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(Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis für die Versorgungsforschung und
Pharmakoepidemiologie
Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades
Doctor Public Health (Dr. P.H.)
Universität Bremen
Zentrum für Sozialpolitik (ZeS)
Abteilung Gesundheitsökonomie, Gesundheitspolitik und Versorgungsforschung
vorgelegt von Falk Hoffmann
Bremen, im Mai 2008
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 2
Danksagung
Diese Dissertation sowie die darin integrierten Publikationen wären ohne die
Anregungen vieler Kollegen und Freunde nicht möglich gewesen. Ihnen möchte
ich an dieser Stelle danken.
Mein besonderer Dank gilt Prof. Dr. rer. nat. Gerd Glaeske, der diese Arbeit in
vielerlei Hinsicht erst ermöglichte. Für das Korrekturlesen der kompletten Arbeit
und wertvolle Hinweise danke ich Dr. med. Elke Scharnetzky und Frank Meyer
(ich hoffe, ich bekomme auch bald etwas zum Korrekturlesen). Einzelne
Abschnitte haben auch Dr. rer. nat. Walter Schill und Matthias S. Pfannkuche
(der 24 Stunden am Tag für Rückfragen erreichbar war) gelesen und
kommentiert. Danken möchte ich auch Claudia Kretschmer, die unermüdlich
Tausende von Rezepten gesichtet hat. Mein Dank gilt auch meinen Eltern, die
mal wieder die unangenehme Aufgabe hatten, grammatikalische und
orthografische Unzulänglichkeiten im Text aufzuspüren.
Schließlich danke ich meiner Freundin Yvonne, die mir beim Schreiben die
benötigten Freiräume ließ. Dies gilt einerseits für die investierte Zeit und
andererseits für unseren Esstisch und den Rest der Wohnung, wo sich Stapel
von Papier und Büchern ansammelten (ich sehe klare Parallelen zu Leon Gordis,
der dies in seinem Buch „Epidemiologie“ ebenfalls feststellte).
Gutachter
1. Prof. Dr. rer. nat. Gerd Glaeske
2. Prof. Dr. med. Jörg Hasford
Datum der Disputation: 25. Juli 2008
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 3
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis ........................................................ 5
1 Einführung........................................................................ 6
2 Datenbanken als Forschungsgrundlage ........................ 11
2.1 Beispiele aus anderen Ländern.........................................12
2.1.1 Health Services Databases in Saskatchewan...................... 12
2.1.2 General Practice Research Database (GPRD).................... 13
2.2 Eignung ausländischer bzw. arztbasierter Datenbanken für Deutschland .................................................................14
2.3 Beispiele aus Deutschland ................................................17
2.3.1 Verordnungen niedersächsischer Ärzte 1974 und 1976 ...... 17
2.3.2 Arzneiverordnungs-Report................................................... 18
2.3.3 Versichertenstichprobe AOK Hessen/ KV Hessen............... 25
2.4 Review von aktuellen Publikationen mit deutschen Arzneimittelroutinedaten....................................................27
2.4.1 Methodik .............................................................................. 28
2.4.2 Ergebnisse........................................................................... 30
2.4.3 Diskussion ........................................................................... 37
3 Beispiele eigener Studien mit GKV-Routinedaten......... 41
3.1 Hochverbrauch von Zolpidem und Zopiclon......................41
3.1.1 Einführung: Wirksamkeit und Missbrauch von Zolpidem und Zopiclon ............................................................................... 41
3.1.2 Methodik .............................................................................. 49
3.1.3 Ergebnisse........................................................................... 51
3.1.4 Diskussion ........................................................................... 55
3.2 Gebrauch intravenöser Bisphosphonate ...........................59
3.2.1 Einführung: Kiefernekrose unter Bishosphonaten................ 59
3.2.2 Methodik .............................................................................. 65
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 4
3.2.3 Ergebnisse........................................................................... 69
3.2.4 Diskussion ........................................................................... 74
4 Methodische Überlegungen........................................... 79
4.1 Der Weg vom Verordner zur Variable ...............................80
4.2 Validität von Arzneimittelroutinedaten ...............................89
4.2.1 Wie häufig sind Abgabe- und Verordnungsdatum im Jahr 2005 korrekt erfasst? ........................................................... 89
4.2.1.1 Methodik ............................................................................... 90
4.2.1.2 Ergebnisse ............................................................................ 91
4.2.1.3 Diskussion............................................................................. 97
4.2.2 Validität von Rezeptangaben über die Jahre 2000-2006 ... 100
4.2.2.1 Methodik ............................................................................. 100
4.2.2.2 Ergebnisse .......................................................................... 103
4.2.2.3 Diskussion........................................................................... 110
4.2.3 Erfassungsqualität bei Betäubungsmittelrezepten und Muster 16 im Jahr 2006 ..................................................... 114
4.2.3.1 Methodik ............................................................................. 115
4.2.3.2 Ergebnisse .......................................................................... 118
4.2.3.3 Diskussion........................................................................... 124
4.3 Über Sonder-PZN abgerechnete Rezepturen.................130
4.3.1 Vorgehensweise bei intravenösen Bisphosphonaten......... 131
4.3.2 Ergebnisse......................................................................... 133
4.3.3 Generelle Problematik der Abrechnung von Sonder-PZN .136
4.4 Nichtberücksichtigung von Privatrezepten ......................142
4.4.1 Methodik ............................................................................ 142
4.4.2 Ergebnisse......................................................................... 144
4.4.3 Diskussion ......................................................................... 148
5 Schlussfolgerungen ..................................................... 156
6 Literatur........................................................................ 171
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 5
Abkürzungsverzeichnis
AOK Allgemeine Ortskrankenkasse
ATC Anatomisch-therapeutisch-chemisch
AVP Apotheken Abrechnungstreuhand von Platen
AVR Arzneiverordnungs-Report
BDT BehandlungsDatenTräger
BEK Barmer Ersatzkasse
BfArM Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte
BtM Betäubungsmittel
COPD Chronisch obstruktive Lungenerkrankung
d.f. Degree of freedom
DAPI Deutsches Arzneimittelprüfinstitut
DDD Defined Daily Dose
DKV Deutsche Krankenversicherung AG
DRG Diagnosis Related Groups
GEK Gmünder ErsatzKasse
GKV Gesetzliche Krankenversicherung
GPRD General Practice Research Database
GPS Gute Praxis Sekundärdatenanalyse
HKK Handelskrankenkasse
HR Hazard Ratio
ICD International Classification of Disease
IF Impact Factor
IK Institutskennzeichen
IKK Innungskrankenkasse
IMS Institut für Medizinische Statistik
k.A. keine Angabe
KHK Koronare Herzkrankheit
KI Konfidenzintervall
KV Kassenärztliche Vereinigung
KZV Kassenzahnärztliche Vereinigung
MDK Medizinischer Dienst der Krankenversicherung
MedViP Medizinische Versorgung in der Praxis
mg Milligramm
NARZ Norddeutsches Apothekenrechenzentrum
NICE National Institute for Health and Clinical Excellence
NNH Number needed to harm
NNT Number needed to treat
ONJ Osteonecrosis of the jaw
OPS Operationen- und Prozedurenschlüssel
OR Odds Ratio
OTC Over the counter
PKV Private Krankenversicherung
PZN Pharmazentralnummer
RCT Randomised Clinical Trial
SAS Statistical Analysis System
SD Standard Deviation
SEER Surveillance, Epidemiology and End Results
SGB Sozialgesetzbuch
TA Technische Anlage
TK Techniker Krankenkasse
VSA Verrechungsstelle der Süddeutschen Apotheken
WHO World Health Organisation
WIdO Wissenschaftlichen Institut der AOK
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 6
1 Einführung „Kaum ein anderer Leistungsbereich in der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) ist transparenter als der Bereich der Arzneimittelversorgung, dennoch
werden diese Daten immer noch zu wenig für die Gesundheitsberichterstattung
genutzt.“
(Glaeske, 2006: 23)
Dieses aktuelle Zitat verdeutlicht die in den letzten Jahren lauter werdende
Forderung, die umfangreich anfallenden Routinedaten der Krankenkassen und
insbesonders diejenigen aus dem Arzneimittelbereich vermehrt für Forschungs-
zwecke zu verwenden (vgl. auch Hasford et al., 2004; Pigeot et al., 2006; Pfaff &
Kaiser, 2006). Auch der Sachverständigenrat konstatiert, dass es in Deutschland
an aussagekräftigen Daten zur Versorgungssituation mangelt (Sachver-
ständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, 2001: Band III.1)
und fordert in seinem aktuellen Gutachten, dass pharmakoepidemiologische
Datenbanken auf Basis von Routinedaten der Krankenkassen eingerichtet
werden sollen (Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im
Gesundheitswesen, 2007: Abschnitt 5.2.4.3).
Im Zusammenhang mit Routinedaten wird oft auch von Sekundärdaten
gesprochen. Im Einführungskapitel des Buches „Routinedaten im
Gesundheitswesen. Handbuch Sekundärdatenanalyse: Grundlagen, Methoden
und Perspektiven“ werden die Begriffe Routinedaten und Sekundärdaten nicht
eindeutig voneinander abgegrenzt. Die Autoren definieren Sekundärdaten-
analyse als die Nutzung von Daten im Rahmen wissenschaftlicher und bzw. oder
praxisrelevanter Untersuchungen ohne direkten Bezug zum primären
Erhebungsanlass (Swart & Ihle, 2005). Auch in der empirischen Sozialforschung
werden solche Studien nicht selten durchgeführt, als Oberbegriff wird hier
„Sekundäranalyse“ genannt (Kromrey, 2002; Schnell et al., 2005). Die
Möglichkeiten reichen von einer weiteren Auswertung eines bereits vorhandenen
Datensatzes bis hin zur Nutzung von Routinedaten der Krankenkassen.
Dementsprechend handelt es sich bei der Auswertung eines Surveys durch
andere Forschergruppen bereits um Sekundär(daten)analyse, obwohl primär
erhobene Befragungsdaten benutzt wurden. Routinedaten sind prozess-
produzierte Informationssammlungen, die im Rahmen der Leistungserbringung
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 7
bzw. Kostenerstattung „routinemäßig“ anfallen. Sie werden originär zum Zweck
der Abrechnung erhoben und können nachfolgend für die wissenschaftliche
Forschung genutzt werden. Routinedaten werden nach Schach (1981) neben
Primärerhebungen anderer Untersucher sowie Daten aus der amtlichen Statistik
unter dem Begriff Sekundärdaten subsumiert. Somit erscheint die Unter-
scheidung zwischen dem breiter definierten Begriff Sekundärdaten und den
enger gefassten Routinedaten durchaus sinnvoll. Im Folgenden werden
administrative Daten von Krankenkassen, die dem Zwecke der Abrechung
dienen (z.B. für Arzneimittel oder Krankenhausaufenthalte), deshalb
ausschließlich als Routinedaten bezeichnet.
Die wissenschaftliche Untersuchung der Anwendung sowie der erwünschten und
unerwünschten Wirkungen von Arzneimitteln in großen Bevölkerungsgruppen gilt
als Forschungsfeld der Pharmakoepidemiologie (Strom, 2006a). Typische
Aspekte, die in pharmakoepidemiologischen Studien untersucht werden,
befassen sich mit Mustern und Kosten des Arzneimittelverbrauchs, der Qualität
der Arzneimittelversorgung, Determinanten der Arzneimittelanwendung sowie mit
den aus dem Gebrauch von Arzneimitteln resultierenden positiven und negativen
Outcomes und deren Kosten (WIdO, 2004). Hier bestehen inhaltliche und
methodische Überschneidungen zur Versorgungsforschung, einer Disziplin, die
mittlerweile „in aller Munde“ ist (Schmacke, 2007) und die „letzte Meile“1 des
Gesundheitssystems untersucht (Pfaff, 2003). Eine häufig zitierte Definition von
Pfaff (2003: 13) bezeichnet Versorgungsforschung „als ein fachübergreifendes
Forschungsgebiet, das die Kranken- und Gesundheitsversorgung und ihre
Rahmenbedingungen beschreibt und kausal erklärt, zur Entwicklung
wissenschaftlich fundierter Versorgungskonzepte beiträgt, die Umsetzung neuer
Versorgungskonzepte begleitend erforscht und die Wirksamkeit von
Versorgungsstrukturen und -prozessen unter Alltagsbedingungen evaluiert.“
Versorgungsforschung schließt somit ein breites Spektrum möglicher
Fragestellungen ein, die von deskriptiven (z.B. Wie häufig ist die koronare
1 Die Begrifflichkeit „letzte Meile“ kann durchaus kritisiert werden, da sie das Ende eines Weges symbolisiert, an dem es kein Weiterkommen gibt. Nach der Ständigen Kongresskommission Versorgungsforschung ist das Verständnis von Versorgungsforschung allerdings umfassender (Schrappe et al., 2005). An die von Pfaff (2003) als „letzte Meile“ bezeichnete Beschreibung und Analyse der Versorgungssituation sollte sich die Entwicklung von Konzepten, Implementierung und Evaluierung anschließen.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 8
Herzkrankheit (KHK) in Deutschland?) über defizitorientierten (z.B. Wie viele
Patienten2 mit KHK erhalten die in den Leitlinien empfohlene Medikation?) oder
analytischen Fragestellungen (z.B. Warum erhalten Frauen nach Herzinfarkt
andere Medikamente als Männer?) bis hin zu Interventionsstudien (z.B.
Verordnen Ärzte, die an einem Kurs in evidenzbasierter Medizin teilgenommen
haben, häufiger Beta-Blocker nach Herzinfarkt?) reichen (Donner-Banzhoff et al.,
2007). Welche heterogenen Themen deutschsprachige Artikel zur Versorgungs-
forschung tatsächlich abdecken, zeigt der Review von Schneider et al. (2007),
dem eine MEDLINE-Suche nach „health services research“, „health system
research“ sowie „health research“ zugrunde lag. Die Suche identifizierte unter
anderem Artikel wie „Apparative Diagnostik im Schockraum“ oder „Motivierende
Gesprächsführung mit Arbeitslosen“.3 Die möglichen Forschungsfragen, die sich
unter dem Begriff Versorgungsforschung subsumieren lassen, erfordern
wiederum ein breites Spektrum an Studiendesigns, das von qualitativen
Untersuchungen bis hin zu randomisierten kontrollierten Studien reichen kann.
Verschiedentlich wird kritisiert, dass diese weite Auffassung von Versorgungs-
forschung Abgrenzungsprobleme schafft (Porzsolt & Kilian, 2006). In der Tat
lassen sich Studien, wie beispielsweise zu der oben angeführten Frage „Wie
viele Patienten mit KHK erhalten die in den Leitlinien empfohlene Medikation?“,
sowohl der Versorgungsforschung als auch der Pharmakoepidemiologie
zuordnen. Dieses Problem sollte allerdings im „Forscheralltag“ keine
Schwierigkeiten bereiten. Zielführender und bedeutsamer als definitorische
Fragen ist in diesem Zusammenhang vielmehr, und so kann Donner-Banzhoff et
al. (2007) und Porzsolt & Kilian (2006) nur zugestimmt werden, dass konkrete
und qualitativ hochwertige Studien durchgeführt werden.
Routinedaten der Krankenkassen werden unter Alltagsbedingungen generiert
und bilden damit die „letzten Meile“ des Gesundheitssystems, also die aktuelle
2 Nicht nur aus Gründen der Schrägstrichvermeidung, sondern auch der besseren Lesbarkeit halber, wird im folgenden Text durchgängig die männliche Form beibehalten (so z.B. Patient, Versicherter usw.). Frauen sind in dieser Formulierung selbstverständlich ebenso gemeint und angesprochen. 3 Die eigentliche Forschungsfrage des Reviews von Schneider et al. (2007) war, wie in deutsch-sprachigen Publikationen zur Versorgungsforschung mit potentiellen Interessenskonflikten umgegangen wird. Kritisch ist dazu anzumerken, dass keinerlei Ein- und Ausschlusskriterien definiert wurden und dass die Suche nach deutschen Studien zur Versorgungsforschung eigentlich eine umfangreichere Literaturrecherche erfordert hätte (Wilczynski et al., 2004).
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 9
Versorgungssituation, ab. Sie lassen Analysen mit geringem zeitlichen und
finanziellen Aufwand über verschiedene Bevölkerungsgruppen wie Kinder,
Multimorbide oder Bewohner von Altenheimen zu, über die sonst wenig bekannt
ist. Zeitnahe Informationen sind zu einer Vielzahl von abrechnungsrelevanten
Leistungsbereichen vorhanden, die idealerweise personenbezogen miteinander
verknüpft werden können. Die Daten liegen meist im Längsschnitt über eine
größere Beobachtungsdauer vor und die Anzahl Personen unter Risiko ist
bekannt, wodurch Prävalenz- und Inzidenzschätzungen möglich sind. Routine-
daten sind non-reaktiv, d.h. im Gegensatz zu primär erhobenen Daten sind
Verzerrungen durch Recall-Bias oder Non-Response nicht zu erwarten. Den
zahlreichen Vorzügen stehen natürlich auch entscheidende Nachteile
gegenüber. Im Vergleich zu Primärdaten, bei denen der Forscher die zu
erhebenden Variablen und die dazu verwendeten Methoden bestimmt, sind die
Informationen in Routinedaten durch ihren administrativen Charakter bestimmt.
Nur abrechnungsfähige Kontakte mit dem Gesundheitssystem werden in
Routinedaten registriert und nicht alle forschungsrelevanten Variablen (z.B.
Größe, Gewicht, Blutdruck oder Laborparameter) sind vorhanden. Ein weiterer
zu beachtender Punkt betrifft die Validität dieser Daten (Crystal et al., 2007;
Garbe & Suissa, 2004; Motheral & Fairman, 1997; Schneeweiss & Avorn, 2005;
Schneeweiss, 2007a). Routinedaten sind deshalb einerseits attraktive
Datenquellen für Forschungszwecke, die andererseits spezifische methodische
Probleme mit sich bringen.
Die vorliegende Dissertation beschäftigt sich mit der Nutzung, dem Nutzen, aber
auch mit möglichen Fallstricken in der Arbeit mit Routinedaten für wissen-
schaftliche Zwecke unter besonderer Berücksichtigung von Arzneimittelroutine-
daten der GKV in Deutschland. Der Fokus liegt damit auf methodischen
Aspekten. Im Kapitel 2 werden „Datenbanken als Forschungsgrundlage“
zunächst aus dem Ausland vorgestellt und deren Übertragbarkeit auf hiesige
Forschungsfragen diskutiert. Anschließend werden beispielhaft deutsche
Datenquellen von Krankenkassen besprochen und es wird die Nutzung solcher
Arzneimittelroutinedaten über die letzten 10 Jahre systematisch analysiert. Im
Abschnitt „Beispiele eigener Studien mit GKV-Routinedaten“ (Kapitel 3) finden
sich exemplarisch zwei Untersuchungen zum Hochverbrauch der Hypnotika
Zolpidem und Zopiclon sowie zum Gebrauch intravenöser Bisphosphonate.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 10
Diese werden im weiteren Verlauf der Arbeit unter methodischen
Gesichtspunkten erneut aufgegriffen. Die Studien beginnen jeweils mit einer
ausführlichen Beschreibung der aktuellen Evidenz und damit dem
Ausgangspunkt für die Untersuchungen. Der Abschnitt „Methodische
Überlegungen“ (Kapitel 4) bildet das Kernstück der vorliegenden Dissertation.
Zunächst wird der Weg des Rezeptes vom Patienten zur auswertbaren Variable
näher beleuchtet und anschließend werden eine Reihe von Validierungsstudien
zur Erfassung von Rezeptinformationen in Routinedaten vorgestellt. Weiterhin
werden zwei methodisch orientierte Untersuchungen zur Untererfassung des
Arzneimittelgebrauchs aus Routinedaten am Beispiel von Rezepturen und
Privatrezepten beschrieben. Die Arbeit endet mit Kapitel 5, in dem
„Schlussfolgerungen“ und damit die aus dieser Dissertation gewonnenen
Implikationen für die Forschung mit (Arzneimittel)Routinedaten der Kranken-
kassen zusammengefasst werden.
Die vorliegende Dissertation hat verschiedene eigene bereits veröffentlichte bzw.
eingereichte Publikationen als Grundlage. Die Artikel wurden mit nicht
veröffentlichtem Material sowie umfangreichen zusätzlichen bzw. vertiefenden
Auswertungen ergänzt und in die diskutierten Themen integriert.
Englischsprachige Texte wurden ins Deutsche übersetzt. Jedes Kapitel, dem
veröffentlichte bzw. eingereichte Publikationen zugrunde liegen, beginnt mit
einer Auflistung dieser Arbeiten.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 11
2 Datenbanken als Forschungsgrundlage Die elektronische und strukturierte Speicherung von umfangreichen gesundheits-
bezogenen Informationen geschieht in Datenbanken. Im internationalen Kontext
findet man häufig die Begrifflichkeiten „automated databases“ oder
„computerized databases“ (Strom & Carson, 1990). Eine grundsätzliche
Unterscheidung ist zwischen administrativen Datenbanken („claims databases“,
„administrative databases“) und Datenbanken auf Basis von Patientenakten bzw.
arztbasierten Datenbanken („medical records databases“) zu machen
(Hennessy, 2006; Strom 2006b). Administrative Datenbanken entstehen durch
den Kontakt von Personen mit dem Gesundheitssystem und spiegeln die
Perspektive der Verwaltung wider. Die Daten werden primär zu Zwecken der
Abrechnung generiert und die Möglichkeit, diese Informationen für
Forschungszwecke zu nutzen, ist ein Nebenprodukt. Ein typisches Beispiel aus
Deutschland sind Routinedaten der GKV. Arztbasierte Datenbanken werden auf
Basis der elektronischen Patientendokumentation generiert und spiegeln damit
die Perspektive des Arztes wider. Beispiele aus Deutschland sind der Disease
Analyser-MediPlus vom Institut für Medizinische Statistik (IMS) (Dietlein &
Schröder-Bernhardi, 2002) oder die über die Praxissoftware gewonnenen
BehandlungsDatenTräger(BDT)-Daten (Himmel et al., 2006). Im Vergleich zu
administrativen können in arztbasierten Datenbanken zusätzliche Informationen
wie Laborwerte, Größe, Gewicht oder Raucherstatus enthalten sein. Da die
Angaben aber meist vom Hausarzt gepflegt werden, sind Verordnungen oder
Diagnosen von anderen Ärzten möglicherweise nur unvollständig erfasst. Diese
Informationen liegen in administrativen Daten arztübergreifend vor. Bezüglich
des Arzneimittelkonsums finden sich in den arztbasierten Dankenbanken stets
die verordneten Präparate, während in administrativen Daten die von Apotheken
abgerechneten Medikamente enthalten sind.
Datenbanken mit gesundheitsbezogenen Informationen werden im inter-
nationalen Raum seit langem für Forschungszwecke verwendet. Exemplarisch
sollen im Folgenden kurz zwei wichtige internationale Datenbanken vorgestellt
werden, um dann zu diskutieren, ob diese auch für Analysen bezüglich des
deutschen Marktes geeignet sind. Anschließend werden beispielhaft deutsche
Datenquellen vorgestellt, wobei der Fokus auf dem seit 1985 in jährlichem
Abstand erscheinenden Arzneiverordnungs-Report liegt. Das Kapitel schließt mit
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 12
einem systematischen Review zur Nutzung von deutschen Arzneimittelroutine-
daten der Krankenkassen für Forschungszwecke.
Eigene Vorarbeiten zum Thema
• Pfannkuche MS, Hoffmann F, Meyer F, Glaeske G (2007): Vergleichende
Bewertung von Methoden zur Ermittlung von Effizienzreserven in der
Arzneimittelversorgung. Gesundheitswesen, 69(12): 670-8.
• Hoffmann F (submitted): Review on use of German health insurance claims
data on medications for epidemiological research.
2.1 Beispiele aus anderen Ländern 2.1.1 Health Services Databases in Saskatchewan Die Health Databases des staatlich finanzierten Gesundheitssystems in der
kanadischen Provinz Saskatchewan lassen sich den administrativen
Datenbanken zuordnen. In Saskatchewan sind etwa 1 Mio. Personen wohnhaft,
was 3,2% der kanadischen Bevölkerung entspricht. Zu diesen Personen aller
Altersgruppen können individuelle Verläufe sektorenübergreifend über eine
lebenslang gleichbleibende Versicherungsnummer (Health Services Number)
verfolgt werden. Die Routinedaten stehen für verschiedene Leistungsbereiche
über einen sehr langen Beobachtungszeitraum zur Verfügung. Arzneimitteldaten
sind beispielsweise seit September 1975 elektronisch erfasst (mit unvoll-
ständigen Daten zwischen Juli 1987 und Dezember 1988). Demografische
Informationen (wie z.B. Geburt, Tod, Eheschließung), ambulante und stationäre
medizinische Leistungen sowie Daten des Krebsregisters liegen seit mindestens
1979 vollständig elektronisch erfasst vor. Wissenschaftler, die mit diesen Daten
arbeiten möchten, müssen einen Forschungsantrag einreichen, der von einem
Review Komitee begutachtet wird. Die benötigten Daten werden kostenpflichtig
aufbereitet und den Forschern anschließend zu Analysezwecken zur Verfügung
gestellt (Saskatchewan Health, 2005; Stergachis et al., 2006).
Die Saskatchewan Health Databases wurden bereits für zahlreiche Forschungs-
vorhaben verwendet. Ein Review, dem eine umfangreiche Suchstrategie
zugrunde lag, fand über die Jahre 1970-2004 insgesamt 141 Studien, die auf
Basis dieser Datenbanken durchgeführt wurden (Tricco et al., 2008). Der
überwiegende Teil der identifizierten Artikel beschäftigte sich mit der Assoziation
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 13
zwischen Expositionen und Outcomes (48,2%) sowie mit Fragen der
Versorgungsforschung (26,2%). Verschiedene stationäre Diagnosen wurden
bereits mittels Aktendurchsicht validiert (Garbe & Suissa, 2004). Allerdings
weisen Tricco et al. (2008) darauf hin, dass mehr als zwei Drittel der in ihrem
Review identifizierten Studien keinerlei Anmerkungen zur Datenvalidität machen.
2.1.2 General Practice Research Database (GPRD) Die General Practice Research Database (GPRD) ist die weltweit größte
arztbasierte und für Forschungszwecke verwendete Datenbank. Etwa 1.500
Hausärzte in 500 über Großbritannien verteilten Praxen liefern aktuell
Informationen zu 3,6 Mio. Patienten aller Altersgruppen, was mehr als 5% der
Population des Landes entspricht. Insgesamt sind 46 Mio. Patientenjahre für
mögliche Auswertungen verfügbar.4 Die Hausärzte, die ein Qualitätstraining
durchlaufen haben, nutzen ihren Praxiscomputer, um Informationen in das
System einzuspeisen (Garcia Rodriguez & Perez Gutthann, 1998). Die GPRD
enthält Informationen zur Demografie, zu medizinischen Diagnosen inklusive
Freitexten, den verordneten Medikamenten, Krankenhauseinweisungen inklusive
Entlassungsberichten sowie ergänzende Patientendaten wie Raucherstatus,
Größe, Gewicht und in zunehmendem Maße auch Laborbefunde (Garbe &
Suissa, 2004). Weiterhin besteht die Möglichkeit, zusätzliche Patientenakten
anzufordern bzw. dem Hausarzt oder dem Patienten Fragebögen zuzusenden
(Garcia Rodriguez & Perez Gutthann, 1998). Es fehlen in der Datenbank
allerdings weitere sozioökonomische Informationen wie Beruf oder
Arbeitslosigkeit (Stergachis et al., 2006). Die Datenbank wurde im Juni 1987 als
VAMP Research Databank eingerichtet und trägt erst seit 1994 den Namen
GPRD. Ebenfalls seit 1994 steht die Datenbank unter Aufsicht des britischen
Gesundheitsministeriums und wird seit 1999 von der britischen Zulassungs-
behörde verwaltet, die im April 2003 Teil der neu geschaffenen Medicines and
Healthcare Products Regulatory Agency (MHRA) wurde (Garbe & Suissa, 2004;
Garcia Rodriguez & Perez Gutthann, 1998). Auch die Nutzung der GPRD ist
gebührenpflichtig, ein vollständiger Online-Zugriff kostet für 2 Nutzer laut
aktuellen Angaben jährlich 325.000 Pfund.4
4 Die Informationen stammen von der Homepage der GPRD: http://www.gprd.com (letzter Zugriff: 12.12.2007).
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 14
Die GPRD ist in großem Maße für verschiedene epidemiologische
Fragestellungen genutzt worden. Laut der zum September 2007 aktualisierten
Bibliografie auf der Homepage der GPRD4 wurden seit 1990 bis dato 564
Forschungsartikel mit diesen Daten publiziert. Auch deutsche Forscher haben
die GPRD für pharmakoepidemiologische Fragestellungen genutzt (z.B.
Andersohn et al., 2006). Aufgrund des relativ einfachen Zugangs zu weiteren
Befunden und schriftlichen Patientenakten wurden umfangreiche Validierungs-
studien zu den Daten der GPRD durchgeführt (Stergachis et al., 2006).
2.2 Eignung ausländischer bzw. arztbasierter Datenbanken für Deutschland
Der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen
(2001: Band III.1) stellte in seinem Gutachten 2000/2001 heraus, dass es in
Deutschland an aussagekräftigen Daten zur Versorgungssituation mangelt.
Somit ist es essentiell, die „letzte Meile“ des deutschen Gesundheitssystems
auch mit hiesigen Daten zu erforschen. Es wäre schon auf den ersten Blick
absurd, die Frage „Wie viele Patienten mit KHK erhalten in Deutschland einen
Beta-Blocker?“ mit niederländischen Daten beantworten zu wollen. Dass eine
solche Extrapolation wenig sinnvolle Ergebnisse liefern würde, zeigt
beispielsweise die international durchgeführte EUROASPIRE-Studie. Bei diesem
Survey (EUROASPIRE II) wurden in verschiedenen europäischen Ländern in
den Jahren 1999-2000 konsekutive Krankenhauspatienten mit ausgewählten
Eingriffen bzw. Diagnosen, die auf eine koronare Herzerkrankung (KHK)
hinweisen, im Alter von höchstens 70 Jahren eingeschlossen (EUROASPIRE I
and II Group, 2001). Diese KHK-Patienten unterschieden sich in Abhängigkeit
vom Land erheblich in der Inanspruchnahme von Leistungen und der Erreichung
von Therapiezielen. In den Niederlanden erhielten 48,2% der eingeschlossenen
Patienten einen Beta-Blocker, in Deutschland waren es 68,1%. Ein weiteres
Beispiel für nationale Unterschiede ist eine Studie zum Verordnungsverhalten
von Antidepressiva bei Kindern und Jugendlichen unter 20 Jahren. Während im
Jahresverlauf im deutschen Kollektiv 0,11% ein Antidepressivum verordnet
bekamen, war der Anteil mit 1,63% in den Vereinigten Staaten um fast das 15-
fache höher. Bezüglich der bevorzugten Medikamente existierten ebenfalls
Unterschiede. So wurden in Deutschland auffällig häufiger trizyklische
Antidepressiva und seltener Selektive Serotinin-Rückaufnahme-Inhibitoren
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 15
(SSRI) eingesetzt als in den Vereinigten Staaten (Zito et al., 2006). Diese
beispielhaften Ergebnisse weisen nicht nur darauf hin, dass ein nicht
abschätzbares Maß an Fehlern bei der Extrapolation ausländischer Daten
entstehen kann, sondern vor allem, dass die relevanten internationalen
Differenzen und die dazu führenden Gründe ohne geeignete deutsche Daten gar
nicht aufgedeckt werden könnten. Hinzu kommt, dass Auswirkungen nationaler
Gesetzesänderungen, wie beispielsweise die Herausnahme nicht-
verschreibungspflichtiger Medikamente aus dem Leistungskatalog der GKV oder
die Einführung von Rabattverträgen, mit internationalen Datenbanken nicht
evaluiert werden können (Hasford et al., 2004). Auch für ökonomische Analysen
können sich Schwierigkeiten ergeben, da beispielsweise für Arzneimittel
länderspezifische Preisbildungen existieren (Schwabe, 2008).
Jenseits deskriptiver Darstellungen sind bei Fragen der Arzneimittelsicherheit
weniger Schwierigkeiten in der Anwendung ausländischer Datenbanken zu
sehen. Trotzdem muss die spezifische Tradition des deutschen Arzneimittel-
marktes beachtet werden. Bestimmte Präparate sind in anderen Ländern gar
nicht zugelassen bzw. erstattungsfähig, womit eine Nutzen-Schaden-Bewertung
oder eine ökonomische Analyse mit anderen als deutschen Daten nicht
durchzuführen ist (Hasford et al., 2004). So sind beispielsweise auf dem Drug
Plan der kanadischen Provinz Saskatchewan, der die Erstattungsfähigkeit von
Medikamenten regelt, aus der Gruppe der Beta-Blocker nur Präparate mit den
Wirkstoffen Metoprolol, Bisoprolol und Atenolol gelistet.5 Zusätzlich sind in
Deutschland Tabletten mit den Wirkstoffen Nebivolol, Talinolol oder Betaxolol
erstattungsfähig, nicht allerdings in Saskatchewan.
Weiterhin kann die Übertragung von Ergebnissen aus strukturell anders
organisierten Gesundheitssystemen Schwierigkeiten mit sich bringen. Im
öffentlich finanzierten britischen Gesundheitssystem nimmt der Hausarzt die
zentrale Rolle als „gate keeper“ ein. Besuche bei Fachärzten sind nur auf
Überweisung des Hausarztes möglich. In Deutschland existiert eine freie
Arztwahl und das Aufsuchen verschiedener Hausärzte oder Spezialisten ist auch
ohne Überweisung und Kenntnis des jeweils anderen Arztes möglich. Mit Daten
der GPRD ließe sich genau diese komplexe Versorgungssituation nicht abbilden. 5 Verfügbar unter: http://formulary.drugplan.health.gov.sk.ca/ (letzter Zugriff: 12.12.2007).
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 16
Außerdem sind durch die fehlende Bindung an den Primärarzt die Möglichkeiten
arztbasierter Datenbanken in Deutschland erheblich limitiert (Garbe & Müller-
Oerlinghausen, 1998). Auch durch den Wechsel des Hausarztes, der in
Deutschland jederzeit möglich ist, sowie durch fehlende Informationen zu
Personenzeiten können sich für Längsschnittuntersuchungen Probleme ergeben.
Die von der MedViP (Medizinische Versorgung in der Praxis)-Gruppe genutzten
BDT-Daten (Himmel et al., 2006) werden ausschließlich von Hausärzten
generiert. Auch der IMS Disease Analyser-MediPlus wurde zunächst neben
Gynäkologen ausschließlich von Allgemeinmedizinern und hausärztlichen
Internisten mit Informationen gespeist (Dietlein & Schröder-Bernhardi, 2002).
Mittlerweile wurde das Panel um verschiedene Fachärzte erweitert, eine
arztübergreifende Beobachtung der Patienten ist allerdings nicht möglich. Ein
Vorteil arztbasierter Systeme könnte neben zusätzlichen Informationen (ggf.
mittels weiterer Befragungen) in der Erfassung einer episodenorientierten statt
der bisher üblichen chronologischen Inanspruchnahme sowie der Abbildung von
Beratungsanlässen jenseits der ICD-Codierungen liegen (Körner et al., 2005).
Die Struktur und der Umfang der für Forschungszwecke übertragenen Daten
eines arztbasierten Systems lassen sich im Vergleich zu den Abrechnungsdaten
der Krankenkassen flexibler gestalten. Jedoch gibt es gerade in Deutschland
eine Vielzahl von elektronischen Patientenverwaltungssystemen, die zum
31.12.2005 auf etwa 150 beziffert wurden (Brosz et al., 2007). Daraus resultiert
nicht nur eine Schnittstellenproblematik, wenn verschiedene Systeme verknüpft
werden sollen, sondern vor allem die Schwierigkeit, dass der Umfang an
gespeicherten Informationen variieren kann. Viele Hausärzte besitzen neben
dem Praxiscomputer noch herkömmliche Patientenakten in Papierform, auf
denen Konsultationsinhalte dokumentiert sind (Erler, 2007). Zudem unterliegt
auch die Teilnahme eines Arztes an einem solchen Panel einem
Selektionseffekt, d.h. die teilnehmenden Ärzte müssen nicht unbedingt
repräsentativ für die Grundgesamtheit sein. Zu einem Datenexport für das
Forschungsprojekt MedViP erklärten sich beispielsweise lediglich 23% der
angefragten Praxen in Göttingen und 66% der Praxen in Freiburg bereit (Himmel
et al., 2006). Die Erstellung arztbasierter Datenbanken in Deutschland bedeutet
im Vergleich zu Krankenkassendaten größeren logistischen Aufwand,
beispielsweise für standardisierte Software, Schulungen zur Erfassungsqualität
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 17
und der Rekrutierung von Ärzten. Um eine einheitliche Datenstruktur zu
gewährleisten, sollten die Daten somit idealerweise prospektiv generiert werden.
Die Beispiele haben gezeigt, dass die Erschließung großer Datenbanken für
Forschungszwecke auch in Deutschland notwendig ist. Die Nutzung
ausländischer Daten ist für hiesige Verhältnisse aus vielerlei Gründen nicht
zielführend (Garbe & Müller-Oerlinghausen, 1998; Hasford et al., 2004; Pigeot et
al., 2006). Auch arztbasierte Datenbanken haben in Deutschland nur eine
limitierte Aussagekraft, obwohl die recht einfach zu realisierende Möglichkeit,
Kopien von Befunden oder der Patientenakte zu beschaffen, durchaus Vorteile
bringen würde. Routinedaten der Krankenkassen erfüllen hingegen in vielerlei
Hinsicht die Anforderungen, die auch an ausländische Datenbanken gestellt
werden.
2.3 Beispiele aus Deutschland 2.3.1 Verordnungen niedersächsischer Ärzte 1974 und 1976 Seit zu Beginn der 1970er Jahre die Verwaltungsdaten der Krankenkassen
zunehmend elektronisch erfasst wurden, begann auch in Deutschland die
Nutzung dieser Daten für Forschungszwecke. Zu Anfang lag der Schwerpunkt
solcher Analysen vor allem auf dem Arbeitsunfähigkeitsgeschehen (Braun &
Müller, 2006; Tritschler & Faus-Keßler, 1992). Die Methodik der ersten
richtungsweisenden Analyse des Verordnungsgeschehens in Deutschland aus
den Jahren 1974 und 1976 soll im Folgenden vorgestellt werden.
Aufgrund der spärlichen Datenlage und der wachsenden Arzneimittelausgaben,
setzte sich die Untersuchung von Greiser und Westermann (1979) zum Ziel, die
ambulante medikamentöse Versorgungssituation in Niedersachsen näher zu
analysieren. Genutzt wurden Rezepte, die von niedergelassenen Vertragsärzten
für Versicherte niedersächsischer RVO-Kassen6 im ersten Halbjahr 1974 bzw. im
ersten Halbjahr 1976 über öffentliche Apotheken abgerechnet wurden. Die
zugehörigen Rezepte lagen in der Rezeptprüfstelle für Niedersachsen vor. Aus
der Grundgesamtheit der Rezepte wurde eine Stichprobe von 5‰ gezogen, 6 Der Begriff RVO-Kassen ist eine Sammelbezeichnung für Krankenkassen der Reichsver-sicherungsordnung (RVO) aus dem Jahr 1911 (Allgemeine Ortskrankenkassen, Betriebskranken-kassen und Innungskrankenkassen, Bundesknappschaft, See-Krankenkasse, Landwirtschaftliche Krankenkassen). Die RVO wurde ab 1975 schrittweise durch das Sozialgesetzbuch V abgelöst (http://www.aok-bv.de/lexikon/r/index_02394.html, letzter Zugriff: 26.02.2008).
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 18
indem eine Banknotenzählmaschine verwendet wurde, die nach jeweils 200
Rezepten stoppte. Verworfen wurden Rezepte, die von Zahnärzten ausgestellt
wurden oder aus denen weder Verordnungs- noch Abgabedatum ersichtlich
waren. Die manuelle Erfassung der auf den gezogenen Rezepten befindlichen
Informationen und die Codierung ausgewählter Variablen erfolgten ebenfalls in
der Rezeptprüfstelle für Niedersachsen durch eigens geschultes Personal.
Insgesamt konnte so auf 54.352 bzw. 72.688 Rezepte zurückgegriffen werden.
Die Daten wurden doppelt erfasst, was von den Autoren als aufwändiges
Vorgehen beschrieben wurde. Nach Plausibilitätsprüfungen erfolgten
Hochrechnungen für Niedersachsen, indem die einzelnen Verordnungen analog
zur Mitgliederstruktur der Kassen gewichtet wurden. Analysiert wurde zunächst
deskriptiv nach Kosten, Verordnungen und Facharztgruppen, weiterhin wurden
Trendaussagen über die Beobachtungsjahre gemacht. Für drei Gruppen von
Arzneimitteln wurde außerdem untersucht, inwieweit ihre Verordnung einer
rationalen Arzneimitteltherapie entspricht.
Abschließend schlagen Greiser & Westermann (1979) vor, dass an einer
kontinuierlichen Analyse einer Stichprobe von Rezepten für den gesamt-
deutschen Raum gearbeitet werden sollte. Weiterhin wird die Analyse einer
Stichprobe von Ärzten vorgeschlagen, bei der ein Patientenbezug hergestellt
und Verordnungen mit Diagnosedaten verknüpft werden sollten.
Die Pionierarbeit von Greiser und Westermann (1979) ist gekennzeichnet durch
ein hohes Maß an Transparenz. Alle Schritte wurden begründet und
beschrieben. Sowohl die Grundgesamtheit der Rezepte wie auch die
Stichprobenziehung sind für den Leser nachvollziehbar, wodurch eine kritische
Beurteilung der Untersuchung ermöglicht wird. Die Daten wurden allerdings nicht
personenbezogen erhoben, somit sind Informationen, die eine einzelne Person
über einen längeren Zeitraum identifizieren können, nicht verfügbar. Diesen
Punkt merken die beiden Autoren abschließend auch selbst an.
2.3.2 Arzneiverordnungs-Report Die von Greiser und Westermann (1979) vorgeschlagene Methodik einer
bundesweiten Rezeptstichprobe wurde ab dem Jahr 1981 durch den GKV-
Arzneimittelindex umgesetzt (Greiser, 1981; Klauber & Selke, 1997). Der vom
Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) erstellte GKV-Arzneimittelindex
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 19
bildet die Datengrundlage für den jährlich veröffentlichten Arzneiverordnungs-
Report (AVR). Mit dem Titel „Arzneiverordnungs-Report 1985“ erschien der erste
AVR, der die Daten des Verordnungsjahres 1984 analysierte. Die Reporte tragen
durchgängige Jahreszahlen und werten die Verordnungsdaten des jeweiligen
Vorjahres aus. Seit dem AVR 1987 wurden die 2.000, seit der Ausgabe für das
Jahr 2000 die 2.500 und seit dem Report 2003 die nach verordneten Packungen
führenden 3.000 Präparate ausgewertet. Ab dem AVR 1997 wurde von einer 1‰
auf eine Rezeptstichprobe von 4‰ umgestellt und ab 2003 wurde die Methodik
auf die Vollerfassung aller Rezepte innerhalb der GKV geändert. Im AVR 2003
wurde nicht nur das betrachtete Verordnungsjahr 2002, sondern auch alle
Rezepte des Vorjahres nachträglich vollständig erfasst. Ein Vergleich zwischen
der Hochrechnung aus der 4‰-Rezeptstichprobe und der Vollerhebung ist somit
für das Verordnungsjahr 2001 möglich, indem beide Reporte nebeneinander
betrachtet werden (Schwabe & Paffrath; 2003, 2004). Generell finden sich bei
vielen häufig verordneten Stoffgruppen wie beispielsweise den ACE-Hemmern
(Vollerhebung: 2.169 Mio. DDD7 vs. hochgerechnete Stichprobe: 2.123 Mio.
DDD [-2,1%]) oder Statinen (Vollerhebung: 872 Mio. DDD vs. hochgerechnete
Stichprobe: 861 Mio. DDD [-1,3%]) nur geringe Unterschiede. Bei dem in den
letzten Jahren zunehmend beachteten Wirkstoff Methylphenidat ist allerdings
eine größere Abweichung feststellbar (Vollerhebung: 15,7 Mio. DDD vs.
hochgerechnete Stichprobe: 18,3 Mio. DDD [+16,6%]). Diese ist vermutlich
durch das vergleichsweise geringe Verordnungsvolumen zu erklären und damit
als Zufallsfehler zu charakterisieren. Es wurde allerdings versäumt, mögliche
Unter- bzw. Überschätzungen durch die Rezeptstichprobe methodisch zu
untersuchen.
Methodisch relevant ist auch die Frage, wie die bis zum Report 2002
analysierten Rezeptstichproben gezogen wurden und ob es dabei über die Jahre
bzw. nach Einschluss der neuen Bundesländer Veränderungen gegeben hat. In
den Reporten finden sich dazu keine ausreichenden Antworten. Diese Frage ist
7 Mit dem System der „Defined Daily Doses“ (DDD, definierte Tagesdosen) wird für jeden Wirkstoff eine Arzneistoffmenge festgelegt, die als Erhaltungsdosis für einen Erwachsenen in der Hauptindikation des Präparates konsentiert wurde (Fricke & Günther, 2001). Die DDD-Angaben stellen keine Dosierungsempfehlungen dar. Sie sind eine rein rechnerische Größe, mit deren Hilfe vergleichende statistische Auswertungen des Arzneimittelmarktes und –konsums auf nationaler und internationaler Ebene möglich werden.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 20
nicht nur von historischer Relevanz, sondern stellt sich auch in aktuellen
Reporten, wenn Zeitreihen analysiert werden. In den Reporten der Jahre 1986
bis 1992 sind nicht einmal Angaben zum Stichprobenumfang gemacht worden
(Maes, 1999).8 In einem Buchbeitrag finden sich weitere Angaben zur Methodik
des AVR (Klauber & Selke, 1997). In diesem Text ist zu lesen, dass es sich um
eine nach Region und Versichertenstatus geschichtete Stichprobe gehandelt
hätte und dass die Stichproben von den Apothekenrechenzentren9 erzeugt
wurden. Unklar ist, ob alle Apothekenrechenzentren einbezogen wurden, laut der
im Buchkapitel gezeigten zweiten Abbildung waren lediglich 7 Rechenzentren
beteiligt (Klauber & Selke, 1997). Somit scheint es sich nicht, wie behauptet, um
eine repräsentative Stichprobe aller Rezepte zu handeln. Auch wenn
ausschließlich große Rechenzentren einbezogen wurden und es sich nicht um
eine Zufallsstichprobenziehung gehandelt hätte (z.B. Rezepte würden nur an
ungeraden Tagen oder in ausgewählten Rechenzentren eingeschlossen), würde
dies nicht zwingend zu einer Abwertung des AVR führen. Die Offenlegung der
verwendeten Methodik ist allerdings aus wissenschaftlicher Sicht zwingend
erforderlich, um mögliche Schwächen (oder auch Stärken) der Ergebnisse
einschätzen zu können.
Der Arzneiverordnungs-Report liefert jährlich Informationen zu Effizienzreserven
im Arzneimittelmarkt. Im Verordnungsjahr 2005 lag die durch rationale
Verordnungsweise zu erzielende Einsparsumme bei 3,5 Mrd. Euro, was bei 25,4
Mrd. Euro Gesamtausgaben einem Anteil von fast 14% entspricht (Schwabe &
Paffrath, 2007). Dabei wären 1,6 Mrd. Euro durch Substitution von
Analogpräparaten (sog. Scheininnovationen) und 1,3 Mrd. Euro durch
Substitution günstiger Generika einzusparen. Die vom AVR generierten
Effizienzreserven werden unmittelbar als Grundlage für politische Empfehlungen
genutzt (z.B. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im
Gesundheitsweisen, 2005: Abschnitt 7.2.4). Die für diese Berechnungen
verwendete Methode ist allerdings nur unzureichend beschrieben. Ziel der
eigenen hier dargestellten Untersuchung war es, verschiedene Methoden zur
8 Dem sonst an vielen Stellen diskreditierenden Buch von Maes (1999) ist allerdings an dem Punkt zuzustimmen, dass die Methodik des AVR unzureichend beschrieben ist. 9 Eine ausführliche Beschreibung des Weges eines Rezeptes vom Arzt zu elektronisch erfassten Daten und die Rolle der Apothekenrechenzentren ist in Abschnitt 4.1 zu finden.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 21
Berechnung von Einsparpotentialen im Generikasegement bezüglich der zu
erreichenden Ergebnisse zu vergleichen.
Für die folgende Analyse wurden GKV-Routinedaten der Gmünder ErsatzKasse
(GEK) aus dem Jahr 2005 verwendet. Informationen zu den Arzneimittelpreisen
sind der sog. deutschen Spezialitätenliste, der Lauer-Taxe, entnommen (Lauer
Taxe, 2006). Preisänderungen durch den pharmazeutischen Hersteller sind
zweimal monatlich möglich, d. h. die Preise in der Lauer-Taxe werden jeweils
zum 1. bzw. 15. Tag eines Monats aktualisiert. Damit existieren pro Jahr
insgesamt 24 Preisstände. Für die dargestellten Berechnungen wurde
exemplarisch der Wirkstoff Omeprazol ausgewählt, der zu Lasten der GKV im
Jahr 2005 Kosten in Höhe von 414 Mio. Euro (1,8 % der Gesamtausgaben)
verursachte (Schwabe & Paffrath, 2007). Es werden im Folgenden vier
Methoden zur Berechnung von Einsparpotentialen im Generikamarkt für den
Wirkstoff Omeprazol vorgestellt und die Ergebnisse miteinander verglichen. Eine
schematische Darstellung der Methoden ist in Abbildung 1 gezeigt.
Eine Tagesdosis Omeprazol (20 mg) kostete im Jahr 2005 auf Grundlage der
GEK-Verordnungsdaten wie auch in der GKV gesamt (Schwabe & Paffrath,
2007) durchschnittlich 1,06 Euro. Insgesamt zeigt sich jedoch eine breite
Spanne, die Preise pro DDD variieren je nach Präparat zwischen 0,92 und 1,60
Euro. Die durchschnittlichen Tagestherapiekosten sind abhängig von der
verordneten Wirkstoffstärke und der Packungsgröße. Tabelle 1 zeigt diesen
Effekt exemplarisch für einige Omep10-Präparate. Eine Tagestherapie mit 100
Kapseln a 20 mg (1,00 Euro je DDD) kostet beispielsweise ein Fünftel mehr als
eine Packung mit 50 Kapseln a 40 mg (0,80 Euro je DDD), obwohl in beiden
Packungen in der Summe die gleiche Arzneistoffmenge, nämlich 2.000 mg
Omeprazol, also 100 DDD, enthalten sind. Große Packungen bzw. ein hoher
Wirkstoffgehalt sind in der Regel günstiger als kleinere Packung bzw. solche mit
einem geringeren Wirkstoffgehalt.
10 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 22
Abbildung 1: Schematische Darstellung der untersuchten Methoden zur Berechnung von Einsparpotentialen am Beispiel von Omep
Wirkstoffgehalt (in mg) Menge DDD pro Packung Apothekenverkaufs-
preis (in €) Preis je DDD
(in €) 10 15 7,5 18,80 2,51 10 50 25 41,11 1,64 10 100 50 59,80 1,20 20 50 50 51,94 1,04 20 100 100 99,78 1,00 40 50 100 79,85 0,80 40 100 200 149,28 0,75
Tabelle 1: Tagestherapiekosten von Omep bei ausgewählten Wirkstoffgehalten und Packungsgrößen (Preisstand: 15.12.2005)
Methodik 1: Substitution über DDD-Durchschnittskosten
Eine einfach durchführbare Methode zur Berechnung eines Einsparpotentials ist
der Austausch auf Basis der mittleren Tagestherapiekosten (Preis je DDD), d. h.
es werden die tatsächlichen Kosten je DDD (Jahresdurchschnittswert) in
Relation zu den Durchschnittswerten des günstigsten Vergleichspräparates
gesetzt (s. Abbildung 1). Die Kosten pro DDD des Austauschpräparates
(Omeprazol AbZ mit 0,92 Euro je DDD) werden mit den verordneten Tagesdosen
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 23
des zu ersetzenden Präparates multipliziert und das Ergebnis wird dann von den
Gesamtverordnungskosten des zu ersetzenden Präparates subtrahiert.
Hierdurch ergibt sich insgesamt ein Einsparpotential von 13,1% des Omeprazol-
Umsatzes.
Methodik 2: Substitution über DDD-Durchschnittskosten unter Berücksichtigung von verschiedenen Wirkstoffstärken
Bei der zweiten Methodik werden beim Austausch der Kosten pro DDD die
unterschiedlichen Wirkstoffstärken der einzelnen Präparate berücksichtigt. Das
heißt, ein Austausch findet hier nur innerhalb von Präparaten mit der gleichen
Wirkstoffstärke (10 mg, 20 mg und 40 mg) statt. Im Gegensatz zum vorherigen
Beispiel sind also drei verschiedene Austauschpräparate notwendig. Das zu
erzielende Einsparpotential sinkt auf 8,1% des Omeprazol-Umsatzes.
Methodik 3: Substitution über DDD-Durchschnittskosten unter Berücksichtigung von verschiedenen Wirkstoffstärken, Packungsgrößen und Darreichungsformen
Bei der dritten Methode handelt es sich um einen Austausch auf der Ebene des
einzelnen Präparates unter Berücksichtigung von Wirkstoffstärke, Packungs-
größe und vergleichbarer Darreichungsform, also auf der Ebene der jeweiligen
Pharmazentralnummer (PZN). Als Referenzpreise dienen die mittleren jährlichen
Kosten pro DDD des günstigsten vergleichbaren Präparates. Somit ist für jedes
Präparat bzw. jede PZN ein Substituent notwendig. Für die gesamte Gruppe der
Omeprazol-Präparate sinkt das mögliche Einsparpotential auf 4,5%.
Methodik 4: Substitution unter Berücksichtigung von verschiedenen Wirkstoffstärken, Packungsgrößen, Darreichungsformen und des Preisstandes
Analog der Methodik 3 erfolgt die Berechnung von Einsparpotentialen auf PZN-
Ebene, allerdings werden als Austauschpräparate die zum Zeitpunkt der
Verordnung günstigsten auf dem Markt verfügbaren Präparate unter Berück-
sichtigung von Packungsgröße, Wirkstoffstärke und Darreichungsform
verwendet. Das bedeutet, es wird im zweiwöchigen Abstand (zum 1. und 15.
eines Monats), also 24mal pro Jahr, für jedes Präparat der günstigste
Substituent ermittelt. Diese Methodik stellt insofern den „Goldstandard“ dar, da
sie alle relevanten Einflussfaktoren auf den Preis berücksichtigt und damit die
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 24
praktische Umsetzung eines Potentials zum Zeitpunkt der Verordnung im Sinne
der Aut-idem-Substitution nachbildet. Die Einsparsumme, die aus dieser
Methodik resultiert, beträgt für alle Omeprazol-Präparate noch 2,9% des
Umsatzes.
Abbildung 2: Vergleich der Einsparpotentiale und der Überschätzung gegenüber dem Goldstandard (Methode 4) bei Omeprazol
Bei den vorgestellten Methoden wurden die möglichen Einflussfaktoren
Wirkstoffstärke, Packungsgrößen, Darreichungsformen sowie Preisstand auf den
Arzneimittelpreis in unterschiedlichem Maß berücksichtigt. Die einfachste, aber
von den meisten Annahmen abhängige Methode 1 überschätzt, gemessen an
Methode 4, das tatsächliche Einsparpotential für Omeprazol um 349% (s.
Abbildung 2). Der Vergleich dieser Methoden zeigt, dass die zu erzielenden
Einsparpotentiale erheblich von der gewählten Methodik abhängen aber allein
Methode 4 als „realistisch“ anzusehen ist. Ihre Anwendung ist allerdings
vergleichsweise komplex und berücksichtigt nicht die Marktverfügbarkeit des
Substituenten. Diese Methode lässt sich auch für weitere Sektoren, wie
Analogpräparate oder Reimporte, anwenden. Eine ausführliche Beschreibung
der jeweils verwendeten Methodik ist unabdingbare Voraussetzung für eine
adäquate Beurteilung und Vergleichsmöglichkeit der Ergebnisse von
Einsparpotentialanalysen. Diese ausführliche Beschreibung fehlt jedoch im
Arzneiverordnungs-Report. Den einzigen Hinweis liefern die Tabellenüber-
schriften (Schwabe, 2007: 109): „Die generische sowie die analoge Substitution
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 25
wurden unter Berücksichtigung von vergleichbaren Arzneiformen, Packungs-
größen und Wirkstoffstärken durchgeführt.“
Als abschließendes Fazit dieses Abschnittes soll festgehalten werden, dass der
AVR in regelmäßigem Abstand ein umfassendes Bild aller zu Lasten der GKV
verordneten Präparate liefert. Aktuell liegen auf über 1.200 Seiten
Marktübersichten zu Effizienzreserven, Tabellen zu verordnungsstärksten
Präparaten und Analysen nebst evidenzbasierten Bewertungen zu 44
Indikationsgruppen vor (Schwabe & Paffrath, 2008). Gerade durch sein
jährliches Erscheinen und die umfassenden Analysen und Bewertungen stellt er
eine unersetzliche und umfangreiche Datenquelle für Fragen der Arzneimittelver-
sorgung innerhalb der GKV dar. Ein wichtiges Ziel des AVR war und ist es,
Transparenz in die Arzneimittelversorgung innerhalb der GKV zu bringen
(Klauber & Selke, 1997; Schröder et al., 2004). Allerdings fehlt dem AVR selbst
an vielen Stellen die methodische Transparenz, was besonders für die
Bewertung der politisch hoch relevanten Einsparpotentiale ein Schwachpunkt ist.
Auch der Arzneiverordnungs-Report ist eine Sekundärdatenanalyse und sollte
sich an den Empfehlungen einer „Guten Praxis Sekundärdatenanalyse (GPS)“
(AGENS & Arbeitsgruppe Epidemiologische Methoden, 2008) orientieren. Eine
weitere Schwachstelle der vom AVR analysierten Daten ist, dass keine
personenbezogenen Informationen vorliegen und damit viele Fragen zur
Versorgungssituation nicht beantwortet werden können bzw. eine Verknüpfung
mit anderen Leistungsbereichen nicht möglich ist.
2.3.3 Versichertenstichprobe AOK Hessen/ KV Hessen Die Entwicklung in den Folgejahren nach der Arbeit von Greiser und
Westermann (1979) und dem zukunftsweisenden Vorschlag, personenbezogene
Daten für Längsschnittanalysen und zur Verknüpfung von Leistungsbereichen zu
erfassen, verlief eher schleppend. Auch wenn immer wieder auf den Mangel an
belastbaren Informationen zur Versorgungssituation und die Potentiale in der
Nutzung von Kassendaten für die Forschung hingewiesen wurde (z.B. von
Greiser, 1981; Forschungsgruppe Gesundheitsberichterstattung, 1990;
Schubert, 1996; von Ferber & Behrens, 1997), ließ sich die methodische
Entwicklung eher als ein stetiges „Stop and Go“ charakterisieren (von Ferber &
Behrens, 1997). In diese Phase fallen beispielsweise Analysen der AOK
Dortmund (Periode: 01-09/1981; von Ferber et al., 1990), verschiedener
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 26
Dortmunder Krankenkassen (Periode: 04/1984-03/1986; Schäfer et al., 1990),
der IKK Mettmann (Periode: 01/1989-06/1989; Remien, 1995) sowie der AOK
Mettmann (Periode: 01/1990-09/1991; Glaeske, 1992).
Die ab den 1990er Jahren einsetzende Entwicklung, erste umfassende und
personenbezogene Datenbanken einzelner Kassen für wissenschaftliche
Zwecke zu erschließen, wurde maßgeblich durch die PMV Forschergruppe,
Universitätsklinikum Köln (früher Forschungsgruppe Primärmedizinische
Versorgung), um Liselotte von Ferber geprägt. Erste Datenbanken enthielten
eine vergleichsweise geringe Personenzahl, waren allerdings in Bezug auf
Datenzugang und Methodik wegbereitend (Ihle et al., 2005). Zunächst ist in
diesem Zusammenhang die 5%-Versichertenstichprobe der AOK Dortmund aus
den Jahren 1988-1990 zu nennen. Aus einer durchschnittlichen jährlichen
Population von etwa 8.500 Versicherten waren im Jahr 1989 6.570 Personen
durchgängig versichert (Schubert, 1996). Die Datenbasis umfasst u.a.
Informationen zu Arzneimitteln, Heilmitteln sowie zu Krankenhausaufenthalten
und Arbeitsunfähigkeit. Diese Daten wurden für umfangreiche Analysen zur
Gesundheitsberichterstattung genutzt (von Ferber, 1994). Eine weitere regionale
Stichprobe von Versicherten der AOK Dresden wurde für die Region Riesa
gezogen. Die Daten von 7.490 Versicherten (durchgängig n=7.011) wurden für
die Quartale III/1993 bis II/1994 zu den Leistungsbereichen Arzneimittel und
ambulante ärztliche Versorgung erfasst (Krappweis et al., 1999a).
Auf Basis der so gewonnenen Erfahrungen wurde um die Jahrtausendwende die
regionale Versichertenstichprobe AOK Hessen/ KV Hessen als Kooperation der
AOK Hessen, der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hessen und der PMV
Forschergruppe initiiert (Ihle et al., 2005; Nink et al., 2005). Der Beobachtungs-
zeitraum umfasst die Jahre 1998 bis 2007. Es handelt sich um eine Zufallsstich-
probe mit einem über die Zeit konstanten Auswahlsatz von 18,75%. Pro Jahr
enthält diese Stichprobe Informationen zu durchschnittlich ca. 375.000
Personen, im Jahr 2001 waren beispielsweise 306.736 Personen durchgängig
versichert (Köster et al., 2006b). Als Leistungsbereiche werden personen-
bezogen ambulante ärztliche Diagnosen und Leistungen, Verordnungen von
Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln sowie Krankenhausaufnahmen und Leistungen der
Sozialen Pflegeversicherung über alle Jahrgänge erhoben. Die ambulanten
ärztlichen Abrechnungsdaten stehen den Krankenkassen routinemäßig und
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 27
elektronisch erst seit dem Jahr 2004 zur Verfügung. Aufgrund der Verknüpfung
mit den Daten der KV Hessen, von denen die abgerechneten Leistungen und
Diagnosen ihrer Vertragsärzte auch vor 2004 übermittelt wurden, konnten in der
Versichertenstichprobe seit 1998 auch ambulante Leistungsdaten einbezogen
werden. Der Umfang der Stichprobe wurde konkret an der Untersuchung zu
Kosten und der Versorgungssituation von Diabetikern festgemacht (Ihle et al.,
2005). Unter anderem zu dieser Fragestellung wurde aus der Versichertenstich-
probe bereits umfangreiches Material publiziert (z.B. Köster et al., 2006b; von
Ferber et al., 2006).
Datenbanken der Art, wie sie mit der Versichertenstichprobe der AOK Hessen/
KV Hessen konzipiert wurden, ermöglichen zahlreiche Analysen zur
Versorgungssituation. Die Daten liegen im Längsschnitt für alle relevanten
Leistungsbereiche einer Krankenkasse. Der abgedeckte Personenkreis von etwa
375.000 Versicherten ermöglicht die Beantwortung einer Vielzahl von Fragen zur
Gesundheitsberichterstattung, aber auch zur Arzneimittelsicherheit. Besonders
hervorzuheben ist die für Deutschland einmalige kontinuierliche Bereitstellung
personenbezogener ambulanter Daten seit dem Jahr 1998.
2.4 Review von aktuellen Publikationen mit deutschen Arzneimittelroutinedaten
Die bisher beschriebenen Beispiele aus Deutschland gaben vor allem einen
(historischen) Überblick zur Entwicklung der Analyse von Arzneimittel-
routinedaten. Es wird aktuell allerdings immer wieder gefordert, die umfangreich
anfallenden Daten hiesiger Krankenkassen und insbesonders diejenigen aus
dem Arzneimittelbereich in größerem Umfang für Forschungszwecke zu
verwenden (z.B. Hasford et al., 2004; Pigeot et al., 2006; Pfaff & Kaiser, 2006).
Auch weltweit ist in den letzten Jahren eine zunehmende Bedeutung von
Datenbanken mit gesundheitsrelevanten Informationen für die Forschung zu
erkennen. Der Review von Tricco et al. (2008), der Studien auf Basis der
Saskatchewan Health Databases zwischen 1970-2004 einschloss, kam zu dem
Ergebnis, dass insgesamt 63,1% der Studien in den letzten 10 Jahren publiziert
wurden. Von den seit 1990 mit Daten der GPRD veröffentlichten Forschungs-
artikeln erschienen 77,7% ab dem Jahr 2000. Da es in Deutschland im Vergleich
zu Saskatchewan oder der GPRD nicht nur eine einzelne Datenquelle gibt,
sondern zahlreiche Krankenversicherungen existieren, liegt bisher keine zentrale
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 28
Sammlung aller veröffentlichten Forschungsarbeiten vor. Die im Folgenden
dargestellte eigene Übersichtsarbeit basierte auf einer systematischen Literatur-
recherche und soll einen Überblick über die Studien liefern, die in den letzten 10
Jahren mit deutschen Arzneimittelroutinedaten der Krankenkassen publiziert
wurden. Ziele des Reviews sind weiterhin herauszufinden, welche Leistungs-
bereiche bzw. Datenquellen neben Arzneimitteln genutzt werden und in welchem
Umfang die Methodik der Studien beschrieben wird.
2.4.1 Methodik Es wurden eine breite Literatursuche in MEDLINE (via PubMed) und eine engere
Suche in SCOPUS durchgeführt. Die Suche in PubMed umfasste die Begriffe
“statutory health insurance”, health insurance compan*, insurance fund*,
sickness fund*, health care insurance*, health care fund*, health insurance
agenc*, claims data* AND german*, secondary data* AND german*, routine
data* AND german*, administrative data* AND german*, pharmacoepidemiolo*
AND german*, “drug utilization" AND german*, prescription data* AND german*,
outpatients prescription* AND german*, "public health insurance" AND german*
sowie "health insurance" AND (medication* OR prescription*) AND german* (in
Titel, Keywords und Abstract). In SCOPUS wurde nach den Begriffen ("sickness
funds" OR "sickness fund") AND (data OR analysis OR study), ("health
insurance fund" OR "health insurance funds") AND (data OR analysis OR study),
("health insurance company" OR "health insurance companies") AND (data OR
analysis OR study), "statutory health insurance" AND (data OR analysis OR
study), "health care fund" OR "health care funds", "secondary data" AND
german*, pharmacoepidemiolo* AND german* sowie ("drug utilization" AND
german*) AND (data OR analysis OR study) gesucht (in Titel, Keywords und
Abstract). Weiterhin wurden nur Publikationen berücksichtigt, die zwischen
Januar 1998 und Dezember 2007 veröffentlicht wurden, und die auf deutsch
oder englisch verfasst waren (Zeitpunkt der Suche: 15.01.2008). Da das
Deutsche Ärzteblatt in SCOPUS erst seit 2006 erfasst ist und sich in 2006 und
2007 relevante Treffer befanden, wurde auf der Homepage dieser Zeitschrift
(www.aerzteblatt.de) in der Rubrik Medizin mit den Begriffen Routinedaten, GKV
Arzneimittel*, PKV Arzneimittel*, Krankenkasse* Arzneimittel*,
Krankenversicherung* Arzneimittel*, Arzneimittel* Versorgung*, Arzneimittel*
Verordnung*, Arzneiverordnung*, Versorgungsforschung, Verordnungs* sowie
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 29
Sekundärdaten* nach weiteren Treffern gesucht (Zeitpunkt der Suche:
07.02.2008). Zusätzlich wurden weitere dem Autor bekannte Publikationen
berücksichtigt, die die Einschlusskriterien erfüllen und die nicht durch die
Suchstrategie gefunden wurden.
Alle identifizierten Abstracts und Volltexte wurden zweimal im Abstand von
mindestens einer Woche gesichtet, um möglichst keine relevanten Artikel zu
übersehen. Eingeschlossen wurden ausschließlich Studien, die explizit angaben,
Arzneimittelroutinedaten (einer oder mehrerer) deutscher Krankenkassen (GKV
oder PKV) zu nutzen, unabhängig davon zu welchen Fragestellungen und ob
zusätzlich weitere Datenquellen bzw. Leistungsbereiche verwendet wurden.
Artikel, die bei PubMed bisher lediglich als „Epub ahead of print“ gelistet waren,
wurden ebenso ausgeschlossen wie Bücher oder Buchkapitel. Zudem wurden
Konferenzabstracts nicht berücksichtigt, da zu diesen kein Volltext vorlag.
Doppelpublikationen wurden nicht ausgeschlossen, da nicht die quantitative
Zusammenführung der Daten, sondern ein Überblick über die Artikel primäres
Anliegen des Reviews war.
Abbildung 3: Flowchart zur Literatursuche
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 30
2.4.2 Ergebnisse Nach Ausschluss von Duplikaten wurden für diesen Review etwa 1.900
Abstracts gesichtet (Abbildung 3). Insgesamt konnten 70 Publikationen
eingeschlossen werden, die in Tabelle 2 zusammengefasst sind.
Autor(en) Jahr Nutzung von Arzneimittelroutinedaten als/ zur Datenquelle(n) Analysezeit-
raum
Krappweis et al. 1999b Kostenanalyse AOK 07/1993-06/1994
Sappich et al. 2001 Analyse von Kosten und Inanspruchnahme im Rahmen einer Interventionsstudie
AOK k.A.
Schlager et al. 2001 Versorgungsanalyse Abrechnungs-daten der VSA 1999
Schubert et al. 2001 Analyse und Entwicklung von Qualitätsindikatoren
mehrere, k.A. (Ersatzkassen) 03-05/2000
Pittrow et al. 2002 Versorgungsanalyse BKK 1999 Bücheler et al. 2002a Versorgungsanalyse AOK 01-03/1999 Bücheler et al. 2002b Versorgungsanalyse AOK 01-03/1999
Breyer et al. 2003 Determinante für die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen Mehrere, k.A. 1990-1994
Hamann et al. 2003 Versorgungsanalyse Pharmafakt Datenbank
07/1999-12/2001
Hiller et al. 2003 Kostenanalyse im Rahmen einer Interventionsstudie Mehrere, k.A. k.A. (4 Jahre)
Kuhlmey et al. 2003 Versorgungsanalyse, Kostenanalyse BKK 2000 Pittrow et al. 2003 Versorgungsanalyse BKK 1999
Ruof et al. 2003 Kostenanalyse im Rahmen einer Primärerhebung AOK 07/2000-
06/2001
Schindler et al. 2003 Versorgungsanalyse AOK 07/1993-06/1994
Schubert et al. 2003 Versorgungsanalyse AOK 1998-2001 von Ferber et al. 2003 Versorgungsanalyse AOK 1998-2000
Hauner et al. 2003a Identifikation von Patienten, Versorgungsanalyse AOK 2001
Hauner et al. 2003b Identifikation von Patienten, Versorgungsanalyse AOK 1998-2001
Behrend et al. 2004 Information zu Leistungsausgaben k.A. (ostdeutsche Regionalkasse) 1997-1998
Egen-Lappe & Hasford 2004 Versorgungsanalyse TK 03/1999-11/2001
Geyer et al. 2004 Identifikation von Patienten AOK 1995 Hach et al. 2004 Versorgungsanalyse BKK 1999
Hiller & Fichter 2004 Kostenanalyse im Rahmen einer Interventionsstudie mehrere, k.A. k.A. (2 Jahre)
Hiller et al. 2004 Kostenanalyse im Rahmen einer Interventionsstudie
mehrere, im Text genannt k.A. (4 Jahre)
Schmidt-Troschke et al. 2004 Versorgungsanalyse mehrere, k.A. 2000-2001
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 31
Autor(en) Jahr Nutzung von Arzneimittelroutinedaten als/ zur Datenquelle(n) Analysezeit-
raum Ziegenhagen et al. 2004 Versorgungsanalyse DKV 2001 Ruof et al. 2004a Validierung einer Befragung AOK k.A. (1 Jahr)
Ruof et al. 2004b Identifikation von Patienten, Kostenanalysen AOK 07/2000-
06/2001 Hülsemann et al. 2005 Kostenanalyse AOK 2001
Mangiapane et al. 2005
Analyse der Inanspruchnahme und Kosten von Patienten einer Interventionsstudie sowie einer Kontrollgruppe, Identifikation der Kontrollgruppe
AOK, BEK k.A. (2 Jahre)
Stock et al. 2005 Identifikation von Patienten, Kostenanalysen mehrere, k.A. 1999
Walley et al. 2005 Versorgungsanalyse WIdO Datenbank 1997-2003
Amann et al. 2006 Versorgungsanalyse TK 03/1999-11/2001
Fegert et al. 2006 Versorgungsanalyse GEK 2000-2003
Fessler et al. 2006 Analyse von Qualitätsindikatoren, Auswirkungen von Pharmakotherapiezirkeln
BKK 1999-2004 (unklar, ob komplette Zeit)
Fux et al. 2006 Analyse zur Häufigkeit von Verordnungen mit potentiellen Interaktionen
PLATO Datenbank 01-03/2003
Geyer et al. 2006 Identifikation von Patienten AOK 1995
Häussler et al. 2006 Identifikation von Patienten, Versorgungsanalyse GEK 2000-2003
Hoffmann & Glaeske 2006 Untersuchung unerwünschter Arzneimittelwirkungen GEK 07/2000-
12/2004 Kern et al. 2006 Versorgungsanalyse WIdO Datenbank 2003 Nordheim et al. 2006 Versorgungsanalyse, Kostenanalyse BKK 2000 Reis et al. 2006 Kostenanalyse AOK 2000 Rohde et al. 2006 Versorgungsanalyse WIdO Datenbank 1993-2003
Sawicki et al. 2006 Versorgungsanalyse AOK 07/2003-06/2004
Schüssel & Schulz 2006 Versorgungsanalyse DAPI Datenbank 01/2003-09/2005
Stock et al. 2006 Identifikation von Patienten, Kostenanalysen mehrere, k.A. 1999
von Ferber et al. 2006 Identifikation von Patienten, Kostenanalysen AOK 2001
Zito et al. 2006 Versorgungsanalyse GEK 2000
Köster et al. 2006a Identifikation von Patienten, Kostenanalysen AOK 2001
Köster et al. 2006b Identifikation von Patienten, Kostenanalysen AOK 2001
Ahrens et al. 2007 Untersuchung unerwünschter Arzneimittelwirkungen AOK, HKK, TK 2000-2003
Behrend et al. 2007 Information zu Leistungsausgaben BKK 2000-2001
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 32
Autor(en) Jahr Nutzung von Arzneimittelroutinedaten als/ zur Datenquelle(n) Analysezeit-
raum
Giersiepen et al. 2007 Prüfung der Plausibilität ambulanter Diagnosen mehrere, k.A. 2002-2003
Greiser et al. 2007 Outcome mehrere, k.A. k.A. (7-48 Monate)
Grimmsmann et al. 2007 Untersuchung des Einflusses von Hospitalisierung auf Verordnungen AOK 10/2003-
06/2004
Hauner et al. 2007 Identifikation von Patienten, Versorgungsanalysen AOK 1998-2004
Heitmann et al. 2007 Analyse der Verordnungstrends GEK 2001-2005 Hoffmann et al. 2007 Validierung GEK 2006
Markl et al. 2007 Versorgungsanalyse TK 03/1999-11/2001
Pfannkuche et al. 2007 Vergleich von Methoden zur Berechnung von Einsparpotentialen GEK 2005
Schlademann et al. 2007 Selektion des Studienkollektivs für RCT AOK, BEK, BKK, DAK, IKK, TK k.A. (2 Jahre)
Schubert et al. 2007 Ausschluss von Patienten, Versorgungsanalyse AOK 2002
Stamm et al. 2007 Kostenanalyse BKK 2000-2004 Ufer et al. 2007 Versorgungsanalyse AOK 2000-2002
von Ferber et al. 2007 Identifikation von Patienten, Kostenanalysen AOK 2001
Bramesfeld et al. 2007a Versorgungsanalyse GEK 2004 Höer et al. 2007a Analyse der Persistenz k.A. 2000-2003 Bramesfeld et al. 2007b Versorgungsanalyse GEK 1998-2004
Häussler et al. 2007b Identifikation von Patienten, Kostenanalysen k.A. 2000-2003
Höer et al. 2007b Untersuchung erwünschter bzw. unerwünschter Arzneimittelwirkungen k.A. 2000-2004
Abkürzungen: GEK = Gmünder ErsatzKasse AOK = Allgemeine Ortskrankenkasse HKK = Handelskrankenkasse TK = Techniker Krankenkasse BEK = Barmer Ersatzkasse DAK = Deutsche Angestelltenkrankenkasse BKK = Betriebskrankenkasse IKK = Innungskrankenkasse DAPI = Deutsches Arzneimittelprüfinstitut DKV = Deutsche Krankenversicherung AG k.A. = keine Angabe
Tabelle 2: Übersicht aller eingeschlossenen Studien
Basischarakteristika der eingeschlossenen Studien sind in Tabelle 3 und Tabelle
4 zusammenfassend dargestellt. Zunächst ist ein deutlicher Trend hin zu
vermehrten Publikationen, die auf Routinedaten deutscher Krankenkassen
basieren, über die letzten 10 Jahre zu erkennen (Abbildung 4). Zwischen 1998
und 2005 wurden über den Zeitraum der ersten 8 Jahre 32 (45,7%) der
eingeschlossenen Studien veröffentlicht, in den letzten beiden Jahren 2006 und
2007 waren es 38 (54,3%).
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 33
Abbildung 4: Anzahl eingeschlossener Studien nach Publikationsjahr
Studiencharakteristika Anzahl und Anteil Publikationsjahr 1998-1999 1 (1,4%) 2000-2001 3 (4,3%) 2002-2003 14 (20,0%) 2004-2005 14 (20,0%) 2006-2007 38 (54,3%)Publikationssprache Deutsch 30 (42,9%) Englisch 40 (57,1%)Journal Pharmacoepidemiol Drug Saf (IF: 2,16)a) 7 (10,0%) Dtsch Med Wochenschr (IF: 0,58) 5 (7,1%) Gesundheitswesen (IF: nicht gelistet) 5 (7,1%) Dtsch Ärztebl (IF: nicht gelistet) 3 (4,3%) Z Ärztl Fortbild Qualitatssich (IF: nicht gelistet) 3 (4,3%) Z Gerontol Geriatr (IF: 0,51) 3 (4,3%) J Public Health, früher: Z f Gesundheitswiss (IF: nicht gelistet) 3 (4,3%) Ann Rheum Dis (IF: 5,77) 2 (2,9%) Bundesgesundheitsblatt (IF: nicht gelistet) 2 (2,9%) Eur J Clin Pharmacol (IF: 2,03) 2 (2,9%) Gesundh ökon Qual manag (IF: nicht gelistet) 2 (2,9%) Int J Clin Pharmacol Ther (IF: 1,36) 2 (2,9%) J Psychosom Res (IF: 2,32) 2 (2,9%) Med Klin (Munich) (IF: 0,29) 2 (2,9%) Sonstigeb) 27 (38,6%)a) Impact Factor (IF) für 2006, entnommen aus dem Journal Citation Index b) Verschiedene Zeitschriften, die lediglich einmal vorkamen
Tabelle 3: Basischarakteristika zur Publikation der eingeschlossenen Studien
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 34
Insgesamt wurden die eingeschlossenen Studien in 41 verschiedenen Journals
publiziert. Mit 57,1% (n=40) war der größere Teil der Artikel in englischer
Sprache verfasst. Pro Journal wurden zwischen 1 und 7 dieser Arbeiten
veröffentlicht, wobei die englischsprachige Zeitschrift Pharmacoepidemiology
and Drug Safety (Pharmacoepidemiol Drug Saf) mit 7 (10,0%) den größten Anteil
ausmachte. Mit jeweils 5 Artikeln (7,1%) folgen mit der Deutschen Medizinischen
Wochenschrift (Dtsch Med Wochenschr) und dem Gesundheitswesen zwei
deutschsprachige Journals. Auf 7 Zeitschriften (10,0%), von denen 6 teilweise
bzw. ausschließlich deutschsprachig publizieren, entfielen bereits 41,4% (n=29)
der Veröffentlichungen. Interessant ist die Vielzahl verschiedener englisch-
sprachiger Zeitschriften, die Publikationen mit Arzneimittelroutinedaten deutscher
Krankenkassen veröffentlichten. Unter den 27 Studien, die in Tabelle 3 auf
sonstige Journals entfielen, waren 24 Texte in englischer Sprache erschienen.
In Tabelle 4 wurden die berücksichtigten Studien sowie die verwendeten
Routinedaten näher betrachtet. Über die Hälfte der eingeschlossenen
Publikationen (n=36; 51,4%) waren Versorgungsanalysen, bei denen
klassischerweise die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen bei
bestimmten Erkrankungen oder von bestimmten Arzneimitteln untersucht
wurden. Beispiele hierfür sind die Querschnittsstudie von Schubert et al. (2007)
zum Inanspruchnahmeverhalten von Demenzpatienten sowie die Arbeit von
Markl et al. (2007) zur Verschreibung von Antiemetika während der
Schwangerschaft. Etwa ein Fünftel (n=13; 18,5%) entfiel auf Kostenanalysen,
Beispiele dazu sind die Studien zu Kosten des Diabetes von Stock et al. (2005)
oder Köster et al. (2006a; 2006b). Weiterhin wurden Interventions- und
Evaluationsstudien (n=6; 8,6%), wie die von Schlademann et al. (2007) zum
Einfluss einer Beratung auf die Rehabilitation bei rheumatoider Arthritis, sowie
Untersuchungen zur Gesundheitspolitikforschung (n=5; 7,1%) publiziert, zu
denen beispielsweise Arbeiten zur Vorhersagekraft des Risikostrukturausgleichs
zählen (Behrend et al., 2004; Breyer et al., 2003). Weiterhin wurden Studien zur
Plausibilität bzw. Validität von Routinedaten (n=4; 5,7%), wie z.B. von Giersiepen
et al. (2007) zur ambulanten Diagnosequalität, sowie Studien zu erwünschten
bzw. unerwünschten Arzneimittelwirkungen (n=3; 4,3%), wie z.B. die von Ahrens
et al. (2007) zur Hospitalisierung unter Beta-Blockern, durchgeführt.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 35
Studiencharakteristika Anzahl und Anteil Krankenkassen AOK 25 (35,7%) GEK 9 (12,9%) BKK 8 (11,4%) TK 3 (4,3%) WIdO Datenbank 3 (4,3%) Sonstige 5 (7,1%) Mehrere, im Text benannt 4 (5,7%) Mehrere, keine weiteren Angaben 8 (11,4%) Keine Angabe 5 (7,1%)Art der Publikation Versorgungsanalyse 36 (51,4%) Kostenanalyse 13 (18,6%) Interventions- und Evaluationsstudie 6 (8,6%) Gesundheitspolitikforschung 5 (7,1%) Studie zur Plausibilität bzw. Validität 4 (5,7%) Studie zu erwünschten bzw. unerwünschten Arzneimittelwirkungen 3 (4,3%) Sonstiges 3 (4,3%)Medizinisches Fachgebiet Neurologie/ Psychiatrie 12 (17,1%) Diabetologie 9 (12,9%) Kinderheilkunde/ Kinderpsychiatrie 8 (11,4%) Geriatrie, Osteologie 8 (11,4%) Kardiologie, Gastroenterologie, Onkologie, Pulmonologie 7 (10,0%) Rheumatologie 5 (7,1%) Gynäkologie/ Geburtshilfe, Urologie 5 (7,1%) Nicht eindeutig zuzuordnen, method. Arbeit 16 (22,9%)Analyseperiode (für Arzneimittelroutinedaten)
bis 12 Monate 35 (55,2%) 13-24 Monate 8 (11,9%) 25-48 Monate 15 (22,4%) >48 Monate 9 (13,4%) Keine Angabe 3 (4,3%)Personenbezogene Nutzung weiterer Daten (Mehrfachnennungen möglich) Leistungsbereich: Krankenhaus 35 (50,0%) Leistungsbereich: Ambulante ärztliche Abrechnungen 26 (37,1%) Leistungsbereich: Arbeitsunfähigkeit/ Krankengeld 15 (21,4%) Leistungsbereich: Heil-/ Hilfsmittel 14 (20,0%) Leistungsbereich: Pflege 9 (12,9%) Verknüpfung mit externen Daten 12 (17,1%)Sponsoring Öffentlich 28 (40,0%) Industrie 5 (7,1%) Öffentlich und Industrie 5 (7,1%) Kein Sponsoring bzw. keine Angabe 32 (45,7%)
Tabelle 4: Datenmaterial eingeschlossener Studien
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 36
Bei den auf Basis der untersuchten Erkrankungen, des Kollektivs bzw. der
Medikamente definierten medizinischen Fachgebieten tauchen am häufigsten
Neurologie/ Psychiatrie (n=12; 17,1%) sowie Diabetologie (n=9; 12,9%) auf.
Insgesamt 16 (22,9%) Arbeiten waren eher methodischer Art (z.B. zur
Vorhersagekraft des Risikostrukturausgleichs wie bei Behrend et al., 2004 und
Breyer et al., 2003) und ließen sich damit keinem medizinischen Fachgebiet
zuordnen.
Die ausgewerteten Datensätze variierten je nach Studie erheblich in ihrer Größe.
So befanden sich in der Stichprobe der AOK Dresden etwa 7.000 Personen (z.B.
Schindler et al., 2003), während auch Verordnungsdaten des WIdO zu allen 70
Mio. gesetzlichen Versicherten für Publikationen analysiert wurden (z.B. Kern et
al., 2006). Insgesamt nutzten 25 (35,7%) der Publikationen ausschließlich Daten
verschiedener Allgemeiner Ortskrankenkassen (AOK), sowohl in Vollerhebungen
(z.B. Reis et al., 2006) wie auch als Versichertenstichprobe (z.B. Köster et al.,
2006a; 2006b; Schindler et al., 2003). Insgesamt 5 Publikationen (7,1%)
beschrieben nicht, von welcher Krankenkasse die Daten stammten und 8
(11,4%) Studien nutzten Daten von mehreren Krankenkassen, ohne weitere
Angaben zu machen, um welche es sich handelt. Bei 3 Studien (4,3%) gab es
keine Angabe zur Größe der Krankenkasse(n) bzw. der eingeschlossenen
Population. Einige der Interventionsstudien, die Routinedaten lediglich zur
Quantifizierung von Gesundheitskosten oder der Inanspruchnahme ihrer
Probanden nutzten, berücksichtigten mehrere Krankenkassen. In einer solchen
Studie von Hiller et al. (2004) waren auch Daten privater Krankenkassen
enthalten. Lediglich eine Publikation analysierte Arzneimittelroutinedaten eines
privaten Anbieters (Deutsche Krankenversicherung- DKV) mit dem Ziel,
Unterschiede in der Versorgung gesetzlich und privat Versicherter zu
untersuchen (Ziegenhagen et al., 2004). Im Review enthalten sind auch einzelne
Publikationen, die Arzneimittelroutinedaten von Apothekenrechenzentren
auswerteten. Dies waren die PLATO Datenbank (Fux et al., 2006), die
Datenbank der VSA (Schlager et al., 2001) bzw. pharmfakt (Hamann et al.,
2003) sowie die Datenbank des DAPI (Schüssel & Schulz, 2006).
In 40,0% der Publikationen (n=28) wurden Arzneimittelroutinedaten auch zur
Quantifizierung von Kosten verwendet. Insgesamt 46 (65,7%) der Studien
berücksichtigten neben dem Arzneimittelsektor noch mindestens einen weiteren
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 37
Leistungsbereich der Krankenkassen. Am häufigsten wurden Krankenhausdaten
(n=35; 50,0%) sowie ambulante ärztliche Abrechnungen (n=26; 37,1%)
eingeschlossen. Eine personenbezogene Verknüpfung mit externen Daten
(Primärerhebung, Information, ob es sich um Netzwerkärzte handelt sowie
Informationen zur Fluglärmbelastung) fand in 12 (17,1%) Studien statt.
Die Analyseperiode, für die Arzneimittelroutinedaten vorlagen, rangierte von 3
bis 132 Monaten, wobei über die Hälfte der Studien (n=35; 55,2%) Perioden bis
maximal 12 Monate nutzten. Bei der Beobachtungsdauer von 132 Monaten
handelt es sich um eine Studie mit Daten des WIdO (Rhode et al., 2006).
Mit 45,7% (n=32) wurde der größte Teil der Studien ohne finanzielle
Unterstützung durchgeführt bzw. es wurde die Art der Finanzierung nicht
angegeben. Weitere 40,0% (n=28) wurden von öffentlichen Geldgebern
unterstützt (z.B. Krankenkassen, Bundesministerien, Stiftungen), lediglich jeweils
5 Studien (7,1%) wurden komplett bzw. teilweise durch die Industrie finanziert.
Weiterhin wurde analysiert, in welchem Umfang Hinweise zur Validität von
Diagnosen gegeben wurden. Von den insgesamt 43 Studien, die stationäre oder
ambulante Daten auswerten, wurden dazu 9 ausgeschlossen, die ausschließlich
Informationen zu Kosten oder Datumsangaben nutzten. Somit verblieben 32
Studien, die Diagnosedaten aus dem stationären oder dem ambulanten
ärztlichen Bereich analysierten. Neben 3 methodischen Arbeiten, die sich
(wenigstens teilweise) mit der Plausibilität bzw. der Güte von Diagnosen
befassen (Giersiepen et al., 2007; Ruof et al., 2004b; Schlademann et al., 2007),
wurde in weiteren 16 Publikationen zumindest ein Hinweis zur Validität der Daten
gegeben. In 6 dieser 16 Studien wurden zu dieser Thematik Literaturquellen
zitiert, bei denen allerdings keine Validierungsstudie von Diagnosen oder
Identifikationsalgorithmen aus Routinedaten enthalten war. Insgesamt wurde in
13 von 32 Studien (40,6%) die Validität von Abrechnungsdiagnosen überhaupt
nicht thematisiert.
2.4.3 Diskussion In diesem Review zur Verwendung von Arzneimittelroutinedaten deutscher
Krankenkassen zeigte sich, dass diese Daten über die letzten Jahre vermehrt für
Forschungszwecke genutzt wurden. Im folgenden Abschnitt sollen nur einige
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 38
Ergebnisse und Limitationen des Reviews diskutiert werden, die Untersuchung
wird im abschließenden Kapitel dieser Arbeit (Abschnitt 5) erneut aufgegriffen.
Zunächst müssen einige methodische Punkte angesprochen werden. Insgesamt
wurden in 13 der eingeschlossenen Studien die Namen der (einer oder
mehrerer) Krankenkassen nicht genannt, deren Daten verwendet wurden. Stock
et al. (2005; 2006) gaben in beiden Studien weder Namen noch die Größe der
Krankenkasse bzw. der eingeschlossenen Population an, sondern operierten
ausschließlich mit Prozentangaben. Da es in Deutschland 254 (Stand: 2006)
Krankenkassen11 mit unterschiedlicher Größe und Versichertenstruktur gibt, ist
die Angabe der Datenquelle in Publikationen zu fordern. In lediglich einer
Publikation wurde beschrieben, dass die Autoren aus Datenschutzgründen
selbst die Namen der Krankenkasse nicht erfahren durften (Breyer et al., 2003).
Wurde ein solches Abkommen zwischen Krankenkasse und Forschergruppe
geschlossen, sollte es auch dem Leser transparent gemacht werden. In einigen
Publikationen wurden in der Methodik Leistungsbereiche (z.B. Giersiepen et al.,
2007; Höer et al., 2007b; Kuhlmey et al., 2003) oder Jahrgänge (z.B. Reis et al.,
2006; Schubert et al., 2007) erwähnt, die für die spätere Analyse keinerlei
Relevanz hatten. Es sollten jedoch nicht alle zur Verfügung stehenden, sondern
lediglich die verwendeten Daten beschrieben werden. Da besonders
Versorgungsanalysen die Grundlage von politischen Entscheidungen sein
können, ist ein weiterer wichtiger Punkt das Sponsoring von Studien bzw.
mögliche Interessenskonflikte (Donner-Banzhoff et al., 2007; Schneider et al.,
2007). In fast der Hälfte (45,7%) der in diesen Review eingeschlossenen Studien
gab es keine Angaben zum Sponsoring. Zu diesen Studien zählen ebenfalls
eigene Publikationen (Hoffmann et al., 2007; Hoffmann & Glaeske, 2006).
Grundsätzlich, so zeigt auch die empirische Evidenz (Nieto et al., 2007), lässt
sich bei einem fehlenden Hinweis zum Sponsoring nicht direkt schlussfolgern,
dass die Studie ohne externe Finanzierung durchgeführt wurde. Es wäre in
solchen Fällen sinnvoll, einen Satz wie „Diese Studie wurde ohne externe
Finanzierung (bzw. aus Eigenmitteln) durchgeführt“ einzufügen. Als deutlich
komplexer und nicht einheitlich gehandhabt lässt sich die Angabe potentieller
Interessenskonflikte ansehen (Schneider et al., 2007). Dieses Thema blieb
11 http://www.kbv.de/publikationen/2422.html (letzter Zugriff: 26.03.2008)
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 39
deshalb in diesem Review bewusst unberücksichtigt. Insgesamt deuten die
diskutierten Punkte auf einen Verbesserungsbedarf bei der Verfassung von
Publikationen auf Basis von Routinedaten hin. Dazu bieten die allgemein
formulierten Empfehlungen der Leitlinie „Gute Praxis Sekundärdatenanalyse“
(GPS) (AGENS & Arbeitsgruppe Epidemiologische Methoden, 2008) sowie des
in Anlehnung an das CONSORT Statement für Beobachtungsstudien
konsentuierte STROBE Statement (von Elm et al., 2007) allerdings nur wenig
konkrete Hinweise. Diese Empfehlungen unterstreichen aber die Wichtigkeit von
Transparenz in allen Phasen einer Studie einschließlich der Publikation. Die
Umsetzung dieser Forderung, der zweifellos zugestimmt werden kann, obliegt
dem Studienautor sowie Herausgebern und Gutachtern von wissenschaftlichen
Zeitschriften. Schwierigkeiten können sich bei internationalen Zeitschriften bzw.
dann ergeben, wenn Artikel ausschließlich von Personen begutachtet werden,
die zwar Experten für die untersuchte Thematik sind, aber mit (hiesigen)
Routinedaten wenig vertraut sind.
Einige Einschränkungen des durchgeführten Reviews sind zu berücksichtigen.
Obwohl es sich um eine sehr breite Suchstrategie handelte, können möglicher-
weise relevante Arbeiten übersehen worden sein. Dieses Problem ergibt sich
grundsätzlich immer, wenn andere Untersuchungen als randomisierte
kontrollierte Studien (RCTs) identifiziert werden sollen. Für RCTs existieren
weltweit anerkannte und beispielsweise im Handbuch der Cochrane
Collaboration publizierte Suchstrategien mit hoher Sensitivität (Higgins & Green,
2005). Es ist deutlich schwieriger, Suchterme für eine verwendete Datenquelle
zu formulieren als es für Fragestellungen aus dem Bereich der Therapie der Fall
ist. In Therapiestudien steht die betreffende Intervention bzw. Erkrankung im
Mittelpunkt der Publikation und sollte deshalb auch im Titel und Abstract zu
finden sein. Die im vorliegenden Review eingeschlossenen Studien verwendeten
in den Zusammenfassungen oftmals verschiedene Begrifflichkeiten bzw. einige
gesichtete Publikationen benennen die Datengrundlage nicht explizit.
Beispielsweise formulieren einige Autoren, dass Verschreibungsdaten von
Ärzten (von Ferber et al., 1999) oder Arzneimittelverbrauchsdaten aus
Deutschland verwendet wurden (Melander et al., 2006) ohne auch im Volltext
genaue Angaben zu den verwendeten Datenquellen zu machen. Solche Studien
wurden in der durchgeführten Analyse konsequent ausgeschlossen. Doppel-
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 40
publikationen (wie z.B. Hiller et al., 2003 und 2004 sowie Bücheler et al., 2002a
und 2002b) in deutscher und englischer Sprache wurden jedoch bewusst
berücksichtigt, da nicht die quantitative Zusammenführung von Daten, sondern
der Überblick über aktuelle Publikationen Anliegen des Reviews war. Um neben
den hauptsächlich englischsprachigen Journals in MEDLINE eine breitere Suche
auch in deutschsprachigen Zeitschriften durchzuführen, wurde zusätzlich die im
November 2004 von Elsevier eingerichtete Datenbank SCOPUS genutzt
(Falagas et al., 2008). Dadurch war es möglich, weitere 8 nicht in MEDLINE
gelistete Studien einzuschließen, die überwiegend in deutschen Journals
veröffentlicht wurden, wie beispielsweise Deutsches Ärzteblatt,
Gesundheitsökonomie und Qualitätsmanagement (Gesundh ökon Qual manag)
oder Journal of Public Health (J Public Health). Trotzdem können relevante
Treffer übersehen worden sein. Dies dürfte die gefundenen Trends über die Zeit
aber nicht beeinflussen. Es ist allerdings davon auszugehen, dass nicht gelistete
Journals auch seltener das System des peer-reviews verwenden bzw. oftmals
keinen Abstract haben und deshalb in der wissenschaftlichen Diskussion
überhaupt weniger Berücksichtigung finden. Weiterhin wurden auch in früheren
Jahren einzelne Analysen mit Arzneimittelroutinedaten deutscher Kranken-
kassen veröffentlicht (s. Abschnitt 2.3.3), die allerdings in diesem Review nicht
eingeschlossen wurden, da sie vor dem definierten Publikationszeitraum der
letzten 10 Jahre (1998 bis 2007) lagen.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 41
3 Beispiele eigener Studien mit GKV-Routinedaten Arzneimittelroutinedaten der Krankenkassen werden, wie in dem im Abschnitt
2.4 durchgeführten Review gezeigt, in den letzten Jahren vermehrt für
Forschungszwecke und dabei hauptsächlich für Versorgungsanalysen
verwendet. In diesem Abschnitt sollen exemplarisch zwei eigene Unter-
suchungen mit Routinedaten der GKV zum Hochverbrauch der Hypnotika
Zolpidem und Zopiclon sowie zum Gebrauch intravenöser Bisphosphonate
vorgestellt werden. Die Abschnitte beginnen jeweils mit einer Erörterung der
aktuellen Evidenz und der Einführung in die jeweilige Fragestellung. Beide
Studien werden in diesem Kapitel ausführlich beschrieben und inhaltlich
diskutiert. Sie bilden eine Grundlage für die im weiteren Verlauf der Arbeit
folgenden methodischen Untersuchungen.
Eigene Vorarbeiten zum Thema
• Hoffmann F, Pfannkuche M, Glaeske G (2008): Hochverbrauch von Zolpidem
und Zopiclon. Querschnittsstudie auf Basis von Krankenkassendaten.
Nervenarzt, 79(1): 67-72.
• Hoffmann F, Jung TI, Felsenberg D, Glaeske G (submitted): Pattern of
intravenous bisphosphonate use in outpatient care in Germany.
3.1 Hochverbrauch von Zolpidem und Zopiclon 3.1.1 Einführung: Wirksamkeit und Missbrauch von Zolpidem und
Zopiclon Schlafstörungen sind besonders bei älteren Menschen häufig anzutreffende
Symptome. In der Mannheimer Allgemeinarztstudie beispielsweise zeigten 20%
der Patienten eine Insomnie nach operationalisierten Kriterien (Riemann et al.,
2003). Mit zunehmendem Alter nahmen auch die Beschwerden zu, Frauen
waren insgesamt häufiger betroffen als Männer. Leiden jüngere Menschen eher
an Einschlafstörungen, treten bei Älteren vermehrtes nächtliches Aufwachen,
verkürzte Schlafdauer sowie unerholsamer Schlaf auf (Drake et al., 2003).
Schlafstörungen haben einen erheblichen negativen Einfluss auf die
Tagesbefindlichkeit, die private und berufliche Leistungsfähigkeit sowie die
Lebensqualität. Sie sind außerdem mit diversen somatischen und psychia-
trischen Komorbiditäten assoziiert, zu denen unter anderem Depressionen,
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 42
Angststörungen sowie die Inanspruchnahme des Gesundheitssystem insgesamt
zu zählen sind (Drake et al., 2003; Sateia & Nowell, 2004). Schlafstörungen sind
in der hausärztlichen Versorgung häufig unterdiagnostiziert bzw. werden
bagatellisiert (Riemann et al., 2003). Nach den diagnostischen Kriterien des ICD-
10 für die primäre, also nicht durch andere organische Erkrankungen bedingte,
Insomnie müssen Einschlafstörungen, Durchschlafstörungen oder eine schlechte
Schlafqualität mindestens dreimal pro Woche über einen Mindestzeitraum von
einem Monat bei einer beeinträchtigten Tagesbefindlichkeit vorliegen (Riemann
et al., 2007). Aufgrund der Tatsache, dass weniger der gestörte Schlaf als
solcher, sondern vielmehr dessen Auswirkungen patientenrelevant sind, wurde
zu dem Symptom Insomnie bzw. Schlaflosigkeit zusätzlich der Begriff „nicht-
erholsamer Schlaf“ eingeführt (DGSM, 2004; Riemann et al., 2003).
Schlafstörungen sind in aller Regel chronische Erkrankungen, die einer
dauerhaften bzw. dauerhaft wirksamen Therapie bedürfen. Wegen der
Komplexität und oft aus pragmatischen Gründen werden Schlafstörungen im
hausärztlichen Sektor allerdings häufig symptomatisch und ausschließlich mit
Medikamenten behandelt.
Als Schlafmittel (Hypnotika) der Wahl lösten Benzodiazepine nach ihrer
Markteinführung 1960 aufgrund verschiedener Vorteile die Barbiturate ab.
Anfang der 1990er Jahre wurden zur Behandlung von Schlafstörungen die
Benzodiazepinrezeptoragonisten Zolpidem und Zopiclon in Deutschland
eingeführt, im Jahr 1999 folgte der Wirkstoff Zaleplon. Aufgrund ihrer Anfangs-
buchstaben werden die Mittel dieser Stoffgruppe häufig als Z-Drugs
zusammengefasst (Dundar et al., 2004; Siriwardena et al, 2006). Z-Drugs
wirken, obwohl sie chemisch nicht mit den Benzodiazepinen verwandt sind,
ebenfalls an den Benzodiazepinrezeptoren. Durch die kurze Halbwertszeit von
3,5-4,5 Stunden (Zopiclon), 2,5 Stunden (Zolpidem) sowie einer Stunde
(Zaleplon) und einer hauptsächlich schlaffördernden Wirkung, erhoffte man sich
durch ihre Anwendung eine Alternative zu den Benzodiazepinen (Cimolai, 2007;
Dundar et al., 2004). Zaleplon hat in Deutschland allerdings kaum
Marktbedeutung, so dass hierzulande Zolpidem und Zopiclon die
Versorgungssituation dominieren (siehe auch Abschnitt 4.4). In der Literatur
finden sich immer wieder kontroverse Aussagen über den Stellenwert der Z-
Drugs bei der Behandlung von Schlafstörungen. So schlussfolgert
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 43
beispielsweise Lieberman (2007), dass die Insomniebehandlung über die letzten
Jahre sicherer geworden sei, da die mit einem geringeren Risiko für Missbrauch,
Abhängigkeit und sonstigen Nebenwirkungen assoziierten Z-Drugs im Vergleich
zu Benzodiazepinen heute häufiger eingesetzt werden. Das englische National
Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) kann hingegen auf Basis der
vorliegenden Evidenz bezüglich Wirksamkeit, Nebenwirkungen sowie
Missbrauchs- und Abhängigkeitspotential keinen klinisch relevanten Unterschied
zwischen Z-Drugs und kurzwirksamen Benzodiazepinen finden (NICE, 2004).
Mittlerweile liegen zur Wirksamkeit von Z-Drugs in der Insomniebehandlung
zahlreiche randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) sowie systematische
Reviews und Meta-Analysen vor. In einer ersten im Jahr 1997 publizierten Meta-
Analyse untersuchten Nowell et al. (1997) die Wirksamkeit von Benzodiazepinen
und Zolpidem bei chronischen Insomnien. Berücksichtigt wurden ausschließlich
doppelblind und plazebokontrolliert durchgeführte RCTs an Patienten im Alter
von höchstens 65 Jahren. Es wurden 22 Studien (n=1.894) eingeschlossen, die
eine Laufzeit von 4-35 Tagen (Median: 7 Tage) hatten. Im gepoolten Ergebnis
waren moderate Unterschiede in den untersuchten Endpunkten Einschlafzeit,
Schlafdauer, Anzahl Aufwachphasen und Schlafqualität zwischen den aktiv und
mit Plazebo Behandelten erkennbar. Es zeigte sich keine Heterogenität
zwischen den Studien, d.h. es gab keine Hinweise darauf, dass sich die
Ergebnisse zwischen den mit Benzodiazepinen und Z-Drugs Behandelten
unterschieden. In einer weiteren Meta-Analyse schlossen Holbrook et al. (2000)
RCTs ein, die Benzodiazepine gegen Plazebo oder andere Therapien zur
Insomniebehandlung verglichen (45 Studien; n=2.672). Keine der einge-
schlossenen Studien dauerte länger als 2 Wochen. Als Ergebnis zeigte sich
beim Vergleich von Benzodiazepinen gegen Plazebo eine statistisch nicht
signifikante Verkürzung der Einschlafzeit um 4,2 Minuten (95%
Konfidenzintervall [95% KI]: -0,7 bis 9,2) sowie eine signifikant um 61,8 Minuten
(95% KI: 37,4-86,2) verlängerte Schlafdauer, wenn objektive Messungen
zugrunde gelegt wurden. Letzteres Ergebnis beruht jedoch auf der Analyse von
lediglich zwei Studien mit insgesamt 35 Teilnehmern, weshalb dieses Ergebnis
mit Vorsicht interpretiert werden sollte. Werden Patientenaufzeichnungen
verwendet, wird die Verkürzung der Einschlafzeit optimistischer eingeschätzt
(Verkürzung um 11,7 Minuten; 95% KI: 7,6-15,8), nicht jedoch die Schlafdauer
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 44
(Verlängerung um 48,4 Minuten; 95% KI: 39,6-57,1). Weiterhin wurde durch
Benzodiazepingebrauch ein um 80% erhöhtes Risiko (Odds Ratio [OR]: 1,8;
95% KI: 1,4-2,4) an unerwünschten Wirkungen, besonders Schläfrigkeit und
Benommenheit über den Tag, gefunden. Bei drei Studien (n=96), die
Benzodiazepine mit Zopiclon vergleichen, zeigten sich keine statistisch
signifikanten Unterschiede bei der Einschlafzeit, jedoch eine geringfügig
verlängerte Schlafdauer durch Benzodiazepine (23,1 Minuten; 95% KI: 5,6-40,6).
Bei den unerwünschten Wirkungen konnten keine signifikanten Unterschiede
zwischen den Substanzgruppen gefunden werden (OR: 1,5; 95% KI: 0,8-2,9).
Allerdings deuten die breiten Konfidenzintervalle auf die statistische Unsicherheit
der Ergebnisse hin. Zwei aktuellere Meta-Analysen hatten zum Ziel, die
Wirksamkeit und das Risikoprofil von Z-Drugs im Vergleich zu Benzodiazepinen
zu untersuchen (Dundar et al., 2004; Carson et al., 2006). Beide Publikationen
kommen übereinstimmend zu dem Schluss, dass auf Basis der verfügbaren
Studien höchstens marginale Unterschiede zwischen den beiden Substanz-
gruppen sowohl bezüglich der Wirksamkeit als auch bezüglich unerwünschter
Ereignisse existieren, die keine klare Empfehlung zu Gunsten einer der beiden
Gruppen zulassen. Aussagen konnten nur zur Wirksamkeit über eine kurze
Anwendungsdauer gemacht werden, da keine Evidenz aus Langzeitstudien
vorliegt. Die maximale Studiendauer im Review von Dundar et al. (2004) war
beispielsweise 6 Wochen. Auch innerhalb der Substanzklasse der Z-Drugs
konnten keine klinisch relevanten Unterschiede gefunden werden, die eine
Empfehlung zu Gunsten eines bestimmten Wirkstoffes zulassen würde (Dundar
et al., 2004; Carson et al., 2006). Ziel der Meta-Analyse von Glass et al. (2005)
war es, Nutzen und Schaden einer Hypnotikabehandlung (Benzodiazepine und
Z-Drugs) bei Älteren und damit den Personen zu untersuchen, die am häufigsten
von Schlafstörungen betroffen sind. Eingeschlossen wurden ausschließlich
doppelblind durchgeführte RCTs, deren Teilnehmer im Durchschnitt mindestens
60 Jahre alt waren und die Hypnotika mit Plazebo oder anderen Behandlungen
verglichen. Die Autoren kommen auf Basis von insgesamt 24 eingeschlossenen
Studien (n=2.417) zu dem Ergebnis, dass die Behandlung mit Hypnotika im
Vergleich zu Plazebo zwar zu statistisch signifikanten Verbesserungen bei den
Endpunkten Schlafqualität, Aufwachphasen und Schlafdauer führen. Glass et al.
(2005) beschreiben die erzielten Veränderungen jedoch allesamt als gering und
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 45
zweifeln ihre klinische Relevanz an. Die Anzahl Personen, die behandelt werden
müssen, um bei einem Patienten eine Verbesserung der Schlafqualität zu
erzielen (Number needed to treat [NNT]), ist 13 (95% KI: 6,7-62,9). Im Vergleich
dazu wird die Anzahl Patienten, die behandelt werden müssen, um bei einem
davon unerwünschte Wirkungen hervorzurufen (Number needed to harm [NNH])
mit 6 (95% KI: 4,7-7,1) angegeben. Als unerwünschte Ereignisse wurden
kognitive Veränderungen (Gedächtnisverlust, Desorientiertheit), psycho-
motorische Ereignisse (Schläfrigkeit, Balanceverlust, Stürze) sowie Hangover-
Effekte definiert. Die Autoren diskutieren die von ihnen gefundenen Ergebnisse
mit anderen Publikationen an jüngeren Studienkollektiven, in denen größere
Effekte beschrieben wurden. Sie führen die Unterschiede darauf zurück, dass
ältere Menschen möglicherweise weniger von einer solchen medikamentösen
Therapie profitieren und zusätzlich einem höheren Risiko arzneimittelinduzierter
Nebenwirkungen ausgesetzt sind, so dass der Nutzen einer Behandlung nicht
den Schaden aufzuwiegen scheint. Generell ist es allerdings schwierig, Nutzen
und Schaden einer Therapie direkt miteinander zu vergleichen, da dies
voraussetzt, dass die eingeschlossenen Ereignisse in gleicher Gewichtung
patientenrelevant sind und alle möglichen unerwünschten Ereignisse in den
eingeschlossenen Studien erhoben wurden. Zusammenfassend bleibt
festzuhalten, dass die Wirksamkeit von Z-Drugs mit der von Benzodiazepinen
vergleichbar zu sein scheint, wobei bisher allerdings fast ausschließlich
Kurzzeitstudien vorliegen. Die im Vergleich zu Plazebo zu erwartenden Effekte
sind als moderat zu bewerten und bei älteren Patienten sollte eine
Indikationsstellung besonders kritisch hinterfragt werden. Sowohl nationale
(DGSM, 2004) wie auch internationale Leitlinien (NICE, 2004) empfehlen
deshalb eine kurzfristige Behandlung mit diesen Substanzen über maximal 4
Wochen.
Nicht-medikamentöse Therapiemöglichkeiten bei Insomnien sind verhaltens-
therapeutische Interventionen, zu denen neben Entspannungsübungen vor allem
Stimuluskontrolle und Schlafrestriktion gehören (Riemann et al., 2007). Eine
erste komparative Meta-Analyse zum Vergleich zwischen Pharmakotherapie und
Verhaltenstherapie wurde von Smith et al. (2002) vorgelegt. Dazu wurden
unkontrollierte Studien eingeschlossen und die Unterschiede vor und nach der
jeweiligen Behandlung ermittelt. Anschließend wurden die Ergebnisse der
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 46
Studien zu Pharmakotherapie mit denen zur Verhaltenstherapie indirekt
verglichen. Die Studien dauerten bis zu 10 Wochen und die Effekte beider
Behandlungen unterschieden sich bezüglich der Schlafdauer, der Schlafqualität
und der Anzahl nächtlicher Aufwachphasen nicht. Durch Verhaltenstherapie
konnte allerdings eine statistisch signifikante Verkürzung der Einschlafzeit erzielt
werden (-23,31 vs. -14,49 Minuten). Eine direkte Vergleichsstudie zwischen 7,5
mg Zopiclon (n=16), Verhaltenstherapie (n=18) sowie Plazebo (n=12) bei
Patienten in einem Mindestalter von 55 Jahren wurde von Sivertsen et al. (2006)
durchgeführt. Nach der 6-wöchigen Behandlung wurden die Patienten für weitere
6 Monate nachbeobachtet. Auffällig an den erzielten Ergebnissen war, dass die
Verhaltenstherapie im Gegensatz zu Zopiclon auch nach 6 Monaten bleibende
Effekte zeigte. Allerdings dürfen trotz positiver Ergebnisse die methodischen
Schwächen der Studie nicht übersehen werden. So wurde von den Autoren kein
primäres Outcome definiert und in der Publikation insgesamt mehr statistische
Tests durchgeführt als Patienten eingeschlossen wurden, womit die Ergebnisse
eher als explorativ denn als hypothesentestend angesehen werden müssen. Da
die Plazebogruppe nicht über weitere 6 Monate beobachtet wurde und 7 der
verbleibenden 34 Patienten (20,6%) nicht mehr für diese Nachbeobachtung zur
Verfügung standen, basieren die Ergebnisse insgesamt auf einem sehr kleinen
Kollektiv. Ähnliche Ergebnisse wurden allerdings von Morin et al. (1999) erzielt,
wobei in dieser Studie eine Nachbeobachtungszeit von 2 Jahren gewählt wurde.
Insgesamt zeigte sich auch dabei, dass die Verhaltenstherapie im Vergleich zur
Pharmakotherapie (Temazepam) einen länger anhaltenden positiven Einfluss
auf verschiedene Schlafparameter hatte. Interessant an dieser Studie ist noch,
dass eine gemeinsame Therapie mit beiden Behandlungsstrategien nicht zu
verbesserten Ergebnissen führt. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Z-Drugs
zwar in der kurzfristigen Therapie Einflüsse auf verschiedene Schlafparameter
haben, im Vergleich dazu die Persistenz positiver Ergebnisse der Verhaltens-
therapie zu unterstreichen ist (Perlis et al., 2007, Sivertsen & Nordhus, 2007).
Insgesamt liegt also bisher wenig systematisches Wissen über die Langzeitan-
wendung und damit auch über die Langzeitsicherheit von Z-Drugs vor (Carson et
al., 2006; Dundar et al., 2004). Da RCTs nur über einen begrenzten Zeitraum
durchgeführt werden, eine feste Dosierung vorschreiben, ihre Kollektive teils
über restriktive Ein- und Ausschlusskriterien rekrutieren und Probanden im
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 47
Vergleich zur Routineversorgung einer besseren Überwachung unterliegen,
eignet sich dieser Studientyp wenig, um Missbrauch, Abhängigkeit und
Dosiseskalationen zu untersuchen. Zudem ist die Mehrzahl der RCTs hersteller-
gesponsert und diese Studien sind meist vom Design her so konzipiert, dass sie
seltener unerwünschte Wirkungen finden als nicht herstellergesponserte
Untersuchungen (Avorn, 2006; Nieto et al., 2007). Es wäre zudem aus ethischen
Gründen fragwürdig, Missbrauch als primäres Anliegen einer Therapiestudie zu
definieren. Unerwünschte Wirkungen werden oft erst dann beobachtet, wenn
Medikamente unter Alltagsbedingungen außerhalb von klinischen Studien
eingesetzt werden. Fallberichte und Spontanmeldesysteme können dann erste
Signale für unerwünschte Wirkungen generieren (Garbe & Suissa, 2004). Die
ersten Fallberichte zu Missbrauch und Abhängigkeit von Zopiclon bzw. Zolpidem
stammen aus den Jahren 1991 bzw. 1993 (Hajak et al., 2003). Seitdem wurden
Daten zu zahlreichen weiteren Fällen publiziert. In einer systematischen
Übersichtsarbeit der bis August 2002 veröffentlichten Kasuistiken von
Missbrauch und Abhängigkeit dieser Substanzen kamen Hajak et al. (2003) auf
Basis von 58 Fällen in Relation zu den 2 Mrd. jährlich in Europa, Japan und den
USA verkauften Tabletten zu dem Ergebnis, dass Zolpidem und Zopiclon relativ
sichere Medikamente sind. Auch Keup (2004) schlussfolgert unter Rückgriff der
Daten des bis Ende 2000 in Deutschland aktiven Frühwarnsystems zur
Erfassung von Missbrauchsmustern, dass Zolpidem und Zopiclon ein relativ
niedriges Missbrauchspotential haben. Kasuistiken und Spontanmeldungen
lassen jedoch keine Aussagen über die Häufigkeit von unerwünschten
Wirkungen zu, da Meldetrends über die Zeit existieren können und außerdem
weder Informationen zu allen Ereignissen vorliegen, noch die Zahl der Personen
unter Risiko bekannt ist (Garbe & Suissa, 2004; Strom & Carson, 1990). Gerade
Fallberichte sind für Prävalenz- und Inzidenzschätzungen wenig aussagekräftige
Quellen, da bereits publizierte unerwünschte Wirkungen zumeist nicht noch
einmal von anderen Autoren veröffentlicht werden. Auch in Spontanmelde-
systemen ist mit einer erheblichen Untererfassung zu rechnen, besonders dann,
wenn es sich nicht um schwerwiegende oder lebensbedrohliche Ereignisse
handelt (Hasford et al., 2002). Die geringe Anzahl veröffentlichter Berichte zu
Zolpidem und Zopiclon hängt möglicherweise auch mit einer Haltung des
„Nichtwahrhabenwollens“, der geringen Aufmerksamkeit bzw. dem geringen
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 48
Bekanntheitsgrad der möglichen Abhängigkeitsproblematik in der Ärzteschaft
zusammen (Victorri-Vigneau et al., 2007). Trotzdem können durch Fallberichte
wichtige Hinweise besonders zu Symptomen und zum Entstehen von
Missbrauch und Abhängigkeit gewonnen und somit Hypothesen generiert
werden (Strom & Carson, 1990). In einer Übersicht zu den 53 bis 2005 zu
Zolpidem publizierten Fällen von Missbrauch und Abhängigkeit identifizierten
Victorri-Vigneau et al. (2007) zwei Gruppen von Nutzern. Die erste Gruppe
(n=25) nahm Zolpidem zunächst als Schlafmittel ein, erlebte allerdings unter
höheren Dosierungen paradoxe Effekte von Euphorie und Anxiolyse, weshalb
das Arzneimittel auch über den Tag eingenommen wurde. In der zweiten Gruppe
(n=28) wurde Zolpidem ausschließlich zur Sedierung eingesetzt, allerdings
zeigten sich nach einigen Wochen der Anwendung Wirkverluste im Sinne einer
Toleranzentwicklung, die zu Dosissteigerungen führten. In der ersten Gruppe
wurden im Vergleich zur zweiten höhere Dosen genutzt (Median: 300 mg vs. 200
mg) und diese Anwender waren jünger (Median: 35 vs. 42 Jahre). Die bisher
größte veröffentlichte Fallserie zu Zopiclon berichtet von 104 Abhängigen, die in
einer chinesischen Suchtklinik behandelt wurden, obwohl dem dortigen
Spontanmeldesystem kein einziger Fall gemeldet wurde (Ming, 2005). Insgesamt
wurden 47 Männer und 57 Frauen im durchschnittlichen Alter von 34,6 Jahren
eingeschlossen, die Zopiclon über eine Dauer von 0,33 bis 204 Monaten
einnahmen. Eine Unterscheidung entsprechend den von Victorri-Vigneau et al.
(2007) definierten Gruppen wurde von Ming (2005) nicht vorgenommen.
Allerdings existieren auch für Zopiclon Kasuistiken, in denen sowohl von
Euphorie und Anxiolyse bei höheren Dosen in Verbindung mit der Einnahme
auch über den Tag (Jones & Sullivan, 1998; Kahlert & Brüne, 2001) sowie von
Dosissteigerungen in Verbindung mit Wirkverlusten bei der Insomniebehandlung
berichtet wurde (Kuntze et al., 2002; Ströhle et al., 1999). Außerdem existieren
Fallberichte, die sowohl für Zolpidem (Madrak & Rosenberg, 2001; Ströhle et al.,
1999) wie für Zopiclon (Jones & Sullivan, 1998; Kahlert & Brüne, 2001; Ströhle et
al., 1999) benzodiazepin-typische Entzugserscheinungen wie innere Unruhe,
Angstzustände, Schlaflosigkeit, starkes Schwitzen, Tachykardien und
Kribbelparästhesien beschreiben. Zudem wurden Dosissteigerungen auf bis zu
380 mg Zopiclon bzw. 1200 mg Zolpidem pro Tag beobachtet (Dundar et al.,
2004; Hajak et al., 2003), die für beide Substanzen einem Vielfachen der
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 49
empfohlenen Tagesdosis entsprechen. Missbrauch wurde auch bei Personen
ohne vorherige Abhängigkeitsproblematik beschrieben (Kahlert & Brüne, 2001;
Liappas et al., 2003; Ming, 2005). Fasst man die vorliegenden Daten zu
Zolpidem und Zopiclon zusammen, zeigen sich bezüglich der Nebenwirkungen
zwischen diesen beiden Substanzen bisher kaum nennenswerte Unterschiede.
Es liegt ein Mangel an Daten darüber vor, wie diese Wirkstoffe in der Routinever-
sorgung eingesetzt werden.
Grundsätzlich muss unterschieden werden zwischen dem Gebrauch, dem
Missbrauch und der Abhängigkeit von Arzneimitteln, wobei Studien zu
Gebrauchsmustern bereits Hinweise auf die missbräuchliche Anwendung geben
können. Ziel der eigenen Studie war es, den Hochverbrauch von Zolpidem und
Zopiclon auf Basis von Verordnungsdaten einer Krankenkasse bezüglich Dauer
und Dosis zu untersuchen. Weiterhin sollten Faktoren identifiziert werden, die mit
dem Hochverbrauch dieser Substanzen assoziiert sind.
3.1.2 Methodik Studienkollektiv und Design
Für diese Untersuchung wurden GKV-Routinedaten der Gmünder ErsatzKasse
(GEK) genutzt, in der im Jahr 2004 deutschlandweit 1,5 Mio. Personen versichert
waren. Die Daten zu Arzneimittelverordnungen sowie Krankenhausaufenthalten
liegen in pseudonymisierter Form vor. Über eine Identifikationsnummer können
in Anspruch genommene Leistungen eindeutig einem Versicherten zugeordnet
werden. Zu Arzneimittelverordnungen stehen neben den verschriebenen
Präparaten, Wirkstoffen und Tagesdosen u.a. auch das Verordnungsdatum
sowie die Arztnummer des Verschreibers und das Institutskennzeichen der
abgebenden Apotheke zur Verfügung. Weiterhin können diese Leistungsdaten
mit personenbezogenen Versicherteninformationen, wie beispielsweise Alter,
Geschlecht sowie Ein- und Austrittsdatum, verknüpft werden. Zwei aufeinander
aufbauende Analysen werden präsentiert.
Analyse A: Zunächst wurde eine Querschnittsstudie durchgeführt, bei der alle
Personen unabhängig vom Alter und Geschlecht identifiziert wurden, die im
Studienzeitraum vom 01.07.-31.12.2004 mindestens eine Verordnung Zolpidem
oder Zopiclon erhielten. Als weiteres Einschlusskriterium mussten diese
Personen über den angegebenen Halbjahreszeitraum durchgängig in der GEK
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 50
versichert sein und durften – da nur ambulante Arzneimitteldaten zur Verfügung
vorliegen - insgesamt in der Studienperiode nicht länger als 60 Tage in
stationärer Behandlung sein.
Analyse B: Zusätzlich wurde retrospektiv der Verordnungsverlauf von Z-Drugs
über zwei Jahre betrachtet. Dazu wurden die Verordnungsdaten aller Personen
des Studienkollektivs aus Analyse A zurückverfolgt, die im Zeitraum zwischen
2003-2004 durchgängig in der GEK versichert waren. Von einer Langzeit-
verordnung gingen wir dann aus, wenn in jedem der vier beobachteten Halbjahre
mindestens eine Verordnung Zolpidem oder Zopiclon vorlag.
Definition von Hochverbrauch
Da Medikamente mit gleichem Wirkstoff in verschiedenen Dosierungen und
Packungsgrößen verschrieben werden können, wurde zur Angabe des
Verbrauchs eines Wirkstoffes das System der „defined daily doses“ (DDD)
verwendet. Eine Tagesdosis entspricht für Zolpidem 10 mg und für Zopiclon 7,5
mg. Hochverbrauch wurde in dieser Arbeit als eine Verordnung von mindestens
180 DDD pro Person in der Studienperiode (Analyse A) von einem halben Jahr
definiert (entsprechend 1 DDD/ Tag und mehr), wobei die Tagesdosen von
Zolpidem und Zopiclon je Versichertem aufsummiert wurden.
Statistische Analyse
Für Analyse A wurden zunächst deskriptive Auswertungen zur Verordnungs-
menge unter Berücksichtigung der DDD-Angaben personenbezogen
durchgeführt. Anschließend wurde die Population mit Hochverbrauch näher
untersucht. Mittels einer logistischen Regression wurden unter Verwendung
einer backward selection mit dem Selektionskriterium p<0,05 Faktoren
(unabhängige Variablen) identifiziert, die mit Hochverbrauch im Vergleich zum
sonstigen Verbrauch dieser Substanzen assoziiert sind. Ins Modell wurden
folgende unabhängige Variablen eingeschlossen: Geschlecht (weiblich vs.
männlich), Alter (kleiner 65 vs. 65 Jahre und älter), Krankenhausaufenthalt
wegen psychischen und Verhaltensstörungen (definiert über ICD-10: F00-F99; ja
vs. nein), Verordnungen von Benzodiazepinen, Neuroleptika und Antidepressiva
(jeweils ja vs. nein) sowie welcher Wirkstoff in höheren Tagesdosen
verschrieben wurde (Zolpidem vs. Zopiclon). Weiterhin wurden die Variablen
„Nur-Z-Drug-Verordner“ sowie „Polypharmazie“ konstruiert. Die Variable „Nur-Z-
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 51
Drug-Verordner“ (ja vs. nein) wurde definiert als das Aufsuchen von mindestens
einem Arzt zur ausschließlichen Verordnung von Z-Drugs. Ein „Nur-Z-Drug-
Verordner“ durfte dementsprechend in der Studienperiode für den jeweiligen
Versicherten keine anderen Medikamente außer Z-Drugs verschrieben haben.
Das Aufsuchen weiterer Ärzte war jedoch möglich. Als Polypharmazie (ja vs.
nein) wurde die Verordnung von mindestens fünf verschiedenen Wirkstoffen
definiert, unabhängig davon, um welche Medikamente es sich handelt und von
wie vielen Ärzten diese rezeptiert wurden. Die unabhängigen Variablen wurden
ebenfalls im Studienzeitraum erhoben. Als epidemiologische Maßzahlen wurden
multivariate Odds Ratios (OR) mit 95% Konfidenzintervallen (95% KI) sowie
zusätzlich p-Werte auf Basis eines zweiseitigen Tests vom Wald-Typ
angegeben. In Sensitivitätsanalysen wurde die Definition von Hochverbrauch
zwischen 90 und 270 DDD variiert. In Analyse B wurden die Ergebnisse
deskriptiv und grafisch dargestellt.
Zur Auswertung wurde das Softwarepaket SAS in der Version 8.2 verwendet
(SAS Institute Inc., Cary, NC).
3.1.3 Ergebnisse Deskriptive Auswertung der Verordnungen (Analyse A)
Im Folgenden werden die Ergebnisse von Analyse A vorgestellt. Insgesamt
7.357 Personen bekamen mindestens eine Verordnung Zolpidem oder Zopiclon
im Zeitraum vom 01.07.-31.12.2004. Von diesen waren 307 nicht durchgängig
versichert und weitere 91 mehr als 60 Tage in stationärer Behandlung. Das
Studienkollektiv bestand demnach aus 6.959 Personen. In den beobachteten 6
Monaten erhielten diese 6.959 Versicherten 21.567 Packungen Z-Drugs bzw.
396.330 DDD. Die Verteilung auf beide Wirkstoffe war mit 190.455 DDD
Zolpidem (48,1%) und 205.875 DDD Zopiclon (51,9%) ähnlich. Im Durchschnitt
erhielt jede Person im Untersuchungszeitraum 57 DDD (SD: 83,4) Z-Drugs.
Modus und Median liegen bei 20 DDD, was auf eine rechtsschiefe Verteilung
hindeutet. Mit einem Minimum von fünf und einem Maximum von 2.310 DDD
liegt außerdem eine sehr breite Spannweite vor. Insgesamt 3.274 Personen
(47%) bekamen 30 Tagesdosen und mehr verordnet. Weiterhin erhielten jeweils
32,4%, 20,9% bzw. 15,2% der Nutzer mindestens 60, 90 bzw. 120 DDD (siehe
Tabelle 5).
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 52
Summe DDD im Studienzeitraum Anzahl Personen (Anteil in %)
Anzahl Personen mit höheren
Tagesdosen (Anteil in %)
1-29 3.685 (53,0) 3.274 (47,0) 30-59 1.019 (14,6) 2.255 (32,4) 60-89 801 (11,5) 1.454 (20,9)
90-119 397 (5,7) 1.057 (15,2) 120-149 368 (5,3) 689 (9,9) 150-179 188 (2,7) 501 (7,2) 180-209 291 (4,2) 210 (3,0) 210-239 54 (0,8) 156 (2,2) 240-269 56 (0,8) 100 (1,4)
270+ 100 (1,4) 0 (0,0)
Tabelle 5: Verteilung des Verbrauchs von Z-Drugs im Studienzeitraum 01.07.-31.12.2004 (Analyse A)
Hochverbrauch und assoziierte Faktoren (Analyse A)
Von den 6.959 Personen im Studienkollektiv wurden 501 (7,2%) mit einem
Hochverbrauch von mindestens 180 DDD Z-Drugs identifiziert. Einige
Basisdaten dieses Kollektivs sind in Tabelle 6 aufgeführt. Versicherte mit
Hochverbrauch (Mean: 60 Jahre; SD: 14,8) sind im Durchschnitt älter als
Personen mit geringem Verbrauch (Mean: 57 Jahre; SD: 15,3). Weiterhin nimmt
diese Gruppe mehr Medikamente ein. Personen mit Hochverbrauch suchen
durchschnittlich mehr Ärzte auf und bekommen von bis zu 18 verschiedenen
Medizinern Z-Drugs verordnet. Insgesamt werden bis zu 16 verschiedene Ärzte
aufgesucht, die ausschließlich Z-Drugs und keine anderen Medikamente
verordnen („Nur-Z-Drug-Verordner“). Neben diesem „Doktorhopping“ werden die
Rezepte auch in mehreren verschiedenen Apotheken eingelöst.
Tabelle 7 zeigt das Ergebnis der logistischen Regression. Sechs Variablen
waren signifikant mit einem Hochverbrauch von Zolpidem und Zopiclon assoziiert
und wurden ins Modell aufgenommen. Die stärksten Zusammenhänge konnten
für die Verordnung von Neuroleptika (OR: 2,53; 95% KI: 2,02-3,18), das
Aufsuchen mindestens eines Arztes zur ausschließlichen Verschreibung von Z-
Drugs, welches als „Nur-Z-Drug-Verordner“ definiert wurde (OR: 2,01; 95% KI:
1,52-2,67), und Polypharmazie gefunden werden (OR: 2,40; 95% KI: 1,84-3,15).
Weiterhin konnte statistisch abgesichert werden, dass Personen mit
Hochverbrauch älter sind als Versicherte mit sonstigem Gebrauch und häufiger
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 53
Zolpidem in höheren Tagesdosen einnahmen als Zopiclon (OR: 1,32; 95% KI:
1,09 – 1,58). Eine signifikante Interaktion zwischen einem Alter von mindestens
65 Jahren und weiblichem Geschlecht konnte nicht identifiziert werden (Wald-
Test p=0,97).
Charakteristika Hochverbrauch
(n=501) Sonstiger Verbrauch
(n=6.458) n (in %) n (in %) Alter (in Jahren) 0-24 7 (1,4) 127 (2,0) 25-49 120 (24,0) 1.980 (30,7) 50-74 289 (57,7) 3.409 (52,8) 75+ 85 (17,0) 942 (14,6) Geschlecht weiblich 304 (60,7) 3.605 (55,8) männlich 197 (39,3) 2.853 (44,2) Verordnung anderer psychotroper Medikamente Antidepressiva 249 (49,7) 2.270 (35,2) Benzodiazepine 137 (27,3) 1.313 (20,3) Neuroleptika 129 (25,7) 678 (10,5) Mean SD (Range) Mean SD (Range) Anzahl verschiedener verordneter Wirkstoffe 9,4 5,1 (1-29) 7,2 4,8 (1-40) Anzahl Krankenhaustage 2,7 8,3 (0-58) 3,2 8,9 (0-60) Anzahl abgebender Apotheken gesamt 2,6 2,5 (1-25) 2,1 1,3 (1-20) davon gaben Z-Drugs ab 2,0 2,1 (1-24) 1,2 0,5 (1-6) Anzahl verordnender Ärzte gesamt 3,0 2,2 (1-22) 2,4 1,4 (1-18) davon verordneten insgesamt Z-Drugs 1,7 1,5 (1-18) 1,1 0,3 (1-5) davon verordneten nur Z-Drugs 0,3 1,1 (0-16) 0,1 0,4 (0-3)
Tabelle 6: Basisdaten des Studienkollektivs (n=6.959), erhoben im Zeitraum 01.07.-31.12.2004 (Analyse A)
Wird in Sensitivitätsanalysen die Definition von Hochverbrauch zwischen 90 und
270 DDD variiert, verändern sich die Effektschätzer der unabhängigen Variablen
nur unwesentlich. Lediglich bei höheren Dosen als 180 DDD fällt auf, dass das
Odds Ratio für „Nur-Z-Drug-Verordner“ von 2,01 bei 180 DDD kontinuierlich auf
bis zu 4,32 bei 270 DDD ansteigt. Personen mit sehr hohem Gebrauch suchen
also deutlich häufiger Ärzte mit dem ausschließlichen Ziel einer Verordnung von
Zolpidem oder Zopiclon auf.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 54
Unabhängige Variable OR 95% KI p-Wert Verordnung von Neuroleptika 2,53 2,02 – 3,18 p< 0,0001 Polypharmazie 2,40 1,84 – 3,15 p< 0,0001 „Nur-Z-Drug-Verordner“a 2,01 1,52 – 2,67 p< 0,0001 Verordnung von Antidepressiva 1,51 1,24 – 1,84 p< 0,0001 Alter mind. 65 Jahre 1,37 1,12 – 1,66 p=0,0018 Zolpidemb 1,32 1,09 – 1,58 p=0,0039 a Aufsuchen mindestens eines Arztes zur ausschließlichen Verordnung von Z-Drugs b höhere Verordnungsmenge von Zolpidem im Vergleich zu Zopiclon
Tabelle 7: Variablen, die mit einem Hochverbrauch assoziiert sind (Analyse A)
Entwicklung über zwei Jahre (Analyse B)
Abbildung 5: Anteil durchgängig Versicherter im Studienkollektiv (n=6.171), die zwischen 2003-2004 in allen Halbjahren mindestens eine Verordnung erhielten (Analyse B)
Um den Verlauf der Verordnungen von Z-Drugs verfolgen zu können, wurden in
Analyse B zusätzlich zum zweiten Halbjahr 2004 die Verordnungsdaten der drei
vorherigen Halbjahre erhoben. Dieses Studienkollektiv bestand aus 6.171
Personen, die zwischen 2003-2004 durchgängig versichert waren. Betrachtet
man diese über beide Jahre und sortiert sie absteigend nach den höchsten
Verordnungsvolumina in der Studienperiode (von 2.310 bis 5 DDD), bekamen
von den 10% der Personen (n=617) mit dem größten Verbrauch in der
Studienperiode (von 2.310 bis 160 DDD) insgesamt 77% (n=475) seit dem
ersten Halbjahr 2003 sowie in jeder der drei folgenden Halbjahresperioden
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 55
mindestens eine solche Verordnung (Langzeitverordnungen). Bezogen auf alle
6.171 Versicherte bekam fast jeder Dritte (30,6%) diese Präparate als
Langzeitverordnung (Abbildung 5).
Betrachtet man die 11 Personen mit dem höchsten Verbrauch im zweiten
Halbjahr 2004, der zwischen 820 und 2.310 DDD lag, waren 10 über beide Jahre
durchgängig versichert, so dass deren Verordnungen zurückverfolgt werden
konnten. Eine Darstellung dieser Fälle im Zeitverlauf mit Informationen zu Alter
und Geschlecht wird in Abbildung 6 gezeigt. Hier sind Dosissteigerungen im
Zeitverlauf erkennbar. Auffällig ist auch, dass alle Personen seit dem ersten
Halbjahr 2003 sowie in jeder der drei folgenden Halbjahresperioden mindestens
eine Packung Z-Drugs - also Langzeitverordnungen - erhalten haben.
Abbildung 6: Beobachtung der 10 Personen mit dem höchsten Verbrauch in der Studienperiode über den Zeitverlauf von zwei Jahren (Analyse B)
3.1.4 Diskussion Sowohl in nationalen (DGSM, 2004) wie auch in internationalen Leitlinien (NICE,
2004) wird eine kurzfristige und vorübergehende Behandlung der Insomie mit Z-
Drugs über maximal 4 Wochen empfohlen, eine andere Indikation existiert für
diese Substanzen nicht. Man würde dementsprechend erwarten, dass der
Großteil der Behandelten maximal 30 Tagesdosen erhält. Die Versorgungs-
realität liefert jedoch ein völlig anderes Bild. So bekommt nahezu die Hälfte der
Anwender in einem Halbjahreszeitraum teilweise erheblich größere Mengen
verordnet. Knapp ein Drittel der Patienten erhielt über eine Dauer von zwei
Jahren durchgängig Verordnungen. Für die Langzeitbehandlung von Insomnien
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 56
mit diesen Medikamenten liegt allerdings, wie bereits in Abschnitt 3.1.1
beschrieben, wenig belastbares Datenmaterial aus klinischen Studien vor
(Dundar et al., 2004; Carson et al., 2006). Möglicherweise stellt der
unregelmäßige Einsatz von Zolpidem als Bedarfsmedikation, wie ihn Hajak
(2006) postuliert, eine Therapieoption bei chronischen Insomnien dar. Allerdings
muss angezweifelt werden, ob eine solche Behandlung bei Bedarf mit
psychotropen Medikamenten jenseits von klinischen Studien in der Alltagsver-
sorgung funktionieren kann. Hier offenbart sich das auch immer wieder in der
aktuellen Diskussion angeführte Dilemma, nämlich dass Schlafstörungen in der
Regel chronische Erkrankungen sind, die Medikamente jedoch nur kurzzeitig
angewendet werden sollen (Perlis et al., 2007; Riemann et al., 2007). Auf der
anderen Seite liegt ausreichend Evidenz für die deutlich länger anhaltende
Wirkung von verhaltenstherapeutischen Interventionen vor. Allerdings ist der
notwendige Aufwand zu berücksichtigen, die Intervention bei Sivertsen et al.
(2006) umfasste beispielsweise 6 Sitzungen über 6 Wochen, wobei jede Sitzung
etwa 50 Minuten dauerte. Somit scheint die Schwelle zur Anwendung der im
Gegensatz zum Rezeptausfüllen vergleichsweise aufwändigen und komplexen
Verhaltenstherapie offensichtlich höher, so dass die entscheidende Heraus-
forderung in der Implementierung dieser Behandlung im Versorgungsalltag liegt
(Sivertsen & Nordhus, 2007). Dies setzt zudem voraus, dass eine ausreichende
Zahl an qualifizierten Therapeuten zur Verfügung stehen muss.
Möglicherweise muss das Missbrauchs- und Abhängigkeitspotential von
Zolpidem und Zopiclon höher eingeschätzt werden als bisher angenommen
wurde (Cimolai, 2007; Liappas et al., 2003; Ming, 2005). In dieser Arbeit konnte
gezeigt werden, dass mehr als 7% aller Anwender von Z-Drugs diese
Medikamente in deutlich erhöhten Dosen und über längere Zeit einnehmen.
Zudem waren bei einigen Patienten Dosissteigerungen über eine Dauer von 2
Jahren erkennbar (Abbildung 6). In den bisher publizierten Fallberichten ließen
sich zwei Gründe für Dosissteigerungen und Hochverbrauch finden. Einerseits
wurden Effekte von Euphorie und Anxiolyse beobachtet, die zur Einnahme auch
über den Tag führten, und andererseits zeigten sich bei der Behandlung der
Insomnie Wirkverluste im Sinne einer Toleranzentwicklung (siehe Abschnitt
3.1.1). Beide Effekte wurden sowohl für Zolpidem als auch für Zopiclon
dokumentiert. Exzessive Dosissteigerungen wurden teilweise bereits einen
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 57
Monat nach Therapiebeginn beobachtet (Liappas et al., 2003). Für
Benzodiazepine konnte eine pharmakoepidemiologische Studie zeigen, dass
Dosiseskalationen in einem Beobachtungszeitraum von zwei Jahren mit einer
geringen Inzidenz von 1,6% auftraten, wobei ältere Patienten ein niedrigeres
Risiko dafür aufwiesen (Soumerai et al., 2003). Inwiefern hier Parallelen oder
Diskrepanzen zwischen Benzodiazepinen und Z-Drugs existieren, bedarf
weiterer Forschung.
Personen mit Hochverbrauch von Z-Drugs suchten häufiger verschiedene Ärzte
auf, die ihnen ausschließlich solche Medikamente verschrieben. Dieser Anteil
wurde größer, wenn in Sensitivitätsanalysen die Definition von Hochverbrauch
zwischen 180 und 270 DDD variiert wurde, also höhere Dosen untersucht
wurden. Ein solches „Doktorhopping“ dient oftmals einzig dem Ziel, ein
bestimmtes Präparat zu bekommen. Dieses Verhalten lässt sich möglicherweise
schon als Anzeichen für Craving im Sinne einer psychischen Abhängigkeit
interpretieren. Hinzu kommt, dass sich diese Medikamente in der Öffentlichkeit
scheinbar immer größerer Beliebtheit erfreuen. Bereits bei amerikanischen
Teenagern lässt sich ein zunehmender Trend weg von illegalen Drogen hin zu
missbräuchlichem Gebrauch von verschreibungspflichtigen Substanzen
erkennen (Friedman, 2006). Solche Medikamente, bei denen auch Zolpidem
genannt wird, sind leicht zu erhalten, da nur ein Arzt von den „vermeintlichen“
Schlafproblemen überzeugt werden muss und dann meist zum Rezeptblock
greift. Die Entscheidung kann dann sowohl auf Zolpidem als auch Zopiclon
fallen, somit ist die gemeinsame Auswertung beider Wirkstoffe sinnvoll. Ingesamt
erhielten 5% der Personen mit Hochverbrauch im Vergleich zu 2,2% der
sonstigen Patienten in der Studienperiode von einem halben Jahr beide
Substanzen gemeinsam.
Unter Umständen werden Zolpidem und Zopiclon als potentiell sicher
eingeschätzte Medikamente in der Praxis zu unkritisch eingesetzt. Möglicher-
weise denken viele Ärzte noch immer, diese Mittel hätten keinerlei Missbrauchs-
potential (Cimolai, 2007). Zu diesem Schluss kamen auch Siriwardena et al.
(2006). Sie befragten 107 englische Hausärzte, wie sie die Unterschiede
zwischen Z-Drugs und Benzodiazepinen einschätzen. Ein auffällig großer Teil
der Befragten gab an, dass sie Z-Drugs sowohl bezüglich der zu erwartenden
Wirkung als auch bezüglich Toleranzentwicklung sowie Abhängigkeits- und
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 58
Missbrauchspotential günstiger einschätzen als Benzodiazepine. Die Autoren
machen als einen Grund für diese Auffassung die selektiv-positiven
Werbestrategien der pharmazeutischen Industrie verantwortlich. Sowohl die
Leitlinie „Medikamentenabhängigkeit“ (DG-Sucht & DGPPN, 2006) wie auch der
kürzlich von der Bundesärztekammer (2007) veröffentlichte „Leitfaden
Medikamente – schädlicher Gebrauch und Abhängigkeit“ benennen explizit das
Abhängigkeitspotential von Z-Drugs. Insgesamt muss aber besonders für die
Leitlinie „Medikamentenabhängigkeit“ (DG-Sucht & DGPPN, 2006) festgehalten
werden, dass der Schwerpunkt des Textes auf Benzodiazepinen liegt.
Einige Limitationen dieser Studie sind zu beachten. Erstens waren zum
Zeitpunkt der Studiendurchführungen keine detaillierten Informationen –
ausgenommen Krankenhausentlassungsdaten – zu Indikationen sowie
psychiatrischen Komorbiditäten zugänglich. Somit lagen bezüglich Missbrauch
und Abhängigkeit von Alkohol, Drogen und Medikamenten in der Vorgeschichte
sowie zu Diagnosen, die zur Verordnung führten, keine ausreichenden
Informationen vor. Dieser Punkt würde allerdings nur marginale Zusatz-
informationen liefern, da die Aussagen der Studie dadurch unbeeinflusst bleiben.
Egal wofür Z-Drugs eingesetzt werden, sie werden nicht so angewendet, wie es
aktuelle Empfehlungen nahe legen. Zweitens zeichnet sich in den letzten Jahren
ein zunehmender Trend zu Privatverordnungen der hier untersuchten Z-Drugs
ab, auf diesen Punkt wird im Abschnitt 4.4 noch weiter eingegangen. Diese
Verordnungen sind über die Abrechnungsdaten der Krankenkassen nicht
zugänglich. Sie werden zudem nirgendwo personenbezogen erfasst, was eine
Auswertung auf Individualebene unmöglich macht. Die Prävalenz des
Hochverbrauchs wurde deshalb möglicherweise in dieser Studie unterschätzt.
Trotzdem geben bereits die ausgewerteten Daten deutliche Hinweise auf eine
Fehlversorgung. Drittens können in Querschnittsstudien keine kausalen
Zusammenhänge aufgedeckt werden. Faktoren, die einen Hochverbrauch
induzieren, können ebenso wenig untersucht werden wie die Inzidenz von
Dosissteigerungen. Wahrscheinlich ist dies aufgrund von zusätzlichen
Privatverordnungen auf Basis deutscher Krankenkassendaten nicht zuverlässig
möglich und es war nicht Anliegen der vorgestellten Studie. Es sollte vielmehr
eine Versorgungsanalyse durchgeführt werden mit dem Ziel, den Gebrauch von
Z-Drugs zu untersuchen.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 59
Um valide Daten über das Vorkommen und die Entwicklung von Missbrauch,
Dosissteigerungen und Abhängigkeit von Zolpidem und Zopiclon zu erhalten,
sind weitere Studien notwendig. Denkbar wären Primäruntersuchungen, die
teuer und aufwändig sind, oder pharmakoepidemiologische Studien mit
arztbasierten Daten oder mit Daten aus Ländern, in denen die Möglichkeit einer
Privatverordnung für solche Substanzen nicht existiert bzw. weniger verbreitet
ist. Möglich wäre beispielsweise die Nutzung der GPRD (siehe Abschnitt 2.1.2).
Um die aktuelle Versorgungssituation besser zu verstehen, könnten auch
qualitative Untersuchungen von Nutzen sein. Dem Aufruf zu mehr epidemio-
logischen Daten zum Thema Arzneimittelabhängigkeit, der unter dem Titel „Wo
verstecken sich die 1,9 Millionen Medikamentenabhängigen?“ veröffentlicht
wurde, kann nur zugestimmt werden (Soyka et al., 2005).
3.2 Gebrauch intravenöser Bisphosphonate 3.2.1 Einführung: Kiefernekrose unter Bishosphonaten Intravenös verabreichte, hochdosierte Bisphosphonate verhindern effektiv
pathologische Frakturen und Knochenschmerzen bei Patienten mit multiplem
Myelom, fortgeschrittenem Brustkrebs, fortgeschrittenem Prostatakrebs sowie
bei Knochenmetastasen unabhängig vom Primärtumor (Pavlakis et al., 2005;
Wong & Wiffen, 2002; Yuen et al., 2006 Lacy et al., 2006). Da sich die
Grunderkrankung zu diesem Zeitpunkt zumeist in einem inkurablen Stadium
befindet, ist die Gabe von intravenösen Bisphosphonaten in diesem Indikations-
gebiet überwiegend eine palliative Therapie. Eine Behandlung findet meist
monatlich statt, wobei es hinsichtlich der optimalen Therapiedauer keine
belastbaren Daten aus klinischen Studien gibt (Body et al., 2007; Pavlakis et al.,
2005; Migliorati et al., 2006). Intravenöse Bisphosphonate können auch bei
anderen Knochenerkrankungen wie Morbus Paget eingesetzt werden, eine
kürzlich publizierte randomisierte kontrollierte Studie (RCT) legt außerdem die
jährliche parenterale Anwendung von 5 mg Zoledronsäure bei Osteoporose nahe
(Black et al., 2007). Bei Osteoporose oder anderen Knochenerkrankungen (z.B.
Morbus Paget) wurden Bisphosphonate bisher fast ausschließlich oral
eingesetzt, wobei auch Präparate im Markt sind, die einmal wöchentlich bzw.
monatlich einzunehmen sind.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 60
Im Jahr 2003 wurde erstmalig in Fallberichten das Entstehen von Kiefernekrosen
(osteonecrosis of the jaw - ONJ) bei Therapie mit intravenösen Bisphosphonaten
beschrieben, seitdem ist die Anzahl veröffentlichter Fallberichte nahezu
exponentiell gestiegen (van den Wyngaert et al., 2007). Kiefernekrosen sind für
den Betroffenen unangenehm und schmerzhaft, die Behandlung ist langwierig
und eine optimale Therapie existiert bisher nicht (Badros et al., 2006; Bamias et
al., 2005; van den Wyngaert et al., 2007). Über den Entstehungsmechanismus
dieser vorher selten beobachteten Ereignisse liegt noch keine allgemein
akzeptierte Theorie vor (Wyngaert et al., 2007). Auch über die Epidemiologie
dieses Ereignisses ist bisher wenig bekannt. Obwohl angenommen wird, dass
ONJ eine Langzeitkomplikation der Bisphosphonattherapie ist, wurden auch
Fälle nach einer Expositionsdauer von 4-6 Monaten beschrieben (Badros et al.,
2006; Woo et al., 2006). Laut dem Report einer Task Force der American
Society for Bone and Mineral Research wird die Inzidenz von mit
Bisphosphonaten assoziierten Kiefernekrosen bei Tumorpatienten auf 1-10%
geschätzt (Khosla et al., 2007). Diese Angabe ist recht unbestimmt und
außerdem berücksichtigt sie die Zeit unter Risiko nicht. Eine kürzlich
veröffentlichte amerikanische Studie legte erstmalig systematische Informationen
zur Inzidenz bzw. zum Risiko von Kiefernekrosen unter intravenösen
Bisphosphonaten vor (Wilkinson et al., 2007).
Wilkinson et al. (2007) nutzten Daten des amerikanischen Tumorregisters SEER
(Surveillance, Epidemiology and End Results) und verknüpften diese mit
Informationen von Medicare, der amerikanischen Krankenversicherung für
Personen über 65 Jahre. Die untersuchte Kohorte umfasste alle zwischen 1986
und 2002 gemeldeten Krebsfälle. Als exponiert galten Personen, die zwischen
1995 und 2003 eine intravenöse Therapie mit den Bisphosphonaten
Pamidronsäure oder Zoledronsäure begannen. Zu jedem Anwender von
Bisphosphonaten wurden zwei Nicht-Anwender nach zahlreichen Kriterien (u.a.
Alter, Geschlecht, Krebsart, Kochenmetastasen) gematcht. Kohorteneintritt war
der Tag der ersten Injektion bzw. bei Nicht-Anwendern der Kohorteneintritt des
gematchten „Partners“. Studienende war der 31. Dezember 2003. Da in dem
verwendeten Diagnoseschlüssel ICD-9 keine spezielle Klassifikation für
Kiefernekrosen existiert, nutzen die Autoren als Outcome 1) Osteomyelitis des
Kiefers sowie 2) Operationen am Kiefer bzw. Gesichtsknochen. Die Ereignisse
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 61
wurden sowohl gemeinsam als auch getrennt ausgewertet. Um einen Dosiseffekt
berücksichtigen zu können, definierten die Autoren Äquivalenzdosen. Für
Zoledronsäure betrug eine Äquivalenzdosis 4 mg (entspricht einer DDD) und für
Pamidronsäure 90 mg (eine DDD entspräche 60 mg, 90 mg ist aber die in
Empfehlungen genannte Dosierung). Es wurde die Kaplan-Meier-Methode
verwendet, um die Zeit bis zum Auftreten des Outcomes zu untersuchen. Um
den Einfluss verschiedener Variablen zu testen und für weitere Risikofaktoren zu
adjustieren, wurde eine Cox-Regression durchgeführt.
Ingesamt wurden 16.073 mit Bisphosphonaten therapierte Patienten in die
Kohorte eingeschlossen, zu 14.349 davon konnten 28.698 Nicht-Anwender
gematcht werden. An multiplem Myelom, Lungen-, Brust- oder Prostatakrebs
waren 82,3% der Patienten erkrankt. Bei Kohorteneintritt hatten etwa 50% der
Teilnehmer ein Alter von mindestens 75 Jahren. Knochenmetastasen lagen bei
über der Hälfte der Betroffenen vor. Das Risiko für Osteomyelitis des Kiefers war
unter Bisphosphonaten im Vergleich zur Nichtanwendung ebenso deutlich erhöht
(Hazard Ratio [HR] 11,48; 95% Konfidenzintervall [95% KI] 6,49-20,33) wie das
Risiko für Operationen am Kiefer bzw. Gesichtsknochen (HR: 3,15; 95% KI:
1,86-5,32). Gemeinsam betrachtet, traten beide Ereignisse etwa 5-mal häufiger
unter Bisphosphonaten auf (HR: 4,94; 95% KI: 3,33-7,34). Die kumulative
Ereignisrate für beide Outcomes ist in Tabelle 8 gezeigt, nach 6 Jahren wurde
bei 5,48% der Anwender von Bisphosphonaten im Vergleich zu 0,30% der Nicht-
Anwender die Diagnose einer Osteomyelitis des Kiefers gestellt oder
Operationen am Kiefer bzw. Gesichtsknochen durchgeführt.
Kumulative Ereignisrate bei Jahre Anwendern Nicht-Anwendern Absolute Risikoerhöhung
3 2,00% [95% KI: 1,48-2,51] 0,28% [95% KI: 0,17-0,38] 1,72% 4 2,89% [95% KI: 2,11-3,66] 0,30% [95% KI: 0,19-0,42] 2,59% 6 5,48% [95% KI: 3,63-7,33] 0,30% [95% KI: 0,19-0,42] 5,18%
Tabelle 8: Kumulative Ereignisrate für Operationen am Kiefer bzw. Gesichtsknochen bei Wilkinson et al. (2007)
Es zeigte sich eine auffällige Dosis-Wirkungs-Beziehung. Mit steigender Dosis
und damit zunehmender Therapiedauer wurden mehr Ereignisse beobachtet.
Osteomyelitis des Kiefers oder Operationen am Kiefer bzw. Gesichtsknochen
traten beispielsweise bei Anwendern, die 9-13 Äquivalenzdosen (HR: 2,96; 95%
KI: 1,33-6,58) bzw. mehr als 21 Äquivalenzdosen erhielten (HR: 3,67; 95% KI:
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 62
1,58-8,51), häufiger auf als bei Personen mit höchstens 3 Äquivalenzdosen (HR:
1,00). Diese Trends zeigten sich auch, wenn statt der gemeinsamen Auswertung
die Zielereignisse einzeln betrachtet wurden. Interaktionen zwischen den
untersuchten Ereignissen sowie Alter, Krebsart oder Geschlecht wurden nicht
gefunden, somit war das Auftreten von Osteomyelitis des Kiefers oder
Operationen am Kiefer bzw. Gesichtsknochen unabhängig von anderen
Variablen.
Insgesamt liefert die Kohortenstudie von Wilkinson et al. (2007) auf Basis eines
amerikanischen Krebsregisters deutliche Hinweise darauf, dass das Risiko einer
Kiefernekrose unter intravenösen Bisphosphonaten bei Krebspatienten höher
liegt als bisher angenommen. Die Arbeit legt erstmalig systematische
Informationen zu einer hochaktuellen Fragestellung vor. Die Studie demonstriert
zudem die Vorzüge pharmakoepidemiologischer Analysen auf Basis von
Routinedaten, nämlich in einer kurzen Zeit bei vertretbarem Aufwand eine große
Zahl an Patienten untersuchen zu können (Woo & Solomon, 2007). Allerdings
hat das von den Autoren gewählte Vorgehen zahlreiche Limitationen, die sowohl
zu einer Unter- wie auch Überschätzung des Ergebnisses führen können. So
wurden Surrogate für Kiefernekrosen untersucht, da die Daten keine explizite
Diagnose für Kiefernekrosen enthielten. Da bei der Kohorte nicht systematisch
nach Kiefernekrosen gesucht wurde, Diagnosen von Zahnärzten nicht vorlagen
(lediglich von Oralchirurgen) und Personen möglicherweise verstarben, bevor ein
Ereignis entdeckt wurde, kann eine Unterschätzung des Risikos nicht
ausgeschlossen werden. Eine Unter- oder Überschätzung könnte zudem daraus
resultieren, dass lediglich Personen über 65 Jahren untersucht wurden. Klinisch
wichtig ist, dass ausschließlich nach dem Vorhandensein von Knochen-
metastasen gematcht wurde, das jeweilige Tumorstadium wurde nicht
berücksichtigt. Es ist dementsprechend möglich, dass Personen unter
Bisphosphonattherapie schwerer erkrankt waren. Welcher Anteil Personen
verstarb, wird von den Autoren ebenfalls nicht angegeben.
Wilkinson et al. (2007) fanden eine auffällige Dosis-Wirkungs-Beziehung, was
mit weiteren Arbeiten übereinstimmt. In einer Studie an 252 Krebspatienten unter
intravenösen Bisphosphonaten mit 17 Fällen von Kiefernekrosen (ONJ) fanden
auch Bamias et al. (2005), dass Personen mit ONJ im Vergleich zu
Nichtbetroffenen höhere mediane Dosen (15 vs. 35 Infusionen) erhalten hatten
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 63
sowie insgesamt länger exponiert waren (19 vs. 39 Monate). Zudem scheint
auch Zoledronsäure im Vergleich zu anderen intravenösen Bisphosphonaten mit
einem höheren Risiko bzw. früherem Auftreten von ONJ assoziiert zu sein
(Migliorati et al., 2006; van den Wyngaert et al., 2007). Durie et al. (2005) kamen
auf Basis eines Internetsurveys von 1.203 Krebspatienten (n=904 mit multiplem
Myelom und n=299 mit Brustkrebs) zu dem Ergebnis, dass nach 36 Monaten
10% der Patienten unter Zoledronsäure und 4% der Patienten unter
Pamidronsäure eine Kiefernekrose entwickelt hatten. Allerdings kann es sich um
eine Überschätzung der tatsächlichen Inzidenz handeln, da die von
Kiefernekrose Betroffenen möglicherweise eine größere Bereitschaft hatten, an
einer solchen Untersuchung teilzunehmen. Die mittlere Dauer bis zur
Entwicklung einer ONJ war in der Studie von Durie et al. (2005) unter
Zoledronsäure im Vergleich zu Pamidronsäure deutlich kürzer (1,5 Jahre vs. 6
Jahre). In einem Konsensuspapier der Mayo Kliniken wird deshalb dem Einsatz
von Pamidronsäure statt Zoledronsäure der Vorzug gegeben (Lacy et al., 2006).
Weiterhin wird empfohlen, die Therapiedauer, besonders bei Patienten mit
multiplem Myelom, kritisch zu überdenken (Lacy et al., 2006; van den Wyngaert
et al., 2007). Es herrscht allerdings Übereinkunft darüber, Krebspatienten diese
Mittel trotzdem nicht vorzuenthalten. Über die optimale Therapiedauer liegt
bisher kein Wissen aus klinischen Studien vor, fast alle klinischen Studien
dauerten höchstens zwei Jahre. Das Konsensuspapier der Mayo Kliniken für
Patienten mit multiplem Myelom rät deshalb zunächst zu einer Behandlung über
2 Jahre (Lacy et al., 2006). Berücksichtigt man diese Unterschiede zwischen
Zoledronsäure und Pamidronsäure, dürfte die Studie von Wilkinson et al. (2007)
möglicherweise zu einer Unterschätzung der Inzidenz geführt haben, da
Zoledronsäure in Amerika erst seit 2001 zugelassen ist und die Studienperiode
zum 31. Dezember 2003 endete. Somit dürften in dieser Studie insgesamt relativ
wenige Ereignisse unter Zoledronsäure aufgetreten sein. Eine stratifizierte
Analyse war auch deshalb nicht möglich, weil Zoledronsäure aus den
vorhandenen Daten erst ab Ende 2002 identifizierbar war. Im Jahr 2003 erhielten
jedoch bereits 80,5% der neuen Nutzer Zoledronsäure, 15,5% Pamidronsäure
und 4,0% beide Wirkstoffe (Wilkinson et al., 2007). Die in Deutschland ebenfalls
zugelassenen intravenösen Bisphosphonaten Clodronsäure sowie Ibandron-
säure wurden nicht untersucht.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 64
Der Großteil der von Kiefernekrose Betroffenen (95%) sind Krebspatienten (Woo
et al., 2006). Vereinzelt wurden auch Fallberichte unter der Gabe von oralen
Bisphosphonaten beschrieben, allerdings geht man hier von einem deutlich
geringeren Risiko als bei intravenöser Gabe aus (Khosla et al., 2007; Woo et al.,
2006; Yarom et al., 2007). Bisher ist ungeklärt, ob von intravenösen
Bisphosphonaten per se ein höheres Risiko für Kiefernekrosen ausgeht als von
oralen oder ob die Personen, die diese Präparate intravenös erhalten, aufgrund
ihres schlechteren Allgemeinzustandes, der Immunsuppression und der
schwereren Grunderkrankung anfälliger sind. Weiterhin wird von einem Einfluss
vorheriger zahnmedizinischer Interventionen ausgegangen (Diel el al., 2007). In
einem Review über 368 Fälle von ONJ gingen bei 60% Zahnextraktionen oder
Wurzelsanierungen voraus (Woo et al., 2006). In der Studie von Durie et al.
(2005) gingen bei 81% bzw. 69% der Betroffenen mit multiplem Myelom bzw.
Brustkrebs Zahnbehandlungen voraus, im Vergleich zu 33% der Patienten ohne
Kiefernekrose. Diese Daten zeigen, dass ONJ sowohl nach zahnmedizinischen
Eingriffen als auch spontan auftreten kann. Allerdings sollte berücksichtigt
werden, dass die Notwendigkeit zahnmedizinischer Behandlungen durchaus
auch auf eine frühe Phase der Erkrankung (ONJ) hindeuten kann, in der die
Diagnose Kiefernekrose noch nicht gestellt wurde. Letzten Endes werden nur
prospektive Studien, in denen Kiefernekrosen nach vorab definierten Zielkriterien
diagnostiziert werden und bei denen alle Probanden regelmäßig untersucht
werden, diese Zweifel und Einwände bezüglich der bisher vorliegenden Studien
beseitigen können.
Hiesige Daten stammen aus dem Deutschen Zentralregister Kiefernekrosen an
der Charité – Campus Benjamin Franklin in Berlin. Dieses Register existiert seit
Dezember 2004, allerdings sind die Daten bisher noch nicht umfassend
publiziert, sondern wurden lediglich als Poster oder Vorträge vorgestellt (z.B.
Jung et al., 2007). Mitte 2007 waren 614 Fälle von ONJ unter Bisphosphonat-
therapie registriert. Wegen maligner Erkrankungen (teilweise in Kombination mit
Osteoporose) wurden insgesamt 95% der Betroffenen behandelt. Als Primär-
tumore wurden Brustkrebs (44%), multiples Myelom (33%) und Prostatakrebs
(15%) am häufigsten genannt. Bei Patienten, die lediglich ein Bisphosphonat
einnahmen, traten Kiefernekrosen unter Zoledronsäure im Mittel nach kürzerer
Behandlungsdauer auf (23 Monate, SD: 12; n=147) als unter Pamidronsäure (51
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 65
Monate, SD: 35; n=19). In etwa zwei Drittel der Fälle ging dem Ereignis eine
zahnmedizinische Behandlung voraus (Jung et al., 2007). Im Wesentlichen sind
diese deutschen Daten also mit den internationalen Berichten in der Literatur
vergleichbar.
Insgesamt verdichtet sich über die letzten Jahre somit die Evidenz, dass
intravenöse Bisphosphonate Kiefernekrosen auszulösen scheinen, wobei
besonders Zoledronsäure mit einem erhöhten Risiko bzw. einem früheren
Auftreten einher geht. Generell wird in allen aktuellen Artikeln deutlich, dass
wenig Wissen zu diesen Ereignissen existiert. Wenn neue unerwünschte
Ereignisse mit Medikamenten in Verbindung gebracht werden, sind
Informationen über Gebrauchsmuster der Substanzen in unselektierten Kohorten
von erheblicher Wichtigkeit. Um solche Muster selten angewendeter Substanzen
unter Alltagsbedingungen mit geringem Zeitaufwand zu untersuchen, eignen sich
Routinedaten besonders. Über den Gebrauch intravenöser Bisphosphonate
allgemein und speziell für Deutschland ist bisher wenig bekannt. Nur wenn
Daten zur Häufigkeit der Bishophosphonattherapie, zur Verteilung der
eingesetzten Wirkstoffe innerhalb der Substanzklasse sowie zur Dauer der
Anwendung vorliegen, kann die Public-Health-Relevanz unerwünschter
Wirkungen, wie Kiefernekrosen, eingeschätzt werden. Die im Folgenden
beschriebene eigene Studie hatte zum Ziel, diese Lücke zu schließen. Es
wurden zwei Analysen durchgeführt. Erstens sollte die Prävalenz der
Behandlung mit intravenösen Bisphosphonaten im Jahr 2006 ermittelt werden.
Zweitens wurde eine Kohorte neuer Nutzer dieser Präparate untersucht, um
Angaben zur Behandlungsdauer und zu kumulativen Dosen zu erhalten.
3.2.2 Methodik Datengrundlage und Design
Es wurden Daten der Gmünder ErsatzKasse (GEK) aus den Jahren 2000-2006
analysiert. Im Jahr 2006 versicherte die GEK 1,6 Mio. Personen, dies entspricht
1,9% der deutschen Bevölkerung. Im Vergleich zur gesamten GKV ist in der
GEK ein größerer Anteil Männer (GKV vs. GEK: 46,9% vs. 53,6%) und jüngerer
Personen (Durchschnittsalter GKV vs. GEK: 43 vs. 37 Jahre) versichert (Glaeske
& Janhsen, 2007). Es wurden Arzneimittelroutinedaten sowie soziodemo-
grafische Daten (Alter, Geschlecht, Versichertenzeiten, Tod) genutzt.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 66
Zunächst wurden alle auf dem deutschen Markt befindlichen intravenösen
Bisphophonate nach ihrem anatomisch-therapeutisch-chemischen (ATC) Code
sowie der Darreichungsform selektiert. Um die Verordnungsmenge zu
quantifizieren, wurde das internationale Konzept der defined daily doses (DDD)
verwendet. Hiernach entsprechen 1,5 g Clodronsäure, 60 mg Pamidronsäure, 4
mg Ibandronsäure und 4 mg Zoledronsäure einer DDD. Bei dieser speziellen
Wirkstoffgruppe entspricht das DDD-Konzept nicht einer täglichen Dosis,
sondern eher, wie für Tumorpatienten empfohlen, der monatlichen Dosis. Die
DDD ist hier als Modell für Äquivalenzdosen anzusehen, um die
Verordnungsvolumina der Wirkstoffe miteinander vergleichen zu können. Diese
Mengen entsprechen z.B. für Pamidronsäure und Ibandronsäure nicht unbedingt
den häufig eingesetzten Dosierungen. Seit 2007 hat die WHO die DDD für
Ibandronsäure von 4 mg auf 6 mg geändert, die war für diese Untersuchung
aber noch nicht relevant.
Aus den Daten wurde eine Kohorte neuer Nutzer intravenöser Bisphosphonate
selektiert, bei denen die Behandlung zwischen dem 1. Januar 2001 und dem 31.
Dezember 2005 begann. Da Tod als Austrittsgrund bei Mitversicherten
möglicherweise schlechter codiert wird (Voges, 2006), d.h. diese Personen sind
zwar verstorben, aber in Routinedaten findet sich ein anderer Austrittsgrund,
wurden alle Personen ausgeschlossen, die die GEK aus anderen Gründen als
Tod verließen. Dieses Vorgehen wurde gewählt, um informatives Zensieren zu
vermeiden. Somit wurden nur Personen eingeschlossen, die nach dem
Therapiebeginn entweder bis zum Studienende versichert waren oder laut den in
Routinedaten verfügbaren Informationen in der Studienperiode verstarben. Die
Studienperiode endete zum 31. Dezember 2006, so dass für jede Person eine
Mindestbeobachtungsdauer (falls sie nicht verstarb) von 12 Monaten
gewährleistet war. Der Tag der ersten Verordnung einer jeden Person wurde als
Indextag gewählt. Um als neuer Nutzer kategorisiert zu werden, mussten 12
durchgängig versicherte Monate verstrichen sein, ohne dass im ambulanten
Sektor mit intravenösen Bisphosphonaten behandelt wurde. Das Outcome der
Studie war die Beendigung der Therapie mit jeglichen intravenösen
Bisphosphonaten, was ein zusammengesetzter Endpunkt aus Nichtweiter-
verordnung oder Tod war. Der Wechsel eines intervenösen Bisphosphonates auf
einen anderen Wirkstoff dieser Substanzgruppe wurde nicht als Outcome
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 67
gezählt. Nichtweiterverordnung wurde definiert als mindestens 180 Tage ohne
eine Verschreibung. Bei Krebspatienten werden zunächst monatliche Infusionen
empfohlen und die Abstände können nach 2 Jahren auf 3 Monate ausgedehnt
werden (Lacy et al., 2006). Deshalb wurde für diese Studie eine Lücke von 6
Monaten, also der doppelten Länge eines solchen Intervalls, gewählt. Das
Follow-up endete stets mit der letzten Verordnung (letzter Verordnungstag).
Diese Definition der Exposition wurde auch in der Studie von Bamias et al.
(2005) verwendet. Das Outcome Beendigung der Therapie trat also zum letzten
Verordnungstag ein, unabhängig davon, ob der Patient verstarb oder 180 Tage
keine weitere Verordnung erhielt. Da die Studienperiode zum 31. Dezember
2006 endete und zur Erhebung des Outcomes Nichtweiterverordnung nach der
letzten Verordnung eine Mindestnachbeobachtung von 180 Tagen notwendig ist,
wurden Patienten zensiert, wenn ihr letzter Verordnungstag in dem 180-tägigen
Intervall zwischen dem 4. Juli 2006 und dem 31. Dezember 2006 lag und sie in
dieser Periode nicht verstarben.
Suche nach weiteren Verordnungen
In Deutschland wird jedes Fertigarzneimittel mit einem eindeutigen Code, der
sog. Pharmazentralnummer (PZN) gekennzeichnet. Die elektronische Erfassung
der eingelösten Rezepte geschieht mehrheitlich über Apothekenrechenzentren,
sie erfassen unter anderem die PZN, wobei der Freitext der Verschreibung für
die weitere Abrechnung unberücksichtigt bleibt.12 Intravenöse Bisphosphonate
können sowohl als Fertigarzneimittel über die entsprechende PZN abgerechnet
werden oder von der Apotheke als zubereitete Infusionslösung abgegeben
werden. Solche individuell hergestellten Rezepturen werden von den Apotheken
als Sammelcode (sog. Sonderkennzeichen bzw. Sonder-PZN) abgerechnet.
Unter diese Sammelkennzeichen kann eine Vielzahl von Medikamenten fallen,
so dass während des Abrechnungsprozesses die Information über das
individuelle Präparat verloren geht und sich in Routinedaten ausschließlich die
Sonder-PZN befindet. Da den Krankenkassen die eingescannten Originalrezepte
zur Verfügung stehen, war es für diese Studie möglich, weitere Rezepte mit
Sonder-PZN anhand einer für intravenöse Bisphosphonate relevanten Preis-
12 Auf den Weg des Rezeptes vom Ausfüllen bis zur elektronischen Erfassung wird im Abschnitt 4.1 ausführlich eingegangen.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 68
spanne einzuschließen. Nachdem diese Verordnungen in Routinedaten
identifiziert waren, wurden sie von einer pharmazeutisch-technischen Assistentin
der GEK in deren Räumen nach zusätzlichen intravenösen Bisphosphonaten
durchsucht. Sie Sichtung erfolgte anhand einer Referenzliste mit allen
betreffenden Wirkstoffen und Präparatenamen. Dieses Vorgehen wurde auf alle
relevanten Rezepte im Jahr 2006 angewendet (n=12.649) sowie auf alle
relevanten Verordnungen von Patienten, die in Routinedaten über die Jahre
2000 bis 2005 mindestens ein intravenöses Bisphosphonat erhielten (n=7.975).13
Die Rezeptsichtungen wurden im Abstand von mindestens einer Woche zweimal
durchgeführt. Auch den zusätzlich gewonnenen Bisphosphonatverordnungen
wurden anschließend per Hand der ATC-Code und die enthaltenden DDD
zugeordnet.
Statistische Analyse
Zunächst wurden die Anzahl Verordnungen mit zugehörigen DDD nach Wirkstoff
aufgeschlüsselt für das Jahr 2006 berechnet. Die Behandlungsprävalenz,
definiert als mindestens eine Verordnung von intravenösen Bisphosphonaten in
2006, wurde stratifiziert nach 10-Jahres-Altersklassen und Geschlecht
angegeben. Als Nenner dafür diente die GEK-Population zum 1. Juli 2006. Zur
Schätzung von 95% Konfidenzintervallen (95% KI) wurde die Methode von
Wilson (Score Methode) genutzt. Dieses Verfahren wurde verwendet, weil es in
Simulationsstudien für die hier zu erwartenden kleinen Anteile bei verschiedenen
Randbedingungen gezeigt hat, dass es mediane Überdeckungswahr-
scheinlichkeiten (median coverage probabilities) liefert, die sich am nächsten am
nominalen Niveau von 95% befinden (Tobi et al., 2005). Um die Anzahl
Bisphosphonatnutzer in Deutschland zu schätzen, wurde die Behandlungs-
prävalenz direkt nach Alter und Geschlecht für die deutsche Bevölkerung zum
Dezember 2004 standardisiert (Statistisches Bundesamt, 2006). Die Kaplan-
Meier-Methode wurde verwendet, um die Zeit bis zur Beendigung der Einnahme
bei neuen Nutzern zu untersuchen. Kaplan-Meier-Kurven wurden nach
Geschlecht stratifiziert dargestellt. Alle Auswertungen wurden mit dem Software-
13 Der Einfluss zusätzlicher Rezeptsichtungen auf die Ergebnisse dieser Studie und Einzelheiten zur gewählten Methodik werden in Abschnitt 4.3 erneut aufgegriffen.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 69
paket SAS für Windows in der Version 9.1 durchgeführt (SAS Institute Inc., Cary,
NC).
3.2.3 Ergebnisse Behandlung
Im Jahr 2006 erhielt eine Gesamtzahl von 1.024 Patienten 7.384 DDD
intravenöse Bisphosphonate. Wie aus Tabelle 9 ersichtlich ist, wurden am
häufigsten Zoledronsäure (53,7%), gefolgt von Ibandronsäure (25,8%) und
Pamidronsäure (20,2%) verordnet. Die alters- und geschlechtsspezifischen
Behandlungsprävalenzen sind in Abbildung 7 dargestellt. Die Prävalenz nimmt
unabhängig vom Geschlecht mit steigendem Alter zu. Männer erhielten im
Vergleich zu Frauen in den Altersgruppen der 40-49-Jährigen (0,019% vs.
0,043%) sowie der 50-59-Jährigen (0,063% vs. 0,135%) seltener intravenöse
Bisphosphonate. Keine Unterschiede zeigten sich dagegen in den höheren
Altersgruppen. Nachdem die Werte nach Alter und Geschlecht standardisiert
waren, würden 0,08% der Männer und 0,12% der Frauen mit mindestens einem
intravenösen Bisphosphonat im Jahr 2006 im ambulanten vertragsärztlichen
Sektor behandelt. Insgesamt würden in Deutschland 83.112 Patienten erwartet,
dies entspricht 0,1% der deutschen Bevölkerung.
Abbildung 7: Behandlungsprävalenz mit intravenösen Bisphosphonaten stratifiziert nach Alter und Geschlecht in der GEK im Jahr 2006 (Balken sind 95% KI)
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 70
Wirkstoff DDD (in %) Zoledronsäure 3.967,9 (53,7%) Ibandronsäure 1.902,3 (25,8%) Pamidronsäure 1.490,3 (20,2%) Clodronsäure 24,0 (0,3%) Gesamt 7.384,4 (100,0%)
Tabelle 9: Verschreibung intravenöser Bisphosphonate in der GEK im Jahr 2006
Zeit bis zur Beendigung der Therapie
Es wurden 1.323 neue Nutzer intravenöser Bisphosphonate im Zeitraum
zwischen 1. Januar 2001 und 31. Dezember 2005 identifiziert. Von diesen
verließen 64 die GEK, wobei als Austrittsgrund ein anderer als Tod angegeben
war. Somit enthielt die Studienkohorte nach Ausschluss dieser Personen 1.259
Patienten. Die Anzahl neuer Nutzer, die in die Kohorte eintraten, nahm über die
Jahre kontinuierlich von 175 (13,9%) in 2001 auf 323 (25,7%) in 2005 zu (s.
auch Tabelle 11). Das Durchschnittsalter bei Studieneintritt war 62,3 Jahre (SD:
12,5), und 42,2% der Kohorte waren Frauen. Mit einem Durchschnittsalter von
60,3 Jahren waren Frauen zum Beginn der Therapie etwas jünger als Männer
(63,7 Jahre).
Bei 1.094 Patienten endete die Therapie im Studienzeitraum: 57,0% davon
erhielten keine weiteren Bisphosphonate verordnet und 43,0% verstarben. Wie
die nach Geschlecht stratifizierten Kaplan-Meier-Kurven in Abbildung 8 für
diesen kombinierten Endpunkt zeigen, ist ein deutlicher Unterschied zwischen
den beiden Kurven zu erkennen. Männer standen für kürzere Zeit unter
intravenöser Bisphosphonattherapie als Frauen (p<0,0001 nach Log-Rank-Test).
Obwohl sich dieser Geschlechtsunterschied hinsichtlich der Behandlungsdauer
zeigt, unterscheiden sich die kumulativen Dosen für Patienten, die sich
mindestens eine bestimmte Dauer unter Therapie befinden, nicht zwischen
beiden Geschlechtern (Tabelle 10).
Ein Anteil von 31,3% der Männer und 28,3% der Frauen wurde lediglich mit einer
Dosis behandelt, was bedeutet, dass deren Indextag auch dem Tag der letzten
Verordnung entspricht. Die mediane Behandlungsdauer war 3,5 Monate bei
Männern und 5,7 Monate bei Frauen. Allerdings wird der gewählte kombinierte
Endpunkt besonders bei Männern stark durch das Outcome Tod beeinflusst.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 71
Abbildung 8: Kaplan-Meier-Kurve für die Dauer der Therapie (Outcome: Nichtweiterverordnung und Tod; n=1.259)
Abbildung 9: Kaplan-Meier-Überlebenszeitkurve (Outcome: Tod; n=1.259)
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 72
Abbildung 10: Kaplan-Meier-Kurve für die Dauer der Weiterverordnung bei Nichtverstorbenen (Outcome: Nichtweiterverordnung; n=567)
Männer (n=728) Frauen (n=531) Kumulative Dosis (in DDD) Kumulative Dosis (in DDD) Zeit nach
Beginn der Therapie
Anteil unter Behandlung
Median Interquartil Range (Q25-Q75)
Anteil unter Behandlung
Median Interquartil Range (Q25-Q75)
6 Monate 40% (n=289) 7,0 5,0-8,0 48% (n=255) 7,0 5,0-9,0 12 Monate 24% (n=173) 13,0 11,0-16,0 34% (n=173) 14,0 10,0-17,0 18 Monate 16% (n=98) 19,4 16,0-22,0 26% (n=116) 20,0 15,0-24,5 24 Monate 12% (n=61) 25,0 21,0-28,0 21% (n=71) 26,0 21,0-31,5 30 Monate 9% (n=36) 31,0 26,0-35,5 18% (n=45) 33,5 26,5-38,0 36 Monate 7% (n=21) 39,0 34,3-47,0 15% (n=28) 39,5 32,5-46,0
Tabelle 10: Charakteristika und kumulative Dosen bei neuen Nutzern intravenöser Bisphosphonate, stratifiziert nach Geschlecht
Wie aus Abbildung 9 ersichtlich ist, haben Männer nach Therapiebeginn ein
höheres Risiko zu versterben. Nach 6 Monaten waren kumulativ 11,1% der
Frauen, aber bereits 25,1% der eingeschlossenen Männer verstorben. 12
Monate nach Therapiebeginn lag der Anteil noch Überlebender bei Männern bei
60,4% und bei Frauen bei 77,8%, nach 24 Monaten waren die Anteile 41,8% und
65,6%. Betrachtet man ausschließlich Patienten, die in der Studienperiode nicht
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 73
verstarben (n=567), unterschied sich die Behandlungsdauer nicht mehr zwischen
Männern und Frauen (p=0,23 nach Log-Rank-Test). Die mediane
Behandlungsdauer bei Überlebenden war 7,8 Monate (95% KI: 4,9-10,8) bei
Männern und 8,1 Monate (95% KI: 6,0-11,6) bei Frauen. Die zu diesen Analysen
gehörigen Kaplan-Meier-Kurven sind in Abbildung 10 dargestellt.
Gebrauchsmuster über die Jahre und Therapiewechsel
Tabelle 11 schlüsselt die unterschiedlichen Bisphosphonate nach dem Jahr des
Therapiebeginns auf. Neben einem stetigen Anstieg der eingeschlossenen
Personen, die eine Therapie mit intravenösen Bisphosphonaten beginnen, sind
Veränderungen innerhalb der verschriebenen Wirkstoffe zu erkennen. So steigt
die Bedeutung von Zoledronsäure bei Behandlungsbeginn nach deren
Markteinführung von 6,3% in 2001 auf 61,0% in 2005 an, während
Pamidronsäure im Laufe der Zeit zunehmend an Bedeutung verliert (68,0% in
2001 auf 21,4% in 2005).
Anteil Jahr Zoledronsäure Ibandronsäure Pamidronsäure Clodronsäure
2001 (n=175) 6,3% 18,3% 68,0% 7,4% 2002 (n=206) 37,9% 13,1% 44,2% 4,9% 2003 (n=246) 58,1% 12,2% 26,8% 2,9% 2004 (n=309) 64,7% 16,8% 17,2% 1,3% 2005 (n=323) 61,0% 16,4% 21,4% 1,2%
Gesamt (n=1.259) 50,0% 15,4% 31,6% 3,0%
Tabelle 11: Mit welchen Bisphosphonaten wird eine Therapie bei neuen Nutzern in den Jahren der Studienperiode begonnen?
Zudem wurde untersucht, inwieweit Wechsel zwischen den Wirkstoffen nach
Therapiebeginn zu verzeichnen sind. Als Wechsel wurde eine Veränderung im
Vergleich zum letzten Wirkstoff angesehen, d.h. Personen, die beispielsweise
nach Zoledronsäure Ibandronsäure erhielten und später erneut eine oder
mehrere Male Zoledronsäure verordnet bekamen, hatten 2 Wechsel. Dazu
wurde eine Subkohorte von 346 Patienten beobachtet, die mindestens über ein
Jahr behandelt wurden (Tabelle 12). Insgesamt drei Viertel (76,3%) blieben über
die gesamte Therapie bei dem Wirkstoff, mit dem sie die Behandlung begonnen
hatten. Der geringste Teil an Wechslern fand sich in der Gruppe, die mit
Zoledronsäure behandelt wurde (15,8%). Von den 82 Personen, für die
mindestens ein Wechsel erfolgte, hatten 60 (73,2%) lediglich zwei verschiedene
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 74
Wirkstoffe. Zwei Personen hatten insgesamt bis zu 5 Therapiewechsel innerhalb
der intravenösen Bisphosphonate.
Erstverordnung Ohne Wechsel Mindestens ein Wechsel Zoledronsäure (n=184) 155 (84,2%) 29 (15,8%) Ibandronsäure (n=55) 41 (74,5%) 14 (25,5%) Pamidronsäure (n=101) 68 (67,3) 33 (32,7%) Clodronsäure (n=6) 0 (0,0%) 6 (100,0%) Gesamt (n=346) 264 (76,3%) 82 (23,7%)
Tabelle 12: Wirkstoffwechsel innerhalb der Subkohorte von Personen, die mind. ein Jahr intravenöse Bisphosphonate erhalten (n=346)
3.2.4 Diskussion Unter Nutzung einer größeren, bundesweiten Population war dies die erste
Studie, die für Deutschland aktuelle Versorgungsdaten zum Gebrauch von
intravenösen Bisphosphonaten im ambulanten Sektor unter zusätzlicher
Berücksichtigung von Rezeptsichtungen bereitstellte. Solche Informationen sind
erforderlich, um die Public-Health-Relevanz der unter Bisphosphonattherapie
über die letzten Jahre zunehmend beobachteten Kiefernekrosen beurteilen zu
können. Wie aus der Analyse ersichtlich ist, nahm die Zahl neuer Nutzer
intravenöser Bisphosphonate über die Beobachtungsjahre 2001 bis 2005 stetig
zu. Nach einer Alters- und Geschlechtsstandardisierung ist zu erwarten, dass
etwa 0,1% der Bevölkerung im Jahr 2006 mindestens einmal mit einem solchen
Präparat im ambulanten vertragsärztlichen Sektor behandelt wurde. Selbst wenn
man davon ausgeht, dass ONJ eine seltene Nebenwirkung einer
Bisphosponattherapie ist (Wilkinson et al., 2007; Diel et al., 2007), verbleibt somit
eine nennenswerte Population unter Risiko. Ein interessantes Ergebnis der
Studie ist, dass bei den Patienten, die die Therapie über längere Zeiträume
erhalten, die medianen Dosen den Therapiemonaten nahezu entsprechen. Dies
deutet auch über längere Phasen auf eine monatliche Behandlung und darauf
hin, dass sich die Kohorte hauptsächlich aus Krebspatienten zusammensetzte.
Die Studie kam weiterhin zu dem Ergebnis, dass Zoledronsäure der am
häufigsten verschriebene Wirkstoff im Jahr 2006 und bei Neuanwendern über
die Studienperiode war. Dieser Befund ist bedeutsam, weil verschiedene Studien
gezeigt haben, dass Zoledronsäure mit einem höheren Risiko bzw. früherem
Auftreten von ONJ assoziiert ist (Badros et al., 2006; Bamias et al., 2005; Diel et
al., 2007; Durie et al., 2005; Jung et al., 2007).
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 75
Viele Studien untermauern außerdem den Einfluss der Behandlungsdauer auf
die Entstehung einer Kiefernekrose und konnten diese als wichtigen Risikofaktor
identifizieren. In ihrer Studie an Krebspatienten fanden Wilkinson et al. (2007)
einen starken Trend hin zu größeren Schätzern bei höheren kumulativen Dosen.
Im Vergleich zu Personen mit höchstens 3 Äquivalenzdosen hatten Patienten mit
mehr als 21 Äquivalenzdosen ein 3,7-fach erhöhtes Risiko für Osteomyelitis des
Kiefers oder Operationen am Kiefer bzw. Gesichtsknochen. Auch Bamias et al.
(2005) kamen zu dem Ergebnis, dass Personen mit ONJ im Vergleich zu
Nichtbetroffenen höhere mediane Dosen (15 vs. 35 Infusionen) erhalten hatten
sowie länger exponiert waren (19 vs. 39 Monate). Unsere Studie zeigt, dass die
Behandlungsdauer mit einem Median von 3,5 Monaten bei Männern und 5,7
Monaten bei Frauen sehr kurz ist. Mehr als 65% der eingeschlossenen Patienten
beendeten die Einnahme nach einem Jahr oder waren bereits verstorben.
Berücksichtigt man also, dass ONJ zumeist im zweiten bis dritten
Behandlungsjahr mit intravenösen Bisphosphonaten auftritt (Jung et al., 2007),
obwohl auch Fälle nach 4-6 Monaten beobachtet wurden, legen unsere
Ergebnisse nahe, dass nur ein geringer Anteil der Nutzer so lange therapiert
wird. Lediglich 12% der Männer und 21% der Frauen wurden länger als 2 Jahre
mit intravenösen Bisphosphonaten behandelt. Allerdings muss der hohe Anteil
Patienten berücksichtigt werden, die binnen der ersten Monate nach
Therapiebeginn verstarben (Abbildung 9). Im klinischen Kontext muss deshalb
die Frage gestellt werden, ob Patienten mit einer Lebenserwartung von wenigen
Wochen bis Monaten noch von einem solchen Therapiebeginn profitieren
können. Es ist bisher nicht untersucht, ob bereits die einmalige Gabe
intravenöser Bisphosphonate zu einer Erhöhung des Risikos einer später
auftretenden ONJ führt. Es stellt sich die Frage, ob beispielsweise die
Ergebnisse von Bamias et al. (2005) durch den Fakt beeinflusst wurden, dass
Patienten mit ONJ höhere Dosen erhielten, weil diese ein längeres Follow-Up
hatten. Personen, die frühzeitig versterben, haben ein kürzeres Follow-Up,
stehen damit eine geringere Zeit unter Risiko und werden deshalb weniger
Bisphosphonate erhalten. Dass dies die Epidemiologie von Kiefernekrosen
allerdings keinesfalls vollständig erklärt, zeigen Wilkinson et al. (2007) in der
Analyse der Ereignisse in den ersten 12 Monaten seit Behandlungsbeginn bei
Personen mit mindestens 12-monatigem Follow-Up. Auch hier konnte eine
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 76
Dosis-Wirkungs-Beziehung gefunden werden, jede Erhöhung um eine
Äquivalenzdosis (90 mg Pamidronsäure bzw. 4 mg Zoledronsäure) ging mit einer
8% Risikoerhöhung für die untersuchten Ereignisse einher (HR: 1,08; 95%
KI:1,02-1,14). In diese Analyse gingen 6.343 der insgesamt 16.073 inzidenten
Nutzer ein (Wilkinson et al., 2007). In unserem Kollektiv neuer Nutzer lag für 853
von 1.259 Patienten eine Beobachtungsdauer von mindestens 12 Monaten vor.
Dies deutet in beiden Studien auf eine schlechte Prognose der Patienten hin.
Überraschenderweise wird in keiner der vorhandenen Studien (z.B. Bamias et
al., 2005; Durie et al., 2005; Wilkinson et al., 2007) angegeben, wie groß die
Überlebenszeit nach Therapiebeginn mit intravenösen Bisphosphonaten war
bzw. wie viele Patienten verstarben.
Eine große Stärke dieser Studie war, dass zusätzliche Rezeptsichtungen
möglich waren. Dadurch konnten etwa 1.800 weitere Verordnungen identifiziert
werden. Diese zusätzlichen Rezeptsichtungen werden in Abschnitt 4.3 nochmals
aufgegriffen. Es kann trotzdem nicht ausgeschlossen werden, dass relevante
Verordnungen übersehen wurden. Chemotherapien, zu denen als Komedikation
Bisphosphonate injeziert werden, können sowohl bei niedergelassenen
Vertragsärzten wie auch im Krankenhaus verabreicht werden. Chemotherapien
werden von Krankenhäusern sowohl für stationäre wie auch für ambulante
Patienten durchgeführt, allerdings kann die Abrechnung ambulanter Chemo-
therapien auch im Rahmen teilstationärer Aufenthalte stattfinden. Informationen
zu Arzneimitteln während dieser Behandlung stehen in den genutzten
Routinedaten nicht zur Verfügung. Solche Personen würden also übersehen
werden. Es wäre beispielsweise möglich, dass Patienten eine Therapie im
Krankenhaus beginnen und bei niedergelassenen Vertragsärzten fortsetzen.
Dies würde zu einer Unterschätzung der Behandlungsdauer führen.
Die Untersuchung von Adherence bzw. der Behandlungsdauer ist bei der
Nutzung von Routinedaten eine Herausforderung. Die verwendeten Methoden
differieren zwischen den Publikationen und sind zudem abhängig von den
untersuchten Medikamenten (Andrade et al., 2006). Wir entschlossen uns bei
der Analyse zur Behandlungsdauer für einen zusammengesetzten Endpunkt aus
Nichtweiterverordnung über 180 Tage und Tod. Da intravenöse Bisphosphonate
hauptsächlich für Patienten mit inkurablen Tumorerkrankungen eingesetzt
werden, sollte der Tod in den Analysen berücksichtigt werden. Eine Zensierung
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 77
von Patienten zum Zeitpunkt des Todes würde zu einer Überschätzung der
tatsächlichen Behandlungsdauer führen. Dies wäre in diesem Falle informatives
Zensieren, da Patienten aus Gründen zensiert würden, die das Zielereignis
unmittelbar betreffen, weil sie danach keine Chance der Exposition mehr haben.
Abbildung 11: Kaplan-Meier-Kurven für die Dauer der Therapie bei Männern, Veränderung der Tage für Nichtweiterverordnung (Outcome: Nichtweiterverordnung und Tod)
Abbildung 12: Kaplan-Meier-Kurven für die Dauer der Therapie bei Frauen, Veränderung der Tage für Nichtweiterverordnung (Outcome: Nichtweiterverordnung und Tod)
Die Definition der Nichtweiterverordnung als 180 Tage ohne ein intravenöses
Bisphosphonat, ist letztendlich willkürlich gewählt. In Sensitivitätsanalysen wurde
deshalb der maximale Abstand zwischen zwei Verordnungen zwischen 90 und
270 Tagen variiert (Abbildung 11 und Abbildung 12). Es zeigt sich, dass die
Dauer das Ergebnis beeinflusst. Je größer allerdings die maximal möglichen
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 78
Abstände zwischen zwei Verordnungen werden, desto weniger verändern sich
die Ergebnisse. Diese Befunde sind für beide Geschlechter vergleichbar.
Da Frauen eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit als Männer hatten,
unterschied sich dieser eine (Tod) der beiden kombinierten Endpunkte zwischen
den Gruppen. Dies wurde berücksichtigt, indem nach Geschlecht und Endpunkt
stratifizierte Analysen durchgeführt wurden. Trotzdem ist dieses Ergebnis
auffällig und sollte in weiteren Studien untersucht werden, in denen beispiels-
weise die Diagnosen oder Tumorstadien zusätzlich berücksichtigt werden.
Obwohl diese Studie nahe legt, dass intravenöse Bisphosphonate hauptsächlich
für kürzere Behandlungsdauern eingesetzt werden, wird dieses Ergebnis stark
durch die geringe Lebenserwartung nach Therapiebeginn beeinflusst. Es könnte
sein, dass diese Patienten nicht von Kiefernekrosen betroffen sind. Allerdings
stellt sich auf der anderen Seite die Frage, ob diese Gruppe überhaupt von einer
solchen Therapie profitiert. Insgesamt stehen wir gerade am Anfang, die
Epidemiologie von Kiefernekrosen unter intravenösen Bisphosphonaten zu
verstehen.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 79
4 Methodische Überlegungen Der in Abschnitt 2.4 beschriebene Review zeigte, dass 69 von 70 einge-
schlossenen Artikeln Arzneimittelroutinedaten von gesetzlichen Krankenkassen
nutzten. Private Krankenversicherungen haben als Grundlage für Forschungs-
zwecke in der Praxis kaum eine Bedeutung. Auch die exemplarisch präsentierten
eigenen Studien (Abschnitt 3) sowie die aus Deutschland dargestellten Beispiele
(Abschnitt 2.3) verwendeten Daten der GKV. Der mit Arzneimittelroutinedaten
arbeitende Forscher nutzt „fertige“ Daten, deren Erhebung abgeschlossen ist
und ohne seine Einflussnahme erfolgte. Trotzdem ist das Wissen um deren
Entstehungsprozess eine Voraussetzung zum Verständnis der Daten sowie für
spätere Analysen. Im folgenden Kapitel wird deshalb zunächst der Weg eines zu
Lasten der GKV ausgestellten Rezeptes vom Verordner zur auswertbaren
Variable beschrieben und es wird gezeigt, an welchen Stellen der Prozesskette
Daten für Forschungszwecke genutzt werden können. Allgemein zugängliche
Details bzw. relevante Publikationen zum Weg der Daten sind spärlich, so dass
Informationen größtenteils aufgrund von persönlichen Erfahrungen bzw.
Kontakten mit verschiedenen Institutionen gewonnen wurden. Für die Arbeit mit
Arzneimittelroutinedaten ist es weiterhin wichtig, die Validität der erfassten Daten
einschätzen zu können. Anschließend werden deshalb drei Validierungsstudien
zur Erfassungsqualität von Rezeptinformationen in Routinedaten - einem bisher
für Deutschland wenig untersuchten Feld - vorgestellt. Diese bauen aufeinander
auf und spiegeln damit auch den eigenen Erkenntnisprozess wider. Weiterhin
werden in diesem Kapitel zwei methodische Fragestellungen aufgegriffen, die
sich aus Abschnitt 3 ergeben. Beide beziehen sich auf die Untererfassung des
Arzneimittelgebrauchs aus Routinedaten zum Einen bedingt durch Rezepturen
(intravenöse Bisphosphonate) und zum anderen bedingt durch die Verordnung
auf Privatrezepten (Zolpidem und Zopiclon).
Eigene Vorarbeiten zum Thema
• Hoffmann F, Pfannkuche M, Glaeske G (2007): Wie häufig sind Verordnungs-
und Abgabedatum von Arzneimitteln in Routinedaten korrekt erfasst?
Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz, 50(11):
1418-23.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 80
• Hoffmann F, Pfannkuche MS, Glaeske G (2008): Validität forschungs-
relevanter Informationen in Arzneimittelroutinedaten über die Jahre 2000 bis
2006. Dtsch Med Wochenschr, 133(18): 945-9.
• Hoffmann F, Glaeske G, Scharffetter W (2006): Zunehmender
Hypnotikagebrauch auf Privatrezepten in Deutschland. Sucht, 52(6): 360-366.
• Hoffmann F, Scharffetter W, Glaeske G (zur Publikation eingereicht):
Verbrauch von Zolpidem und Zopiclon auf Privatrezepten zwischen 1993-
2006.
4.1 Der Weg vom Verordner zur Variable Wird für einen der 70,3 Mio. gesetzlich Versicherten (Stand: 2006) in
Deutschland (Schwabe & Paffrath, 2008) ein Rezept zu Lasten der GKV
ausgestellt, nimmt es bzw. die aus dem Rezept übermittelten Daten den in
Abbildung 13 dargestellten Weg.
Das Rezept wird zunächst durch einen der etwa 129.000 Vertragsärzte oder
angestellten Ärzte und Praxisassistenten14 bzw. einen der rund 56.000
niedergelassenen Zahnärzte15 ausgestellt. Betäubungsmittel (BtM) müssen auf
einem gesonderten, dreiteiligen amtlichen Formblatt (Betäubungsmittelrezept)
verschrieben werden, für alle anderen verordnungsfähigen Arzneimittel wird das
so genannten "Muster 16" verwendet (s. Abbildung 14). Ärzte dürfen in der
Regelversorgung für die von der GKV zu erstattenden Präparate ausschließlich
auf Muster-16-Rezeptvordrucken verordnen, auf denen sich am rechten unteren
Rand (sog. Codierzeile) ihre Vertragsarztnummer befindet. Diese Rezept-
vordrucke werden von Seiten der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) oder von
sonst autorisierten Stellen zur Verfügung gestellt (Erläuterung zur Vereinbarung
über Vordrucke für die Vertragsärztliche Versorgung, 2007). Eine Benutzung ist
auch durch angestellte Ärzte, Weiterbildungsassistenten sowie Praxisvertreter
möglich (Kassenärztliche Vereinigung Thüringen, 2007). Zahnärzte erhalten die
Muster-16-Rezeptvordrucke von den jeweiligen Kassenzahnärztlichen
Vereinigungen (KZV), die Ziffer in der Codierzeile entspricht hier aber nicht der 14 http://daris.kbv.de/daris/link.asp?ID=1003753731 (letzter Zugriff: 14.03.2008) 15 http://www3.kzbv.de/brosch.nsf/de13092400f85906c1257299004e0633/$FILE/ Daten&Fakten2006.pdf (letzter Zugriff: 07.03.2008)
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 81
Vertragszahnarztnummer. Betäubungsmittelrezepte werden von der Bundes-
opiumstelle beim Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf
Anforderung ausgegeben. Die Rezepte sind nummeriert und enthalten das
Ausgabedatum vom BfArM sowie die BtM-Nummer des einzelnen Arztes oder
Zahnarztes (BtMVV, 2007). Im Gegensatz zu Muster-16-Rezepten befindet sich
auf den Vordrucken der Betäubungsmittelrezepte keine Vertragsarztnummer in
der Codierzeile. Die Vertragsarztnummer ist eine siebenstellige Ziffer, die jeden
in der vertragsärztlichen Versorgung tätigen Mediziner, eine Praxis oder
Versorgungszentrum eindeutig kennzeichnet.16 Lediglich einige Kassenärztliche
Vereinigungen fügen noch zwei weitere Zusatzziffern an diese Nummer an (z.B.
KV Hamburg), die allerdings keinen Identifikationscharakter haben, sondern
internen Zwecken dienen. Die ersten zwei Stellen der Arztnummer verschlüsseln
die KV, die folgenden beiden die Facharztgruppe und die Stellen 5 bis 7 sind
eine laufende Nummer. Bei einigen Facharztgruppen sind sehr heterogene
Kollektive unter einem gemeinsamen Schlüssel zusammengefasst. Exemplarisch
seien hier Nervenärzte (z.B. Psychiater, Neurologen, Kinder- und
Jugendpsychiater; Schlüssel: 38-40) aber auch Internisten (z.B. Diabetologen,
Gastroenterologen, Kardiologen; Schlüssel: 19-22) genannt, die trotz
gemeinsamer Facharztgruppenzugehörigkeit unterschiedliche Leistungsspektren
abdecken. Wie die Zuteilung des jeweiligen Fachgebiets innerhalb der Schlüssel
erfolgt (z.B. Schlüssel 40 immer für Kinder- und Jugendpsychiater), ist nicht
bundeseinheitlich geregelt und kann sich in Abhängigkeit von den KVen
unterscheiden, die für die Vergabe der Vertragsarztnummern zuständig sind.
Weiterhin sind die Schlüsselnummern 75-79 zur freien Verfügung der KVen
bestimmt, womit verschiedene Ärzte darunter subsumiert sein können (KBV,
2006). Vertragszahnärzte erhalten ihre Vertragszahnarztnummer von der
jeweiligen KZV. Zahnarztnummern sind je nach KZV-Region 3- bis 6-stellige
16 Mit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz ist geplant, eine Betriebsstättennummer (BSNR) und eine für jeden Vertragsarzt eindeutige und lebenslange Arztnummer (LANR) einzuführen. Diese LANR soll eine 9-stellige Nummer sein, die an 7. Stelle eine Prüfziffer enthält. Die BSNR ist eine ebenfalls 9-stellige Nummer und ermöglicht eine Zuordnung ärztlicher Leistungen zum Ort der Erbringung (http://www.kvno.de/mitglieder/kvnoaktu/07_10/vaendg.html, letzter Zugriff: 10.03.2008). Der Zeitpunkt dieser Änderung wurde jedoch bereits mehrfach verschoben und würde zudem eine Neugestaltung der Rezeptvordrucke bedeuten. Die Veränderung der Rezeptvordrucke soll zum 1. Juli 2008 in Kraft treten. Auch für zukünftige Analysen werden „ältere“ Arzneimittelroutinedaten ohne diese Veränderung ihre Bedeutung behalten. Die hier gemachten Aussagen gelten deshalb für die „alten“ Arztnummern.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 82
Ziffernfolgen ohne „sprechende“ Anteile, d.h. in sich enthaltene Schlüssel. Sie
lassen sich nur innerhalb einer KZV-Region eindeutig einem Zahnarzt zuordnen.
Die später in Routinedaten erfasste Zahnarztnummer ist zwar aufgrund der
Länge von Vertragsarztnummern zu unterscheiden, allerdings ist sie dann nicht
mehr eindeutig, da sich in diesen Daten keine Variable zur KZV-Zugehörigkeit
des Zahnarztes befindet. Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen dürfen sowohl ärztliche
(über die KV) als auch zahnärztliche Leistungen (über die KZV) abrechnen, sie
können deshalb sowohl eine Vertragszahnarzt- wie auch eine
Vertragsarztnummer besitzen. Zahnärzte müssen ihre Verordnungen seit Juli
2000 zusätzlich durch den Eintrag „1“ im Feld Begründungspflicht (siehe „Begr.-
Pflicht“ in der rechten oberen Ecke neben der Apothekennummer auf Abbildung
14) kennzeichnen (TA 3, 2007). Während jeder Arzt in einer Praxisgemeinschaft
seine eigenständige Vertragsarztnummer besitzt, rechnen Ärzte in Gemein-
schaftspraxen (Partner in Berufsausübungsgemeinschaften) unter einer
gemeinsamen Arztnummer ab. Auch Medizinische Versorgungszentren (MVZ)
haben eine gemeinsame Arztnummer, unabhängig davon welche und wie viele
Fachärzte darin praktizieren (Kassenärztliche Vereinigung Thüringen, 2007).
Bilden unterschiedliche Facharztgruppen (z.B. Kinderarzt und Allgemein-
mediziner) eine Gemeinschaftspraxis oder sind in einem Medizinischen
Versorgungszentrum tätig, gehen durch die Verwendung einer gemeinsamen
Arztnummer bei späteren Auswertungen auf Basis von Routinedaten
zwangsläufig Informationen verloren. Insgesamt befindet sich die Vertragsarzt-
nummer neben der (nicht auf Betäubungsmittelrezepten befindlichen)
Codierzeile noch zweimal auf dem Rezept, nämlich im Verordnungskopf (s. Feld
Vertragsarzt-Nr. in Abbildung 14) sowie im Arztstempel. Die Benutzung eines
Vertragsarztstempels ist dann nicht notwendig, wenn dessen Inhalt an die
vorgesehene Stelle im Rezept bei der Rezeptausfüllung per EDV bereits
eingedruckt wird. Die Arztnummer muss linksbündig gedruckt werden, dabei ist
die Verwendung von Sonderzeichen (wie „-“, „/“ oder „blank“ [Leerzeichen]) nicht
erlaubt (Erläuterung zur Vereinbarung über Vordrucke für die Vertragsärztliche
Versorgung, 2007).
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 83
Abbildung 13: Der Weg eines Rezeptes vom Ausstellen bis zur Auswertung
Abbildung 14: Das Rezeptblatt („Muster 16“), Quelle: Jürgen Draxler
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 84
Der Arzt sollte auf das Rezept weiterhin unter anderem den Namen, Adresse,
Geburtsdatum sowie die Versichertennummer des Versicherten, Krankenkasse,
Ausstelldatum und natürlich die zu verordnenden Positionen im Verordnungsfeld
drucken bzw. handschriftlich auftragen (durch „Rp.“ gekennzeichnet, s.
Abbildung 14). Jedes Rezept ist eine Urkunde und ohne Unterschrift des Arztes
ungültig (Kassenärztliche Vereinigung Thüringen, 2007). Es dürfen bis zu drei
verschiedene Arzneimittel (Positionen) auf einem Rezept verordnet werden. Bei
der Verordnung von Rezepturen ist für jede Rezeptur ein Verordnungsblatt zu
verwenden17 (Erläuterung zur Vereinbarung über Vordrucke für die
Vertragsärztliche Versorgung, 2007). Ein Kreuz im Aut-idem-Kästchen untersagt
dem Apotheker die Substitution durch eines der drei günstigsten bzw.
rabattierten Arzneimittel. Das Formular nach Muster 16 dient zur Verordnung von
Arzneimitteln und Hilfsmitteln (mit Ausnahme von Hör- und Sehhilfen). Für die
Verordnung von Hörhilfen (Muster 15) sowie von Sehhilfen (Muster 8 und Muster
8A) liegen gesonderte Vordrucke vor. Eine gleichzeitige Verordnung von Arznei-
und Hilfsmitteln auf einem Rezept ist laut den Erläuterungen zur Vereinbarung
über Vordrucke für die Vertragsärztliche Versorgung (2007) nicht gestattet17. Es
ist aber möglich, mehrere Packungen eines Arznei- oder Hilfsmittels auf einem
Rezept zu verordnen. Bei Betäubungsmitteln existieren Höchstmengen, die je
nach Substanz variieren, von denen aber bei Dauerbehandlung abgewichen
werden darf. Eine solche Verschreibung ist mit dem Buchstaben „A“ zu
kennzeichnen. In Notfällen darf von der Verwendung der Betäubungsmittel-
rezepte abgewichen werden, die Verordnung ist dann vom Arzt mit dem Wort
„Notfall-Verschreibung“ zu kennzeichnen und darf anschließend von der
Apotheke beliefert werden. Der Arzt ist allerdings verpflichtet, die Verschreibung
auf einem Betäubungsmittelrezept, die dann mit dem Buchstaben „N“ zu
versehen ist, in der Apotheke nachzureichen (BtMVV, 2007). Es ist grundsätzlich
möglich, neben Betäubungsmitteln zusätzlich andere Arzneimittel auf
Betäubungsmittelrezepten zu verordnen. Auch Zahnärzte dürfen Betäubungs-
mittel verordnen, allerdings sind die Höchstmengen niedriger und die Wirkstoff-
auswahl im Vergleich zu Ärzten eingeschränkt. Von den dreiteiligen Betäubungs-
17 Obwohl es nicht gestattet ist, mehrere Rezepturen pro Rezept oder Hilfs- und Arzneimittel auf einem gemeinsamen Rezept zu verschreiben, finden sich solche Verordnungen in der Praxis (s. auch Abschnitt 4.3).
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 85
mittelrezepten verbleibt Teil III beim Arzt bzw. Zahnarzt und muss ab der
Ausstellung über 3 Jahre aufbewahrt werden (BtMVV, 2007). Diese Rezeptteile
können von behördlicher Seite eingesehen werden, was beispielsweise vom
Gesundheitsamt Köln für eine Untersuchung zum Methylphenidatgebrauch getan
wurde (Bessou et al., 2007). Somit können auch Daten an dieser Stelle des
Rezeptweges für Versorgungsanalysen genutzt werden.
Löst der Versicherte eine vertragsärztliche Verordnung in einer der 21.551
öffentlichen Apotheken ein (Stand: 2006)18, verbleibt das Rezept nach
Belieferung in der Apotheke. Bei Zytostatikazubereitungen darf das Rezept direkt
vom Arzt zur Apotheke und die Rezeptur direkt von der Apotheke zum Arzt
geschickt werden, ohne durch „die Hände“ des Patienten zu gehen
(Apothekengesetz, 2007). Der folgende Weg des Rezeptes ist für alle in
Deutschland ansässigen Apotheken gleich und gemäß § 300 des fünften
Sozialgesetzbuches (SGB V) und den Vereinbarungen zur Übermittlung der
Daten zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und dem Deutschen
Apothekerverband geregelt (Vereinbarung über die Übermittlung von Daten,
1994). Die Belieferung eines Muster-16-Rezeptes zu Lasten der GKV kann ab
dem Tag der Ausstellung längstens einen Monat erfolgen (Rahmenvertrag über
die Arzneimittelversorgung, 2007), wobei das Rezept anschließend noch weitere
2 Monate als Privatrezept seine Gültigkeit behält (AMVV, 2007). Betäubungs-
mittel haben - außer bei Lieferverzögerungen - nur eine Gültigkeit von 7 Tagen
(BtMVV, 2007). Nur ordnungsgemäß ausgefüllte Rezepe dürfen vom Apotheker
zu Lasten der GKV beliefert werden (Arzneilieferungsvertrag, 2005). Formfehler,
d.h. wenn einzelne Angaben zum Versicherten fehlen oder unvollständig sind,
können vom Apotheker ergänzt werden (AMVV, 2007; Arzneilieferungsvertrag,
2005). Nach dem Einlösen des Rezeptes werden von der Apotheke unter
anderem Abgabedatum, Bruttopreis, Pharmazentralnummer (PZN) und Instituts-
kennzeichen (IK) aufgedruckt. Das Institutskennzeichen ist eine systematisch
aufgebaute neunstellige Ziffer und klassifiziert einen Leistungserbringer oder
Kostenträger, wobei die 9. Stelle als Prüfziffer dient. Öffentliche Apotheken
drucken auf das Rezept lediglich sieben Ziffern, das Klassifikationskennzeichen
für Apotheken (die ersten beiden Stellen 30) wird während der Datenüber-
18 http://www.abda.de/module/zdf2/images/thumb/1178694968.jpg (letzter Zugriff: 07.03.2008)
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 86
mittlung zugefügt (TA 1, 2007). Über die siebenstellige PZN kann jedes in
Deutschland auf dem Markt befindliche Arzneimittel unter Berücksichtigung von
Bezeichnung, Anbieter, Packungsgröße, Darreichungsform und Wirkstoffstärke
eindeutig identifiziert werden. Die siebte Ziffer der PZN ist eine Prüfziffer, die sich
über die Berechnung aus den ersten sechs Stellen ergibt. Von der Apotheke wird
bzw. werden die PZN der entsprechend abgegebenen Präparate nebst Menge
und Preis sowie das Gesamt-Brutto an die rechts oben im Rezept vorgesehene
Stelle gedruckt (s. Abbildung 14). Die Abgabe von bestimmten in der Apotheke
hergestellten Rezepturen oder Positionen ohne PZN wird über sog. Sonderkenn-
zeichen bzw. Sonder-PZN verschlüsselt. Beispiele dafür sind „Methadon-
Zubereitungen“ (Sonder-PZN: 9999005), „Zytostatika-Zubereitungen“ (Sonder-
PZN: 9999092) oder „Individuell hergestellte parenterale Lösungen mit
Schmerzmitteln“ (Sonder-PZN: 9999146) (TA 1, 2007). Welche Anforderungen
bezüglich Schriftgrößte, Schriftarten und Druckkontrast von den Apotheken
eingehalten werden müssen, regelt die technische Anlage 2 (TA 2, 1995). Von
den dreiteiligen Betäubungsmittelrezepten verbleibt Teil I in der Apotheke und
muss vom Zeitpunkt der Abgabe über 3 Jahre aufbewahrt werden (BtMVV,
2007). Teil II ist zur späteren Verrechnung bestimmt und nimmt anschließend
den gleichen Weg wie ein Muster-16-Rezept.
Die Apotheken sind verpflichtet, den Krankenkassen Verordnungsblätter in
digitalisierter Form zuzustellen, wofür Rechenzentren in Anspruch genommen
werden können (Vereinbarung über die Übermittlung von Daten, 1994). Die zu
Lasten der GKV von den Apotheken belieferten Rezepte werden deshalb
gesammelt und zumeist an regional tätige Apothekenrechenzentren weiter-
gegeben. Häufig findet die Abholung aus den Apotheken in der Monatsmitte,
dem Monatsende und für die restlichen Rezepte eines Monats am Anfang des
Folgemonats statt. Die Abholtage werden in Abhängigkeit von Wochenenden
und Feiertagen im Voraus für ein Quartal festgelegt. Der nächste Schritt der
Prozesskette ist das maschinelle Einlesen der bedruckten Verordnungsblätter
durch die Apothekenrechenzentren und damit das Überführen in eine
elektronische Form. In Deutschland existieren etwa 30 solche Abrechnungs-
stellen, wobei sich ein großer Teil der Rezepte auf wenige Rechenzentren
konzentriert (Tabelle 13). Die Apothekenrechenzentren vergeben eine 18-stellige
Belegnummer, ein Kennzeichen, das auf die Rückseite des Rezeptes gedruckt
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 87
wird. Über die Belegnummer ist das Original-Rezept eindeutig mit dem einge-
scannten Verordnungsblatt (Image) und dem hieraus erstellten Datensatz
verknüpft (TA 1, 2007). Beim Einlesevorgang bleibt der Verordnungstext des
Arztes unberücksichtigt, es wird ausschließlich die PZN erfasst, über die mittels
Referenzlisten später weitere Informationen zugespielt werden können. Somit
gehen bei der Verwendung von Sonderkennzeichen zwangsläufig Informationen
über das individuell verordnete Präparat verloren. Rechenzentren prüfen die
Gültigkeit der PZN und gleichen bei Fertigarzneimitteln über 100 Euro den Preis
mit der PZN ab (Versorgungsvertrag, 2007). Welche Variablen von den
Apothekenrechenzentren im Einzelnen als Pflichtfelder (unter anderem
Verordnungsdatum, Abgabedatum) an die Krankenkassen zu liefern sind, regelt
die technische Anlage 3 (TA 3, 2007). Als den Versicherten identifizierende
Felder sind Versichertennummer und Geburtsdatum zu erfassen. Sämtliche
Beschriftungen bzw. Hintergrundfarben auf dem Muster-16-Rezeptvordruck
(außer der Arztnummer in der Codierzeile) sind in Rottönen gehalten, die beim
Einscannvorgang nicht mit erfasst werden. Das eingescannte Rezept enthält
somit ausschließlich die Einträge, die auf das Verordnungsblatt geschrieben
oder gedruckt wurden. Aus diesem Grund dürfen die Einträge von Arzt oder
Apotheker auf der Rezeptvorderseite auch nicht mit roter Farbe erfolgen.
Abrechnungsstelle Anteil Kumulativer Anteil VSA Verrechnungsstelle der Süddeutschen Apotheken GmbH 30,0% 30,0% ARZ Service GmbH, Haan 13,5% 43,5% Norddeutsches-Apotheken-Rechenzentrum NARZ 13,0% 56,5% Apotheken-Rechen-Zentrum GmbH Darmstadt 12,2% 68,7% AVP Apotheken Abrechnungstreuhand von Platen 8,9% 77,6% Apotheken-Verrechnungsstelle Dr. Carl Carstens GmbH & Co. KG 7,3% 84,9% Apotheken u. Ärzte Abrechnungszentrum Dr. Güldener KG 4,7% 89,6% Rezeptabrechnungsstelle Berliner Apotheker GmbH 2,4% 92,0% König Gesellschaft für Image und Dokumentationsverarbeitung mbH 2,3% 94,3% Apotheken-Abrechnungen Organisation L. Neumann GmbH 1,3% 95,6% Sonstige (n=17) 4,4% 100,0%
Tabelle 13: Verteilung der 7,2 Mio. zu Lasten der GEK im Jahr 2006 abgerechneten Rezepte nach Apothekenrechenzentren
Bereits an dieser Stelle des Datenwegs liegen relevante Informationen in
elektronischer Form vor und werden von einigen Stellen für Forschungszwecke
genutzt (s. Abbildung 13). Zu nennen ist beispielsweise der seit 2006 im Auftrag
des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller (VFA) herausgegebene
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 88
Arzneimittel-Atlas (Häussler et al., 2007a), aber auch die Datenbank der
Deutschen Arzneimittelprüfstelle e.V. (DAPI) stammt aus diesem Glied der
Prozesskette (Schüssel & Schulz, 2006). Zu diesem Zeitpunkt liegen allerdings
nur ungeprüfte Rohdaten vor, die noch nicht von den Krankenkassen oder den
Krankenkassenrechenzentren geprüft wurden. Somit ist bei diesen Daten nicht
sichergestellt, dass alle den Krankenkassen in Rechnung gestellten Kosten auch
tatsächlich gezahlt werden (Schröder et al., 2007).
Die eigentliche Abwicklung des Finanztransfers zwischen Krankenkassen und
Apotheken wird durch die Apothekenrechenzentren gewährleistet. Über die
Arzneimittellieferverträge ist geregelt, dass alle Rezepte eines Monats in einer
Rechnung mit den Krankenkassen abzurechnen sind (Versorgungsvertrag,
2007). Apothekenrechenzentren sind Dienstleister für die Apotheken und werden
von diesen für die elektronische Datenerfassung und Abrechnung bezahlt.
Krankenkassen bzw. die von ihnen benannten Stellen erhalten von den
Apothekenrechenzentren zur Abrechnung neben den elektronisch erfassten
Informationen auch die Rezepte als Original sowie deren eingescannte Kopie
(Image). Die Daten bzw. die Verordnungsblätter können dann von
verschiedenen Krankenkassenrechenzentren geprüft werden. Beanstandungen
(sog. Retaxierungen) können vorgenommen werden, wenn Vertragsinhalte bzw.
gesetzliche Rahmenbedingungen nicht eingehalten wurden. Retaxierungen
werden finanziell ebenfalls mit den Apothekenrechenzentren abgewickelt, die
Beträge werden von diesen mit den betroffenen Apotheken verrechnet. Diese
Prüfungen können sowohl von den Krankenkassen selbst bzw. von Kranken-
kassenrechenzentren durchgeführt werden. Während der Weg der Rezept-
informationen bzw. die Datenerfassung bis zu dieser Stelle der Prozesskette für
alle zu Lasten der GKV abgerechneten Rezepte gleich ist, können Prüfstrategien
kassenindividuell variieren. Daraus können in Abhängigkeit von der jeweiligen
Krankenkasse unterschiedliche Änderungen in den Routinedaten resultieren. Die
Modifizierungen betreffen größtenteils den Preis der Präparate und dabei u.a.
den Bereich der Nicht-Fertigarzneimittel. Aber auch Änderungen von Datumsan-
gaben bzw. der Versichertennummer sind möglich (siehe dazu auch die
Abschnitte 4.2.1.2 und 4.2.2.2). An dieser Stelle der Prozesskette befinden sich
in den Routinedaten die von der Krankenkasse tatsächlich getragenen Kosten,
es handelt sich dann um geprüfte Daten. Dieser Vorgang nimmt allerdings einige
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 89
Zeit, in der Regel sind es wenige Monate, in Anspruch, so dass geprüfte Daten
nicht sofort nach der Lieferung der Apothekenrechenzentren vorliegen.
4.2 Validität von Arzneimittelroutinedaten Für den mit Arzneimittelroutinedaten arbeitenden Forscher ist es wichtig, die
Güte der vorliegenden Informationen je nach Fragestellung einschätzen zu
können. Bei speziellen Untersuchungen kann die Validität einzelner Variablen
von besonderer Wichtigkeit sein. Arztindividuelle Verordnungsanalysen (z.B.
Fessler et al., 2006; Fux et al., 2006) sowie die Bestimmung der Anzahl
verschiedener aufgesuchter Ärzte oder Facharztgruppen (z.B. Schmidt-Troschke
et al., 2004; Schubert et al., 2007) sind von der Erfassungsqualität der Vertrags-
arztnummer abhängig. Eine möglichst valide Information zum Abgabedatum ist
bei Studien zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen (z.B. Höer et al., 2007b)
und dabei besonders bei Case-crossover Studien (z.B. Hoffmann & Glaeske,
2006) wichtig. Geht es um Fragen der Validität von Arzneimittelroutinedaten,
dann muss die Erfassungsqualität der Apothekenrechenzentren thematisiert
werden. Diese Institutionen sind es, die die Informationen von dem in Papierform
vorliegenden Rezept in elektronische Daten übertragen. Grundsätzlich, so das
Ergebnis ausführlicher Recherchen, ist über den Einleseprozess und dessen
Qualität bisher wenig bekannt. Im folgenden Abschnitt werden mehrere eigene
durchgeführte Validierungsstudien zu verschiedenen vom Rezept übertragenen
Variablen beschrieben. Die dargestellte Reihenfolge entspricht weitgehend auch
dem eigenen Erkenntnisprozess zu dieser Thematik, d.h. Fragen, die sich in
einer Studie ergeben haben, wurden in der Folgeuntersuchung aufgegriffen.
4.2.1 Wie häufig sind Abgabe- und Verordnungsdatum im Jahr 2005 korrekt erfasst?
Verschiedentlich wird auf mögliche Unstimmigkeiten des Verordnungs- bzw.
Abgabedatums in Routinedaten hingewiesen (John & Krauth, 2005). Abbildung
15 zeigt die Verteilung von Verordnungs- sowie Abgabedatum bei allen im Jahr
2005 zu Lasten der GEK in Apotheken eingelösten Rezepten. Werden alle
Rezepte nach dem Tag der Verordnung über die 12 Monate zusammengefasst,
zeigen sich auffällige Peaks am 5., 15. sowie am 25. Beim Abgabedatum ist ein
zusätzlicher Anstieg am 1. Tag des Monats zu erkennen. Beim Verordnungs-
datum handelt es sich um Schwankungen, die zwischen 154.784 (am 26.) und
349.030 (am 5.) Rezepten liegen. Beim Abgabedatum sind Schwankungen
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 90
zwischen 143.448 (am 31.) und 346.841 (am 5.) zu beobachten. Diese
Unterschiede von etwa 200.000 Rezepten befinden sich in einer
Größenordnung, die durch Zufall nicht mehr zu erklären ist. Somit liegt die
Annahme nahe, dass es sich um von den Rechenzentren erzeugte Artefakte
handeln könnte.
Ziel der folgenden Untersuchung war es deshalb zu überprüfen, wie häufig das
in Routinedaten verfügbare Verordnungs- bzw. Abgabedatum tatsächlich mit den
auf dem Rezept befindlichen Informationen übereinstimmt. Weiterhin sollte nach
Faktoren gesucht werden, die mit einer Nichtübereinstimmung assoziiert waren.
Abbildung 15: Verteilung des Verordnungsdatums (A) sowie des Abgabedatums (B) aller 6,99 Mio. Rezepte in Routinedaten der GEK im Jahr 2005
4.2.1.1 Methodik
Datengrundlage und Studienablauf
Für diese Untersuchung wurden Arzneimittelroutinedaten der Gmünder
ErsatzKasse (GEK) aus dem Jahr 2005 genutzt. Im Beobachtungsjahr wurden
zu Lasten der GEK insgesamt 6,99 Mio. Rezepte in Apotheken eingelöst. Aus
diesen wurde eine einfache Zufallsstichprobe von 1.000 Rezepten gezogen.
Anschließend wurden die eingescannten Images der identifizierten Rezepte, die
Klarschriftnamen enthalten, wegen des notwendigen Datenschutzes von einer
Mitarbeiterin der GEK in deren Räumen gesichtet. Diese war gegenüber dem
Verordnungs- und Abgabedatum in den Routinedaten verblindet. Ihre Angaben
dienten als Goldstandard. Eine Verknüpfung zwischen den Angaben in
Routinedaten und dem eingescannten Rezept (Image) ist durch die eindeutige
Belegnummer möglich.
Ausgewertet wurden neben dem tatsächlich auf dem Rezept befindlichen Datum
von Verordnung und Abgabe auch die Art des Eintrags (gedruckt, gestempelt
oder handgeschrieben), die Lesbarkeit (sehr gut bzw. gut lesbar, mäßig bzw.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 91
schwer lesbar) sowie die Passung im auf dem Rezept jeweils vorgesehenen
Feld. Außerdem wurde dokumentiert, ob und in welchem Umfang durch das
Krankenkassenrechenzentrum der GEK Änderungen im Verordnungs- bzw.
Abgabedatum in den Routinedaten vorgenommen wurden. Nach Plausibilitäts-
prüfungen durch die Autoren wurden alle Rezepte, bei denen zwischen Datum
auf dem Rezept und in den Routinedaten ein größerer Abstand als 30 Tage lag,
erneut gesichtet.
Statistische Analyse
Zunächst wurde die formale Übereinstimmung zwischen den Datenquellen in
Prozent berechnet. Die Schätzung der dazugehörigen 95% Konfidenzintervalle
(95% KI) wurde auf Basis der Methode von Wilson durchgeführt (Altman et al.,
2000; Tobi et al., 2005). Um Assoziationen zwischen der Korrektheit von
Verordnungs- bzw. Abgabedatum und weiteren Variablen zu ermitteln, wurden
Vierfeldertafeln aufgestellt. Die Prüfung der statistischen Signifikanz auf einem
Niveau von 5% geschah mittels Chi-Quadrat-Tests ohne Kontinuitätskorrektur,
sich nicht überschneidende 95% KI wurden ebenfalls als statistisch signifikant
angesehen. Zur Auswertung wurde das Softwarepaket SAS für Windows in der
Version 8.2 verwendet (SAS Institute Inc., Cary, NC), Konfidenzintervalle für
Anteile wurden mit dem Programm Confidence Interval Analysis (CIA) in der
Version 2.0.0 geschätzt (Altman et al., 2000).
4.2.1.2 Ergebnisse
Verordnungsdatum
Aus der Stichprobe von 1.000 konnten 5 Images nicht aufgefunden werden, so
dass insgesamt 995 Rezepte ausgewertet werden konnten. Auf einem Rezept
(0,1%) fehlte das Verordnungsdatum, alle weiteren Verordnungstage waren
formal erkennbar. In 90,4% (95% KI: 88,5-92,1) der Fälle stimmte das
Verordnungsdatum auf dem Rezept mit den Angaben in Routinedaten exakt
überein. Betrachtet man die Rezepte, bei denen das Verordnungsdatum nicht
korrekt erfasst wurde (n=95), liegt die mediane Abweichung (Verordnungsdatum
auf dem Rezept – Verordnungsdatum in Routinedaten) zwischen beiden
Angaben bei -1 Tag und der Interquartil-Range (Q25-Q75) bei -12 bis 4 Tagen.
Das 90% Referenzintervall (Q5-Q95) der Verteilung befindet sich zwischen -29
und 11 Tagen. Betrachtet man den absoluten Betrag dieser medianen
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 92
Abweichung (n=95), liegt der Interquartil-Range (Q25-Q75) bei 3 bis 13 Tagen und
das 90% Referenzintervall (Q5-Q95) bei 1 bis 30 Tagen. Der maximale
Unterschied war 366 Tage. Bei diesem handgeschriebenen Verordnungsdatum
wurde das Jahr verwechselt (2004 statt 2005), der Wert war in den geprüften
Routinedaten jedoch bereits auf 2005 korrigiert worden. Insgesamt zeigt sich,
dass sich bei einem Toleranzbereich von +/- 5 Tagen bzw. +/- 20 Tagen in
95,0% bzw. 98,5% der Fälle das korrekte Verordnungsdatum in diesem Intervall
befindet (Tabelle 14).
Anteil Übereinstimmungen zwischen Routinedaten und Rezept Toleranzbereich Verordnungsdatum Abgabedatum 0 Tage 90,4% (95% KI: 88,5-92,1) 76,6% (95% KI: 73,8-79,1) Max. +/- 3 Tage 93,5% (95% KI: 91,8-94,8) 90,2% (95% KI: 88,1-91,9) Max. +/- 5 Tage 95,0% (95% KI: 93,4-96,2) 93,7% (95% KI: 92,0-95,1) Max. +/- 10 Tage 96,9% (95% KI: 95,6-97,8) 97,1% (95% KI: 95,8-97,9) Max. +/- 20 Tage 98,5% (95% KI: 97,5-99,1) 98,4% (95% KI: 97,4-99,0)
Tabelle 14: Korrektheit von Verordnungs- und Abgabedatum bei verschiedenen Toleranzbereichen im Jahr 2005
An den Verordnungstagen 5., 15. und 25. waren bei der Analyse aller Rezepte
Peaks aufgetaucht (Abbildung 15). Wenn in den Routinedaten als Tag der
Verordnung der 5., 15. oder 25. genannt ist (n=130), stimmt dieses Verordnungs-
datum seltener mit der tatsächlichen Angabe auf dem Rezept überein als an
allen anderen Tagen (65,4% vs. 94,2%; p<0,0001).
Tabelle 15: Vierfeldertafel zur Assoziation zwischen der Art des Eintrags des Verordnungsdatums und der korrekten Erfassung im Jahr 2005
Auf 89 Rezepten (9,0%; 95% KI: 7,3-10,9) des Beobachtungsjahres 2005 war
das Verordnungsdatum handschriftlich (8,5%) oder per Stempel (0,5%)
eingetragen worden. Wie aus Tabelle 15 ersichtlich ist, wird ein
994
95
899
gesamt
53 (59,6%) 42 (4,6%) nicht korrekt
89 (100,0%) 905 (100,0%) gesamt
36 (40,4%) 863 (95,4%) korrekt Angabe in Routinedaten ist
gestempelt/ handgeschrieben
gedruckt
Verordnungsdatum auf Rezept ist
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 93
handgeschriebenes bzw. gestempeltes Verordnungsdatum seltener korrekt
erfasst als ein aufgedrucktes (40,4% vs. 95,4%; p<0,0001).
Abgabedatum
Auf 5 Rezepten (0,5%) fehlte das Abgabedatum gänzlich, auf 4 (0,4%) weiteren
war dieses Datum aufgrund eines zu schwachen Drucks nicht erkennbar, so
dass insgesamt 986 Rezepte ausgewertet werden konnten. In 76,6% (95% KI:
73,8-79,1) der Fälle stimmte das Abgabedatum auf dem Rezept mit den
Angaben in Routinedaten überein. Nimmt man einen Toleranzbereich von +/- 5
Tagen bzw. +/- 20 Tagen an, liegt das tatsächliche Abgabedatum in 93,7% bzw.
98,4% der Fälle in diesem Intervall (Tabelle 14). Betrachtet man die Rezepte, bei
denen das Abgabedatum nicht korrekt erfasst wurde (n=231), liegt die mediane
Abweichung (Abgabedatum auf dem Rezept – Abgabedatum in Routinedaten)
zwischen beiden Angaben bei 2 Tagen und der Interquartil-Range (Q25-Q75) bei
1 bis 4 Tagen. Das 90% Referenzintervall (Q5-Q95) der Verteilung befindet sich
zwischen -20 und 9 Tagen. Betrachtet man den absoluten Betrag dieser
medianen Abweichung (n=231), liegt der Interquartil-Range (Q25-Q75) bei 1 bis 6
Tagen und das 90% Referenzintervall (Q5-Q95) bei 1 bis 24 Tagen. Insgesamt ist
das Abgabedatum zwar deutlich häufiger falsch erfasst als das Verordnungs-
datum, die Verteilung der Abweichungen streut allerdings nicht so stark. Dies
zeigt sich auch daran, dass die Übereinstimmung beim Abgabedatum bei 76,6%
lag, sich aber bereits bei einem Toleranzbereich von +/- 3 Tagen 90,2% der
tatsächlichen Abgabetage in diesem Intervall befanden. In Routinedaten werden
Abgabetage häufiger auf Werte gesetzt, die sich kalendarisch vor dem
tatsächlichen Abgabedatum befanden.
Tabelle 16: Vierfeldertafel zur Assoziation zwischen Lesbarkeit des Abgabedatums und der korrekten Erfassung im Jahr 2005
986
231
755
gesamt
99 (31,8%) 132 (19,6%) nicht korrekt
311 (100,0%) 675 (100,0%) gesamt
212 (68,2%) 543 (80,4%) korrekt Angabe in Routinedaten ist
mäßig bzw. schwer lesbar
sehr gut bzw. gut lesbar
Abgabedatum auf Rezept ist
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 94
Auf 311 Rezepten (31,5%; 95% KI: 28,7-34,5) des Beobachtungsjahres 2005
war das Abgabedatum aufgrund eines schwachen Drucks mäßig bis schwer
lesbar (Tabelle 16). Mäßig bis schwer lesbare Abgabetage wurden seltener
korrekt erfasst als sehr gut bis gut lesbare Angaben (68,2% vs. 80,4%;
p<0,0001). Auf 60 der gesichteten Rezepte (6,1%; 95% KI: 4,8-7,8) war das
Abgabedatum nicht auf den unteren Rand des Verordnungsblattes gedruckt. Bei
Rezepten, wo dies der Fall war, wurde das Abgabedatum seltener korrekt erfasst
als auf Rezepten mit unten befindlichem Abgabedatum (58,3% vs. 77,8%,
p=0,0006).
Tabelle 17: Vierfeldertafel zur Assoziation zwischen korrekter Erfassung von Verordnungsdatum und Abgabedatum im Jahr 2005
Weiterhin wurde überprüft, ob es eine Assoziation zwischen der Richtigkeit des
Verordnungs- und Abgabedatums gab (Tabelle 17). Ingesamt zeigte sich, dass
bei Rezepten, bei denen das Verordnungsdatum in Routinedaten nicht korrekt
war, auch das Abgabedatum 4-mal häufiger falsch erfasst wurde als bei richtig
erfasstem Verordnungsdatum (74,2% vs. 18,2%, p<0,0001).
Einlösen nach Verordnung und nachträgliche Änderungen
In den Arzneimittelroutinedaten der GEK aus dem Jahr 2005 existiert für jedes
Rezept eine Angabe zum Verordnungs- und Abgabedatum. Laut dieser
Datenquelle wurden 75,7% aller 6,99 Mio. Rezepte aus diesem Jahr am
Verordnungstag eingelöst. In der Rezeptstichprobe lag eine solche Überein-
stimmung lediglich für 62,4% (95% KI: 59,4-65,4) der Verordnungsblätter vor.
Zudem wurde nachverfolgt, inwiefern das Krankenkassenrechenzentrum Werte
innerhalb der Daten modifiziert hat. Bei 27 Rezepten (2,7%) wurden von der für
die GEK datenaufbereitenden Firma (Interforum) relevante Änderungen beim
Verordnungs- bzw. Abgabedatum oder bei beiden Variablen vorgenommen.
985
231
754
gesamt
69 (74,2%) 162 (18,2%) nicht korrekt
93 (100,0%) 892 (100,0%) gesamt
24 (25,8%) 730 (81,8%) korrekt Abgabedatum in Routinedaten ist
nicht korrekt korrekt
Verordnungsdatum in Routinedaten ist
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 95
Durch diese Änderungen wurden auf 25 Rezepten (92,6% aller geänderten)
ursprünglich falsch erfasste Werte in Routinedaten durch richtige ersetzt.
Stratifizierung nach Apothekenrechenzentren
Weiterhin wurde eine nach Apothekenrechenzentrum stratifizierte Analyse
durchgeführt um zu untersuchen, ob Unterschiede hinsichtlich der Erfassungs-
qualität zwischen den Rechenzentren existieren. Insgesamt liest eine geringe
Anzahl Rechenzentren einen großen Teil der Rezepte ein. Die vier in Abbildung
16 dargestellten Rechenzentren lesen insgesamt fast 70% der Rezepte im Jahr
2005 ein, allein auf die Verrechungsstelle der Süddeutschen Apotheken (VSA)
entfallen bereits fast ein Drittel der analysierten Rezepte.
Abbildung 16: Korrekte Erfassung von Verordnungs- und Abgabedatum bei den 4 größten Apothekenrechenzentren im Jahr 2005
Abbildung 16 und Tabelle 18 weisen auf deutliche Unterschiede in der
Erfassungsqualität der einzelnen Rechenzentren hin. Es zeigen sich besonders
bei der korrekten Erfassung des Abgabedatums Unterschiede zwischen 58,3%
und 92,9% (Tabelle 18). Allein zwischen VSA und dem Norddeutschen
Apothekenrechenzentrum (NARZ) liegen fast 30%. Weiterhin lässt sich auch hier
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 96
ein deutlicher Zusammenhang zwischen korrekter Erfassung vom Abgabe- und
Verordnungsdatum erkennen. Apothekenrechenzentren mit einer hohen
Erfassungsqualität beim Verordnungsdatum liefern diese in aller Regel auch
beim Abgabedatum.
Apothekenrechenzentrum Korrekte Erfassung Verordnungsdatum
[95% KI]
Korrekte Erfassung Abgabedatum
[95% KI] VSA Verrechnungsstelle der Süddeutschen Apotheken GmbH (n=285 bzw. n=284)
83,5% [78,8-87,4] 63,4% [57,6-68,8]
Apothekenrechenzentrum Service GmbH, Haan (n=172 bzw. n=172)
89,0% [83,4-92,8] 75,0% [68,0-80,9]
Norddeutsches Apothekenrechenzentrum NARZ (n=126 bzw. n=126)
96,8% [92,1-98,8] 92,9% [87,0-96,2]
Apothekenrechenzentrum GmbH, Darmstadt (n=112 bzw. n=112)
93,8% [87,7-96,9] 92,9% [86,5-96,3]
AVP Apotheken Abrechnungstreuhand von Platen (n=92 bzw. n=86)
92,4% [85,1-96,3] 82,6% [73,2-89,1]
Apotheken-Verrechnungsstelle Dr. Carl Carstens GmbH & Co. KG (n=68 bzw. n=68)
98,5% [92,1-99,7] 95,6% [87,8-98,5]
Apotheken u. Ärzte Abrechnungszentrum Dr. Güldener KG (n=60 bzw. n=60)
83,3% [72,0-90,7] 58,3% [45,7-69,9]
Sonstige (n=79 bzw. n=78)
100,0% [95,4-100,0] 69,2% [58,3-78,4]
Gesamt (n=994 bzw. n=986)
90,4% [88,5-92,1] 76,6% [73,8-79,1]
Tabelle 18: Korrekte Erfassung von Verordnungs- und Abgabedatum nach Apothekenrechenzentren im Jahr 2005
Welche Datumsartefakte werden generiert?
Weiterhin wurde nach Mustern gesucht, die von den Apothekenrechenzentren
bei fehlerhaft erfasstem Verordnungs- bzw. Abgabedatum in Routinedaten
erzeugt wurden.
Von den insgesamt 95 Rezepten mit fehlerhaft erfasstem Verordnungsdatum
steuerte die Verrechnungsstelle der Süddeutschen Apotheken GmbH (VSA) 47
bei, davon war das Verordnungsdatum auf nahezu allen (n=45; 95,7%) auf den
5., 15. oder 25. eines Monats gesetzt. Vom Norddeutschen Apothekenrechen-
zentrum (NARZ) konnten lediglich 4 Rezepte mit fehlerhaftem Verordnungs-
datum untersucht werden. Hiervon enthielten 3 in Routinedaten den 16. des
Monats. Auch beim Apothekenrechenzentrum GmbH Darmstadt waren 5 von 7
solcher Rezepte mit dem 16. als Verordnungstag versehen. Ein anderes Muster
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 97
wird vom Apothekenrechenzentrum Service GmbH in Haan generiert. Von 19
fehlerhaften Verordnungstagen waren 16 (84,2%) auf den letzten Tag des
Monats gesetzt.
Von den insgesamt 231 Rezepten mit fehlerhaft erfasstem Abgabedatum waren
86,1% (n=199) der Abgabetage auf das in Routinedaten befindliche
Verordnungsdatum gesetzt. Bis auf die Apotheken Abrechnungstreuhand von
Platen (AVP), bei der nur eines der 15 fehlerhaft eingelesenen Rezepte diesem
Schema folgte, ließen sich je nach Rechenzentrum zwischen 67% und 100% der
fehlerhaft erfassten Abgabetage mit diesem Muster erklären. 18 der 231
fehlerhaft erfassten Abgabetage waren auf den 1. des Monats gesetzt, bei 5
davon entsprach dies auch dem in Routinedaten befindlichen Verordnungs-
datum.
4.2.1.3 Diskussion
Die durchgeführte Validierungsstudie zeigt deutliche Schwächen bei der exakten
elektronischen Erfassung des Verordnungsdatums und noch mehr des Abgabe-
datums. Nach Rezeptsichtungen fiel bei etwa einem Viertel aller Rezepte ein
fehlerhaftes Abgabedatum in Routinedaten auf. Weiterhin konnte gezeigt
werden, dass die Häufungen, die beim Verordnungsdatum in Routinedaten am
5., 15. und 25. auftauchen (s. Abbildung 15), Artefakte sind. Diese werden vom
größten deutschen Apothekenrechenzentrum VSA erzeugt und sind deshalb in
diesen Mengen in Routinedaten zu finden. Wie in dieser Studie gezeigt wurde,
stimmt das Abgabedatum in Routinedaten häufiger mit dem Tag der Verordnung
überein als in der „Realität“. Auch dieses Phänomen ist als ein von den
Apothekenrechenzentren generiertes Artefakt anzusehen. Da 62,4% aller
Rezepte tatsächlich am Verordnungstag eingelöst werden, führt diese Strategie
schon allein per Zufall zu einem hohen Anteil Übereinstimmungen. Dies setzt
allerdings die korrekte Erfassung des Verordnungsdatums voraus. Ein falsch
erfasstes Verordnungsdatum war bei drei Viertel der betroffenen Rezepte auch
mit einem Fehler beim Abgabedatum verbunden. Insgesamt wurde deutlich,
dass Datumsartefakte je nach Rechenzentrum nach bestimmten Schemata
generiert werden. Allerdings scheinen besonders beim Verordnungsdatum
unterschiedliche, öffentlich nicht zugängliche, Vorgehensweisen je nach
Institution zu existieren. Ebenfalls ein Artefakt scheint die in Routinedaten
gehäuft auftretende Abgabe zum ersten des Monats zu sein (s. Abbildung 15).
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 98
Dieser Peak verschwand nach Auswertung der gesichteten Rezepte. Allerdings
beruht diese Aussage auf wenigen Beobachtungen und sollte mit Vorsicht
interpretiert werden.
Vielfältige Erklärungen für die vergleichsweise höhere Erfassungsqualität des
Verordnungsdatums sind möglich. Zum Einen darf die Apotheke eine
Verordnung nur beliefern, sofern diese ordnungsgemäß ausgestellt wurde, wozu
gemäß dem Arzneilieferungsvertrag (2005) auch die Angabe des Verordnungs-
datums gehört. Des Weiteren sind Apotheken verpflichtet, Daten im Arztfeld des
Verordnungsblattes nachzuerfassen, sofern sie den Anforderungen der Verein-
barung über die Übermittlung von Daten (1994) nicht genügen. Eine technische
Arbeitsgruppe der Krankenkassen und Apotheken analysiert zudem die
Rezeptbedruckung im Arztfeld und soll durch geeignete Maßnahmen versuchen,
die Qualität in diesem Bereich zu erhöhen (Versorgungsvertrag, 2007). Ein
weiterer möglicher Erklärungsansatz für die vergleichsweise schlechte Erfassung
des Abgabedatums kann sein, dass die Bedruckbarkeit der Rezepte teilweise
durch Transportschäden (z.B. zerknittert oder geknickt) von Seiten des Patienten
eingeschränkt sein kann.
Insgesamt sollten Probleme hinsichtlich der Schriftübersetzung und Erfassung
der Rezeptinformationen aber, wenn Verordnungs- und Abgabedatum
elektronisch gedruckt vorliegen, in beiden Feldern im gleichen Umfang
vorkommen. Laut den vorgelegten Ergebnissen variiert die Erfassungsqualität
allerdings auffällig zwischen den Apothekenrechenzentren. Drei mögliche
Erklärungen dafür wären denkbar:
• unterschiedliche Erfassungsqualität der Scanner bzw. der Texterkennungs-
software,
• unterschiedliche Bedruckungsqualität der Rezepte bzw. häufigere hand-
schriftliche Verordnungen oder
• unterschiedlich großer Aufwand bei den manuellen Nachkorrekturen der
elektronischen Erfassung.
Am wahrscheinlichsten scheint nach den bisher gewonnenen Erkenntnissen der
letzte Erklärungsansatz. Welche und wie häufig manuelle Nachbearbeitungen
bzw. Überprüfungen der erfassten Daten durch die Apothekenrechenzentren
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 99
selbst erfolgen und ob diese zwischen den Rechenzentren variieren, ist unseres
Wissens nicht bekannt bzw. nicht öffentlich verfügbar. Eine bundeseinheitliche
Regelung, erfasste Rezeptdaten stichprobenartig mit den Originaldaten
abzugleichen, wäre unter Umständen ein gangbarer Weg, die Datenqualität zu
erhöhen bzw. Defizite einzelner Rechenzentren aufzuzeigen und zu beheben.
Einige Einschränkungen der gewählten Methodik müssen berücksichtigt werden.
Es wurden Daten nur einer Krankenkasse genutzt. Obwohl einzelne
Krankenkassen unterschiedliche Mitgliederstrukturen aufweisen, dürfte diese
Tatsache für die Studie keine größeren Verzerrungen bedeuten. Rezepte
werden von Ärzten ausgestellt, von Apotheken bearbeitet und von Apotheken-
rechenzentren elektronisch erfasst (s. Abschnitt 4.1). Dieser Prozess ist
unabhängig von den Charakteristika des Versicherten. Denkbar wäre lediglich,
dass bestimmte Versichertenkollektive häufiger handschriftliche Notdienst-
rezepte in Anspruch nehmen. Die Ergebnisse der Rezeptstichprobe sind
repräsentativ für alle Rezepte der GEK, aber nicht unbedingt für die gesamte
GKV. Die regionale Verteilung der GEK-Versicherten ist im Vergleich zur
gesamten GKV eine andere. So versicherte die GEK im Jahr 2005 einen im
Vergleich zu anderen Bundesländern mit 3,01% bis 2,71% hohen Anteil der
Bevölkerung im Saarland, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Hamburg.
Trotzdem sind Informationen zu einem bundesweiten Kollektiv verfügbar, da
auch in den Bundesländern mit geringem Anteil GEK-Versicherter mindestens
1,1% der Bevölkerung in 2005 in der GEK versichert waren (Grobe et al., 2006).
Somit wäre insgesamt eine andere Gewichtung der hauptsächlich regional
tätigen Rechenzentren innerhalb der GKV möglich als in der GEK. Eine nach
Rechenzentren stratifizierte Analyse, wie sie durchgeführt wurde, dürfte diese
Problematik allerdings ausreichend berücksichtigen. Nachträgliche Plausibilitäts-
prüfungen sowie anschließende Korrekturen durch die Krankenkasse bzw.
Krankenkassenrechenzentren unterscheiden sich vermutlich zwischen den
verschiedenen Kassen. In dieser Studie betrafen sie 2,7% der Rezepte. Diese
Algorithmen sind allerdings nicht in der Lage, alle falschen, sondern lediglich
nicht plausible Angaben (z.B. falscher Preis zum Abgabedatum oder zu großer
Abstand zwischen Verordnung und Abgabe) zu korrigieren.
Die untersuchte Stichprobe umfasste 995 auswertbare Rezepte eines Jahres, so
dass es möglich war, den Anteil korrekt erfasster Verordnungs- bzw. Abgabetage
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 100
innerhalb der vorliegenden Daten präzise zu schätzen. Allerdings war dieser
Stichprobenumfang zu gering, um weitere stratifizierte Analysen (z.B. Vergleich
zwischen Betäubungsmittelrezepten und Muster 16) durchzuführen bzw. um eine
ausreichend große Anzahl Rezepte für alle Rechenzentren zu erhalten.
Weiterhin muss beachtet werden, dass auch bei der Rezeptsichtung Fehler
auftreten können. Zwar ließen wir nach Plausibilitätsprüfungen bei auffälligen
Unterschieden die Rezepte ein zweites Mal sichten, trotzdem lassen sich
Übertragungsfehler bei der Sichtung nicht vollständig ausschließen.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass innerhalb der gesichteten Stichprobe im
Jahr 2005 von 100 in Routinedaten erfassten Rezepten bei etwa 10 das
Verordnungsdatum und bei 23 das Abgabedatum nicht mit dem tatsächlich auf
dem Rezept befindlichen Tag übereinstimmt. Hinsichtlich der Validität der in
Arzneimittelroutinedaten befindlichen Informationen besteht weiterer Klärungs-
bedarf. Auch andere für wissenschaftliche Zwecke wichtige vom Rezept
elektronisch erfasste Variablen, wie z.B. die Arztnummer, PZN und die
Versichertennummer sollten einer vergleichbaren Analyse unterzogen werden.
4.2.2 Validität von Rezeptangaben über die Jahre 2000-2006 In der oben beschriebenen Studie konnten Mängel bei der korrekten Erfassung
vom Verordnungs- aber besonders vom Abgabedatum der Rezepte im Jahr
2005 aufgedeckt werden. Es stellte sich anschließend die Frage, ob es
diesbezüglich im Laufe der letzten Jahre Veränderungen gab und ob auch hier
Unterschiede zwischen den Apothekenrechenzentren zu finden sind. Außerdem
sollte die Erfassungsqualität weiterer forschungsrelevanter Informationen, wie
der Vertragsarztnummer und des Institutskennzeichens der Apotheken, überprüft
werden. Diese Fragen wurden in der im Folgenden beschriebenen Studie
aufgegriffen.
4.2.2.1 Methodik
Datengrundlage und Studienablauf
Das grundlegende methodische Vorgehen ist mit der in Abschnitt 4.2.1
beschriebenen Studie vergleichbar. Für diese Untersuchung wurden
Routinedaten der Gmünder ErsatzKasse (GEK) aus den Jahren 2000-2006
genutzt. In der GEK waren in dieser Zeit je nach Jahr deutschlandweit etwa 1,3-
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 101
1,6 Mio. Personen versichert, für die pro Jahr zwischen 6,3 Mio. und 7,5 Mio.
Rezepte von Apotheken abgerechnet wurden.
Aus diesen Routinedaten wurde für jedes der sieben Jahre eine einfache
Zufallsstichprobe von 300 Rezepten gezogen. Aus Effizienzgründen wurde für
das Jahr 2005 eine Stichprobe aus der bereits in Abschnitt 4.2.1 beschriebenen
Zufallsstichprobe (n=1.000) gezogen. Die eingescannten Rezepte wurden von
einer Mitarbeiterin der GEK in deren Räumen gesichtet. Diese erhielt
ausschließlich die Belegnummer des Rezeptes und war gegenüber den
Angaben in Routinedaten verblindet. Sie erfasste das auf dem Rezept
befindliche Verordnungs- und Abgabedatum sowie die Vertragsarztnummer und
das Institutskennzeichen der Apotheke. Diese Angaben dienten beim Vergleich
mit Routinedaten als Goldstandard. Weiterhin wurde erfasst, wie die
Datumsangaben eingetragen wurden (gedruckt, gestempelt oder
handgeschrieben). Die Arztnummer wurde aus dem Verordnungskopf
übertragen, waren einzelne Ziffern nicht lesbar, wurden diese aus der
Codierzeile bzw. dem Arztstempel übernommen. Wenn einzelne Ziffern nicht
lesbar waren und es zwischen diesen drei Angaben Unterschiede gab, wurde die
Arztnummer gewählt, die auf 2 der 3 Felder zu sehen war.
Beim Vergleich zwischen Routinedaten und Rezeptangaben wurden
grundsätzlich alle Arztnummern und Institutskennzeichen der Apotheken auf die
sieben relevanten Stellen gekürzt und um Sonderzeichen ("-", "/") bereinigt. Nach
umfangreichen Plausibilitätsprüfungen wurden, um Übertragungsfehler zu
minimieren, alle auffälligen Rezepte erneut gesichtet. Im Einzelnen war dies der
Fall, wenn
• der Abstand zwischen Verordnung und Abgabe auf dem Rezept 30 Tage
oder mehr betrug,
• die Abgabe laut Rezept vor der Verordnung erfolgte,
• der Abstand zwischen Angaben auf dem Rezept und in den Routinedaten
beim Abgabedatum oder Verordnungsdatum 30 Tage oder mehr betrug oder
• Unterschiede bei der Arztnummer oder dem Institutskennzeichen der
Apotheke zwischen beiden Datenquellen existierten.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 102
Nicht erneut geprüft wurden Datumsvariablen, die in Routinedaten auf einen
Pseudowert (01.01.1800) gesetzt waren.
Zusätzlich wurde erhoben, inwieweit Angaben zum Versicherten bzw. zur
Krankenkasse im Verordnungskopf des Rezeptes ausgefüllt wurden.
Weiterhin wurde auf den Rezepten des Jahres 2006 die Erfassung der
Versichertennummer durch die Apothekenrechenzentren überprüft. Da in den
vorliegenden Routinedaten alle Versichertennummern pseudonymisiert sind, ist
ein direkter Vergleich mit den Rezeptangaben nicht möglich. Der GEK liegen
allerdings die Images sowie die Routinedaten mit den jeweils nicht
pseudonymisierten Versichertennummern vor. Es wurden deshalb von einer
Mitarbeiterin der GEK für die Rezepte der Stichprobe die Versichertennummern
aus den nicht pseudonymisierten Routinedaten selektiert sowie von den Images
übertragen. Der Abgleich beider Werte geschah über die Funktion „Wenn“ in
EXCEL. An uns wurde anschließend lediglich übermittelt, ob die beiden
Versichertennummern übereinstimmten und welche Gründe eine mögliche Nicht-
Übereinstimmung erklären könnten.
Außerdem wurden alle Rezepte der Stichprobe aus dem Jahr 2006 von der
Mitarbeiterin der GEK ausgedruckt und um alle personenidentifizierenden Felder
bereinigt an die Untersucher weitergegeben. Mittels dieser Rezepte wurde dann
zusätzlich die Erfassungsqualität der Pharmazentralnummer, des Bruttopreises
und des Faktors untersucht.
Statistische Analyse
Die formale Übereinstimmung zwischen beiden Datenquellen wurde in Prozent
angegeben. Die Schätzung dazugehöriger 95% Konfidenzintervalle (95% KI)
geschah nach der Methode von Wilson (Altman et al., 2000; Tobi et al., 2005).
Alle dargestellten p-Werte beziehen sich auf Chi-Quadrat-Trendtests, die
angewendet wurden, um lineare Trends im Zeitverlauf über sieben Jahre zu
untersuchen. Dieser Test kann, im Gegensatz zum „üblichen“ Chi-Quadrat-Test,
auch bei wenigen Ereignissen genutzt werden und würde beim untersuchten
Stichprobenumfang selbst bei einer Gesamtzahl von 10 Ereignissen valide
Ergebnisse liefern (Rosner, 1990). Die Prüfung der statistischen Signifikanz
geschah auf einem Niveau von 5%, sich nicht überschneidende 95% KI wurden
ebenfalls als statistisch signifikant angesehen. Alle Auswertungen wurden mit
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 103
dem Softwarepaket SAS für Windows in der Version 9.1 durchgeführt (SAS
Institute Inc., Cary, NC).
4.2.2.2 Ergebnisse
Verordnungsdatum
Insgesamt konnten aus der Stichprobe von 2.100 Images drei nicht aufgefunden
werden, somit standen Daten zu 2.097 Rezepten zur Verfügung. Auf 6 weiteren
fehlte das Verordnungsdatum bzw. war aufgrund eines zu schwachen Drucks
nicht erkennbar, so dass 2.091 Rezepte ausgewertet werden konnten. Tabelle
19 zeigt eine Übersicht der geprüften Variablen und deren Übereinstimmung
über die Jahre mit zugehörigen 95% Konfidenzintervallen (s. auch Abbildung
17). Die korrekte Erfassung des Verordnungsdatums zwischen den Jahren 2000
und 2006 steigerte sich nahezu stetig von 77,3% auf 93,0% (p<0,0001).
Analysiert man alle Rezepte, bei denen das Verordnungsdatum falsch erfasst
wurde (n=270), war die mediane Abweichung (Verordnungsdatum auf dem
Rezept – Verordnungsdatum in Routinedaten) -2 Tage und der Interquartil-
Range (Q25-Q75) -9 bis 4 Tage. Das 90% Referenzintervall (Q5-Q95) dieser
Verteilung befindet sich zwischen –25 und 11 Tagen. Die höchsten Unterschiede
zwischen beiden Angaben lagen bei -56 und 34 Tagen.
Korrektheit in Routinedaten von [95% KI] Jahr Verordnungsdatum Abgabedatum Arztnummer 2000 77,3% [72,2-81,6] 7,2% [4,8-10,7] 97,7% [95,3-98,9] 2001 82,2% [77,4-86,1] 9,0% [6,2-12,8] 99,7% [98,1-99,9] 2002 86,9% [82,6-90,3] 2,4% [1,1-4,8] 99,7% [98,1-99,9] 2003 90,6% [86,8-93,4] 0,3% [0,1-1,9] 99,3% [97,6-99,8] 2004 87,7% [83,5-90,9] 65,3% [59,7-70,5] 99,3% [97,6-99,8] 2005 92,0% [88,3-94,5] 77,6% [72,5-82,0] 98,3% [96,1-99,3] 2006 93,0% [89,5-95,4] 86,1% [81,7-89,6] 99,3% [97,6-99,8]
p-Wert für Trend p<0,0001 p<0,0001 p=0,50
Tabelle 19: Korrektheit verschiedener Variablen in Routinedaten im Verlauf der Jahre 2000-2006
Über die Jahre war ein kontinuierlicher Rückgang handschriftlich ausgefüllter
bzw. gestempelter Verordnungstage zu verzeichnen (2000: 20,7% bis 2006:
7,0%; p<0,0001). Im gleichen Zeitraum verbesserte sich aber die Erfassungs-
qualität handschriftlicher bzw. gestempelter Verordnungstage (n=269) nahezu
kontinuierlich (2000: 21,0% bis 2006: 66,7%; p<0,0001). Wenn das
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 104
Verordnungsdatum aufgedruckt war (n=1.822), wurden 92,0%-95,6% dieser
Felder richtig erfasst, ein linearer Trend über die Zeit ließ sich dabei nicht finden
(p=0,12). Die zu diesen Analysen gehörigen Zahlen über die Jahre 2000 bis
2006 sind in Tabelle 20 dargestellt.
Verordnungsdatum Jahr ist 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
gedruckt 237
(79,3%) 245
(82,5%) 257
(86,2%) 267
(89,3%) 265
(88,3%) 273
(91,3%) 278
(93,0%) davon korrekt erfasst 92,0% 94,3% 94,6% 95,1% 95,1% 95,6% 95,0%
davon nicht korrekt erfasst 8,0% 5,7% 5,4% 4,9% 4,9% 4,4% 5,0% gestempelt/ handgeschrieben
62 (20,7%)
52 (17,5%)
41 (13,8%)
32 (10,7%)
35 (11,7%)
26 (8,7%)
21 (7,0%)
davon korrekt erfasst 21,0% 25,0% 39,0% 53,1% 31,4% 53,8% 66,7% davon nicht korrekt erfasst 79,0% 75,0% 61,0% 46,9% 68,6% 46,2% 33,3% gesamt (jeweils 100,0%)
299
297
298
299
300
299
299
Tabelle 20: Korrekte Erfassung des Verordnungsdatums in Abhängigkeit von der Art des Eintrags im Verlauf der Jahre 2000-2006
Abgabedatum
Von den insgesamt 2.097 verfügbaren Images fehlte bei 37 das Abgabedatum
oder es war aufgrund eines zu schwachen Drucks bzw. Überdruckung nicht
lesbar. Somit konnten Daten zu 2.060 Rezepten ausgewertet werden. Pro Jahr
konnten zwischen 3 und 10 Rezepte nicht mit einbezogen werden. Das
Abgabedatum war zwischen 2000 und 2003 mit 88,3% bis 99,3% fast
ausschließlich auf einen Pseudowert gesetzt (01.01.1800) und stimmte zwischen
Rezept und Routinedaten dementsprechend nur in 0,3%-9,0% überein
(Abbildung 17). Im Jahr 2004 war das in Routinedaten befindliche Abgabedatum
bei 65,3% der Rezepte richtig, in 2006 war dies bei 86,1% der Verordnungs-
blätter der Fall. Analysiert man die Rezepte über die Jahre 2004-2006, bei denen
das Abgabedatum falsch erfasst wurde (n=209), war die mediane Abweichung 2
Tage und der Interquartil-Range (Q25-Q75) 1 bis 4 Tage. Das 90%
Referenzintervall (Q5-Q95) dieser Verteilung befindet sich zwischen –14 und 10
Tagen. Die höchsten Unterschiede zwischen beiden Angaben lagen bei -56 und
25 Tagen.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 105
Bei allen Rezepten, auf denen ein Abgabedatum vorhanden und lesbar war
(n=2.060), wurde es in den seltensten Fällen handschriftlich aufgetragen oder
korrigiert. Je nach Jahr wurde es auf 98,0% bis 100,0% der Rezepte
aufgedruckt, ein Trend über die Jahre zeigte sich nicht (p=0,89).
Abbildung 17: Korrektheit von Abgabe- und Verordnungsdatum im Verlauf der Jahre 2000-2006
Stratifizierung nach Apothekenrechenzentren
Im Folgenden wird die Entwicklung der Erfassungsqualität von Verordnungs- und
Abgabedatum in Abhängigkeit vom Apothekenrechenzentrum untersucht.
Abbildung 18 zeigt diese Entwicklung beim Verordnungsdatum bei den drei
größten und seit 2000 durchgängig tätigen Apothekenrechenzentren. Diese
erfassten innerhalb des Beobachtungszeitraums 58% der GEK-Rezepte. Sowohl
VSA (75,2%), NARZ (85,4%) und Apothekenrechenzentrum GmbH, Darmstadt
(77,4%) erfassen bereits im Jahr 2000 mindestens drei Viertel der
Verordnungstage korrekt und zeigen über die folgenden Jahre statistisch
signifikante positive Trends.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 106
Abbildung 18: Korrektheit des Verordnungsdatums in Abhängigkeit vom Apothekenrechenzentrum zwischen 2000-2006 (p-Wert nach Trendtest)
Betrachtet man hingegen die Entwicklung beim Abgabedatum in Abhängigkeit
vom Apothekenrechenzentrum über die Jahre 2004-2006, sind auffällige
Unterschiede erkennbar. Abbildung 19 zeigt die Erfassungsqualität der vier
größten Apothekenrechenzentren, die in dieser Zeit fast 70% der untersuchten
Rezepte eingelesen haben. Im Jahr 2004 erfassten die Verrechnungsstelle der
Süddeutschen Apotheken (VSA) bzw. das Apothekenrechenzentrum Haan in
47,9% bzw. 55,0% der Rezepte das Abgabedatum korrekt, während der Wert
beim Apothekenrechenzentrum Darmstadt bzw. beim Norddeutschen
Apothekenrechenzentrum (NARZ) bereits bei 78,8% bzw. 84,6% lag. Obwohl
sich bei der VSA über die drei Jahre ein linearer Trend zu besseren Ergebnissen
zeigt (p<0,0001), wurden auch in 2006 mit etwa drei Viertel vergleichsweise
wenige Abgabetage richtig eingelesen. Beim NARZ wurde das Abgabedatum
über die Jahre mit 84,6%, 97,1% und 92,3% auf einem stabil hohen Niveau
korrekt erfasst (p=0,23).
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 107
Abbildung 19: Korrektheit des Abgabedatums in Abhängigkeit vom Apothekenrechenzentrum zwischen 2004-2006 (p-Wert nach Trendtest)
Datumsartefakte
Auch in dieser größeren Stichprobe über mehrere Jahre wurden Muster
untersucht, nach denen fehlerhafte Datumsangaben in Routinedaten generiert
wurden. Von den insgesamt 270 Rezepten mit fehlerhaftem Verordnungsdatum
steuerte die Verrechnungsstelle der Süddeutschen Apotheken GmbH (VSA) 104
bei, davon war das Verordnungsdatum auf nahezu allen (n=103; 99,0%) auf den
5., 15. oder 25. eines Monats gesetzt. Beim Norddeutschen Apothekenrechen-
zentrum (NARZ) fanden sich auf 36 Rezepten mit fehlerhaftem Verordnungs-
datum von 2000-2003 in Routinedaten die Werte 5., 15., 25. oder 30. und ab
dem Jahr 2004 fast ausschließlich der 16. des Monats. Beim Apothekenrechen-
zentrum GmbH Darmstadt waren 23 von 24 fehlerhaften Verordnungstagen
(95,8%) auf den 16. als Verordnungsdatum gesetzt. Von 24 solcher Rezepte der
AVP folgten drei Viertel (n=18) ebenfalls diesem Muster.
Von den insgesamt 209 Rezepten mit fehlerhaft erfasstem Abgabedatum der
Jahre 2004 bis 2006 waren 85,6% (n=179) der Abgabetage auf das in
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 108
Routinedaten befindliche Verordnungsdatum gesetzt. Wird die Apotheken
Abrechnungstreuhand von Platen (AVP) ausgeschlossen, folgten von den
verbleibenden 195 Rezepten 89,7% diesem Muster. Insgesamt 22 der 209
fehlerhaft erfassten Abgabetage waren in Routinedaten auf den 1. des Monats
gesetzt.
Arztnummer
Die Arztnummer wurde insgesamt lediglich auf 20 Rezepten fehlerhaft
eingelesen und stimmte damit in 97,7% bis 99,7% der Fälle überein (s. Tabelle
19). Ein linearer Abwärts- bzw. Aufwärtstrend konnte nicht identifiziert werden.
Fehlerhaft erfasste Arztnummern resultierten zumeist daraus, dass diese im
Verordnungskopf teilweise unleserlich waren und dann von den
Apothekenrechenzentren, wie in der technischen Anlage 3 beschrieben (TA 3,
2007), die Arztnummer in der Codierzeile übernommen wurde. Die Arztnummern
in der Verordnungszeile und im Stempel stimmten zwar überein, in der
Codierzeile befand sich in diesen Fällen allerdings eine andere Arztnummer.
Institutskennzeichen der Apotheke
Die Übereinstimmung des Institutskennzeichens der Apotheken zwischen
eingescanntem Rezept und Routinedaten nimmt zwischen 2000 und 2006 leicht
ab (von 100% auf 96%, p<0,0001). Dieser Abfall setzt ab dem Jahr 2004 ein und
lässt sich durch die Aufhebung des Mehrbesitzverbotes von Apotheken durch
das GKV-Modernisierungsgesetz erklären (Apothekengesetz, 2007). Die
Abrechnung erfolgt in diesen Fällen über die Hauptapotheke, auch wenn die
abgebende Institution eine Filialapotheke ist. Auf das Rezept wird zwar von der
abgebenden Filialapotheke ihr zugehöriges Institutskennzeichen gedruckt, für
die Abrechnung wird von den Apothekenrechenzentren allerdings das
Institutskennzeichen der Hauptapotheke verwendet.
Es wurde deshalb bei allen Nichtübereinstimmungen zusätzlich die Information
erhoben, ob es sich um eine Filialapotheke handelt und anschließend deren
Apotheken-IK ermittelt. Dies ist über die der GEK vorliegende Software möglich,
die auch zur Rezeptsichtung eingesetzt wird. Wird dies zusätzlich berücksichtigt,
erreicht man über alle beobachteten Jahre eine Übereinstimmung von 100%.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 109
Vorhandensein von Versichertenangaben auf den Rezepten
Insgesamt waren die Versichertenangaben auf den Rezepten zu einem sehr
hohen Prozentsatz vorhanden. Auf 2 Rezepten (0,1%) wurde der Name der
Krankenkasse und auf 10 (0,5%) die Krankenkassennummer nicht eingetragen.
Die Versichertennummer fehlte auf 16 (0,8%), das Geburtsdatum auf einem
(0,05%) und die Anschrift auf keinem der gesichteten Rezepte.
Erfassung der Versichertennummer im Jahr 2006
Bei den 299 verfügbaren Rezepten stimmten auf 295 die Versichertennummern
der Rezepte direkt mit den der GEK vorliegenden Routinedaten überein. Auf
einem Rezept fehlte die Versichertennummer, diese wurde vom Krankenkassen-
rechenzentrum allerdings während der Datenaufbereitung über Namen, Adresse
und Geburtsdatum zugespielt. Die anderen drei Nicht-Übereinstimmungen
resultierten daraus, dass die Versicherten mit einer nicht mehr aktuellen
Krankenversichertenkarte abgerechnet wurden und vom Krankenkassenrechen-
zentrum die Versichertennummer der aktuellen Karte zugespielt wurde.
Insgesamt waren somit nach den Änderungen durch das Krankenkassenrechen-
zentrum die Versichertennummern aller gesichteten Rezepte formal korrekt.
Erfassung von PZN, Preis und Faktor im Jahr 2006
Auf den 299 verfügbaren Images fanden sich insgesamt 428 Positionen. Der
Faktor wurde auf allen gesichteten Verordnungen korrekt erfasst. Bei 4
Positionen stimmten die Variablen PZN oder Preis nicht zwischen den
gesichteten Rezepten und den in Routinedaten befindlichen Angaben überein.
Es handelte sich allerdings bei allen Unterschieden um nachträgliche
Änderungen des Krankenkassenrechenzentrums. Solche Änderungen können
über die der GEK auch zur Rezeptsichtung vorliegende Software rückverfolgt
werden. Dies geschah für die betreffenden Rezepte durch eine Mitarbeiterin der
GEK.
Beim ersten Rezept (id: 53) wurde „1 Blutdruckmessgerät wegen Hypertonie“
verordnet. Die Apotheke druckte die PZN 1456883 (Omron M5-I Oberarm
Blutdruckmessgerät) auf und berechnete einen Bruttopreis von 77,11 Euro. In
den uns vorliegenden Routinedaten wurde die PZN auf 9999028 (Hilfsmittel
ohne PZN) und der Preis auf 50,41 Euro geändert. Es wurde allerdings die
Hilfsmittelpositionsnummer 21.28.01.2022 zugespielt, welche nach dem Hilfs-
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 110
mittelverzeichnis ebenfalls diesem Produkt entspricht. Das nächste Rezept (id:
84) enthielt im Verordnungstext bei der entsprechenden Position „Omeprazol 20
mg Kps. 50 St.“ ohne Verwendung des Aut-idem-Feldes. Die Apotheke, die in
diesem Fall zur Abgabe eines der drei günstigsten Generika verpflichtet ist, gab
Omeprazol ratiopharm (PZN: 0913887) bei einem Bruttopreis von 44,44 Euro ab.
Eine Retaxierung geschah durch das Krankenkassenrechenzentrum auf den in
Routinedaten vorliegenden Preis von 43,94 Euro, gleichzeitig wurde allerdings
auch die PZN ersetzt auf 1508597, was Omeprazol- 1A Pharma entspricht.
Weiterhin wurde die Position „MACROGOL HEXAL BEU (50ST) 1 OP“ ohne
Verwendung des Aut-idem-Feldes verordnet (id: 102). Die Apotheke gab dieses
Präparat ab und berechnete einen Preis von 26,49 Euro, der in Routinedaten auf
18,53 Euro retaxiert wurde. Bei der letzten relevanten Verordnung (id: 199)
handelt es sich um ein „MOSQUITO LAEUSE WASCHMITT 100MLFLU“,
welches auch von der Apotheke bei einem Bruttopreis von 10,30 Euro
abgerechnet wurde. In Routinedaten wurde dieser Betrag auf 8,99 Euro retaxiert.
4.2.2.3 Diskussion
In einer Stichprobe von 2.097 auswertbaren Rezepten wurde die Erfassungs-
qualität von Informationen in Arzneimittelroutinedaten der GKV über die Jahre
2000 bis 2006 überprüft. Generell wurden die beiden abrechnungsrelevanten
Angaben Arztnummer und Apotheken-IK unabhängig vom Jahr in sehr hoher
Qualität eingelesen. Auffällig sind die Ergebnisse erneut beim Abgabedatum,
das bis 2003 in den seltensten Fällen erfasst wurde. Eine erhebliche
Veränderung trat zu Beginn des Jahres 2004 auf, als diese Variable ein
Pflichtfeld wurde, dessen Inhalt seitdem an die Krankenkassen übermittelt
werden muss. Diese Entwicklung vollzog sich allerdings nicht in allen
Rechenzentren in gleichem Umfang, besonders die beiden in dieser Stichprobe
größten Rechenzentren lieferten im Verlauf zwischen 2004 und 2006
vergleichsweise schlecht erfasste Abgabetage. Dies untermauert die in Abschnitt
4.2.1 vorgestellten Ergebnisse der Analyse aus dem Jahr 2005. Solche
Varianzen zwischen den Rechenzentren bei einer einzelnen Variable waren
zunächst unerwartet, da bisher weder ein Vergleich zwischen den
Rechenzentren noch Untersuchungen zur Erfassungsqualität überhaupt
existieren und somit keine Diskussionsbasis vorlag. Zur Zeit gibt es auch
keinerlei Möglichkeiten, eine hohe Datenqualität bei allen Variablen einzufordern.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 111
Die technischen Anlagen zur Datenübermittlung regeln zwar, welche Angaben
als Pflichtfelder an die Krankenkassen geliefert werden müssen; mit welcher
Qualität das zu geschehen hat, ist allerdings nirgends definiert. Insgesamt
überrascht es, wenn in einem so entscheidenden Teilstück des „Datenhighways“,
über den jährlich immerhin 25 Mrd. Euro zu Lasten der Solidargemeinschaft der
GKV bewegt werden, so wenig Transparenz herrscht.
In dieser Studie konnten die bereits in Abschnitt 4.2.1.2 für 2005 gezeigten
Muster der Rechenzentren bei fehlerhaften Datumsangaben zum größten Teil
auch für weitere Jahre repliziert werden. Über alle 7 Jahre wurden beispiels-
weise fehlerhafte Verordnungstage von der VSA auf den 5., 15. oder 25. gesetzt.
Auffällig ist erneut, dass der überwiegende Teil der fehlerhaften Abgabetage das
in Routinedaten befindliche Verordnungsdatum enthält.
Bei der Analyse von Arzneimittelroutinedaten für Forschungszwecke arbeitet
man zwangsläufig mit Proxies bzw. Surrogaten. Das Ausstellen eines Rezeptes
ist (idealerweise) ein Proxy für eine Erkrankung, das Einlösen wiederum stellt
einen Proxy für die Einnahme dar (Schneeweiss, 2007a). Da zwischen
Ausstellen und Abgabe des Rezepts theoretisch bis zu 30 Tage liegen können,
ist das Abgabedatum für Analysen die am besten geeignete Variable. Für
Studien zur Arzneimittelsicherheit, wenn Nebenwirkungen oder Wechsel-
wirkungen ausgewertet werden (z.B. Ahrens et al., 2007; Höer et al., 2007), ist
die korrekte Erfassung des Abgabedatums damit eine wichtige Voraussetzung.
Eine taggenaue Übereinstimmung ist für Analysen zur Arzneimittelversorgung,
wenn beispielsweise untersucht wird, wie viele Personen im Einjahreszeitraum
ein bestimmtes Medikament erhalten (z.B. Bramesfeld et al., 2007a und 2007b;
Fegert et al., 2006), weniger relevant. Sind für bestimmte Studien möglichst
valide Angaben zum Abgabedatum erforderlich, können Rezeptsichtungen ein
gangbarer Weg sein, Schwächen der Erfassungsqualität auszugleichen. Eine
valide Aussage zur Arztnummer bzw. der zusätzlich auf dem Rezept befindlichen
Informationen zur Facharztgruppenzugehörigkeit in Routinedaten ist beispiels-
weise dann notwendig, wenn arztspezifische Einsparpotentiale quantifiziert
werden oder wenn analysiert wird, welche Facharztgruppen bestimmte
(Spezial)präparate verordnen.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 112
Für Vertragsärzte ist die korrekte Erfassung der Arztnummer im Rahmen der
Wirtschaftlichkeitsprüfungen relevant. Diese Voraussetzung ist bei einer konstant
hohen Übereinstimmung zwischen 97,7% bis 99,7% erfüllt. Die wenigen falsch
erfassten Arztnummern resultieren hauptsächlich daraus, dass sich in der
Codierzeile des Rezeptes eine andere Arztnummer als im Stempel bzw. der
Kopfzeile befand. Vertragsärzte sollten zwar nur die Rezepte mit ihrer
Arztnummer verwenden, allerdings scheint das in der technischen Anlage
vorgeschriebene Vorgehen, bei nicht lesbarer bzw. fehlender Arztnummer die
Nummer aus der Codierzeile und erst danach diejenige aus dem Arztstempel zu
verwenden, nicht optimal. Die Angaben im Stempel, der heutzutage häufig direkt
aufs Rezept gedruckt wird, sind sicherlich als aktueller anzusehen als die
Arztnummer in der Codierzeile, deren Änderung die Neubestellung von
Rezepten notwendig macht und damit größeren Aufwand bedeutet als die
Umstellung der eigenen Software.
Der Vergleich des auf dem Rezept befindlichen Institutskennzeichens der
Apotheke wird durch die Abrechnung von Filialapotheken über die
Hauptapotheke erheblich erschwert. Da auf das Rezept das Apotheken-IK der
Filiale gedruckt wird, welches später in der Abrechnung allerdings verschwindet,
ist eine Überprüfung nicht ohne zusätzliche Daten über die Apotheke möglich.
Außerdem kann es dadurch zu Fehlschlüssen kommen, da in Routinedaten eine
Unterscheidung zwischen den räumlich und personell getrennten Apotheken
nicht mehr möglich ist. Grundsätzlich erscheint die bisher praktizierte Lösung
ausschließlich für Abrechnungszwecke sinnvoll. Im Jahr 2004 gab es in
Deutschland 632 und in 2006 bereits 1.796 Filialapotheken19, was bereits 8%
aller Apotheken entspricht. Da zu erwarten ist, dass sich dieser Trend über die
nächsten Jahre fortsetzen wird, sollte hier nach einer transparenteren Lösung
gesucht werden.
Weiterhin wurde die Erfassung der forschungsrelevanten Variablen Versicherten-
nummer, PZN, Bruttopreis und Faktor für das Jahr 2006 untersucht. Die
Versichertennummer war nach einzelnen Änderungen durch das Kassenrechen-
zentrum bei allen Rezepten der Stichprobe in den Routinedaten korrekt. Da die
PZN eine interne Prüfziffer enthält und diese auch von den Apothekenrechen- 19 http://www.abda.de/module/zdf2/images/thumb/1178694968.jpg (letzter Zugriff: 07.03.2008)
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 113
zentren abgeglichen werden sollte, müsste erwartungsgemäß eine hohe
Erfassungsqualität vorliegen. Dies war auch bei den gesichteten Rezepten der
Fall. Allerdings wurde bei einem Arzneimittel nach der Retaxierung auch die
Pharmazentralnummer geändert. Obwohl der Wirkstoff gleich blieb, kann ein
solches Vorgehen problematisch sein. Allerdings scheint dies nur in seltenen
Einzelfällen vorzukommen und eine Rückfrage beim Krankenkassenrechen-
zentrum ergab, dass bei Retaxierungen in der Regel die PZN nicht geändert
wird. Alle Unterschiede bei den Preisen zwischen Rezept und Routinedaten
resultierten aus Retaxierungen. Da der retaxierte Preis auch tatsächlich die
Basis für die von der Krankenkasse erstatteten Kosten ist, ergeben sich dadurch
bei Kostenanalysen keinerlei Einschränkungen. Allerdings stimmen die in
Routinedaten befindlichen Bruttopreise dann nicht mehr mit den Referenzpreisen
der Lauer-Taxe überein. Der Anteil Rezepte, bei denen der Bruttopreis verändert
wurde, kann nicht auf andere Krankenkassen extrapoliert werden, da die mittels
Routinedaten durchgeführten Prüfstrategien kassenindividuell variieren.
Möglicherweise wird sich das Problem falsch erfasster Rezeptdaten in Zukunft
von selbst lösen, sobald die elektronische Gesundheitskarte flächendeckend
eingeführt ist und das elektronische Rezept (§291a Abs. 2 SGB V) Akzeptanz in
der Versichertengemeinschaft und bei den Leistungserbringern gefunden hat.
Trotzdem werden auch nach der Einführung der elektronischen Gesundheits-
karte weiterhin Routinedaten der Vorjahre für Forschungszwecke Verwendung
finden, womit die hier beschriebenen Probleme nicht sofort ihre Bedeutung
verlieren werden und besonders für Längsschnittanalysen relevant bleiben.
Einige Limitationen der gewählten Vorgehensweise müssen berücksichtigt
werden, die teilweise bereits in Abschnitt 4.2.1 diskutiert wurden. Wichtig
festzuhalten ist die geringe Fallzahl der Rezepte einzelner Rechenzentren, die
pro Jahr und Rechenzentrum zwischen 21 und 104 lagen. Wird das VSA nicht
berücksichtigt, rechneten die anderen Institutionen maximal 39 Rezepte pro Jahr
ab. Diesen geringen Fallzahlen fehlt die Power, relevante Unterschiede
zwischen den Rechenzentren aufzudecken, dies zeigt sich auch in den breiten
Konfidenzintervallen in Abbildung 17. Hauptziel der Studie war allerdings, den
grundlegenden Trend der Erfassungsqualität über die Jahre abzubilden.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 114
Mit der vorgestellten Untersuchung liegen für Deutschland erstmalig
systematische Informationen zur Erfassungsqualität aller forschungs- und
abrechnungsrelevanten Variablen in Arzneimittelroutinedaten vor. Es bleibt
grundsätzlich festzuhalten, dass abrechnungsrelevante Informationen in
Arzneimittelroutinedaten mit sehr hoher Qualität erfasst sind. Die Erfassungs-
qualität des Verordnungsdatums steigerte sich im Beobachtungszeitraum
zwischen 2000 und 2006 stetig, was sich durch eine geringere Anzahl
handschriftlicher Rezepte bei gleichzeitig besserer Erfassung der solchen
erklären ließ. Das Abgabedatum enthält erst ab dem Jahr 2004 brauchbare
Werte und es ließen sich Unterschiede zwischen den Apothekenrechenzentren
finden.
4.2.3 Erfassungsqualität bei Betäubungsmittelrezepten und Muster 16 im Jahr 2006
Wie bereits aus dem in Abschnitt 4.1 beschriebenen Weg eines Rezeptes
hervorgeht, können über Apotheken zu Lasten der GKV abgerechnete
Positionen auf zwei verschiedenen Verordnungsblättern verschrieben werden.
Es handelt sich um die Muster-16-Rezepte für Hilfsmittel und Arzneimittel sowie
um Betäubungsmittelrezepte. In Abbildung 20 sind die Verordnungs- und
Abgabetage aller im Jahr 2006 zu Lasten der GEK abgerechneten Muster-16
und Betäubungsmittelrezepte, selektiert nach dem Betäubungsmittelkenn-
zeichen, dargestellt. Es zeigen sich bei den Betäubungsmitteln noch deutlich
auffälligere Peaks als bei den Muster-16-Rezepten. Bei einer Gleichverteilung
über alle 31 möglichen Tage, würden pro Tag etwa 3,2% der Rezepte verordnet
bzw. eingelöst. Am 5. (8,8%), 16. (10,7%) sowie 25. (6,6%) zeigen sich
besonders auffällige Häufungen beim Verordnungsdatum von Betäubungs-
mitteln. Betrachtet man diese Ergebnisse im Kontext der bereits untersuchten
Muster der Apothekenrechenzentren mit fehlerhaften Werten umzugehen, liegt
auch bei diesen Peaks die Vermutung nahe, dass es sich um Artefakte handelt,
die von diesen Institutionen generiert wurden.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 115
Abbildung 20: Verteilung des Verordnungsdatums (A) sowie des Abgabedatums (B) von Muster 16 und Betäubungsmittelrezepten in Routinedaten der GEK im Jahr 2006
Zudem wurde bei nicht systematischen Sichtungen von Betäubungsmittel-
rezepten und dem Abgleich mit den Werten in Routinedaten ein hoher Anteil
Fehler beim Verordnungs- und Abgabedatum, aber auch bei der Vertragsarzt-
nummer gefunden. Da jedoch nur 1,4% aller zu Lasten der GEK abgerechneten
Verordnungsblätter (2005 und 2006) Betäubungsmittelrezepte sind, waren die
Stichprobenumfänge der in den Abschnitten 4.2.1 und 4.2.2 vorgestellten
Studien insgesamt zu klein, um Aussagen zu Betäubungsmittelrezepten sowie
einen Vergleich zu Muster-16-Rezepten durchführen zu können.
Für Forschungszwecke ist besonders das korrekte Abgabedatum von Relevanz
und es ist wichtig einschätzen zu können, bei welchen Rezepten mit hoher
Wahrscheinlichkeit ein Erfassungsfehler vorliegt. Da im täglichen Umgang mit
Routinedaten nicht immer die Möglichkeit zu Rezeptsichtungen besteht, ist es
sinnvoll, Hinweise aus den in Routinedaten vorhandenen Informationen zu
gewinnen, die auf solche Fehler hindeuten.
Die im folgenden Abschnitt beschriebene Studie hat das Ziel, die Erfassungs-
qualität zwischen Muster 16 und Betäubungsmittelrezepten auch in Abhängigkeit
der Apothekenrechenzentren zu vergleichen. Weiterhin sollen in Routinedaten
befindliche Variablen identifiziert werden, die mit einer fehlerhaften Erfassung
des Abgabedatums assoziiert sind.
4.2.3.1 Methodik
Datengrundlage und Studienablauf
Das grundlegende methodische Vorgehen ist mit den in den Abschnitten 4.2.1
und 4.2.2 beschriebenen Studien vergleichbar. Für diese Untersuchung wurden
Routinedaten der Gmünder ErsatzKasse (GEK) aus dem Jahr 2006 genutzt. In
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 116
diesem Zeitraum wurden 7,2 Mio. Rezepte in Apotheken abgerechnet, davon
99.292 Rezepte (1,4%) mit Verordnungen von Betäubungsmitteln.
Aus diesen Routinedaten wurde eine einfache Zufallsstichprobe von 600
Betäubungsmittelrezepten und 600 Muster-16-Rezepten gezogen. Die
eingescannten Rezepte wurden von einer Mitarbeiterin der GEK in deren
Räumen gesichtet. Diese erhielt ausschließlich die Belegnummer des Rezeptes
und war gegenüber den Angaben in Routinedaten verblindet. Sie erfasste das
auf dem Rezept befindliche Verordnungs- und Abgabedatum sowie die
Vertragsarztnummer. Diese Angaben dienten beim Vergleich mit Routinedaten
als Goldstandard. Auf die Erfassung des Institutskennzeichens der Apotheke
wurde aufgrund der in Abschnitt 4.2.2 beschriebenen Problematik mit
Filialapotheken verzichtet. Weiterhin wurde erfasst, wie die Datumsangaben
eingetragen wurden (gedruckt, gestempelt oder handgeschrieben). Die
Arztnummer wurde aus dem Verordnungskopf übertragen, waren einzelne
Ziffern nicht lesbar, wurden diese (bei Muster-16-Rezepten) aus der Codierzeile
bzw. aus dem Arztstempel übernommen.
Beim Vergleich zwischen Routinedaten und Rezeptangaben wurden
grundsätzlich alle Arztnummern auf die sieben relevanten Stellen gekürzt und
um Sonderzeichen ("-", "/") bereinigt. Nach umfangreichen Plausibilitäts-
prüfungen wurden, um Übertragungsfehler zu minimieren, alle auffälligen
Rezepte erneut gesichtet. Im Einzelnen war dies der Fall, wenn
• der Abstand zwischen Verordnung und Abgabe auf dem Rezept 30 Tage
oder mehr betrug,
• die Abgabe laut Rezept vor der Verordnung erfolgte,
• der Abstand zwischen Angaben auf dem Rezept und in den Routinedaten
beim Abgabedatum oder Verordnungsdatum 30 Tage oder mehr betrug oder
• Unterschiede bei der Arztnummer zwischen beiden Datenquellen existierten.
Da das Abgabedatum für Forschungsfragen im Vergleich zum Verordnungs-
datum von höherer Relevanz ist, wurde weiterhin untersucht, mit welchen in
Routinedaten vorhandenen Variablen eine fehlerhafte Erfassung des Abgabe-
datums assoziiert ist. Für diese Analysen wurden Muster-16-Rezepte mit einem
Faktor von 0,986 und Betäubungsmittelrezepte mit 0,014 gewichtet. Durch diese
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 117
Gewichtung lassen sich repräsentative Aussagen für alle Rezepte der GEK im
Jahr 2006 machen.
Statistische Analyse
Die formale Übereinstimmung zwischen beiden Datenquellen wurde in Prozent
angegeben. Die Schätzung dazugehöriger 95% Konfidenzintervalle (95% KI)
geschah nach der Methode von Wilson (Altman et al., 2000; Tobi et al., 2005).
Um zu prüfen, ob Unterschiede zwischen Betäubungsmittelrezepten und Muster
16 existieren, wurden Chi-Quadrat-Tests ohne Kontinuitätskorrektur verwendet.
Wenn mindestens eine der erwarteten Häufigkeiten weniger als 5 betrug und
damit die Voraussetzung für einen Chi-Quadrat-Test nicht erfüllt war (Rosner,
1990), wurde Fisher’s exakter Test verwendet. Die Prüfung der statistischen
Signifikanz geschah auf einem Niveau von 5%, sich nicht überschneidende 95%
KI wurden ebenfalls als statistisch signifikant angesehen.
Um Assoziationen zwischen den unabhängigen Variablen und Fehlern beim
Abgabedatum zu untersuchen, wurden mittels multivariater logistischer
Regression Odds Ratios (ORs) geschätzt. Rohe ORs wurden mittels univariater
logistischer Regression berechnet. Alle Variablen, die in der univariaten
logistischen Regression auf einem Niveau von p≤0.05 statistisch signifikant
waren, wurden in das abschließende Modell aufgenommen (adjustierte ORs). In
weiteren Analysen wurden verschiedene Wechselwirkungen untersucht.
Wechselwirkungen wurden allerdings nur ins Modell aufgenommen, wenn sie
den Fit, gemessen an den Differenzen der Deviance, erheblich verbesserten,
d.h. der Likelihood Ratio Test Werte von p≤0.05 lieferte. Die Auswertungen
wurden mit SAS für Windows in der Version 9.1 (SAS Institute Inc., Cary, NC)
durchgeführt. Um die Gewichtung bei der Berechnung der Varianzen zu
berücksichtigen, wurde die Prozedur PROC SURVEYLOGISTIC für die
logistische Regression verwendet.
Um die Performance der Modelle anzugeben, wurde die „area under the receiver
operating characteristic“ (ROC) Kurve bzw. c-Statistik verwendet. Die c-Statistik
ist ein mathematisches Maß der Diskriminierung und gibt damit an, wie gut ein
Modell zwischen Ereignissen und Nicht-Ereignissen unterscheiden kann. Die c-
Statistik kann Werte zwischen 0,5 und 1 annehmen, wobei 0,5 eine Prädiktion
per Zufall und 1 als theoretisches Maximum eine perfekte Diskriminierung
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 118
bedeutet. Das heißt, allen Beobachtungen mit Zielereignis wird auf Basis des
Modells eine höhere Eintrittswahrscheinlichkeit vorhergesagt als Beobachtungen
ohne Zielereignis (Cook, 2007). Werte der c-Statistik zwischen 0,7 und 0,8
werden generell als akzeptabel angenommen. Werte zwischen 0,8 und 0,9
werden als exzellent bewertet, wobei höhere Ergebnisse in Studien kaum
erreicht werden (Schneeweiss et al., 2004).
4.2.3.2 Ergebnisse
Vergleich der Erfassungsqualität
Von den insgesamt 1.200 Rezepten konnte das Image von einem Muster 16
nicht gefunden werden. Auf weiteren 29 Rezepten fehlte mindestens eine
relevante Information (Verordnungsdatum, Abgabedatum, Arztnummer) oder war
nicht lesbar. Die Hauptergebnisse des Vergleichs zwischen Muster 16 und
Betäubungsmittelrezepten sind in Tabelle 21 dargestellt. Es zeigt sich, dass auf
Betäubungsmittelrezepten sowohl das Verordnungsdatum (68,1% vs. 92,5%;
p<0,0001) wie auch das Abgabedatum (61,8% vs. 85,5%; p<0,0001) schlechter
erfasst waren als auf Muster-16-Rezepten. Auffällig sind erneut die großen
Unterschiede zwischen den Apothekenrechenzentren, die besonders bei der
Erfassung von Betäubungsmittelrezepten auffallen. Sie variieren beim
Verordnungsdatum zwischen 47,6% und 85,7% sowie beim Abgabedatum
zwischen 41,2% und 98,3%. Auch zwischen den 4 größten Institutionen fanden
sich Unterschiede in der Erfassungsqualität, wobei die VSA als größtes
Apothekenrechenzentrum bei beiden Variablen die schlechtesten Ergebnisse
lieferte. So erfasst die VSA das Verordnungsdatum bei Betäubungsmittel-
rezepten statistisch signifikant und auffällig seltener korrekt als alle anderen
Apothekenrechenzentren (56,1% vs. 73,3%; p<0,0001). Auch beim Abgabe-
datum von Betäubungsmittelrezepten zeigt die VSA eine schlechtere
Erfassungsqualität als alle anderen Apothekenrechenzentrum gemeinsam
(41,2% vs. 70,8%; p<0,0001).
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 119
Betäubungsmittelrezept
(n=600) Muster 16 (n=599)
p-Wert
Übereinstimmung Verordnungsdatum (gesamt) 68,1% [95% KI: 64,2-71,7] 92,5% [95% KI: 90,1-94,3] p<0,0001
VSA1) (n=361) 56,1% [95% KI: 48,8-63,2] 87,8% [95% KI: 82,3-91,8] p<0,0001 NARZ2) (n=184) 80,6% [95% KI: 71,9-87,1] 95,1% [95% KI: 88,0-98,1] p=0,0038 ARZ Haan3) (n=160) 82,4% [95% KI: 72,9-89,0] 97,3% [95% KI: 90,8-99,3] p=0,0022 ARZ Darmstadt4) (n=124) 69,0% [95% KI: 56,2-79,4] 95,5% [95% KI: 87,5-98,4] p<0,0001 AVP5) (n=110) 50,9% [95% KI: 38,3-63,4] 90,6% [95% KI: 79,7-95,9] p<0,0001 Dr. Carl Carstens6) (n=94) 73,5% [95% KI: 59,7-83,8] 97,8% [95% KI: 88,4-99,6] p=0,0009 Dr. Güldener7) (n=55) 47,6% [95% KI: 28,3-67,6] 79,4% [95% KI: 63,2-89,7] p=0,0146 Sonstige (n=104) 85,7% [95% KI: 72,2-93,3] 98,4% [95% KI: 91,4-99,7] p=0,017* Übereinstimmung Abgabedatum (gesamt) 61,8% [95% KI: 57,8-65,7] 85,5% [95% KI: 82,5-88,1] p<0,0001
VSA1) (n=357) 41,2% [95% KI: 34,3-48,6] 78,3% [95% KI: 71,8-83,7] p<0,0001 NARZ2) (n=184) 72,5% [95% KI: 63,2-80,3] 93,9% [95% KI: 86,5-97,4] p=0,0002 ARZ Haan3) (n=158) 50,6% [95% KI: 40,1-61,1] 86,7% [95% KI: 77,2-92,6] p<0,0001 ARZ Darmstadt4) (n=124) 98,3% [95% KI: 90,9-99,7] 95,5% [95% KI: 87,5-98,4] p=0,62* AVP5) (n=109) 80,4% [95% KI: 68,2-88,7] 86,8% [95% KI: 75,2-93,5] p=0,37 Dr. Carl Carstens6) (n=92) 79,2% [95% KI: 65,7-88,3] 95,5% [95% KI: 84,9-98,7] p=0,02 Dr. Güldener7) (n=54) 42,9% [95% KI: 24,5-63,5] 75,8% [95% KI: 59,0-87,2] p=0,01 Sonstige (n=101) 59,0% [95% KI: 43,4-72,9] 80,6% [95% KI: 69,1-88,6] p=0,02 Gedrucktes Verordnungsdatum 93,1% [95% KI: 90,8-94,9] 94,3% [95% KI: 92,1-95,9] p=0,40 Übereinstimmung Arztnummer 98,0% [95% KI: 96,5-98,9] 98,8% [95% KI: 97,6-99,4] p=0,25 * - Fisher’s exakter Test 1) - VSA Verrechnungsstelle der Süddeutschen Apotheken GmbH 2) - Norddeutsches Apothekenrechenzentrum NARZ 3) - Apothekenrechenzentrum Service GmbH, Haan 4) - Apothekenrechenzentrum GmbH, Darmstadt 5) - AVP Apotheken Abrechnungstreuhand von Platen 6) - Apotheken-Verrechnungsstelle Dr. Carl Carstens GmbH & Co. KG 7) - Apotheken u. Ärzte Abrechnungszentrum Dr. Güldener KG
Tabelle 21: Vergleich zwischen Betäubungsmittelrezepten und Muster 16 in der GEK im Jahr 2006
Auffällig ist besonders die hohe Erfassungsqualität des Abgabedatums beim
Rechenzentrum in Darmstadt, wobei zwischen Betäubungsmittelrezepten und
Muster 16 keinerlei Unterschiede zu finden sind (98,3% vs. 95,5%), obwohl diese
Institution das Verordnungsdatum auf Muster-16-Vordrucken schlechter erfasst
als auf Betäubungsmittelrezepten (69,0% vs. 95,5%).
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 120
Betäubungsmittelrezepte wurden in dieser Stichprobe des Jahres 2006 nicht
häufiger handschriftlich ausgefüllt als Muster-16-Rezepte. Eine seltenere
korrekte Erfassung der Vertragsarztnummer zwischen beiden Verordnungs-
vordrucken ließ sich in dieser Untersuchung nicht finden (p=0,25).
Von den insgesamt 235 Rezepten mit fehlerhaftem Verordnungsdatum wurden
101 von der VSA abgerechnet. Davon war bis auf ein Rezept das Verordnungs-
datum auf allen anderen (n=100; 99,0%) auf den 5., 15. oder 25. eines Monats
gesetzt. Vom NARZ, dem Apothekenrechenzentrum GmbH Darmstadt sowie der
Apotheken-Verrechnungsstelle Dr. Carl Carstens GmbH & Co. KG konnten
insgesamt 59 Rezepte mit fehlerhaftem Verordnungsdatum untersucht werden.
Hiervon enthielten 50 (84,7%) in Routinedaten den 16. des Monats. Auf 16 der
17 (94,1%) Rezepte mit fehlerhaftem Verordnungstag wurde vom Apotheken-
rechenzentrum Service GmbH in Haan das Verordnungsdatum auf den letzten
Tag des Monats gesetzt. Kein eindeutiges Muster ließ sich bei den 33 bzw. 18
eingeschlossenen Rezepten der Apotheken Abrechnungstreuhand von Platen
(AVP) bzw. des Apotheken u. Ärzte Abrechnungszentrums Dr. Güldener KG
identifizieren.
Von den insgesamt 309 Rezepten mit fehlerhaft erfasstem Abgabedatum waren
93,2% (n=288) der Abgabetage auf das in Routinedaten befindliche
Verordnungsdatum gesetzt. Auch bei der AVP folgten drei Viertel (14 von 18) der
eingeschlossenen Rezepte diesem Schema. Unterschiede der Algorithmen
zwischen Muster 16 und Betäubungsmittelrezepten ließen sich nicht finden.
Fehler beim Abgabedatum und assoziierte Variablen
Gewichtet auf alle Rezepte der GEK im Jahr 2006 ergab sich aus den insgesamt
1.179 eingeschlossenen Rezepten, von denen Informationen zum Abgabedatum
verfügbar waren, eine Gesamtzahl von 595 Rezepten. Basierend auf einer
gewichteten Anzahl von 88 fehlerhaft erfassten Abgabetagen lag die Fehlerquote
insgesamt bei 14,8% im untersuchten Jahr 2006. Die Ergebnisse der
logistischen Regression mit rohen Odds Ratios sind in Tabelle 22 dargestellt. Es
zeigte sich, dass Betäubungsmittelrezepte schlechter erfasst wurden als Muster-
16-Vordrucke (OR: 3,66; 95% KI: 2,75-4,85). Ebenso lag ein höherer Anteil
Fehler vor, wenn das Rezept laut Routinedaten am Verordnungstag eingelöst
wurde und es konnten Unterschiede zwischen den Apothekenrechenzentren
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 121
gefunden werden. Keinen Einfluss auf die fehlerhafte Erfassung hatte allerdings,
ob das Rezept im ersten oder zweiten Halbjahr 2006 verordnet wurde.
Odds Ratio [95% KI] Variable Anteil Fehler Roh Rezept Muster 16 14,5% 1 Betäubungsmittelrezept 38,2% 3,66 [2,75-4,85] Abgabe laut Routinedaten am Verordnungstag Nein 6,1% 1 ja 18,6% 3,51 [1,83-6,72] Zeitpunkt der Verordnung 1. Halbjahr 2006 15,5% 1,13 [0,72-1,75] 2. Halbjahr 2006 14,0% 1 Apothekenrechenzentrum NARZ1) 6,5% 1 VSA2) 22,2% 4,12 [1,66-10,26] ARZ Haan3) 13,9% 2,33 [0,81-6,70] ARZ Darmstadt4) 4,5% 0,68 [0,16-2,86] AVP5) 13,3% 2,22 [0,70-7,00] Sonstige 16,0% 2,76 [1,06-7,18] 1) - Norddeutsches Apothekenrechenzentrum NARZ 2) - VSA Verrechnungsstelle der Süddeutschen Apotheken GmbH 3) - Apothekenrechenzentrum Service GmbH, Haan 4) - Apothekenrechenzentrum GmbH, Darmstadt 5) - AVP Apotheken Abrechnungstreuhand von Platen
Tabelle 22: Univariate logistische Regression für Variablen, die mit Fehlern beim Abgabedatum im Jahr 2006 assoziiert sind
Aufgrund der Komplexität der Daten und der nach Rechenzentren unter-
schiedlichen Erfassungsqualität einerseits und andererseits der verschiedenen
Muster mit fehlerhaften Verordnungstagen umzugehen, was wiederum einen
Einfluss auf das Abgabedatum haben kann, wurde in Tabelle 22 nur die
univariate logistische Regression dargestellt. Aufgrund dieser Komplexität
hätten, um mit dem Modell die Daten befriedigend zu erklären, diverse
höhergradige Wechselwirkungsterme definiert werden müssen. Eine
grundlegende Schwierigkeit eines solchen Vorgehens ist, dass die Interaktionen
(z.B. Rechenzentrum=VSA x Abgabe laut Routinedaten am Verordnungstag x
Verordnung erfolgte am 5., 15. oder 25.) bei verschiedenen Wechselwirkungen
in Abhängigkeit der Rechenzentren schwierig zu interpretieren sind und damit
nicht unbedingt praxistauglich erscheinen. Zudem befinden sich in der Kategorie
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 122
der sonstigen Rechenzentren bezogen auf den Umgang mit fehlerhaften
Abgabetagen offenbar heterogene Vorgehensweisen, so dass der Erklärungs-
wert des Modells dadurch eingeschränkt wäre. Deshalb wurde ausschließlich für
die Verrechnungsstelle der Süddeutschen Apotheken GmbH, welche auch in
dieser Studie etwa ein Drittel der Rezepte elektronisch erfasste, zusätzlich eine
multivariate logistische Regression durchgeführt. Diese hatte zum Ziel, ein
möglichst praxistaugliches Vorgehen mit einem hohen Erklärungswert zu finden,
um Fehler beim Abgabedatum in Routinedaten zu identifizieren.
Odds Ratio [95% KI] Variable Anteil Fehler Roh Adjustiert Rezept Muster 16 21,7% 1 1 Betäubungsmittelrezept 58,8% 5,15 [3,23-8,20] 3,12 [1,85-5,27] Abgabe laut Routinedaten am Verordnungstag Nein 4,4% 1 1 Ja 28,0% 8,38 [1,95-36,04] 9,33 [1,78-48,87] Verordnung laut Routinedaten am 5., 15. oder 25. Nein 15,1% 1 1 Ja 52,7% 6,27 [2,83-13,93] 6,70 [2,85-15,76] Zeitpunkt der Verordnung 1. Halbjahr 2006 20,8% 0,86 [0,43-1,73] 2. Halbjahr 2006 23,3% 1 n.s.
Tabelle 23: Logistische Regression für Variablen, die bei der VSA mit Fehlern beim Abgabedatum in 2006 assoziiert sind
Gewichtet ergab sich aus den 357 eingeschlossenen eine Gesamtzahl von 180
Rezepten. Basierend auf einer gewichteten Anzahl von 40 fehlerhaft erfassten
Abgabetagen lag die Fehlerquote insgesamt bei 22,2% im untersuchten Jahr
2006. Die Ergebnisse der logistischen Regression mit rohen und adjustierten
Odds Ratios sind in Tabelle 23 dargestellt. Die eingeschlossenen Variablen sind
weitgehend mit denen in Tabelle 22 vergleichbar. Da in den bereits
beschriebenen Untersuchungen gezeigt wurde, dass ein falsch erfasstes
Verordnungsdatum auch mit einem fehlerhaften Abgabedatum assoziiert ist,
wurde zusätzlich nach einem über Routinedaten selbst generierbaren Proxy für
dieses Ereignis gesucht. Da ein Großteil der fehlerhaften Verordnungstage der
VSA auf den 5., 15. oder 25. gesetzt wird, wurde diese zusätzliche Variable
definiert. Sie zeigt bereits in der univariaten Regression einen starken Einfluss
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 123
auf die fehlerhafte Erfassung des Abgabedatums (OR: 6,27; 95% KI: 2,83-
13,93).
Im multivariaten Modell führt der Einschluss der drei Variablen Rezept (Muster
16 vs. Betäubungsmittelrezept), Abgabe laut Routinedaten am Verordnungstag
(Nein vs. Ja) sowie Verordnung laut Routinedaten am 5., 15. oder 25. (Nein vs.
Ja) insgesamt zu einer Reduktion der Deviance im Vergleich zum rohen Modell
von 33,83 bei 3 Freiheitsgraden (d.f.) (p<0,0001). Im Vergleich zum rohen
Modell, welches ausschließlich den Interceptparameter enthält, wurde durch den
Einschluss der Variable Verordnung laut Routinedaten am 5., 15. oder 25. (Nein
vs. Ja) mit 19,59 (1 d.f.; p<0,0001) die größte Veränderung der Deviance
erreicht. Die zusätzliche Berücksichtigung des Zeitpunktes der Verordnung (1.
Halbjahr 2006 vs. 2. Halbjahr 2006) führt bei einer Reduktion der Deviance von
0,61 (1 d.f.; p=0,43) zu keiner nennenswerten Verbesserung des Modellfits.
Aufgrund dieses nicht signifikanten (n.s.) Wertes wurde diese Variable im
abschließenden Modell nicht berücksichtigt. Auch der Einschluss von Quartalen
statt Halbjahren führt zu keiner nennenswerten Verbesserung des Fits, womit
geschlussfolgert werden kann, dass der Zeitpunkt der Verordnung innerhalb des
Jahres 2006 keinen Einfluss auf die fehlerhafte Erfassung des Abgabedatums
hatte. Insgesamt wies das in der rechten Spalte von Tabelle 23 befindliche
adjustierte Modell eine c-Statistik von 0,855 auf.
Die Berücksichtigung der 6 Wechselwirkungsterme der Variablen untereinander
führte zu Veränderungen der Deviance zwischen 0 und 3,35 (1 d.f.). Lediglich
der Einschluss der Wechselwirkung zwischen Verordnung laut Routinedaten am
5., 15. oder 25. (Nein vs. Ja) und Abgabe laut Routinedaten am Verordnungstag
(Nein vs. Ja) brachte einen nennenswerten Unterschied der Deviance von 3,35
(1 d.f.; p=0,07), der allerdings das definierte Kriterium verfehlte (Verbesserung
des Fits von p≤0.05 beim Likelihood Ratio Test). Die Berücksichtigung der
Wechselwirkung führte außerdem zu einer Überparametrisierung des Modells
und zu einem Schätzer von > 999. Der Grund hierfür liegt darin, dass kein
Rezept mit fehlerhaftem Abgabetag in der Stichprobe existierte, bei dem die
Verordnung laut Routinedaten am 5., 15. oder 25. erfolgte und das
Verordnungsdatum zusätzlich ungleich dem Abgabedatum in Routinedaten war
(s. Tabelle 24). Diese Nichtbesetzung des Stratums führt zur Über-
parametrisierung, somit dürfte diese Wechselwirkung auch nicht im Modell
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 124
berücksichtigt werden. Trotzdem kann diese Kombination im praktischen
Umgang mit Routinedaten einen möglichen Hinweis liefern.
Tabelle 24: Exploration der Wechselwirkung mit Anteil fehlerhafter Abgabetage (ungewichtet)
4.2.3.3 Diskussion
Vergleich der Erfassungsqualität
In dieser Untersuchung wurde zunächst überprüft, inwieweit sich die
Erfassungsqualität zwischen den Verordnungsblättern Muster 16 und
Betäubungsmittelrezepten unterscheidet. Im Ergebnis zeigte sich, dass über fast
alle Apothekenrechenzentren hinweg das Verordnungs- und Abgabedatum von
Betäubungsmittelrezepten in Routinedaten schlechter erfasst war als bei Muster-
16-Rezepten. Dies verwundert einerseits, da die Rezeptangaben zum über-
wiegenden Teil aufgedruckt sind und sich der wichtige Faktor „handschriftlich
ausgefüllte Rezepte“ in 2006 nicht zwischen beiden Verordnungsblättern
unterscheidet. Eine mögliche Erklärung wäre andererseits, dass viele
Betäubungsmittelrezepte schief bedruckt und damit schwer lesbar waren. Bei
Betäubungsmittelrezepten verschwindet der Vordruck nach dem Einscannen auf
dem Image nicht, das heißt, nicht ins dafür vorgesehene Feld gedruckte
Informationen sind dann möglicherweise schwerer von der Software erfassbar.
Die Stichprobe schloss ausschließlich Rezepte aus einem aktuellen Jahr ein. Die
Erfassungsqualität des Verordnungsdatums auf Betäubungsmittelrezepten im
Jahr 2006 war mit 68,1% schlechter als die aller Rezepte im Jahr 2000 (s.
Abschnitt 4.2.2.2) mit 77,3%. Da die in Abschnitt 4.2.2 dargestellte Studie über
die letzten Jahre eine Verbesserung der Erfassungsqualität aller Rezepte zeigte,
wäre es durchaus denkbar, dass die Informationen von Betäubungsmittel-
rezepten in den vorherigen Jahren noch schlechter erfasst waren als hier für
2006 gezeigt wurde. Zudem ist es möglich, dass Betäubungsmittelrezepte und
143/357 = 40,1%
gesamt
3/58 = 5,2% 0/11 = 0,0% nein
gesamt
46/174 = 26,4% 94/114 = 82,5% ja Verordnung am Abgabetag
sonstiger Tag 5., 15. oder 25.
Verordnung laut Routinedaten am
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 125
damit auch das Verordnungsdatum in den letzten Jahren häufiger als Muster-16-
Rezepte per Hand ausgefüllt wurden, obwohl dies in 2006 nicht beobachtet
wurde. In einer Untersuchung von Betäubungsmittelrezepten aus dem ersten
Halbjahr 2003 fand sich bei Bessou et al. (2007) ein Anteil von 28%
handschriftlich ausgefüllter Betäubungsmittelrezepte. Im gleichen Jahr zeigte
sich in der von uns gezogenen Rezeptstichprobe aller GEK-Rezepte hingegen
ein mit 10,7% deutlich geringerer Anteil handschriftlich ausgefüllter
Verordnungstage (siehe Tabelle 20 in Abschnitt 4.2.2.2). Allerdings handelt es
sich bei der Untersuchung von Bessou et al. (2007) um eine lokale Analyse von
Methylphenidatverordnungen aus Köln.
Die Erfassungsqualität der Vertragsarztnummer unterschied sich zwischen
beiden Verordnungsvordrucken nicht (98,0% vs. 98,8%). Dies verwundert, da
unsystematische Rezeptsichtungen von Methylphenidatverordnungen, die laut
Routinedaten beispielsweise von nicht erwarteten Facharztgruppen, wie Frauen-
ärzten oder Ärzten für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, verschrieben wurden,
Hinweise auf falsch erfasste Vertragsarztnummern gaben. Die Argumentation mit
Einzelfällen auf der Grundlage von Routinedaten ist aufgrund der nicht 100%
korrekten Erfassungsqualität dementsprechend immer problematisch. Eine
schlechtere Erfassung der Arztnummer auf Betäubungsmittelrezepten erschien
allerdings zunächst plausibel, da sich die Arztnummer auf diesen Rezepten nur
im Stempel und dem Verordnungskopf befindet, die Angabe in der Codierzeile
(wie im Muster 16) jedoch fehlt. Möglicherweise wird aber gerade auf
Betäubungsmittelrezepten die Arztnummer mit besonders großer Sorgfalt
manuell nachcodiert. Auf der anderen Seite war der Stichprobenumfang dieser
Studie zu klein, um einen geringen Unterschied zu entdecken. Bei einem
angenommenen Anteil von 1,2% Fehlcodierungen bei Muster 16 und 2% bei
Betäubungsmittelrezepten wären bei einer Power von 80%, also der
Wahrscheinlichkeit, einen Unterschied zwischen den Gruppen zu entdecken,
wenn er tatsächlich vorliegt, pro Gruppe 4.107 Rezepte notwendig gewesen
(Berechnung mit Statcalc aus dem Paket EpiInfo Version 6). Mit einer Power von
80% bzw. 90% hätte bei der vorhandenen Stichprobengröße von 600 je Gruppe
ein Unterschied von 1,2% auf 3,92% bzw. 4,47% entdeckt werden können.
Diese Untersuchung lässt damit den Schluss zu, dass ein großer und damit
relevanter Unterschied bei der Erfassungsqualität der Vertragsarztnummer
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 126
zwischen Muster 16 und Betäubungsmittelrezepten nicht vorliegt. Allerdings
muss bei den Vertragsarztnummern und den sich daraus abgeleiteten
Facharztgruppen berücksichtigt werden, dass es sich um Gemeinschaftspraxen
mit einer gemeinsamen Arztnummer handeln könnte. So wäre die
Gemeinschaftspraxis eines Pädiaters und eines Gynäkologen durchaus denkbar.
Die Vergabe einer gemeinsamen Vertragsarztnummer kann dann in
Abhängigkeit der vergebenden Kassenärztlichen Vereinigung zu verschiedenen
Facharztgruppenschlüsseln führen. Schmidt-Troschke et al. (2004) merken
zusätzlich an, dass die Verordnungen durch Polikliniken oder Notfallambulanzen,
die in ihrer Untersuchung zu Methylphendiat je nach Quartal zwischen 4,2-6,8%
der verschreibenden Ärzte betraf, aufgrund der aus den Routinedaten nicht
ersichtlichen Facharztgruppe einen Graubereich darstellen. Auch hierfür können
Rezeptsichtungen sinnvoll sein, da in den auf das Rezept aufzubringenden
Vertragsarztstempeln bzw. auf dem Rezept die Facharztgruppe bzw.
Berufsbezeichnung enthalten sein muss (AMVV, 2007).
Weitere Einschränkungen der gewählten Methodik sind bereits in den vorherigen
Abschnitten 4.2.1.3 und 4.2.2.3 ausführlich diskutiert worden. Hinzuzufügen ist
für diese Studie noch, dass sich bei den Unterschieden zwischen Muster 16 und
Betäubungsmittelrezepten teilweise die Konfidenzintervalle überschneiden, aber
die statistischen Tests auf einem Niveau von 5% signifikante Ergebnisse liefern.
Dies kam bei geringen Stichprobenumfängen mit breiten Varianzen vor, womit zu
erwarten war, dass die nicht testbasierten Konfidenzintervalle konservativere
Ergebnisse liefern.
Fehler beim Abgabedatum und assoziierte Variablen
Weiterhin wurde in dieser Studie untersucht, mit welchen über Routinedaten
abbildbaren Variablen ein fehlerhaft erfasstes Abgabedatum assoziiert ist.
Insgesamt wurde ein alle Apothekenrechenzentren enthaltendes Modell
aufgrund der Heterogenität zwischen den Institutionen verworfen. Das für die
VSA mit den drei Variablen Rezept (Muster 16 vs. Betäubungsmittelrezept),
Abgabe laut Routinedaten am Verordnungstag (Nein vs. Ja) sowie Verordnung
laut Routinedaten am 5., 15. oder 25. (Nein vs. Ja) dargestellte Modell resultierte
in einer c-Statistik von 0,855, welche laut Angaben in der Literatur als exzellent
zu bewerten ist (Schneweiss et al., 2004). Eine c-Statistik von 0,855 bedeutet,
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 127
dass vom Modell in 85,5% der Fälle fehlerhaften Rezepten eine höhere
Eintrittswahrscheinlichkeit zugeteilt wurde als den Rezepten mit korrekt
erfasstem Abgabetag. Dieses einfach anzugebene Maß ist allerdings auch
kritisiert worden, da für die Performance eines Modells neben der
Diskriminierung auch die Kalibrierung wichtig ist (Cook, 2007). Die c-Statistik ist
ausschließlich ein Maß für die Diskriminierung, wobei das Maximum von 1 eher
ein theoretischer Wert ist, der bei den meisten Modellen nicht erreicht werden
kann. Dies hängt damit zusammen, dass bei einem Wert von 1 alle
Wahrscheinlichkeiten der Beobachtungen mit Ereignis höher sein müssen als bei
Nichtereignissen, es darf also keinerlei Überschneidungen geben. Außerdem
berücksichtigt die c-Statistik lediglich Rangordnungen innerhalb der Wahr-
scheinlichkeiten. Wie groß die Unterschiede im Einzelnen sind, hat auf die c-
Statistik keinen Einfluss. Um die Kalibrierung zu untersuchen, d.h. die Frage wie
gut die vom Modell vorher gesagten Wahrscheinlichkeiten tatsächlich mit den
beobachteten Werten übereinstimmen, wurde in Abbildung 21 der Index Plot der
Standardised Deviance Residuals jedes der eingeschlossenen Rezepte gezeigt.
Dieser Plot ist eine einfach zu erzeugende grafische Darstellung, die es
ermöglicht, Ausreißer sowie systematische Muster, die auf eine unkorrekte
Modellanpassung hinweisen zu identifizieren (Collett, 2003). Der Plot zeigt, dass
das Modell die Daten größtenteils akzeptabel anpasst, lediglich 3 Ausreißer sind
zu sehen. Die Beobachtungen 64 und 71 sind beides Muster-16-Rezepte, bei
denen das Verordnungsdatum (30.08. und 29.09.) korrekt erfasst wurde, das
Abgabedatum allerdings auf den 1. des Folgemonats gesetzt wurde. Hier liegt
die Schlussfolgerung nahe, dass aufgrund von Preisänderungen (beide Rezepte
wurden im Folgemonat abgegeben) nicht dem Muster für falsch erfasste
Abgabetage gefolgt wurde und stattdessen der erste Tag des folgenden
Preisstandes gewählt wurde. Bei Beobachtung 111 handelt es sich um ein
Muster-16-Rezept, bei dem in Routinedaten der Tag der Verordnung und
Abgabe auf den 25.04. gesetzt wurde. Das Rezept wurde tatsächlich am 25.04.
abgegeben, die Verordnung erfolgte allerdings einen Tag eher.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 128
Abbildung 21: Index Plot des in Tabelle 23 dargestellten adjustierten Modells
Die Variable Verordnung laut Routinedaten am 5., 15. oder 25. (Nein vs. Ja)
wurde als Proxy für ein fehlerhaftes Verordnungsdatum gewählt. Würde statt
dessen eine dichotome Variable eingeschlossen, die angibt, ob das
Verordnungsdatum auf dem Rezept mit der Angabe in Routinedaten tatsächlich
übereinstimmt, ergäbe sich bei gleicher Anzahl Freiheitsgrade eine Reduktion
der Deviance im Vergleich zum rohen Modell von 33,83 auf 40,22 bei einer
gleichzeitigen Erhöhung der c-Statistik von 0,855 auf 0,871. Da eine solche
Variable allerdings in Routinedaten nicht vorliegt, wurde an dieser Stelle mit
einem Proxy operiert.
Da nur 1,4% der eingelösten Rezepte im Jahr 2006 Betäubungsmittelrezepte
waren, wurden stratifiziert nach dieser Variable zwei Zufallsstichproben gezogen.
Bei der logistischen Regression wurden diese dann entsprechend ihrem Anteil in
der Grundgesamtheit gewichtet. Durch die Verwendung von PROC
SURVEYLOGISTIC für die logistische Regression wird diese Gewichtung in der
Berechnung der Varianzen von Odds Ratios berücksichtigt. Mit PROC
SURVEYLOGISTIC lassen sich alle gängigen Samplingstrategien aus
Querschnittsstudien (z.B. Primary Sampling Units, Straten, Gewichtung) bei der
Varianzberechnung von Schätzern aus logistischen Regressionsmodellen
berücksichtigen. Im Vergleich zur logistischen Regression via PROC LOGISTIC
unterscheiden sich die Schätzer aus PROC SURVEYLOGISTIC nicht, bei der
Varianzberechnung in PROC SURVEYLOGISTIC wird jedoch das komplexe
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 129
Design einer Querschnittsstudie berücksichtigt. Diese Unterschiede lassen sich
sehr gut anhand dieser Studie verdeutlichen. Beispielhaft werden dazu die von
der VSA erfassten und in Tabelle 23 gezeigten Daten genutzt.
Betäubungsmittelrezept ja nein gesamt
Korrekt Ungew.: 73 (41,2%)
Gewichtet: 1,0 (41,2%) Ungew.: 141 (78,3%)
Gewichtet: 139,0 (78,3%) Ungew.: 214 (60,0%)
Gewichtet: 140,1 (77,8%) Abgabedatum in Routinedaten ist
Nicht korrekt Ungew.: 104 (58,8%)
Gewichtet: 1,5 (58,8%) Ungew.: 39 (21,7%)
Gewichtet: 38,5 (21,7%) Ungew.: 143 (40,0%)
Gewichtet: 39,9 (22,2%)
gesamt Ungew.: 177 (100%)
Gewichtet: 2,5 (100%)Ungew.: 180 (100%)
Gewichtet: 177,5 (100%) Ungew.: 357 (100%)
Gewichtet: 180,0 (100%)
Tabelle 25: Vierfeldertafel zur Assoziation zwischen Betäubungsmittelrezept und der korrekten Erfassung des Abgabedatums
Insgesamt und ungewichtet wurden in die Analyse 357 Rezepte einbezogen, die
gewichtet 180 Rezepte ergaben. Die ungewichtete Fehlerquote lag bei 40,0%,
was gewichtet 22,2% ergab (s. Tabelle 25). Aus den 177 tatsächlich
eingeschlossenen Betäubungsmittelrezepten wurden nach der Gewichtung 2,5.
Führt man jetzt eine logistische Regression mit den jeweiligen Gewichtungen
durch, um den Einfluss von Betäubungsmittelrezepten auf die abhängige
Variable Fehler beim Abgabedatum zu untersuchen, geben PROC LOGISTIC
und PROC SURVEYLOGISTIC mit 5,15 die selben Schätzer an. Allerdings
liefern PROC LOGISTIC (OR: 5,15; 95% KI: 0,40-66,24) und PROC
SURVEYLOGISTIC (OR: 5,15; 95% KI: 3,23-8,20) unterschiedliche
Konfidenzintervalle. Es wird deutlich, dass PROC LOGISTIC von der Annahme
ausgeht, dass es sich nach der Gewichtung um 180 unabhängige
Beobachtungen handelt, von denen 2,5 Betäubungsmittelrezepte waren. Dieses
Vorgehen berücksichtigt die eigentliche Intention der Gewichtung bei der
Varianzberechnung nicht. Trotz unveränderter Odds Ratios erhält man bei der
Auswertung gewichteter Surveydaten mit PROC LOGISTIC somit „naive“
Varianzen (Ann, 2002). PROC SURVEYLOGISTIC berücksichtigt hingegen auch
die tatsächlich vorliegende Anzahl Beobachtungen. PROC SURVEYMEANS, die
zur Schätzung von Prävalenzen und zugehöriger Konfidenzintervalle unter
Berücksichtigung komplexer Samplingstrategien in Surveydaten dient, ist in SAS
schon längere Zeit verfügbar, die Implementierung von PROC
SURVEYLOGISTIC ist in SAS in der Version 9.1 noch experimentell. So sind
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 130
beispielsweise Auswahlverfahren bei der Variablenselektion (z.B. backward
selection) noch nicht mit dieser Prozedur durchführbar.
Zusammenfassend bleibt nach dieser Studie festzuhalten, dass die Erfassungs-
qualität des Verordnungs- und Abgabedatums auf Betäubungsmittelrezepten im
Gegensatz zu Muster-16-Rezepten schlechter ist. Vergleichbar mit den bereits
beschriebenen Untersuchungen liefert das größte Apothekenrechenzentrum, die
VSA, vergleichsweise mindere Erfassungsqualität bei den untersuchten Datums-
angaben. Für Forschungszwecke sollten speziell bei Betäubungsmittelrezepten
mögliche Limitationen bei der korrekten Erfassung von Verordnungs- und
Abgabedatum in Abhängigkeit der Forschungsfrage bedacht werden. Bei der
VSA ist die fehlerhafte Erfassung des Abgabedatums im Beobachtungsjahr mit
dem Vorhandensein eines Betäubungsmittelrezeptes, der Abgabe laut
Routinedaten am Verordnungstag sowie der Verordnung laut Routinedaten am
5., 15. oder 25. assoziiert. Diese Variablen können einfach aus Routinedaten
erhoben werden, sie sagen allerdings nichts über die mögliche Richtung bzw. die
Größenordnung der Unterschiede aus. Somit bilden zusätzliche Rezept-
sichtungen den einzigen Weg, die Auswirkungen solcher Fehler zu untersuchen.
Insgesamt sollte auch in zukünftigen Jahren bis zur möglichen Einführung der
elektronischen Gesundheitskarte, auf der Rezepte elektronisch gespeichert
werden, die Validität von Verordnungs- und Abgabedatum in Arzneimittelroutine-
daten stichprobenartig überprüft werden.
4.3 Über Sonder-PZN abgerechnete Rezepturen In Abschnitt 3.2 wurde eine Studie zum Gebrauch intravenöser Bisphosphonate
im ambulanten Sektor vorgestellt. Da intravenöse Bisphosphonate sowohl als
Fertigarzneimittel über eine eindeutige PZN sowie über eine Sonder-PZN als von
der Apotheke hergestellte Infusionslösung abgerechnet werden können, wurden
für diese Studie zusätzliche Rezepte gesichtet. Im folgenden Abschnitt soll die
gewählte Vorgehensweise beschrieben und deren Einfluss auf die Ergebnisse
näher untersucht werden. Zudem soll das generelle Problem von Rezepturen in
Routinedaten und dessen Konsequenzen aus Forscherperspektive thematisiert
werden.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 131
4.3.1 Vorgehensweise bei intravenösen Bisphosphonaten Für das Jahr 2006 wurden zunächst diverse Gelegenheitsstichproben von
Rezepten gesichtet, die verschiedene über Sonder-PZN abgerechnete
Positionen enthielten, die in einer Preisspanne um das am häufigsten über PZN
verordnete Bisphosphonat Zometa 4 mg lagen. Danach wurden die Sonder-PZN
9999011, 9999092 und 9999152 für weitere Sichtungen festgelegt (siehe für
Erläuterungen der Sonder-PZN Tabelle 26), da unter diesen intravenöse
Bisphosphonate abgerechnet wurden. Problematisch war es, eine Preisspanne
zu finden, die bei vertretbarem Aufwand möglichst alle (bzw. den Großteil) der
über Sonder-PZN abgerechneten intravenösen Bisphosphonate enthält. Im
Verordnungsjahr 2006 erstreckte sich der Preis für eine einzelne als
Fertigarzneimittel abgerechnete intravenöse Darreichungsform (z.B. Ampulle,
Trockensubstanz, Durchstechflasche mit maximaler Verordnungsmenge von 1,5
DDD) in Routinedaten über eine breite Spanne von 59,35 Euro (Pamidron
Hexal15 mg/ml 15mg) bis 547,47 Euro (Aclasta 5 mg Infusionslösung). Für die
spätere Sichtung von individuell hergestellten Rezepturen dürften größere
Packungen der bereits hochdosierten Präparate, die beispielsweise mehrere
Ampullen enthalten, keine Rolle mehr spielen, da deren Wirkstoffmenge für eine
einzelne Gabe zu hoch ist. Besonders breit war die Verteilung für Präparate mit
dem Wirkstoff Pamidronsäure, da sich Dosierungen zu 15, 30, 60 und 90 mg im
Markt befinden und der Wirkstoff zudem generisch verfügbar ist. Insgesamt 26
Präparate (nach PZN) mit einer Dosis Pamidronsäure (im Vergleich zu
beispielsweise 2 bei Zoledronsäure) wurden im Jahr 2006 zu Lasten der GEK als
Fertigarzneimittel abgerechnet. Deren Preisspanne erstreckte sich von 59,35
Euro (Pamidron Hexal15 mg/ml 15 mg) bis 328,50 (Aredia 90 mg), wobei die
Preise verschiedener Präparate nahezu über das komplette Intervall verteilt
waren. Bei den diversen Gelegenheitsstichproben, bei denen hauptsächlich
Rezepte mit den Präparaten Zometa 4 mg und Bondronat 6 mg identifiziert
wurden, zeigten sich erhebliche Preisunterschiede, die bis zu 80 Euro beim
gleichen Präparat betragen. Da Zometa 4 mg das am häufigsten als
Fertigarzneimittel abgerechnete Präparat war, gingen wir davon aus, dass es
dieses auch über Sonder-PZN ist. Es sollten möglichst alle dieser Verordnungen
durch die Sichtung gefunden werden. Das teuerste in den vorab durchgeführten
Gelegenheitssichtungen identifizierte Zometa 4 mg hatte einen Bruttopreis von
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 132
392 Euro. Für die systematische Rezeptsichtung wurde die Preisspanne um
zusätzliche 10% erweitert und die oberste Grenze auf 430 Euro festgelegt. Eine
Untergrenze von 100 Euro wurde aufgrund von Effizienzaspekten definiert, da
eine Unterschreitung dieser Grenze zu einem nicht realisierbaren Umfang an
relevanten Rezepten bei offensichtlich geringer Erfolgsquote geführt hätte. Von
den insgesamt 3.402 in 2006 als Fertigarzneimittel abgerechneten
Verordnungen20 intravenöser Bisphosphonate beinhalten 2.490 Positionen eine
einzelne Dosis von maximal 1,5 DDD. Davon fielen lediglich 88 Verordnungen
(Pamidronsäure 15 mg und 30 mg bei 59,35-98,15 Euro) unter einen Bruttopreis
von 100 Euro und 9 über einen Bruttopreis von 430 Euro (Aclasta mit 5 mg
Zoledronsäure bei 501,51-547,47 Euro), somit lagen lediglich 3,9% von 2.490
Verordnungen außerhalb des Intervalls von 100 bis 430 Euro.
Um die Behandlungsdauer, also das zweite Anliegen der in Abschnitt 3.2
beschriebenen Studie zu untersuchen, wurde es aus Effizienzgründen nicht als
realisierbar angesehen, eine identische Selektion für die Jahre 2000 bis 2005
durchzuführen. Das Ziel dieser Teilstudie war nicht die Prävalenzschätzung,
sondern es sollte die Behandlungsdauer abgebildet werden. Daher wurde es als
ausreichend angesehen, Verordnungen derjenigen Personen zu identifizieren,
die mindestens einmal in Routinedaten über eine PZN ein intravenöses
Bisphosphonat verordnet bekamen. Es wurden deshalb zunächst für diese
Personen die Rezepte identifiziert, die eine relevante Sonder-PZN enthielten
(9999011, 9999092, 9999152). Für die Jahre 2004 und 2005 wurde
anschließend erneut über die Preisspanne von 100 bis 430 Euro selektiert.
Aufgrund anderer Preiskonstellationen wurde die Obergrenze im Jahr 2003 auf
540 Euro heraufgesetzt und für die Jahre 2000 bis 2002 wurde keine weitere
Selektion über den Preis durchgeführt sondern, statt dessen alle Rezepte mit
den relevanten Sonder-PZN gesichtet.
Der Verordnungstext der zusätzlich über Sonder-PZN identifizierten
Bisphosphonate wurde bei der Rezeptsichtung manuell in einer Datenbank
erfasst. Wie bereits in Abschnitt 3.2 beschrieben, wurden daraus anschließend
die Wirkstoffstärke und die DDD ermittelt. Zusätzlich wurde die Rezeptposition
20 Eine Verordnung wird als eine verschriebene Position auf dem Rezept unabhängig von der Anzahl Packungen, angesehen.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 133
des identifizierten Bisphosphonates übertragen, um die Daten der Rezept-
sichtung anschließend mit den Angaben in Routinedaten zu verknüpfen.
Dadurch wird ein Vergleich des Preises der beiden Abrechnungsmodalitäten
möglich.
4.3.2 Ergebnisse Insgesamt wurden im Jahr 2006 über die oben beschriebene Selektion 14.352
Verordnungen identifiziert, die auf 12.649 Rezepten abgerechnet wurden.
Obwohl bei der Verschreibung von Rezepturen für jede Rezeptur ein
Verordnungsblatt zu verwenden ist (siehe Abschnitt 4.1), wird dies in der Praxis
nicht immer berücksichtigt. Für die Rezeptsichtungen ergibt sich hieraus der
Vorteil, dass weniger Rezepte untersucht werden müssen. Tabelle 26 zeigt die
Anzahl gesichteter Verordnungen und Rezepte. Es fällt auf, dass etwa jede
vierte der gesichteten Verordnungen der sonstigen individuell hergestellten
Lösungen (Sonder-PZN: 9999152) ein intravenöses Bisphosphonat war,
während die Trefferquote besonders bei den Zytostatika-Zubereitungen sehr
niedrig war, obwohl mit insgesamt fast 9.500 die größte Zahl relevanter Rezepte
auf diese Sonder-PZN entfiel.
Anzahl intravenöser Bisphosphonate
(Anteile an Verordnungen bzw. Rezepten)
Anzahl Verordnungen
Anzahl Rezepte
Rezepturen – auch Rezeptsubstanzen ungemischt (Sonder-PZN: 9999011) 20 (1,4% bzw. 1,4%) 1.417 1.410
Zytostatika-Zubereitungen (Sonder-PZN: 9999092) 36 (0,3% bzw. 0,4%) 10.621 9.481
Sonstige individuell hergestellte parenterale Lösungen, soweit nicht anders mit den Sonderkennzeichen 9999092, 9999100, 9999123, 9999169 oder 9999146 erfasst (Sonder-PZN: 9999152)
582 (25,2% bzw. 25,3%) 2.314 2.299
Gesamt 638 (4,4% bzw. 5,0%) 14.352 12.649a
a Summe der Zeilen ergibt mehr als 12.649, da auf einigen Rezepten mehrere relevante Sonder-PZN abgerechnet wurden
Tabelle 26: Zusätzlich über Rezeptsichtungen im Jahr 2006 identifizierte Verordnungen intravenöser Bisphosphonate nach Sonder-PZN
Zu den 3.402 über PZN in den Routinedaten gefundenen Verordnungen konnten
über die Rezeptsichtungen demnach zusätzliche 18,8% eingeschlossen werden,
wobei sich der Anteil über Zoledronsäure, Ibandronsäure und Pamidronsäure mit
13,4% bis 20,9% relativ gleichmäßig verhält (Tabelle 27). Die zusätzlichen
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 134
46,7% bei Clodronsäure sollten eher als Ausreißer betrachtet werden, da dem
Ergebnis nur eine sehr geringe Anzahl Verordnungen zugrunde liegt. Bezogen
auf die manuell nacherfassten DDD ist der aus den Rezeptsichtungen
gewonnene Anteil geringer, da hier ausschließlich Einzeldosen hergestellt
wurden (Tabelle 28).
Wirkstoff Gesamt
(in Verordnungen) Routinedaten
(in Verordnungen) Rezeptsichtungen (in Verordnungen)
Anteil zusätzlicher Verordnungen aus
Rezeptsichtung Zoledronsäure 2.293 1.896 397 +20,9% Ibandronsäure 919 780 139 +17,8% Pamidronsäure 806 711 95 +13,4% Clodronsäure 22 15 7 +46,7% Gesamt 4.040 3.402 638 +18,8%
Tabelle 27: Bisphosphonate aus Routinedaten und Rezeptsichtungen nach Verordnungen in 2006
Wirkstoff Gesamt
(in DDD) Routinedaten
(in DDD) Rezeptsichtungen
(in DDD)
Anteil zusätzlicher DDD aus
Rezeptsichtung Zoledronsäure 3.967,9 3.572,3 395,6 +11,1% Ibandronsäure 1.902,3 1.705,8 196,5 +11,5% Pamidronsäure 1.490,3 1.354,8 135,5 +10,0% Clodronsäure 24,0 17,0 7,0 +41,2% Gesamt 7.384,4 6.649,8 734,6 +11,0%
Tabelle 28: Bisphosphonate aus Routinedaten und Rezeptsichtungen nach DDD in 2006
Nach den in Abschnitt 3.2 beschriebenen Ergebnissen erhielten 1.024 Personen
im Jahr 2006 intravenöse Bisphosphonate, von denen 906 (88,5%)
ausschließlich Verordnungen über die eindeutige PZN und 84 (8,2%)
ausschließlich Rezepturen bekamen. Weitere 34 (3,3%) erhielten sowohl die
eine wie auch die andere Variante. Bei der Prävalenzschätzung würde die
Nichtberücksichtigung von Sonder-PZN zu einer Unterschätzung von 8% bei
Männern und 10% bei Frauen führen. Die Unterschiede sind in nahezu allen
Altersgruppen und bei beiden Geschlechtern in vergleichbaren Größen-
ordnungen vorhanden (Abbildung 22 und Abbildung 23).
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 135
Abbildung 22: Änderung der altersspezifischen Behandlungsprävalenz bei Männern durch Rezeptsichtungen
Abbildung 23: Änderung der altersspezifischen Behandlungsprävalenz bei Frauen durch Rezeptsichtungen
Die in Tabelle 29 dargestellten Beispiele für die häufig verordneten Zometa 4 mg
und Bondronat 6 mg zeigen, dass eine durch die Apotheke hergestellte
Infusionslösung die Krankenkasse im durchschnittlichen Bruttopreis etwa 30 bis
40 Euro mehr kostet, als die Abgabe eines Fertigarzneimittels. Weiterhin sind
größere Variationen im Preis zu erkennen. Nahmen die 387 über Sonder-PZN
abgerechneten Zometa 4 mg insgesamt 64 verschiedene Preise in den
Abrechnungsdaten des Jahres 2006 an, waren es bei den 1.306 in Routinedaten
identifizierbaren lediglich 19. Auch die Preisspanne der über Sonder-PZN
abgerechneten Zometa 4 mg ist sehr groß und reicht von 234,24 Euro bis 406,39
Euro.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 136
Mean (in €)
Median (in €)
90% Referenzintervall (Q5-Q95, in €)
Nur Routinedaten (n=1.306) 343,56 350,84 318,24 – 350,84 Zometa 4 mg
Über Sonder-PZN (n=387) 373,82 389,44 321,67 – 390,92 Nur Routinedaten (n=321) 323,69 335,24 292,08 – 335,24
Bondronat 6 mg Über Sonder-PZN (n=118) 363,30 374,16 320,11 – 376,10
Tabelle 29: Preisvergleiche zwischen Verordnungen intravenöser Bisphosphonate, die in Routinedaten über PZN und Sonder-PZN abgerechnet wurden
Um herauszufinden, wie häufig Wechsel in den Abrechnungsmodalitäten von
PZN auf Sonder-PZN bzw. umgekehrt sind, wurde die Subkohorte neuer Nutzer
der Jahre 2001-2005 beobachtet, die mindestens über ein Jahr mit intravenösen
Bisphosphonaten behandelt wurden (n=346). Dieses Kollektiv wurde bereits in
Abschnitt 3.2.3 zur Erhebung von Therapiewechseln innerhalb der Wirkstoffe
untersucht (siehe auch Tabelle 12). Die Behandlung von 290 dieser Personen
(83,8%) wurde die gesamte Zeit über Fertigarzneimittel abgerechnet. 34 (9,8%)
hatten genau einen Wechsel, insgesamt fanden sich bis zu 8 Wechsel in diesem
Kollektiv. Bei den 34 Personen mit genau einem Wechsel ließen sich keine
systematisch in eine Richtung zeigenden Ergebnisse finden (13mal von PZN auf
Sonder-PZN und 21mal umgekehrt). Auch die Tatsache, dass weitere 22
Personen (6,4%) mindestens 2 Wechsel hatten, lässt kein auffälliges
systematisches Muster erkennen.
4.3.3 Generelle Problematik der Abrechnung von Sonder-PZN Bisher wurden in diesem Abschnitt die Methodik und die Auswirkungen
zusätzlicher Rezeptsichtungen bei einer Studie zum Gebrauch intravenöser
Bisphosphonate geschildert. Für das Jahr 2006 konnte über dieses Vorgehen
ein zusätzlicher Anteil Verordnungen von etwa 19% berücksichtigt werden. In
der gewählten Preisspanne war die Trefferquote bei sonstigen individuell
hergestellten parenteralen Lösungen (Sonder-PZN: 9999152) am höchsten,
etwa jede 4. Verordnung enthielt ein intravenöses Bisphosphonat. Mit dieser
Methodik wurden wahrscheinlich nicht alle über Sonder-PZN abgerechneten
Bisphosphonate erfasst, da möglicherweise noch andere Sonder-PZN verwendet
werden bzw. aufgrund von Effizienzaspekten nicht alle Rezepte angesehen
werden konnten. Auch ist, obwohl alle Rezepte zweimal gesichtet wurden, das
Übersehen einzelner Verordnungen möglich.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 137
Das Herstellen einfacher Infusionslösungen durch Apotheken kann aus Sicht der
Krankenkassen als kritisch angesehen werden, da es im Arzneimittelbereich zu
zusätzlichen finanziellen Belastungen führt. Wie aus der Tabelle 29 ersichtlich
ist, sind individuell hergestellte Lösungen deutlich teurer als die Auslieferung
eines Fertigarzneimittels und bedeuten damit für den Apotheker in den meisten
Fällen einen höheren Umsatz. Für die Krankenkassen kommt es durch eine
Abrechnung über Sonder-PZN zum zusätzlichen Verlust von Herstellerrabatten.
Auch das Abrechnen von Bisphosphonaten als Zytostatika-Zubereitung, was zu
einem höheren Aufschlag führt, ist aufgrund der Definition von Zytostatika nicht
korrekt. Der Anteil der über diese Sonder-PZN (9999092) erfassten
Bisphophonate war in den vorliegenden Routinedaten sehr gering. Dies ist
darauf zurückzuführen, dass durch das von der GEK beauftragte
Krankenkassenrechenzentrum (Interforum) in aller Regel als Zytostatika
abgerechnete parenterale Rezepturen, die im definitorischen Sinne nicht in diese
Gruppe gehören, retaxiert und mit der Sonder-PZN 9999152 als sonstige
individuell hergestellte parenterale Lösungen umcodiert werden. Somit ließe sich
bei der Verwendung ungeprüfter Daten vermutlich ein höherer Anteil als
Zytostatika abgerechneter Bisphosphonate und damit auch eine größere
Preisspanne finden. Welche Veränderungen durch das Kassenrechenzentrum
im individuellen Fall gemacht wurden, ist elektronisch dokumentiert und mit dem
Rezept verknüpft. Diese Änderungen sind der GEK zugänglich und hätten mit
weiterem Aufwand auch zusätzlich erhoben werden können. Da es aber nicht
Anliegen der Studie war, das Abrechnungsverhalten der Apotheken, sondern die
Versorgung mit intravenösen Bisphosphonaten zu untersuchen, wurden diese
Änderungen nicht erfasst.
Das Auflösen einer Ampulle oder Trockensubstanz in Kochsalzlösung, wie es auf
fast allen gesichteten Rezepten verordnet wurde, kann ohne weiteres durch
qualifiziertes Personal bei niedergelassenen Onkologen durchgeführt werden,
zumal bei Chemotherapien noch andere adjuvante Medikamente parenteral
appliziert werden können (Hartlapp & Böhmer, 2003). Das Beispiel der
intravenösen Bisphosphonate kann exemplarisch für eine Reihe weiterer
parenteral zu verabreichender Medikamente angesehen werden, für die durch
eine Abrechnung über Sonder-PZN keine Transparenz vorliegt. Aus
Forscherperspektive geht damit ein entscheidendes Stück an wertvoller
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 138
Information verloren, da aus den meisten Sammelnummern (Ausnahme z.B.
Methadon-Zubereitungen) lediglich der Preis einen Hinweis auf das mögliche
Präparat geben kann. Da auch unterschiedliche Mengen des jeweiligen
Wirkstoffes zu verschiedenen Preisen führen können, ist dies kein trennscharfer
Indikator. Auf einigen der für diese Stichprobe gesichteten Rezepte wurde auch
das bei metastasierendem Mammakarzinom eingesetzte Trastuzumab (in
Herceptin) als Rezeptur verordnet, wobei sich in Abhängigkeit von der Dosierung
Preisunterschiede von mehreren Tausend Euro fanden. Auch bei einem
einzelnen Präparat wie Zometa 4 mg zeigten sich in dieser Studie Unterschiede
von bis zu 170 Euro, so dass der Preis zur Selektion nur wenig hilfreich ist. Ohne
zusätzliche Rezeptsichtungen ist bei der Abrechnung von Sonderkennzeichen
somit keine valide Identifikation eines bestimmten Präparates möglich.
Über die letzten Jahre ist eine Verlagerung von stationär erbrachten Therapien in
den ambulanten Sektor zu beobachten (Sachverständigenrat zur Begutachtung
der Entwicklung im Gesundheitswesen, 2007: Abschnitt 4). Auch Chemo-
therapien werden in immer größerem Umfang ambulant durchgeführt (Hartlapp &
Böhmer, 2003). Zunehmend wird auch eine hohe Anzahl teurer Spezialpräparate
für seltene Krankheiten in den Markt eingeführt und verordnet. Die 27 im Jahr
2006 neu auf den deutschen Markt gebrachten Arzneimittel umfassten 10
Medikamente für seltene Erkrankungen und 16 (inklusive Impfstoffe) zur
parenteralen Gabe (Fricke & Schwabe, 2008). Solche Mittel erlangen nicht
aufgrund der Verordnungsmengen, sondern aufgrund der verursachten Kosten
erhebliche Relevanz. In der GKV hat im Laufe der letzten 10 Jahre der Umsatz
für die in Apotheken abgegebenen Nicht-Fertigarzneimittel substantiell
zugenommen (Abbildung 24). Dieser Umsatz lag im Jahr 1997 bei 1,4 Mrd. Euro
und stieg nahezu linear auf 3,4 Mrd. Euro im Jahr 2006 (Anstieg um 138,6% im
Vergleich zum Jahr 1997). Im selben Intervall nahm der Fertigarzneimittelumsatz
von 17,4 Mrd. Euro lediglich auf 23,7 Mrd. Euro zu (Anstieg um 36,0% im
Vergleich zum Jahr 1997).
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 139
Abbildung 24: Prozentualer Umsatzanstieg für Fertigarzneimittel und Nicht-Fertigarzneimittel im Rahmen der GKV über die letzten 10 Jahre bezogen auf Basisjahr 1997 (Quellen: Schwabe & Paffrath, 2000; 2001a; 2001b; 2003; 2004a; 2004b; 2006-2008)
Nicht- Fertigarzneimittel Verordnungen in Mio.
(Anteil an gesamt) Umsatz in Mio. €
(Anteil an gesamt) Pflaster und Verbandstoffe 13,3 (12,0%) 205,9 (6,1%) Hilfsmittel 55,6 (50,0%) 587,1 (17,3%) Sonstige nichttherapeutische Mittel 0,5 (0,5%) 19,0 (0,6%) Homöopathika/ Biochemie und Antroposophika 1,0 (0,9%) 10,2 (0,3%) Methadon-Zubereitungen 2,5 (2,2%) 29,0 (0,9%) Zytostatika-Zubereitungen 2,2 (2,0%) 1.270,8 (37,3%) Individuell hergestellte parenterale Lösungen 0,7 (0,6%) 343,4 (10,1%) Rezepturen (auch Rezeptursubstanzen ungemischt) 9,5 (8,6%) 207,9 (6,1%) Einzeln importierte AM nach §73(3) AMG 0,1 (0,1%) 18,9 (0,6%) Arzneimittel ohne Pharmazentralnummer 0,4 (0,3%) 19,1 (0,6%) Stückelung nach Ziffer 3 0,3 (0,3%) 44,9 (1,3%) Tierarzneimittel 0,0 (0,0%) 0,0 (0,0%) In-vitro-Diagnostika 18,5 (16,6%) 590,3 (17,3%) Diätetika 1,1 (1,0%) 43 (1,3%) Nicht klassifiziert 1,4 (1,2%) 6,6 (0,2%) Gesamt 111,0 (100,0%) 3.402,6 (100,0%)
Tabelle 30: Verordnung von Nicht-Fertigarzneimitteln in der GKV im Jahr 2006 (Coca et al., 2008: 943)
Erstmalig fand sich in der aktuellen Ausgabe des Arzneiverordnungs-Reportes
auch eine Aufschlüsselung der einzelnen in die Nicht-Fertigarzneimittel
einfließenden Positionen (Tabelle 30). Leider sind aus den Vorjahren solche
Übersichten nicht verfügbar, so dass die Umsatzentwicklung von Rezepturen
nicht getrennt über die letzten Jahre dargestellt werden konnte. Es zeigt sich für
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 140
2006, dass auf Zytostatika-Zubereitungen und individuell hergestellte parenterale
Lösungen nur 2,6% der Verordnungen aber bereits 47,4% des Umsatzes
entfallen. Im Jahr 2006 wurden Zytostatika für 1.270,8 Mio. Euro als Rezepturen
im Vergleich zu 371 Mio. Euro als Fertigarzneimittel abgerechnet (Schwabe &
Paffrath, 2008). Es muss natürlich berücksichtigt werden, dass möglicherweise
neben Bisphosphonaten auch andere per definitionem nicht zu den Zytostatika
gehörende Präparate als solche abgerechnet werden. Insgesamt entfällt im Jahr
2006 zum Fertigarzneimittelumsatz von 23,7 Mrd. Euro eine nicht unerhebliche
Summe von 1,9 Mrd. Euro auf teilweise teure Rezepturen (siehe grau markierter
Teil in Tabelle 30), über die wenig Transparenz herrscht, da in den Routinedaten
lediglich die Sonder-PZN und der Preis vorhanden sind. Zum Gebrauch von
Zytostatika bei Tumorpatienten oder zur Arzneimittelversorgung bei seltenen
Erkrankungen, für die Routinedaten eigentlich eine optimale Datenbasis wären,
sind Untersuchungen damit nicht oder nur sehr eingeschränkt durchführbar. Dies
gilt auch für Fragen der Arzneimittelsicherheit. Beispielsweise wurde kürzlich
gezeigt, dass der monoklonale Antikörper Bevacizumab (in Avastin) in
Kombination mit Chemotherapie bei Patienten mit metastasierenden Tumorer-
krankungen im Vergleich zu Chemotherapie allein das Risiko arterio-
thrombotischer Ereignisse erhöht (Scappaticci et al., 2007). Zur Beantwortung
dieser oder ähnlicher Fragen sind deutsche Routinedaten der GKV ohne
Rezeptsichtungen ungeeignet. Auch wenn Präparate, die über verschiedene
PZN (z.B. intravenöse Bisphosphonate) oder Konten (z.B. Impfstoffe)
abgerechnet werden können, Verordnungstrends über die Zeit zeigen, kann es
sich lediglich um eine Verschiebung der Abrechnungsmodalitäten handeln.
Durch die Verschlüsselung von individuell hergestellten Fertigarzneimitteln als
Sonder-PZN gehen aus Forscherperspektive wichtige Informationen verloren.
Und diese Verluste scheinen über die letzten Jahre zuzunehmen. Da sich die zu
untersuchenden Mittel auch als Fertigarzneimittel in Routinedaten befinden, darf
keinesfalls geschlussfolgert werden, dass sich alle relevanten Verordnungen
einfach aus den Routinedaten identifizieren lassen. Dies schränkt die Nutzung
dieser Daten ein. Wichtig ist allerdings, dass diese Problematik bei der jeweiligen
Forschungsfrage bedacht wird.
Neben Chemotherapeutika bzw. parenteral verabreichten Präparaten spielen
Rezepturen vor allem im Verordnungsalltag von Dermatologen eine wichtige
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 141
Rolle (Altmeyer et al., 1997). Zusätzlich zu wirtschaftlichen und die
pharmazeutische Qualität betreffenden Aspekten, wenn statt der Rezeptur ein
identisch zusammengesetztes Fertigarzneimittel verwendet werden kann, sind
hierbei vor allem Fragen zur Wirksamkeit solcher Rezepturen zu stellen. Im
Rahmen der GKV haben über die letzten 20 Jahre umstrittene Fertigarzneimittel,
deren Wirksamkeit nicht in ausreichendem Maße durch RCTs nachgewiesen ist
oder deren Schaden-Nutzen-Verhältnis als negativ bewertet wird, erheblich an
Bedeutung verloren (Schwabe, 2008). Zu dieser Gruppe gehören auch
verschiedene Dermatika (z.B. Antibiotikakombinationen, Antimykotika-Kortikoid-
Kombinationen). Nach den international verwendeten Kriterien von Crout (1974)
bedarf die Anwendung von fixen Kombinationen zunächst des Nachweises, dass
eine Kombination gegenüber der Monotherapie einen patientenrelevanten
Zusatznutzen hat. Da solche Studien zumeist nicht vorliegen, wird der Einsatz
von Kombinationspräparaten im Vergleich zu Monopräparaten seit langem
kritisch diskutiert. In einer Sichtung von 72.615 Verordnungen niedergelassener
Dermatologen in Nordrhein-Westfalen vom Januar 1995 zeigte sich, dass 43,2%
der verordneten Rezepturen im Vergleich zu 24,4% der verordneten
Fertigarzneimittel mehr als einen Wirkstoff enthielten (Altmeyer et al., 1997).
Kombinationen von Kortikoiden und Antimykotika oder Antibiotika betrafen
insgesamt 8% der Rezepturen. In 23,3% aller Rezepturen wurde mindestens ein
Fertigarzneimittel eingearbeitet. Aufgrund der fehlenden Angaben zur
Zusammensetzung von individuell hergestellten Rezepturen in Routinedaten
kann im Vergleich zu Fertigarzneimitteln keine Aussage über die Sinnhaftigkeit
dieser Präparate gemacht werden. Weiterhin wurde deutlich, dass bei
identischer Rezeptur zwischen den einzelnen herstellenden Apotheken
erhebliche Preisunterschiede bestanden. Dieses Ergebnis zeigte sich auch in
der eigenen durchgeführten Rezeptsichtung der über Sonder-PZN abge-
rechneten intravenösen Bisphosphonate.
Größere Transparenz hinsichtlich der über Sonder-PZN abgerechneten und aus
Fertigarzneimitteln hergestellten Rezepturen ist dringend geboten, einerseits
aufgrund der erheblichen und wachsenden ökonomischen Relevanz, aber auch
aus Forscher- und Public-Health-Perspektive. Da Transparenz in diesem Sektor
auch aus Sicht der Krankenkassen von wesentlicher Bedeutung ist, sollte über
andere Wege der Abrechnung nachgedacht werden. Es ist zweifellos sinnvoll,
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 142
über eine Sammel-PZN abzurechnen, wenn Apotheken Rezepturen ohne die
Verwendung von Fertigarzneimitteln herstellen (z.B. Zinksalbe oder Wasserstoff-
peroxidlösung). Werden allerdings Rezepturen aus Fertigarzneimitteln
hergestellt, wäre es möglich, diese auch mit den zugehörigen Pharmazentral-
nummern abzurechnen. Da pro Verordnungsblatt lediglich eine Rezeptur
verschrieben werden darf, ist für die Bedruckung der PZN durch die Apotheke
auch bei mehreren verschiedenen Fertigarzneimitteln pro Rezeptur ausreichend
Platz. Die Herstellungsgebühr (inklusive aller weiteren anfallenden Kosten) kann,
analog zur BtM-Gebühr oder den abrechnungsfähigen Beschaffungskosten, über
eine zusätzliche Position ebenfalls mit auf das Rezept gedruckt werden. Die in
diese Herstellungsgebühr einfließenden Positionen könnten weiterhin wie bisher
auf dem Rezept ausgewiesen werden. Dieses Vorgehen würde mit einem
minimalen Mehraufwand für die Apotheken ein erhebliches Mehr an Transparenz
in einem Sektor schaffen, über den bisher sehr wenig bekannt ist.
4.4 Nichtberücksichtigung von Privatrezepten In Abschnitt 3.1 wurde eine Studie zum Hochverbrauch von Zolpidem und
Zopiclon, den sog. Z-Drugs, auf der Basis von Routinedaten einer Krankenkasse
vorgestellt. Immer wieder wird für Psychopharmaka diskutiert, dass diese Mittel
möglicherweise häufig auf Privatrezepten verordnet werden (DG-Sucht &
DGPPN, 2006; Glaeske & Janhsen, 2007). Somit würden die Routinedaten der
Gesetzlichen Krankenversicherung die Versorgungsrealität nur unvollständig
abbilden. Ziel dieser Studie war es, das Ausmaß an Privatverordnungen von Z-
Drugs seit deren Markteinführung im Zeitverlauf zu quantifizieren. Abschließend
wird diskutiert, in welchen weiteren Situationen neben der Verordnung auf
Privatrezepten Arzneimittel nicht in Routinedaten der GKV auftauchen.
4.4.1 Methodik Datengrundlage
Der Analyse liegen zwei Datenquellen zugrunde, die im Zeitverlauf zwischen
1993 und 2006 miteinander verglichen wurden. Dies waren Abrechnungsdaten
der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und Einkaufsstatistiken
öffentlicher Apotheken. Die zu Lasten der GKV abgerechneten Arzneimittel sind
ein Teil aller an öffentliche Apotheken verkauften Medikamente. Da Zolpidem
und Zopiclon verschreibungspflichtig sind, gingen wir deshalb von der
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 143
vereinfachenden Annahme aus, dass die Differenz zwischen beiden
Datenquellen auf Privatverordnungen entfällt.
Die Angaben zu Abrechnungsdaten der GKV wurden den jeweiligen
Arzneiverordnungs-Reporten (AVR) entnommen. Seit 1985 publiziert der AVR
für jedes abgelaufene Kalenderjahr Informationen zu den verordnungsstärksten
Arzneimitteln in der GKV (siehe Abschnitt 2.3.2). Es wurden die
Verordnungsdaten der Jahre 1993 bis 2006 aus den jeweiligen Reporten
übernommen (Schwabe & Paffrath, 1994-1996; 1999-2001a; 2001b; 2003-
2004a; 2004b; 2006-2008; Schwabe & xxx, 1997).
Die Einkaufsstatistiken, also alle Präparate, die öffentliche Apotheken über den
Großhandel beziehen, werden vom Institut für Medizinische Statistik (IMS)
monatlich erfasst. Für diese Untersuchung wurde die kumulierte Anzahl
Packungen der Monate Januar bis Dezember für jedes Jahr des Beobachtungs-
zeitraums verwendet (IMS Health, 1993-2006).
Weiteres Vorgehen
Zopiclon ist seit April 1991 und Zolpidem seit Oktober 1991 auf dem deutschen
Markt verfügbar. Die hier vorgestellten Ergebnisse beginnen mit dem
Verordnungsjahr 1993, womit aus beiden Quellen über alle Jahre Daten zu den
alten und neuen Bundesländern verfügbar sind. Das seit Juni 1999 auf dem
deutschen Markt befindliche Zaleplon wird ab dem Verordnungsjahr 2000
analysiert. Zu allen im AVR ausgewerteten Präparaten mit den Wirkstoffen
Zolpidem, Zopiclon und Zaleplon wurden die Verordnungszahlen aus den IMS-
Daten selektiert. Beiden Angaben liegen damit pro Verordnungsjahr die gleichen
Präparate zugrunde. Reimporte wurden mitberücksichtigt. Die Verordnungs-
menge wurde jeweils in Anzahl Packungen quantifiziert. Der Anteil Privat-
verordnungen wurde als relativer Unterschied zwischen beiden Datenquellen
angegeben. Ein Unterschied von +100% bedeutet beispielsweise, dass genau so
viele Packungen, wie zu Lasten der GKV verordnet wurden, zusätzlich auf
Privatrezepte entfallen.
Die Verordnungsmenge wird neben der Anzahl Packungen auch durch die
Packungsgröße und die Wirkstoffstärken bestimmt. Werden auf Privatrezepten
häufiger höhere Wirkstoffstärken und größere Packungen verordnet, so wird
durch die ausschließliche Angabe von Packungen der tatsächliche Unterschied
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 144
im Verordnungsvolumen unterschätzt. Wir haben deshalb bei Zolpidem und
Zopiclon für zwei ausgewählte und häufig verordnete Generika für das Jahr 2005
zusätzlich den Unterschied zwischen der Anzahl Packungen und DDD ermittelt.
4.4.2 Ergebnisse Zolpidem
Insgesamt zeigt sich bei Zolpidem von 1993 bis etwa zum Jahr 1998 ein stetiger
Verordnungsanstieg zu Lasten der GKV von 1,3 Mio. auf 2,5 Mio. Packungen
(Abbildung 25 A). In diesem Zeitraum liegt der zusätzliche Teil
Privatverordnungen bei 2-27%. Bis zum Jahr 2000 gingen die zu Lasten der
GKV verordneten Zolpidem-Präparate auf 1,8 Mio. Packungen zurück und
verblieben bis 2006 auf diesem Niveau. Das Verordnungsvolumen von
Privatrezepten nahm in dieser Zeit von 1,3 Mio. auf bis zu 2,1 Mio. Packungen
zu (relativer Unterschied bis zu 125%). Seit dem Verordnungsjahr 2003 wurde
stets mehr Zolpidem auf Privatrezepten verordnet als zu Lasten der GKV.
Zopiclon
Bei Zopiclon zeigt sich von 1993 mit etwa 770.000 Packungen bis zum Jahr
2006 mit 2,2 Mio. Packungen ein nahezu stetiger Verordnungsanstieg zu Lasten
der GKV (Abbildung 25 B). Der zusätzliche Anteil Privatverordnungen bleibt bis
zum Jahr 2001 bei maximal 860.000 Packungen (relativer Unterschied bis zu
55%), steigt im Folgejahr (2002) auf 1,7 Mio. Packungen an (+99%) und fällt
dann leicht ab (von +84% auf +70%). Obwohl seit 2003 mehr Zopiclon als
Zolpidem zu Lasten der GKV verordnet wird, ist die Anzahl verkaufter
Packungen Zolpidem, bedingt durch einen höheren Anteil Privatverordnungen,
mit Ausnahme von 2006 in allen Jahren größer.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 145
Abbildung 25: Entwicklung von Zolpidem (A) und Zopiclon (B) über die Jahre 1993-2006 (Quellen: IMS Health, 1993-2006; Schwabe & Paffrath, 1994-1996; 1999-2001a; 2001b; 2003-
2004a; 2004b; 2006-2008; Schwabe & xxx, 1997)
Zaleplon
Zaleplon hat mit 50.800 bis 138.800 verkauften Packungen im Vergleich zu
Zolpidem (1,4 Mio. bis 4,1 Mio. verkaufte Packungen) und Zopiclon (0,8 Mio. bis
3,8 Mio. verkaufte Packungen) in Deutschland eine deutlich geringere Marktbe-
deutung. Zudem verzeichnete diese Substanz seit dem Jahr 2000, im Gegensatz
zu Zolpidem und Zopiclon, stetig sinkende Verordnungszahlen (Abbildung 26).
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 146
Abbildung 26: Entwicklung von Zaleplon über die Jahre 2000-2006(Quellen: IMS Health, 2000-2006; Schwabe & Paffrath, 2001b; 2003-2004a; 2004b; 2006-2008)
Einfluss unterschiedlicher Packungsgrößen
Tabelle 32 stellt die Verteilung von Packungsgrößen und Dosierungen zweier
verordnungsstarker Generika von Zolpidem und Zopiclon im Jahr 2005 auf Basis
der IMS-Daten dar. Es zeigt sich, dass bezogen auf Packungen bei beiden
Wirkstoffen drei Viertel und mehr auf die höchste Dosierung und Packungsgröße
entfallen. Bei Zolpidem entspricht dies beispielsweise 20 Filmtabletten zu je 10
mg. Die Präparate, die je eine halbe DDD pro Tablette enthalten, werden
dementsprechend kaum verordnet. Die prozentualen Unterschiede zwischen den
zu Lasten der GKV und auf Privatrezepten abgerechneten Präparaten nach
Packungen und DDD sind nahezu identisch (Tabelle 31). Die Berücksichtigung
der Anzahl Packungen ist bei Zolpidem und Zopiclon in Deutschland hiernach
ein valides Maß für das Verordnungsvolumen.
Anzahl in Tsd. IMS
Anzahl in Tsd. AVR
Relativer Unterschied
Packungen 783,6 362,4 +116% Zolpidem-ratiopharm DDD 14675,0 6714,9 +119% Packungen 577,9 305,6 +89% Zolpidem STADA DDD 10856,0 5696,0 +91% Packungen 1223,6 650,1 +88% Zopiclon-ratiopharm DDD 22156,0 11803,0 +88% Packungen 466,8 283,2 +65% Zopiclon von ct DDD 7972,0 4885,9 +62%
Tabelle 31: Relative Unterschiede zwischen Packungen und DDD bei verordnungsstarken Präparaten im Jahr 2005 (Quelle: IMS Health, 2005; Schwabe & Paffrath, 2007)
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 147
Anzahl Packungen in Tsd. (Anteil in %)
Anzahl DDD in Tsd. (Anteil in %)
Zolpidem-ratiopharm 783,6 (100,0%) 14675,0 (100,0%) 10 Filmtabletten 10,4 (1,3%) 52,0 (0,4%) 5 mg 20 Filmtabletten 33,0 (4,2%) 330,0 (2,2%) 10 Filmtabletten 51,1 (6,5%) 511,0 (3,5%) 10 mg 20 Filmtabletten 689,1 (87,9%) 13782,0 (93,9%)
Zolpidem STADA 577,9 (100,0%) 10856,0 (100,0%) 10 Filmtabletten 7,2 (1,2%) 36,0 (0,3%) 5 mg 20 Filmtabletten 20,2 (3,5%) 202,0 (1,9%) 10 Filmtabletten 39,0 (6,7%) 390,0 (3,6%) 10 mg 20 Filmtabletten 511,4 (88,5%) 10228,0 (94,2%)
Zopiclon-ratiopharm 1223,6 (100,0%) 22156,0 (100,0%) 10 Filmtabletten 32,0 (2,6%) 160,0 (0,7%) 3,75 mg 20 Filmtabletten 71,6 (5,9%) 716,0 (3,2%) 10 Filmtabletten 112,0 (9,2%) 1120,0 (5,1%) 7,5 mg 20 Filmtabletten 1008,0 (82,4%) 20160,0 (91,0%)
Zopiclon von ct 466,8 (100,0%) 7972,0 (100,0%) 10 Filmtabletten 26,2 (5,6%) 131,0 (1,6%) 3,75 mg 20 Filmtabletten 56,1 (12,0%) 561,0 (7,0% 10 Filmtabletten 41,0 (8,8%) 410,0 (5,1%) 7,5 mg 20 Filmtabletten 343,5 (73,6%) 6870,0 (86,2%)
Tabelle 32: Verteilung verordnungsstarker Präparate im Jahr 2005 nach Packungen und DDD (Quelle: IMS Health, 2005)
Unterschiede in Abhängigkeit vom Präparat
In einer vorab durchgeführten Studie mit identischem methodischen Vorgehen
wurde der Verbrauch von Hypnotika über die Verordnungsjahre 1993-2004
untersucht (Hoffmann et al., 2006). Die Klassifikation der Hypnotika folgte dabei
der Vorgehensweise des Arzneiverordnungs-Reportes. Als Benzodiazepine
wurden die Wirkstoffe Lormetazepam, Temazepam, Nitrazepam, Flunitrazepam
und Flurazepam sowie als Z-Drugs die Wirkstoffe Zolpidem und Zopiclon
eingeschlossen. Es zeigte sich dabei, dass die Verordnungen von
Benzodiazepinen zu Lasten der GKV über den beobachteten Zeitraum erheblich
zurückgingen, die Anzahl zusätzlicher Privatverordnungen allerdings nahezu
konstant blieb. Zudem wurden in dieser Studie präparatespezifische
Unterschiede zwischen beiden Datenquellen für das Jahr 2004 untersucht. Es
zeigte sich, dass die schon lange auf dem Markt befindlichen Erstan-
bieterpräparate (z.B. Mogadan, Rohypnol, Bikalm, Stilnox) sowohl bei den
Benzodiazepinen wie auch bei Zolpidem und Zopiclon häufiger auf
Privatrezepten abgegeben wurden (Tabelle 33). Einige Präparate (z.B. Loretam,
Zodormdura) tauchen in den GKV-Daten nicht auf, so dass ihre Unterschiede nur
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 148
geschätzt werden können und damit wahrscheinlich größer ausfallen als die
Schätzung.21 Besonders auffällig sind die Unterschiede (631,8%) bei dem
Präparat Radedorm (Wirkstoff: Nitrazepam).
Präparat Packungen AVR Packungen IMS Relativer Unterschied
Radedorm 98.600 721.600 631,8% Mogadan 22.700 83.500 267,8% Fluninoc 64.500 195.500 203,1% Rohypnol 204.200 581.500 184,8% Bikalm 149.200 409.100 174,2% Zolpinox 19.100 50.300 163,4% Stilnox 516.900 1.313.300 154,1% Imeson 25.100 59.900 138,6% Zolpidem Sandoz 43.200 102.900 138,2% Zoldem 119.100 276.600 132,2% Noctamid 506.600 1.112.300 119,6% Zolpidem-ratiopharm 328.700 714.000 117,2% Flunitrazepam-ratiopharm 220.400 472.600 114,4% Ximovan 287.500 599.000 108,3% Loretam <18.900a 39.200 >107,4% Dalmadorm 150.000 311.100 107,4% Zodormdura <18.900a 38.900 >105,8% Zolpidem STADA 310.800 622.200 100,2% Ergocalm 26.500 52.600 98,5% Zopiclon-ratiopharm 580.300 1.143.600 97,1% a diese Präparate tauchen im Arzneiverordnungs-Report nicht auf Tabelle 33: Vergleich von Hypnotikapräparaten, die im Jahr 2004 große relative
Unterschiede zeigten (Quellen: Schwabe & Paffrath, 2006; IMS Health, 2004)
4.4.3 Diskussion Die vorliegende Untersuchung legt nahe, dass Zopiclon und in besonders hohem
Maß Zolpidem in den letzten Jahren zunehmend auf Privatrezepten verordnet
werden. Im Jahr 2000, also bereits etwa 8 Jahre nach der Markteinführung,
wurden bei beiden Wirkstoffen mehr als 50% der zu Lasten der GKV verordneten
Packungen zusätzlich auf Privatrezepten abgegeben. Der Wirkstoff Zaleplon hat
in Deutschland kaum eine Marktbedeutung und die Verordnungszahlen sind seit
seiner Markteinführung gesunken. Die in dieser Studie gefundenen Ergebnisse
haben einerseits methodische Implikationen für die Analyse von Routinedaten 21 Der AVR listet die 3.000 verordnungsstärksten Arzneimittel auf und die genannten Präparate finden sich nicht in dieser Übersicht. Somit kann für diese Arzneimittel eine geringere Verordnungsmenge als für das letzte im AVR aufgeführte Präparat (Platz 3.000: ergobel) mit 18.900 Packungen (Schwabe & Paffrath, 2006) angenommen werden.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 149
und werfen andererseits verschiedene Fragen zur Verordnungspraxis und zur
Arzneimittelsicherheit von Z-Drugs auf. Im Folgenden sollen vor allem die
methodischen Punkte angesprochen werden, da das Problem von Missbrauch
und Abhängigkeit bereits im Abschnitt 3.1.4 ausführlich diskutiert wurde. Zudem
werden neben der Verordnung auf Privatrezepten weitere Situationen
besprochen, die zur Folge haben, dass Arzneimittel nicht in Routinedaten der
GKV auftauchen.
Bei der Analyse von GKV-Routinedaten zu Z-Drugs muss davon ausgegangen
werden, dass sich nicht alle verordneten bzw. eingenommenen Präparate auch
in Routinedaten befinden. Dies führt zu Missklassifikationen. Wenn die
Missklassifikation bei analytischen Studien unabhängig vom untersuchten
Outcome ist, es sich also um eine nicht-differentielle Missklassifikation handelt,
ist bei niedrigen Behandlungsprävalenzen nur mit geringen Verzerrungen des
Schätzers zu rechnen (Yood et al., 2007). Bei Versorgungsanalysen führen nicht
erfasste Medikamentenexpositionen zu einer Unterschätzung der Behandlungs-
prävalenz bzw. der eingesetzten Verordnungsmenge. Beispielsweise bei Studien
zum Hochverbrauch, die kein Signal generieren, kann nicht davon ausgegangen
werden, dass tatsächlich kein problematischer Konsum vorliegt. Insgesamt ist es
mit den bisher in Deutschland zur Verfügung stehenden Datenquellen nicht
möglich zu analysieren, welche Personen (zusätzlich) Privatrezepte von Z-Drugs
oder auch anderen Mitteln erhalten. Es ist anzunehmen, dass es sich um
Personen mit Hochverbrauch bzw. Abhängige mit langjähriger Therapiedauer
handelt, denn diese Betroffenen könnten ein großes Interesse an der
Verordnung von Z-Drugs haben und nehmen zudem in Kauf, statt der Zuzahlung
von lediglich 5 Euro den vollen Preis, der bei einer großen Packung etwa dreimal
so hoch wie die Zuzahlung ist, aus eigener Tasche zu tragen. Da Privatrezepte,
nachdem sie von der Apotheke beliefert und bedruckt wurden, vernichtet oder
dem Patienten zurückgegeben werden, gibt es in dieser Distributionskette keine
Möglichkeit, Daten jenseits einer Primärerhebung personenbezogen zu erfassen.
Möglicherweise können Privatverordnungen aus arztbasierten Datenbanken
selektiert werden. Da diese Datenbanken aber nicht die Verordnungen anderer
Ärzte berücksichtigen, ist ebenfalls keine umfassende Betrachtung der
„Patientenkarriere“ möglich.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 150
Einige Limitationen der gewählten ökologischen Analyse dürfen allerdings nicht
unberücksichtigt bleiben. Zunächst existieren verschiedene Möglichkeiten, wie
der Arzneimittelverbrauch innerhalb der Vertriebskette gemessen werden kann.
Der Weg eines Arzneimittels verläuft erstens vom Hersteller zum Großhändler,
zweitens vom Großhändler zur Apotheke und drittens von der Apotheke zum
Patienten. Bis auf die letzte Stufe sind alle Messungen letztendlich Surrogate der
tatsächlichen Arzneimittelabgabe (die wiederum ein Surrogat für die Einnahme
ist) und mit Annahmen verbunden, wobei die zweite Stufe bereits weniger
Annahmen voraussetzt als ein Messen auf dem Weg vom Hersteller zum
Großhändler (Cook, 2006). Auch wir gingen in unserer Analyse von der
vereinfachenden Annahme aus, dass die Differenz zwischen den insgesamt vom
Großhändler zu öffentlichen Apotheken abgegebenen und den zu Lasten der
GKV abgerechneten Präparaten Privatrezepte waren. Aktuell ist etwa 15% der
bundesdeutschen Bevölkerung nicht gesetzlich versichert (siehe auch Abbildung
29 im Abschnitt 5). Privat Krankenversicherte erhalten ebenfalls Privat-
verordnungen, so dass prinzipiell von den Einkaufsstatistiken der Apotheken die
Anzahl Verordnungen zu Lasten der GKV und PKV abgezogen werden müssten.
Zu letzteren existieren allerdings keine verfügbaren Daten. Auch einige andere
Erklärungen (z.B. Exporte der Apotheken, Konsum durch Ärzte oder Zahnärzte
nach Vorlage der Approbation bzw. des Arztausweises) sind denkbar. Die
genannten Alternativen erklären allerdings keinesfalls die gefundenen Größen-
ordnungen und die zeitlichen Trends.
Neben Privatverordnungen tauchen auch 1) vom Arzt abgegebene Arzneimittel-
muster, 2) im Krankenhaus verabreichte Medikamente, 3) sog. „Nuller-Rezepte“
sowie 4) Mittel der Selbstmedikation (sog. „over the counter“ oder OTC-
Präparate) nicht in Routinedaten der GKV auf.22 Besonders zur Quantifizierung
bzw. zum Gebrauch von Arzneimittelmustern und den damit assoziierten
Faktoren ist für Deutschland relativ wenig bekannt. Nach dem im Bundes-
Gesundheitssurvey 1998 enthaltenen Arzneimittelsurvey (n=7.099), einer
repräsentativen Stichprobe der 18-79-Jährigen deutschen Wohnbevölkerung,
wurden 0,9% (Männer: 1,0% vs. Frauen: 0,8%) der eingenommenen Arzneimittel
22 Die Problematik von über Sonder-PZN abgerechneten Fertigarzneimitteln wurde bereits im Abschnitt 4.3 ausführlich besprochen und soll hier nicht noch einmal aufgegriffen werden.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 151
„vom Arzt mitgegeben“ (Knopf & Melchert, 2003). Jacobus et al. (2004)
untersuchten, welchen Einfluss die Nichterfassung von unverkäuflichen Arznei-
mittelmustern auf die Ergebnisse pharmakoepidemiologischer Studien auf Basis
von Routinedaten hat. Die Autoren betrachteten verschiedene Szenarien und
führten anhand einer Studie zum kardiovaskulären Risiko von Coxiben
verschiedene Sensitivitätsanalysen durch. Insgesamt würde sich selbst bei der
unrealistisch hohen Annahme von einem Anteil von 15,5% Arzneimittelmustern
(Sensitivität der Exposition: 84,5%) nach den der Studie zugrunde liegenden
Daten lediglich eine Senkung des Incidence Rate Ratios von 0,03% (von 1,8520
auf 1,8513) ergeben. Jacobus et al. (2004) schlussfolgern, dass eine
Adjustierung für Arzneimittelmuster in der Praxis wahrscheinlich nicht notwendig
ist. In Zeiten von Rabattverträgen dürften gerade für den deutschen
Generikamarkt Gratispackungen eine eher untergeordnete Rolle spielen, da
nicht mehr der Arzt, sondern die Krankenkasse über den Hersteller entscheidet.
Arzneimittelmuster spielen wahrscheinlich eher im Bereich der neuen noch
patentgeschützten Arzneimittel eine Rolle. Deren genaues Ausmaß auf die
Versorgung und auf die Ergebnisse von Studien ist individuell allerdings kaum zu
quantifizieren.
In Krankenhäusern verabreichte Arzneimittel tauchen ebenfalls i.d.R. nicht in
Routinedaten der GKV auf. Dieser Fakt kann allerdings in Studien berücksichtigt
werden, wenn zu Arzneimitteldaten auch Krankenhausdaten vorliegen. Somit
kann die Zeitspanne des Aufenthaltes oder der teilstationären Behandlung
quantifiziert werden und ggf. Personen von der Analyse ausgeschlossen werden,
die sich für lange Zeit im Krankenhaus aufhielten. Dieses Vorgehen wurde
beispielsweise bei der Studie zum Hochverbrauch von Z-Drugs gewählt.
Personen, die sich länger als 60 Tage und damit mehr als ein Drittel der
Studienperiode in stationärer Behandlung befanden, wurden von der Analyse
ausgeschlossen (siehe Abschnitt 3.1.2). Da diese Patienten eine geringere Zeit
unter Risiko für ambulante Verordnungen standen, haben sie per se eine
geringere Wahrscheinlichkeit für Verschreibungen von Z-Drugs und würden
damit häufiger in die Gruppe mit sonstigem Verbrauch fallen. Weniger trivial ist
die Berücksichtigung von teilstationären Aufenthalten, wie sie beispielsweise bei
der Verabreichung ambulanter Chemotherapien im Krankenhaus auftreten
können. Dieses Problem wurde auch in der Studie zum Gebrauch intravenöser
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 152
Bisphosphonate diskutiert (siehe Abschnitt 3.2.4). Personen in teilstationärer
Behandlung können auch zusätzlich im ambulanten vertragsärztlichen Sektor
Medikamente erhalten, so dass die Betroffenen beim ausschließlichen Vorliegen
von Arzneimittelroutinedaten oder beim Fehlen teilstationärer Aufenthalte in den
Krankenhausdaten nicht identifiziert werden können. In Krankenhausroutine-
daten sind weiterhin Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) verfügbar,
die als Zusatzinformationen verwendet werden können. So liegen für
Chemotherapien (OPS: 8-54) sowie zahlreiche injizierte Medikamente (z.B.
Trastuzumab, Etanercept, Filgrastim; OPS: 8-01) eigene Codierungen vor, bei
denen die oben untersuchten Bisphophonate allerdings nicht als separate
Gruppe vorkommen (DIMDI, 2006). Der Nutzen dieser Zusatzinformationen
muss je nach Studienfrage individuell eingeschätzt werden, da aus den
komplexen Datenstrukturen zunächst sinnvolle Variablen konstruiert werden
müssen.
Weiterhin können besonders vor dem Jahr 2004 sog. „Nuller-Rezepte“ in den
Routinedaten der GKV fehlen. Dabei handelt es sich um verordnete Mittel, bei
denen der Bruttopreis unterhalb der Zuzahlung lag und der Betroffene in der
Apotheke somit den vollen Arzneimittelpreis übernahm. Diese Präparate
verursachten dann für die Krankenkasse keinerlei Kosten mehr, so dass manche
Apotheken diese Rezepte, möglicherweise auch um die Kosten für das Einlesen
zu sparen, nicht an die Apothekenrechenzentren weitergaben. Nachdem zum
Januar 2004 die Arzneimittelpreisverordnung durch das GKV-Modernisierungs-
gesetz geändert wurde (vgl. Übersicht dazu bei Nink & Schröder, 2006), liegt der
Preis jedes verschreibungspflichtigen Präparates oberhalb der Zuzahlungs-
grenze. Über das individuelle Ausmaß von „Nuller-Rezepten“ liegen für
Deutschland keine empirischen Daten vor. Für die Entdeckung solcher
Unstimmigkeiten in den Daten bieten sich einfache deskriptive Verordnungs-
analysen im Zeitverlauf an (Hennessy et al., 2003). Um letztendlich
Verordnungstrends von Unstimmigkeiten in den Daten zu unterscheiden, können
zusätzlich auch Einkaufsstatistiken der Apotheken eingesetzt werden.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 153
Abbildung 27: Absatz von Arzneimitteln aus Apotheken über die Jahre 2002-2006 in Packungen (Quellen: BPI, 2003-2007)
Medikamente, die im Rahmen der Selbstmedikation ohne Kassenrezept
erworben werden, tauchen ebenfalls nicht in Routinedaten der GKV auf. Unter
Rückgriff auf die Daten der Gesundheitssurveys 1990/1991 und 1998 kommen
Knopf und Melchert (2003) zu dem Ergebnis, dass über die Zeit der Anteil
ärztlich verordneter Präparate bei gleichzeitigem Anstieg der Selbstmedikation
sank. Der Anteil selbst verordneter Arzneimittel lag im Bundes-
Gesundheitssurvey 1998 bei etwa 26%, wobei am häufigsten Analgetika,
Vitamine und Mineralstoffpräparate eingenommen wurden. Auch die Apotheken-
umsätze der letzten 5 Jahre zeigen einen Rückgang der ärztlich verordneten
Packungen, der allerdings größtenteils den Sektor der rezeptfreien Präparate
betrifft (Abbildung 27). Der Abfall findet sich zum Jahr 2004 und ist damit die
erwartete und erhoffte Auswirkung des GKV-Modernisierungsgesetzes. Seit
2004 sind nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (bis auf Kinder und
einzelne Ausnahmen) von der Versorgung innerhalb der GKV ausgeschlossen.
Zok (2006) kam auf Basis einer aktuellen Befragung von GKV-Versicherten aus
Ende 2005 zu dem Ergebnis, dass jeder Zweite (50,1%) im untersuchten Quartal
Arzneimittel der Selbstmedikation gekauft hat. Insgesamt kommen demnach pro
Jahr zu den durchschnittlich 8 vom Arzt verordneten noch 6 weitere Arzneimittel
der Selbstmedikation. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass die
Methodik dieser Befragung nicht beschrieben wurde. Von wem die Unter-
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 154
suchung durchgeführt wurde, wie die Stichprobe gezogen wurde, welche Art der
Befragung gewählt wurde und wie hoch der Rücklauf war, ist somit nicht
ersichtlich. Da diese Fragen nicht beantwortet werden können, lässt sich die
Validität der Befragung nicht beurteilen. Auch die aktuelle Welle des
Gesundheitsmonitors der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2005, bei dem
jeweils Querschnittsstichproben der 18-79-Jährigen deutschsprachigen
Bevölkerung aus einem Pool befragungsbereiter Haushalte gezogen werden
(Access Panel), befasste sich mit dem Thema Selbstmedikation (Schwabe,
2006). Etwa 45% der Frauen und 42% der Männer erhielten rezeptpflichtige
Arzneimittel auf Krankenkassenrezept für einen Zeitraum von mehr als 4
Wochen innerhalb der letzten 12 Monate verschrieben. Zusätzlich nahmen 36%
der Frauen bzw. 26% der Männer frei verkäufliche Arzneimittel aus Apotheken
oder nicht apothekenpflichtige Naturheilmittel ein. Zudem wurde nach Privat-
rezepten gefragt. Aus der Gruppe der 18-29-Jährigen bekamen beispielsweise
etwa 5% Medikamente auf Privatrezepten verschrieben. Rechnet man grob den
Anteil Männer sowie die 18-20-Jährigen ab, erhält in etwa jede 7. bis 8. Frau im
Alter von 21-29 Jahren mindestens eine Privatverordnung. Laut den Angaben
des Bundes-Gesundheitssurveys 1998 erhielt jedoch bereits jede dritte Frau in
dieser Altersgruppe hormonelle Kontrazeptiva, also die „Pille“ (Knopf & Melchert,
2003). Da diese Präparate nach dem vollendeten 20. Lebensjahr keine Leistung
der GKV mehr sind, wäre schon allein dadurch ein deutlich höherer Anteil an
Personen mit Privatverordnungen in dieser Altergruppe des Bertelsmann
Gesundheitsmonitors zu erwarten. Eine mögliche und häufig genannte Erklärung
für eine solche Untererfassung kann sein, dass hormonelle Kontrazeptiva, wenn
nicht ausdrücklich nach ihnen gefragt wird, oftmals gar nicht als Medikamente
wahrgenommen werden (Janhsen, 2004). Dies offenbart eine deutliche
Schwäche von Primärerhebungen, sie sind reaktiv und ihre Ergebnisse sind
damit abhängig von der Fragenformulierung sowie dem Verständnis und
Erinnerungsvermögen der Teilnehmer. Empirisch wurde dies unter anderem von
West et al. (1995) untermauert, die zeigten, dass kurze Einnahmedauern von
Medikamenten und längere Zeitspannen zwischen Exposition und Befragung
tendenziell zu einer Untererfassung in Primärerhebungen führen.
Routinedaten sind non-reaktiv, sie werden weithin als zuverlässigste Quelle zur
Erfassung der Arzneimittelexposition in größeren Bevölkerungsgruppen
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 155
angesehen (Schneeweiss & Avorn, 2005; Tamblyn et al., 1995; West et al.,
1995). Allerdings muss berücksichtigt werden, dass nicht alle genutzten
Arzneimittel auch in den Routinedaten auftauchen. Für Forschungszwecke
besonders relevant erscheinen Privatverordnungen sowie OTC-Präparate. Aber
auch im Krankenhaus verabreichte Medikamente könnten zur Untersuchung von
unerwünschten Arzneimittelwirkungen von Relevanz sein. Dies wurde
beispielsweise kürzlich für das während herzchirurgischer Eingriffe eingesetzte
Aprotinin (in Trasylol) gezeigt (Schneeweiss et al., 2008). Privatverordnungen
sind bei verschreibungspflichtigen Präparaten notwendig, die nicht zu Lasten der
GKV erstattungsfähig sind (z.B. hormonelle Kontrazeptiva für über 20-Jährige
oder Mittel bei Erektionsstörungen). Für Analysen zu diesen Wirkstoffen sind
Routinedaten der GKV ungeeignet. Deutlich schwieriger ist die Abschätzung bei
Arzneimitteln, die eigentlich eine Kassenleistung sind und, wie Z-Drugs oder
Benzodiazepine, möglicherweise wegen anderen Gründen auf Privatrezepte
„ausgelagert“ werden. Zu empfehlen ist in solchen Fällen (wenn vorhanden)
zunächst ein Abgleich von Verkaufsdaten der Industrie oder Einkaufsstatistiken
öffentlicher Apotheken mit Verordnungsdaten der GKV, um möglicherweise
systematische Muster aufzudecken. Ein ähnliches Vorgehen empfiehlt sich auch
bei Fertigarzneimitteln, die über Sonder-PZN abgerechnet werden. Nicht
verschreibungspflichtige Mittel sind bis auf Ausnahmen seit dem GKV-
Modernisierungsgesetz nicht mehr Leistung der Kassen und tauchen demnach
über die letzten Jahre in deutlich geringerem Umfang in Routinedaten auf. Diese
Entwicklung schränkt allerdings den Nutzen von Arzneimittelroutinedaten der
GKV nicht wesentlich ein, da bereits vor 2004 rezeptfreie Präparate über die
Selbstmedikation erworben wurden und Auswertungen zu diesen Mitteln schon
immer von begrenzter Aussagekraft waren. Insgesamt betreffen diese OTC-
Präparate aber einen klar abgrenzbaren Markt von Arzneimitteln. Es sollte somit
bedacht werden, dass der Nutzen von Routinedaten zu Analysen von OTC-
Präparaten, außer bei Kindern, deutlich eingeschränkt ist.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 156
5 Schlussfolgerungen “Although it is important to fully understand the limitations of databases, this is no
reason for diving into an episode of acute depression. Many important research
questions can be answered, though we need the wisdom to recognize which
cannot.”
(Schneeweiss 2007b: 249)
Mit diesen treffenden Worten beendet Schneeweiss (2007b) seinen Kommentar
zu einem kritischen Artikel von Terris et al. (2007), der sich mit den aus
Routinedaten gewonnenen Informationen zum Gesundheitszustand beschäftigt.
Schneeweiss (2007b) stellt heraus, dass Routinedaten eine nützliche Quelle für
Forschungszwecke sein können, wenn die Limitationen der Daten berücksichtigt
werden. Für Deutschland kann die Nutzung ausländischer Datenbanken
besonders für Fragen der Versorgungsforschung nicht als zielführend
angesehen werden, weil dadurch Informationen zur „letzten Meile“ der
deutschen Gesundheitsversorgung nicht vorliegen. Die Verwendung von
arztbasierten Datenbanken wird der Komplexität des deutschen Gesundheits-
systems nicht ausreichend gerecht, da die Versorgung nur unvollständig
abgebildet wird. Routinedaten der Krankenkassen bieten hingegen die
Möglichkeit, ein umfassendes Bild über die Inanspruchnahme von Gesundheits-
leistungen zu gewinnen. Im Folgenden sollen die in dieser Arbeit gewonnenen
Implikationen für die Forschung mit (Arzneimittel)Routinedaten der Kranken-
kassen zusammengefasst werden.
Verschiedene Daten verknüpfen
Die Verknüpfung von Routinedaten der Krankenkassen ist sowohl innerhalb
verschiedener Leistungsbereiche als auch mit externen Routine- bzw.
Registerdaten sowie Primärdaten möglich. Daten nur eines Leistungsbereiches
einer Krankenkasse liefern für viele Fragestellungen nur begrenzte
Informationen, zum Beispiel decken die Datenbanken von Apothekenrechen-
zentren ausschließlich den Arzneimittelbereich ab. Die Verknüpfung unter-
schiedlicher Sektoren ermöglicht aber gerade für Fragen der Versorgungs-
forschung komplexere Aussagen (Hasford et al., 2004; Schubert, 2007).
Beispielsweise ist für Studien zur Versorgung von Kindern mit Enuresis, bei
denen sowohl Alarmsysteme als auch Medikamente eingesetzt werden, neben
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 157
ambulanten Daten zur Selektion des Studienkollektivs auch die Analyse von
Arzneimittel- und Hilfsmitteldaten notwendig (Hoffmann, 2007a). Bei
Untersuchungen zur Versorgung von dementiell Erkrankten ist aufgrund des
hohen Betreuungsaufwandes bei fortschreitender Erkrankung die
Berücksichtigung von Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung essentiell
(Schubert et al., 2007). Analysen zu Arzneimittelverordnungen in der
Schwangerschaft (Egen-Lappe & Hasford, 2004) setzen zusätzliche
Informationen zum Entbindungsdatum voraus. Gerade auch für Studien zur
Versorgungssituation der an Bedeutung gewinnenden multimorbiden Patienten
ist aufgrund von zahlreichen medikamentösen und nicht-medikamentösen
Empfehlungen (Boyd et al., 2005) ein umfassender Überblick über verschiedene
Leistungsbereiche notwendig. Für pharmakoepidemiologische Outcomestudien
kann das Vorhandensein von zusätzlichen Informationen (z.B. zu Pflege-
bedürftigkeit) eine bessere Modellanpassung bedeuten (Glynn et al., 2006;
Schneeweiss & Wang, 2005). Zwei Drittel der im o.g. Review (s. Abschnitt 2.4)
eingeschlossenen Studien berücksichtigten neben dem Arzneimittelsektor noch
mindestens einen weiteren Leistungsbereich der Krankenkassen. Die
Verknüpfung verschiedener Sektoren erfordert zwangsläufig einen Personen-
bezug innerhalb der Daten. Was die Menge der vorhandenen Informationen
angeht, liefert der ambulant ärztliche Sektor die umfangreichste Basis. Diese
Abrechnungsdaten stehen den Krankenkassen routinemäßig und elektronisch
erfasst aber erst seit dem Jahr 2004 und damit bisher für einen relativ kurzen
Zeitraum personenbezogen zur Verfügung. Lediglich die Versichertenstichprobe
AOK/ KV Hessen verfügt über die Möglichkeit, seit 1998 auch ambulante
Leistungsdaten auswerten zu können (Ihle et al., 2005; Schubert, 2007).
Einige Untersuchungen liegen für Deutschland vor, die verschiedene
unabhängig voneinander erzeugte Routine- bzw. Registerdaten personen-
bezogen miteinander verknüpft haben. Markl et al. (2008) nutzten Daten von
Frauen einer Krankenkasse, die in Bayern entbunden haben, und verknüpften
diese mit der bayrischen Perinatalstudie. Durch dieses Linkage konnte der
Einfluss von Raucherstatus, Migrationshintergrund oder Zusammenleben mit
einem Partner auf die Einnahme von Antiemetika während der Schwangerschaft
untersucht werden. Heller et al. (2001) führten in einem Pilotprojekt die Daten
aus den Schuleingangsuntersuchungen des Landkreises Marburg Biedenkopf
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 158
mit den Perinataluntersuchungen an der Universitätsklinik Marburg zusammen,
um beispielsweise den Einfluss des Apgar-Indexes nach der Geburt auf die
spätere gesundheitliche Entwicklung zu beurteilen. Beide Studien gemeinsam
betrachtet deuten darauf hin, dass auch ein Record-Linkage zwischen Leistungs-
daten der Krankenkasse, Perinataldaten und Schuleingangsuntersuchungen
machbar ist. Küpper-Nybelen et al. (2006) verknüpften die Pflegegutachten des
Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) mit den Daten der
Versichertenstichprobe AOK/ KV Hessen. Dadurch war es zusätzlich möglich,
Informationen zu Pflegediagnosen, zu den vom MDK ausgesprochenen
Empfehlungen und zu Aktivitäten des täglichen Lebens zu erhalten. Ohmann et
al. (2005) führten sektorenübergreifend für Patienten mit Schenkelhalsfraktur
Daten der externen Qualitätssicherung aus Westfalen-Lippe mit den Pflegegut-
achten des MDK sowie Routinedaten der AOK zusammen. Insgesamt ermöglicht
das personenbezogene Zuspielen von Daten der externen Qualitätssicherung,
z.B. bei hüftgelenksnahen Frakturen, einen erheblichen Informationsgewinn
bezüglich des Risikoprofils des Patienten, Therapieform, Frakturlokalisation,
intra- und postoperativen Komplikationen sowie prä- und postoperativen
Angaben zur Mobilität (Smektala et al., 2005). In ausländischen Studien wurden
Routinedaten von Krankenversicherern unter anderem mit Krebsregistern
verknüpft (Setoguchi et al., 2007; Wilkinson et al., 2007). Generell würden sich
auch für Deutschland durch ein Record-Linkage mit verschiedenen krankheits-
pezifischen Registerdaten zahlreiche Analysemöglichkeiten ergeben, die je nach
Fragestellung zusätzliche Informationen auch ohne Primärerhebung liefern.
Neben Krebsregistern kann beispielhaft das MONICA/ KORA-Herzinfarktregister
(Löwel et al., 2005) oder das Erlanger Schlaganfallregister (Kolominsky-Rabas et
al., 1998) genannt werden. Möglicherweise könnten sich in Zukunft auch durch
die Verknüpfung mit arztbasiert erhobenen Daten zusätzliche Perspektiven
eröffnen.
Weiterhin wurden in Deutschland Routinedaten der Krankenkassen mit
Primärdaten verknüpft, die aus Versichertenbefragungen oder aus anderen
Studien stammen. Versichertenbefragungen wurden berufsgruppenspezifisch
(Braun et al., 2004) oder krankheitsspezifisch durchgeführt (Bitzer et al., 2005;
2006; 2007; Schlademann et al., 2007). Bei den krankheitsspezifischen
Befragungen wurden Personen in zeitlichem Abstand nach bestimmten
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 159
Operationen (z.B. Implantation einer Knie- oder Hüftendoprothese, Leistenbruch,
Cholecystektomie) oder Diagnosen bzw. Arzneimittelverordnungen ange-
schrieben. Diese Datenverknüpfung ermöglicht die Zusammenführung von
Informationen einerseits zu erneuten Krankenhausaufnahmen und andererseits
zur Patientenzufriedenheit, zu individuellen Symptomen oder zum Rückgang der
Beschwerden (Bitzer et al., 2007). Die Identifikation über Routinedaten der
Krankenkassen ermöglicht die schnelle Verfügbarkeit eines großen und
unselektierten Kollektivs auch für seltenere Erkrankungen, was bei sonstigen
Rekrutierungsmaßnahmen erheblichen zeitlichen und logistischen Aufwand
bedeutet. Die Brutto-Rücklaufquoten sind sowohl bei den berufsspezifischen
(59,8%) (Braun et al., 2004) sowie bei den krankheitsspezifischen Befragungen
(65,8-85,3%) (Bitzer et al., 2005; 2006; 2007) generell als hoch einzuschätzen.
Auch für die Rekrutierung von Patienten mit bestimmten Erkrankungen für RCTs
(Schlademann et al., 2007) oder zur Analyse des Inanspruchnahmeverhaltens
bzw. zu Arbeitsunfähigkeitsdaten in Interventionsstudien (Hiller et al., 2004;
Sappich et al., 2001) wurden hiesige Routinedaten von Krankenkassen
verwendet. Generell liegt auch in der Verknüpfung von Routinedaten der
Krankenkassen mit Primärdaten aus Versichertenbefragungen oder klinischen
Studien für die Zukunft erhebliches Potential. Ein Vorteil dieses Vorgehens ist,
dass Non-Responder-Analysen bei beiden Varianten möglich sind, da für die
Non-Responder bereits relativ detaillierte Informationen vorhanden sind (Bitzer et
al., 2006; John & Krauth, 2005).
Validierungsstudien sind notwendig
Über Routinedaten der Krankenkassen stehen Informationen auch zu seltenen
Erkrankungen bzw. Ereignissen zur Verfügung. Es darf allerdings nicht
unberücksichtigt bleiben, dass die Daten primär für Abrechnungszwecke und
nicht zur Nutzung für die Forschung generiert wurden. Konsequenterweise sind
Validierungsstudien notwendig, um die Güte der verwendeten Daten im Kontext
der Forschungsfrage beurteilen zu können (Crystal et al., 2007; Tricco et al.,
2008; Rawson & D’Arcy, 1998; West et al., 2006).
Um sichere Fälle von fraglich Erkrankten zu unterscheiden, wurde von der
Kölner Gruppe um von Ferber das Prinzip der „internen Diagnosevalidierung“
verwendet (Hartlapp & von Ferber, 1994; Schubert et al., 2005). Dieses
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 160
Verfahren geschieht unter Rückgriff auf verschiedene in Routinedaten
befindliche Kontextinformationen, wie z.B. der Wiederholung einer Diagnose
oder der Nutzung erkrankungsspezifischer Leistungen. Diabetiker wurden
beispielsweise über mehrere Verordnungen von Antidiabetika, mehrere
ambulante Diagnosequartale oder die Verknüpfung von Antidiabetika und
Blutzuckermessungen bzw. Diagnosen identifiziert (Köster et al., 2006b). Dieses
Vorgehen kann allerdings nicht als „echte“ Validierung einer Diagnose
angesehen werden, da lediglich mehrere Routinedatensätze miteinander
verglichen werden und somit der Goldstandard fehlt, der letztendlich als
überlegen anzusehen ist (West et al., 2006). Giersiepen et al. (2007) wählten ein
ähnliches Vorgehen, indem sie Arzneimittelverordnungen und bestimmte
Diagnosen miteinander abglichen. Die Autoren zeigten beispielsweise, dass 91%
der Personen, die mit Insulin behandelt wurden, im selben Quartal auch eine
ambulante Diabetesdiagnose (ICD-10: E10-E14) erhielten. Ein Beobachtungs-
zeitraum von 3 Jahren erhöhte diesen Wert auf 97,3%. Giersiepen et al. (2007)
fanden insgesamt Hinweise auf eine Untercodierung bzw. mögliche Fehl-
codierungen. Auch Gerste & Gutschmidt (2006) sowie Trautner et al. (2005)
sahen in ähnlichen Studien Klärungsbedarf bei der Datenqualität ambulanter
Diagnosen. Solche Plausibilitätsprüfungen sind zweifellos wichtig, sie können
allerdings externe Validierungsstudien nicht ersetzen, sondern unterstreichen
vielmehr deren Notwendigkeit. In ihrer Dissertation untersuchte Erler (2007) die
Validität von hausärztlichen Diagnosen aus dem Jahr 2003. Dazu wurden aus 10
Praxen im Bereich der KV Berlin jeweils 25 Patienten ausgesucht und zu allen in
der Patientenakte dokumentierten Behandlungsanlässen die Codierungen nach
ICD-10 generiert. Diese dienten als Goldstandard und wurden mit den aus der
Praxissoftware vorliegenden Abrechnungsdiagnosen verglichen. Insgesamt
waren lediglich 40,1% der Abrechnungsdiagnosen korrekt. In 29,7% der Fälle
waren Behandlungsanlässe nicht abgerechnet worden (Underreporting bzw.
Untercodierung) und bei 19,0% wurden Diagnosen abgerechnet, die keinem
aktiven Behandlungsanlass entsprachen (Overreporting bzw. Übercodierung).
Die verbleibenden 11,2% der Abrechnungsdiagnosen waren inkorrekt. Bei
genauerem Hinsehen wirken die Ergebnisse allerdings deutlich weniger
deprimierend als auf den ersten Blick. Untercodierung betraf vor allem
Impfungen bzw. Gesundheits- und Krebsvorsorgeuntersuchungen sowie Labor-
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 161
untersuchungen oder unspezifische Symptome, denen keine Abrechnungs-
diagnose zuzuordnen war. Bei den Übercodierungen handelte es sich haupt-
sächlich um chronische Erkrankungen, die im Untersuchungszeitraum aber nicht
behandlungsbedürftig waren (z.B. Krankheiten des Muskel-Skelettsystems). Die
Mehrzahl der inkorrekten Diagnosen betraf unspezifische Symptome (z.B.
Husten, Halsschmerzen), die als spezifische Erkrankungen codiert wurden (z.B.
Bronchitis, Tonsillitis). Häufige chronische Erkrankungen wiesen bei der
Verwendung dreistelliger ICD-10-Codes eine hohe Validität auf (s. Tabelle 34),
die durchaus mit internationalen Studien vergleichbar bzw. teilweise sogar höher
ist (Erler, 2007; Wilchesky et al., 2004). So litten beispielsweise 89% der über
eine Abrechnungsdiagnose Diabetes mellitus identifizierten Personen tatsächlich
an dieser Erkrankung (positiv prädiktiver Wert). Da allerdings chronische
Erkrankungen auch bei mehrmaligen Konsultationen nur einmal gezählt wurden
und keine Verordnungsdaten erhoben wurden, eignet sich die Studie nicht, die
Validität der Identifikationsalgorithmen über mehrere Diagnosequartale (wie von
Schubert et al., 2005 empfohlen) oder die Verknüpfung verschiedener Leistungs-
bereiche (wie bei Köster et al., 2006b) zu untersuchen. Zudem muss
berücksichtigt werden, dass es sich bei Erler (2007) um eine kleine Stichprobe
ausschließlich hausärztlicher Praxen einer Region aus dem Jahr 2003 handelt.
Erkrankung Sensitivität Positiv prädiktiver Wert Spezifität Negativ
prädiktiver Wert Hypertonie (ICD-10: I10-I15) 81% 93% 99% 99% Koronare Herzkrankheit (ICD-10: I20-25) 71% 82% 99% 99% Diabetes mellitus (ICD-10: E10-E14) 85% 89% 99% 99% Rückenschmerzen (ICD-10: M54) 74% 71% 99% 99%
Tabelle 34: Validität häufiger ambulanter Diagnosen im Jahr 2003 (aus: Erler, 2007)
Auch bei der Nutzung stationärer Abrechnungsdaten für Forschungszwecke sind
Validierungsstudien unabdingbar. Strausberg (2007) weist darauf hin, dass im
Zuge der Einführung der Diagnosis Related Groups (DRG) die durchschnittliche
Anzahl verschlüsselter Nebendiagnosen zugenommen hat. Auch hierbei stellen
sich Fragen, ob dies eher der Ausgleich einer Untercodierung ist oder ob es sich
bereits um Übercodierung oder fehlerhafte Codierung handelt. Grundsätzlich
können zur Validierung von ambulanten sowie stationären Leistungsdaten die
gleichen methodischen Vorgehensweisen gewählt werden (Abbildung 28).
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 162
Abbildung 28: Möglichkeiten der Validierung (grau dargestellt) ambulanter und stationärer Routinedaten
Im internationalen Kontext wird häufig der Abgleich mit Patientenakten oder
Krankenhausentlassungsbriefen innerhalb einer Stichprobe von Patienten als
Goldstandard gewählt (Erler, 2007; Rawson & D’Arcy, 1998; van Staa &
Abenhaim, 1994; West et al., 2006). Befragungen von Patienten oder Ärzten
wurden ebenfalls durchgeführt (Lewis et al., 2002; van Staa & Abenhaim, 1994).
Auch Registerdaten wie HIV/ AIDS-Register oder Krebsregister wurden als
Goldstandard für Validierungsstudien eingesetzt (Crystal et al., 2007; Setoguchi
et al., 2007). Die Möglichkeiten unterscheiden sich im Aufwand und
Informationsgehalt und die Wahl einer geeigneten Quelle sollte individuell für
jede Fragestellung getroffen werden. Bei einer Validierungsstudie zu ambulanten
Gichtdiagnosen wurde beispielsweise die Nutzung von Patientenakten als nicht
unbedingt geeignet angesehen, da sich besonders bei Hausärzten wichtige
Informationen (z.B. Laboruntersuchungen, Röntgen, Punktion, umfassende
Anamnese) zur Überprüfung der Diagnose nach internationalen Kriterien nicht in
den Patientenakten befanden (Harrold et al., 2007).
Wie aus dem in Abschnitt 2.4 beschriebenen Review von Studien auf Basis
deutscher Arzneimittelroutinedaten ersichtlich wird, werden diese Daten in den
letzten Jahren in zunehmendem Maße für Forschungszwecke verwendet.
Außerdem kam der Review zu dem Ergebnis, dass etwa 40% der Studien, die
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 163
Diagnosedaten aus dem Krankenhaussektor oder dem ambulanten ärztlichen
Bereich nutzten, die Validität von Abrechnungsdaten überhaupt nicht
thematisierten. Da zu erwarten ist, dass auch in den nächsten Jahren weitere
Studien mit deutschen Routinedaten durchgeführt werden, sollte sich die
fachliche Diskussion vermehrt auf die Validität der Daten konzentrieren. Auch im
„Memorandum zu Nutzen und Notwendigkeit Pharmakoepidemiologischer
Datenbanken in Deutschland“ (Hasford et al., 2004) sowie in der Leitlinie „Gute
Praxis Sekundärdatenanalyse“ (AGENS & Arbeitsgruppe Epidemiologische
Methoden, 2008) wird explizit die Notwendigkeit von Validierungsstudien
hervorgehoben. Anders als im stationären Sektor besteht im ambulanten Bereich
bisher keine direkte Verbindung zwischen Diagnosecodierung und der
Vergütung der Ärzte (Trautner et al., 2005). Dies wird sich aber mit der
Einführung einer morbiditätsbezogenen Vergütung ändern (Giersiepen et al.,
2007). Die Validität der Diagnosen wird auch durch den morbiditätsorientierten
Risikostrukturausgleich unmittelbar finanziell relevant für die Krankenkassen.
Dies wird die notwendige Entwicklung hin zu mehr Aufmerksamkeit bezüglich der
Datenqualität hoffentlich positiv beeinflussen. Aufgrund gesetzlicher Änderungen
oder größerer Nutzung von elektronischen Patientenakten müssen Validierungs-
studien kontinuierlich wiederholt werden. Validierungsstudien sollten auch in
Deutschland sowohl als eigene Forschungsprojekte durchgeführt und unterstützt
werden (Crystal et al., 2007), aber auch als Nebenprodukte größerer
Forschungsvorhaben implementiert werden (wie z.B. Setoguchi et al., 2006 und
Setoguchi et al., 2007). Pauschale Validierungsstudien, d.h. eine Diagnose wird
validiert und aus den Ergebnissen wird auf eine hohe Qualität der Daten
insgesamt geschlossen, sind abzulehnen.
Neben Fragen der Plausibilität und Validität von Diagnosen und Leistungsziffern
sind solche Fragen auch bei der Nutzung von Arzneimittelroutinedaten zu
bedenken. Dies betrifft einerseits die in dieser Arbeit ausführlich besprochene
Validität der Rezepterfassung sowie die Untererfassung durch Nichtberück-
sichtigung von Rezepturen. Andererseits sollte, wenn Arzneimittel als Proxies für
eine Erkrankung genutzt werden, auch die Güte von Identifikationsalgorithmen
diskutiert werden. So verwendeten Stock et al. (2005) Verordnungen von
inhalativen Beta-2-Sympathomimetika (ATC-Code: R03AC) sowie inhalativen
Corticosteroiden (ATC-Code: R03BA) zur Identifikation von Asthmatikern.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 164
Lediglich Personen, die einen Krankenhausaufenthalt mit der Diagnose
chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) hatten, wurden von der
Analyse ausgeschlossen. Die so ermittelte Einjahresprävalenz lag mit 6,3%
höher als die auf Basis des telefonischen Gesundheitssurveys 2003, einer
repräsentativen Stichprobe der erwachsenen deutschen Wohnbevölkerung
(n=8.318), gefundene Lebenszeitprävalenz von 5,7% (Hoffmann, 2007b). Diese
unplausiblen Differenzen erklären sich sicherlich größtenteils dadurch, dass die
Identifikation von Asthmatikern über Medikamente gerade bei Älteren kein
trennscharfer Indikator zur Unterscheidung zwischen Asthma und COPD ist.
Zudem wird die einmalige Verordnung der verwendeten Medikamente auch bei
akuten Atemwegsinfekten eingesetzt (Himmel et al., 2001; Pont et al., 2002).
Somit ist auch die auf Basis der Ergebnisse von Stock et al. (2005)
durchgeführte ökonomische Evaluation von fragwürdiger Aussagekraft. Dieses
Beispiel unterstreicht, dass alle Strategien zur Identifikation von Erkrankten, auch
auf Basis von Arzneimitteln, validiert werden sollten. Insgesamt sollte für hiesige
Routinedaten eine breitere methodische Diskussion über die Plausibilität und
Validität dieser Daten geführt werden.
Routinedaten sind eine valide Quelle für Analysen zu Gesundheitskosten
Bei der Durchführung des in Abschnitt 2.4 beschriebenen Reviews fielen
ökonomische Studien auf, die die Perspektive der Gesetzlichen Kranken-
versicherung einnahmen ohne explizit deren Daten zu verwenden (z.B. Ebinger
et al., 2004; Schädlich et al., 2007). Solche ökonomischen Studien arbeiten mit
Modellen, in denen Kostengrößen und Entscheidung, wann bestimmte
Leistungen in Anspruch genommen werden, aus der Literatur oder auf der Basis
von Annahmen getroffen werden. Im Gegensatz dazu bilden die zu
Abrechnungszwecken erzeugten Routinedaten der GKV die Versorgungsrealität
und die tatsächlich entstandenen Kosten ab. Während bei abgerechneten
Diagnosen über die Validität und damit die Brauchbarkeit von Routinedaten
diskutiert werden muss, liegt deren große Stärke in der validen Bestimmung von
Gesundheitskosten im Längsschnitt (Melfi, 2001). Auch das Problem der
Compliance, das häufig gegen die Verwendung von Routinedaten zur Erhebung
der Arzneimittelexposition angeführt wird, beeinflusst die Validität der Kosten-
information nicht, da die Ausgaben unabhängig von der Einnahme des
Medikamentes entstehen. Gerade die aus Routinedaten gewonnenen Kosten-
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 165
informationen bieten im Vergleich zu Primärerhebungen diverse Vorteile. Dies
soll kurz am Beispiel Diabetes demonstriert werden. Als Primärerhebung
erfasste die CODE-2-Studie (Costs of Diabetes in Europe- Type 2) die
Inanspruchnahme von 809 Diabetikern auf Basis von Krankenakten und
persönlichen Interviews mit den versorgenden Ärzten (Liebl et al., 2001). Die
daraus resultierenden Kosten wurden auf Basis verschiedener Quellen (z.B.
Rote Liste, Gebührenordnung für Ärzte) ermittelt. Die CoDiM-Studie (Costs of
Diabetes Mellitus) nutzte hingegen die Versichertenstichprobe der AOK/ KV
Hessen und konnte auf Routinedaten von insgesamt 26.971 Diabetikern
zurückgreifen (Köster et al., 2006b). Die berücksichtigten Leistungsbereiche
waren vergleichbar, wobei die CoDiM-Studie zusätzlich Kosten für Hilfsmittel
sowie sonstige ambulante Leistungen einschloss. Es zeigt sich, dass aus
Routinedaten besonders für Kostenangaben mit vergleichweise geringem
finanziellen und zeitlichen Aufwand „real life“ Informationen zu einem großen
Kollektiv gewonnen werden können. Handelt es sich um Krankheitskosten-
analysen ausschließlich auf Basis von Routinedaten (wie z.B. Köster et al.,
2006b; Reis et al., 2006), sind die Ergebnisse allerdings auch von der validen
Identifikation der Betroffenen abhängig (s. Punkt: Validierungsstudien sind
notwendig). In einigen Studien wurden deshalb die Stärken von Primär- und
Routinedaten miteinander verbunden, indem die Gesundheitsausgaben in
Interventionsstudien auf Basis von Routinedaten der Krankenkassen erhoben
wurden (Hiller et al., 2004; Hülsemann et al., 2005). Routinedaten bilden somit
insgesamt eine sehr valide Basis, über längere Zeiträume und nonreaktiv Kosten
aller abbildbaren Leistungsbereiche zu erfassen (John & Krauth, 2005; Melfi,
2001).
Aktuelle Längsschnittdaten von wenigen größeren Kassen verwenden
Nach den Ergebnissen des in Abschnitt 2.4 beschriebenen Reviews nutzten
etwa 70% der eingeschlossenen Studien Arzneimittelroutinedaten nur einer
Krankenkasse. Die Berücksichtigung mehrerer Kassen fand beispielsweise in
der Interventionsstudie von Hiller et al. (2004) statt. Zur Rekonstruktion von
Kostenverläufen über 2 Jahre wurden Daten von insgesamt 28 Kassen zur
Verfügung gestellt. Für 214 Fälle (von 230 eingeschlossenen) konnten Kosten-
kalkulationen erhoben werden, davon zu 100,0% für stationäre Kosten, zu 70,1%
für ambulante Leistungen, zu 56,5% für ambulante Zahnbehandlungen, zu
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 166
37,9% für Arzneimittelkosten und lediglich zu einem Viertel (24,3%) für den
Sektor Heil- und Hilfsmittel. Die Autoren beschrieben den Kontakt mit den
verschiedenen Krankenkassen als zeitintensiv und es zeigte sich, dass nicht alle
Kassen über die jeweiligen Daten in der benötigten Tiefe verfügten (Hiller et al.,
2004). Auch Schlademann et al. (2007) nutzten Informationen von 6 Kranken-
kassen zur Rekrutierung des Studienkollektivs für eine Interventionsstudie und
beschrieben ebenfalls zeitliche Verzögerungen sowie datenmanagement-
bezogene Probleme aufgrund der Vielzahl der Kassen. Hülsemann et al. (2004)
rekrutierten hingegen in ihrer Studie bei 14 niedersächsischen Rheumatologen
ausschließlich Versicherte der AOK Niedersachsen und konnten damit bei 338
von 340 Probanden Kostendaten auswerten. Bei Analysen der Daten mehrerer
Krankenkassen sind Differenzen in der vorhandenen Datenstruktur zu erwarten.
Bei Auswertungen auf Basis von 3 Krankenkassen fehlten je nach Kasse bei
0,1%, 0,2% und 48% der Versicherten die Nationalität und bei 51%, 57% und
73% Angaben zum Beruf (Pigeot & Ahrens, 2008). Auch nach eigenen
Erfahrungen sind Unterschiede bei der personenbezogenen Aufbereitung
bestimmter Leistungsbereiche (z.B. Heil- und Hilfsmittel) sowie bei der Pflege der
Versichertenzeiten, der Wohnortinformationen und des Austritts wegen Tod
zwischen den Krankenkassen vorhanden. Außerdem können auch
Prüfstrategien, Retaxierungen und nachträgliche Änderungen in den Daten
kassenindividuell variieren. Deshalb ist es unerlässlich, sachkundige Ansprech-
partner für die jeweiligen Leistungsbereiche zu kennen, um Fragen zu Inhalten
und zur Aufbereitung der Variablen klären zu können (Ihle et al., 2005). Der
Einschluss vieler verschiedener Krankenkassen kann die Analysen erschweren,
weil nicht alle Kassen die vorliegenden Leistungsbereiche in vergleichbarer
Qualität aufbereiten. Die Nutzung der Routinedaten nur einer Krankenkasse
gewährleistet eine einheitliche Struktur innerhalb der Daten. Auch für
Rezeptsichtungen, Versichertenbefragungen oder die Verknüpfung mit externen
Daten kann die Kooperation mit einer bzw. wenigen Kassen vorteilhaft sein.
Andererseits sind, um seltene unerwünschte Wirkungen von selten einge-
nommenen Medikamenten zu untersuchen, sehr große Kollektive notwendig
(Strom & Carson, 1990). Von der amerikanischen Zulassungsbehörde wird sogar
angestrebt, große Datenbanken mit bis zu 100 Mio. Personen zu rekrutieren
(Schneeweiss, 2007a).
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 167
Seit langem wird der Aufbau einer repräsentativen und kassenübergreifenden
Versichertenstichprobe aus der GKV diskutiert (Ihle et al., 1999). Ein solches
Vorhaben sieht sich ebenfalls mit den o.g. Problemen konfrontiert. Eine
Realisierung bedarf eines immensen logistischen Aufwandes und dürfte deshalb
mehrere Jahre in Anspruch nehmen (Grobe & Ihle, 2005). Weiterhin ist zu
berücksichtigen, dass der Anteil gesetzlich Versicherter über die letzten Jahre
zurückging und in 2006 noch bei 85,4% lag und somit von einer steigenden Zahl
privat Versicherter auszugehen ist (Abbildung 29).
Abbildung 29: Anteil Versicherter in der GKV an der bundesdeutschen Gesamtbevölkerung über die Jahre 1996-2006 (Quellen: Schwabe & Paffrath, 1999-2001a;
2001b; 2003-2004a; 2004b; 2006-2008; Schwabe & xxx, 1997; http://www.destatis.de)
Die Arzneimittelausgaben in der Privaten Krankenversicherung (PKV) sind
aufgrund weitgehend fehlender gesetzlicher Eingriffe im Vergleich zur GKV über
die letzten Jahre überproportional gestiegen (von 1992 auf 2001; PKV +102%
vs. GKV +29%) (Schreyögg & Busse, 2005). Versicherte der PKV erhalten
häufiger teure Me-too-Präparate sowie Altoriginale im generikafähigen Markt
(Ziegenhagen et al., 2004) und vor allem Männer weisen weniger Krankheiten
auf als gesetzlich Versicherte (Kriwy & Mielck, 2006). Wegen dieser Unter-
schiede wäre die eigentliche Herausforderung, eine repräsentative Stichprobe
der deutschen Wohnbevölkerung hinsichtlich ihrer Inanspruchnahme von
Gesundheitsleistungen zu erfassen und im Längsschnitt zu verfolgen. Ein
solches Projekt scheint aufgrund fehlender Transparenz in der Versorgung der
PKV (bedingt durch unterschiedliche Vertragsgestaltung, Abrechnungs- und
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 168
Zuzahlungsmodalitäten) jedoch nahezu unmöglich. Somit muss m.E. auch der
Zusatznutzen bei vergleichsweise hohem Aufwand einer repräsentativen Stich-
probe der GKV gegenüber Auswertungen einzelner größerer und bundesweit
tätiger Kassen noch gezeigt werden. Fragen der Repräsentativität einzelner
Kassen sind zwar kontextspezifisch zu stellen, dürften bei vielen epi-
demiologischen Untersuchungen aber eine untergeordnete Rolle spielen (Grobe
& Ihle, 2005). Außerdem muss berücksichtigt werden, dass auch häufig
verwendete ausländische Datenbanken, wie beispielsweise die GPRD oder die
des amerikanischen Krankenversicherers Medicaid, keine repräsentativen Be-
völkerungsstichproben sind (Stergachis et al., 2006). Weitere nordamerikanische
Datenbanken, wie in Saskatchewan, Manitoba oder die RAMQ in Quebec, sind
zwar Vollerhebungen, jedoch decken sie jeweils nur eine einzelne kanadische
Provinz ab (Garbe & Suissa, 2004; Tricco et al., 2008). Für Deutschland wäre es
für viele Fragestellungen sinnvoll, Daten bundesweit tätiger Krankenkassen zur
Verfügung zu haben, um die häufig beschriebenen regionalen Varianzen (z.B.
Glaeske & Janhsen, 2007; Kern et al., 2006; Schwabe & Paffrath, 2008) auch
adäquat abbilden zu können.
Ihle et al. (1999) schlagen für eine bundesweite repräsentative Versicherten-
stichprobe der GKV einen Umfang von etwa 1,1 Mio. Versicherten vor, während
in der Konzeption einer pharmakoepidemiologischen Datenbank für Deutschland
eine Zahl von 8 bis 10 Mio. Personen genannt wird (Hasford et al., 2004). In
Zeiten leistungsfähiger Computersysteme können solche Datenmengen ohne
Schwierigkeiten jenseits von teuren Großrechnern ausgewertet werden. Aus
Sicht der Datenverarbeitung entstünden auch bei noch größeren Datenmengen
keine Schwierigkeiten. Allerdings können nur wenige bundesweit tätige
Krankenkassen die Voraussetzung von etwa 8 bis 10 Mio. Versicherten erfüllen.
Um dies zu erreichen, ist die Verknüpfung von Daten mehrerer Krankenkassen
anzustreben. Datenbanken, die 8 bis 10 Mio. Versicherte enthalten, sind
besonders für die Risikoforschung geeignet. Bisher waren allerdings weniger als
5% der Publikationen auf Basis von Arzneimittelroutinedaten Studien zu
erwünschten und unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Fast drei Viertel der
Publikationen waren Versorgungs- und Kostenanalysen und solche Studien
benötigen in der Regel geringere Stichprobenumfänge. Aber auch internationale
und häufig für Forschungszwecke verwendete Datenbanken, wie die in Abschnitt
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 169
2.1 beschriebene GPRD mit etwa 3,6 Mio. Personen oder die Datenbank in
Saskatchewan mit etwa 1 Mio. Personen, erreichen die Umfänge von 8 bis 10
Mio. Personen nicht. Nordamerikanische Datenbanken können allerdings
teilweise auf über 20-30 Jahre elektronisch erfasster Daten aller Leistungs-
bereiche zurückgreifen, was eine umfangreiche Grundlage beispielsweise für
Kohortenstudien und Trendanalysen darstellt (Garbe & Suissa, 2004; Stergachis
et al., 2006). In Deutschland begann die systematische Erfassung von
Abrechnungsdaten erheblich später, so liegen Arzneimitteldaten seit Ende der
1990er Jahre und ambulante Daten erst seit 2004 elektronisch und personen-
bezogen bei den Krankenkassen vor. Eine fortlaufende und aktuelle Daten-
lieferung ist somit Voraussetzung für Längsschnittanalysen, aber auch zur
Evaluation aktueller gesetzlicher Eingriffe im Gesundheitswesen sowie für
Analysen zur Anwendung und zu unerwünschten Wirkungen neu eingeführter
Arzneimittel. Für Forschungszwecke sollten Routinedaten der Krankenkassen im
Längsschnitt für ein bundesweites Kollektiv vorliegen. Die jeweils notwendige
Größe der Population und ob mehrere Krankenkassen eingeschlossen werden,
kann bei über 250 verschiedenen Krankenkassen nicht pauschal beantwortet
werden. Sie hängt vor allem von der jeweiligen Fragestellung ab. Der Einschluss
nur einer Krankenkasse ermöglicht vertiefende Analysen bei geringerem
Aufwand, während die Verknüpfung mehrerer Krankenkassen vor allem einen
Zugewinn an statistischer Power bedeutet.
Analysen von Routinedaten erfordern spezielle Kompetenzen
Grundsätzlich kann für Studien mit Routinedaten der Krankenkassen auf ein
vergleichbares methodisches Repertoire zurückgegriffen werden, wie für
Beobachtungsstudien auf Basis von Primärerhebungen. Allerdings „sprechen“
Routinedaten eine andere Sprache als primär erhobene Daten, nämlich die
Sprache der Abrechnung. Diese umfangreichen und komplexen Daten –
beispielsweise wurden für die 1,6 Mio. GEK-Versicherten im Jahr 2006 etwa 7,2
Mio. Rezepte in Apotheken und fast 100 Mio. Leistungsziffern im ambulant
ärztlichen Sektor abgerechnet – müssen für die jeweilige Fragestellung erst in
sinnvolle Informationen übersetzt werden (Crystal et al., 2007; Schneeweiss,
2007a; Walker, 2001). Da der mit Routinedaten operierende Forscher keinerlei
Einfluss auf die Erhebung der von ihm verwendeten Daten hat, ist das Wissen
um deren Entstehung für ihn von unerlässlicher Wichtigkeit. Dies betrifft für den
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 170
Arzneimittelbereich beispielsweise gesetzliche Rahmenbedingungen, den Weg
der elektronischen Erfassung eines Rezeptes mit den damit verbundenen
Schwierigkeiten, die Bedeutung und Interpretation von Variablen sowie das
Wissen, welche Verordnungen nicht oder nur nach Rezeptsichtungen in
Routinedaten auftauchen. Bei der Verwendung von Medikamenten als Proxy für
eine Erkrankung bzw. bei Diagnosedaten muss die Validität des Identifikations-
algorithmuses eingeschätzt und im Idealfall empirisch überprüft werden. Das
Erwerben dieser spezifischen Kenntnisse ist zeitaufwändig, erfordert eine
intensive Beschäftigung mit den Daten und den Kontakt zu sachkundigen
Ansprechpartnern auf Seiten der Kassen sowie der Leistungserbringer. Es wird
für Deutschland erschwert durch das weitgehende Fehlen an relevanter
Literatur. Nur durch dieses Wissen können aber kontextspezifisch Stärken und
Schwächen der verwendeten Daten und deren Einfluss auf die Ergebnisse
eingeschätzt werden. Auch Krankenkassen sollten darauf achten, ihre Daten nur
an Institute mit entsprechenden Erfahrungen weiterzugeben. Durch die
zunehmende Verwendung von Routinedaten für Forschungszwecke sollten
vermehrt Personen diese Kenntnisse besitzen, was insgesamt hoffentlich auch
zur zunehmenden Durchführung und Publikation von methodischen Arbeiten
führt. Nur diese spezifischen Kompetenzen über das Entstehen der Daten, das
Wissen um methodische Fallstricke und den Umgang damit sind es, die uns
letztendlich – um auf das o.g. Zitat von Schneeweiss (2007b) zurückzukommen
– die Weisheit geben können zu unterscheiden, welche Fragen mit welchen
adäquaten Methoden durch Routinedaten beantwortbar sind und welche nicht.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 171
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Abstract The aim of this PhD thesis is to discuss strengths and methodological difficulties
in using (prescription) claims data of German statutory health insurances for
pharmacoepidemiology and health services research.
For many years, large health care databases have been used for research
purposes in North America and several European countries. Several
international and German databases are reviewed. However, foreign databases
do not reflect the situation of the German health care system. Conducting a
systematic review of publications using German insurance claims data on
medications, it will be shown, that these data have been increasingly used over
the last decade.
In the third chapter, I describe two self-conducted studies based on German
insurance claims data concerning high usage of the hypnotics zolpidem and
zopiclone and concerning the utilization of intravenous bisphosphonates.
Methodological issuses will be discussed in the fourth chapter. First, the flow of
information from patients to records and claims databases is described. To
capture information electronically, pharmacy data processing centres
(Apothekenrechenzentren) record variables from dispensed prescriptions. In
three studies, I assessed whether information relevant for research purposes is
accurately recorded in computerized claims data over the years 2000-2006. I
further examined problems concerning privately paid prescriptions and
compounded prescriptions, which are coded by a special group code (Sonder-
PZN) with no specific information available on the drug dispensed.
Health insurance claims data are a useful source to study real-world
effectiveness of drugs and their utilization patterns in large sample sizes at
relatively low costs. They are indispensable for pharmacoepidemiology and risk
monitoring of newly approved drugs. However, these data are collected for
administrative rather than research purposes. Understanding this process and
possible limitations is time consuming but crucial when using such data for
research purposes.
F. Hoffmann - (Arzneimittel)Routinedaten als Datenbasis 194
Eidesstattliche Erklärung
Hiermit versichere ich an Eides statt, dass ich
1) diese Arbeit selbstständig und ohne unerlaubte fremde Hilfe angefertigt
habe,
2) keine anderen als die von mir angegebenen Quellen oder Hilfsmittel
benutzt habe und
3) die den benutzten Werken wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen
als solche kenntlich gemacht habe.
Außerdem erkläre ich, dass ich keine weiteren Promotionsversuche
unternommen habe.
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Ort, Datum Unterschrift