Doenitz Karl 10 Jahre Und 20 Tage 6.a 1977

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  • Zehn Jahre und zwanzig Tage

    von Karl Dnitz

    1977

    Bernard & Graefe Verlag fr WehrwesenMnchen

  • 1. Auflage 19582. Auflage 19633. Auflage 1964Die 1.-3. Auflage Athenum Verlag4. Auflage 19675. Auflage 19756. Auflage 1977

    Kapitel 12345

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    Bernard & Graefe Verlag fr Wehrwesen Mnchen1977Alle RechtevorbehaltenDruck und Bindung: VerlagsdruckereiE. Rieder, SchrobenhausenPrinted in GermanyISBN 3-7637-5139-4

    Inhalt

    Auftakt 7Die neue Aufgabe 14Gruppentaktik 22U-Bootbaupolitik 1935bis 1939 29Die entscheidendenMonate des Jahres 1939bis Kriegsausbruch 40Der erste Abschnitt des U-Bootkrieges, September 1939bis 1.Mrz 1940 52Das Norwegen-Unternehmen und die Torpedokrise 75Die Schlachtim Atlantik. 1. Phase: Juli bisOktober 1940 98Die Organisation der U-Bootwaffe. Der U-Bootbau imersten Kriegsjahr 115Die zweite Phase der Atlantik-Schlacht, von November1940 bis Dezember 1941. Das Jahr der Mngel undZersplitterungen 123

    11 Der Krieg der Vereinigten Staaten gegen uns vor dem11. Dezember 1941 178

    12 Die dritte PhasederAtlantik-Schlacht,Januar bisJuli 1942.Der Kampf in den.amerikanischenGewssern 190

    13 Die vierte Phase der Atlantik-Schlacht, Juli bis September1942. Geleitzugkmpfe und Fernunternehmungen 219

    14 Der Laconia-Fall 24715 Verbesserungder U-Bootbewaffnung 25816 Die fnfte Phase der Atlantik-Schlacht, Oktober 1942 bis

    Dezember 1942. Ausweitung der Geleitzugkmpfe undFernunternehmungen 265

  • Kapitel 17 Ernennung zum Oberbefehlshaber der Kriegsmarine.Meine Einstellung zum Nationalsozialismus und meinVerhltnis zu Hitler 292

    18 Die sechste Phase der Atlantik-Schlacht, von Januar bisMai 1943. Von dem grten Geleitzugkampf bis zumZusammenbruch des U-Bootkrieges 308Siehe auch Anhang, Anlage 9 484

    19 Meine Aufgaben als Oberbefehlshaber der Kriegsmarine1943/45 . 3351. Probleme der Marinerstung 3352. Der Mittelmcer-Kriegssd:iauplatz 3503. Die Spitzenstellen der Kriegsmarine und die Kleinkampf-

    mittel 3604. Das Problem der groen Kriegsschiffe und ihr Endkampf

    im Nordraum 3625. Der Kriegsschauplatz im Schwarzen Meer 3796. Die Invasion in der Normandie 3837. Der Kriegsschauplatz in der Ostsee 389

    20 Der 20. Juli 1944 39221 Der U-Bootkrieg vom Mai 1943 bis zum Kriegsende 39722 Staatsoberhaupt 42323 Schluwort 467

    Anhang 471Abkrzungen und Erluterungen 487Namenverzeichnis 490

    1. Kapitel

    Auftakt

    Karten 1. Minen-Operationen deutscher U-Boote in der Nordsee 652. V-Boot-Aufstellung am 9. 4. 1940 morgens

    (Op.-Befehl: Hartmuth) 783. bersichtskarte von Narvik und Umgebung 834. Die westlichen Zugnge zu den Britischen Inseln 1005. Der letzte Kampf der Schamhorst 367

    Ende September 1918 waren in Pola, dem sterreichischen Kriegshafenam Adriatischen Meer, der Kapitnleutnant Steinhauer, Ritter des OrdensPour le merite, und ich als einer der jngeren Kommandanten auf unserenU-Booten auslaufklar. Wir wollten drauen zusammen kmpfen, in derNhe von Malta die groen, durch den Suez-Kanal aus dem Osten kom-menden englischen Geleitzge erwarten und angreifen, und zwar nachtsber Wasser unter Ausnutzung der kommenden Neumondzeit. Wir woll-ten, auf die kleine Silhouette, die geringe Sichtbarkeit des U-Bootes ver-trauend, ber Wasser die Zerstrersicherung durchstoen und dann anden Kern des Geleitzuges, die Dampferkolonnen, zum berwasserschuherankommen. Kap Passero, die Sdostecke von Sizilien, in 315 , 50 smab, war unser Treffpunkt zu dieser, soweit wir wuten, ersten gemein-samen Operation von zwei U-Booten. Bisher hatten die U-Boote immerjedes fr sich allein Krieg gefhrt; sie waren einzeln ausgelaufen undmarschiert, hatten sich einzeln gegen die U-Bootabwehr verteidigt, einzelnden Gegner gesucht und bekmpft; das Nachrichtenmittel des U-Boots,die Funkentelegraphie, erlaubte damals kein Zusammenarbeiten derU-Boote. Es gab noch keine Kurz- und keine Lngstwelle; im g~tauchtenZustand war jede Funkverbindung ausgeschlossen, und ber Wasser muteeine Antenne an zwei Masten aufgerichtet werden, um auf Langwelleeinen Funkspruch abgeben zu knnen, der trotz hchster aufgewandterEnergie nur geringe Reichweite besa. Whrend dieser Zeit der Funk-spruchabgabe war das U-Boot zudem nur beschrnkt tauchklar, also str-ker gefhrdet, und zu jedem Angriff unfhig.

    Wie verabredet, stand mein U-Boot am Abend des 3. Oktober 1918 aufdem Treffpunkt sdstlich von Sizilien und wartete auf Steinhauer. Ver-geblich, er kam nicht. Eine Reparatur hatte, wie ich spter erfuhr, seinAuslaufen verzgert.Nachts gegen ein Uhr wurde von meiner Brckenwache auf dem U-Boot-

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  • r+

    turm am Himmel im Sdosten, noch dunkler vom dunklen Himmel sichabhebend, ein groes, schwarzes,wurstartiges Etwas gesichtet.Es war einFesselballon, der von einem Zerstrer vom Heck aus geschlepptwurde.Dieser Zerstrer war ein sogenannter Peger,1der Vorreiter der Be-wachung eines Geleitzuges. Bald kamen in der Dunkelheit immer mehrSchatten, weitere Zerstrer und Begleitfahrzeugeund schlielichauch diegroen, wuchtigen Silhouetten der Dampfer in Sicht: Es war ein Geleit-zug, der mit tiefbeladenen Schiffenaus dem ostasiatischenRaum, Indienund China kommend Malta nachWesten ansteuerte. Ich durchstie unge-sehen die Zerstrersicherung und lief zum Angriff gegen den erstenDampfer der ueren Dampferkolonne an. Pltzlich drehte die ganzeReihe auf mich zu. Diese Kursnderung war wahrscheinlicheine der nacheinem bestimmten Schema ausgefhrten Zick-zack-Bewegungen,die alleGeleitzge durchfhrten, um den Ansatz von U-Bootangriffen zu er-schweren.Die Erschwerung trat fr mich auch ein, ich kam gerade noch,mit hart Ruder abdrehend, dicht hinter dem Heck des ersten Dampfers,den ich eben nochvon auen angreifen wollte, mit meinemU-Boot vorbeiund befand michnun pltzlich innerhalb der erstenund zweitenDampfer-reihe. Aus dieser Position griff ich erneut an und kam zum Schu auf eingroes Schiff der zweiten Reihe. Eine riesige helle Wassersulevor demDampfer scho hoch, eine gewaltige Detonation erfolgte. Schon kam einZerstrer mit hoher Fahrt und weier Bugseeauf michzu; ichgab Alarm,tauchte und erwartete Wasserbomben. Doch nichts erfolgte. Vielleichtwagte der Zerstrerkommandant, aus Sorge vor mglicherBeschdigungeigenerSchiffein der Enge der Kolonnen nicht,Wasserbombenzu werfen.Unter Wasser lief ich nach auen vom Geleitzug ab, tauchte dann vor-

    sichtig auf und sah, allein auf dem eben ber Wasser ragenden Turmmeines nur angeblasenen U-Boots hockend, im Westen den Geleitzugweiterlaufen. In meiner Nhe stand noch ein Zerstrer, der sich anschei-nend an der Sinkstelledes torpedierten Schiffesbefand. Ich blies die Tanksvoll aus, tauchte also ganz auf und lief dem ablaufenden Geleitzug nach,um noch einmal, mglichstnoch in der Dunkelheit, ber Wasser anzugrei-fen. Aber die Morgendmmerung kam zu schnell; gerade als ich wiedervor dem Geleitzug stand, wurde es so hell, da ich tauchen mute. Ichwollte nun unter Wasser auf Sehrohrtiefe angreifen. Aber es kam anders.Durch einen Fehler in der Lngsstabilitt meinesBootes- ein Germania-U-Boot des B-IIl-Typs, das deswegen bereits bei der vorhergehenden

    1 Feger - so genannt, weil er mit Zickzack-Kursen, auch weit nadt den Sei-ten ausholend, vor dem Geleitzug die See Fegte, um die U-Boote frhzeitig aufTiefe zu drcken und so ihren Angriff zu vereiteln.

    Werftliegezeit erhebliche Umhauten erfahren hatte - stellten wir unspltzlich unter Wasser auf den Kopf; die Batterie lief ber, das Licht gingaus, und wir fuhren im Dunkeln nach unten in die Tiefe. Wasser hattenwir genug unter uns, etwa 2500 bis 3000 m. Tiefer als 60 bis 70 m durf-ten wir aber nicht kommen; denn der Druckkrper des U-Boots hieltnominell dem Wasserdruck nur bis zu dieser Tiefe stand. Ich lie alleTanks anblasen, die Maschinen stoppen, zurckgehen und hart Ruderlegen, um die Fahrt des Bootes nach unten vielleicht auch noch hierdurchzu hemmen.Mein tchtiger Wachoffizier,der Oberleutnant z. S. Mssen,beleuchtete im dunklen Turm mit einer Taschenlampe das Manometer.Der Zeiger bewegte sichgeschwindnach rechts, das Boot sank also schnellimmer tiefer; endlichblieb der Zeiger zitternd einen Augenblickzwischen90 und 100 m stehen und schlugdann schnellzurck. Das AusblasenderTauchtanks mit Preluft hatte sich gerade noch auswirken knnen. DasBoot, nun unter Wassermit ausgeblasenenTanks viel zu leicht, schowieein Stock, den man unter Wassergedrckt hat und dann loslt, hoch ausdem Wasser heraus und schlugauf die Oberflchedes Meeres auf. Ich ridasTurmluk auf und hieltUmschau.Drauen war es ganz hellgeworden.Wir lagen mitten im Geleitzug, die Zerstrer und Dampfer hatten alle einFlaggensignal gesetzt, berall heulten Sirenen, die Dampfer drehten abund feuerten aus ihrem Heckgeschtz auf mich, die Zerstrer liefen aufmichzu und schossen.Es war eine reizende Situation. Ichwollte so schnellwie mglichwieder tauchen. Das ging aber nicht mehr, die Preluft warverbraucht, das Boot hatte Treffer und Wassereinbruch.Es wurde mirklar, da dies das Ende war, und ich befahl Alle Mann aus dem Boot.Ein Korkballen mit groen Korkstcken, den wir am Tage vorher ge-

    fischt und an Deck festgezurrt hatten, wurde gelst. Jedermann bekamneben seiner SchwimmwestenachMglichkeitein Korkstck.Schmerzlicherweisehatten wir trotzdem sieben Mann Verluste, dar-

    unter auch meinen Leitenden Ingenieur, den Leutnant ]eschen.Das U-Boot versank, der Geleitzug fuhr weiter, wir schwammenin der

    See.Schlielichkehrte einGeleitzerstrer um und zog unsausdemWasser.Dies war das Ende meiner U-Bootfahrzeit im ersten Weltkrieg. Die

    letzte Nacht aber hatte mir eine grundstzliche 'Erkenntnis mitgegeben:Der Angriff ber Wasser auf einen Geleitzug im Schutz der Dunkelheitist fr das U-Boot besonders aussichtsreich.Je mehr U-Boote gleichzeitigangreifen, um so gnstiger wird die Lage auch fr jeden einzelnen An-greifer; denn durch Detonationen und sinkende Schiffeentsteht in dunk-ler Nacht eine solcheVerwirrung, da die schtzendenZerstrer in ihrerHandlungsfreiheit behindert sind und sichinfolge der Hufung der ncht-lichen Ereignisse zersplittern mssen. Darber hinaus aber war es auch

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  • aus strategischen und allgemein taktischen Grnden erforderlich, einenGeleitzug durch mehrere U-Boote anzugreifen.

    Der deutsche U-Bootkrieg im ersten Weltkrieg war nach grten Er-folgen im Jahre 1917 durch die Einfhrung des englischen Geleitzugsystemsum seine entscheidende Wirkung gekommen. Durch die Konvoi-Bildungwar der Ozean leer geworden; die deutschen U-Boote standen einzeln inSee, sahen und fanden lange Zeit nichts und trafen dann pltzlich aufeine groe Hufung von Dampfern, 30 bis 50 und mehr, umgeben voneiner starken Sicherung von Kriegsschiffen verschiedenster Art. Das eineU-Boot, welches vielleicht zufllig den Geleitzug sah, griff an, versuchtenoch einmal anzugreifen und immer wieder, wenn der KommandantNerven hatte ber mehrere Tage und Nchte hinweg, bis die physischeErschpfung von Kommandant und Besatzung den Angriffen Einhaltgebot. Waren auch ein, zwei oder mehr Schiffe von dem einen U-Bootversenkt, es war doch immer nur ein geringer Prozentsatz! Der Geleitzugfuhr weiter. Meistens sichtete ihn kein weiteres deutsches U-Boot mehr.Er erreichte England und brachte groe Mengen Lebensmittel und Roh-stoffe ins Land.

    Es muten also der Masse. von Schiffen eines Konvois mglichst vieleU-Boote entgegengesetzt werden.

    Mit dieser Erkenntnis ging ich in die englische Gefangenschaft. ImJuli 1919 kam ich nach Haus. Man fragte mich in Kiel beim Marine-stationskomrnando der neuen Reichsmarine, ob ich nicht weiter dienenwolle. Ich stellte die Gegenfrage an den Personalreferenten: GlaubenSie, da wir bald wieder U-Boote haben werden?Diese waren uns von den Siegermchten im Versailler Vertrag vllig

    verboten worden.Seine Antwort war: -Sicherlich glaube ich das. Das bleibt ja nicht alles

    so. In etwa zwei Jahren werden wir hoffentlich wieder U-Boote haben.Diese Antwort gab mir den letzten Ansto, weiter Soldat und bei der

    Marine zu bleiben. Denn ich war im ersten Weltkrieg ein begeisterterU-Bootfahrer gewesen. Ich war im Bann dieser einzigartigen U-Boot-Seefahrt, die den U-Bootmann auf sich selbst stellt und ihm in der groenWeite des Ozeans eine Aufgabe gibt, die Herzensstrke und Knnen er-fordert; ich war im Bann dieser einmaligen U-Boot-Kameradschafl, diesich bildete durch das gleiche Schicksal, die unterschiedslosen, gleichenLebensbedingungen eines jeden in der Gemeinschaft einer U-Bootbesatzung,in der jeder auf jeden angewiesen war und in der keiner entbehrt werdenkonnte. Wohl jeder U-Bootmann hatte diese Weite des Raums und derAufgabe im Herzen gesprt und hatte sich reich gefhlt wie ein Knigund htte mit keinem getauscht.

    Daher fragte ich, ob wir bald wieder U-Boote haben wrden.Es kam anders. Deutschland blieb in den Fesseln des Versailler Vertrags.

    Wir durften bis 1935 keine U-Boote besitzen, und ich habe bis zu diesemJahre mit U-Booten nichts mehr zu tun gehabt. Ich wurde berwasser-Fahrer und -Taktiker, Torpedobootkommandant, Chef einer Torpedo-bootsflottille, Navigationsoffizier auf dem Flaggschiff des Befehlshabersder Seestreitkrfte in der Ostsee, Vizeadmiral von Loewenfeld, und dannKommandant des Auslandskreuzers Ernden.

    Ich erwhne dies alles, weil ich in diesen Jahren in eine sehr grndlicheSchule der Taktik der berwasserstreitkrfte genommen wurde. Es warendie Jahre der materiellen Ohnmacht der Reichsmarine infolge der Be-schrnkungen des Versailler Vertrags. Um so lebhafter und strker wurdeversucht, diese Schwd1e durch grndliche seemnnische, schietechnischeund taktische Ausbildung wettzumachen. Es kam darauf an, solche takti-schen Lagen zu erkennen und zu ben, welche dem Schwachen dadurchbessere Aussichten bieten, da sie die berlegenen Krfte des Gegnersnicht voll zur Wirkung kommen lassen. Dies war vor allem in der Nacht-schlacht der Fall, die groe Schulung und groes Knnen erfordert undauch friedensmig nicht ohne Risiko ist. Sie bietet deswegen fr denSchwachen grere Vorteile als die Tagschlacht, weil sie ihm den schtzen-den Mantel der Dunkelheit gibt, aus der er pltzlich hervortreten und inder er sich wieder verbergen kann. Es waren die Zeiten, in denen es nochkeine Ortung durch Radar gab. In diesen 20er Jahren ist ein hervor-ragender Taktiker, Admiral Zenker, als Oberbefehlshaber der Seestreit-krfte der Exerziermeister dieser intensiven taktischen Ausbildung derStreitkrfte, besonders im Nachtkampf, gewesen.

    Diese Jahre gaben mir eine grndliche friedensmige Durchbildungmeiner taktischen Kenntnisse. Sie waren die notwendige Ergnzung zumeinen Kriegserfahrungen von 1914 bis 1916 auf S. M. S. Breslau imSchwarzen Meer. Auf diesem Kriegsschauplatz hatten wir die groe ber-legenheit der russischen Flotte spren mssen. Unser Kriegfhren war einstndiges Katz- und Mausspiel um Gewinnen oder Verlieren, bei dem wirnach jedem Operieren im Schwarzen Meer das einzige Schutz bietendeLoch, den Bosporus, wieder zu erreichen versuchten. Auerdem warendiese 20er Jahre die notwendige Ergnzung zu meiner Kriegserfahrungauf U-Booten als Wachoffizier und Kommandant von 1916 bis 1918,wobei ich den Krieg von der Seite des angreifenden U-Boots aus kennen-lernen konnte. Diese doppelseitige taktische Schulung und Erfahrung inKrieg und Frieden bei der Kriegfhrung ber Wasser und unter Wasser,in Angriff und Sicherung ist mir spter bei der Ausbildung der neuenU-Bootwaffe ab 1935 von groem Nutzen gewesen.

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  • Im glaube, man soll einem U-Bootfhrer solche doppelseitige Ausbil-dung geben und ihn nicht nur einseitig aus dem U-Bootdienst hervorgehenlassen. Ebenso mu der Admiral, der gegen einen U-Bootkrieg mit derAufgabe des Geleirschutzes und der U-Boot-Bekmpfung betraut wird,selbst auch U-Bootfahrer gewesen sein. Nur dann kann er das Wesen bei-der Kampfarten so aus eigenem Erleben kennen, da er ohne unsicheresTasten die richtigen Manahmen trifft. Churchill, der wie selten ein Poli-tiker und Staatsmann sehr gutes Verstndnis fr Probleme des Seekriegeshatte, erkannte diese Notwendigkeit auch im zweiten Weltkrieg und ver-traute im Jahre 1942 dem Admiral Max Horton, einem besonders erfah-renen U-Bootkommandanten des ersten Weltkrieges und spteren Schlacht-sdiiffkommandanten und Kreuzeradmiral, den Schutz und die Organi-sation der fr England lebenswichtigen Geleitzge im Atlantik an undsetzte ihn mir damit als meinen Haupt-Gegenspieler hin. -

    Nach Beendigung einer Auslandsreise um Afrika und in die IndischenGewsser mit dem Kreuzer Emden traf im im Juli 1935 vor Wilhelms-haven in der Jademndung auf Schillingreede ein. Der Oberbefehlshaberder Kriegsmarine, der damalige Generaladmiral Dr. h. c. Raeder, kam zumir an Bord. Am selben Tage war der Kapitn z. S. Ltjens, der sptereAdmiral und Flottenchef, der im Mai 1941 auf dem Schlachtschiff Bis-marck fiel, als Kommandant des Kreuzers Karlsruhe von einer Aus-landsreise nach Nord- und Sdamerika heimgekehrt. Wir berichteten beidein meiner Kajte dem Oberbefehlshaber der Kriegsmarine ber unsereReisen und meldeten unsere Vorschlge fr unsere nchsten Auslandsfahr-ten. Ltjens sollte, nach dem bisherigen Plan des Oberkommandos derKriegsmarine, mit der Karlsruhee wieder in die Neue Welt gehen, wh-rend im mit der Emden Japan, China, das damalige Niederlndisdi-Indien, die Sdsee und Australien besuchen sollte. Ltjens schlug vor, dagetauscht wrde, damit auch die Karlsruhee einmal die alten Kulturendes Ostens kennenlernen knne. Im sprach dagegen und begrndete diesdamit, da die Emden nach den berhmten Kriegsfahrten ihrer Namens-vorgngerin im ersten Weltkrieg unter dem Fregattenkapitn von Mllertraditionell in den ostasiatischen Raum gehre.

    Zu Ltjens' und meiner berraschung sagte der Befehlshaber der Kriegs-marine trocken: Streiten Sie sich nicht, meine Herren, Sie steigen beidevon Ihren Kreuzern aus: Liitjens wird Offizierpersonalchef im Ober-kommando, um die Aufstellung des Offizierkorps der neu aufzubauendenMarine durchzufhren, und Sie, Dnitz, bernehmen die neu zu bildendedeutsche U-Bootwaffe.

    Diese Entscheidung traf uns unverhofft. Der Abschlu des Flotten-abkommens mit England hatte diesen Kommandowechsel bedingt. Im war

    durch ihn keineswegs beglckt. Die geplante neue Auslandsreise nam demfernen Osten hatte mich sehr gelockt. Die U-Boote konnten im Aufbauder geplanten homogenen Flotte nur ein kleiner und weniger wichtigerTeil sein. Im sah mich auf ein Nebengleis geschoben.

    Die Zukunft hat gezeigt, da meine damalige Ansicht nicht richtig war.Diese im Juli 1935 durch den Oberbefehlshaber befohlene Kommandie-rung war fr mein ferneres Leben von einschneidender Bedeutung bis aufden heutigen Tag. Sie brachte mir alles, was ein Mannesleben menschlichausfllen kann: Verantwortung, Erfolg, Niederlage, Treue und Verehrungvon Menschen, die Notwendigkeit der eigenen Bewhrung und Leid.

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  • r2. Kapitel

    einzelnen Schiffskategorien bindend war. Nur fr die U-Boottonnagewaren 45 Prozent erlaubt, welche gegebenenfalls nach gegenseitigen freund-schaftlichen Errterungen auf 100 Prozent der englischen erhht werdenkonnten.

    Entsprechend der Strke der englischen Kriegsmarine 1935 durften wirnach diesem Abkommen an Tonnage der einzelnen Schiffstypen demnachbesitzen:Schlachtschiffe 184 000 t Flugzeugtrger 47 000Schwere Kreuzer 51 000 t Zerstrer 52 000 tLeichte Kreuzer 67 000 t U-Boote (45 /o) 24 000 t

    Fr die Schilderung der Aufgabe, eine neue deutsche U-Bootwaffe zubilden, ist die obige Ziffer der U-Boottonnage von Bedeutung. Sie ist trotzder 45 Prozent die geringste. Das ist erklrlich. Englands Leben hngtinfolge seiner Insellage von der Einfuhr an Lebensmitteln und Rohstoffenber See ab. Zur Erhaltung seines Imperiums sind ferner die Seeverbin-dungen nach seinen Kolonialgebieten lebenswichtig. Daher war als see-strategische Aufgabe der englischen Kriegsmarine seit Jahrhunderten derSchutz dieser Seeverbindungen klar vorgezeichnet. Dieser lt sich nurdurch berwasserschiffe, nicht durch U-Boote gewhren. Das U-Boot istfr eine Schutzaufgabe wegen seiner groen Verletzlichkeit ber Wasser,z. B. durch Artilleriebeschu, wegen seiner geringen Geschwindigkeit undinfolge seiner niedrigen Augeshhe, auch wegen seiner geringen eigenenSichtweite denkbar ungeeignet. Es ist dagegen ein ausgesprochenes tak-tisches Angriffsmittel. 1Da auerdem England keinen mutmalichen Geg-ner besa, dessen Seeverbindungen es in einem kriegerischen Konfliktdurch eigene U-Boote im groen Stil htte angreifen mssen, brauchteseine Kriegsmarine auch keine grere U-Bootwaffe. Ihre Strke wardaher in den 30er Jahren nur gering, z.B. nur etwa 2/s der U-Bootzahlder franzsischen Kriegsmarine. (Im Jahre 1939 besa England 57, Frank-reich dagegen 78 U-Boote.) Die U-Bootwaffe spielte in der englischenMarine also nur eine untergeordnete Rolle. So bedeutete das englischeZugestndnis, da Deutschland 45 O/o, statt 35 O/o wie bei den brigenSchiffskategorien, und gegebenenfalls sogar 100 O/o der englischen U-Boot-tonnage bauen konnte, wie aus der obigen Tonnageaufstellung hervor-geht, im Grunde sehr wenig. Das U-Boot konnte also zahlenmig inder neu aufzubauenden homogenen deutschen Flotte kein bedeutenderFaktor werden.

    Hierzu kam noch folgendes: Die Seemchte schlossen 1936 im Londoner

    Die neue Aufgabe

    Am 18. Juni 1935 war das deutsch-englische Flottenabkommen zustande-gekommen. Deutschland verpflichtet sich darin, seine Rstung zur See auf35 Prozent der englischen zu begrenzen.Diese freiwillige Selbstbeschrnkung ist aus der damaligen Lage des

    deutschen Reiches zu erklren. Es war den Bestimmungen des VersaillerVertrags unterworfen, der eine weitgehende deutsche Abrstung zur Folgegehabt hatte, ohne da die im Vertrage versprochene Abrstung derSiegermchte je stattgefunden htte. Hitler wollte diese Fessel allmhlichlsen und hatte am 16. Mrz 1935 die deutsche Wehrhoheit erklrt. Erhatte England aus der zu erwartenden Opposition der Diktat-Mchte her-ausbrechen wollen und deshalb bereits Verhandlungen mit ihm ber einSeerstungs-Abkommen eingeleitet. Er glaubte damit auch fr die Zukunftdie politische Gegnerschaft Englands auszuschalten, weil durch eine solchefreiwillige maritime Rstungsbeschrnkung dokumentiert wurde, daDeutschland keinen Angriff auf England beabsichtige. Dieser Gedankeder damaligen Staatsfhrung erwies sich als Trugschlu. Die GegnerschaftEnglands gegen einen europischen Staat war immer in erster Linie durchmachtpolitische und weltwirtschaftliche Gesichtspunkte bestimmt worden,auch ohne da es sich von diesem Gegner zur See bedroht gefhlt htte.Das auerordentliche Selbstbewutsein der Englnder, ihr Machtgefhl,ihr Streben nach wirtschaftlicher Vormacht wurden betroffen, wenn einanderer Staat in Europa zu gro zu werden schien. Diesen Wurzelnentsprang die berhmte britische Politik des europischen Gleich-gewichts. Trotz Abschlu des Flottenabkommens und der deutschen See-rstungsbeschrnkung sollte sich dies auch in den Jahren nach 1935zeigen.

    Es war verstndlich, da die Englnder im Jahre 1935 auf dieses vonHitler gemachte Angebot eingingen. Nach dem Abkommen durfte Deutsch-land 35 Prozent der englischen Schiffstonnage bauen, was auch fr die

    1 Wenn in diesem Buch von Angriffsmitteln gesprochen wird, so ist diesmilitrisch-taktisch zu verstehen. Es hat mit Aggression und Angriffskriegnichts zu tun. Dieser ist eine politische Angelegenheit.

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  • rU-Bootprotokoll 2 ein U-Bootabkommen, das allen englischen Wnschenhinsichtlich der militrischen Verwendung des U-Boots entsprach. DasU-Boot mute hiernach beim Anhalten und Versenken von Handelsschif-fen wie ein Oberwasserschiff verfahren. Auch nur zur Verteidigung- aufHandelsschiffen aufgestellte Geschtze nderten hieran nichts; die Schiffebehielten trotzdem ihren vlkerrechtlichen Charakter als Handelsschiffeund genossen den entsprechenden Schutz. Das bedeutete, da das U-Bootgem der Prisenordnung a das Handelsschiff aufgetaucht anhalten unduntersuchen mute.

    Falls es das Schiff dann auf Grund der Bestimmungen der Prisenord-nung versenken durfte, war es verpflichtet, vorher fr die Sicherheit derBesatzung zu sorgen. Da hierfr auf hoher See die Rettungsboote derHandelsschiffe als nicht ausreichend galten, htte es die Besatzungen alsoauch bei sich an Bord unterbringen, oder, weil dieses im allgemeinen nichtmglich war, von der Versenkung Abstand nehmen mssen.

    Nach Unterzeichnung des englisch-deutschen Flottenabkommens 1935trat Deutschland am 23. November 1936 auch diesem U-Bootprotokollvon 1936 bei. Dadurch wurde der militrische Wert des U-Boots weiterherabgesetzt.

    Hierzu kam noch ein Drittes: Die Englnder hatten nach dem erstenWeltkriege in der ffentlichkeit sehr viel ber ein neues englischesOrtungsmittel gegen unter Wasser fahrende U-Boote geschrieben, das

    >Asdicc 4-Gert, welches mit Hilfe ultrasonorer Wellen durch Schallecho-Ortung ein U-Boot schon auf mehrere 1000 m Entfernung feststellenknne. Also war das U-Boot nach offizieller englischer Ansicht eine ber-holte Waffe. Es lohne sich fr die anderen Nationen nicht mehr, so mein-ten die Englnder, U-Boote zu bauen.Aus diesen Grnden bestanden im Jahre 1935 auch in der deutschen

    Kriegsmarine Zweifel an dem vollen Wert der neuen U-Boote, wenn auchden tchtigen, jungen Offizier, den Unteroffizier und Matrosen oder Hei-zer die sicherlich erhhten Gefahren des Dienstes auf einem U-Boot, diegrere dienstliche Selbstndigkeit und der unverblate Ruhm der deut-schen U-Boote des ersten Weltkrieges zum Dienst auf den neuen U-Boo-ten lockten.

    Die materielle Lage der neuen U-Bootwaffe war folgende: Seit 1932war vom Oberkommando der Kriegsmarine der Bau von U-Booten vor-bereitet worden, so da zu Beginn des Jahres 1935 whrend der Flotten-bauverhandlungen mit England U-Boote bereits auf Stapel gelegt werdenkonnten. Es waren sehr kleine U-Boote von 250 t. Ende September 1935befanden sich davon sechs,U'l bis U 6, bei der U-Bootabwehrschulec, derspteren U-Bootschule, unter dem Befehl des Fregattenkapitns Slevogt,der in sehr anerkennenswerter Weise die erste technische und tauchtech-nische Schulung der Besatzungen dort durchfhrte.

    Am 28. September 1935 wurde mit drei weiteren 250 t-U-Booten, U 7,U 8, U 9 die erste Front-U-Bootf!ottille, die U-Flottille Weddigen, inDienst gestellt. Ich wurde als Fregattenkapitn ihr Chef. Im Laufe derfolgenden Monate kamen mit U 10 bis U 18 noch neun weitere U-Bootegleichen Typs zu dieser Flottille.

    Mein Flottillen-Ingenieur wurde der damalige Fregattenkapitn (Ing.)Thedsen. Ich kannte Thedsen. Er war im ersten Weltkrieg Leitender Inge-nieur auf einem U-Boot und in den Jahren 1921 bis 1923 LeitenderIngenieur auf dem Torpedoboot G 8 gewesen, dessen Kommandant ichdamals war. Das Oberkommendo der Kriegsmarine htte keine bessereWahl treffen knnen.

    Auch die Auswahl der U-Bootkommandanten und der brigen Offi-ziere dieser Flottille war mit besonderer Sorgfalt erfolgt. Es waren erst-klassige Offiziere unter ihnen.

    Fr mim war es selbstverstndlich, da im nun alle meine Krfte frdas Gelingen des Aufbaues dieser neuen U-Waffe einsetzte. Ich wurdemit Leib und Seele wieder U-Boot-Mann.

    Fr die Ausbildung dieser ersten U-Flottille seit 1918, also nach der

    2 Der Londoner Flottenvertrag von 1930 trat nicht fr alle Signatare inKrall:, da Frankreich und Italien ihn nicht ratifizierten. Aus diesem Grundekamen alle Vertragschlieenden von 1930 im Jahre 1936 erneut in London zu-sammen, um dem Artikel 22 des Abkommens von 1930, welcher sich mit derU-Bootkriegfhrung befate, in Gestalt des Londoner U-Bootprotokolls dieForm eines selbstndigen Vertrags zu geben.Londoner Protokoll vom 6. November 1936

    Art. 22: Les dispositions suivantes sont acceptees comme regles etablies duDroit International:

    1. Das leur action a l'egard des navires de commerce, les sousmarines doiventse conformer aux regles du Droit International auxquelles sont soumis les bti-ments de guerre de surface.

    2. En particulier, excepre dans les cas de refus persistant de s'arrter apressommation reguliere ou de resistance active a Ja visire, un navire de guerre qu'ilsoit bitiment de surface ou sousmarine, ne peut couler ou rendre incapable denaviguer un navire de commerce sans avoir au prealable mis Ies passagers,l'equipage, et les papiers de bord en lieu sr, A cet effee les embarcations dubord ne sont pas considerees comme un lieu sr, a moins que Ja securite despassagers et de l'equipage ne soit assuree, compte tenu de l'etar de Ja mer et descoiditions atmospheriques, par Ja proximite de Ja tcrre ou la presence d'un autrebtimenr qui soit en mesure de les prendre a bord.

    3 Die Prisenordnung enthlt die Vorschriften ber das Recht des Anhaltens,Untersuchens und Versenkens von Handelsschiffen durch Kriegsschiffe auf Grundder internationalen Abmachungen. 4 Abkrzung fr: Anti Submarine Detection Investigation Committee.

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  • rlangen Unterbrechung einer u-bootlosen Zeit, hatte ich keinerlei Befehle,Anweisungen oder Richtlinien erhalten. Dies war richtig und gut so, undich war froh darber. Ich hatte meine eigenen Vorstellungen ber dieAusbildung der Flottille und hatte mir ganz bestimmte grundstzlicheZiele gesetzt. Diese waren:

    1. Ich wollte die Besatzungen mit Begeisterung fr ihre Waffe und Zu-trauen zu ihr erfllen und sie zu selbstloser Einsatzbereitschaft erziehen.Nur ein solcher Geist konnte im Kriege bei der Schwere des U-Boot-kampfes Erfolge herbeifhren. Das militrische Knnen allein wrde nichtgengen. Dazu gehrte, da ich den U-Bootbesatzungen zunchst einmalden immer wieder auftauchenden Komplex nahm, da das U-Boot infolgeder Weiterentwicklung des englischen Abwehrmittels, des Asdic, eine ber-holte Waffe sei.

    Ich glaubte an die Kampfkraft des U-Boots. Ich hielt es nach wie vorfr ein ausgezeichnetes Angriffsmittel des Seekriegs, fr den bestmglichenTorpedotrger.

    2. Die U-Bootwaffe war so kriegsmig wie mglich auszubilden. Ichwollte jede Lage, die der Krieg nach meiner Vorstellung bringen konnte,den U-Booten bereits im Frieden vorsetzen, und zwar mglichst so grnd-lich, da die U-Bootbesatzungen ihr im Kriege gewachsen sein wrden.

    3. Den Schu aus Nahschuentfernung von 600 m setzte ich als Forde-rung fr den V-Boot-Unterwasser- und Oberwasser-Angriff fest.Dann konnten sich Fehler in der Verschtzung der Schuunterlagen kaumnoch auswirken. Der Nahschu mute treffen. Auch wenn man aufdem angegriffenen Schiff den Angriff des U-Bootes bei der Schuabgabeerkannte, kam jedes Ausweichmanver dieses Schiffes zu spt. Die U-Boot-schule hatte im Sommer 1935 die jungen Besatzungen gelehrt, man mssezum Unterwassertorpedoschu ber 3000 m vom Ziel abbleiben, weil manandernfalls vorher durch das englische Asdic entdeckt werde. Als ichEnde September 1935 Chef der V-Flottille Weddigen wurde, wandte ichmich entschieden gegen diese Auffassung. Ich hielt die sichere Wirkungdes Asdic fr nicht erwiesen. Auf jeden fall weigerte ich mich, auf Grundder englischen Verffentlichungen von vornherein klein beizugeben, DerKrieg hat spter gezeigt, da diese Zielsetzung richtig war.

    4. Ich hielt das U-Boot fr einen ausgezeichneten Torpedotrger, auchnachts im Oberwasser-Angriff. Was bereits vor 1900 die Tirpitzsche Ideewar, den Torpedo nachts durch ein kleines, infolge geringster Aufbautenund daher kleiner Silhouette nur sehr schwer sichtbares Torpedoboot auftdliche Nahschuentfernung an den Gegner heranzutragen, diese Ideelie sich jetzt noch durch das aufgetauchte U-Boot verwirklichen. Ausdem ursprnglich kleinen Torpedoboot als ehemals idealem Torpedotrger

    der Tirpitzschen Vorstellung war im Laufe der Jahrzehnte durch immerneue Aufgaben und durch das gegenseitige Hochschaukeln der Kampf-kraft ein Torpedoboot und schlielich ein Torpedobootzerstrer von sol-cher Gre und Sichtbarkeit geworden, da er sich fr den Nahangriffbei Nacht nicht mehr eignete. Dagegen war das U-Boot, von dem prak-tisch nur der Turm aus dem Wasser ragt, nachts auerordentlich schwerzu erkennen. Daher legte ich den grten Wert auf die Verwendung desU-Boots imAngriff ber Wasser bei Nacht unter Anwendung allerRegelnund Erfahrungen der Torpedoboottaktik, soweit sie sich auf den U-Boot-einsatz bertragen lieen.

    5. Das Schwergewicht der Oberlegungen, Zielsetzungen und der ent-sprechenden Ausbildung sollte aber auf taktischem Gebiet liegen. Hierwaren neue Probleme zu lsen:

    1. Es mute mglich sein, im Angriff gegen ein bestimmtes Ziel sichmglichst stark zu machen, d. h. also durch taktisches Zusammenarbeitenund taktische Fhrung mehrere U-Boote zum Angriff an das gewnschteZiel heranzubringen. Das kann sich auf jedes wertvolle Einzelziel be-ziehen, ist aber natrlich besonders erwnscht bei einer Hufung vonZielen, z. B. einem Kriegsschiffverband oder einem Geleitzug. DerMassierung von Zielen ist also eine Massierung von U-Booten entgegen-zusetzen.

    II. Das U-Boot hat nur geringe Augeshhe und ist auch ber Wasserlangsam. Es bersieht daher in der Zeiteinheit nur einen verhltnismigkleinen Raum. Es ist also besonders ungeeignet als taktischer Aufklrer.Seine taktische Zusammenarbeit mit fr die Aufklrung besser geeignetenKriegsmitteln ist daher erforderlich. Das beste Kriegsmittel fr die Auf-klrung ist das Flugzeug.

    Fr beide Probleme war eine praktisch brauchbare Lsung noch nichtgefunden worden. Das U-Boot hatte bisher immer allein operiert.

    Entsprechend diesen Grundstzen wurde nunmehr ab 1. Oktober 1935die Ausbildung der V-Flottille Weddigen angepackt:

    Die U-Boote gehrten auf das Wasser und in das Wasser, und zwarfr lngere Zeitabschnitte in mglichst weiten Seerumen und das beijedem Wetter. Vollkommene Eingewhnung der Besatzung an Bord, See-gewohnheit in jeder Beziehung, Sicherheit in genauer, vor allem astrono-mischer Navigation waren das Ziel.

    Jeder Ausbildungsteil wurde systematisch, ruhig und grndlich erledigt.Das kommende Halbjahr wurde in aufeinander aufbauende Abschnitteeingeteilt, und diese wurden den Besatzungen von vorneherein bekannt-gegeben. Besonders die Grundlagen auf allen Gebieten muten sitzen. Sohatte z.B. jedes U-Boot 66 Unterwasser-Angriffe und ebensoviel Ober-

    18 19

  • rwasser-Angriffe gefahren, bevor es im Dezember 1935 in seinen erstenTorpedoschieabsdmitt eintrat.

    Die Kriegsmigkeit der Ausbildung bezog sich auf alle Gebiete: dasganze u-bootmige Verhalten im Feindgebiet; das Ungesehenbleiben (derKommandant mute in das Gefhl bekornmen, wann er ber Wassergesehen wird und wann nicht); die Entschlieung, wann vor einem gesich-teten Flugzeug oder Fahrzeug getaucht werden mu, und wann das Bootber Wasser bleiben kann; den unsichtbaren Angriff mit sparsamstem,richtigem Sehrohrgebrauch - bei Nacht unter Ausnutzung von Hinter-grund, Beleuchtung, Wind und See und kleinster Silhouette; die taktischenGrundkenntnisse, z.B. das ungesehene Fhlunghalten und Vorsetzen, dasVerhalten beim Obergang vom Tag zur Nacht und umgekehrt; das Be-nehmen der feindlichen Abwehr gegenber, z.B. entziehen ber Wasseroder unter Wasser, auf Sehrohrtiefe bleiben und sehen oder tief tauchenund sich blind machen, mit hoher Fahrt unter Wasser ablaufen und Hakenschlagen oder geruschlose Schleichfahrt; die technische und tauchtech-nische Beherrschung des Bootes in allen Wassertiefen und Obergngenunter mglichst kriegsmigen Verhltnissen; die Feuerabwehr der Artil-lerie- und Flak-Waffen in Verbindung mit Alarmtauchen.

    Es wird dies eine sehr reizvolle und dankbare Ttigkeit fr Thedsenund mich. Wir beide waren die einzigen Offiziere der neuen U-Bootwaffemit Kriegserfahrung. Wir begannen im Oktober 1935 damit, da wir inSee von U-Boot zu U-Boot stiegen. Thedsen lehrte technischen Fahrbetriebund tauchtechnische Handhabung des Bootes, ich zunchst den Seerohr-und Oberwasserangriff. Wir waren bei jedem Wetter in reger Ttigkeitin See.

    Sehr bald erfllte die U-Bootbesatzungen der V-Flottille Wediggen einefreudige und begeisterte Einstellung zu ihrem Dienst und zu ihrer Waffe.Die systematische, grndliche Handhabung des Ausbildungsdienstes, dasSehr-viel-in-See-Sein, das Gefhl der Besatzungen, da die AusbildungSinn hatte, da die Besatzungen gefrdert wurden und ihr Knnen wuchs,gab der Florille sehr bald einen groen Auftrieb. Da es meine Art war,sehr persnlich zu fhren, lernten die Besatzungen mich bald kennen. Sokonnte sich gegenseitiges Vertrauen bilden.

    Ein guter Geist erfllte die U-Bootwaffe, auch bei ihrem Grerwer-den in den folgenden Friedensjahren. Die spteren groen bungen -ich wurde Herbst 1936 nach dem ersten Ausbildungsjahr der V-FlottilleWeddigen Fhrer der U-Boote-, bei denen jeder an der taktischen Erpro-bung und Entwicklung beteiligt war, wurden stets von allen mit Begeiste-rung gefahren.

    Dieser gute Geist der U-Bootwaffe zeigte sich dann whrend des Krie-

    ges in einer selbstlosen, tapferen Einsatzbereitschaft der Besatzungen ineinem schweren, opfervollen Kampf.

    Einer meiner ersten damaligen U-Bootkommandanten der V-FlottilleWeddigen schilderte im Jahre 1957 dieses erste Ausbildungsjahr 1935/36wie folgt:

    Was in diesem einen Jahr in intensivster Ausbildung und Beanspruchungder Besatzungen bis an die Grenze der Belastungsmglichkeit an Erkennt-nissen gewonnen worden ist, bildete die Grundlage fr den weiteren Auf-bau der U-Bootwaffe, soweit es sich um Typenwahl, Bewaffnung undAusbildung handelte.

    Die Taktik hat in den darauffolgenden Jahren Verfeinerungen erfah-ren: Sie mute, als die mgliche Gegnerschaft Englands erkennbar wurde,den neuen Gegebenheiten des freien Seeraums und der Konvoibildung an-gepat werden. Im Prinzip hat sich nichts mehr gendert.

    Das Bemerkenswerteste an diesem Ausbildungsjahr 1935 bis 1936 istdie Tatsache, da allen Kommandanten und Besatzungen der unzweifel-haft weitverbreitete Komplex, das U-Boot sei eine berholte Waffe undzu einer Kraftleistung infolge der hoch gezchteten U-Bootabwehr nichtmehr befhigt, genommen wurde.

    Ich glaube, da dieses Urteil des ehemaligen Kommandanten der V-Flot-tille Weddigen die Wahrheit trifft.

    20 21

  • 3. Kapitel

    Gruppentaktik

    Zu den beiden taktischen Problemen, Zusammenarbeit von U-Booten mitFlugzeugen und der U-Boote untereinander, ist noch einiges zu sagen. Daserste Problem wird zusammenhngend in einem spteren Kapitel behan-delt werden, das zweite folgt jetzt.

    Es ist eine der natrlichsten Forderungen, da man zum Kampf mg-lichst stark sein will, ihn nicht allein bestehen mchte, sondern versucht,die Waffenhilfe anderer zo bekommen. Seit urdenklichen Zeiten rotteteman sich daher fr den Kampf zusammen oder versammelte sich untergemeinsamer, einheitlicher Fhrung.

    Im Seekrieg des ersten Weltkrieges war es vor allem das U-Boot, dasvon dieser Grundregel eine Ausnahme machte. Es operierte und kmpftefast ausschlielich allein. 1

    Dieser schwerwiegende Nachteil des U-Bootkampfes trat am deutlich-sten in Erscheinung, als die Englnder im ersten Weltkrieg das Geleitzug-system einfhrten.

    Der damalige Fregattenkapitn Bauer, der Fhrer der dem Flotten-kommando unterstellten U-Boote, beantragte im Frhjahr 1917, ihm denersten fertig werdenden U-Kreuzer zur Verfgung zu stellen, damit erselbst sich westlich Irlands ein Bild davon machen knne, in welcher Formein gemeinsames Operieren von U-Booten gegen Geleitzge mglich sei.Der Antrag wurde abgelehnt.

    Wie mir 1939 bzw. 1957 bekannt wurde, haben im Jahre 1917 und1918 die damaligen Korvettenkapitne Rose und Otto Schultze ebenfallsVorschlge fr das gemeinsame Operieren von U-Booten gemacht.

    Diese Antrge und sonstigen Gedanken in dieser Richtung wurden imersten Weltkrieg leider nicht allen U-Bootfahrern zugnglich gemacht.Die Ll-Flottillen unterstanden den verschiedensten hheren Dienststellen,

    1 Siehe Seite 7.

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    r

    so da eine Verbreitung und Weiterverfolgung einer solchen Idee in dergesamten U-Bootwaffe nicht gelang; wahrscheinlich auch, weil sie damalsmit einer gewissen Berechtigung als sehr theoretisch und kaum durchfhr-bar empfunden wurde.

    An dem Geleitzugsystem war der deutsche U-Bootkrieg des erstenWeltkriegs gescheitert.

    Es war mir daher 1935 mit Beginn meiner Ttigkeit als Chef der erstendeutschen U-Flottille klar, da dieses Problem der gemeinsamen Verwen-dung von U-Booten gelst werden msse. Als Fhrer der Unterseebootehabe ich spter ab 1938 durch den damaligen Korvettenkapitn Godthierin eine hervorragende Untersttzung gehabt. Godt war der 1. Admi-ralstabsoffizier und spter Chef der Operationsabteilung in meinemStabe.

    Ich mchte hier, um die Flle der Fragen anschaulich zu machen, diedas erste Zusammenarbeiten von U-Booten ab Ende 1935 bei der Aus-bildung der U-Flottille Weddigen aufwarf, zwei Niederschriften zitieren;die erste stammt wieder von einem meiner damaligen U-Bootkomman-danten und die andere von mir selbst aus dem September 1946 inNrnberg, als ich vor der Verkndung des Urteils, dessen Spruch nichtvorauszusehen war, das Wesentliche ber die letzten Jahre nieder-schrieb.

    Der U-Bootkommandant sagt von der Ende September 1935 beginnen-den taktischen Ausbildung der U-Flottille Weddigen:

    Gleichzeitig stellte der Flottillenchef die ersten Oberlegungen ber einezu entwickelnde U-Boottaktik an. Bei der Konzentrierung auf bestimmteEinzelziele ergab sich die Notwendigkeit zu einem taktischen Zusammen-arbeiten der in begrenzten Seerumen bzw. Operationsgebieten einge-setzten U-Boote.

    Es kam darauf an, den Gegner zu finden, zu melden und mit einermglichst groen Zahl von U-Booten anzugreifen.

    So wurde das Ende des Jahres 1935 zum Geburtsjahr der spter zurMeisterschaft entwickelten Rudeltaktik der U-Boote. Der Weg dorthinlief ber viele Etappen. Pate gestanden hat zunchst fr Aufklrungs-und Sicherungsaufgaben die Torpedobootstakrik. Es wurde begonnen mitder Aufstellung des Aufklrungs- bzw. Vorpostenstreifens. Bei Feindsich-tung griff das sichtende Boot nach Abgabe der Feindmeldung an, die bri-gen Boote klappten zum Angriff heran. Dieses Verfahren bewhrte sichnur gegen einen in der Geschwindigkeit unterlegenen Gegner. Es wurdedaher vervollstndigt durch die Aufstellung von einer oder mehrerenU-Gruppen hinter dem gebildeten Streifen, die auf den gemeldeten Geg-ner zu operieren hatten.

    23

  • In zahlreichen bungen und Manvern wurde in den verschiedenstenVarianten die taktischen Formen erprobt. Sie fhrten bis zu der Kreis-aufstellung, in die der Gegner hineinstie und bei der das erste sichtendeBoot zum Fhlungshalter und die auf den abgewandten Kreisbogenstehenden Boote zur Untersttzungsgruppe wurden. Alle Erkenntnissewurden stndig in sich erweiternden und korrigierten taktischen Befehlenniedergelegt.

    Ich selber schrieb im September 1946 in Nrnberg:sehr viele Einzelprobleme ergaben sich bei der Erprobung des Zusam-

    menoperierens von U-Booten. Sie lagen im wesentlichen auf folgendenGebieten:

    a) Auf dem Gebiet der Fhrung. Wie weit kann gefhrt werden, nurzum taktischen Zusammenwirken oder auch zum Angriff? Wie ist diebeste Synthese zwischen Fhrung und Selbstndigkeit des U-Boots? Muvon See - von einem Oberwasserschiff oder U-Boot - gefhrt werden?Kann ein U-Boot berhaupt fhren? Wo mu es in See stehen, um andereU-Boote fhren zu knnen? Kann von Land gefhrt werden, ganz odernur teilweise? Ist dann eine Unterfhrung von See aus noch erforderlich,wo liegt dann die Trennungslinie zwischen beiden Fhrungen?

    b) Auf dem Gebiet der Nachrichten-Verbindung. Wie kann das U-Bootber Wasser, auf Sehrohrtiefe und im ganz getauchten Zustande erreichtwerden, vom U-Boot aus, vom Oberwasserschiff aus und von einer Land-station? Welche Nachrichtenmittel sind hierfr erforderlich? Welche Wel-lenlnge - Kurz-, Lang- oder Lngstwellen - mssen benutzt werden,welche Reichweiten ergeben sich, bei welchen See- und Wetterverhltnis-sen, Tag- und Nachtzeiten?

    Wie sind die Sendeverhltnisse des U-Boots? Welche Sende- und Emp-fangsmglichkeiten mu ein U-Boot haben, welches fhrt?Das ganze Fragengebiet des Peilzeichen-Gebens, -Empfangens und -Mel-

    dens. Aufstellung zweckmiger Codes. Befehls- und Meldesprache.Diese Untersuchungen und Erprobungen hatten ebenfalls eine Flle von

    technischen Problemen und Aufgaben zur Verbesserung der Empfangs-und Sendemittel zur Folge.

    c) Auf taktischem Gebiet. Wie verhalten sich U-Boote, die zusammen-arbeiten sollen? Auf dem Marsch: lt man sie zusammen und wie, oderlst man sie auf und in welcher Form? Welches sind die besten Aufstel-lungen und Bewegungen, um selbst aufzuklren, oder um eine andere Auf-klrung zu untersttzen, oder um diese mit Sicherheit durch U-Boote ab-zunehmen? Wie stellt man U-Bootgruppen auf, die dem Angriff dienensollen, geschlossen, geffnet, breit oder tief, welche Abstnde der Boote

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    r

    und Gruppen untereinander - oder lst man sie ganz auf und wie, inLinie oder schachbrettfrmig usw.?

    Wieviel U-Boote braucht man zum sicheren Fhlunghalten, mu undkann man sie hierfr abteilen? Wie ist ihre Ablsung zu handhaben,wann haben die Fhlunghalter den Angriff frei? Und sehr viel andereFragen mehr.

    Ich glaube, da der Inhalt beider Niederschriften ein treffendes Bild dergemachten Versuche und aufgetauchten Probleme gibt.

    Die Taktik des Zusammenoperierens von U-Booten wurde in einemgreren Manver zum ersten Male in dem Wehrmachtsmanver derDeutschen Wehrmacht Herbst 1937 angewandt. Ich selbst sa als Fhrerder U-Boote auf einem U-Bootbegleitschiff in Kiel und fhrte von dortdurch Funkspruch die in der stlichen Ostsee befindlichen U-Boote. Siehatten in dem freien Seeraum der Ostsee nrdlich der Kste von Pom-mern, West- und Ostpreuen einen feindlichen Schiffsverband und Geleit-zug zu finden, auf ihn zu operieren und ihn anzugreifen. Die massierteHeranfhrung der U-Boote an diesen Verband gelang im Laufe desMan-vers vllig; der Erfolg war eindrucksvoll. Nach weiteren bungen gre-ren Stils in der Nordsee bten die U-Boote im Mai 1939 die Gruppen-taktik im Atlantik westlich der spanischen Halbinsel und westlich derBiskaya. Der Flottenchef, Admiral Boehm, untersttzte meine Obungs-absichten weitgehend und stellte die hierfr erforderlichen berwasser-schiffe zur Verfgung. Im Juli 1939 fhrte ich eine gleiche U-Bootbungin der Ostsee dem Oberbefehlshaber der Kriegsmarine vor. Alle diesebungen zeigten, da das Problem im Prinzip gelst war und die Einzel-heiten dieser Taktik im wesentlichen klar waren, soweit sie sich berhauptfriedensmig klren lieen.Nicht klar war, ob die Fhrung in groer Entfernung, z. B. im Atlantik,

    stehender U-Boote aus dem Heimatbereich mglich sein wrde. Ich hattedaher auch eine Fhrung von See aus vorgesehen und hierfr besondersmit Nachrichten- und Stabs-Unterkunftsmglichkeiten ausgerstete Fh-rungs-U-Boote in Aussicht genommen. Der Krieg zeigte spter, da aus-schlielich von Land aus gefhrt werden mute und konnte.

    Die ersten Befehle fr die Gruppentaktik wurden bereits Ende 1935aufgestellt und laufend verbessert. Sie wurden schlielich im Kriege imHandbuch fr U-Bootkommandanten zusammengefat.Bemerkenswert ist, wie die englische Marine auf die seit 1935 gebte

    deutsche Gruppentaktik reagiert hat.Ich selbst war in den Friedensjahren 1935 bis 1939 der Ansicht, da

    solch eine neue Taktik, an deren Erprobung und Anwendung bei Man-vern alle Schiffsverbnde der deutschen Marine beteiligt waren und von

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  • ~der Tausende von Menschen Kenntnis erhielten, sich gar nicht geheimhalten liee. In meinem im Januar 19392 ffentlich erschienenen BuchDie U-Bootwaffe hatte ich zwar nicht die Gruppentaktik geschildert,aber die Vorteile der Oberwasser-Verwendung des U-Boots im Nacht-angriff in Wort und Bild stark betont. Dieser war wirklich kein Geheim-nis und auch schon am Ende des ersten Weltkrieges von U-Booten ange-wandt worden. Um so mehr war ich berrascht, da im Kriege die Eng-lnder sowohl gegenber dem Oberwasser-Angriff der U-Boote wie gegen-ber der Gruppentaktik zunchst vllig unvorbereitet waren. Der Kapi-tn Roskill scheibt 1954: a

    Es ist geschildert worden, wie die Monate Juni bis Oktober (1940)durch die groen Erfolge einzelner U-Bootkommandanten gekennzeichnetwaren. Solange die Strke des Feindes an U-Booten gering blieb, hatte er(Dnitz) keine andere Wahl, als jedem U-Boot zu erlauben, allein zuarbeiten, so gut es den einzelnen Kommandanten mglich war. Als aberdie Zahl der U-Boote; die Admiral Dnitz unterstanden, grer wurde,war er in der Lage, Angriffe zu befehlen, bei denen mehrere U-Boote zu-sammenarbeiteten. Er hatte lange auf die Gelegenheit gewartet, diesenWechsel in der Taktik vorzunehmen, und die Wolfs-Rudelc, wie siespter genannt wurden, ~urden nach und nach zwischen Oktober 1940und Mrz 1941 eingefhrt. Dieser Wechsel traf uns unvorhergesehen undunvorbereitet.

    2 In einer Folge militrischer Schriften bei Mittler & Sohn.3 Roskill, History of the Second World War, The War at Sea, Band I,

    Seite 354.

    schallwellen arbeitet, also damit ein getauchtes U-Boot anzeigen konnte.Die Englnder hatten zu diesem Verfahren sehr groes Vertrauen. Infolge-dessen berichtete die englische Admiralitt 1937 an das Shipping DefenceAdvisory Committee, da das U-Boot nie wieder fhig sein wird, unsvor das Problem zu stellen, dem wir uns 1917 gegenbersahen.e s

    Da man dieses unter Wasser wirkende Verfahren gegen U-Boote besa,hatte man in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen in der engli-schen Marine die U-Bootgefahr tatschlich aus den Augen verloren undunterschtzt. Von wesentlicher Bedeutung hierfr scheint mir aber nebendiesen Umstnden eine grundstzliche Denkungsart der britischen Admi-ralitt zwischen den beiden Weltkriegen gewesen zu sein, die sich aus derfolgenden Darstellung von Kapitn Roskill, Band 1, Seite 355, ergibt:

    Der Leser wird natrlich fragen, warum die Anwendung solcher Tak-tiken (der Rudeltaktik) durch den Feind nicht vorausgesehen wurde,und warum wir unsere Energien und Aufmerksamkeit nur auf getauchteU-Boote konzentriert hatten. Wenn man die britische Marineausbildungund das britische Marinedenken in den Jahren zwischen den Kriegen nocheinmal berblickt, so scheint es, da beide auf die Fhrung von Ober-wasserschiffen im Kampf mit hnlichen feindlichen Einheiten konzentriertwaren, und da auch die Verteidigung des Handels hauptschlich vomGesichtspunkt der Angriffe durch feindliche Oberwasser-Einheiten betrach-tet wurde. Die Feststellung, welche der Erste Seelord im August 1939 imKomitee der Stabschefs seinen Kollegen gegenber hinsichtlich der mg-lichen Bedrohung unseres Handels durch handelskriegfhrende, feindliche(Uberwasser)-Kriegsschiffe traf, zeigt an, wieweit diese Anschauung dasMarinedenken vor dem Kriege beherrsdite.

    Diese Denkungsart scheint mir beachtlich und deshalb erwhnenswertzu sein, weil sie nicht nur fr die englische Marine, sondern fr alle Ma-rinen schlechthin gilt. Sie zeigt, wie schwer es fr einen Seeoffizier ist,der in der Uberwasser-Kriegfhrung erzogen und ausgebildet wurde,sich die Bedeutung einer anderen Form der Seekriegfhrung, der durchdas U-Boot, klar zu machen und sie in sich aufzunehmen. Dies ist mensch-lich verstndlich, denn er lebt in der Vorstellung seiner Kriegfhrung, undwenn er tatkrftig und zielstrebig ist, so sinnt er nach allen Mitteln, diees ihm ermglichen, den von ihm verlangten Oberwasserkampf zu gewin-nen, und hoffi auf sie und glaubt an sie. Darum ist selbst von den Mari-nen die Bedeutung des U-Boots nie voll oder aber zu spt erkannt wor-den - wie der zweite Weltkrieg und das obige Zitat zeigen, nicht einmal

    Weiter unten schreibt Kapitn Roskill auf derselben Seite:

    Die Entwicklung war, vorn britischen Standpunkt aus, voll der ernst-haftesten Probleme, weil der Feind eine Form des Angriffs angewandthatte, die wir nicht vorausgesehen und gegen die weder taktische nochtechnische Gegenmanahmen vorbereitet worden waren.

    Kapitn Roskill schildert dann, wie es zu dieser berraschung durchdie deutsche Rudeltakrik gekommen war: In der englischen Marinewaren zwar auch zwischen den beiden Weltkriegen von U-Booten inbungen Nachtangriffe ber Wasser ausgefhrt worden, aber im allge-meinen wurden Unterwasser-Angriffe gebt. Entsprechend hatte die eng-lische Marine ihre Tatkraft und Aufmerksamkeit nur darauf konzen-triert, Angriffen von getauchten U-Booten begegnen zu knnen, Siehatte das Asdic-Verfahren entwickelt, welches unter Wasser mit Ultra-

    4 A. a. 0 Band I, Seite 34.

    26 27

  • ivon der englischen Marine, obwohl die deutschen U-Boote im ersten Welt-krieg England in die schwerste Krise seiner Geschichte gebracht hatten.

    Auch Dienststellen der deutschen Marine und die deutsche Staatsfb.-rung haben im zweiten Weltkrieg die Bedeutung des U-Boots nicht recht-zeitig und nicht in ihrer vollen Gre erkannt und die erforderlichenMittel dafr nicht rechtzeitig aufgewendet. Das ist die Tragik des deut-schen U-Bootkrieges im zweiten Weltkrieg. Darber wird spter noch eini-ges zu sagen sein.

    4. Kapitel

    Ll-Bootbaupolitik 1935 bis 1939

    Die Entscheidung darber, welche Schiffe in einer Kriegsmarine zu bauensind, ist und mu grundstzlich Angelegenheit der Obersten Fhrung die-ser Kriegsmarine sein. Allein der verantwortliche hchte Befehlshaber hatdie Verbindung mit der Staatsfhrung, er allein innerhalb der Marinewird von der Staatsfhrung ber die politische Lage orientiert; er weidaher, mit welchen mutmalichen Gegnern die Kriegsmarine zu rechnenhat, und kann infolgedessen die entsprechenden strategischen Oberlegun-gen anstellen.

    Dabei ist die Frage nach den strategischen Aufgaben die primre Frage.Aus ihrer Beantwortung ergibt sich die zweite Grundfrage: Mit welchenMitteln des Seekriegs knnen diese Aufgaben erfllt werden? In klarerKonsequenz dieser Untersuchungen sind dann diese Mittel bereitzustellenohne Rcksicht auf etwaige traditionelle Bindungen oder Vorstellungenin der eigenen oder in fremden Marinen.

    Der Abschlu des deutsch-englischen Flottenabkommens 1935, der auspolitischen Grnden erfolgte und der eine ausgesprochen politische Ma-nahme war, mit dem Ziel, England fr eine gemeinsame Politik zu ge-winnen, legte die Strke der deutschen Marine auf 35 Prozent der eng-lischen auch innerhalb der einzelnen Schiffsklassen fest. Damit enthob esdie deutsche Marineleitung der Untersuchung und Beantwortung der er-whnten ersten grundstzlichen Frage hinsichtlich Englands: Dieses kamals Gegner nicht in Frage. Im Sinne des deutsch-englischen Flottenabkom-mens sollte die deutsche Marine im Frieden ein politischer Machtfaktorund im Kriege in der Lage sein, den Kampf mit einem kontinentalenGegner aufzunehmen. Es liegt auf der Hand, da die Untersuchung derfr die Marine hieraus erwachsenden strategischen Aufgaben mit starkenUnsicherheiten belastet sein mute - z.B. dem Problem, ob berhauptein Kampf Deutschlands gegen eine kontinentale Macht Europas ohneEingreifen der angelschsischen Seemacht politisch denkbar war.

    28 29

  • Bei der zweiten grundstzlichen berlegung, welche Seekriegsmittelerforderlich waren, um diese seestrategisdien Aufgaben gegen einen kon-tinentalen Gegner zu lsen, war die deutsche Marine fr die einzelnenSchiffskategorien an die im Flottenabkommen festgelegten Prozentzahlender entsprechenden englischen Schiffstonnage gebunden. Hinsichtlich derSchiffstypen selbst bestand jedoch innerhalb der Kategorien Freiheit.

    Wenn auch, wie oben gesagt, die Entscheidung, was in einer Marine anSchiffen zu bauen ist, grundstzlich Angelegenheit des Oberkommandosist, so wird dieses vor der endgltigen Festlegung doch stets die Ansichtder Front einholen.

    Dies war in besonderem Mae beim U'-Bootban der Fall. Es hatte seinenGrund darin, da einerseits die U-Bootfragen nach der langen 17jhrigenUnterbrechung ein in vieler Beziehung unbekanntes Sachgebiet fr diedeutsche Marine im allgemeinen waren, und andererseits der Oberbefehls-haber der Kriegsmarine persnlich Wert darauf legte, den Frontfhrerder U-Bootwaffe auch in der Baufrage zu hren. Ob und wie weit meinEinflu sich in der U-Bootbaufrage hat auswirken knnen, wird im fol-genden aufgezeigt werden.

    Der taktische und operative Wert eines U-Boots war zwischen den bei-den Weltkriegen nach den Erfahrungen des ersten Weltkrieges und nachdem damaligen Stand der Technik und der Waffenentwicklung folgender: 1

    Das U-Boot war, wie bereits dargelegt, ein guter Torpedo-, aber einschlechter Artillerietrger. Fr die Artillerieverwendung waren auch seineniedrige Plattform und geringe Augeshhe ungnstig.

    Das U-Boot war gut zum Minenlegen geeignet, weil es hierzu unge-sehen in die kstennahen und daher am strksten befahrenen Seegewsserdes Gegners eindringen und sie auch unbemerkt, also ohne den Verdachteiner Verminung erregt zu haben, wieder verlassen konnte.

    Das U-Boot war ferner ber Wasser, verglichen mit allen Typen derberwasserschiffe, sehr langsam, also wenig geeignet, mit ihnen unmittel-bar taktisch zusammenzuarbeiten, und auerdem wegen seiner geringenAugeshhe ein sehr schlechter Aufklrer.

    Bei den berlegungen ber den zu bauenden U-Bootstyp kam nochfolgender allgemeiner Gesichtspunkt hinzu: Das U-Boot ist der einzigeKriegsschiffstyp, der nur in seltenen Ausnahmefllen gegen seinesgleichenzu kmpfen hat. Fr die Bemessung seiner Gre und Kampfkraft scheidetdaher die im brigen Kriegsschiffsbau so wichtige Frage vllig aus, wie

    1 Diese Gedanken sind heute nur noch zum Teil richtig. Die technische Ent-wicklung der Ortungsgerte, die berragende Bedeutung des Flugzeugs haben dieForderungen, die an das U-Boot zu stellen sind, weitgehend verndert.

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    stark der entsprechende Kriegsschiffstyp des mutmalichen Gegners ist.Der Bootstyp kann also ohne Rcksicht auf die Bootsgren anderer Ma-rinen gewhlt werden. Das wechselseitige Hochschaukeln der Ober-wasser-Kriegsschiffstypen, das in diesem Jahrhundert in allen Marinen mitdem besorgten Blick auf das entsprechende Kampfmittel des Gegnerserfolgt ist, braucht also das U-Boot nicht mitzumachen. Wenn es in einigenMarinen trotzdem geschah, so mag hierbei stets das allgemeine Streben,die einzelnen Kriegsschiffstypen immer grer und damit kampfkrftigerzu machen, auch auf den V-Bootsbau ansteckend gewirkt haben. Dann isthierbei jedoch ein Trugschlu unterlaufen: Die Kampfkraft eines U-Bootesnimmt durchaus nicht allgemein wie bei anderen Kriegsschiffen mit seinemGrerwerden zu. Im Gegenteil, viele der Eigenschaften, die seine be-sondere Kampfkraft ausmachen, werden beim berschreiten einer gewis-sen Gre schlechter. Die Tauchzeit, die das Boot braucht, um aus derOberwasserfahrt die schtzende Tiefe unter Wasser zu erreichen, wirdlnger; das Tauchmanver selbst wird schwieriger, zu groe Neigungendes Bootes nach vorn werden gefhrlicher, weil dabei das grere Bootin strkerem Mae als Scherflche wirkt mit der Tendenz der weiterenVergrerung der Vorlastigkeit. Dasselbe.gilt fr die Unterwasserfahrt;die ganze tauchtechnische Handhabung des Bootes ist komplizierter undfr den tauchtechnischen Fhrer, den Leitenden Ingenieur des Bootes,unbersichtlicher; das grere Boot ist auf Sehrohrtiefe schwieriger zusteuern als ein kleines, weil die gleichen Vor- und Achterlastigkeitsgradeinfolge seiner greren Lnge leichter dazu fhren, da es die Wasserober-flche durchbricht - besonders bei der Fahrt auf Sehrohrtiefe in Seegangoder Dnung, d. h. immer bei Verwendung im freien Seeraum.

    Es kommt hinzu, da das grere Boot weniger manvrierfhig, weni-ger wendig ist: es hat ber und unter Wasser einen greren Drehkreis,braucht also zu jedem Drehmanver um denselben Winkel auch mehrZeit. Es kann daher schnell wechsenlden Kampflagen schlechter und lang-samer folgen als das kleinere Boot, was besonders fr den Nachtangriffein erheblicher Nachteil ist. Weiter hat ein greres Boot auch eine grereSilhouette und ist daher nachts leichter zu sehen.

    Auf der anderen Seite knnen auf einem greren Boot natrlich mehrWaffen und mehr Proviant und Brennstoff untergebracht und damit derAktionsbereich vergrert und die Lebensbedingungen verbessert werden.Dieser Gesichtspunkt mag bei manchen Marinen zur Vergrerung derU-Boote beigetragen haben. Hierbei ist jedoch zu bercksichtigen, daeine U-Bootbesatzung auch bei besseren Unterkunftsverhltnissen physischnicht unbegrenzt leistungsfhig ist und im allgemeinen nach einer zwei-monacigen Kriegs-U-Bootfahrt eine Erholungszeit braucht. Ein erheblich

    31

  • grerer Aktionsbereich hat daher schon aus diesem Grunde nur beding-ten Wert.

    Diese Oberlegungen erlaubten einen weiten Spielraum in der Wahl desBootstyps. Es galt die beste Synthese zwischen diesen widerstrebendenForderungen, der tauchtedmisdien und technischen Handlichkeit, Ober-siditlichkeir und taktischen Manvrierfhigkeit einerseits - und demAktionsbereich andererseits zu finden, die den denkbaren operativen Not-wendigkeiten gengte. Dieser Goldene Sdinitt zwischen den beidengegenstzlichen Forderungen lag etwa beim 500-t-Boot. 2

    Fr diesen mittleren U-Bootsryp spricht auch der sehr einfache, aberfr die Eigenart des U-Boots besonders wichtige Gesichtspunkt, da mangrere Aussicht hat, den Gegner zu finden und Erfolge zu erzielen, wennman mehrere Positionen in See mit je einem U-Boot besetzen kann, alswenn man nur in der Lage ist, auf einer dieser Positionen ein U-Boot,wenn auch ein sehr viel greres, aufzustellen. Fr berwasserschiffe istdiese so simple Weisheit durchaus nicht immer richtig. Aber mit einemgreren U-Boot wchst der sowieso geringe Aufklrungsbereich desU-Boots so gut wie gar nicht.Diese Frage wird besonders wichtig, wenn die fr den gesamten U-Boot-

    bau zur Verfgung stehende Tonnage begrenzt ist, etwa durch ein abge-schlossenen Vertrag, und es sich daher darum handelt, diese begrenzteTonnage so zweckmig wie mglich aufzuteilen. Es war also auch ausdiesem Grunde gnstiger, statt z.B. eines U-Boots von etwa 2000 t vierU-Boote von etwa 500 t zu bauen.

    Im Sommer 1935 waren fr die deutsche Kriegsmarine an U-Booten inDeutschland bereits im Bau bzw. fertiggestellt:

    1. Zwlf U-Boote des Typs II: etwa 250 t (Typverdrngung), 3 Bug-torpedorohre, Oberwassergeschwindigkeit 12 bis 13 sm, Aktionsradius3100 sm; ein sehr gelungenes, einfaches, aber kleines Boot.

    2. Zwei U-Boote des Typs 1: 712 t, vier Bug- und zwei Hecktorpedo-rohre, 17 sm berwassergeschwindigkeit, Aktionsradius 7900 sm; einweniger gelungener Typ; das Boot neigte beim Schnelltauchen zu groer,gefhrlicher Vorlastigkeit und erforderte eine sehr geschickte Bedienung.

    3. Zehn U-Boote des Typs VII: etwa 50() to gro, vier Bugrohre, einHeckrohr, Oberwassergeschwindigkeit 16 sm, Aktionsradius 6200 sm; einBootstyp, der sich vorzglich bewhrte.

    2 Hierbei ist als Grenbezeichnung die im Washingtoner Abkommen 1922fr alle Nationen allgemein geltende Typverdrngung genommen; also dieBerechnung nach Washington-Tonnen (eine Washington-Tonne = 1016 kg), undgerechnet ohne Brennstoffvorrat. Nach Wasserverdrngung (deplacement) wrdedieses Boot etwa eine Gre von 700 t haben.

    32

    J

    i--1944

    ' .1917 als Wachoffizierauf U 39

  • Der B. d. V. mit Prien am 20. 2. 1941, dem Tage von Priens letztem Auslaufen, in Lorient

    Konteradmiral (lng.) Thedsen Admiral von Friedeburg Korvettenkapitn Godt

    Meine Ansicht in der U-Bootbaufrage im Jahre 1936 war folgende:Das bisher gebaute U-Boot Typ II (250 t) der U-Flotille Weddigen

    schied fr den weiteren Bau aus; es war nach Kampfkraft (nur 3 Bug-,kein Hecktorpedorohr), Aktionsradius (3100 sm) und berwassergeschwin-digkeit (12-13 sm) zu schwach.

    Die Bote des Typs I kamen fr einen Weiterbau wegen ihrer tauch-technischen Schwierigkeiten ebenfalls nicht in Frage. Es blieb also derTyp VII. Dieser war aus dem Typ B III des ersten Weltkriegs von denausgezeichneten U-Bootkonstrukteuren, den damaligen Baurten Schrer(Schiffbau) und Brking (Maschinenbau) entwickelt worden. Die sehr ein-gehenden Erprobungen und praktischen Erfahrungen mit diesem U-Bootbei der V-Flottille Saltzwedel zeigten sehr bald, da es ein zuverlssiges,sicher zu handhabendes Boot war.

    Es besa fr seine Gre ein Maximum an Kampfkraft: Bei nur ca.500 t (Washington-t-Rechnung) konnte das Boot bei 4 Bug- und 1 Heck-torpedorohr12 bis 14 Torpedos mitnehmen. Es hatte eine Tauchzeit von20 Sek., besonders gute Unterwassereigenschaften, war ber Wasser relativsehr schnell (16 sm) und wendig. Der Mangel dieses Typs war sein zukleiner Aktionsradius (6200 sm) infolge des nur geringen Treiblverratesvon 67 t. Dies Boot schien mir die beste Synthese aller sich zum Teilentgegenstehenden Forderungen und damit das ideale U-Boot zu sein,wenn es gelang, ihm bei nur geringer Vergrerung erheblich mehr Brenn-stotf und damit einen greren Aktionsradius zu geben. Mein Verbands-ingenieur, Thedsen, machte hierfr einen sehr praktischen Vorschlag.Durch geschickte Ausnutzung eines in der Konstruktion des Typs nochverfgbaren Raums und durch gleichzeitige Vergrerung des Boots umnur 17 t (Typverdrngung) konnte ihm bei einer Brennstofferhhung auf108 t ein Aktionsradius von 8700 sm gegeben werden (Typ VII b, 517 t). 3

    Inzwischen hatte in den Jahren 1936 und 1937 die neue Gruppen- oderRudeltaktik immer festere Formen gewonnen. Sie war im Wesen eineOberwasser- und Bewegungstaktik, die durch angesetzte taktische Auf-stellung den Gegner finden, an ihm ber Wasser Fhlung halten und an-dere U-Boote zu mglichst gemeinsamem Angriff heranfhren sollte, inder Hauptsache bei Nacht ber Wasser. Auch fr dieses taktische Zusam-menarbeiten der U-Boote war das wendige und schnelle Typ-VII-Bootbesonders geeignet. Ich stellte daher im Frhjahr 1937 an das Oberkom-mando der Kriegsmarine folgende Antrge:

    3 Der Typ VII b wurde ab Januar 39 in den Typ VII c gendert, der beieiner nur geringen Vergrerung eine Verbesserung von Bug und Turm brachte.Siehe die Tabelle, Anlage 1. ~ /

    ~ 33

  • Den Typ VII nach dem Thedsenschen Vorschlag zum Zwecke dergenannte Brennstofferhhung um weniges zu vergrern und dieses ver-grerte Typ-VII-Boot hauptschlich zu bauen, d. h. etwa drei Vier-tel der gem dem deutsch-englischenFlottenabkommen zur Verfgungstehenden U-Boottonnage fr diesenTyp zu verwenden.Weiter schlug ich vor, die restlicheBautonnage von etwa einemViertel

    zum Bau eines U-Boots von etwa 740 t mit hherem Aktionsradius(Typ IX, 12 000 bis 13000 sm) fr weiterreichendeEinzelunternehmun-gen zu verwenden.Das Oberkommando der Kriegsmarine hatte hierber andere Ansich-

    ten. In ihrem Ursprung waren diese taktisch und operativ begrndet:Zum groen Teil glaubte man im Oberkommando, da das U-Boot auchin einem kommenden Krieg wieder allein zu operieren und zu kmpfenhaben wrde. Die von mir entwickelte Gruppentaktik wurde von ein-flureichenStellen des Oberkommandos abgelehnt, weil sie bei Operatio-nen zu sehr die Funkstille durchbrechenwrde. Hierdurch wrden dieU-Boote vom Gegner eingepeilt und ihr Standort festgestelltwerden kn-nen. Ich war hingegen der Ansicht, da auch das Funken oder Nicht-funken nur Mittel zum Zwecke sein drfe und die Nachteile des Durch-brechensder Funkstille durch Funken in Kauf genommenwerden mten,wenn dadurch eine Massierungvon U-Booten und damit grere Erfolgeam Gegner erreichtwerden knnten.Trotz meiner Einwnde vertrat das Oberkommando der Kriegsmarine

    die Ansicht,es mten besondersauchsehr groe U-Boote gebaut werden,U-Kreuzer von etwa 2000 t, mit groem Aktionsradius, einem groenTorpedolagerraum, und vor allem auch fr den Oberwasser-Artillerie-kampf geeignet. In der Dringlichkeit der Fertigung sollten sie an ersterStelle stehen.Diese gegenstzlichenAuffassungen ber die Kampfart und das Ope-

    rieren der U-Boote in einem kommenden Kriege und, dadurch bedingt,die Frage nach dem zweckmigstenLl-Bootsbauhatten in den Friedens-jahren nach 1935zur Folge, da das Problem desU-BootbauesdemOber-befehlshaber der Kriegsmarine nicht geklrt schienund infolgedessendieBauvergebung weiterer U-Boote hinausgeschobenwurde. Dies findet infolgenden Bauzahlen seinenAusdruck. Es wurden abgeliefert in den Jah-ren:19351936

    14 Boote21 Boote

    19381939

    9 Boote18 Boote

    1937 1 BootEnde des Jahres 1937 und in den Jahren 1938 und 1939 traten die

    gegenstzlichenAuffassungen zwischen dem Oberkommando der Kriegs-

    34

    marine und dem Fhrer der Unterseeboote in der U-Bootbaufrage in stei-gendemMae klarer zutage. Ich neigte immer mehr der Ansicht zu, dadie Politik Hitlers und damit der stndige MachtzuwachsDeutschlands,trotz des abgeschlossenenFlottenabkommens, zwangslufig die Gegner-schaft Englands bringen wrden. Ich konnte nach den Erfahrungen seitdem 2. September 1870, weil England seitdem immer einem deutschenMachtzuwachsWiderstand geleistet hatte, nicht glauben, da es sichjetztmit dem Growerden Deutschlands abfindenwrde. Ich glaubte vielmehr,da es bald zum Krieg mit England kommen knnte, und erbat immereindringlicher den beschleunigtenAufbau der deutschenU-Bootwaffe. Inder Ausbildung der Ll-Flottillen zog ich aus meiner Ansicht die Konse-quenzen und begann, dieAnwendung derGruppentaktik zur Bekmpfungvon Geleitzgen in mglichstfreie Seerume,wenn mglich in den Atlan-tik zu verlegen, Ein Ende 1937 gestellter Antrag, zu diesem Zweck mitdem U-Bootbegleitschiff Saar und den 500-t-Booten, sowie mit U 25und U 26, den beiden groen Booten des Typs 1, zu den entsprechendenbungen in den Atlantik gehen zu knnen, mute abgelehnt werden, weildie deutsche politische Fhrung whrend des Spanienfeldzuges die poli-tische Situation nicht zustzlich durch einen Schleier von U-Booten imAtlantik ' belasten wollte.Die bungen, die ich im Jahre 1937 innerhalb meinesBereichesdurch-

    fhrte, zeigten sehr bald, da die U-Boot-Phrung bei Anwendung derGruppentaktik in groen weitrumigen Seegebieten ohne ein mit be-sonderen Nachrichtenmitteln ausgerstetesFhrerschiff nicht auskommenkonnte. Auch meiner Forderung nach einem solchenSchiff stand die See-kriegsleitung entsprechend ihrer Konzeption, da die U-Boote in einemkommenden Krieg doch wieder allein operieren wrden, ablehnend ge-genber; bis schlielichdurch das persnlicheEingreifen des Oberbefehls-habers der Kriegsmarine zu meinen Gunsten die Forderung nach einemFhrerschiffs erfllt wurde.Der nach meiner Ansicht akut gespannten politischen Lage glaubte ich

    1938 auch mit folgendem Vorschlag an das Oberkommando der Kriegs-marine gerecht zu werden:

    Bereirs im Frieden wird eine V-Flottille in auslndischenGewssernstationiert, um in Friedenszeit einen kriegverhindernden, militrstrate-gischenDruck ausben zu knnen bzw. im Kriegsfalle schlagartigan wich-tigen Verbindungen des Gegners bereit zu stehen.

    4 Wortlaut der Begrndung der Ablehnung durch Hitler.5 Erwin Waner.

    35

  • Ich schlug zur Erfllung dieses Zieles vor:1. Einfhrung eines dreijhrigen Ausbildungsturnus bei der U-Boot-

    waffe derart, da das 1. Jahr Ausbildungsjahr, das 2. Jahr Manverjahrund das 3. Jahr Auslandsjahr sein sollten.

    2. Zu diesem Zweck Bereitstellung von 2 Werkstattschiffen, die frReparaturzwecke mit den U-Flottillen und ihren U-Bootbegleitschiffen insAusland gehen sollten.

    Im Winter 1938/39 untersuchte ich in einem Kriegsspiel die Problemeder Gruppentaktik, soweit sie die Fhrung, die Aufstellung, das Findenund Heranfhren weiterer U-Boote und den Angriff gegen Geleitzgein der Weite des Atlantik betrafen. Beide spielenden Parteien hatten kei-nerlei Bindungen: Die Fhrung der Geleitzge verfgte ber den ganzenRaum des Atlantik und konnte die von den Geleitzgen zu steuerndenWege frei bestimmen.

    Das Ergebnis des Kriegsspiels war folgendes:1. Fr einen erfolgreichen Handelskrieg sind, wenn der Gegner, wie

    ich glaubte, seinen Handel in gesicherten Geleitzgen zusammenfassenwrde, mindestens 300 deutsche Pront-U-Boote erforderlich. Bei dieserZahl wird gerechnet, da 100 U-Boote jeweils zur berholung und Er-holung der Besatzungen in der Werft liegen, 100 U-Boote sich auf demMarsch zum und vom Operationsgebiet befinden und 100 U-Boote imOperationsgebiet am Feinde stehen knnen. Mit dieser Zahl glaubte ichaber auch einen entscheidenden Erfolg im Handelskrieg erzielen zu kn-nen.

    2. Eine volle Fhrung der im Operationsgebiet befindlichen U-Bootezum gemeinsamen Kampf durch den Fhrer der U-Boote von seiner Be-fehlsstelle an Land aus erscheint nicht mglich. Ich glaubte ferner, dadie Milieu-Kennmise, besonders was die jeweilige Abwehr und wasWind und Wetter anbelangte, auf so groe Entfernung bei dem Fhrerder U-Boote zu gering sein wrde. Ich war der Ansicht, da die opera-tive und die taktische Aufstellung der U-Boote zum Finden der Geleit-zge im groen zwar durch den Fhrer der U-Boote von der Heimat ausgeleitet werden mte, da aber die Fhrung am Geleitzug selbst durcheinen Unterfhrer auf einem vom Feinde etwas abgesetzten U-Boot zuerfolgen habe, das mglichst ber Wasser bleiben sollte.

    Ich forderte daher die Ausrstung eines Teils der im Bau befindlichenU-Boote mit besonders leistungsfhigen Nachrichtenmitteln zur Verwen-dung als Fhrungs-U-Boote.

    3. Mit der augenblicklichen Zahl der U-Boote und dem nach der der-zeitigen Bauzuteilung und dem Bautempo in den nchsten Jahren zu er-wartenden Zuwachs sind nur Nadelstiche im Handelskrieg zu erzielen.

    36

    rDieses Ergebnis des Kriegsspiels meldete ich in einer Denkschrift dem

    damaligen Flottenchef, Admiral Boehm, und dem Oberbefehlshaber derKriegsmarine. Der Flottenchef untersttzte in seiner Stellungnahme meineGedankengnge und Forderungen klar und stark.

    Die Grundlage des Kriegsspiels war meine Ansicht, da der Gegnertrotz des Ll-Boot-Abkommens von 1936 das Geleitzugsystem einfhrenwrde. Diese Ansicht war nicht allgemein. Bei genauer Erfllung der Be-stimmungen des U-Booe-Abkommens war die Einfhrung des Geleitzug-systems nmlich nicht erforderlich, weil dann die U-Boote streng nachPrisenordnung zu verfahren hatten, auch bei Dampfern, die eine nur zurVerteidigung aufgestellte- Bewaffnung besaen. Aber ich konnte mirbeim besten Willen nicht vorstellen, da die gegnerischen Dampfer sichentsprechend den Bestimmungen des Abkommens wie friedliche Handels-schiffe verhalten und sich von einem so leicht verletzlichen, in der Nheber Wasser befindlichen U-Boot versenken lassen wrden, ohne dasU-Boot vorher zu melden und ohne sich zu wehren, besonders wenn aufihnen nur zu Verteidigungszwecken , Geschtze aufgestellt waren. DieThese der Anwendung einer aufgestellten Bewaffnung nur ZU Verteidi-gungszwecken' ist zudem militrisch vllig unklar. Wann beginnt die Ver-teidigung? Etwa, wenn das U-Boot die nach Prisenordnung rechtmigeVersenkung vornehmen will? Oder schon, wenn es von dem Dampfer ge-sichtet wird? Diese Bestimmung des U-Boot-Abkommens entbehrte daherjeglicher wirklichen Substanz.

    Interessant ist es nun, wie zur gleichen Zeit in England die Frage derDurchfhrung des U'-Boot-Abkommens von 1936 und der eventuell not-wendigen Anwendung des Geleitzugsystems beurteilt wurde. Im Jahre1937 fanden Besprechungen zwischen der englischen Admiralitt und derenglischen Luftwaffen-Fhrung statt, wie in einem Kriege der englischeHandel am besten zu schtzen sei. Die englische Admiralitt glaubte, daman durch frhe Einfhrung des Konvoi-Systems sowohl der U-Boot-wie auch der Luftgefahr begegnen knne. Der Luftwaffen-Stab befrch-tete, da die Massierung von Schiffen in einem Konvoi feindlichen Luft-angriffen grere Aussichten bieten, also schwere Schiffsverluste zur Folgehaben wrde.

    Die englische Admiralitt war der Ansicht, da die Geleit-Kriegsschiffeeines Konvois diesen durch das Unterwasser-Ortungsverfahren. des Asdicgegen die U-Bootangriffe und durch ihre Flak-Waffen ebenfalls gegenLuftangriffe gut schtzen knnten. In beiden Punkten war die englischeLuftwaffenfhrung skeptisch.

    Es wurde jedoch eine Einigung erzielt, die am 2. Dezember 1937 vomKomitee der englischen Reichsverteidigung (Committee of Imperial

    37

  • Defence) gebilligt wurde. Diese Einigung hatte das Ergebnis: Es ist wahr-scheinlich, da in einem Kriege uneingeschrnkt U-Boot- und Luftangriffeauf den eigenen Handel erfolgen werden. Das Konvoi-System wird ein-gefhrt.

    In dem Handbuch fr die Verteidigung der Handelsmarine 7 vomJahre 1938 traf die britische Admiralitt fr die Handelsschiffahrt dieAnordnung, da bei Sichtung von Unterseebooten Positionsmeldungenzufunken seien,und baute somit die Handelsschiffein das Warnsystem desMarinenachrichtendienstesein.sDiese Anordnung widerspricht dem Sinn des V-Boot-Abkommensvon

    1936, der den Dampfern jede Teilnahme an der Kriegfhrung verbietet.Sie zeigt, da England bereits in den Friedensjahren die Einhaltung desAbkommens nicht beabsichtigte.Ebenfalls auf Grund der BestimmungendiesesHandbuchs fr die Ver-

    teidigung derHandelsmarine- von 1938wurden kurz nachKriegsausbruchdie englischenHandelsschiffebewaffnet. t Da dieseAufstellung von Ge-schtzennicht zu dem im brigen illusorischenZweckder ausschlielichenVerteidigung- erfolgte, hat dasVerhalten bewaffneterDampfer gegenbergesichtetenU-Booten sofort nach Kriegsausbruch gezeigt: Die Dampferschossenin verschiedenenFllen auf die U-Boote, sobald sie diese sahen.Hierber wird spter bei der Darstellung der ersten Kriegsmonate nocheinigeszu sagensein.An dieserStelle soll nur einesklar gemachtwerden, da England bereits

    1938 Anordnungen gab, die dem V-Boot-Abkommen widersprachen. Esbeabsichtigtebereits seit 1937, in einem Kriege das Geleitzugsystemein-zufhren. Es rechnetenichtmit der Durchfhrbarkeit desV-Boot-Abkom-mensvon 1936.Churchill, der mit Kriegsausbruch 1939 englischer Marineminister

    wurde, schreibt im Band 1 seiner Erinnerungen auf Seite 379:

    Ich hielt meine erste Konferenz in der Admiralitt am Abend des4. September ab. Wegen der Wichtigkeit der Ergebnisse legte ich, bevorich in den frhen Morgenstunden zu Bett ging, die Beschlssezwe

  • 5. Kapitel

    Die entscheidenden Monate des Jahres 193 9bis Kriegsausbruch

    Im vorigen Kapitel ist dargestellt, wie ich die militrisch-politische Lageund die der U-Bootwaffe daraus erwachsenden Aufgaben ansah, undwelche Folgerungen ich fr die Ausbildung und fr meine Vorschlge hin-sichtlich eines entsprechenden U'-Bootbaues daraus zog.

    Die Plne des Oberkommandos der Kriegsmarine dagegen, von denenich als untergeordneter Frontfhrer erst nach ihrem Abschlu im Sommer1939 erfuhr, waren in derselben Zeit folgende:Ende Mai 1938 hatte Hitler dem Oberbefehlshaber der Kriegsmarine

    mitgeteilt, da auch mit England als Gegner zu rechnen sei, ein Konfliktaber nicht unmittelbar bevorstehe. Der Oberbefehlshaber der Kriegs-marine hatte daraufhin im Herbst 1938 einen Planungsausschu im Ober-kommando der Kriegsmarine gebildet, der die fr die Kriegsmarine ausdieser neuen Gegnerschaft entstehenden Aufgaben und die zu ihrer Er-fllung notwendigen Seekriegsmittel zu untersuchen hatte.

    Als strategische Aufgabe der deutschen Kriegsmarine ergab die Unter-suchung des Planungsausschusses die Vernichtung der englischen Handels-schiffahrt. Zur Erfllung dieser Aufgabe schlug der Oberbefehlshaber derKriegsmarine Hitler den Bau einer wohlausgewogenen Flotte von groerKampfstrke vor, die die englischen Zufahrtswege im freien Seeraum desAtlantik in Form von Kampfgruppen anzugreifen und in dieser ArtHandelskrieg unter gleichzeitiger Bekmpfung der Sicherungsstreirkrflezu fhren hatte. Zum Bau dieser Flotte wurde ein langfristiges Programmaufgestellt, das in dem sogenannten Z-Plan niedergelegt war. Dieser sahvor, da bis zum Jahre 1948 folgende Kriegsschiffe gebaut werden sollten:1. 6 Schlachtschiffe von je 50 000 t (auer Bismarck und Tirpitz),2. 8 (spter 12) weiter entwickelte Panzerschiffe von je 20 000 t.3. 4 Flugzeugtrger von je 20 000 t.4. Eine groe Zahl leichter Kreuzer.5. 233 U-Boote.

    40

    -Hitler genehmigte diesen Bauplan im Januar 1939 und forderte, da er

    bereits in 6 Jahren durchzufhren sei.Der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine ordnete an, da bei der Durch-

    fhrung des Plans der Bau der Schlachtschiffe und der U-Boote den Vor-rang haben sollte. Die vorgesehenen V-Kreuzer sollten bereits 1943fertiggestellt sein.

    Der Schwerpunkt des Z-Plans lag also im Bau einer Oberwasser-Flotte.Diese Lsung entsprach nicht meiner Ansicht ber die Gesamtlage und

    meinen dieser Ansicht entsprechend gestellten Antrgen. Ich glaubte, dader Z-Plan folgende Schwchen enthielt:

    1. Seine Verwirklichung dauerte mindestens 6 Jahre. Bis dahin war dieKriegsmarine fr einen Kampf mit England ungerstet, obwohl einepolitische Spannung bestand.

    2. Wenn wir anfangen wrden, Schlachtschiife, Kreuzer und Flugzeug-trger in groer Zahl zu bauen, so wrde ohne Zweifel der Gegner dasgleiche tun. In dem dann einsetzenden Wettrsten wrden wir sicherlichdie Unterlegenen bleiben, besonders weil wir beim Start bei weitem nichtdie erlaubten 35 Prozent der groen Schiffe des Gegners in Dienst haltenwrden.

    3. Durch die seit dem ersten Weltkrieg entstandene Luftbedrohungwaren die deutschen Kampfgruppen in ihren deutschen Ruhe- und Repa-raturhfen englischen Luftangriffen ausgesetzt, in deren nahem Bereich sielagen und denen sie nicht ausweichen konnten. Fr eigene U-Boote konnteman Bunker bauen, fr die groen berwasserschiffe nicht. Die englischeFlotte dagegen konnte sich im hohen Norden Grobritanniens den deut-sehen Luftangriffen entziehen.

    4. Er trgt unserer geographischen Lage England gegenber nicht Rech-nung. Die Lebensadern Englands, die anzugreifen sind, liegen westlichder Insel im freien Seeraum des Atlantik. In diesen Raum mten diedeutschen Seekriegsmittel hinein, dort mten sie sich aufhalten knnen,wenn sie berhaupt wirksam sein sollten. Fr die Wahl der eigenen See-kriegsmittel ist es also ganz wesentlich, ob sie diese Voraussetzungenaus-reichenderfllen.

    Die Lage Deutschlands ist fr den Anmarsch deutscher Seestreitkrftein den Atlantikraum hinein denkbar ungnstig. Wir wohnen, bezogenauf den Verlauf der englischen Seewege, gewissermaen in einem Hinter-haus. Quer vor ihm, die Gewsser der Nordsee durch seine natrlichegeographische Lage blockierend, liegt England, Bereits auf den Auslauf-wegen durch die Nordsee, die nur nach der Enge Shetland=-Norwegengehen knnen, weil der Englische Kanal fr diese Zwecke im Kriege nichtpassierbar ist, knnten die eigenen Streitkrfte leicht vom Gegner erfat

    41

  • und bereits auf diesem Anmarsch bekmpft werden. Der lange eigeneWeg, parallel zur Nord-Sd-Richtung der britischen Inseln, bietet auchleichten englischen Seestreitkrften und Flugzeugen nach Feststellung desAusmarsches deutscher Kriegsschiffe wiederholt Gelegenheit zum Einsatz.Die Verhltnisse fr den Ausmarsch sind fr uns wegen der seitdem er-folgten Entwicklung der Luftwaffe noch ungnstiger als im ersten Welt-krieg. Nur unter besonders gnstigen Bedingungen wre mit einemunbemerkten Ausmarsch zu rechnen. Im freien Seeraum des Atlantik sindder Aufenthalt und das Kmpfen deutscher Oberwasser-Streitkrfte da-durch belastet, da Beschdigungen und Einschrnkungen der Gefechtskraftsich fr die eigenen Streitkrfte sehr viel nachteiliger und gefhrlicherauswirken mssen als fr den Gegner, weil havarierte Schiffe den langen,unter Feindangriffen liegenden Rckmarsch durch die Nordsee in diedeutschen Gewsser zur Reparatur zurcklegen mssen, wohingegen derenglischen Flotte Reparaturpltze an der Westkste Grobritanniens, amKampfraum des Atlantik selbst, zur Verfgung stehen.

    Diese seestrategische Ungunst unserer geographischen Lage Englandgegenber war schon im ersten Weltkrieg deutlich in Erscheinung getreten.

    1914 war es unser seestrategisdier Gedanke,unsereKampfaufgabe gegenEngland durch die Seeschlachtzu lsen.Eine gewonneneSeeschlachtmuteso groe militrischeund politische Folgen haben, da sie die Frage derenglischenSeeherrschaftentscheidend beeinflussen konnte. Fr die Eng-lnder lag jedochkein strategischerZwang vor, von sichaus dieSeeschlachtzu suchen,solange die deutscheFlotte nicht die englischenSeeverbindun-gen im Atlantik oder die gegenDeutschland durchgefhrte Fernblock.adein der nrdlichenNordsee strte. Zu beidem war diedeutscheFlotte jedochwegen mangelnden Aktionsbereichsnicht in der Lage. Auch wurde vonunserer Seite in allzu stark gebter Zurckhaltung den Englndern dieSchlacht nicht zu einer Zeit angeboten, in der das Krfteverhltnis unsnoch Aussichten fr einen gnstigen Ausgang einer Seeschlachtbot. Alsspter infolge A.nderung des Krfteverhltnisses zu unseren Ungunstendie Aussichtenfr einen erfolgreichenKampf nichtmehr bestanden, wurdees klar, da die auf die sdliche Nordsee beschrnkte deutsche Flottekeine seestrategischentscheidendeAufgabe mehr besa. Diese Aufgabeging auf die deutschenU-Boote ber, die die englischenSeeverbindungenim Atlantik angreifen konnten. Die deutsche Hochseeflotte sah ihrenZweck, wie Admiral Scheeres in seiner Denkschrift nach der Skagerrak-Schlachtausgedrckthat, nur nochdarin, den U-Booten fr dieseAufgabedie Anmarschwegeoffenzuhalten.Fr das U-Boot wirken sichdie Nachteile unserer seestrategischenLage

    England gegenbersehr viel weniger aus:

    Es kann, in erster Linie wegen seiner Tauchfhigkeit, ungesehen undgrundstzlich daher ohne den Zwang, sich mit den gegnerischenOber-wasser-Streitkrften auseinandersetzen zu mssen, den Ausmarschraumder Nordsee passieren und an die englischen Lebenslinien im Atlantikherankommen. Aus dem gleichen Grunde und infolge seines, verglichenmit Oberwasser-Streitkrften, auerordentlichen Aktionsradius' und gro-er Seeausdauer kann es sich in diesem strategischenWirkungsraum, ob-wohl die gegnerischen Oberwasser-Streitkrfte dort .die Seeherrschaftbesitzen, lange aufhalten. Es ist daher bereits aus diesen Grnden, ganzabgesehenvon seinenbesondersgnstigenEigenschaftenalsAngriffswaffe,das geeigneteSeekriegsmittel,um die englischenZufuhrwege unmittelbaranzugreifen und damit das deutscheseestrategischeZiel zu erreichen.So hat das U-Boot im erstenWeltkriegEngland demVerlustdesKrieges

    nahe gebracht.An diese seekriegsgeschichtlichenLehren des ersten Weltkrieges knpfte

    ich an, als in mir die Oberzeugung reifte, da doch einesTages Englandunser Gegner sein wrde und das U-Boot in diesem Kampf das fr unsgeeignete Seekriegsmittel wre. Durch Entwicklung der Gruppentaktik,deren Wirksamkeit bereits in den genannten Friedensbungen bewiesenwurde, wollte ich auch demGeleitzugsystemgewachsensein, das im erstenWeltkneg England gerettet hatte. Dies waren die Grnde, warum ich imGegensatz zur Konzeption des Z-Plans ab Frhjahr 1939 den mglichstbeschleunigtenBau einer groen Ll-Boot-Flotte forderte. Jedenfalls zeigteder im Z-Plan vorgeseheneBau von insgesamt nur 233 U-Booten erst bis1948, darunter der beschleunigteBau von Artillerie-U-Kreuzern, da dasOberkommando der Kriegsmarinemeine Konzeption fr den U-Bootbauweder nach der Art der U-Boote, nochnach deren Zahl (FdU: 300 Front-U-Boote), nochnach dem Bautempo angenommenhatte. Allerdings standich mit meiner Ansicht, da ab Frhjahr 1939 beschleunigtU-Boote ingroer Zahl gebaut werden mten, nicht allein.Es folgten der Einmarsch in die Tschechoslowakeiund die englische

    Garantie-Erklrung fr Polen. Am 26. April 1939 wurde das deutsch-englische Flottenabkommen von Hitler gekndigt. Diese Kndigung deserst 1935 abgeschlossenenAbkommens war eine auerordentlich starkepolitischeGeste. Sie sagte klar, da diePolitik desVersuchseinerEinigungmit England zu Ende sei, und zwar nicht nur fr den Augenblick, son-dern da auch fr absehbare Zeit nicht mehr mit einer Besserung derBeziehungenzu England gerechnetwerde.Nunmehr htte es nahe gelegen, zu erkennen, da mit einer langen

    Friedenszeit, :wiesie die Durchfhrung des langfristigen Kriegsschiffbauesdes Z-Plans zur Voraussetzunghatte, nichtmehr mit Sicherheitzu rechnen

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  • war. Bei der durch die Kndigung des Flottenabkommens dokumentiertenschweren Spannung zwischen Deutschland und England hatte es keinepolitische Fhrung mehr mit Sicherheit in der Hand, eine Entladung dieserSpannung in einem kriegerischen Konflikt jederzeit zu verhindern. Daherwar eine sofortige, beschleunigte Aufrstung durch den Bau von U-Bootendie Hauptaufgabe, die der deutschen Kriegsmarine nun gestellt war. DieseMeinung wurde auch von anderen Stellen der Marine geteilt, die nebeneinem beschleunigten U-Bootbau den Bau leichter und einfacher herzu-stellender Oberwasser-Raider durchgefhrt haben wollten. Solche Schiffesollten zum unmittelbaren Angriff auf die gegnerischen Seeverbindungenim freien Atlantik geeignet sein, wobei der Einsatz dieser leichten, ein-fachen Schiffe im Vergleich mit der zu erwartenden Wirkung nicht hochwar. Dies war eine nach meiner Auffassung durchaus vertretbare Kon-zeption, wenn auch vor der Verwendung dieser Oberwasser-Handelsstrerimmer die Frage des Herauskommens aus der Nordsee stand.

    Selbstverstndlich htten auer den fr den Atlantik bestimmtenAngriffsmitteln auch alle Fahrzeuge gebaut werden mssen, die zur Siche-rung und zum Freihalten der Auslaufwege in den deutschen Gewssernerforderlich waren (Zerstrer, Minensuchboote, Rumboote, Sperrbrecher).

    Im Juni 1939 meldete ich dem Oberbefehlshaber der Kriegsmarinemeine und meiner Offiziere Sorgen wegen der Gefahr eines baldigenKrieges mit England. Ich bat ihn, diese meine Ansicht Hitler zu melden,obwohl ich nur Kapitn zur See und ein untergeordneter Frontfhrer war.Ich sagte, da in einem kommenden Kriege gegen England die schwersteLast der Seekriegfhrung auf der U-Bootwaffe liegen wrde, da dieseaber bei ihrer zahlenmigen Schwche dem Englnder nur Nadelsticheversetzen knne. Daraufhin teilte der Oberbefehlshaber am 22. Juli 1939in Swinemnde dem auf dem Aviso Grille versammelten Offizierskorpsder U-Bootwaffe die Antwort Hitlers mit: Er wrde dafr sorgen, daes keinesfalls zu einem Krieg mit England kommt. Denn das wr