen mit IB zu garantieren. (Des Noyers Hurley &
O´Sullivan, 1999).
Lotan und Ells (2010) erläutern, dass sich viele Menschen vor allem bei bedeutsamen und
komplexen Entscheidungen gerne auf eine Möglichkeit der Unterstützung verlassen und
nur manche Personen in solchen Situationen bevorzugen, alleine zu entscheiden.
Möglicherweise lädt man in einer solchen Phase andere Menschen ein, in diesem
66
Entscheidungsprozess mitzuwirken, indem man sie bittet, Informationen bereitzustellen,
emotionale Hilfe zu geben, einen Resonanzboden zu bilden, oder aber individuelle
Empfehlungen auszusprechen (Lotan & Ells, 2010). Manchmal möchte man auch
Entscheidungen an andere Personen abgeben, welchen man vertraut, dass diese im besten
Interesse für die eigene Person handeln. Dieselbe Achtsamkeit und Flexibilität sollte man
laut Lotan und Ells (201) auch Menschen mit IB zukommen lassen, welche vor einer
folgenschweren Entscheidung stehen. Denn Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung
haben genauso wie Menschen ohne IB kritische Augenblicke in ihrem Leben, wo sie mit
Entscheidungen konfrontiert werden, welche weitreichende Folgen haben können oder
möglicherweise nur schwer wieder rückgängig gemacht werden können.
7.2 Beispielprojekte zur unterstützten Entscheidungsfindung
Inclusion Europe veröffentlichte in einem ihrer letzten elektronischen Artikel, verfasst von
Sobekova (2014), Trainingsmöglichkeiten für Peer-Unterstützer/innen mit intellektueller
Beeinträchtigung. Das 2-jährige Projekt namens TOPSIDE, welches von Inclusion Europe
und sechs europäischen Partnerländern seit 2011 entwickelt wurde, hat das Ziel, die
Möglichkeiten von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung, eigene Entscheidungen
zu treffen und unabhängig leben zu können, zu erweitern. Hauptaufgabe des Projekts war
bzw. ist es, ein neues Konzept non-formaler Ausbildung mit dem Namen Peer-
Unterstützung zu schaffen (Sobekova, 2014). Mit Hilfe dieses neuen Trainings sollen
Erwachsene mit intellektueller Beeinträchtigung neue Fähigkeiten erlernen, um ihre Peers
bestmöglich im Entscheidungsprozess unterstützen zu können und dazu sollen
professionelle Trainer/innen und Menschen mit IB zusammenarbeiten, um das Training in
allen Phasen konkret vorzubereiten und ein geeignetes Curriculum zu entwerfen
(Sobekova, 2014).
Peer-Unterstützer/in kann jede motivierte Person mit intellektueller Beeinträchtigung
werden, jedoch sollten soziale und kommunikative Fähigkeiten gegeben sein. Im
Mittelpunkt des Projektes steht die Entwicklung eines fähigkeitsbezogenen Curriculums
und dieses soll die Basis für das Lernen darstellen (Sobekova, 2014). Das Training soll
Menschen mit IB helfen, neue Fähigkeiten zu erlernen, um adäquate Peer-Unterstützung
geben zu können und den Entscheidungsprozess besser verstehen zu können. Dies
inkludiert Kommunikationsfähigkeiten (wie beispielsweise Meinungen auszudrücken oder
mit anderen zu interagieren und neue Beziehungen zu knüpfen), soziale Fähigkeiten (wie
beispielsweise Problemlösefähigkeiten und Informationen höflich zu erbeten) und
67
bürgerliche Fähigkeiten (wie Höflichkeit und formelle Sprache). Schwerpunkt des
Curriculums ist es, Empathie aufzubauen, die Situation von jemand anderem zu verstehen
und den Fokus auf die Peer-Unterstützung zu lenken (Sobekova, 2014). Das
Trainingsprogramm wurde bis dato in folgenden Ländern getestet: Finnland, Rumänien,
Vereinigtes Königreich, Spanien, Tschechische Republik und in den Niederlanden. Bisher
haben 45 Teilnehmer/innen den Pilotkurs absolviert und mehr als 210 Trainingsstunden
erhalten (Sobekova, 2014). Einer der größten Erfolge ist bis jetzt die Förderung des
Verständnisses von Peer-Unterstützung bei Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung.
Die Teilnehmer/innen haben verstanden, dass TOPSIDE kein Projekt ist, welches speziell
für sie, sondern eines, das mit ihnen entworfen wurde. Menschen mit intellektueller
Beeinträchtigung als Auszubildende und Peer-Unterstützer/innen sind der Motor des
Projektes. Das Training ermöglicht es aktiv als erwachsener Mensch mit IB mitzuwirken.
Das Ziel der Projektpartnerländer ist es nun, Anerkennung für das TOPSIDE Curriculum
zu bekommen, um schlussendlich einen neuen europäischen Zugang zu Peer-Unterstützung
zu schaffen. Hierfür ist es jedoch notwendig, umfangreiche Forschung zu betreiben, um
Möglichkeiten betreffend des Trainings in anderen Ländern der EU zu identifizieren und
Peer-Unterstützung sowohl lokal als auch national zu etablieren (Sobekova, 2014).
Als zweite alternative Möglichkeit soll an dieser Stelle ein Modellprojekt aus Österreich
namens „Clearing Plus – Unterstützung zur Selbstbestimmung“ vorgestellt werden
(VertretungsNetz, o.J.). Dieses Projekt wurde 2013 vom Bundesministerium für Justiz den
Sachwaltervereinen übergeben und soll bis Ende 2015 laufen. Bereits seit 2006 versuchen
Sachwaltervereine in Österreich mittels Clearing gegen die hohen Sachwalter/innen-Zahlen
anzukämpfen (VertretungsNetz, 2014). Das bisherige Clearing hatte zum Ziel, die
Notwendigkeit von Sachwalterschafter und die damit einhergehenden Beschränkungen der
rechtlichen Handlungsmöglichkeiten von Personen (mit IB) zu prüfen und Alternativen
aufzudecken (VertretungsNetz, 2014). Ziel von Clearing Plus – Unterstützung zur
Selbstbestimmung ist es nun, das bisherige Modell von Clearing auszubauen und zu
erweitern (VertretungsNetz, 2014) und Menschen mit Beeinträchtigungen durch die
Vermittlung von Alternativen zur Sachwalterschaft zu stärken und ihnen größtmögliche
Selbstbestimmung zukommen zu lassen (VertretungsNetz, o.J.). Ein Sachwalter bzw. eine
Sachwalterin sollte nur dann bestellt werden, wenn keine funktionierenden alternativen
Unterstützungssysteme vorherrschend sind. Das Modellprojekt soll dabei als Drehscheibe
fungieren, um den Betroffenen Angebote der unterstützten Entscheidungsfindung
zukommen lassen zu können (VertretungsNetz, o.J.). Vereinssachwalter/innen können in
68
diesem Projekt betroffenen Personen bei der Exploration der Situation helfen, sie
informieren und beraten, Motivation durch Hilfe und Selbstbestimmung aufbauen, bei der
Suche nach geeigneten Alternativen zur Sachwalterschaft behilflich sein, Kontakt mit
Institutionen aufnehmen um mögliche Ressourcen abzuklären, Unterstützungsprozesse
koordinieren, den Betroffenen zu selbstständigem Handeln anregen, sowie direkte
Unterstützungsleistungen bieten (Schlaffer, 2013). Bisher wurden an insgesamt 10
Standorten vom VertretungsNetz zusätzliche Ressourcen für dieses Projekt geschaffen und
19 Bezirksgerichten wurde bis dato das Angebot zur Verfügung gestellt (VertretungsNetz,
o.J.).
7.2.1 Weitere Ansätze der unterstützten Entscheidungsfindung.
Neben den bisher genannten Modellen und Projekten gibt es noch weitere Ansätze, welche
zum Themengebiet der unterstützten Entscheidungsfindung gezählt werden können und im
folgenden Kapitel ansatzweise beschrieben werden sollen.
7.2.1.1 Personenzentrierte Planung.
Unter dem Oberbegriff des „Person-Centered-Planing“, zu Deutsch Personenzentrierte
(Zukunfts-) Planung, werden diverse Strategien zusammengefasst, welche Alternativen zu
den bisherigen institutionsorientierten Planungen darstellen (Boban & Hinz, 2009). Doose
(2011) ergänzt, dass der Ansatz eine Vielzahl an methodischen Planungsmöglichkeiten für
Menschen mit und ohne Beeinträchtigung beinhaltet und für Personen gedacht ist, welche
sich mit ihrer eigenen Zukunft auseinandersetzen möchten und Ziele haben, die sie mit
Hilfe eines Unterstützerkreises, welcher nachfolgend noch näher erläutert werden soll,
umsetzen möchten. Dieser Ansatz wurde vorwiegend entwickelt, um Personen mit IB zu
helfen, ihr Leben zu planen. Die betroffenen Menschen werden dabei unterstützt, indem
man sie fragt, was sie möchten, welche Unterstützung dafür benötigt wird und wie sie
diese erhalten können. Der Fokus ist dabei auf den positiven Aspekten des individuellen
Lebens (beispielsweise auf die Talente und Fähigkeiten) gerichtet und nicht darauf, was
diese Personen nicht tun können (European Union Agency for Fundamental Rights, 2013).
Personenzentrierte Planung beginnt bei der Realität der jeweiligen Person, wobei die
Bedeutung des Selbst miteinbezogen, und immer auf den jeweiligen Kontext des
Individuums geachtet wird (Lotan & Ells, 2010). Besonders in den letzten Jahren zeigten
sich durch Seminare, Vorträge und Projekte zum Thema der Personenzentrierten Planung
intensive Bestrebungen um ein bundesweites Netzwerk aufzubauen (Doose, 2011). Um
69
jedoch den Ansatz der Personenzentrierten Planung erfolgreich umsetzen zu können, ist es
relevant, dass entsprechende gesellschaftliche und gesetzliche Rahmenbedingungen für
Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung geschaffen werden, welche es zulassen,
größtmögliche individuelle Gestaltungsspielräume zu schaffen, um so vermehrt
Wahlmöglichkeiten in den einzelnen Lebensbereichen der Betroffenen zu ermöglichen
(Doose, 2011).
7.2.1.2 Unterstützerkreise.
Der zuvor genannte Unterstützerkreis, oder im Englischen „Circle of Support“, welcher
sich aus einer Gruppe von Familienmitgliedern, Freunden/innen und anderen Menschen
aus der Gemeinschaft zusammensetzt, welche unbezahlt zusammenkommen, um einer
bestimmten Person mit IB zu helfen, ihre persönlichen Ziele im Leben zu planen und in
kleinen Schritten umzusetzen. Für das Gelingen des Unterstützerkreises ist es wichtig, dass
die eingeladenen Personen den Menschen mit IB gut kennen und von der betroffenen
Person selbst ausgewählt wurden. Die Person im Fokus der Aufmerksamkeit darf zudem
entscheiden, wie die Diskussion stattfinden soll. (European Union Agency for
Fundamental Rights, 2013).
7.2.1.3 Unterstützte Kommunikation.
Neben der Unterstützung durch die Miteinbeziehung von wichtigen nahestehenden
Personen, gibt es auch die Möglichkeit der unterstützten Kommunikation, auch als
„augmentative communication“ bzw. alternative Kommunikation bekannt, welche
verschiedene Modi und Zeichensysteme bietet, und sich bei der Auswahl der Systeme nach
den aktuellen und potenziellen Möglichkeiten der Kommunikation der Nutzer/innen richtet
(Ziemen, 2009). Unterschieden werden kann zwischen dynamischen (beispielsweise
Gesten, Mimik, Gebärdensprache usw.) und statischen (beispielsweise reale Objekte,
Fotos, Bilder, Grafiken) Symbolen (Franzkowiak, 1994; zitiert nach Ziemen, 2009).
Besonders bei Symbolsammlungen bzw. -systemen existiert bereits ein sehr umfangreiches
Vokabular, welches den Personen mit IB für eine gute Kommunikation zur Verfügung
gestellt werden kann. Vorteile von Bild- bzw. Symbolsystemen sind, dass sie sich auf die
gesprochene Sprache positiv auswirken können, Frustrationen verhindern können, eine
gute Ergänzung zur gesprochenen Sprache sein können und als Kommunikationshilfe im
Notfall einsetzbar sind (Adam, 1993; zitiert nach Ziemen, 2009). Laut Boenisch (2009)
gibt es drei verschiedene Bereiche der unterstützten Kommunikationen. Erstens gibt es
70
körpereigene Kommunikationsmöglichkeiten, wie bereits bei Ziemen (2009) unter dem
Begriff der dynamischen Symbole erläutert wurde. Zweitens gibt es auch
nichtelektronische Kommunikationsmöglichkeiten, wie beispielsweise
Kommunikationstafeln, Zeichen, Schriften oder Kommunikationsbücher. Als dritten
Bereich führt Boenisch (2009) die elektronische Kommunikationshilfe an, welche
sogenannte Talker oder Computer mit Sprachausgabe sind. Solches Unterstützungsmaterial
kann es Personen mit intellektueller Beeinträchtigung ermöglichen, vor allem dann, wenn
verbale Fähigkeiten eingeschränkt sind, eigene Wünsche und Entscheidungen an das
Umfeld mitzuteilen. Zu beachten gilt jedoch, dass dabei die
Kommunikationsmöglichkeiten nicht begrenzt sind, sondern die Kreativität der
Unterstützungspersonen gefordert wird, um immer wieder neue Möglichkeiten der
Kommunikation zu schaffen (Ziemen, 2009). Zudem ist es erforderlich, dass
Unterstützungspersonen hinsichtlich der Verwendung von solchem Hilfsmaterial
ausreichend geschult werden, um den bestmöglichen Umgang mit der betroffenen Person
zu schaffen, als auch mögliche Fehlinterpretationen in der Kommunikation zu reduzieren.
Bisherige Studien haben gezeigt, dass Menschen mit geringer IB vor allem
Schwierigkeiten dabei haben, Behandlungsinformationen adäquat abzuwägen. Fisher,
Bailey, und Willner (2012) sind nun der Ansicht, dass dieses Problem mit Hilfe von
visuellem Unterstützungsmaterial bei der Entscheidungsfindung überwunden werden
könnte. In einer Studie aus dem Jahr 2012 konnten die Autoren zeigen, dass mit Hilfe von
visuellem Hilfsmaterial, einem „visuellen Taschenrechner“, die Leistungen in zwei
„Temporal Discounting Tasks“ gesteigert werden konnten.
7.2.1.4 Training in Bezug auf den Entscheidungsprozess.
Neben den bisher genannten Ansätzen ist es zudem erforderlich, dass sowohl Menschen
mit IB als auch ihre Unterstützungspersonen für den Prozess der Entscheidungsfindung
ausreichend trainiert werden. Bezogen auf die Gruppe der Menschen mit IB konnten
Ferguson und Murphy (2013) in einer Untersuchung mit 28 Personen mit geringer und
mittelgradiger IB zeigen, dass drei Trainingseinheiten, bei denen das
Informationsverständnis für bestimmte Medikationen trainiert wurde, zu einer deutlichen
Verbesserung des „Informed Consent“ bezüglich der jeweiligen Medikamenteneinnahme
beitrugen.
71
7.3 Zukunftsperspektiven
Shirli (2012) zeigte in einem systematischen Review von bibliographischen Datenbanken
auf, dass derzeit noch viele offene Fragen auf dem Gebiet der unterstützten
Entscheidungsfindung eine Hürde darstellen, beispielsweise ob dieser Ansatz bei Personen
mit IB immer möglich ist. Bisher wird dieses Modell nur in einigen speziellen Bereichen
bekräftigt, wie beispielsweise im Wohnsetting und am Arbeitsplatz, im Gesundheitsbereich
jedoch noch sehr wenig. Vor allem komplexere oder schwerwiegendere Entscheidungen
werden lieber Betreuungspersonen überlassen. Obwohl Artikel 12 der UN-Konvention sehr
deutlich die unterstützte Entscheidungsfindung propagiert und Betreuungspersonen,
Dienstleitungsanbieter/innen, Entscheidungsträger/innen und Forscher/innen auffordert,
einen Weg zu finden, um unterstützte Entscheidungsfindung allen Individuen zu
ermöglichen, gibt es bis dato noch keine spezifischen Leitfäden um dieses Ziel zu
erreichen oder für Situationen zu bekommen, in welchen Individuen möglicherweise nicht
fähig sind, autonome Entscheidungen zu treffen (Shirli, 2012). Zusammengefasst zeigte
Shirli (2012), dass es bei der Umsetzung der unterstützten Entscheidungsfindung noch
viele Probleme in unterschiedlichen Entscheidungsbereichen gibt und derzeit noch ein
Mangel am Eingebundensein von Personen mit IB besteht, jedoch die Notwendigkeit
besteht, unterstützte Entscheidungsfindung für Menschen mit IB in unterschiedlichen
Bereichen zu fördern.
Bisher gibt es nur wenig Theorie und Forschung darüber, welche Fähigkeiten bzw.
Fertigkeiten sich Individuen mit IB aneignen müssen, um Entscheidungen bestmöglich
treffen zu können (Hickson & Khemka, 1999). Wichtig ist in diesem Zusammenhang ist
auch das Training und die Ausbildung von Personen mit IB, um bessere
Entscheidungskompetenzen erwerben zu können. Dieser Prozess inkludiert, dass den
Betroffenen Elemente der (persönlichen) Ziel-Planung und der Selbstregulation sowie die
Förderung von Selbstbestimmung beigebracht werden (Shirli, 2012). Hierfür soll auf das
Modellprojekt TOPSIDE in dieser Arbeit verwiesen werden, welches erstmalig die
Schulung wichtiger Entscheidungskompetenzen für Menschen mit IB im Fokus hat.
Zudem muss die Betreuung und Hilfe für Menschen mit IB so zugeschnitten werden, dass
sie wirkliche Wahlentscheidungen und Selbstbestimmung erlauben, dies benötigt jedoch
flexibleren Umgang in der täglichen Routine, um den individuellen
Entscheidungsmöglichkeiten gerecht zu werden. In diesem Zusammenhang ist auch die
Personenzentrierte Planung von großer Bedeutung, welche es ermöglicht, individuelle
72
Träume und Hoffnungen der Personen mit IB zu verstehen und die Bedingungen zu
schaffen um diese bestmöglich umzusetzen (Shirli, 2012).
Weiters sollten Betreuungspersonen (sowohl Familienmitglieder als auch das Personal in
Institutionen) das notwendige Wissen und die relevanten Fähigkeiten in einer Schulung
erhalten, um mit Menschen mit IB bestmöglich kommunizieren zu können und darüber
hinaus die notwendige Unterstützung geben zu können. Vor allem visuelles Material kann
dabei helfen, das Verstehen von Informationen hinsichtlich einer Entscheidung zu fördern.
Ein wichtiger Punkt wird zudem von Shirli (2012) angeführt, welcher fordert, dass es
Menschen mit IB in Zukunft erlaubt sein soll, Fehler zu machen, um daraus wichtige
Lernmöglichkeiten für sich selber zu schaffen. Hierfür werden jedoch die notwendigen
gesetzlichen Änderungen benötigt sowie die Entwicklung und Etablierung von geeigneten
unterstützenden Maßnahmen um dieses Ziel erreichen zu können.
73
8. Resümee des theoretischen Hintergrundes
Einerseits ist die Untersuchung der Fähigkeit, um „Informed Consent“ für medizinische
Behandlungen zu geben, sehr komplex, andererseits besteht die Notwendigkeit, dass
Personen mit intellektueller Beeinträchtigung ihr individuelles Recht erhalten, eigene
Entscheidungen in allen Bereichen des Lebens treffen zu können, aber auch, dass diese vor
jeglichem Nachteil für sich selber geschützt werden müssen (Wong et al., 1999). Im
theoretischen Hintergrund dieser Arbeit konnte zusammenfassend gezeigt werden, dass
bisherige Studien betonen, dass viele Menschen mit geringer IB und einige mit
mittelgradiger IB fähig sind, eigene Behandlungsentscheidungen zu treffen, zu begründen
und zu verstehen. Im Gegensatz dazu konnte jedoch auch demonstriert werden, dass vielen
Personen zum Beispiel im medizinischen Bereich das Wissen über die eigene Medikation
fehlt, besonders was die vorgeschlagene Dauer der Einnahme aber auch die Nachteile der
Behandlung betrifft und dies daraus resultiert, weil viele Menschen mit IB nicht in den
medizinischen Entscheidungsprozess miteinbezogen werden und in der Praxis häufig noch
die Ansicht vertreten wird, dass diese Personengruppe nicht entscheidungsfähig ist.
Bisher gibt es noch keine deutschsprachige Studie, welche die Gruppenunterschiede
zwischen Menschen ohne und mit IB in verschiedenen Betreuungssettings hinsichtlich der
gesundheitsbezogenen Selbstbestimmungsfähigkeit ergründet, dies soll daher mithilfe der
vorliegenden Untersuchung geändert werden.
Weiters konnte im Theorieteil dieser Arbeit veranschaulicht werden, dass die Fähigkeit,
Entscheidungen zu treffen, besser mit den exekutiven Funktionen von Menschen mit IB
vorhergesagt werden kann, als mit Hilfe von IQ-Werten und sich ein progressiver Abfall
der exekutiven Leistungen mit zunehmendem Schweregrad der Beeinträchtigung
feststellen lässt. Darüber hinaus wird in der Literatur berichtet, dass exekutive Funktionen
für einige Fähigkeitsbereiche hinsichtlich der Einwilligungskompetenz signifikante
Prädiktoren darstellen. Mithilfe der hier beschriebenen Studie soll dieser Frage zudem
nachgegangen werden, in wie weit exekutiven Funktionen eine Prädiktorrolle für die
gesundheitsbezogene Selbstbestimmungsfähigkeit zugesprochen werden kann.
Laut der UN-Behindertenrechtskonvention sollen Menschen mit IB das Recht erhalten,
vielseitige Unterstützungsmöglichkeiten in Bezug auf das Treffen von Entscheidungen
unter besonderer Berücksichtigung des medizinischen Bereichs zu erhalten. Bisherige
Vertretungsmodelle, wie beispielsweise jenes der Sachwalterschaft in Österreich, werden
74
vor allem von der UN-Konvention noch immer als entmündigend angesehen und sprechen
deutlich gegen die Rechte von Individuen mit IB. Diese Konvention fordert daher für
Menschen mit IB Alternativen, wie die der unterstützten Entscheidungsfindung,
anzubieten, welche dieser Personengruppe ermöglichen, ihr Recht zu entscheiden in allen
Belangen des Lebens ausüben zu können. Im Rahmen der vorliegenden
Diplomarbeitsstudie soll daher versucht werden, den Einfluss einer Unterstützungsperson
auf die gesundheitsbezogene Selbstbestimmungsfähigkeit von Menschen mit IB in teil-
und vollbetreuten Wohnsettings zu ermitteln, um hinsichtlich der Fragestellung, ob
zukünftige Modelle der unterstützten Entscheidungsfindung sinnvoll sind und zu erhöhter
Selbstbestimmung bei den Betroffenen hinsichtlich medizinischer Entscheidungsfragen
beitragen können, beantworten und mögliche Umsetzungsstrategien diskutieren zu können.
75
EMPIRISCHER TEIL
9. Zielsetzung der Studie
Im Rahmen dieser Diplomarbeitsstudie soll vor allem die gesundheitsbezogene
Selbstbestimmungsfähigkeit (anhand der vier Standards aus dem MacCAT-T:
Informationsverständnis, Krankheits- und Behandlungseinsicht, Urteilsvermögen und eine
Wahl treffen) und die exekutiven Funktionen bei Menschen mit und ohne intellektuelle
Beeinträchtigung in unterschiedlichen Betreuungsverhältnissen (keine Betreuung= KG,
Teilbetreuung= VG2 und Vollbetreuung= VG1) sowie der Einfluss einer
Unterstützungsperson (UP) auf die Entscheidungsfähigkeit der Personen mit IB betrachtet
werden. Bisher hat sich im deutschsprachigen Raum noch keine Studie mit dieser
Thematik beschäftigt, daher kann die vorliegende Untersuchung als eine Pilotstudie
betrachtet werden.
In Anlehnung an die im Jahr 2003 publizierte Studie von Cea und Fisher, welche die
Einwilligungsfähigkeit bei Menschen mit leichter, mittelgradiger und keiner intellektuellen
Beeinträchtigung mittels dreier hypothetischer Behandlungs-Vignetten in New York
untersucht haben, wurden zwei der drei verwendeten Falldarstellungen auch in dieser hier
vorliegenden Studie genutzt. Hierfür war es notwendig, die zwei Vignetten in die deutsche
Sprache zu übersetzen und an das „MacArthur Competence Assessment Tool-Treatment“
(kurz MacCAT-T), welches ein häufig verwendetes, strukturiertes Interviewverfahren zur
Erfassung der Einwilligungsfähigkeit darstellt, geringfügig anzupassen. Dieses Inventar
ermöglicht es, die Fähigkeiten von Personen hinsichtlich des Treffens von Entscheidungen
zu erheben, um zu überprüfen, ob die Testperson die Kompetenz aufweist, um in eine
Behandlung einzuwilligen (Grisso & Appelbaum, 1998). Mit Hilfe des MacCAT-T werden
insgesamt vier Kompetenzen erhoben; Informationsverständnis, Krankheits- und
Behandlungseinsicht, Urteilsvermögen und eine Wahl treffen zu können (Grisso &
Appelbaum, 1998). Für die vorliegende Untersuchung konnte die deutsche Übersetzung
des MacCAT-T von Vollmann (1996; 1998) verwendet werden.
Den zweiten Fokus dieser Arbeit stellt die Betrachtung der exekutiven Funktionen bei
Menschen mit und ohne intellektuelle Beeinträchtigung sowie die mögliche
Vorhersagekraft von diesen auf die gesundheitsbezogene Selbstbestimmungsfähigkeit dar.
Hierfür wurde angelehnt an die Studie von Sgaramella et al. (2012) die „Frontal
76
Assessment Battery“ (FAB; Dubois et al., 2000), jedoch in der deutschen Form der FAB-D
von Benke und Kollegen (2013) den Interviewpersonen vorgegeben.
77
10. Fragestellungen und dazugehörige Hypothesen
Unter Berücksichtigung der bisherigen Forschungsergebnisse, welche im theoretischen
Teil dieser Arbeit intensiv beleuchtet wurden, werden im folgenden Kapitel die daraus
abgeleiteten Fragestellungen und Hypothesen formuliert. In dieser Diplomarbeit werden
ungerichtete Hypothesen bevorzugt, da sich bis dato im deutschsprachigen Raum noch
kein/e Forscher/in mit dieser Thematik beschäftigt hat und daher die Untersuchung als
Pilotstudie anzusehen ist.
10.1 Fragestellung 1
Gibt es einen signifikanten Unterschied in der Selbstbestimmungsfähigkeit bei
gesundheitsbezogenen Entscheidungen zwischen den drei Gruppen (vollbetreut, teilbetreut
und keine Betreuung) in den Standards (1) Informationsverständnis (2) Krankheits- und
Behandlungseinsicht (3) Urteilsvermögen und (4) eine Wahl zu treffen?
H0: Es gibt keinen signifikanten Unterschied in der Selbstbestimmungsfähigkeit bei
gesundheitsbezogenen Entscheidungen zwischen den drei Gruppen (vollbetreut, teilbetreut
und keine Betreuung) in den Standards (1) Informationsverständnis (2) Krankheits- und
Behandlungseinsicht (3) Urteilsvermögen und (4) eine Wahl zu treffen.
H1: Es gibt einen signifikanten Unterschied in der Selbstbestimmungsfähigkeit bei
gesundheitsbezogenen Entscheidungen zwischen den drei Gruppen (vollbetreut, teilbetreut
und keine Betreuung) in den Standards (1) Informationsverständnis (2) Krankheits- und
Behandlungseinsicht (3) Urteilsvermögen und (4) eine Wahl zu treffen.
10.2 Fragestellung 2
Gibt es einen signifikanten Unterschied zwischen der Bedingung mit einer
Unterstützungsperson und der Bedingung ohne eine Unterstützungsperson bei den zwei
Gruppen (vollbetreut und teilbetreut) in Bezug auf die Selbstbestimmungsfähigkeit bei
gesundheitsbezogenen Entscheidungen in den Standards (1) Informationsverständnis (2)
Krankheits- und Behandlungseinsicht (3) Urteilsvermögen und (4) eine Wahl zu treffen?
H0: Es gibt keinen signifikanten Unterschied zwischen der Bedingung mit einer
Unterstützungsperson und der Bedingung ohne eine Unterstützungsperson bei den zwei
Gruppen (vollbetreut und teilbetreut) in Bezug auf die Selbstbestimmungsfähigkeit bei
78
gesundheitsbezogenen Entscheidungen in den Standards (1) Informationsverständnis (2)
Krankheits- und Behandlungseinsicht (3) Urteilsvermögen und (4) eine Wahl zu treffen.
H1: Es gibt einen signifikanten Unterschied zwischen der Bedingung mit einer
Unterstützungsperson und der Bedingung ohne eine Unterstützungsperson bei den zwei
Gruppen (vollbetreut und teilbetreut) in Bezug auf die Selbstbestimmungsfähigkeit bei
gesundheitsbezogenen Entscheidungen in den Standards (1) Informationsverständnis (2)
Krankheits- und Behandlungseinsicht (3) Urteilsvermögen und (4) eine Wahl zu treffen.
10.3 Fragestellung 3
Gibt es einen signifikanten Unterschied zwischen den drei Gruppen (vollbetreut, teilbetreut
und keine Betreuung) hinsichtlich den sechs exekutiven Funktionen sowie hinsichtlich des
Gesamtwerts aus der FAB-D?
H0: Es gibt keinen signifikanten Unterschied zwischen den drei Gruppen (vollbetreut,
teilbetreut und keine Betreuung) hinsichtlich den sechs exekutiven Funktionen und des
Gesamtwerts aus der FAB-D.
H1: Es gibt einen signifikanten Unterschied zwischen den drei Gruppen (vollbetreut,
teilbetreut und keine Betreuung) hinsichtlich den sechs exekutiven Funktionen und des
Gesamtwerts aus der FAB-D.
10.4 Fragestellung 4
Gibt es einen signifikanten Unterschied zwischen den drei Gruppen (vollbetreut, teilbetreut
und keine Betreuung) hinsichtlich der drei Bereiche der exekutiven Funktionen (Kognition,
Kontrolle und motorische Programme) aus der FAB-D?
H0: Es gibt keinen signifikanten Unterschied zwischen den drei Gruppen (vollbetreut,
teilbetreut und keine Betreuung) hinsichtlich der drei Bereiche der exekutiven Funktionen
(Kognition, Kontrolle und motorische Programme) aus der FAB-D.
H1: Es gibt einen signifikanten Unterschied zwischen den drei Gruppen (vollbetreut,
teilbetreut und keine Betreuung) hinsichtlich der drei Bereiche der exekutiven Funktionen
(Kognition, Kontrolle und motorische Programme) aus der FAB-D.
79
10.5 Fragestellung 5
Gibt es einen signifikanten Einfluss der exekutiven Funktionen auf die
Selbstbestimmungsfähigkeit bei gesundheitsbezogenen Entscheidungen in den Standards
(1) Informationsverständnis (2) Krankheits- und Behandlungseinsicht (3) Urteilsvermögen
und (4) eine Wahl zu treffen?
H0: Es gibt keinen signifikanten Einfluss der exekutiven Funktionen auf die
Selbstbestimmungsfähigkeit bei gesundheitsbezogenen Entscheidungen in den Standards
(1) Informationsverständnis (2) Krankheits- und Behandlungseinsicht (3) Urteilsvermögen
und (4) eine Wahl zu treffen.
H1: Es gibt einen signifikanten Einfluss der exekutiven Funktionen auf die
Selbstbestimmungsfähigkeit bei gesundheitsbezogenen Entscheidungen in den Standards
(1) Informationsverständnis (2) Krankheits- und Behandlungseinsicht (3) Urteilsvermögen
und (4) eine Wahl zu treffen.
80
81
11. Methoden
11.1 Studiendesign und Erhebungsablauf
Für die vorliegende empirische Untersuchung wurden insgesamt zwei
Untersuchungsbedingungen (einmal mit der Anwesenheit einer Unterstützungsperson und
einmal ohne) bei der Versuchsgruppe mit IB gewählt, wodurch sich für das
Untersuchungsdesign zwei Messzeitpunkte ergaben. Bei der Kontrollgruppe (Menschen
ohne intellektuelle Beeinträchtigung) wurden beide Interviews ohne Unterstützungsperson
durchgeführt, jedoch auch beide Behandlungsvignetten vorgegeben, was wiederum zu
zwei Messzeitpunkten führt. Die Phase der Datenerhebung erstreckte sich von Mitte
November 2013 bis Ende Jänner 2014. Die Erhebung startete mit einer kleinen Pilotphase,
in der insgesamt drei Personen mit intellektueller Beeinträchtigung und vier Personen ohne
IB erstmals das Interview vorgegeben bekommen haben und von der Studienleiterin vor
allem auf die Verständlichkeit der Fallvignetten und der Fragen im Interview geachtet
wurde. Aufgrund der problematischen Erkenntnisse (auf welche in Kapitel 11.4.3 näher
eingegangen wird) wurde daran anschließend ein spezielles geschlechteradaptives visuelles
Material zur Unterstützung vor allem für die Zielgruppe der Menschen mit intellektueller
Beeinträchtigung entworfen. Die erste Vorgabe des neu entworfenen Interviews fand Ende
November statt.
Jeder Person wurden an einem Testzeitpunkt insgesamt zwei hypothetische Fallvignetten
aus dem „Assessment of Consent Capacity-Treatment“ (Cea & Fisher, 1999) in zufälliger
Reihenfolge vorgegeben. Nach jeder Vorgabe wurden die Fragen aus dem MacCAT-T
gestellt und die Interviewperson wurde gebeten, mithilfe des visuellen
Unterstützungsmaterials Antworten zu geben. Bei der Vorgabe der zwei hypothetischen
Vignetten wurde besonders darauf geachtet, dass das Geschlecht der geschilderten
Patienten/innen an das Geschlecht der Interviewpersonen angepasst wurde, damit sich die
Teilnehmer und Teilnehmerinnen besser mit der jeweiligen fiktiven Person, welcher eine
medizinische Behandlung vorgeschlagen wird, identifizieren konnten. Zudem wurden
beide Vignetten zufällig zu den beiden Interviewbedingungen (einmal mit und einmal ohne
Unterstützungsperson) zugeteilt und es wurde darauf geachtet, dass die
Unterstützungsbedingungen auch in zufälliger Reihenfolge stattgefunden haben. Weiters
wurde jeder Person mit und ohne IB die FAB-D (Benke et al., 2013) entweder zu Beginn
oder am Ende der Testung vorgelegt. Hierbei wurde darauf geachtet, dass die
Teilnehmer/innen keine Ermüdungseffekte zeigten. Gegebenenfalls wurde vor der Vorgabe
82
der FAB-D eine kurze Pause gemacht. Zudem war es den Interviewpersonen möglich, auch
während der beiden Interviewbedingungen eine Pause einzulegen.
Für ein besseres Verständnis soll folgende Tabelle das Studiendesign noch einmal präzise
veranschaulichen.
Tabelle 2
Studiendesign im Überblick
Gruppen
1. Messzeitpunkt
(1. MZP)
2. Messzeitpunkt
(2. MZP)
Kontrollgruppe
(KG)
Vorgabe 1.
Fallvignette
(ohne UP )
Vorgabe 2.
Fallvignette
(ohne UP) Vorgabe
der FAB-
D bei
allen
Gruppen
ohne UP
(entweder
vor MZP
1 oder
nach
MZP2)
Interview
(MacCAT-T)
Interview
(MacCAT-T)
Teilbetreuung
(VG1)
Vorgabe 1.
Fallvignette
(ohne UP)
Vorgabe 2.
Fallvignette
(mit UP)
Interview
(MacCAT-T)
Interview
(MacCAT-T)
Vollbetreuung
(VG2)
Vorgabe 1.
Fallvignette
(ohne UP)
Vorgabe 2.
Fallvignette
(mit UP)
Interview
(MacCAT-T)
Interview
(MacCAT-T)
Zufällige Zuteilung der hypothetischen Fallvignetten
bei allen 3 Gruppen sowie der 2
Unterstützungsbedingungen bei VG1 und VG2
ohne Unterstützungsperson (ohne UP) und mit Unterstützungsperson (mit UP)
Zufällige Zuteilung
Zufällige Zuteilung
Zufällige Zuteilung
83
Bereits bei der Studienvorstellung über die Bereichsleiter/innen und Betreuer/innen wurde
das „Informed Consent“ der Interviewteilnehmer/innen eingeholt, jedoch auch zu Beginn
der Testung noch einmal ausdrücklich auf alle wesentlichen Punkte bezüglich einer
korrekten Einwilligung, welche auch im Kapitel 12.3 angesprochen werden, hingewiesen.
Der Ort der Erhebung war meist das Zimmer der jeweiligen Interviewperson, eine ruhigere
Ecke in einem Gemeinschaftsraum oder ein Extrazimmer in der Einrichtung, welches für
die Zeitspanne der Befragung zur Verfügung gestellt wurde.
11.2 Zielgruppe der wissenschaftlichen Studie
Für diese wissenschaftliche Untersuchung wurden Personen mit und ohne intellektuelle
Beeinträchtigung in vier Bundesländern (Oberösterreich, Niederösterreich, Wien und
Salzburg) in Österreich rekrutiert. Vorab wurden verschiedene größere und kleinere
Institutionen, welche Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung in Österreich
betreuen, per Email angeschrieben und die Studie wurde den Leiterinnen und Leitern in
einem kurzen Schreiben vorgestellt. Zusammengefasst zeigten sich sechs Institutionen
bzw. Vereine (Lebenshilfe Wien, Oberösterreich und Salzburg, Verein für
Gemeinwesenintegration und Normalisierung, Jugend am Werk und der
Oberösterreichische Zivil-Invalidenverband) an dieser Diplomarbeitsstudie interessiert und
gaben Informationen an die Wohnhäuser weiter bzw. konnten bereits eruieren, welche
Personen in den Einrichtungen an einem Interview Interesse zeigen. Die genaue
Beschreibung der Stichprobe folgt im Kapitel 12.1.
Als Ausschlusskriterium für diese Studie wurde vorab festgelegt, dass keine
Demenzdiagnose bzw. auch kein Verdacht auf einen dementiellen Abbau sowohl in der
Versuchs- als auch in der Kontrollgruppe vorliegen darf. Für die Altersbeschränkung in der
Gruppe der Menschen mit IB lehnte man sich an eine der größten repräsentativen Studien
in der Population der Menschen mit Down Syndrom aus den Niederlanden an, welche
insgesamt 506 Personen mit Down Syndrom untersuchte und herausfand, dass die
Prävalenzraten bis zu einem Alter von 49 Jahren bei den betreffenden Personen bei ca. 9%
liegen, zwischen den Jahren 50 und 54 jedoch bereits auf 17.7% ansteigen und zwischen
55 und 59 bei 32.1% liegen (Coppus et al., 2006). Bezüglich der Prävalenzzahlen in der
allgemeinen Bevölkerung ist zu sagen, dass 5 bis 8% der Menschen über 65 Jahren von
Demenz betroffen sind, 15 bis 20% der Individuen über 75 Jahren und bis zu 50% der
Menschen über 85 Jahren (Duthey, 2013). Aufgrund dieser Werte wurde vorab
beschlossen, dass Personen in der Gruppe der Menschen mit IB ab 55 Jahren und
84
Interviewpartner/innen ohne IB ab einem Alter von 65 Jahren nicht in die Stichprobe
einzubeziehen.
Weiters wurde zuvor entschieden, dass es für die Durchführung der Interviews essentiell
ist, dass sich alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen ausreichend verbal äußern können (als
Kriterium hierfür wurde auf die Einschätzungen der zuständigen Betreuungspersonen in
den jeweiligen Einrichtungen zurückgegriffen) und keine diagnostizierten psychischen
Störungen vorliegen, welche ein Interview unzumutbar machen würden. Falls einer der
beiden zuvor genannten Punkte bei einer Interviewperson zugetroffen hat, so wurde diese
aus der Stichprobe ausgeschlossen. Von insgesamt 69 Interviewpersonen mussten aufgrund
der zuvor gesetzten Altersgrenzen neun Personen für die statistische Auswertung
ausgeschlossen werden und es konnten somit von insgesamt 60 Personen die Daten für die
Auswertung verwendet werden.
11.3 Ethische Kriterien der Durchführung
Heutzutage werden Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung immer häufiger in den
Forschungsprozess miteinbezogen, daher ist es bei empirischen Studien, ähnlich wie in
dieser Diplomarbeitsstudie, umso wichtiger, dass ethische Fragen, welche, wie im
vorliegenden Fall, das Interviewen von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung
betreffen, bereits bei der Planung der Studie bedacht werden (Perry, 2004). Es sollte
reflektiert werden, dass man die Zeit der betroffenen Personen in Anspruch nimmt und
persönliche Informationen bzw. Meinungen miteinbezieht. Unethisch wäre es, eine
Teilnahme von Personen mit IB zu erbitten, wenn das letztendliche Ziel der Studie nicht
auch das Ziel verfolgt, die generelle Situation von Menschen mit IB zu verbessern (Perry,
2004). Da im Falle der hier dargestellten Studie vor allem die Verbesserung der Situation
von Menschen mit IB im Blickfeld ist, kann davon ausgegangen werden, dass unter diesem
Gesichtspunkt die Studie als ethisch akzeptabel zu betrachten ist. Auch Bortz und Döring
(2006) reflektieren verschiedene Aspekte, welche für eine ethisch unbedenkliche
Untersuchung wichtig sind. Vor allem sollte bei der Planung und Durchführung der Studie
darauf geachtet werden, dass es zu keiner Verletzung der Privatsphäre der befragten
Personen kommt sowie zu keinerlei psychischen Belastung durch die Inhalte, welche
erfragt werden (Bortz & Döring, 2006). Bereits bei der Planung der vorliegenden Studie
wurde dabei auf die Vermeidung beider Aspekte großen Wert gelegt. Auch Perry (2004)
und Bortz und Döring (2006) sind der Ansicht, dass die betroffene Interviewperson vorab
informiert werden muss, dass alle Daten vertraulich behandelt werden und die Anonymität
85
gewährleistet wird. Dieser Anspruch wurde auch in der hier beschriebenen Diplomarbeit
stets beachtet. Um die Anonymität und den Datenschutz zu gewährleisten, wurden keine
vollständigen Namen der Klienten/innen eingeholt, sondern ausschließlich Codes
(bestehend aus zwei Nummern und zwei Ziffern) notiert, sowie im Anschluss an die
Untersuchung keine Rückmeldung zu den Ergebnissen einzelner Teilnehmer und
Teilnehmerinnen gegeben.
Zudem ist es sehr wichtig, dass bevor die Einwilligung der Person eingeholt wird, das Ziel
der Studie in einfacher und klarer Sprache erläutert wird, und welche Bedeutung eine
Teilnahme bzw. Nicht-Teilnahme an der Studie haben könnte. Teilnehmer/innen sollten
jedoch keinesfalls überredet werden und es dürfen keine nachteiligen Folgen bei einem
Ausstieg aus der Studie auftreten. Zudem sollen alle Informationen für eine Einwilligung
auch verbal präsentiert werden, wenn die Person nicht lesen oder schreiben kann und alle
Personen sollen die Möglichkeit erhalten Fragen zu stellen (Perry, 2004). Bezüglich der
Einwilligung der Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung wurden vorab alle
wichtigen Informationen zur Studie allen Wohnbereichsleitern und –leiterinnen präsentiert
sowie ein Schreiben in einfacher Sprache und mit Bildmaterial für die Bewohner und
Bewohnerinnen ausgehändigt. Bei Interesse an einer Studienteilnahme wurden die
relevanten Informationen von den Bereichsleitern/innen an die Bezugsbetreuer und –
betreuerinnen in den einzelnen Einrichtungen weitergeleitet und gebeten, dass der Wunsch
für eine Teilnahme von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung in der jeweiligen
Einrichtung erhoben wird. Dazu wurde das vorgefertigte Schreiben in einfacher Sprache
mit visuellem Bildmaterial ausgehändigt sowie in klarer Sprache durch die
Bezugsbetreuer/innen die Einwilligung der Klienten/innen eingeholt. Am Tag der
Interviews wurde zudem durch die Studienleiterin die Einwilligung von jeder bzw. jedem
Interviewpartner/in erneut verbal eingeholt. Hierzu war es notwendig, die Studie noch
einmal in einfacher und klarer Sprache zu erläutern sowie verständlich auszudrücken, dass
ein Abbruch des Interviews jederzeit möglich ist und keine negativen Konsequenzen
folgen würden. Alle Informationen wurden verbal präsentiert, da viele Personen aus der
Versuchsgruppe nicht lesen und/oder schreiben konnten. Es wurde hier besonders darauf
geachtet, dass die Interviewpartner und –partnerinnen genug Zeit bekommen haben, um
Fragen zu stellen und die Studienleiterin besser kennenzulernen. Auch Perry (2004) führt
an, dass es bei Menschen mit und ohne intellektuelle Beeinträchtigung generell eine
gewisse Ängstlichkeit am Beginn eines Interviews gibt und es wichtig ist, dass man nicht
sofort mit den eigentlichen Fragen beginnt, sondern sich ein paar Minuten Zeit nimmt, um
86
eine entspannte Gesprächssituation zu schaffen. Zudem sollte man sich selbst kurz
vorstellen und die wichtigsten Eckdaten der Untersuchung noch einmal erläutern (Perry,
2004).
Um psychische und körperliche Beeinträchtigungen durch das Interview zu vermeiden
(Bortz & Döring, 2006), wurde besonders darauf geachtet, dass die Datenerhebung in einer
ungestörten Atmosphäre (wie beispielsweise dem Zimmer der/des Klienten/in oder in
einem separaten Raum) stattfinden konnte und die Befragungszeit maximal eine Stunde
betrug, mit der Option auf benötigte Pausen.
11.4 Beschreibung der Erhebungsinstrumente
Inhalt des folgenden Kapitels ist die Beschreibung aller verwendeten
Erhebungsinstrumente, welche im Rahmen der Datensammlung genützt wurden. Alle
Unterlagen können auch im Anhang dieser Arbeit eingesehen werden.
11.4.1 Soziodemographischer Fragebogen.
Ein eigens erstellter Fragebogen wurde allen Studienteilnehmern und
Studienteilnehmerinnen zur Feststellung der soziodemographischen Daten vorgelegt.
Dieser Fragebogen wurde gemeinsam mit allen partizipierenden Personen ausgefüllt,
zudem wurde darauf geachtet, dass bei der Gruppe mit intellektueller Beeinträchtigung
beim Ausfüllen auch eine Unterstützungsperson anwesend war. Zu Beginn des
Fragebogens wurde sowohl schriftlich als auch mündlich noch einmal ausdrücklich
erläutert, dass sämtliche Angaben selbstverständlich vertraulich behandelt werden und
ausschließlich statistischen Zwecken dienen, um die Gesamtheit aller Teilnehmer/innen
besser beschreiben zu können. Anschließend wurden folgende Daten erfragt: Alter,
Geschlecht, Herkunftsland, aktueller Familienstand, aktuelle Wohnsituation, höchste
abgeschlossene Ausbildung, Erwerbstätigkeit, diagnostizierte psychische Erkrankungen,
sowie Angaben zu einer möglichen Sachwalterschaft. Bei Bejahung der letzten Frage
wurde zudem nach den Vertretungsbereichen und der Person des/der zuständigen
Sachwalters/in gefragt und zuletzt noch gebeten, Auskunft über die Zufriedenheit mit
dem/der Sachwalters/in auf einer 5-stufigen Skala (mit den Antwortalternativen: „sehr
unzufrieden“, „unzufrieden“, „weder noch“, „zufrieden“ und „sehr zufrieden“) zu geben
und das subjektive Gefühl des Miteinbezogenwerdens bei anstehenden Entscheidungen
ebenso auf einer 5-stufigen Skala (von „gar nicht“ bis „sehr“) einzuschätzen. Bei den
letzten beiden Fragen wurde eine Ratingskala mit einer verbalen Charakterisierung von
87
numerischen Abstufungen vorgenommen (Bortz & Döring, 2006). Zudem wurde darauf
geachtet, dass die Interviewteilnehmer/innen die Möglichkeit durch eine ungeradzahlige
Ratingskala mit einer neutralen Mittelkategorie erhalten, bei unsicheren Urteilen
ausweichen zu können (Bortz & Döring, 2006). Rohrmann (1978) erläutert, dass 5-stufige
Skalen in der Feldforschung am häufigsten präferiert werden (zitiert nach Bortz & Döring,
2006). In den verwendeten soziodemographischen Fragebogen kann im Anhang der
vorliegenden Arbeit Einsicht genommen werden.
11.4.2 “MacArthur Competence Assessment Tool-Treatment” (MacCAT-T).
Wie bereits im Kapitel 4.4.1 erläutert, ist das „MacArthur Competence Assessment Tool
for Treatment“ (kurz MacCAT-T) ein strukturiertes Interviewverfahren, welches die
Fähigkeiten von Patienten/innen für das Treffen von Entscheidungen zu erheben
ermöglicht, um zu überprüfen, ob die betreffende Person die Kompetenz hat in eine
Behandlung einzuwilligen (Grisso & Appelbaum, 1998).
Der MacCAT-T ist das finale Produkt, welches aus dem „MacArthur Civil Competence
Project“, einem Forschungsprogramm zum „Informed Consent“ und zu
Entscheidungskompetenzen von Patienten/innen zwischen 1989 bis 1997, entstanden ist
(Grisso & Appelbaum, 1998). Laut Grisso und Appelbaum (1998) gibt dieses
Interviewinstrument Ärzten/innen und anderen im Gesundheitsbereich arbeitenden
Berufsgruppen praktikable Richtlinien, um die Kompetenzen für das Treffen von
Entscheidungen im Kontext des „Informed Consent“ für eine Behandlung zu erheben. Die
Fähigkeiten der Patienten/innen sollen in insgesamt vier Bereichen erhoben werden (Grisso
& Appelbaum, 1998, S. 1f.):
1) “Understanding of treatment-related information, focusing on categories of
information that must be disclosed as required by the law of informed consent
2) Appreciation of the significance of the information for the patient`s situation, focusing
on the nature of the disorder and the possibility that treatment could be beneficial.
3) Reasoning in the process of deciding upon treatment, focusing on the ability to
compare alternatives in light of their consequences, including the ability to draw inferences
about the impact of the alternatives on the patient`s everyday life.
4) Expressing a choice about treatment.”
Das Informationsverständnis der befragten Person wird überprüft, indem dem Patienten
bzw. der Patientin alle notwendigen Fachinformationen unter der Benennung des Wesens,
88
der Nutzen, der Risiken und der Alternativen vermittelt werden. Anschließend wird die
Person vom Untersucher bzw. der Untersucherin gebeten, alle erhaltenen Informationen
mit eigenen Worten wiederzugegeben und dabei werden die gegebenen Antworten
entsprechend der Kriterien, die aus der Anleitung des Instruments entnommen werden
können, mit Punkten bewertet (Vollmann et al., 2008).
Anschließend wird das Urteilsvermögen überprüft. Dies besteht aus einer Aussprache
zwischen Arzt/Ärztin und Patient/in, wobei vor allem das Vorhandensein oder das Fehlen
der Fähigkeit bewertet wird, spezifische Konsequenzen aus den möglichen
Behandlungsalternativen zu ziehen (Vollmann et al., 2008). Dabei stehen verschiedene
Aspekte der Entscheidungsfindung im Fokus der Untersuchung, wie beispielsweise das
Bedenken der Folgen oder der Vergleich zwischen verschiedenen Möglichkeiten usw.
(Vollmann et al., 2008).
Die Prüfung der Krankheits- und Behandlungseinsicht, welche aus zwei Teilen besteht,
dient zur Feststellung, ob der Patient bzw. die Patientin die erhaltene Diagnose bzw. deren
Symptome anerkennt und er bzw. sie glaubt, dass diese Befunde auch tatsächlich auf die
Situation adäquat zutreffen. Anschließend wird gefragt, ob die betroffene Person
anerkennt, dass eine entsprechende Therapie bzw. eine medikamentöse Behandlung auch
tatsächlich einen Nutzen bringen kann (die sogenannte Behandlungseinsicht). Dabei wird
nur eine Beeinträchtigung festgestellt, wenn unlogische, bizarre oder wahnhafte Annahmen
von der befragten Person geäußert werden. Zuletzt wird dem Patienten bzw. der Patientin
noch die Frage gestellt, ob sich diese/r für oder gegen eine Behandlung entscheidet.
Wichtig beim MacCAT-T ist, dass alle Antworten in allen Abschnitten in Protokollform
wortgetreu dokumentiert werden und folgendermaßen ausgewertet werden: Zwei Punkte
werden vergeben, wenn adäquate Antworten gegeben werden, ein Punkt, wenn die
Antworten nur teilweise ausreichend sind und null Punkte für unzureichende Antworten
Es stehen jedoch keine Cut-Off- Werte zur Verfügung, welche über eine mögliche
Kompetenz oder Inkompetenz hinsichtlich der vier Fähigkeiten Aufschluss geben und
zudem gibt es keinen Total-Score, bei dem alle vier Werte der vier Standards
zusammengezählt werden (Grisso & Appelbaum, 1998). Dies ist wichtig, da die vier
erhaltenen Werte der vier Entscheidungsbereiche des MacCAT-T immer im
Zusammenhang mit anderen wichtigen klinischen Informationen bzw. Hintergrund- Daten
gesehen werden dürfen und nicht direkt in die Beurteilung der rechtlichen
89
Einwilligungs(un)fähigkeit übertragen werden können (Grisso & Appelbaum, 1998).
Vollmann übersetzte 1996 bzw. 1998 die MacCAT-T Record Form ins Deutsche
(Vollmann et al., 2008) und diese wurde auch für die hier präsentierte Studie verwendet.
11.4.3 Hypothetische Behandlungsvignetten.
Für die hier beschriebene Studie wurden zwei hypothetische und standardisierte
Fallvignetten aus dem „Assessment of Consent Capacity-Treatment“ (Cea & Fisher, 1999)
ausgewählt, ins Deutsche übersetzt, geringfügig ergänzt und anschließend verwendet.
Diese hypothetischen Fallvignetten wurden für die Studie mit dem Titel „Health care
decision-making by adults with mental retardation“ (Cea & Fisher, 2003) speziell für die
Gruppe der Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung und anhand der
Einwilligungsstandards nach Appelbaum und Roth entworfen. Alle
Behandlungssituationen repräsentieren risikoarme Wahlentscheidungen (Cea & Fisher,
2003). Die erste übernommene Vignette behandelt eine psychopharmakologische
Behandlung gegen aggressives Verhalten und die zweite eine medizinische Behandlung bei
einer Allergie. Die Auswahl für diese zwei Vignetten erfolgte aufgrund dessen, dass die
dritte mögliche Fallbeschreibung (eine zahnärztliche Behandlung für eine Zahlspange),
welche von Cea und Fisher (1999) entwickelt wurde, nach Ansicht der Autorin dieser
Diplomarbeit nicht für alle Personen heutzutage eine wirklich notwendige medizinische
Behandlung darstellt und bei einigen Personen zu einem Leidensdruck führen kann, jedoch
nicht bei allen. Die Entscheidung fiel daher auf die zwei anderen zuvor beschriebenen
Fallvignetten, welche wirkliche medizinische Probleme beinhalten, die im Alltag der
fiktiven Personen gravierende Folgen verursachen.
Beide Fallgeschichten wurden von der Autorin der Diplomarbeitsstudie als auch von einer
zweiten unabhängigen Person ins Deutsche übersetzt. Anschließend wurden beide
vorläufigen Übersetzungen Satz für Satz miteinander und nochmals mit der englischen
Originalversion verglichen. Nach einem intensiven Austausch der beiden
Übersetzungspersonen, in welchem sowohl Kritik als auch Anmerkungen und
Verbesserungsvorschläge als Kommentare vermerkt wurden, konnte man sich auf eine
gemeinsame Version einigen (siehe Anhang 6).
Aufgrund zeitlicher Ressourcen war es für diese Arbeit jedoch nicht möglich, beide
Vignetten erneut von zwei unabhängigen Personen ins Englische rück zu übersetzen.
Anhand dieses Schrittes könnte man ggf. Unklarheiten, welche im Zuge des
90
Übersetzungsprozesses aufgetreten wären, aufzeigen und anschließend mit der
Originalversion abgleichen. Als vorletzten Schritt im Übersetzungsprozess wäre es
sinnvoll eine Experten/innen-Kommission zu organisieren, welche sich aus
Spezialisten/innen aus verschiedenen Fachbereichen zusammensetzen und zu einzelnen
Übersetzungsteams zusammenzuführen. Aus dieser Kommission sollte die finale Version
der Übersetzung hervorgehen, welche in ersten Pilotstudien geprüft werden sollte. In der
letzten Phase wäre es die Aufgabe des Entwicklers bzw. der Entwicklerin zu überprüfen,
ob die letztgültige Übersetzung und der Prozess akzeptable waren bzw. sind.
Für die zwei Fallbeschreibungen, welche im Rahmen dieser Diplomarbeitsstudie
verwendet wurden, war es in Hinblick auf die spätere Vorgabe des MacCAT-T notwendig,
bei jeder Vignette kleine Ergänzungen vorzunehmen, um für das spätere Interview mehr
fiktive Krankheitsmerkmale zur Auswahl zu haben. Bei der Allergievignette wurden
folgende Sätze zusätzlich eingefügt: „Anna/Paul geht daher im Frühling und Sommer nur
selten aus dem Haus und möchte nicht mir ihren/seinen Freunden im Garten sein“. „Sie/er
ist auch sehr müde in der Arbeit“ und „Zudem kann der Arm nach jeder Spritze jucken
oder eine rote Farbe haben“. In der Aggressives-Verhalten-Vignette wurden folgende
Ergänzungen vorgenommen: „… und er/sie verliert viele Freunde“ und „Man weiß jedoch
jetzt noch nicht, wie gut dieses Medikament bei Georg/Laura wirkt“.
In einer kurzen Pilotphase vorab der eigentlichen Studie, in welcher besonders auf das
Verständnis der übersetzten Fallvignetten und auf die Fragen aus dem MacCAT-T geachtet
wurde, und bei der drei Personen mit intellektueller Beeinträchtigung sowie vier Personen
ohne IB rekrutiert werden konnten, wurde festgestellt, dass die Durchführung der
Interviews in dieser vorläufigen Form nur sehr schwer für Menschen mit IB möglich war.
Einerseits war es vor allem für die drei Personen mit IB problematisch, sich die
vielseitigen Informationen aus den Behandlungsvignetten über einen gewissen Zeitraum zu
merken, als auch das notwendige Einfühlungsvermögen für die Situation der fiktiven
Menschen aufzubringen und sich über eine längere Zeitspanne mit den dargebotenen
Behandlungssituationen zu beschäftigen. Personen der Kontrollgruppe ohne IB zeigten
hierbei keinerlei Probleme und konnten die präsentierten Informationen nach individueller
Rückmeldung gut verstehen und nach Einschätzung der Studienleiterin adäquat
wiedergeben. Aufgrund dieser Schwierigkeiten in der Gruppe der Menschen mit
intellektueller Beeinträchtigung sowie aufgrund von diversen Studienergebnissen (siehe
Fisher et al., 2012), welche herausfanden, dass visuelles Hilfsmaterial die Leistungen
91
hinsichtlich des Treffens von Entscheidungen bedeutend beeinflussen kann, wurde auch
für diese Diplomarbeitsuntersuchung ein umfangreiches visuelles Material angefertigt. Der
gesamte Inhalt der insgesamt vier Behandlungsvignetten (zwei Falldarstellungen für jedes
Geschlecht) wurde mithilfe von fotografischem Bildmaterial sowie mit einfachen und
konkreten Begriffen, besonders für die Zielgruppe, welche auch eine Lesekompetenz
aufweist, versucht darzustellen. Diese Hilfsunterlagen wurden jedoch nur ergänzend zur
verbalen Präsentation der Behandlungsvignetten herangezogen. Das bedeutet, dass alle
Informationen sowohl verbal als auch visuell bzw. mithilfe von einfachen geschriebenen
Begriffen, den Personen mit und ohne IB im Rahmen der hier beschriebenen
Diplomarbeitsstudie präsentiert wurden. Insgesamt vier Personen ohne IB wurde dieses
Unterstützungsmaterial vorab gezeigt und es wurde anschließend bewertet und diskutiert,
wie gut die verschiedenen Bilder die einzelnen verbalen Informationen wiederspiegeln und
ergänzen. Zusammenfassend wurde das visuelle Hilfsmaterial als sehr unterstützend und
positiv beschrieben, dennoch zeigten sich im Rahmen der Evaluation einige
Verbesserungsvorschläge, welche bei zukünftigen Untersuchungen bedacht werden sollten.
Vor allem das Bildmaterial zu den beiden Behandlungsvignetten, welche medizinische
Maßnahmen für eine Allergie betrachten, wurde von den vier Personen ohne IB als
deutlich besser und nachvollziehbarer beschrieben, als das visuelle Material für eine
Behandlung bei aggressivem Verhalten. Bereits bei der Entwicklung des Bildmaterials fiel
der Untersuchungsleiterin auf, dass sich die zwei zur Verfügung gestellten Personen,
welche den Inhalt der Vignetten wiederzugeben versuchten, deutlich leichter bei der
Darstellung der Allergie-Problematik taten, als der Akteur und die Akteurin, welche das
aggressive Verhalten zeigen sollten. Von den vier Personen wurde zudem kritisch
angemerkt, dass manche Inhalte, wie beispielsweise die Dauer einer Behandlung bzw. der
vorgeschlagene Einnahmezeitpunkt des Medikaments, nicht auch visuell, sondern nur
anhand von Begriffen dargestellt wurden. Als Verbesserungsmaßnahme wäre es hier
sinnvoll, beispielsweise ein Kalenderblatt bzw. den Sonnenstand (Sonnenaufgang und –
untergang) bildlich darzustellen, anhand dessen der Interviewperson ersichtlich wird, wie
lange die vorgeschlagene Behandlung andauert bzw. wann das Medikament (entweder in
Tabletten- oder Spritzenform) eingenommen bzw. verabreicht werden muss. Zudem wurde
betont, dass noch mehr auf den Gesichtsausdruck der Akteure/innen bei der Erstellung des
Materials geachtet werden sollte, besonders was die Darstellung des aggressiven
Verhaltens betrifft. Weiters sollten mehrere Personen für die Präsentation verschiedener
Inhalte miteinbezogen werden, wie beispielsweise bei der Darstellung der Problematik,
92
dass die fiktive Person mit Arbeitskollegen/innen streitet. Insgesamt wurde jedoch der
Großteil der Bilder als verständlich und unterstützend empfunden, was die ergänzende
Vorgabe beim Interview im Rahmen dieser Diplomarbeitsstudie gerechtfertigt hat.
11.4.4 “Frontal Assessment Battery” (deutsche Version; FAB-D).
Die „Frontal Assessment Battery“ (FAB; Dubois et al., 2000) ist eine kurz durchführbare
kognitive und Verhaltens-Batterie, welche wichtige Bereiche der exekutiven Funktionen
untersuchen soll und insgesamt aus sechs Untertests besteht, welche die folgenden Aspekte
abdecken: Konzeptualisierung, mentale Flexibilität, motorische Programme, Sensitivität
für Beeinflussungen, Hemmkontrolle und Umweltautonomie. Für die Durchführung
benötigt man ungefähr 10 Minuten (Dubois et al., 2000).
Laut den Autoren gehen derzeitige Theorien davon aus, dass die Frontallappen im
menschlichen Gehirn folgende Bereiche beeinflussen: Konzeptualisierung, abstraktes
Denken, mentale Flexibilität, motorische Programme, exekutive Kontrolle über
Handlungen, Resistenz für Beeinflussbarkeit, Selbstregulation, Hemmkontrolle und die
Umweltautonomie (Grafman, 1994; Lhermitte, Derouesné, & Signoret, 1972; Luria, 1966;
Milner, & Petrides, 1984; Stuss & Benson, 1986; Stuss, Eskes, & Foster, 1994; zitiert nach
Dubois et al., 2000). Jeder dieser Prozesse ist notwendig, um angemessenes zielgerichtetes
Verhalten durchführen zu können und für die Anpassung des subjektiven Verhaltens in
neuen oder schwierigen Situationen, welche mit dem präfrontalen Kortex verbunden sind.
Aus diesem Grund wurden von den Testautoren sechs Untertests entwickelt, jeder
verbunden mit den zuvor genannten Funktionen hinsichtlich der Frontallappen (Dubois et
al., 2000).
Laut Sgaramella et al. (2012) ist die Beurteilung der exekutiven Funktionen nicht nur für
die Diagnose von Gehirnbeeinträchtigungen hilfreich, sondern auch für deren Veränderung
über die Zeit sowie darüber hinaus auch für die Beschreibung der Fähigkeiten von
Individuen, adaptive Antwortreaktionen auf die Umwelt zu entwickeln und zu
koordinieren. Die verringerte Entwicklung der EF wurde auch bei Menschen mit IB in
unterschiedlichem Alter und aufgrund unterschiedlicher Ätiologie bereits nachgewiesen
(Sgaramella et al., 2012). Die Rolle der exekutiven Dysfunktionen bei
Entwicklungsstörungen wie Autismus oder bei ADHS konnte in bisherigen Studien die
Wichtigkeit der angemessenen Entwicklung von exekutiven Funktionen auch bei jungen
Kindern demonstrieren (Happé, Booth, Charlton, & Hughes, 2006; Ozonoff et al., 2004).
93
Jüngste Studien konnten bei Menschen mit Down Syndrom eine Bandbreite an exekutiven
Defiziten nachweisen (Lanfranchi, Jerman, Dal Pont, Alberti, & Vianello, 2010; Rowe,
Lavender, & Turk, 2006), hingegen bei Untersuchungen zum Williams Syndrom eher
unbeeinträchtigte Komponenten gezeigt werden (Menghini, Addona, Costanzo, & Vicari,
2010). Willner und Kollegen (2010a) konnten in einer kürzlich präsentierten
Validationsstudie zweier Batterien zu den exekutiven Funktionen zeigen, dass die Struktur
der EF bei Personen mit IB ähnlich jener der allgemeinen Bevölkerung ist.
Im Folgenden sollen nun die sechs Untertests der FAB genauer beschrieben werden
(Dubois et al., 2000).
1) Konzeptualisierung
Das abstrakte Denken eines Menschen ist vor allem bei Frontallappenläsionen
beeinträchtigt (Lhermitte et al., 1972; zitiert nach Dubois et al., 2000). Diese Funktion wird
heutzutage mit Hilfe von Kartensortier-Aufgaben (wie dem Wisconsin Card Sorting Test),
Sprichwortinterpretationen oder der Aufgabe, Ähnlichkeiten zu finden, erhoben (Lezak,
1995; Dubois et al., 2000). In der FAB müssen Teilnehmer/innen die Verbindungen
zwischen zwei Objekten derselben Kategorie finden (beispielsweise bei einem Apfel und
einer Banane). Besonders Personen mit Frontallappendysfunktionen können hier keinen
abstrakten Link zwischen den Items (z.B. Früchte oder Obst) herstellen, sondern bleiben
bei konkreten Aspekten der zwei Objekte hängen (wie beispielsweise, dass beide gelb
sind) oder können möglicherweise gar keine Verbindung der Begriffe finden (Dubois et al.,
2000).
2) Mentale Flexibilität
Diese geht davon aus, dass Menschen mit Frontallappenläsionen vor allem in Situationen,
welche keine Routine aufweisen, beeinträchtigt sind, in welchen selbstorganisierte
kognitive Strategien gebildet werden müssen (Shallice, 1988; Vérin et al., 1993; zitiert
nach Dubois et al., 2000). Wortflüssigkeitstests sind ungewohnt, erfordern
selbstorganisiertes Abrufen vom semantischen Gedächtnis und sind zudem für den/die
Untersucher/in leicht zu berechnen. In diesem Aufgabenbereich müssen die
Teilnehmer/innen so viele Wörter wie möglich innerhalb einer Minute nennen, welche mit
einem bestimmten Buchstaben beginnen (Dubois et al., 2000).
3) Motorische Programme
Patienten/innen mit Frontallappenläsionen sind bei Aufgaben, welche die zeitliche
Organisation, Aufrechterhaltung und Ausführung von erfolgreichen Handlungen betrifft,
94
beeinträchtigt (Jason, 1986; zitiert nach Dubois et al., 2000; Luria, 1966; Milner &
Petrides, 1984). In Lurias motorischen Serien (der Wiedergabe von drei Vorgaben mit der
Hand: Faust, Handkante und Handfläche), können weniger ernst beeinträchtigte
Patienten/innen die korrekte Abfolge der Serie nicht zeigen, wobei Menschen mit
schweren Beeinträchtigungen bereits im Lernstadium scheitern. In diesem Subtest wird die
motorische Serie von Luria durch den Untersucher bzw. die Untersucherin zuerst
vorgezeigt und anschließend wird die betroffene Person gebeten, alleine die korrekte
Abfolge vorzuzeigen (Dubois et al., 2000).
4) Sensitivität für Beeinflussungen
Defizite in der Verhaltensregulation können bei Aufgaben mit verbalen Anordnungen,
welche mit sensorischer Information in Konflikt stehen, untersucht werden. Dies trifft vor
allem beim Stroop Test zu, wo Personen die Farben von Begriffen nennen müssen,
während sie die Tendenz, diese Wörter zu lesen, unterdrücken müssen. Dies passiert auch
bei konflikthaften Instruktionen, in welchen der/die Teilnehmer/in konträre
Antwortreaktionen zu den gezeigten Signalen des/der Untersuchers/in zeigen muss-
beispielsweise, wenn der/ die Untersucher/in zweimal auf den Tisch klopft, darf der/die
Betroffene nur einmal klopfen. Menschen mit Frontallappenläsionen scheitern bei solchen
Aufgaben und zeigen häufig dieselben Bewegungen bzw. imitieren den/die Untersucher/in
anstatt konträre Verhaltensweisen zu zeigen (Stuss & Benson, 1986, zitiert nach Dubois et
al., 2000).
5) Hemmkontrolle
Die Zurückbehaltung von Antwortreaktionen ist meist für Patienten/innen mit
Beeinträchtigungen des ventralen Teils der Frontallappen schwierig (Rolls, Hornak, Wade,
& McGrath, 1994; zitiert nach Dubois et al., 2000). Dieses Problem, impulsives Verhalten
zu kontrollieren, kann mit Aufgaben, welche dem Go- No Go Prinzip folgen und
Teilnehmer/innen ihre Antwortreaktionen hemmen müssen, erklärt werden (Drewe, 1975;
zitiert nach Dubois et al., 2000). Als Beispiel kann an dieser Stelle angeführt werden, dass
wenn der/die Untersucher/in zwei Mal auf den Tisch klopft, die zu untersuchende Person
nicht klopfen darf.
6) Umweltautonomie
Patienten/innen mit Frontallappenläsionen sind häufig von Hinweisreizen aus der Umwelt
enorm abhängig (Lhermitte, Pillon, & Serdaru, 1986; zitiert nach Dubois et al., 2000).
Sensorische Stimuli können Antwortmuster hervorrufen, welche normalerweise gehemmt
werden. Im Falle der FAB legt der/die Untersucher/in beide Hände auf die Handflächen
95
des/der Patienten/in. Dies könnte bei der Untersuchungsperson nun das Verhalten auslösen,
die Hände der/des Untersuchers/in zu nehmen. Manchmal zeigt der/die Patient/in dieses
Verhalten, obwohl man ihr bzw. ihm ausdrücklich mitgeteilt hat, dies nicht zu tun. Dieses
abnormale Verhalten der spontanen Tendenz, die eigene Umwelt festzuhalten, zeigt den
Mangel an Hemmung, welche normalerweise vom präfrontal Kortex durch sensorische
Stimulation ausgelöst wird, in dem Verhaltensmuster aktiviert werden (Dubois et al.,
2000).
Für jeden Subtest können zwischen null und drei Punkten vergeben werden, wobei null
geratet wird, wenn der/die Teilnehmer/in keine korrekte Antwort(reaktion) gibt. Der FAB
Summenscore variiert von null bis 18 Punkten (Sgaramella et al., 2012). Der globale
Summenscore über alle Subtests gibt daher einen zusammengesetzten Wert an, welcher
Aussagen über die Schwere der dysexekutiven Syndrome macht, die einzelnen
individuellen Werte der Untertests zeigen aber ein deskriptives Bild der exekutiven
Dysfunktion (Sgaramella et al., 2012). Zudem können die Untertests in folgende Bereiche
gruppiert werden: kognitive (Konzeptualisierung und mentale Flexibilität), kontrollierte
(Go- No Go Aufgaben und Umweltautonomie) sowie motorische Programme (motorische
Programme und Sensitivität für Beeinflussbarkeit) (Sgaramella et al., 2012). Die FAB hat
laut Angaben der Autoren Sgaramella und Kollegen (2012) nicht nur das Potenzial, um
exekutive Funktionen herauszufiltern, sondern auch um ein dysexekutives Profil
festzustellen.
Um die Unterscheidungskraft der FAB zu untersuchen, wurden 121 Personen mit geringer,
moderater oder schwere Frontallappendysfunktionen untersucht. Die
Übereinstimmungsvalidität der FAB, welche zeigt, wie gut die Batterie die Existenz eines
Frontallappensyndromes evaluiert, wurde analysiert indem der FAB Totalscore mit den
Leistungen (1) im „Wisconsin Card Sorting Test“ (CST; Nelson, 1976), einem Test der
sensitiv gegenüber exekutiven Dysfunktionen zu sein scheint und der (2) „Mattis Dementia
Rating Scale“ (DRS; Mattis, 1988), einer globalen Skala, welche beschrieben wird, als ein
zu einem hohen Grad mit exekutiven Dysfunktionen bei neurodegenerativen Erkrankungen
korrelierendes Verfahren (Dubois et al., 2000). Die Untersuchungen zeigen, dass der FAB
Wert stark verbunden mit den Leistungen der Patienten in der Mattis DRS (rho= 0,82) und
dem Wisconsin CST (rho= 0,77 für die Anzahl der Kriterien) ist, welche beide
unterschiedliche kognitive Funktionen unter Frontallappenkontrolle untersuchen. Diese
Funktionen inkludieren Aktivierung, Konzeptualisierung und Aufmerksamkeit in der
96
Mattis DRS und Konzeptualisierung und kognitive Flexibilität im Wisconsin CST. Viele
Studien haben gezeigt, dass die Leistungen im Wisconsin CST mit funktionaler Aktivität
im präfrontalen Kortex zusammenhängen. Der FAB Wert zeigt jedoch weder
Korrelationen mit dem Mini-Mental-State Examination Wert (MMSE; Folstein, Folstein,
& McHugh, 1975), eine Messung für allgemeine kognitive Funktionen, noch mit dem
Alter. (Dubois et al., 2000)
Die Diskriminanzvalidität wurde untersucht, indem die Fähigkeit der FAB zwischen einer
Kontrollgruppe ohne Beeinträchtigungen und Menschen mit kognitiven
Beeinträchtigungen zu unterscheiden, verglichen wurde. Hier konnten gute Ergebnisse
erzielt werden, da die Leistungen der FAB in 89,1% der Fälle richtig identifiziert werden
konnten. Der FAB Globalwert erlaubt es jedoch nicht, zwischen Patienten/innen mit
vorwiegend subkortikalen oder kortikalen Dysfunktionen zu unterscheiden. (Dubois et al.,
2000)
Die Interraterreliabilität wurde untersucht, indem die Werte zweier unabhängiger
Untersucher/innen miteinander verglichen wurden. Hierbei zeigte sich ein Cronbach´s
Alpha mit 0,78, was für eine gute internale Konsistenz spricht und einer optimalen
Interrater Reliabilität mit κ= 0,87 (Dubois et al., 2000).
Kritik gibt es an der FAB, da keine Test-Retest-Reliabilität erfasst wurde. Zudem muss
darauf hingewiesen werden, dass es sehr hohe Korrelationen zwischen der FAB und Tests,
welche für Frontallappenfunktionen sensitiv erscheinen, gezeigt werden konnten aber nicht
zwischen der FAB und der MMSE. Es wäre daher notwendig zu zeigen, dass Menschen
ohne Frontallappenbeeinträchtigungen bessere Leistungen erzielen als Patienten/innen mit
Frontallappenbeeinträchtigungen, um definitiv zeigen zu können, dass die FAB ein
Messinstrument für Frontallappendysfunktionen ist. (Dubois et al., 2000)
Benke und Kollegen haben 2013 die FAB erstmals ins Deutsche übersetzt (FAB-D) und
einer deutschsprachigen Stichprobe von 401 kognitiv gesunden Personen in Tirol sowie in
angrenzenden Gebieten vorgegeben. Varianzanalysen zeigen, dass die Leistung in der
FAB-D stark vom Alter und der Schulbildung, jedoch nicht vom Geschlecht abhängt
(Benke et al., 2013). Zudem konnte gezeigt werden, dass die Interne Konsistenz in Bezug
auf die sechs Subtests mäßig ausgefallen ist (Cronbach`s Alpha mit 0,458) und keine
nennenswerten Korrelationen zwischen den Subtests gefunden werden konnten. Bezüglich
kognitiver Variablen ist zu sagen, dass der generelle kognitive Status, erhoben mit dem
97
MMSE-Wert (Folstein et al., 1975), nur schwach mit der FAB-D korreliert. Der FAB-D
Wert jedoch signifikant durch die neuropsychologischen Tests, welche die kognitive
Flexibilität und die Fähigkeit des Bereichswechsel erheben („Trail Making Test B“; TMT-
B) als auch durch das Planen und die Kontrolle („Clock Drawing Test“; CDT) sowie die
Rechenfähigkeiten und das episodisches Gedächtnis vorhergesagt werden kann. Im
Rahmen dieser Diplomarbeit wurde die deutsche Version der FAB für die Untersuchung
der exekutiven Funktionen herangezogen, welche im Anhang dieser Arbeit aufscheint.
11.5 Statistische Verfahren zur Datenverarbeitung und –auswertung
Nachfolgend werden alle statistischen Verfahren beschrieben, welche bei der Auswertung
der Ergebnisse zum Einsatz kamen. Mithilfe des Statistikprogramms SPSS („Statistical
Package for Social Science) in der Version 17.0 für Windows erfolgte die statistische
Auswertung der erhobenen Daten. Einerseits wurden sowohl deskriptivstatistische
Methoden zur Beschreibung der vorliegenden Stichprobe herangezogen, andererseits auch
inferenzstatistische Methoden für die Hypothesenprüfung und Beantwortung der zuvor
gestellten Fragestellungen verwendet. Beide Möglichkeiten sollen nun im folgenden
Abschnitt dem Leser bzw. der Leserin vorgestellt werden.
11.5.1 Deskriptivstatistische Methoden.
Mittels deskriptiver Statistik erfolgte die Beschreibung der erhobenen
Stichprobencharakteristika und besonders der Aspekte: Alter, Geschlecht, Herkunftsland,
aktueller Familienstand, aktuelle Wohnsituation, höchste abgeschlossene Ausbildung,
Erwerbstätigkeit, diagnostizierte psychische Erkrankungen, sowie Angaben und
Informationen zu einer möglichen Sachwalterschaft. Alle relevanten Informationen sollen
mittels statistischer Kennwerte (ᵡ²-Verteilung) veranschaulicht werden.
11.5.2 Inferenzstatistische Methoden.
11.5.2.1 Voraussetzungen für die verwendeten statistischen Verfahren.
Für die Anwendung multivariater Mehrfachmessungen sowie für die Verwendung
multivariater Varianzanalysen (MANOVA) müssen folgende Voraussetzungen gegeben
sein: Intervallskalenniveau der Daten, Homogenität der Varianzen und Kovarianzen, die
Normalverteilung der Daten pro Gruppe und Zeitpunkt, sowie die Sphärizität (Field, 2009).
98
Für die MANOVA ist zudem relevant, dass die beobachteten Daten unabhängig
voneinander sind und eine multivariate Normalverteilung, welche jedoch im SPSS-
Programm nicht überprüft werden kann, vorliegt (Field, 2009).
Zudem müssen für die multiple lineare Regression folgende Voraussetzungen betrachtet
werden: Einerseits muss die Linearität zwischen den abhängigen und den unabhängigen
Variablen gegeben sein und es muss ausgeschlossen werden, dass die Variablen perfekt
miteinander korrelieren. Zudem muss die Varianzhomogenität der Residuen (die
sogenannte Homoskedastizität) erfüllt sein. Der Durbin-Watson-Test kann dafür berechnet
werden, um Auskunft über mögliche Autokorrelationen zwischen den Residuen zu geben.
Dabei ist bei einem Wert von 2 anzunehmen, dass keine Autokorrelationen gegeben sind
(Field, 2009).
Die vorliegenden Daten können als intervallskaliert angenommen werden, da es sich bei
den vier erhobenen Leistungen des MacCAT-T sowie bei dem Wert für die exekutiven
Funktionen in der FAB-D um Daten handelt, welche mittels Punktesystem erfasst wurden
und somit einer stetigen Verteilung unterliegen.
Mit Hilfe des Kolmogorov-Smirnov-Tests (kurz KS-Test genannt) wurde die
Normalverteilung der Daten geprüft, dabei spricht ein nicht signifikantes Ergebnis (p >
0,05) für eine Normalverteilung pro Gruppe. Neben diesem Anpassungstest lässt sich die
Normalverteilung der Daten zudem auch optisch überprüfen, indem man sich die
erhobenen Daten auch in einem Histogramm anschaut (Field, 2006). Vor allem bei
kleineren Stichproben ist dieser Test jedoch wenig trennscharf, daher sollte man die
Ergebnisse nur mit Vorsicht interpretieren.
Um die Homogenität bzw. Gleichheit der Varianzen in einem intervallskalierten Merkmal
zu berechnen, wurden der Levene-Test und die Box-Tests im SPSS-Programm verwendet,
wobei auch hier die Voraussetzung als erfüllt gilt, wenn ein nicht signifikantes Ergebnis
vorliegt (p > 0,05) (Field, 2009).
Um zu überprüfen, ob die Differenzen zwischen den zwei Messbedingungen dieselbe
Varianz aufweisen, wurde die Sphärizität berechnet. Hierbei sollte wiederum ein nicht
signifikantes Ergebnis (p > 0,05) vorliegen.
Die vorgesehenen Verfahren wurden bei Verletzung der eben genannten Voraussetzungen
dennoch durchgeführt, da laut Field (2009) und Bortz und Döring (2006) multivariate
99
Analysen (mit Messwiederholung) sehr robust gegenüber diesen sind, besonders dann,
wenn die Stichproben ähnlich groß sind, und darüber hinaus keine geeigneten
parameterfreien Verfahren für die Berechnung und Beantwortung der zuvor gestellten
Fragestellungen zur Verfügung stehen. Die Voraussetzungsergebnissen werden jeweils bei
der Hypothesenprüfung beschrieben.
11.5.2.2 Statistische Verfahren für die Berechnung der Unterschiedshypothesen.
In dieser Studie wurde für die Berechnung von Unterschiedshypothesen, mit welchen die
Fragestellungen 1 und 2 beantwortet werden sollen, Mixed-Design ANOVAs
herangezogen. Diese ANOVA oder auch Varianzanalyse genannt, dient dem statistischen
Vergleich von mehreren Gruppenmittelwerten, dabei handelt es sich bei der Mixed-
ANOVA um eine Kombination aus Varianzanalysen mit mehreren unabhängigen
Variablen (UVs) und einer ANOVA mit Messwiederholung. Im Fall der vorliegenden
Untersuchung wurde dieses Design gewählt, obwohl keine zwei Messzeitpunkte vorlagen,
dennoch dasselbe Interview mit zwei unterschiedlichen Vignetten und unter zwei
unterschiedlichen Bedingungen (einmal mit und einmal ohne Unterstützungsperson) der
gleichen Gruppe von Personen vorgegeben wurde. Es handelt sich daher um abhängige
Daten, ähnlich einer Messwiederholung.
Bei allen Berechnungen, welche für diese Studie durchgeführt wurden, wurde das
Signifikanzniveau (p) auf 0,05 festgelegt. Der für die Varianzanalyse wichtige statistische
Kennwert (F-Wert) kann als signifikant angenommen werden, bei einem p-Wert kleiner als
0,05. Zudem ist das partielle Eta-Quadrat η² (bzw. auch als Effektstärke bekannt) ein
wichtiger Wert, welcher den prozentuellen Anteil der erklärten Varianz an der
Gesamtvarianz angibt, was bedeutet, dass die Effektstärke der Ergebnisse angezeigt
werden kann. Laut Cohen (1988) kann ein η² von 0,01 als schwacher, ein η² von 0,06 als
mittlerer und ein η² von 0,14 als starker Effekt interpretiert werden.
Vor allem Post-Hoc-Tests sind bei signifikanten Ergebnissen der zuvor durchgeführten
Varianzanalysen sinnvoll, um anschließend ermitteln zu können, welche Mittelwerte sich
konkret signifikant voneinander unterscheiden.
Für die Berechnung der Fragestellungen 3 und 4 wurde eine multivariate Varianzanalyse
(MANOVA) verwendet. Bei diesem Verfahren werden die Auswirkungen einer UV auf
mehrere AVs berechnet. Hierzu wurden ebenso anschließende Post-Hoc-Tests berechnet,
um signifikante Gruppenmittelwertsunterschiede genauer betrachten zu können.
100
11.5.2.3 Statistische Verfahren zur Berechnung der Einflusshypothesen.
Mit Hilfe von multiplen linearen Regressionen ist es möglich, eine Beziehung zwischen
einer abhängigen Variable (kurz AV) und mehreren unabhängigen Variablen (kurz UVs)
zu eruieren. Dabei gibt der berechnete Varianzanteil der unabhängigen Variablen an den
abhängigen Variablen Auskunft über die Einflussgüte der UVs. Für die Berechnung der
fünften Fragestellung kam dieses statistische Verfahren zum Einsatz. Im Rahmen dieser
Diplomarbeit wurde die Methode der schrittweisen Regressionsanalyse verwendet, da hier
die Möglichkeit besteht, Variablen nacheinander in das Modell aufzunehmen bis keine
Korrelationen mehr signifikant sind.
101
12. Ergebnisse
Im Folgenden sollen die relevanten Ergebnisse der vorliegenden wissenschaftlichen Studie,
welche in Österreich durchgeführt wurde, dargestellt werden. Zu Beginn soll ein Überblick
über die soziodemographischen Daten der Stichprobe gegeben werden, sowie daran
anschließend die inferenzstatistischen Ergebnisse, welche die zuvor gestellten
Fragestellungen beantworten sollen, präsentiert werden.
12.1 Beschreibung der Stichprobe
Die Datenerhebung fand von November 2013 bis Jänner 2014 statt. Dabei konnten
insgesamt 70 Personen aus den Bundesländern Wien, Oberösterreich, Niederösterreich und
Salzburg rekrutiert werden. Insgesamt neun Personen mussten jedoch aus der Gruppe der
Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung für die Datenauswertung ausgeschlossen
werden, da diese eine sehr wichtige Voraussetzung für die Studienteilnahme nicht
erfüllten, da sie zum Zeitpunkt des Interviews über 55 Jahre alt waren. Es mussten keine
Datensätze aufgrund unvollständiger oder zweifelhafter Angaben aussortierte werden und
lediglich eine Person hat das Interview auf eigenen Wunsch abgebrochen. Bei allen,
insgesamt 60 resultierenden, befragten Personen konnten beide Interviewbedingungen an
einem Tag durchgeführt werden. Zwischen den Interviewbedingungen wurde es den
partizipierenden Personen freigestellt, eine kurze Pause zu machen.
12.1.1 Aufteilung der Untersuchungsgruppen.
Von den insgesamt 60 teilnehmenden Personen, welche beide hypothetischen Vignetten
vorgegeben bekommen haben, konnten 20 Personen (33%) der Kontrollgruppe (KG),
welche sich aus Menschen ohne intellektuelle Beeinträchtigung und ohne jegliche
Inanspruchnahme einer Betreuungsform zusammensetzen, insgesamt 18 Personen (30%)
der Versuchsgruppe 1 (VG1), welche Personen mit intellektueller Beeinträchtigung in
einem teilbetreuten Wohnsetting miteinschließt, und 22 Personen (37%) der
Versuchsgruppe 2 (VG2), die Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung in einem
vollbetreuten Wohnarrangement umfasst, zugeordnet werden.
12.1.2 Geschlecht.
Die Gesamtstichprobe der vorliegenden Arbeit bestand aus 28 männlichen (47%) und 32
weiblichen (53%) Personen. Bezüglich der Geschlechteraufteilung der Stichprobe
gesplittet in drei Gruppen (VG1, VG2 und KG) lässt sich feststellen, dass in der KG
102
(Gruppe ohne IB und ohne Betreuung) neun männliche (45%) und 11 weibliche (55%)
Personen waren, in der VG1 (Menschen mit IB mit Teilbetreuung) sieben Männer (39%)
und 11 Frauen (61%) und in der VG2 (Menschen mit IB mit Vollbetreuung) 12 Männer
(55%) und 10 Frauen (45%). Bezüglich der Verteilung der Geschlechter unterschieden sich
die drei Gruppen nicht signifikant voneinander, (ᵡ² (2, N = 60) = 1,01, p > 0,05).
12.1.3 Alter.
In der Stichprobe der Menschen mit IB, welche in einer teilbetreuten Einrichtung leben
(VG1), lag das durchschnittliche Alter bei 42,44 (SD= 8,69). Die jüngste Person in dieser
Gruppe war 28 Jahre, die älteste 55 Jahre alt. Bei Menschen mit IB in einer vollbetreuten
Einrichtung (VG2) lag der Mittelwert des Alters bei 42,32 (SD= 10,64). 20 Jahre alt war in
dieser Gruppe die jüngste Person und wiederum 55 Jahre die älteste. Bei Personen in der
Kontrollgruppe lag der Durchschnittswert bei 33,15 (SD= 13,38). In der letzten Gruppe
war der/die jüngste Teilnehmer/in 18 Jahre und die älteste Interviewperson 59 Jahre. Für
eine bessere Veranschaulichung der Daten siehe Abbildung 2.
Abbildung 2. Gesamtstichprobe bezogen auf das Alter
Der Kolmogorov-Smirnov-Anpassungstest mit einem N= 60 (MW= 39,30, SD= 11,785)
und einem p = 0,337 > 0,05 zeigt, dass von einer Normalverteilung des Alters über die
gesamte Stichprobe ausgegangen werden kann. Aufgeteilt auf die Gruppen (KG, VG1 und
VG2) kann zudem die Normalverteilung in jeder Gruppe angenommen werden.
103
12.1.4 Herkunftsland.
Alle befragten Personen (100%) der Gesamtstichprobe gaben Österreich als ihr
Herkunftsland an.
12.1.5 Höchste abgeschlossene Ausbildung.
In der Kontrollgruppe gab die Mehrheit der Teilnehmer/innen (n= 8, 40%) die
Antwortmöglichkeit „Matura“ als höchste abgeschlossen Ausbildung an, dicht gefolgt von
sieben Personen (35%), welche die Kategorie „Universität/Fachhochschule“ ausgewählt
haben, vier Personen (20%) mit „Lehre/Berufsschule“ als höchst beendete
Ausbildungsform und zuletzt eine Person (5%) welche berichtet, die „Pflichtschule“
abgeschlossen zu haben.
In der Versuchsgruppe 1 (Menschen mit IB mit Teilbetreuung) gaben von insgesamt 18
Personen, 10 (56%) an, dass sie die Sonderschule beendet haben. Sieben
Interviewteilnehmer/innen (39%) haben die Kategorie der „Pflichtschule“ als
Antwortmöglichkeit gewählt und zuletzt eine Person (6%), welche die
„Lehre/Berufsschule“ besucht hat.
In der Gruppe der Menschen mit IB in einem vollbetreuten Setting haben insgesamt 17 der
22 Personen (77%) die Möglichkeit der „Sonderschule“ als höchste abgeschlossene
Ausbildung angegeben. Drei Personen (13%) haben die Pflichtschule absolviert, eine (5%)
die Volksschule und eine weitere Person (5%) hat keine abgeschlossene Ausbildung.
Bezugsnehmend auf den höchsten Schulabschluss in der Verteilung der drei untersuchten
Gruppen zeigt sich ein signifikanter Unterschied, (ᵡ² (12, N = 60) = 56,61, p < 0,05).
12.1.6 Erwerbstätigkeit.
22 von 22 Personen (100%) arbeiten in der Gruppe der Menschen mit IB und mit
Vollbetreuung in einer Werkstätte.
Insgesamt 17 von 18 Menschen (94%) arbeiten auch in der VG1 in einer Werkstätte. Nur
eine Person (6%) hat angegeben, berufstätig zu sein.
In der Kontrollgruppen (Menschen ohne IB) gab die Hälfte der befragten Personen (n = 10,
50%) an, berufstätig zu sein. Acht Menschen (40%) befinden sich noch in Ausbildung und
zwei Personen (10%) sind zum Zeitpunkt der Erhebung in Karenz. Ein ᵡ²- Test zeigt, dass
104
sich die drei Gruppen bezüglich der Verteilung hinsichtlich der Erwerbstätigkeit
signifikant voneinander unterscheiden, (ᵡ² (6, N = 60) = 56,12, p < 0,05).
12.1.7 Familienstand.
Bei der Frage zum derzeitigen Familienstand, haben in der Kontrollgruppe insgesamt neun
Personen (45%) die Kategorie „verheiratet“ gewählt, gefolgt von sechs Teilnehmer/innen
(30%), welche sich derzeit in einer Beziehung befinden, vier (20%) alleinstehenden
Personen und einer (5%) geschiedenen Person.
In der VG1 waren insgesamt 10 Partizipierenden (56%) in einer Beziehung, sechs
Personen (33%) alleinstehend und zwei Personen (11%) haben die Kategorie „verheiratet“
beim Familienstand angegeben.
Der Großteil der Menschen in der VG2 mit 16 Personen (73%) wählte die
Antwortmöglichkeit „alleinstehend“ aus, gefolgt von fünf Interviewteilnehmer/innen
(23%) mit dem Beziehungsstatus „in einer Beziehung“ und einer Person (4%), welche
verheiratet ist.
Bei der Überprüfung der Verteilung konnte herausgefunden werden, dass sich die KG, die
VG1 und die VG2 hinsichtlich des Familienstandes signifikant voneinander unterscheiden,
(ᵡ² (6, N = 60) = 22,17, p < 0,05).
12.1.8 Wohnsituation.
Bezugnehmend auf die Wohnsituation der Gesamtstichprobe gaben alle Personen der VG1
(100%) und alle Personen der VG2 (100%) an, derzeit in einer teilbetreuten (18 Personen)
oder in einer vollbetreuten (22 Personen) Einrichtung von einer Institution oder einem
Verein in Österreich zu leben.
In der Kontrollgruppe lebten zum Zeitpunkt der Erhebung 14 Personen (70%) mit dem
Partner bzw. der Partnerin zusammen. Drei Menschen (15%) leben in einer
Wohngemeinschaft, zwei Teilnehmer/innen (10%) bei den Eltern und eine Person (5%)
alleine. In Bezug auf die Wohnsituation von KG, VG1 und VG2 zeigen sich hinsichtlich
der Verteilung signifikante Unterschiede, (ᵡ² (8, N = 60) = 60,00, p < 0,05).
105
12.1.9 Psychische Erkrankung.
Keine Person der Kontrollgruppe (100%) hat angegeben, an einer psychischen Erkrankung
zu leiden. Eine Person der VG1 (6%) und zwei Personen der VG2 (9%) haben beim
Interview erläutert, dass sie an einer psychischen Erkrankung leiden. Diese
Beeinträchtigungen wären jedoch nach Auskunft der betroffenen Personen sowie auch
nach Angaben der anwesenden Unterstützungspersonen zum Zeitpunkt der Testung
keinesfalls beeinträchtigend und würden die Ergebnisse der Untersuchung nicht verzerren.
Hierbei zeigen sich zwischen den Gruppen keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich
der Verteilung, (ᵡ² (2, N = 60) = 1,84, p < 0,05).
12.1.10 Sachwalterschaft.
12 von insgesamt 18 Personen (67%) der Versuchsgruppe 1 haben zum Zeitpunkt der
Erhebung angegeben, von einem Sachwalter bzw. einer Sachwalterin vertreten zu werden.
In der VG2 haben von insgesamt 22 Personen, 18 (82%) eine Sachwalterschaft in
Anspruch genommen. Keine Person (100%) der Kontrollgruppe wird von einem
Sachwalter bzw. einer Sachwalterin vertreten (siehe Abbildung 3).
Abbildung 3. Anzahl an aufrechten Sachwalterschaften in den Gruppen mit IB (VG1=
Teilbetreuung; VG2= Vollbetreuung)
In der Gruppe der Menschen mit IB und mit einer Teilbetreuung nützen von 18 Personen,
acht (44%) den/die Sachwalter/in bei der Vertretung vor Behörden, Ämtern und privaten
Vertragspartner/innen, 12 Personen (67%) werden auch bei finanziellen Angelegenheiten
106
vertreten, neun (50%) im medizinischen Bereich, sieben (39%) im sozialen Bereich und
weitere sieben (39%) bei der Bestimmung des Wohnorts (siehe Abbildung 4).
Abbildung 4. Aufgabenbereiche der Sachwalter/innen in der Gruppe der Menschen mit IB
und Teilbetreuung
In der VG2 wird der/die Sachwalter/in von der Mehrheit (n=18, 82%) bei finanziellen
Fragen miteinbezogen, gefolgt von 16 Personen (73%), wo die Sachwalterschaft bei
medizinischen Angelegenheiten beantragt wurde. Weitere 16 Menschen (73%) mit IB und
Vollbetreuung werden von einem/einer Sachwalterin bei Behördengängen etc. unterstützt.
Im Bereich des Sozialen und bei der Bestimmung des Wohnorts werden insgesamt 13 von
22 Personen (60%) vertreten (siehe Abbildung 5).
Abbildung 5. Aufgabenbereiche der Sachwalter/innen in der Gruppe der Menschen mit IB
und Vollbetreuung
107
Die Aufgabe der Sachwalterschaft haben in der VG2 mit 14 Personen (78%) vorwiegend
nahestehende Personen aus der Familie inne und nur vier Personen (22%) werden durch
eine Person aus einem Sachwalterverein vertreten.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass 35% aller befragten
Personen mit IB nicht genau wussten, welche Aufgaben ihr/e Sachwalter/in hat. Die
dargelegten Informationen stammen daher weitestgehend von den anwesenden
Unterstützungspersonen.
In der VG1 werden sechs Personen (50%) von einer nahestehenden Person, zwei
Interviewteilnehmer/innen (17%) von einem Sachwalterverein, drei (25%) von einem/r
Rechtanwalt/Rechtsanwältin und eine weitere Person (8%) von einem ehemaligen
Zivildiener vertreten.
12.1.10.1 Zufriedenheit mit Sachwalter/in.
Insgesamt 24 von 30 Personen (80%), welche von einem Sachwalter bzw. einer
Sachwalterin vertreten werden, geben an, sehr zufrieden mit der Tätigkeit dieser bzw.
dieses zu sein. Drei Teilnehmer/innen (10%) haben bei dieser Frage die Antwortalternative
„zufrieden“ gewählt und weitere drei Personen (10%) geben „weder noch“ an.
12.1.10.2 Subjektives Gefühl des Miteinbezogenwerdens bei Entscheidungen.
Bezüglich des subjektiven Gefühls bei anstehenden Entscheidungen vom/von der/dem
Sachwalter/in miteinbezogen zu werden, antworten 20 Personen (67%) mit „sehr“, drei
Personen (10%) mit „ziemlich“, weitere drei Personen (10%) mit „mittelmäßig“ und
nochmals drei Personen (10%) mit „ein wenig“. Eine Person (3%) gibt bei dieser Frage an,
dass sie sich „gar nicht“ miteinbezogen fühlt.
12.2 Ergebnisse zu den Fragestellungen und Hypothesen
Im folgenden Abschnitt wird sowohl auf die Ergebnisdarstellung als auch auf die
Beantwortung der zuvor gestellten Fragestellungen näher eingegangen. Zudem sollen die
Voraussetzungen für die jeweils verwendeten statistischen Verfahren geprüft und auch
deren Ergebnisse präsentiert werden.
108
12.2.1 Fragestellung 1 und 2.
Zur Überprüfung der Fragestellung 1, ob es einen signifikanten Unterschied zwischen den
drei Gruppen (vollbetreut, teilbetreut und keine Betreuung) in Bezug auf die
Selbstbestimmungsfähigkeit bei gesundheitsbezogenen Entscheidungen (vier Standards des
MacCAT-T) gibt und der Fragestellung 2, welche betrachtet, ob es einen signifikanten
Unterschied zwischen der Bedingung mit einer Unterstützungsperson und der Bedingung
ohne eine Unterstützungsperson bei den drei Gruppen in Bezug auf die
Selbstbestimmungsfähigkeit bei gesundheitsbezogenen Entscheidungen gibt, konnten
dieselben unabhängigen sowie abhängigen Variablen für die Berechnung einer Mixed-
Design ANOVA herangezogen werden.
Die Voraussetzungen für die Berechnung dieses Verfahrens waren nur teilweise gegeben,
dennoch wurde diese statistische Methode für die Berechnung verwendet, da laut den
Autoren Field (2009) und Bortz und Döring (2006) multivariate Analysen mit
Messwiederholung gegenüber Voraussetzungsverletzungen sehr robust sind und zudem
keine geeigneten parameterfreien Verfahren der Autorin zur Verfügung standen.
Zu den Voraussetzungen ist im Detail zu sagen, dass das Intervallskalenniveau der
abhängigen Variablen, welche sich aus den vier Standards sowie dem Gesamtwert des
MacCAT-T einmal mit und einmal ohne die Anwesenheit einer Unterstützungsperson
zusammensetzen, als gegeben angenommen werden kann. Der durchgeführte KS-Test, der
die Normalverteilung der Daten für die erste als auch für die zweite Interviewbedingung
der prüft, zeigt jedoch bei einigen Skalen signifikante Ergebnisse, was bedeutet, dass diese
Voraussetzung nur teilweise erfüllt ist (siehe Tabelle 3).
109
Tabelle 3
KS-Testergebnisse für die vier Standards und den Gesamtwert aus dem MacCAT-T
Betreuungsform
MW
(ohne UP d
/ mit UP)
SD ᵇ
(ohne UP
/ mit UP)
Signifikanz
(p)
(ohne UP /
mit UP)
Informations-
verständnis ᶜ
Kontrollgruppe 5,95 / 6,00 0,22 / 0,00 0,00 / -
Teilbetreuung 4,84 / 5,49 1,26 / 0,73 0,309 /
0,064
Vollbetreuung 4,32 / 4,80 0,99 / 0,69 0,683 /
0,862
Krankheits- &
Behandlungs-
einsicht
Kontrollgruppe 3,95 / 4,00 0,22 / 0,00 0,00 / -
Teilbetreuung 3,17 / 3,44 0,99 / 0,70 0,156 /
0,031
Vollbetreuung 2,27 / 2,77 0,88 / 0,92 0,043 /
0,181
Urteils-
vermögen
Kontrollgruppe 8,00 / 8,00 0,00 / 0,00 - / -
Teilbetreuung 5,22 / 6,06 2,05 / 2,01 0,444 /
0,269
Vollbetreuung 3,00 / 4,05 1,69 / 1,39 0,808 /
0,459
Treffen einer
Wahl
Kontrollgruppe 2,00 / 2,00 0,00 / 0,00 - / -
Teilbetreuung 2,00 / 2,00 0,00 / 0,00 - / -
Vollbetreuung 1,86 / 1,95 0,35 / 0,21 0,00 / 0,00
Gesamt
Kontrollgruppe
19,90 /
20,00 0,31 / 0,00 0,00 / -
Teilbetreuung
15,28 /
16,94 3,86 / 3,14
0,691 /
0,365
Vollbetreuung
11,45 /
13,48 3,21 / 2,18
0,992 /
0,890
a Mittelwert (MW) b Standardabweichung (SD) c Range (Informationsverständnis: 0-6; Krankheits- und Behandlungseinsicht: 0-4; Urteilsvermögen: 0-8; Eine Wahl
treffen: 0-2, Gesamtpunkteanzahl: 0-20) d ohne Unterstützungsperson (ohne UP) und mit Unterstützungsperson (mit UP); für die Kontrollgruppe werden
nur die Werte ohne UP jedoch für beide Fallvignetten angegeben
110
Der Test von Mauchly zeigt, dass die Voraussetzung der Sphärizität für den Haupteffekt
der vier Standards, (ᵡ²(5)= 79,693, p < 0,05), sowie für die Wechselwirkung zwischen
Selbstbestimmungsfähigkeit und der Anwesenheit der Unterstützungsperson, (ᵡ²(5)=
51,613, p < 0,05), zudem gebrochen ist. Daher wurden die Freiheitsgrade mit Hilfe der
Greenhouse- Geisser Schätzung korrigiert (ε= 0,525 und ε= 0,658). Weiters ist der Levene-
Test, der die Homogenität der Varianzen überprüft, ebenso bei allen Standards des
MacCAT-T mit p < 0,05 signifikant. Das bedeutet, dass diese Voraussetzung nicht
gegeben ist. Der Box-M-Test demonstriert jedoch für alle vier Standards in allen
Vergleichsgruppen kein signifikantes Ergebnis (p > 0,05), was bedeutet, dass die
Homogenität der Kovarianzen als gegeben angenommen werden kann.
Für die Mixed-Design ANOVA werden als Innersubjektvariablen einerseits die vier
Standards aus dem MacCAT-T (Informationsverständnis, Krankheits- und
Behandlungseinsicht, Urteilsvermögen und das Treffen einer Wahl) und andererseits die
Anwesenheit der Unterstützungsperson (ja, nein) angegeben. Als Zwischensubjektfaktor
wird die Betreuungsform (keine, Teilbetreuung, Vollbetreuung) verwendet.
Folgende Variablen wurden dabei zuvor definiert:
UV1: Betreuungsform (keine Betreuung, Vollbetreuung, Teilbetreuung)
UV2: Anwesenheit der Unterstützungsperson (ja, nein)
AV: Gesundheitsbezogene Selbstbestimmungsfähigkeit (Informationsverständnis,
Krankheits- und Behandlungseinsicht, Urteilsvermögen und das Treffen einer Wahl)
Die Ergebnisse der Mixed-Design ANOVA (korrigiert durch die Greenhouse-Geisser
Schätzung) in Bezug auf die Leistungen im MacCAT-T zeigen (siehe Tabelle 4), dass es
einen signifikanten Haupteffekt für die gesundheitsbezogene Selbstbestimmungsfähigkeit
gibt (F (1.574, 89,731)= 439,943, p < 0,05, η²= 0,885). Das bedeutet, wenn man die
Variable der Anwesenheit der Unterstützungsperson ignoriert, sich die Leistungen
(Informationsverständnis, Krankheits- und Behandlungseinsicht, Urteilsvermögen und eine
Wahl treffen) im MaCAT-T signifikant voneinander unterscheiden. Zudem ist auch die
Anwesenheit der Unterstützungsperson ein signifikanter Haupteffekt (F (1, 57)= 43,919, p
< 0,05, η²= 0,435). Dies weist darauf hin, dass sich die zwei Unterstützungsbedingungen
signifikant voneinander unterscheiden. Mit diesem Ergebnis kann die Nullhypothese der
Fragestellung 2 verworfen und die Alternativhypothese angenommen werden, welche
111
besagt, dass es einen signifikanten Unterschied zwischen den beiden
Unterstützungsbedingungen in den zwei Gruppen (Teilbetreuung, Vollbetreuung) in Bezug
auf die vier Leistungen im MacCAT-T gibt. Dies bedeutet, dass sich beide
Unterstützungsbedingungen in den Gruppen mit Teilbetreuung und Vollbetreuung
signifikant voneinander unterscheiden. Bei Betrachtung der deskriptiv statistischen
Ergebnisse in Tabelle 5 ist zu erkennen, dass sich alle vier Leistungen des MacCAT-T
sowohl in der Gruppe der Menschen mit IB und in einer Teilbetreuung als auch bei
Personen mit IB und Vollbetreuung in der zweiten Bedingung mit der Anwesenheit einer
Unterstützungsperson signifikant gesteigert haben.
Zudem ergeben sich signifikante Interaktionseffekte zwischen den vier Leistungen im
MacCAT-T und der Betreuungsform (F (3,148)= 43,862, p < 0,05, η² = 0,606), sowie
zwischen den vier Leistungen im MacCAT-T und der Anwesenheit der
Unterstützungsperson, (F (1,973, 112,469)= 6,518, p < 0,05, η²= 0,103). Diese
signifikanten Interaktionseffekte der beiden Variablen bedeuten, dass „beide Faktoren
nicht einfach additiv, sondern in anderer Weise zusammenwirken“ (Bortz & Döring,
2006). Die dreifache Wechselwirkung zwischen den vier Leistungen im MacCAT-T, der
Anwesenheit der Unterstützungsperson und der Betreuungsform ist jedoch nicht
signifikant, (F (3,946)= 1,964, p > 0,05, η²= 0,064).
112
Tabelle 4
Statistische Ergebnisse der Mixed-Design ANOVA
F Effekt-df /
Fehler-df
Signifikanz
(p) η²
Tests der
Innersubjekteffekte
4 439,943 1,574 /
89,731
0,000 0,885
4 Skalen *
Betreuungsform
43,862 3,148 0,000 0,606
Unterstützungsperson 43,919 1 / 57 0,000 0,435
4 Skalen * Anwesenheit
der UP
6,518 1,973/
112,469
0,002 0,103
4 *Anwesenheit
der UP ᵇ *
Betreuungsform
1,964 3,946 0,106 0,064
Test der
Zwischensubjekteffekte
Betreuungsform 49,850 2 / 57 0,000 0,636
4 Skalen des MacCAT-T (Informationsverständnis, Krankheits- & Behandlungseinsicht, Urteilsvermögen und das
Treffen einer Wahl)
ᵇ Anwesenheit der Unterstützungsperson (UP)
113
Für die bessere Darstellung und für das genauere Verständnis der signifikanten
Interaktionseffekte werden im Folgenden die Interaktionsdiagramme dargestellt (siehe
Abbildung 6).
Laut Bortz und Döring (2006) kann angenommen werden, dass aufgrund der zuvor
gezeigten Interaktionsdiagramme (siehe Abbildung 6) hier eine ordinale Interaktion
vorliegt. Diese ist gekennzeichnet dadurch, „dass die Grafen beider Interaktionsdiagramme
zwar nicht parallel, aber doch gleichsinnig verlaufen (z.B. beide aufsteigend, beide
abfallend)“ (Bortz & Döring, 2006, S. 534). Die Identifizierung des Interaktionstyps ist
deswegen von Bedeutung, um signifikante Haupteffekte interpretieren zu können. Im Falle
einer ordinalen Interaktion kann man signifikante Haupteffekte global interpretieren sowie
dabei über die Stufen des zweiten Faktors hinweg Aussagen generalisieren (Bortz &
Döring, 2006). Im Fall der vorliegenden Haupteffekte würde dies bedeuten, dass die
Anwesenheit der Unterstützungsperson in den zwei Gruppen mit IB (Teilbetreuung und
Vollbetreuung) zu einer besseren Leistung im MacCAT-T führt sowie alle vier Leistungen
des MacCAT-T in der Kontrollgruppe deutlich besser sind, als in der Gruppe der
teilbetreuten Personen und die Leistungen in der teilbetreuten Gruppe besser sind als in der
Gruppe der vollbetreuten Personen mit IB.
Betrachtet man dazu die deskriptiven Statistiken (siehe Tabelle 5) so ist ersichtlich, dass in
der Kontrollgruppe alle vier Kompetenzen des MacCAT-T um eine gesundheitsbezogene
Entscheidung treffen zu können in beiden Interviewbedingungen fast komplett gegeben
Abbildung 6. Interaktionsdiagramme für die Faktoren Betreuungsform und Anwesenheit der
Unterstützungsperson
114
waren. Lediglich beim Informationsverständnis sowie bei der Krankheits- und
Behandlungseinsicht kam es zu einem geringen Anstieg bei der Vorgabe der zweiten
Fallvignette. In der Gruppe der teilbetreuten Personen mit IB kam es bei den Standards
Informationsverständnis, Krankheits- und Behandlungseinsicht sowie beim
Urteilsvermögen zu einem Anstieg des Mittelwerts zwischen den zwei Bedingungen „ohne
Unterstützungsperson“ und „mit Unterstützungsperson“. Personen aus dieser Gruppe
erreichten bei drei von vier Kompetenzen höhere Werte mit einer Unterstützungsperson.
Lediglich bei der vierten Leistung „eine Wahl zu treffen“, wurde von allen Personen in
beiden Bedingungen die volle Punkteanzahl im Interview erreicht. Bei der dritten Gruppe
(VG2- Vollbetreuung) kam es bei allen vier Standards des MacCAT-T zu einer
Leistungssteigerung in der Bedingung „mit Unterstützungsperson“. In dieser Gruppe
wurde bei keiner der vier Einwilligungskompetenzen die volle Punkteanzahl erreicht.
115
Tabelle 5
Deskriptiv statistische Ergebnisse des MacCAT-T
MW
a
ohne UP d / mit UP
SD b
ohne UP / mit UP
Informationsverständnis c
Kontrollgruppe 5,9500 / 6,000 0,22361 / 0,000
Teilbetreuung 4,8389 / 5,4994 1,26358 / 0,72983
Vollbetreuung 4,3159 / 4,8023 0,98505 / 0,68565
Krankheits- und
Behandlungseinsicht
Kontrollgruppe 3,9500 / 4,000 0,22361 / 0,000
Teilbetreuung 3,1667 / 3,444 0,98518 / 0,70479
Vollbetreuung 2,2727 / 2,7727 0,88273 / 0,92231
Urteilsvermögen
Kontrollgruppe 8,000 / 8,000 0,000 / 0,000
Teilbetreuung 5,222 / 6,0556 2,04524 / 2,01384
Vollbetreuung 3,000 / 4,0455 1,69031 / 1,39650
Eine Wahl treffen
Kontrollgruppe 2,000 / 2,000 0,000 / 0,000
Teilbetreuung 2,000 / 2,000 0,000 / 0,000
Vollbetreuung 1,8636 / 1,9545 0,35125 / 0,21320
Gesamt e
Kontrollgruppe 19,900 / 20,000 0,30779 / 0,000
Teilbetreuung 15,2833 / 16,9444 3,85979 / 3,14647
Vollbetreuung 11,4523 /13,4841 3,21212 / 2,17756
a Mittelwert (MW) b Standardabweichung (SD) c Range (Informationsverständnis: 0-6; Krankheits- und Behandlungseinsicht: 0-4; Urteilsvermögen: 0-8; Eine
Wahl treffen: 0-2, Gesamtpunkteanzahl: 0-20) d ohne Unterstützungsperson (ohne UP) und mit Unterstützungsperson (mit UP); für die Kontrollgruppe werden
nur die Werte ohne UP jedoch für beide Fallvignetten angegeben e Gesamtwert: Summe der MacCAT-T Skalen
Der Test auf Zwischensubjekteffekte zeigt, dass es einen signifikanten Haupteffekt für die
Betreuungsform gibt, was bedeutet, dass sich die drei Betreuungsformen (keine,
Teilbetreuung und Vollbetreuung) signifikant voneinander unterscheiden, (F (2, 57)=
116
49,850, p < 0,05, η²= 0,636). Dieses Ergebnis zeigt, dass die Nullhypothese, welche besagt,
dass es keinen signifikanten Unterschied in der Selbstbestimmungsfähigkeit bei
gesundheitsbezogenen Entscheidungen zwischen den drei Gruppen (Kontrollgruppe,
Teilbetreuung und Vollbetreuung) in den vier Standards des MacCAT-T gibt, verworfen
werden kann und die Alternativhypothese angenommen werden darf. Das bedeutet, dass
sich die drei Gruppen hinsichtlich der vier Leistungen des MacCAT-T signifikant
voneinander unterscheiden.
Der Games-Howell Post-Hoc-Test, welcher anschließend verwendet wurde, da keine
Varianz- Gleichheit angenommen werden konnte, demonstriert, dass sich die
Kontrollgruppe von der Gruppe der „Teilbetreuung“ in Bezug auf das
Informationsverständnis (p < 0,05) sowie auch von der Gruppe der „Vollbetreuung“
signifikant unterscheidet (p < 0,05). Die Gruppe der „Teilbetreuung“ sich jedoch nicht
signifikant von der Gruppe der Menschen mit Vollbetreuung in Bezug auf das
Informationsverständnis unterscheidet (p = 0,072). Zudem konnte gezeigt werden, dass
sich die Kontrollgruppe in Bezug auf die Krankheits- und Behandlungseinsicht von der
Gruppe der Menschen mit IB und Teilbetreuung (p < 0,05) als auch von der Gruppe der
Menschen mit IB und Vollbetreuung (p < 0,05) signifikant unterscheidet. Zudem gibt es
einen signifikante Unterschied zwischen der Gruppe der „Teilbetreuung“ und der Gruppe
der „Vollbetreuung“ bei diesem Standard (p = 0,007). Hinsichtlich des Urteilsvermögens
unterscheiden sich alle drei Gruppen signifikant voneinander. Die Kontrollgruppe mit der
Gruppe der teilbetreuten Personen mit IB (p < 0,05), die Kontrollgruppe mit vollbetreuten
Personen mit IB (p < 0,05) und die Gruppe der Menschen mit IB in Teilbetreuung mit den
Personen in Vollbetreuung (p = 0,001). In Bezug auf die vierte Kompetenz (eine Wahl zu
treffen) unterscheiden sich alle drei Gruppen nicht signifikant voneinander (p = 0,228).
12.2.2 Fragestellung 3.
Für die Beantwortung der Fragstellung 3, ob es einen signifikanten Unterschied zwischen
den drei Gruppen (vollbetreut, teilbetreut und Kontrollgruppe) hinsichtlich der sechs
exekutiven Funktionen sowie des Gesamtwerts aus der FAB-D gibt, wird eine multivariate
Varianzanalyse berechnet, wobei die Variable der Betreuungsform (keine Betreuung,
Teilbetreuung und Vollbetreuung) den Zwischensubjektfaktor dargestellt. Als abhängige
Variablen fungieren hier die sechs exekutiven Funktionen als auch der Gesamtwert der
FAB-D. Zudem werden sowohl das Geschlecht, als auch das Alter und die höchste
abgeschlossene Ausbildung als Kovariaten in die Berechnung miteinbezogen.
117
Um eine multivariate Varianzanalyse durchführen zu können, müssen die beobachteten
Daten unabhängig sein und Intervallskalenniveau aufweisen, zudem müssen eine
multivariate Normalverteilung sowie die Homogenität der Varianzen gegeben sein.
Aus Tabelle 6 kann entnommen werden, dass aufgrund der signifikanten Ergebnisse im
Kolmogorov-Smirnov-Test von keiner Normalverteilung der Daten ausgegangen werden
kann. Um die Homogenität der Kovarianzmatritzen zu überprüfen, wurden sowohl der
Levene-Test als auch der Box-Test durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen mit einer
Fehlerwahrscheinlichkeit von α = 0,05, dass aufgrund der signifikanten Ergebnisse für
keine der Variablen die Homogenität der Varianzen angenommen werden kann. Die
MANOVA wurde dennoch durchgeführt, da laut Field (2009) und Bortz und Döring
(2006) multivariate Analysen eine starke Robustheit gegenüber solchen Verletzungen
aufweisen.
Tabelle 6
KS-Testergebnisse für die sechs Skalen und den Gesamtwert der FAB-D und für die drei
Bereiche (Kognition, Kontrolle und motorische Programme)
MW SD ᵇ Signifikanz (p)
Konzeptualisierung 1,97 0,956 0,004
Formallexikalische
Wortflüssigkeit 1,80 1,054 0,005
Motorische Serien 2,28 0,885 0,000
Sensitivität für
Beeinflussungen 1,53 1,241 0,008
Hemmungskontrolle 1,33 1,271 0,002
Umweltautonomie 2,95 0,220 0,000
Gesamtscore 11,87 4,862 0,029
Bereich Kognition 3,7667 1,90776 0,009
Bereich Kontrolle 4,2833 1,32884 0,003
Bereich Motorische
Programme 3,8167 1,98718 0,019
a Mittelwert (MW) b Standardabweichung (SD)
118
Die statistischen Ergebnisse der MANOVA zeigen, dass sich die drei Betreuungsformen
hinsichtlich der exekutiven Funktionen signifikant voneinander unterscheiden (F (12,
100)= 4,696, p < 0,05, η²= 0,360). Das Alter (F (6, 49)= 0,469, p > 0,05) und das
Geschlecht (F (6, 49)= 0,701, p > 0,05) konnten nicht als Kovariaten identifiziert werden,
aber die höchste abgeschlossene Ausbildung schon F (6, 49)= 0,289, p < 0,05, η²= 0,289).
Dies bedeutet, dass die H1 angenommen werden kann, welche besagt, dass es einen
signifikanten Unterschied zwischen den drei Gruppen (keine Betreuung, Teilbetreuung und
Vollbetreuung) bezogen auf die sechs Leistungen und den Gesamtwert der FAB-D gibt.
Der Games-Howell Post-Hoc-Test, welcher anschließend verwendet wurde, da keine
Varianz- Gleichheit angenommen werden konnte, zeigt, dass sich alle drei Gruppen
(Kontrollgruppe, Vollbetreuung und Teilbetreuung) hinsichtlich der Fähigkeit der
Konzeptualisierung signifikant voneinander unterscheiden (p = 0,00 für den Unterschied
zwischen der Kontrollgruppe und der mit Teilbetreuung sowie zwischen der
Personengruppe der Kontrollgruppe und jener mit Vollbetreuung und p = 0,001 für den
Unterschied zwischen der teil- und der vollbetreuten Gruppe). Zudem unterscheiden sich
die drei Gruppen auch in der Leistung der formallexikalischen Wortflüssigkeit signifikant
voneinander (mit p < 0,05 für den Unterschied zwischen der Kontrollgruppe und der
Gruppe mit Teilbetreuung sowie zwischen der Kontrollgruppe und jener mit Vollbetreuung
und p = 0,004 für den Unterschied zwischen der Gruppe der Teilbetreuten und der
vollbetreuten Personen). Hinsichtlich der motorischen Serien unterscheidet sich die
Kontrollgruppe von der Gruppe mit Teilbetreuung (p = 0,004) als auch von der Gruppe mit
Vollbetreuung (p < 0,05) signifikant voneinander, nicht jedoch die Gruppe der
Teilbetreuten von der Gruppe der Vollbetreuten (p = 0,133). Alle drei Gruppen
(Kontrollgruppe, Teilbetreuung und Vollbetreuung) unterscheiden sich hinsichtlich der
Sensitivität für Beeinflussungen signifikant voneinander (p < 0,05). Die drei Gruppen
unterscheiden sich zudem signifikant hinsichtlich der Fähigkeit der Hemmungskontrolle
voneinander (p < 0,05). Es konnte kein signifikanter Unterschied bei den drei Gruppe in
Bezug auf den Subtest der Umweltautonomie gefunden werden (p = 0,187). Zuletzt
unterscheiden sich alle drei Gruppen auch hinsichtlich des Gesamtscores der FAB-D
signifikant voneinander (p < 0,05).
Bei der Betrachtung der deskriptiven Statistiken (siehe Tabelle 7) wird ersichtlich, dass
alle Leistungen bezüglich der exekutiven Funktionen in der Kontrollgruppe am höchsten
ausgefallen sind, außer beim Untertest der Umweltautonomie, wo auch die Gruppe mit IB
119
und Teilbetreuung die maximale Punkteanzahl erreicht hat. Menschen mit IB und
Teilbetreuung erzielen in allen Bereichen (außer dem Subtest der Umweltautonomie)
schlechtere Ergebnisse als Menschen ohne IB und Personen mit Vollbetreuung erbringen
insgesamt die schlechtesten Leistungen in allen Subtests der FAB-D als auch beim
Gesamtscore.
In nachfolgender Tabelle 7 sollen die deskriptiv statistischen Ergebnisse präsentiert
werden.
Tabelle 7
Deskriptiv statistische Ergebnisse der FAB-D
Keine
Betreuung
MW (SD ᵇ)
Teilbetreuung
MW (SD ᵇ)
Vollbetreuung
MW (SD ᵇ)
Konzeptualisierung 3 (0,000) 1,89 (0,471) 1,09 (0,750)
Formallexikalische
Wortflüssigkeit 3 (0,000) 1,61 (0,698) 0,86 (0,640)
Motorische Serien 3 (0,000) 2,22 (0,878) 1,68 (0,839)
Sensitivität für
Beeinflussungen 2,95 (0,224) 1,22 (0,878) 0,50 (0,740)
Hemmungskontrolle 2,90 (0,308) 0,94 (0,802) 0,23 (0,429)
Umweltautonomie 3 (0,000) 3 (0,000) 2,86 (0,351)
Gesamtscore 17,85 (0,366) 10,89 (2,720) 7,23 (1,688)
a Mittelwert (MW) b Standardabweichung (SD)
12.2.3 Fragestellung 4.
Für die Beantwortung der Fragestellung, ob es einen signifikanten Unterschied zwischen
den drei Gruppen (vollbetreut, teilbetreut und Kontrollgruppe) hinsichtlich der drei
Bereiche der exekutiven Funktionen (Kognition, Kontrolle und motorische Programme)
gibt, wird wiederum eine multivariate Varianzanalyse berechnet, wobei erneut die Variable
der Betreuungsform (keine, Teilbetreuung und Vollbetreuung) den Zwischensubjektfaktor
darstellt. Als abhängige Variablen dienen hier die drei Bereiche (Kontrolle, Kognition und
motorische Programme) der exekutiven Funktionen der FAB-D. Zur Kontrolle werden
120
dabei folgende Subtests gezählt: Hemmungskontrolle und Umweltautonomie. Zur
Kognition die Untertests: Konzeptualisierung und formallexikalische Wortflüssigkeit, und
zu den motorischen Programmen: motorische Serien und die Sensitivität für
Beeinflussungen. Zudem werden erneut sowohl das Geschlecht, als auch das Alter und die
höchste abgeschlossene Ausbildung als Kovariaten in die Berechnung miteinbezogen.
Für die MANOVA wurden wiederum diverse Voraussetzungsprüfungen durchgeführt,
wobei auch hier aufgrund der signifikanten Ergebnisse im Kolmogorov-Smirnov-Test
(siehe Tabelle 6) von keiner Normalverteilung der Daten ausgegangen werden kann. Um
die Homogenität der Kovarianzmatritzen zu überprüfen, wurden wiederum der Levene-
Test als auch der Box-Test berechnet. Erneut fiel der Levene-Test, welcher die
Homogenität der Varianzen prüft, bei allen drei Variablen signifikant aus. Der Box-Test
zeigte jedoch kein signifikantes Ergebnis, was für die Homogenität der Kovarianzmatritzen
spricht (p = 0,213).
Die MANOVA wurde, obwohl Voraussetzungsverletzungen vorliegen, dennoch aufgrund
der guten Robustheit des Verfahrens durchgeführt.
Die statistischen Ergebnisse zeigen, dass sich die drei Betreuungsformen hinsichtlich der
Bereiche Kontrolle, Kognition und motorische Programme signifikant voneinander
unterscheiden, (F (6, 106)= 8,433, p < 0,05, η²= 0,323). Wiederum kann die höchste
abgeschlossene Ausbildung als signifikante Kovariate festgestellt werden F (3, 52)= 3,388,
p < 0,05, η²= 0,164), nicht jedoch das Geschlecht und das Alter. Somit kann hier erneut die
Alternativhypothese angenommen werden, welche besagt, dass es einen signifikanten
Unterschied zwischen den drei Gruppen (keine Betreuung, Teilbetreuung und
Vollbetreuung) bezogen auf die drei Bereiche Kontrolle, Kognition und motorische
Programme der FAB-D gibt.
Erneut wird der Games-Howell Post-Hoc-Test angewandt, da auch für diese Berechnung
keine Varianz-Gleichheit angenommen werden konnte, und dieser zeigt, dass sich alle drei
Gruppen (keine, Vollbetreuung und Teilbetreuung) hinsichtlich aller drei Bereiche
(Kognition, Kontrolle und motorische Programme) signifikant voneinander unterscheiden.
Die Signifikanzwerte liegen dabei zwischen p = 0,00 bis p = 0,030.
In der nachfolgenden Tabelle 8 sollen die deskriptiv statistischen Werte demonstriert
werden. Die besten Leistungen wurden in allen drei Bereichen von der Kontrollgruppe
121
erbracht, gefolgt von der Gruppe mit IB, welche in einem teilbetreuten Setting lebt, und
zuletzt von den Personen mit IB und Vollbetreuung.
Tabelle 8
Deskriptiv statistische Ergebnisse der FAB-D bezogen auf die 3 Bereiche
Kontrollgruppe
MW (SD ᵇ)
Teilbetreuung
MW (SD ᵇ)
Vollbetreuung
MW (SD ᵇ)
Kognition 6 (0,000) 3,500 (0,98518) 1,9545 (1,09010)
Motorische
Programme 5,95 (0,22361) 3,444 (1,61690) 2,1818 (1,29601)
Kontrolle 5,90 (0,30779) 3,9444 (0,80237) 3,0909 (0,52636)
a Mittelwert (MW) b Standardabweichung (SD)
12.2.4 Fragestellung 5.
Fragestellung 5 betrachtet den möglichen Einfluss der exekutiven Funktionen auf die
Selbstbestimmungsfähigkeit bei gesundheitsbezogenen Entscheidungen (4 Standards). Um
diese Hypothese zu prüfen wurde zu Beginn eine schrittweise lineare Regression
durchgeführt, um geeignete Prädiktoren für die allgemeine gesundheitsbezogene
Selbstbestimmungsfähigkeit (MacCAT-T Gesamtwert) zu finden. Daran anschließend
wurden Interkorrelationen der Prädiktoren, welche für die Vorhersage der
Selbstbestimmungsfähigkeit ermittelt wurden und den vier Skalen des MacCAT-T
(Informationsverständnis, Krankheits- und Behandlungseinsicht, Urteilsvermögen und eine
Wahl zu treffen) sowie des MacCAT-T Gesamtwertes gebildet, um tendenzielle Werte für
die Vorhersage der bereits genannten Skalen zu ermitteln. Die Modellprüfung wurde
mittels multipler linearer Regression durchgeführt, bei der die einzelnen Prädiktoren
(Konzeptualisierung, formallexikalische Wortflüssigkeit, motorische Serien, Sensitivität
für Beeinflussungen, Hemmungskontrolle und Umweltautonomie) miteinbezogen wurden
(siehe Tabelle 9).
Dabei konnte die Normalverteilung der standardisierten Residuen, ermittelt durch den
Durbin- Watson Test mit einem Wert von DW=1,196, angenommen werden, da kein
Hinweis auf eine mögliche Autokorrelation bestand und somit die akzeptable
Unabhängigkeit der Residuen als gegeben betrachtet werden kann. Hinsichtlich der
122
Modellprüfung, welche mit F (4, 55)= 48,304, p < 0,05) signifikant ausgefallen ist, konnten
insgesamt vier Prädiktoren mit Erklärungswert eruiert werden (siehe Tabelle 9). Zudem
wurden die Toleranzwerte der Prädiktoren ermittelt und diese lagen im Modell 4 bei einem
T-Wert von maximal 0,92. Da diese Werte jeweils unter 1 sind und damit noch im
unauffälligen Bereich liegen, kann von keiner Multikollinearität ausgegangen werden. Die
vier Prädiktoren (formallexikalische Wortflüssigkeit, Sensitivität für Beeinflussungen,
Konzeptualisierung und die Umweltautonomie) weisen eine erklärte Varianz von R²=
77,8% (korrigiertes R²= 76,2%) hinsichtlich der gesundheitsbezogenen
Selbstbestimmungsfähigkeit auf. Die Variablen motorische Serien und
Hemmungskontrolle wurden als mögliche Prädiktoren aus dem Modell ausgeschlossen, da
sie keinen signifikanten Wert aufwiesen.
123
Tabelle 9
Modellprüfung mittels multipler linearer Regression
Modellᵃ R R² B SEᵇ B T
Signifi
kanz
(p)
Tᶜ
¹(Kons-
tante) 9,15 0,69 13,2 0,00
FL WF 0,81 0,65 3,48 0,33 0,81 10,4 0,00 1,00
²(Kons-
tante)
9,26
8 0,61 15,283 0,00
FL WF 1,99
5 0,45 0,46 4,485 0,00 0,43
SFB 0,86 0,74 1,67 0,38 0,46 4,42 0,00 0,43
³ (Kons-
tante) 8,48 0,69 12,26 0,00
FL WF 1,35 0,52 0,31 2,58 0,013 0,29
SFB 1,44 0,38 0,39 3,77 0,00 0,39
KZ 0,87 0,76 1,17 0,54 0,25 2,17 0,034 0,33
4 (Kons-
tante) 0,22 3,98 0,05 0,957
FL WF 1,31 0,51 0,31 2,59 0,012 0,29
SFB 1,32 0,37 0,36 3,54 0,001 0,39
KZ 1,15 0,52 0,24 2,20 0,032 0,33
UA 0,88 0,78 2,89 1,37 0,14 2,12 0,040 0,92
ᵃ AV: allgemeine gesundheitsbezogene Selbstbestimmungsfähigkeit (Gesamtwert MacCAT-T)
ᵇ Standardfehler (SE)
ᶜ Toleranz (T): Einschätzung der Multikollinearität
KZ = Konzeptualisierung, FL WF= Formallexikalische Wortflüssigkeit, MS= Motorische Serien, SFB=
Sensitivität für Beeinflussungen, HK= Hemmungskontrolle, UA= Umweltautonomie
ɑ = 0,05
Da nun im letzten Schritt die Prädiktoren für die allgemeine gesundheitsbezogene
Selbstbestimmungsfähigkeit ermittelt wurden, können nun Korrelationsanalysen berechnet
werden, in denen annähernde Vorhersagewerte für die vier Skalen des MacCAT-T
(Informationsverständnis, Krankheits- und Behandlungseinsicht, Urteilsvermögen und eine
Wahl zu treffen) sowie für den MacCAT-T Gesamtwert ermittelt werden. In Tabelle10 soll
ein Überblick über die Ergebnisse der Korrelationsanalysen gegeben werden. Da jedoch
mehrere statistische Signifikanztestungen mit denselben Daten durchgeführt wurden,
124
musste vorab eine Bonferroni-Korrektur (Alpha-Fehler-Kummulierung) angewandt
werden, um es den einzelnen Tests zu erschweren, statistische Signifikanz aufzuweisen.
Hierfür wurde das Alpha-Niveau von 0,05 durch die Anzahl der durchgeführten Tests
dividiert.
Für die bessere Veranschaulichung wurden pro Zeile bzw. Skala jeweils die höchsten
Werte fett hervorgehoben.
Tabelle 10
Ergebnisse der Korrelationsanalysen in Bezug auf die FAB-D und den MacCAT-T
FAB-D Subtests
KZ FL WF MS SFB HK UA
Informations
-verständnis 0,692 0, 4 0,570 0,645 0,641 0,064
Krankheits-
und
Behandlungs
-einsicht
0,602 0,654 0,615 0, 0, 0,394
Urteils-
vermögen 0,801 0,809 0,626 0, 0,807 0,448
Eine Wahl
treffen 0,234 0,322ᵇ 0,248 0,286ᵇ 0,243 0,298ᵇ
Gesamtwertᵃ 0,778 0, 0,650 0,805 0,792 0,367
ᵃGesamtwert: Summe der MacCAT-T Skalen
ᵇnach Alpha-Fehler-Adjustierung nicht mehr signifikant
KZ = Konzeptualisierung, FL WF= Formallexikalische Wortflüssigkeit, MS= Motorische Serien, SFB= Sensitivität
für Beeinflussungen, HK= Hemmungskontrolle, UA= Umweltautonomie
bei ɑ= 0,01 (2-seitig) signifikante Korrelationen
Wie aus Tabelle 10 hervorgeht, zeigen die Leistungen in der FAB-D einen überaus hohen
Zusammenhang mit drei von vier Skalen des MacCAT-T. Dies bedeutet, dass die H0
hinsichtlich drei von vier Entscheidungskompetenzen aus dem MacCAT-T verworfen
werden kann, da sie davon ausgeht, dass es keinen signifikanten Einfluss der exekutiven
Funktionen auf die gesundheitsbezogene Selbstbestimmungsfähigkeit gibt. Für eine Skala
125
(eine Wahl treffen) muss die H0 jedoch beibehalten werden, da hier keine signifikanten
Zusammenhänge berichtet werden können. Den geringsten Zusammenhang weisen die
exekutiven Funktionen mit dem Treffen einer Wahl auf. Dies legt die Vermutung nahe,
dass exekutive Funktionen für die gesundheitsbezogene Selbstbestimmungsfähigkeit eine
hohe Vorhersagekraft besitzen, ausgenommen für die Fähigkeit, eine Wahl zu treffen. Vor
allem bezogen auf das Urteilsvermögen zeigt die Sensitivität für Beeinflussungen die
potenziell höchste Vorhersagekraft (r= 0,832) für die Skala. Einen weiteren sehr hohen
Zusammenhang zeigt die Fähigkeit der Formallexikalischen Wortflüssigkeit mit der Skala
des Informationsverständnisses im MacCAT-T (r= 0,724). Diese Fähigkeit der exekutiven
Funktionen zeigt zudem den höchsten Zusammenhang mit dem Gesamtwert des MacCAT-
T (r= 0,807). Weitere sehr hohe Zusammenhänge mit dem Standard der Krankheits- und
Behandlungseinsicht weisen sowohl die Sensitivität für Beeinflussungen als auch die
Hemmungskontrolle mit jeweils einem r= 0,695 auf. Vor allem die Umweltautonomie
zeigt in Bezug auf die vier Skalen des MacCAT-T die niedrigsten Zusammenhänge.
126
127
13. Diskussion und Interpretation der Ergebnisse unter Berücksichtigung der
Erkenntnisse aus dem Theorieteil
Im folgenden Kapitel sollen die gewonnenen Ergebnisse dieser Arbeit mit den
Erkenntnissen aus der bisherigen Forschung verglichen und diskutiert werden. Hierfür ist
es notwendig, sowohl auf die Ergebnisse bezüglich des soziodemographischen
Fragebogens näher einzugehen, als auch auf die Resultate, welche mittels
inferenzstatistischer Methoden gewonnen wurden und welche sich auf die Leistungen der
Teilnehmer/innen im MacCAT-T und in der FAB-D beziehen.
13.1 Soziodemographische Daten
Von insgesamt 60 Personen mit und ohne intellektuelle Beeinträchtigung konnten Daten
für diese Diplomarbeitsstudie gewonnen und in die Auswertung miteinbezogen werden. 20
Personen (33%) ohne IB wurden der Kontrollgruppe zugeteilt, 18 Personen (30%) mit IB
der Gruppe, welche in einem teilbetreuten Setting lebt und 22 Menschen (37%) mit IB der
Gruppe mit Vollbetreuung. Es konnten keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der
Verteilung beim Geschlecht und bei der Betroffenheit von psychischen Erkrankungen
festgestellt werden. Die Altersspanne der Teilnehmer/innen der Gesamtstichprobe
erstreckte sich von 18 bis 59 Jahren. Alle Personen gaben Österreich als Herkunftsland an.
Signifikante Gruppenunterschiede konnten für die höchste abgeschlossene Ausbildung
sowie für die derzeitige Erwerbstätigkeit gefunden werden. Die Mehrheit der Personen aus
der Kontrollgruppe (40%) gab an, die Matura als höchste abgeschlossene Ausbildung
absolviert zu haben sowie zum Zeitpunkt der Befragung einer Erwerbstätigkeit
nachzugehen (50%). In der Gruppe der Menschen mit IB (lebend in teil- bzw.
vollbetreuten Einrichtungen in Österreich) gaben die meisten Personen an, die
Sonderschule absolviert zu haben und derzeit in einer Werkstätte beschäftigt zu sein. Dies
deckt sich auch mit den Ergebnissen aus der Studie von Koenig (2010), der in einer
großangelegten Untersuchung ermitteln konnte, dass im Jahr 2008 ca. 19.000 Menschen
mit Beeinträchtigungen in Werkstätten in Österreich tätig waren. Darüber hinaus zeigten
sich signifikante Gruppenunterschiede bezüglich des Familienstandes. Die Mehrheit der
Personen der Kontrollgruppe ohne IB gab an, verheiratet zu sein oder sich in einer
Beziehung zu befinden. Die meisten Menschen, welche in teilbetreuten Settings wohnen,
vermerkten, sich derzeit in einer Beziehung zu befinden, wobei auch in dieser Gruppe
sechs Personen angaben, zum Zeitpunkt des Interviews alleinstehend zu sein. In der
Gruppe mit IB und Vollbetreuung gab die Mehrheit „alleinstehend“ als aktuellen
128
Beziehungsstatus an. Dass sich Personen mit IB in einem vollbetreuten Wohnsetting
vorwiegend und Personen mit IB und Teilbetreuung teilweise in keiner Partnerschaft
befinden, kann mithilfe von Treiber (2004) so erklärt werden, dass sich in
„Sondereinrichtungen“ für Menschen mit intellektuelle Beeinträchtigung immer noch
restriktive Momente bezüglich der Lebenswelt und der eigenen Sexualität aufdecken
lassen. Vor allem die fehlende Intimsphäre, die Verwaltung des Taschengeldes bis hin zu
keiner Gelegenheit Besuche ohne Erlaubnis zu empfangen sowie keiner Möglichkeit, die
eigene Sexualität ausleben zu dürfen (Treiber, 2004), erschweren es den Betroffenen
enorm vor allem im vollbetreuten Setting eine Partnerschaft eingehen zu können.
Bei Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung gaben 12 von 18 Personen (67%) in der
teilbetreuten Gruppe und 18 von 22 Personen (82%) der vollbetreuten Gruppe an, zum
Zeitpunkt der Erhebung von einem Sachwalter bzw. einer Sachwalterin vertreten zu
werden. Diese hohe Anzahl an Sachwalterschaften deckt sich auch mit
Untersuchungsergebnissen, welche zeigen konnten, dass im Jahr 2009 insgesamt 50000
Sachwalterschaften in Österreich aufrecht waren und sich dieser Stand bis 2020
voraussichtlich verdoppeln wird (Pilgram et al., 2009).
Bei der Mehrheit der Personen mit IB wurde ein/e Sachwalter/in vor allem für finanzielle
Angelegenheiten beantragt, gefolgt vom Einsatz bei medizinischen Entscheidung und für
die Vertretung vor Behörden, Ämtern und privaten Vertragspartner/innen. Weniger oft
wurden Sachwalterschaften für die Bestimmung des Wohnortes oder bei sozialen
Angelegenheiten beantragt. Zudem konnte ermittelt werden, dass vorwiegend
nahestehende Personen in beiden Gruppen mit IB (mit Teilbetreuung und Vollbetreuung)
die Aufgabe des/der Sachwalters/in inne hatten, gefolgt von Sachwaltervereinen. 35% aller
befragten Personen mit IB wussten jedoch nicht genau, ob und, wer die Sachwalterschaft
für sie übernommen hat bzw. was eine Sachwalterschaft überhaupt ist. Dies ist vor allem
bezogen auf die Frage der Zufriedenheit bedenklich, da hier 24 Personen von insgesamt 30
angaben, sehr zufrieden mit der Tätigkeit ihres/ihrer Sachwalters/in zu sein. Auch bei der
Frage bezüglich des subjektiven Gefühls, bei anstehenden Entscheidungen miteinbezogen
zu werden, antworteten wiederum 20 Personen mit „sehr“. Nur eine Person äußerte sich,
dass sie sich bei Entscheidungen nicht miteinbezogen fühlt. Diese merkte jedoch bei der
vorherigen Frage keinerlei Unzufriedenheit an. In Bezug auf die hier getätigten Antworten
gilt es kritisch zu reflektieren, inwieweit diese die wirkliche Realität der Betroffenen
abbilden. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit können die Antworten auf Probleme, wie die
129
sogenannte „Ja-Sage-Tendenz“ oder die „soziale Erwünschtheit“ zurückgeführt werden,
welche eintreten, wenn Fragen zu allgemein gestellt werden oder unverständlich für
den/die Gesprächspartner/in sind. Oder aber wenn der/die Interviewteilnehmer/in der
Ansicht ist, dass durch die eigene Antwort positive oder negative Sanktionierungen
erhalten werden können. Aufgrund dessen versucht die Person so zu antworten, wie sie
annimmt, dass es korrekt bzw. adäquat und im Sinne der Befragungsperson erscheint
(Sonnenberg, 2007). Da vor allem die Mehrheit der befragten Personen mit intellektueller
Beeinträchtigung im Interview angab, dass nahestehende Personen die Aufgabe der
Sachwalterschaft für sie übernommen haben, könnten die sehr positiven
Zufriedenheitswerte mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Problematik der sozialen
Erwünschtheit zurückgeführt werden. Für zukünftige Untersuchungen wäre es essentiell
einen geeigneten Fragemodus zu finden, wo Menschen mit IB daran gehindert werden,
eine Ja-Sage-Tendenz bei den gegebenen Antworten zu entwickeln bzw. vorab noch
einmal konkret darauf hingewiesen werden, dass keine positiven oder negativen
Konsequenzen für die Interviewpersonen durch die gegebenen Antworten entstehen,
sondern dass wahre Aussagen wichtig sind, um ein adäquates Bild zu erhalten. Dies wurde
im Rahmen der vorliegenden Diplomarbeitsstudie zwar versucht, in dem zu Beginn der
Testung noch einmal darauf hingewiesen wurde, dass keine richtigen oder falschen
Antworten diesbezüglich gegeben werden können, sondern die subjektive Meinung der
Betroffenen zählt. Dennoch weisen die vorliegenden Ergebnisse auf eine Antworttendenz
in Richtung sozialer Erwünschtheit hin. Darüber hinaus sollte in zukünftigen Studien
vermehrt der Blick darauf gerichtet werden, welches Wissen Menschen mit IB über die
Aufgaben und Pflichten von Sachwalter/innen haben und wie eine Wissenssteigerung auf
diesem Gebiet erzielt werden kann.
13.2 Gruppenunterschiede in Bezug auf die gesundheitsbezogene
Selbstbestimmungsfähigkeit
Statistische Signifikanztests konnten zeigen, dass sich die drei Gruppen (keine Betreuung,
Teilbetreuung und Vollbetreuung) in Bezug auf die Selbstbestimmungsfähigkeit bei
gesundheitsbezogenen Entscheidungen (Informationsverständnis, Krankheits- und
Behandlungseinsicht, Urteilsvermögen und eine Wahl treffen) signifikant voneinander
unterscheiden. Menschen ohne IB und ohne Betreuung unterschieden sich bezüglich des
Informationsverständnisses signifikant von der Gruppe der teilbetreuten und der Gruppe
der vollbetreuten Menschen mit IB, jedoch nicht die Gruppe mit Teilbetreuung von der
130
Gruppe mit Vollbetreuung. Hinsichtlich der Krankheits- und Behandlungseinsicht und des
Urteilsvermögens unterschieden sich alle drei Gruppen signifikant voneinander und,
bezogen auf die Kompetenz eine Entscheidung zu treffen, konnten keine signifikanten
Gruppendifferenzen gezeigt werden.
Diese Ergebnisse können unter Vorbehalt mit den Ergebnissen aus der Studie von Cea und
Fisher (2003) verglichen werden. Es muss jedoch angemerkt werden, dass die Einteilung
der Gruppen in der Untersuchung von Cea und Fisher (2003) nach den
Beeinträchtigungsgraden (gemessen am IQ) vorgenommen wurde, in der vorliegenden
Diplomarbeit wurde die Gruppierung nach genützten Betreuungsformen gemacht, da nach
Ansicht der Studienleiterin eine Gliederung basierend auf einem IQ-Wert aktuell nicht
mehr angemessen ist und zu Fehlinterpretationen führen kann. Zudem wurde in der Studie
von Cea und Fisher (2003) nicht der MacCAT-T zur Erhebung der
Einwilligungskompetenzen herangezogen, sondern das selbst entworfene „Assessment of
Consent Capacity-Treatment“ (Cea & Fisher, 1999). Nach Ansicht der Autorin dieser
Arbeit können die Ergebnisse aus den zwei Studien dennoch unter Vorbehalt miteinander
verglichen werden, da man davon ausgehen kann, dass Personen, welche in teilbetreuten
Einrichtungen leben, eher leichtere Formen der intellektuellen Beeinträchtigung und
höhere Selbstständigkeit aufweisen und somit eher mit den Personen mit geringer IB aus
der Stichprobe von Cea und Fisher (2003) verglichen werden können und Menschen in
vollbetreuten Einrichtungen, welche meist einen höheren Unterstützungsbedarf aufzeigen,
eher mittelgradige bis schwere Formen von IB haben und somit ansatzweise mit der
Gruppe der Menschen mit mittelgradiger IB aus der Vergleichsstudie gegenüber gestellt
werden können.
Cea und Fisher (2003) konnten in ihrer Studie herausfinden, dass sich die Gruppen (a)
Teilnehmer/innen ohne IB und mit mittelgradiger IB und (b) Personen mit mittelgradiger
und geringer IB signifikant bezüglich des Standards eine Wahl zu kommunizieren
unterscheiden, jedoch nicht die Gruppen ohne IB und mit geringer IB. In der vorliegenden
Diplomarbeitsstudie konnten keine signifikanten Gruppenunterschiede bezüglich des
Treffens einer Wahl gezeigt werden. Das bedeutet, dass teilweise ähnlich gute
Kompetenzen zum Treffen von Entscheidungen in den untersuchten Kontexten und
Themen festgestellt werden konnten.
Zudem fanden Cea und Fisher (2003) signifikante Unterschiede hinsichtlich aller drei
Gruppen, wenn es darum ging, sachliche Informationen zu verstehen. In der vorliegenden
131
Arbeit konnte dieser Gruppenunterschied nur zwischen Menschen ohne IB und Personen
mit IB und Teilbetreuung sowie zwischen Individuen ohne IB und Menschen mit IB und
Vollbetreuung gezeigt werden, nicht jedoch zwischen der Gruppe mit IB und
Teilbetreuung und der Gruppe mit IB lebend in einem vollbetreuten Setting.
Weiters konnten die Autorinnen signifikante Gruppenunterschiede hinsichtlich der
Beurteilung von Situationen und Konsequenzen herausfinden (Cea & Fisher, 2003). Dieses
Ergebnis konnte auch im Rahmen der vorliegenden Studie ermittelt werden.
In der Vergleichsstudie war es den meisten Erwachsenen mit geringer und keiner IB und
fast der Hälfte der Personen mit mittelgradiger IB möglich, Behandlungsentscheidungen zu
treffen und begründen zu können und diese haben vollständig oder teilweise die
Behandlungsinformationen verstanden (Cea & Fisher, 2003). Dieses Ergebnis deckt sich
weitgehend mit den Resultaten der hier beschriebenen Studie, in der alle Personen ohne IB
und alle Personen mit IB und Teilbetreuung sowie mehr als die Hälfte der Personen mit IB
und Vollbetreuung eine Wahl treffen und begründen konnten. Zudem wurden sehr hohe
Werte in der Skala des Informationsverständnisses der Behandlung in allen drei Gruppen
erzielt.
Weiters konnten in der Untersuchung von Cea und Fisher (2003) fast alle Personen ohne
IB, 50% mit geringer IB und 18% mit mittelgradiger IB teilweise die Relevanz der
Behandlungswahl bezüglich der Situation des/der Patienten/in einschätzen und die Nutzen
der Behandlung mit den Risiken abwägen. Diese Ergebnisse können annähernd auch in der
vorliegenden Studie gezeigt werden, wobei die Gruppe der Menschen mit IB und
Vollbetreuung hier deutlich bessere Ergebnisse als in der Vergleichsuntersuchung aus dem
Jahr 2003 erzielt hat. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass nach Einschätzung der
Autorin dieser Diplomarbeitsstudie, beruhend auf den Beobachtungen zu den verbalen
Fähigkeiten der Personen mit intellektueller Beeinträchtigung, die Teilnehmer und
Teilnehmerinnen, welche der Gruppe mit IB und Vollbetreuung zugeteilt wurden, eher
leichtere bis maximal mittelschwere intellektuelle Beeinträchtigungen aufgewiesen haben
und wenige Interviewpersonen eine mittelgradige bis schwere intellektuelle
Beeinträchtigung beim Interview zeigten.
Cea und Fisher (2003) konnten veranschaulichen, dass alle drei Gruppen im Subtest des
Urteilsvermögens über die Situation und die Konsequenzen geringere Kompetenzen, als
132
bei den Standards eine Wahl zu kommunizieren und Informationen zu verstehen, zeigten.
Diese Erkenntnis konnte auch in der vorliegenden Diplomarbeitsstudie gewonnen werden.
Zusammengefasst zeigte sich, dass sich die drei Gruppen mit Menschen mit und ohne IB
(Kontrollgruppe, Teilbetreuung und Vollbetreuung) in Bezug auf die
Selbstbestimmungsfähigkeit bei gesundheitsbezogenen Entscheidungen (gemessen anhand
der vier Standards des MacCAT-T) signifikant voneinander unterscheiden. Menschen der
Kontrollgruppe unterschieden sich bezüglich des Standards des Informationsverständnisses
signifikant von der Gruppe der teilbetreuten und der Gruppe der vollbetreuten Menschen
mit IB. Es konnten jedoch keine signifikanten Unterschiede bezüglich dieses Standards
zwischen der Gruppe mit Teilbetreuung von der Gruppe mit Vollbetreuung dargelegt
werden. Bezüglich der Krankheits- und Behandlungseinsicht und des Urteilsvermögens
unterschieden sich alle drei Gruppen signifikant voneinander, hinsichtlich der Kompetenz
eine Entscheidung zu treffen, konnten keine signifikanten Gruppenunterschiede offenbart
werden.
Das vorliegende Resultat legt nahe, dass von dimensionalen Modellen der
Selbstbestimmungsfähigkeit anstatt von kategorialen ausgegangen werden sollte. Dabei
wird angenommen, dass Einwilligungsfähigkeit kein stabiles Merkmal ist, sondern eines,
das sich über die Zeit verändern kann und immer aktuell und je nach Kontext betrachtet
werden muss (Helmchen, 2008), sowie keine Grenzwerte oder Cut-Off Werte gebildet
werden sollen, um nur zwischen dem Vorliegen oder Nicht-Vorliegen einer
Einwilligungsfähigkeit zu unterscheiden (Welie & Welie, 2001b).
Zudem deuten die vorliegenden Ergebnisse darauf hin, dass sich das Fachpersonal der
Gesundheitsversorgung noch stärker darum bemühen muss, verständliche und
umfangreiche Informationen hinsichtlich einer möglichen medizinischen Behandlung und
deren Alternativen an die betroffenen Menschen mit IB weiterzugeben und dabei alle
relevanten Auskünfte für einen „Informed Consent“ zu bieten (Tepper & Elwork, 1984).
Bisher wurden Menschen mit IB häufig bei medizinischen Entscheidungen hinsichtlich
ihrer eigenen Gesundheit und Gesundheitsversorgung ausgeschlossen (West & Parent,
1992) und vor allem an Betreuungspersonen der jeweiligen Individuen mit IB alle
relevanten Infos vermittelt, anstatt diese an die eigentlich wichtigen Personen mit IB zu
geben (Ferguson et al., 2010). Zudem wurde in bisherigen Studien berichtet, dass nur
wenig Wissen in der Population mit IB über ihre eigene verschriebene Medikation besteht,
vor allem was die vorgeschlagene Dauer der Einnahme, aber auch die Nebenwirkungen
133
und den Namen des Medikaments (Huneke et al., 2012) und die alternativen
Behandlungsmöglichkeiten betrifft (Arscott et al., 2000). Dies ist bedenklich, da generell
das Informationsverständnis (besonders in jener Gruppe mit IB und Teilbetreuung) in
dieser Studie sowie in der Studie von Cea und Fisher (2003) sehr hoch ausgefallen ist.
Huneke und Kollegen (2012) fordern daher, dass vor allem die Informationsweitergabe an
Personen mit IB im medizinischen Bereich verbessert werden muss und das Verständnis
über medizinische Maßnahmen anschließend sorgfältiger überprüft werden muss bzw.
gegebenenfalls Kommunikationshilfsmittel angewendet werden sollen, um die Weitergabe
von Informationen zu erleichtern bzw. das Verständnis bei den betroffenen Personen zu
fördern. Zudem sollten Schulungen für im Gesundheitsbereich arbeitende Personen
angeboten werden, um Kommunikationstechniken zu erlernen, welche zu einem besseren
Informationsverständnis bei der Zielgruppe führen können. Zuletzt soll noch angemerkt
werden, dass in bisherigen Studien herausgefunden wurde, dass auch Trainings spezieller
Einwilligungsfähigkeiten zu einer deutlichen Verbesserung des „Informed Consent“ führen
(Ferguson & Murphy, 2013). Es sollte daher verstärkt der Fokus auf Möglichkeiten solcher
Maßnahmen für die spezielle Personengruppe mit IB gelegt werden und diesbezügliche
Angebote geschaffen werden.
13.3 Einfluss der Unterstützungsperson auf die Leistungen der Gruppen in Bezug auf
die gesundheitsbezogene Selbstbestimmungsfähigkeit
In dieser Arbeit konnte in Bezug auf die zweite Fragestellung demonstriert werden, dass es
einen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Unterstützungsbedingungen (einmal
mit und einmal ohne eine Unterstützungsperson) bei den zwei Gruppen mit intellektueller
Beeinträchtigung in Bezug auf die vier Leistungen im MacCAT-T gab. Bei Betrachtung
der deskriptiven Daten ist es ersichtlich, dass sich alle Leistungen der vier Subskalen
deutlich in der Bedingung mit einer Unterstützungsperson erhöht haben.
Nach Einschätzung der Studienleiterin können diese Ergebnisse vorwiegend auf die reine
Anwesenheit der jeweiligen Unterstützungspersonen, welche die Studienteilnehmer/innen
mit IB gut kennen und welche möglicherweise ein sicheres und positives Gefühl geben,
zurückgeführt werden, da 75% der anwesenden Unterstützungspersonen während der
Interviewbedingung keine themenspezifischen Äußerungen von sich gegeben haben.
Insgesamt konnten nur drei Personen mit IB eruiert werden, welche in der Bedingung mit
Unterstützungsperson schlechtere Ergebnisse in den vier Subtests des MacCAT-T erbracht
haben. Nach Einschätzung der Autorin kann dieses Ergebnis bei den Dreien darauf
134
zurückgeführt werden, dass diese hinsichtlich ihrer Konzentrationsfähigkeit sehr
eingeschränkt und Probleme dabei zeigten, ihre Aufmerksamkeit auf zwei Personen
gleichzeitig zu richten. In einem nachfolgenden Gespräch mit den jeweiligen anwesenden
Unterstützungspersonen wurde deren Meinung eingeholt und es konnte das Bild, welches
sich während des Interviews und in der anschließenden Auswertung gezeigt hat, bestätigt
werden. Alle drei Unterstützungspersonen haben angegeben, dass es den drei
Interviewteilnehmer/innen ihrer Ansicht nach auch generell im Alltag schwer fällt, sich auf
mehrere Dinge gleichzeitig zu konzentrieren und sie auch das Gefühl hatten, dass die drei
Individuen beim Interview abgelenkt gewirkt hätten bzw. schlechtere Leistungen erbracht
hätten, als sie im Alltag bei Entscheidungssituationen normalerweise zeigen.
Bisher gibt es noch keine vergleichbaren Studien, welche sich den Einfluss einer
Unterstützungsperson auf die Selbstbestimmungsfähigkeit von Menschen mit
intellektueller Beeinträchtigung bei medizinischen Entscheidungen gewidmet haben. Falls
jedoch das Modell der unterstützten Entscheidungsfindung zum Einsatz kommt, sollte
vorwiegend darauf geachtet werden, dass wirklich die Person mit Unterstützungsbedarf im
Fokus steht, und dass die Maximierung ihrer individuellen Selbstbestimmung im
Mittelpunkt steht (Brandstätter, 2013). Zudem muss sich der Bedarf an Unterstützung
unbedingt nach den Bedürfnissen der Personen mit IB richten und passende
Unterstützungsformen je nach Vorliebe und Wunsch des Individuums mit IB gefunden
werden (Brandstätter, 2013). Hierfür ist es erforderlich, dass es allen Personen möglich ist,
diese Unterstützungsangebote nutzen oder ablehnen zu können (Brandstätter, 2013).
Menschen, welche diese Möglichkeiten der Unterstützung nicht nützen möchten, soll es
gewährt werden, diese abzulehnen oder, falls von der Person mit IB gewünscht, soll es
auch gestattet werden, Entscheidungen an andere Menschen, welche man für
vertrauenswürdig hält, abzugeben (Lotan & Ells, 2010).
13.4 Gruppenunterschiede in Bezug auf die sechs exekutiven Funktionen und den
Gesamtwert aus der FAB-D
Die statistischen Ergebnisse zeigten signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen
(keine Betreuung, Vollbetreuung und Teilbetreuung) in Bezug auf die sechs exekutiven
Funktionen, ermittelt durch die Vorgabe der FAB-D. Das Alter und das Geschlecht
konnten als Kovariaten ausgeschlossen werden, lediglich die höchste abgeschlossene
Ausbildung konnte als solche identifiziert werden. Dies konnten auch Benke und Kollegen
(2013) mittels ihrer deutschsprachigen Stichprobe von 401 kognitiv gesunden Personen in
135
Tirol demonstrieren, da ihre Varianzanalysen zeigten, dass die Leistung in der FAB-D
stark von der Schulbildung, jedoch nicht vom Geschlecht abhängt. Zudem wurde in dieser
Untersuchung auch das Alter als signifikante Kovariate ermittelt (Benke et al., 2013).
Insgesamt wurde herausgefunden, dass sich alle drei Gruppen hinsichtlich der Fähigkeit
der Konzeptualisierung, der formallexikalischen Wortflüssigkeit, der Sensitivität für
Beeinflussungen und der Hemmungskontrolle signifikant voneinander unterscheiden. Bei
den motorischen Serien konnten nur zwischen der Gruppe ohne IB und keiner Betreuung
und der Gruppe mit IB und Teilbetreuung, sowie der Gruppe ohne IB und der Gruppe mit
Vollbetreuung signifikante Unterschiede gezeigt werden, nicht aber zwischen der Gruppe
mit Teilbetreuung und der Gruppe mit Vollbetreuung. Keine signifikanten
Gruppendifferenzen wurden im Untertest der Umweltautonomie der FAB-D ermittelt.
Bei Betrachtung der deskriptiven Ergebnisse konnte festgestellt werden, dass alle
Leistungen in der Gruppe ohne intellektuelle Beeinträchtigung (keine Betreuung) am
besten ausgefallen sind, gefolgt von der Gruppe mit IB und in Teilbetreuung und zuletzt
der Gruppe mit IB und in einem vollbetreuten Setting lebend. Einzige Ausnahme stellt der
Untertest zur Umweltautonomie dar, bei dem auch die Gruppe der Personen mit IB und
Teilbetreuung gleich gute Ergebnisse wie die Gruppe ohne IB erzielen konnte.
Diese präsentierten Ergebnisse können mit den Daten aus der Studie von Sgaramella und
Kollegen (2012) unter Vorbehalt verglichen werden, da diese keine Einteilung nach der
genützten Betreuungsform der Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung sondern nach
dem Abschneiden im „Raven`s Coloured Progressive Matrices- Test“ vorgenommen
haben. In der Studie von der Autorenschaft wurde die Stichprobe nach Menschen mit
geringer, mittelgradiger und schwerer IB gruppiert. Bezugnehmend auf die Erklärung,
warum ein Vergleich der Studien dennoch mit Vorbehalt durchgeführt werden kann, findet
sich im Kapitel 13.2. In der Untersuchung von Sgaramella et al. (2012) wurden ähnlich wie
in dieser Diplomarbeitsstudie Gruppenunterschiede für alle Subtests der FAB außer für den
der Umweltautonomie ermittelt. Dieses Ergebnis deckt sich mit den Auswertungsdaten der
vorliegenden Untersuchung. Zudem konnte ein progressiver Abfall der Leistungen mit
zunehmendem Schweregrad der Beeinträchtigung gezeigt werden (Sgaramella et al.,
2012), was mit den Ergebnissen dieser Diplomarbeitsstudie belegt werden kann, wenn man
davon ausgeht, dass der Grad der Beeinträchtigung mit dem genützten Betreuungsformat
zusammenhängt, was bedeutet, dass Menschen mit geringer IB eher in teilbetreuten und
Personen mit mittelgradiger bzw. schwerer IB eher in vollbetreuten Einrichtungen leben.
136
In beiden Untersuchungen konnten keine Geschlechtseffekte gezeigt werden. Alterseffekte
konnten in der vorliegenden Arbeit nicht demonstriert werden, in der Studie von
Sgaramella und Kollegen (2012) erst dann, wenn drei Altersgruppen gebildet wurden.
Diese Altersunterschiede wurden jedoch nur für die Untertests Gemeinsamkeiten und für
die motorische Programmen bekundet, wobei Post-Hoc Tests gezeigt haben, dass sich
junge Menschen mit IB (18-25 Jahre) von Menschen im mittleren Alter (26-35 Jahre) bei
den motorischen Programmen signifikant voneinander unterschieden haben und es
signifikante Differenzen zwischen der jungen Gruppe mit IB und der alten Gruppe mit IB
(36-45 Jahre) sowohl im Untertest der Gemeinsamkeiten als auch bei den motorischen
Programmen gegeben hat.
13.5 Gruppenunterschiede in Bezug auf die drei Bereiche der FAB-D (Kognition,
Kontrolle und motorische Programme)
Für die Fragestellung, ob es signifikante Unterschiede zwischen den drei Gruppen
(vollbetreut, teilbetreut und keine Betreuung) hinsichtlich der drei gebildeten Bereiche der
exekutiven Funktionen (Kognition, Kontrolle und motorische Programme) gibt, ermittelt
durch die Vorgabe der FAB-D, konnte gezeigt werden, dass sich alle drei Gruppen in allen
Bereichen signifikant voneinander unterscheiden. Zum Bereich der Kontrolle wurden
hierzu folgende Subtests gezählt: Hemmungskotrolle und Umweltautonomie, zur
Kognition: Konzeptualisierung und formallexikalische Wortflüssigkeit, und zum Bereich
der motorischen Programme: motorische Serien und die Sensitivität für Beeinflussungen.
Dieses Ergebnis konnte in der Untersuchung von Sgaramella und Kollegen (2012) nur
teilweise gezeigt werden, da sich die Gruppen ausschließlich in zwei der drei Bereiche
(Kognition und motorische Programme, aber nicht hinsichtlich der Kontrolle) signifikant
voneinander unterschieden haben. In der vorliegenden Untersuchung konnten sowohl das
Alter als auch das Geschlecht nicht als signifikante Kovariaten ermittelt werden, die
höchste abgeschlossene Ausbildung jedoch schon. Auch in den Studien von Sgaramella et
al. (2012) konnten keine Geschlechtseffekte, dafür aber Alterseffekte nachgewiesen
werden.
Menschen ohne IB und keiner Betreuung zeigte in allen drei Bereichen in der vorliegenden
Diplomarbeitsstudie die besten Ergebnisse, gefolgt von Individuen mit IB in Teilbetreuung
und zuletzt die Gruppe der Personen mit IB in einem vollbetreuten Wohnsetting. Dieser
progressive Abfall der Fähigkeiten mit zunehmendem Beeinträchtigungsgrad (bzw.
Betreuungsbedarf) konnte auch in der Vergleichsuntersuchung gefunden werden.
137
13.6 Einfluss der exekutiven Funktionen auf die gesundheitsbezogene
Selbstbestimmungsfähigkeit (4 Subtests des MacCAT-T)
Insgesamt vier signifikante Prädiktoren aus der FAB-D (formallexikalische
Wortflüssigkeit, Sensitivität für Beeinflussungen, Konzeptualisierung und die
Umweltautonomie) konnten in Bezug auf die gesundheitsbezogene
Selbstbestimmungsfähigkeit (gemessen mit dem MacCAT-T Gesamtwert) gefunden
werden. Zwei Variablen (motorische Serien und Hemmungskontrolle) wurden jedoch als
mögliche Prädiktoren aus dem Modell ausgeschlossen, da sie keinen signifikanten Wert
aufwiesen. In den anschließenden Korrelationsanalysen, bei denen Zusammenhänge
zwischen den Leistungen in der FAB-D und den vier Subtests sowie dem Gesamtwert des
MacCAT-T betrachtet wurden, konnte demonstriert werden, dass die exekutiven
Fähigkeiten überaus hohe signifikante Zusammenhänge mit drei von vier Skalen des
MacCAT-T zeigen. Nur für die Kompetenz eine Wahl zu treffen konnten keine
signifikanten Zusammenhänge mit den exekutiven Funktionen ermittelt werden.
Vor allem in der Skala bezogen auf das Urteilsvermögen zeigt die Sensitivität für
Beeinflussungen die potenziell höchste Vorhersagekraft.
Zudem wurde ein sehr hoher Zusammenhang zwischen der Fähigkeit der
formallexikalischen Wortflüssigkeit und der Skala des Informationsverständnisses im
MacCAT-T ermittelt und diese Fähigkeit der exekutiven Funktionen zeigt zudem den
höchsten Zusammenhang mit dem Gesamtwert des MacCAT-T. Weitere sehr hohe
Zusammenhänge mit dem Standard der Krankheits- und Behandlungseinsicht weisen
sowohl die Sensitivität für Beeinflussungen als auch die Hemmungskontrolle auf. Vor
allem die Umweltautonomie weist in Bezug auf die vier Skalen des MacCAT-T die
niedrigsten Zusammenhänge auf.
Insgesamt kann daher darauf geschlossen werden, dass die exekutiven Funktionen eine
hohe Vorhersagekraft für die gesundheitsbezogene Selbstbestimmungsfähigkeit (gemessen
anhand der vier Standards des MacCAT-T) besitzen, ausgenommen für die Fähigkeit, eine
Wahl zu treffen. Diese exekutiven Funktionen scheinen in Bezug auf bisherige Studien
eine bessere Vorhersagekraft für eine Entscheidungsfähigkeit zu haben als ein IQ-Wert
(Willner et al., 2010b). Auch weitere Studien, welche sich mit dem Einfluss der exekutiven
Funktionen auf die Einwilligungsfähigkeit von Personen ohne IB sondern mit Demenz
beschäftigt haben, konnten demonstrieren, dass exekutive Funktionen als signifikante
138
Prädiktoren für die gesundheitsbezogene Selbstbestimmungsfähigkeit ermittelt werden
konnten (Dymek et al., 1999; Marson et al., 1996; Moye et al., 2007).
139
14. Resümee und weiterführende Überlegungen
Diese Untersuchung zeigte zusammengefasst, dass es für viele Menschen mit
intellektueller Beeinträchtigung (vor allem für jene in einem teilbetreuen Wohnsetting)
möglich ist, in risikoarme Behandlungen einzuwilligen und vor allem die notwendigen
Fähigkeiten für das behandlungsspezifische Informationsverständnis aufzubringen. Zudem
konnte veranschaulicht werden, dass sich die Kompetenzen der betroffenen Personen mit
IB durch die Anwesenheit einer Unterstützungsperson deutlich erhöht haben, und dass,
schlussfolgernd daraus, die unterstützte Entscheidungsfindung eine gute Möglichkeit
darstellen kann, um die (gesundheitsbezogene) Selbstbestimmungsfähigkeit von
Individuen mit intellektueller Beeinträchtigung zu verbessern. Weiters konnten deutliche
Unterschiede zwischen Personen mit IB und ohne IB in verschiedenen
Betreuungssituationen hinsichtlich der exekutiven Funktionen demonstriert werden und es
lässt den Schluss zu, dass die EF eine hohe Vorhersagekraft für die gesundheitsbezogene
Selbstbestimmungsfähigkeit (gemessen anhand der vier Standards des MacCAT-T)
besitzen, ausgenommen für die Fähigkeit eine Wahl zu treffen.
Ein Diskussions- bzw. Kritikpunkt an der vorliegenden Untersuchung ist sicherlich, dass
die Ergebnisse eventuell nicht verallgemeinert werden können, da den Interviewpersonen
die Informationen über hypothetische Vignetten präsentiert wurden und keine realen
Behandlungssituationen stattgefunden haben. Die Fähigkeit in medizinische Maßnahmen
einzuwilligen könnte größer sein, wenn diese persönliche Relevanz aufweist und die
behandelnden Ärzte und Ärztinnen zusätzlich die Möglichkeit bekommen, die geplanten
medizinischen Eingriffe konkreter zu demonstrieren. Zudem waren die dargestellten
Behandlungsszenarien risikoarm und von großem Gewinn für die dargestellten fiktiven
Patienten/innen.
Für zukünftige Forschung ist es daher notwendig, dass keine hypothetischen Vignetten
sondern reale Situationen bezüglich des „Informed Consent“ zum Einsatz kommen
(Goldsmith et al., 2008). Weiters sind größere Stichprobenanzahlen relevant, um bessere
und vor allem allgemein gültigere Aussagen über die Personengruppe mit IB im Vergleich
zur allgemeinen Bevölkerung treffen zu können (Goldsmith et al., 2008). Die Ergebnisse
der Diplomarbeitsuntersuchung unterstreichen jedoch die menschenrechtsethischen
Anforderungen, die sich aus der UN-Behindertenrechtskonvention ergeben, nämlich dass
die Berufsgruppen aus dem Gesundheitsbereich die grundlegenden Rechte von Personen
mit IB respektieren sollen und nicht annehmen dürfen, dass die intellektuelle
140
Beeinträchtigung automatisch dazu führt, dass diese Personen bezüglich einer
Entscheidung inkompetent sind (Ellis, 1992). Es müssen mögliche
Unterstützungsmaßnahmen im Gegensatz zu den entmündigen Vertretungsmodellen
geschaffen werden, um eine größtmögliche Entscheidungskompetenz bei den betroffenen
Personen hervorzurufen. Wenn Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung die
Möglichkeit gegeben wird, eigene Wahlen zu treffen, ist es wichtig, dass
Familienmitglieder und Betreuungspersonen zu verstehen lernen, dass eine Wahl
verschiedene Formen annehmen kann (Brown & Brown, 2009). Die Gefahr in Familien
und institutionellen Einrichtung besteht jedoch, dass persönliche Wünsche und
Entscheidungen der Betroffenen ignoriert werden und dies zu Frustration und negativem
Verhalten bei der betroffenen Person führen kann (Brown & Brown, 2009). Wenn
Entscheidungen bzw. Wahlen der Menschen mit IB zugelassen werden, kann es auch sein,
dass diese einen Misserfolg nach sich ziehen und die betroffenen Individuen die
Verantwortung tragen müssen, dies ist jedoch für Angehörige und zuständige
Betreuungspersonen nicht immer einfach zu akzeptieren (Brown & Brown, 2009). Vor
allem bei solchen Angelegenheiten ist es wichtig, dass es klar formulierte Gesetze gibt,
welche die größtmögliche Entscheidungskompetenz erlauben und notwendige
Unterstützungsmaßnahmen regeln, jedoch beachtet, dass kein Nachteil für die
Personengruppe mit IB entsteht.
Um Entscheidungen bzw. Wahlen von Menschen mit IB zu fördern erscheint es sehr
wichtig, dass die eingesetzten Strategien individuell sind und sorgfältig geplant sowie
umgesetzt werden (Mithaug, Mithaug, Agran, Martin, & Wehmeyer, 2003; zitiert nach
Brown & Brown, 2009) sowie regelmäßig auf den neuesten Stand gebracht werden und in
systematischer Weise evaluiert werden. Zudem sollten relevante Hilfsmittel (v.a.
hinsichtlich der Kommunikation) und gut evaluierte Trainingsmaßnahmen für Menschen
mit IB und deren Unterstützungspersonen in Zukunft entwickelt werden.
Vor allem im deutschsprachigen Raum wurden bisher noch viel zu wenige Studien
bezogen auf die Selbstbestimmungsfähigkeit von Menschen mit IB im Gesundheitsbereich
und den Einfluss von unterstützenden Maßnahmen sowie die Rolle der exekutiven
Funktionen durchgeführt, sodass die vorliegende Diplomarbeit als Pilotuntersuchung
betrachtet werden kann und zukünftig vermehrt der Fokus auf Forschungsarbeiten
bezüglich dieser Themengebiete gerichtet werden sollte. Bisher wurde durch die UN-
Konvention vor allem erkannt, dass Menschen mit IB größtmögliche Selbstbestimmung im
141
eigenen Leben ermöglicht werden soll, da die bisherigen Vertretungsmodelle bei
anstehenden Entscheidungen in den einzelnen Ländern gegen die Rechte dieser
Personengruppe sprechen und es für eine Verbesserung der Lebens- und
Entscheidungssituation von Individuen mit IB gravierender Änderungen vor allem auf
politisch- gesetzlicher Ebene bedarf.
Schlussfolgernd kann gesagt werden, dass in naher Zukunft verschiedene Modelle der
unterstützten Entscheidungsfindung entwickelt und anschließend evaluiert werden müssen,
welche die Vertretungsmodelle in den einzelnen Ländern ersetzen können. Vor allem in
der Übergangszeit zu einem unterstützten Entscheidungsfindungsmodell soll das
Sachwalterrecht novelliert werden und das Ziel verfolgen, die Selbstbestimmung von
Menschen mit IB zu stärken. Derzeit gibt es jedoch noch viele offene Fragen, mit denen
man sich noch intensiv auseinandersetzen muss, wie beispielsweise die Modelle der
unterstützten Entscheidungsfindung in den einzelnen Ländern finanziert werden können
und wie die Möglichkeiten der Realisierung hinsichtlich des personellen Aufwandes
aussehen können, aber auch welche Ausbildungen und Trainings für
Unterstützungspersonen und Personen mit intellektueller Beeinträchtigung für den Prozess
der Entscheidungsfindung hilfreich wären.
Mit dem Zitat von Benjamin Franklin: „Die Menschen sind in drei Kategorien unterteilt:
Diejenigen, die sich nicht bewegen, die sich bewegen können und diejenigen, die
bewegen.“ soll die vorliegende Diplomarbeit beendet werden, denn mithilfe dieser
Untersuchung wurde von der Autorin angestrebt, die problematische Situation bezüglich
des Treffens von Entscheidungen bei Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung und
den Einfluss einer Unterstützungsperson aufzudecken und rechtliche sowie praxisbezogene
Veränderungen für diese Personengruppe ins Auge zu fassen. Somit kann diese Arbeit der
dritten Kategorie zugeordnet werden, welche etwas zu bewegen versucht.
142
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156
157
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 Kategorien der Intelligenzminderung im ICD-10 (Dilling et al., 2010, S. 277ff.) ........... 19
Tabelle 2 Studiendesign im Überblick.............................................................................................. 82
Tabelle 3 KS-Testergebnisse für die vier Standards und den Gesamtwert aus dem MacCAT-T ... 109
Tabelle 4 Statistische Ergebnisse der Mixed-Design ANOVA ....................................................... 112
Tabelle 5 Deskriptiv statistische Ergebnisse des MacCAT-T ......................................................... 115
Tabelle 6 KS-Testergebnisse für die sechs Skalen und den Gesamtwert der FAB-D und für die drei
Bereiche (Kognition, Kontrolle und motorische Programme) ....................................................... 117
Tabelle 7 Deskriptiv statistische Ergebnisse der FAB-D ............................................................... 119
Tabelle 8 Deskriptiv statistische Ergebnisse der FAB-D bezogen auf die 3 Bereiche ................... 121
Tabelle 9 Modellprüfung mittels multipler linearer Regression .................................................... 123
Tabelle 10 Ergebnisse der Korrelationsanalysen in Bezug auf die FAB-D und den MacCAT-T .. 124
158
159
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1. Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Komponenten von Gesundheit
(DIMDI, 2014, o.S.) ......................................................................................................................... 17
Abbildung 2. Gesamtstichprobe bezogen auf das Alter ................................................................. 102
Abbildung 3. Anzahl an aufrechten Sachwalterschaften in den Gruppen mit IB (VG1=
Teilbetreuung; VG2= Vollbetreuung) ............................................................................................ 105
Abbildung 4. Aufgabenbereiche der Sachwalter/innen in der Gruppe der Menschen mit IB und
Teilbetreuung ................................................................................................................................. 106
Abbildung 5. Aufgabenbereiche der Sachwalter/innen in der Gruppe der Menschen mit IB und
Vollbetreuung ................................................................................................................................. 106
Abbildung 6. Interaktionsdiagramme für die Faktoren Betreuungsform und Anwesenheit der
Unterstützungsperson ..................................................................................................................... 113
160
161
Anhang
Anhang 1: Zusammenfassung / Abstract
Zusammenfassung
Ziele: Das Ziel dieser Studie war es Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne
intellektuelle Beeinträchtigung hinsichtlich der gesundheitsbezogenen
Selbstbestimmungsfähigkeit sowie den Effekt einer Unterstützungsperson zu zeigen.
Darüber hinaus wurde der Einfluss der exekutiven Funktionen auf die
Einwilligungsfähigkeit beleuchtet.
Methode: Es wurden hierfür die Fähigkeiten von erwachsenen Menschen mit
intellektueller Beeinträchtigung, welche in a) vollbetreuten b) teilbetreuten und c) keinen
Betreuungseinrichtungen in Österreich leben, hinsichtlich des Verständnisses von
hypothetischen Behandlungsvignetten und der Auseinandersetzung mit relevanten
Informationen in Bezug auf eine Behandlungseinwilligung erhoben. Verwendet wurde
hierfür die deutsche Version des MacArthur Competence Assessment Tool-Treatment
(MacCAT-T). Zwei standardisierte und übersetzte Behandlungsvignetten wurden in zwei
unterschiedlichen Bedingungen präsentiert, einmal mit einer Unterstützungsperson und
einmal ohne. Darüber hinaus wurden die exekutiven Funktionen von allen
Studienteilnehmer/innen mittels der deutschen Version der Frontal Assessment Battery
(FAB-D) ermittelt, um mögliche Gruppenunterschiede und den Einfluss dieser Fähigkeiten
auf die gesundheitsbezogene Selbstbestimmungsfähigkeit aufzudecken.
Ergebnisse: Die statistischen Analysen zeigen signifikante Unterschiede zwischen den
Gruppen hinsichtlich der gesundheitsbezogenen Selbstbestimmungsfähigkeit und die
Kompetenzen erhöhten sich deutlich in der Unterstützungsbedingung. Zudem konnten
signifikante Gruppenunterscheide hinsichtlich der exekutiven Funktionen aufgedeckt
werden und diese Funktionen weisen wiederum einen signifikanten Einfluss auf die
Entscheidungskompetenzen auf.
Konklusionen: Auswirkungen dieser Ergebnisse für Menschen mit intellektueller
Beeinträchtigung werden beleuchtet und Möglichkeiten der Umsetzung der unterstützten
Entscheidungsfindung werden diskutiert.
162
Abstract
Aims: The aim of this study was to demonstrate differences between people with ID and
without ID concerning the legal capacity to take health-care decisions within a supported
decision-making relation. Furthermore the influence of the executive functions on the
ability to consent to treatment was investigated.
Method: The abilities of all participants living in environments a) fully-supported b)
partially-supported and c) independently were investigated to understand hypothetical
medical treatments and to reason about the treatment-related information with the German
version of the MacArthur Competence Assessment Tool-Treatment (MacCAT-T). Two
standardized and translated treatment vignettes were presented in two conditions, a
supported-decision condition and the other without that support. Moreover the executive
functions of all persons were assessed using the German version of the Frontal Assessment
Battery (FAB-D) to detect differences between the groups and influences on the ability to
consent to treatment.
Results: Statistical Analysis show significant differences between the three groups
concerning the legal capacity to make informed consent to treatment and the abilities of all
persons with ID increased significantly with the presence of a support person. Furthermore
significant differences between the three groups are found concerning the executive
functions and these functions show significant influence on the capability to give informed
consent.
Conclusions: Implications of findings for persons with ID are mentioned and possibilities
to implement supported decision-making are discussed.
163
Anhang 2: Soziodemografischer Fragebogen
Klienten/innencode:___________
In diesem Fragebogen werden Sie zu verschiedenen persönlichen Daten
befragt. Sämtliche Ihrer Angaben werden selbstverständlich vertraulich
behandelt und dienen ausschließlich statistischen Zwecken, um die Gesamtheit
aller Teilnehmer/innen besser beschreiben zu können.
1) Bitte geben Sie Ihr Alter in Jahren an:
2) Bitte geben Sie Ihr Geschlecht an:
männlich □ weiblich □
3) Bitte machen Sie Angaben zu Ihrem Herkunftsland:
Österreich
□
Anderes Land:
□
4) Bitte wählen Sie Zutreffendes zu Ihrem aktuellen Familienstand aus:
verheiratet
□
geschieden
□
verwitwet
□
in einer Beziehung
□
alleinstehend
□
164
5) Bitte wählen Sie Zutreffendes zu Ihrer aktuellen Wohnsituation aus:
bei den Eltern/bei einem Elternteil
□
alleine
□
mit Partner/in
□
in einer Wohngemeinschaft
□
in Einrichtung einer Institution/ eines Vereins
□
6) Bitte geben Sie Ihre höchste abgeschlossene Ausbildung an:
Volksschule
□
Pflichtschule
□
Fachschule ohne Matura
□
Lehre/Berufsschule
□
Matura
□
Universität/ Fachhochschule
□
Keine abgeschlossene Ausbildung
□
Sonderschule □
165
7) Bitte machen Sie eine Angabe bezüglich Ihrer Erwerbstätigkeit:
(auch Mehrfachnennungen möglich)
berufstätig
□
arbeitssuchend
□
in Ausbildung
□
in Karenz
□
Hausfrau/ -mann
□
in einer Werkstätte
□
in Pension
□
8) Wurde bei Ihnen schon einmal eine psychische Erkrankung festgestellt?
Ja □ Nein □
Wenn ja, welche:
9) Werden Sie derzeit durch eine/n Sachwalter/in vertreten?
Ja □ Nein □
166
Folgende Fragen sind nur auszufüllen, wenn Frage 10 mit „Ja“ beantwortet wurde:
10) In welchen Bereichen werden Sie durch eine/n Sachwalter/in vertreten:
(auch Mehrfachnennungen möglich)
Vertretung gegenüber Behörden, Ämtern oder privaten
Vertragspartnern/innen
□
Vertretung bei finanziellen Angelegenheiten
□
Vertretung bei medizinischen Angelegenheiten
□
Vertretung bei sozialen Angelegenheiten
□
Vertretung bei Änderung des Wohnortes
□
11) Wer erfüllt bei Ihnen die Aufgabe des/der Sachwalters/in:
eine nahestehende Person
□
ein Sachwalterverein
□
ein Rechtsanwalt/ eine Rechtsanwältin
□
ein Notar/ eine Notarin
□
eine andere geeignete Person:
□
12) Bitte geben Sie an, wie zufrieden Sie mit der Tätigkeit Ihres Sachwalters/Ihrer
Sachwalterin sind:
sehr unzufrieden unzufrieden weder noch zufrieden sehr zufrieden
□ □ □ □ □
167
13) Bitte schätzen Sie ein, wie intensiv Sie bei anstehenden Entscheidungen von Ihrem/r
Sachwalter/in bisher miteinbezogen wurden?
Gar nicht ein wenig mittelmäßig ziemlich sehr
□ □ □ □ □
Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen!
168
169
Anhang 4: MacCAT-T Record Form (Allergie)
Deutsche Bearbeitung und Übersetzung von Jochen Vollmann 2/96
Adaptierte Version für die Diplomarbeitsstudie
MacCAT-T Record Form
KlientenInnencode:
InterviewerInnencode:
Datum: Uhrzeit: Ort:
Untersuchung des Verstehens- Informationsmitteilung
Frage: »Bitte erklären Sie mit eigenen Worten, was ich Ihnen über die gesundheitlichen
Probleme von der Person XY (Name der Person einsetzen) gesagt habe!«
(Wiederholen Sie notfalls die hypothetische Vignette!)
Frage Antwort des/der Klienten/in
# 1 Diagnose
Allergie gegen Staub, Blumen und Bäume
Rating (0-2 Pkt.):
# 2 Krankheitsmerkmal
- Niesen
- Juckende Augen
Rating (0-2 Pkt.):
# 3 Krankheitsmerkmal
- Laufende Nase
- Kopfschmerzen
Rating (0-2 Pkt.):
# 4 Krankheitsmerkmal
- Probleme beim Schlafen
Rating (0-2 Pkt.):
# 5 Krankheitsverlauf
- Soziale Isolation
- Starke Müdigkeit
- Vermeidung von Spaziergängen im
Freien
Rating (0-2 Pkt.):
A
170
Verstehensstörungen
(Gesamtpunktzahl 0-10 Pkt.):
Sonstiges:
Untersuchung der Einschätzung
Frage: »Nun, so beurteilen wir das Problem der Person XY (Name der Person einsetzen).
Stimmen Sie dem zu, oder haben Sie Zweifel an der Einschätzung«
Zustimmung … Ablehnung … Zweifel … (bitte ankreuzen)
Untersuchung bei KlientenInnenwiderspruch oder bei KlientenInnenambivalenz:
Erklärung des/der Klienten/in
(bei Ablehnung: »Was denken Sie, was die Ursache des Problems bei Person XY ist?«
Rating (0-2 Pkt.):
Verstehen der vorgeschlagenen Behandlung:
Frage: »Bitte wiederholen Sie mit ihren eigenen Worten, welche Behandlung bei Person XY
(Name der Person eintragen) vorgeschlagen wurden!«
(Wiederholen Sie die hypothetische Vignette, falls es notwendig ist!)
Frage Antwort des/der Klienten/in
# Name der Behandlung
Gabe von Allergiespritzen
Rating (0-2 Pkt.):
# 2 Merkmal der Behandlung
Allergiespritze: ist eine Nadel gefüllt mit
Medizin, welche in den Arm gegeben wird
Rating (0-2 Pkt.):
# 3 Merkmal der Behandlung
Verabreichung von 6 Spritzen
Rating (0-2 Pkt.):
# 4 Merkmal der Behandlung
Dauer: 6 Wochen lang
Rating (0-2 Pkt.):
171
Verstehen der vorgeschlagenen
Behandlung (Gesamtpunktzahl: 0- 8 Pkt.):
Sonstiges:
Verstehen von Nutzen und Risiken der Behandlung
Frage: »Bitte wiederholen Sie mit eigenen Worten, was ich Ihnen zu Nutzen und Risiken der
Behandlung von der Person XY (Name der Person eintragen) erklärt habe.«
# 1 Nutzen
- Kein Niesen
- Keine juckenden Augen
Rating (0-2 Pkt.):
# 2 Nutzen
- Keine laufende Nase
- Keine Kopfschmerzen
- Keine Probleme beim Schlafen
Rating (0-2 Pkt.):
# 3 Risiko
- Kurzfristige Schmerzen im Arm
(Zwicken)
- Längerfristige Schmerzen im Arm
Rating (0-2 Pkt.):
# 4 Risiko
- Juckreiz nach jeder Spritze
- Rötung der Stelle am Arm
Rating (0-2 Pkt.):
Verstehen von Nutzen und Risiken der
Behandlung (Gesamtpunktzahl: 0-8 Pkt.):
172
Sonstiges:
Anerkennung der Behandlungsmöglichkeit
Frage: »Sie können später entscheiden, ob die Person XY (Name der Person eintragen) an der
Behandlung teilnehmen soll oder nicht. Wir werden darauf zurückkommen. Unabhängig
davon, denken Sie, dass die Person XY (Name der Person eintragen) durch die Behandlung
einen Nutzen haben könnte?«
Zustimmung … Ablehnung … Zweifel … (bitte
ankreuzen)
Interviewer/in: »So, Sie meinen also, dass die Person XY (Name der Person eintragen) durch
die Behandlung…
Warum meinen Sie das? Können Sie mir das erklären?«
Einschätzung der Behandlung (0-2 Pkt.):
Erste Wahl und Begründung
Wahl: »Lassen Sie uns über die Wahlmöglichkeiten der Person XY (Name der Person
eintragen) sprechen. Was meinen Sie, was das Beste für Person XY (Name der Person
eintragen) ist: an der Behandlung teilzunehmen oder diese sein zu lassen?«
Teilnahme … Keine Teilnahme … (bitte ankreuzen)
Interviewer/in: »Sie denken also, dass … Sagen Sie mir, warum die Person XY (Name der
Person eintragen) lieber an der Behandlung teilnehmen als nicht teilnehmen soll (oder
umgekehrt!)«
173
Erklärung des/der Klienten/in
Schlussfolgern (0-2 Pkt.)
Vergleichen (0-2 Pkt.)
Folgen erkennen können
Frage 1: »Ich habe Ihnen mögliche Vorteile und Risiken der Behandlung genannt. In welcher
Weise kann die Behandlung und die Ergebnisse das alltägliche Leben der Person XY (Name
der Person eintragen) zu Hause oder am Arbeitsplatz beeinflussen?«
Konsequenzen 1:
- Kann wieder aus dem Haus gehen um ihre/seine Freunde zu treffen
- Nicht müde bei der Arbeit
Konsequenzen-1 Rating (0-1 Pkt.)
Frage 2: »Lassen Sie uns nun annehmen, dass Person XY (Name der Person eintragen) an der
Behandlung nicht teilnimmt. Wie würde dadurch das Leben der Person XY (Name der Person
eintragen) (zu Hause/Arbeitsplatz) beeinflusst werden?«
Konsequenzen 2:
- Trifft nur mehr selten ihre/seine Freunde
- Starke Müdigkeit bei der Arbeit
Konsequenzen-2 Rating (0-1 Pkt.)
Folgen erkennen können
(Gesamtpunktzahl: 0-2 Pkt.)
174
Endgültige Entscheidung:
Frage: »Am Anfang unseres Gesprächs haben Sie für Person XY (Name der Person eintragen)
bevorzugt…
Wie entscheiden Sie jetzt, nachdem wir alles besprochen haben?«
Wahl
Ausdrücken der Wahl (0-2 Pkt.):
Logische Konsistenz der Entscheidung
Frage: »Wie begründen Sie Ihre Entscheidung?«
Erklärung des/der Klienten/in
Logische Konsistenz (0-2 Pkt.)
175
Identifikation:
MacCAT-T Rating Summary
Summe der
Einschätzungs-
punkte
%
Anzahl der
Einzelpunkte
=
Punkte
insgesamt
1. Verstehen
1.1 Krankheit :5 =
1.2 Behandlung :4 =
1.3 Vorteile/Risiken :4 =
Verstehens-
einschätzung
(Gesamtpunktzahl):
(0-6 Pkt.)
2. Einschätzung
2.1 Krankheit
2.2 Behandlung
Einschätzung der
Krankheits- und
Behandlungseinsicht
(Gesamtpunktzahl):
(0-4 Pkt.)
3. Urteilsvermögen
3.1 Schlussfolgern
3.2 Vergleichen
3.3 Konsequenzen
erkennen
3.4 Logische Konsistenz
Einschätzung des
Urteilsvermögens
(Gesamtpunktzahl):
(0-8 Pkt.)
4. Eine Wahl treffen
Einschätzung der
Fähigkeit eine Wahl
zu treffen
(Gesamtpunktzahl):
(0-2 Pkt.)
Gesamtpunktzahl:
(0-20 Pkt.)
176
177
Anhang 5: MacCAT-T Record Form (Aggressives Verhalten)
Deutsche Bearbeitung und Übersetzung von Jochen Vollmann 2/96
Adaptierte Version für die Diplomarbeitsstudie
MacCAT-T Record Form
KlientenInnencode:
InterviewerInnencode:
Datum: Uhrzeit: Ort:
Untersuchung der Verstehens- Informationsmitteilung
Frage: »Bitte erklären Sie mit eigenen Worten, was ich Ihnen über die gesundheitlichen
Probleme von der Person XY (Name der Person einsetzen) gesagt habe!«
(Wiederholen Sie notfalls die hypothetische Vignette!)
Frage Antwort des/der Klienten/in
# 1 Diagnose
Aggressives Verhalten
Rating (0-2 Pkt.):
# 2 Krankheitsmerkmal
- Ist wütend
Rating (0-2 Pkt.):
# 3 Krankheitsmerkmal
- Schreit
Rating (0-2 Pkt.):
# 4 Krankheitsmerkmal
- Beginnt zu streiten
Rating (0-2 Pkt.):
# 5 Krankheitsverlauf
- Arbeitsverlust
- Verlust von Freunden
Rating (0-2 Pkt.):
aV
178
Verstehensstörungen
(Gesamtpunktzahl 0-10 Pkt.):
Sonstiges:
Untersuchung der Einschätzung
Frage: »Nun, so beurteilen wir das Problem der Person XY (Name der Person einsetzen).
Stimmen Sie dem zu, oder haben Sie Zweifel an der Einschätzung«
Zustimmung … Ablehnung … Zweifel … (bitte ankreuzen)
Untersuchung bei KlientenInnenwiderspruch oder bei KlientenInnenambivalenz:
Erklärung des/der Klienten/in
(bei Ablehnung: »Was denken Sie, was die Ursache des Problems bei Person XY ist?«
Rating (0-2 Pkt.):
Verstehen der vorgeschlagenen Behandlung:
Frage: »Bitte wiederholen Sie mit ihren eigenen Worten, welche Behandlung bei Person XY
(Name der Person eintragen) vorgeschlagen wurden!«
(Wiederholen Sie die hypothetische Vignette, falls es notwendig ist!)
Frage Antwort des/der Klienten/in
# Name der Behandlung
Gabe eines Medikaments (Sentaril)
Rating (0-2 Pkt.):
# 2 Merkmal der Behandlung
2 Mal tägliche Medikamenteneinnahme
(morgens und abends)
Rating (0-2 Pkt.):
# 3 Merkmal der Behandlung
Dauer: mehrere Wochen lang
Rating (0-2 Pkt.):
179
# 4 Merkmal der Behandlung
Unsichere Wirkung
Rating (0-2 Pkt.):
Verstehen der vorgeschlagenen
Behandlung (Gesamtpunktzahl: 0- 8 Pkt.):
Sonstiges:
Verstehen von Nutzen und Risiken der Behandlung
Frage: »Bitte wiederholen Sie mit eigenen Worten, was ich Ihnen zu Nutzen und Risiken der
Behandlung von der Person XY (Name der Person eintragen) erklärt habe.«
# 1 Nutzen
- Bleibt ruhig
- Kein Schreien
Rating (0-2 Pkt.):
# 2 Nutzen
- Keine Streits
- Erlaubnis zur Arbeit zu kommen
Rating (0-2 Pkt.):
# 3 Risiko
- Gefühl des Krankseins
- Schwindelgefühl
Rating (0-2 Pkt.):
# 4 Risiko
- Müdigkeit
- Trockener Mund
Rating (0-2 Pkt.):
Verstehen von Nutzen und Risiken der
Behandlung (Gesamtpunktzahl: 0-8 Pkt.):
Sonstiges:
180
Anerkennung der Behandlungsmöglichkeit
Frage: »Sie können später entscheiden, ob die Person XY (Name der Person eintragen) an der
Behandlung teilnehmen soll oder nicht. Wir werden darauf zurückkommen. Unabhängig
davon, denken Sie, dass die Person XY (Name der Person eintragen) durch die Behandlung
einen Nutzen haben könnte?«
Zustimmung … Ablehnung … Zweifel … (bitte
ankreuzen)
Interviewer/in: »So, Sie meinen also, dass die Person XY (Name der Person eintragen) durch
die Behandlung…
Warum meinen Sie das? Können Sie mir das erklären?«
Einschätzung der Behandlung (0-2 Pkt.):
Erste Wahl und Begründung
Wahl: »Lassen Sie uns über die Wahlmöglichkeiten der Person XY (Name der Person
eintragen) sprechen. Was meinen Sie, was das Beste für Person XY (Name der Person
eintragen) ist: an der Behandlung teilzunehmen oder diese sein zu lassen?«
Teilnahme … Keine Teilnahme … (bitte ankreuzen)
Interviewer/in: »Sie denken also, dass … Sagen Sie mir, warum die Person XY (Name der
Person eintragen) lieber an der Behandlung teilnehmen als nicht teilnehmen soll (oder
umgekehrt!)«
181
Erklärung des/der Klienten/in
Schlussfolgern (0-2 Pkt.)
Vergleichen (0-2 Pkt.)
Folgen erkennen können
Frage 1: »Ich habe Ihnen mögliche Vorteile und Risiken der Behandlung genannt. In welcher
Weise kann die Behandlung und die Ergebnisse das alltägliche Leben der Person XY (Name
der Person eintragen) zu Hause oder am Arbeitsplatz beeinflussen?«
Konsequenzen 1:
- Erlaubnis zur Arbeit zu kommen
- Kein Verlust von Freunden
Konsequenzen-1 Rating (0-1 Pkt.)
Frage 2: »Lassen Sie uns nun annehmen, dass Person XY (Name der Person eintragen) an der
Behandlung nicht teilnimmt. Wie würde dadurch das Leben der Person XY (Name der Person
eintragen) (zu Hause/Arbeitsplatz) beeinflusst werden?«
Konsequenzen 2:
- Verlust des Arbeitsplatzes
- Verlust von Freunden
Konsequenzen-2 Rating (0-1 Pkt.)
Folgen erkennen können
(Gesamtpunktzahl: 0-2 Pkt.)
182
Endgültige Entscheidung:
Frage: »Am Anfang unseres Gesprächs haben Sie für Person XY (Name der Person eintragen)
bevorzugt…
Wie entscheiden Sie jetzt, nachdem wir alles besprochen haben?«
Wahl
Ausdrücken der Wahl (0-2 Pkt.):
Logische Konsistenz der Entscheidung
Frage: »Wie begründen Sie Ihre Entscheidung?«
Erklärung des/der Klienten/in
Logische Konsistenz (0-2 Pkt.)
183
Identifikation:
MacCAT-T Rating Summary
Summe der
Einschätzungs-
punkte
%
Anzahl der
Einzelpunkte
=
Punkte
insgesamt
1. Verstehen
1.1 Krankheit :5 =
1.2 Behandlung :4 =
1.3 Vorteile/Risiken :4 =
Verstehens-
einschätzung
(Gesamtpunktzahl):
(0-6 Pkt.)
2. Einschätzung
2.1 Krankheit
2.2 Behandlung
Einschätzung der
Krankheits- und
Behandlungseinsicht
(Gesamtpunktzahl):
(0-4 Pkt.)
3. Urteilsvermögen
3.1 Schlussfolgern
3.2 Vergleichen
3.3 Konsequenzen
erkennen
3.4 Logische Konsistenz
Einschätzung des
Urteilsvermögens
(Gesamtpunktzahl):
(0-8 Pkt.)
4. Eine Wahl treffen
Einschätzung der
Fähigkeit eine Wahl
zu treffen
(Gesamtpunktzahl):
(0-2 Pkt.)
Gesamtpunktzahl:
(0-20 Pkt.)
184
185
Anhang 6: Hypothetische Behandlungsvignetten
Allergievignette
Anna/Paul fühlt sich nicht gut. Sie/Er hat eine Allergie gegen Staub, Blumen und Bäume.
Sie/Er nießt und ihre/seine Augen jucken. Sie/Er hat auch eine laufende Nase und
Kopfschmerzen. Manchmal niest Anna/Paul so viel, dass sie/er in der Nacht nicht schlafen
kann. Anna/Paul geht daher im Frühling und Sommer nur selten aus dem Haus und möchte
nicht mit ihren/seinen Freunden im Garten sein. Er/sie ist auch sehr müde in der Arbeit.
Anna/Paul geht zu einem Allergiespezialisten. Ein Allergiespezialist ist ein Arzt, der
Menschen mit Allergien hilft um sich besser zu fühlen. Der Arzt sagt Anna/Paul, dass er
ihr/ihm Allergiespritzen geben möchte. Eine Spritze ist eine Nadel gefüllt mit Medizin, die
der Arzt Anna/Paul in den Arm geben möchte. Anna/Paul muss 6 Wochen lang jeweils
einmal pro Woche zum Arzt gehen, um 6 Spritzen zu bekommen. Der Arzt sagt, dass das
Gute daran ist, die Spritzen zu bekommen, dass Anna/Paul keine Allergien mehr haben
wird. Sie/Er wird nicht niesen, wird keine juckenden Augen haben, keine laufende Nase,
keine Kopfschmerzen und es wird für sie/ihn möglich sein zu schlafen. Noch dazu kann
Anna/Paul wieder aus dem Haus gehen um ihre/seine Freunde zu treffen. Der Arzt sagt
Anna/Paul, dass das Schlechte daran ist, die Spritzen zu bekommen, dass sie weh tun
könnten, wie ein Zwicken in ihrem/seinem Arm und er könnte nach jeder Spritze für ein
paar Tage Schmerzen im Arm haben. Zudem kann der Arm nach jeder Spritze jucken oder
eine rote Farbe haben. Der Arzt sagt Anna/Paul, dass wenn sie/er keine Spritzen bekommt,
sie/er auch kein Zwicken in ihrem/seinem Arm spüren wird und dass ihr/sein Arm auch
nicht für ein paar Tage weh tun wird. Der Arzt sagt auch, dass das Schlechte daran ist,
wenn sie/er keine Spritze bekommt, dass Anna/Paul niesen wird, dass ihre/seine Augen
jucken werden, dass ihre/seine Nase laufen wird, dass ihr/sein Kopf schmerzen wird und
sie/er nicht fähig sein wird zu schlafen.
186
Aggressives Verhalten- Vignette
Laura/Georg hat ein Problem. Er/sie zeigt aggressives Verhalten. Er/sie wird wütend,
schreit und er/sie beginnt zu streiten an ihrem/seinem Arbeitsplatz. Laura/Georg hat
versucht sein/ihr Verhalten zu kontrollieren und Personen bei der Arbeit um Hilfe gefragt,
aber sie/er kann dieses Verhalten nicht stoppen. Wenn sie/er das Verhalten nicht stoppt,
darf sie/er nicht mehr zur Arbeit kommen und er/sie verliert viele Freunde. Georg/Laura
geht zu einem Psychiater. Ein Psychiater ist ein Arzt, der Personen mit ihrem Verhalten
helfen kann. Der Psychiater sagt Georg/Laura, dass er/sie ein Medikament nehmen könnte,
dass ihm/ihr helfen könnte, dieses Verhalten zu stoppen. Das Medikament heißt Sentaril.
Georg/Laura würde 2 Tabletten nehmen, eine am Morgen und eine am Abend für viele
Wochen. Man weiß jedoch jetzt noch nicht, wie gut dieses Medikament bei Georg/Laura
wirkt. Der Psychiater sagt, dass das Gute daran ist, das Medikament zu nehmen, dass es
Georg/Laura helfen kann, dass er/sie ruhig bleibt. Er/sie würde weniger das Bedürfnis
haben zu schreien oder zu streiten beginnen als jetzt und es würde ihm/ihr erlaubt sein zur
Arbeit zu kommen. Der Psychiater sagt Georg/Laura, dass das Schlechte daran ist, das
Medikament zu nehmen, dass sich Georg/Laura ein wenig krank fühlen wird. Er/sie würde
sich schwindelig oder müde fühlen und sein/ihr Mund würde sich sehr trocken anfühlen.
Der Psychiater sagt Georg/Laura, dass wenn er/sie das Medikament nicht nehmen würde,
dass er/sie sich nicht krank fühlen würde, er/sie würde sich nicht schwindelig oder müde
fühlen und er/sie würde keinen trockenen Mund haben. Der Psychiater sagt auch, dass das
Schlechte daran ist nicht das Medikament zu nehmen, dass Georg/Laura immer noch
wütend werden würde, er/sie schreien und streiten würde, dass er/sie noch härter an der
Kontrolle seines/ihres Verhaltens arbeiten müsste und es ihm/ihr eventuell nicht mehr
erlaubt sein würde, zur Arbeit zu kommen.
187
Ad Personam
Katharina Schossleitner
Geburtsdatum
08.03.1990
Geburtsort Linz
Nationalität
Österreich
Kontakt [email protected]
Ausbildung:
seit 2008
Diplomstudium Psychologie an der Universität Wien
2008- 2012
BA Bildungswissenschaft an der Universität Wien
2008
Matura am BG/BRG Gmunden/OÖ
Berufserfahrung:
2012- 2014
Fakultät für Psychologie, Universität Wien
Studienassistentin bei Prof. Dr. Germain Weber
Zusätzliche Qualifikationen:
Sprachkenntnisse Deutsch
Englisch
Spanisch
Latein
Österreichische Gebärdensprache
IT-Kenntnisse MS Office
SPSS Statistics
Sonstiges Führerschein Klasse B
Vorstandsmitglied & Schriftführerin der
Landjugend Rüstorf