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TREFFPUNKT FORSCHUNG Chem. Unserer Zeit, 2013, 47, 6 – 10 www.chiuz.de © 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 7 NEUROCHEMIE Dopamin verbessert Gedächtnisbildung Um Geschehenes noch nach sechs Stunden erinnern zu können, muss der Hippocampus durch Dopamin aktiviert werden. Dieses Ergebnis aus Tierstudien könnte helfen, Menschen auch bei schwacher Dopamin- Ausschüttung Erlebtes dauerhaft speichern zu lassen. Neurowissen- schaftler aus Magdeburg bestätigten nun mit einer Studiengruppe den Einfluss von Dopamin auf die Gedächtnisbildung [1]. oder solchen, der mit dem Prodrug L-DOPA versetzt war. Nachdem L-DOPA die Blut-Hirn-Schranke pas- siert, spalten Carboxylasen im Mittel- hirn das Carboxylat ab und machen so Dopamin verfügbar. Den Probanden wurden je dreißig Innen- und Außenaufnahmen als Schwarz-Weiß-Bild gezeigt. Die Hirnak- tivität wurde dabei mit der funktionel- len Magnetresonanztomographie auf- gezeichnet. In einem zweiten Durch- gang wurde die Hälfte der gezeigten Bilder durch neue ersetzt. Die Aufga- be war, anzugeben, ob das Foto be- reits gezeigt wurde oder neu ist. Düzel zeigte, dass Dopamin in ge- sunden älteren Personen die Erinne- rung an die gezeigten Aufnahmen verbessert. Die Dosis-abhängige Ver- besserungskurve hat eine auf den Kopf gestellte U-Form: Das Optimum ist die Gabe von 2 mg/kg Körperge- wicht. Höhere und niedrigere Dosen waren weniger wirksam. Der frühe Test nach zwei Stunden zeigte noch keinen Einfluss durch die L-DOPA- Gabe. Nach sechs Stunden war die Trefferquote hingegen erhöht. Die Ergebnisse bestätigen die Annahme, dass Dopamin nicht die Codierung selbst verbessert, sondern die darauf folgende Konsolidierung. Nach dem Modell der molekularen Konsolidierung im Hippocampus führt die Codierung im ersten Schritt zu einer kurz anhaltenden Verstär- kung synaptischer Verknüpfungen. Ist die Erregung so stark, dass Dopamin ausgeschüttet wird, löst dieses eine Proteinsynthese aus. Dadurch wan- deln sich die Verknüpfungen in lang- währende Kontakte. Eine zu hohe Proteinsyntheserate kann zu einer Erniedrigung auf länge- re Dauer führen, da Rezeptoren blo- ckiert sind, die durch die Bindung von Glutamat aktiviert werden. Dies geschieht vor allem dann, wenn so- wohl die prä- als auch die postsynap- tische Zelle erregt ist. Da eine häufi- ge Erregung zum Einbau von dieser Art von Rezeptoren führt, deuten sie auf eine dauerhafte Verknüpfung und damit auf einen Vorgang von Lernen oder Gedächtnis hin. Eine höhere Verfügbarkeit von Dopamin verbessert also die moleku- lare Konsolidierung. Inwieweit Dopa- min als Gedächtnisverbesserer ein- gesetzt werden kann, will Düzel ins- besondere in Bezug auf Alzheimer- Patienten weiter untersuchen. [1] R. Chowdhury, M. Guitart-Masip, N. Bun- zeck, R. J. Dolan, E. Düzel, J. Neurosci. 2012, 32 (41), 14193–14204. Sylvia Feil, Burgdorf Im Großhirn ist der Hippocampus daran beteiligt, neu Erlebtes in das Langzeitgedächtnis zu überführen. Gesehenes wie Landschaften, Plätze, Straßenkreuzungen, Buslinien-Num- mern oder Haustüren, was eine schwache Aktivität des Hippocampus hervorruft, ist nach dreißig Minuten noch abrufbar, nach sechs und mehr Stunden aber vergessen. An der Gedächtnisbildung sind im Mittelhirn ebenfalls die Substantia nigra und die Area tegmentalis ven- tralis beteiligt. Ihnen gemeinsam sind die dopaminergen Neuronen, deren Botenstoff Dopamin ist. Im alternden Gehirn degenerieren diese Neuronen und schwächen so das episodische Gedächtnis. Dieses ist auch bei Alz- heimer sehr früh betroffen. Ist der Neuronenverlust sehr hoch, entsteht das Parkinson-Syndrom. Dopamin löst nicht nur Bewegungen aus, sondern beeinflusst auch die Stimmung und die Aufmerksamkeit. Die Probanden der Studie waren 65–75 Jahre alt und gesund. In einer Doppelblindstudie tranken sie bei Versuchsbeginn reinen Orangensaft Der Neurotrans- mitter Dopamin verbessert bei älteren Erwachse- nen die Gedächt- nisleistung; aller- dings gilt dabei nicht der Viel- hilft-viel-Ansatz. Lebensmittel ohne Verfallsdatum? Die massenhafte Konservierung von Nahrungsmit- teln hat die Lebensmittelbranche einst revolutio- niert. Was mit einfachem Pökeln und Erhitzen be- gann, hat sich zu einer Hightech-Industrie gewan- delt. Die Nachfrage nach neuen Konservierungs- techniken steigt, denn nur haltbare Lebensmittel können sicher und vor allem im großen Stil verfüg- bar sein. Welche Auswirkungen haben die Bestrah- lung von Lebensmitteln sowie Zusatz- und Farb- stoffe im Essen? Welche Konservierungsmethoden funktionieren im Alltag der Verbraucher, welche nicht? 21.02, 3sat, 20.15 Uhr Whiskey-Herstellung Von Wasser und Getreide zu Fass und Flasche – das Brennen von Alkoholika ist ein gigantisches Geschäft, dessen Herstellungsprozess fast rituelle Züge annimmt: Die Experten haben die Farbe im Visier, rühren das Glas, atmen das Bouquet, neh- men einen Schluck und genießen den Geschmack. Eine Geschichte der Destillerien von den ersten kleinen Brennereien über die Prohibitionsgesetze bis zu den modernen Giganten der Branche. 01.03, Discovery Channel, 13.30 Uhr Kurzfristige Programmänderungen der Sender sind möglich! TV-TIPPS |

Dopamin verbessert Gedächtnisbildung

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Chem. Unserer Zeit, 2013, 47, 6 – 10 www.chiuz.de © 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 7

N EU RO C H E M I E

Dopamin verbessert GedächtnisbildungUm Geschehenes noch nach sechs Stunden erinnern zu können, mussder Hippocampus durch Dopamin aktiviert werden. Dieses Ergebnis ausTierstudien könnte helfen, Menschen auch bei schwacher Dopamin-Ausschüttung Erlebtes dauerhaft speichern zu lassen. Neurowissen-schaftler aus Magdeburg bestätigten nun mit einer Studiengruppe denEinfluss von Dopamin auf die Gedächtnisbildung [1].

oder solchen, der mit dem Prodrug L-DOPA versetzt war. Nachdem L-DOPA die Blut-Hirn-Schranke pas-siert, spalten Carboxylasen im Mittel-hirn das Carboxylat ab und machenso Dopamin verfügbar.

Den Probanden wurden je dreißigInnen- und Außenaufnahmen alsSchwarz-Weiß-Bild gezeigt. Die Hirnak-tivität wurde dabei mit der funktionel-len Magnetresonanztomographie auf-gezeichnet. In einem zweiten Durch-gang wurde die Hälfte der gezeigtenBilder durch neue ersetzt. Die Aufga-be war, anzugeben, ob das Foto be-reits gezeigt wurde oder neu ist.

Düzel zeigte, dass Dopamin in ge-sunden älteren Personen die Erinne-rung an die gezeigten Aufnahmenverbessert. Die Dosis-abhängige Ver-besserungskurve hat eine auf denKopf gestellte U-Form: Das Optimumist die Gabe von 2 mg/kg Körperge-wicht. Höhere und niedrigere Dosenwaren weniger wirksam. Der früheTest nach zwei Stunden zeigte nochkeinen Einfluss durch die L-DOPA- Gabe. Nach sechs Stunden war dieTrefferquote hingegen erhöht.

Die Ergebnisse bestätigen die Annahme, dass Dopamin nicht dieCodierung selbst verbessert, sonderndie darauf folgende Konsolidierung.Nach dem Modell der molekularenKonsolidierung im Hippocampusführt die Codierung im ersten Schrittzu einer kurz anhaltenden Verstär-kung synaptischer Verknüpfungen. Istdie Erregung so stark, dass Dopaminausgeschüttet wird, löst dieses eineProteinsynthese aus. Dadurch wan-deln sich die Verknüpfungen in lang-währende Kontakte.

Eine zu hohe Proteinsyntheseratekann zu einer Erniedrigung auf länge-re Dauer führen, da Rezeptoren blo-ckiert sind, die durch die Bindungvon Glutamat aktiviert werden. Diesgeschieht vor allem dann, wenn so-wohl die prä- als auch die postsynap-tische Zelle erregt ist. Da eine häufi-ge Erregung zum Einbau von dieserArt von Rezeptoren führt, deuten sieauf eine dauerhafte Verknüpfung unddamit auf einen Vorgang von Lernenoder Gedächtnis hin.

Eine höhere Verfügbarkeit vonDopamin verbessert also die moleku-lare Konsolidierung. Inwieweit Dopa-min als Gedächtnisverbesserer ein -gesetzt werden kann, will Düzel ins-besondere in Bezug auf Alzheimer- Patienten weiter untersuchen.

[1] R. Chowdhury, M. Guitart-Masip, N. Bun-zeck, R. J. Dolan, E. Düzel, J. Neurosci. 2012,32 (41), 14193–14204.

Sylvia Feil, Burgdorf

Im Großhirn ist der Hippocampusdaran beteiligt, neu Erlebtes in dasLangzeitgedächtnis zu überführen.Gesehenes wie Landschaften, Plätze,Straßenkreuzungen, Buslinien-Num-mern oder Haustüren, was eineschwache Aktivität des Hippocampushervorruft, ist nach dreißig Minutennoch abrufbar, nach sechs und mehrStunden aber vergessen.

An der Gedächtnisbildung sindim Mittelhirn ebenfalls die Substantianigra und die Area tegmentalis ven-tralis beteiligt. Ihnen gemeinsam sinddie dopaminergen Neuronen, derenBotenstoff Dopamin ist. Im alterndenGehirn degenerieren diese Neuronenund schwächen so das episodischeGedächtnis. Dieses ist auch bei Alz-heimer sehr früh betroffen. Ist derNeuronenverlust sehr hoch, entstehtdas Parkinson-Syndrom. Dopamin löstnicht nur Bewegungen aus, sondernbeeinflusst auch die Stimmung unddie Aufmerksamkeit.

Die Probanden der Studie waren65–75 Jahre alt und gesund. In einerDoppelblindstudie tranken sie beiVersuchsbeginn reinen Orangensaft

Der Neurotrans-mitter Dopaminverbessert bei älteren Erwachse-nen die Gedächt-nisleistung; aller-dings gilt dabeinicht der Viel-hilft-viel-Ansatz.

Lebensmittel ohne Verfallsdatum?Die massenhafte Konservierung von Nahrungsmit-teln hat die Lebensmittelbranche einst revolutio-niert. Was mit einfachem Pökeln und Erhitzen be-gann, hat sich zu einer Hightech-Industrie gewan-delt. Die Nachfrage nach neuen Konservierungs-techniken steigt, denn nur haltbare Lebensmittelkönnen sicher und vor allem im großen Stil verfüg-bar sein. Welche Auswirkungen haben die Bestrah-lung von Lebensmitteln sowie Zusatz- und Farb -stoffe im Essen? Welche Konservierungsmethoden

funktionieren im Alltag der Verbraucher, welchenicht? 21.02, 3sat, 20.15 Uhr

Whiskey-HerstellungVon Wasser und Getreide zu Fass und Flasche –das Brennen von Alkoholika ist ein gigantisches Geschäft, dessen Herstellungsprozess fast rituelleZüge annimmt: Die Experten haben die Farbe imVisier, rühren das Glas, atmen das Bouquet, neh-men einen Schluck und genießen den Geschmack.

Eine Geschichte der Destillerien von den ersten kleinen Brennereienüber die Prohibitionsgesetzebis zu den modernen Gigantender Branche.01.03, Discovery Channel, 13.30 Uhr

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