48
Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015 1 Dossier „Ökonomie mit Energie“ Ausgabe 129, 2015 1. Artikel/Grafik: Atomkonzerne preschen vor (16.11.2015) „Die Atomkonzerne starten in der Debatte um die Rückstellungen einen Gegenangriff. Pünktlich zur nächsten Sitzung der von der Bundesregierung eingesetzten Kommissi- on, die Lösungen für den Umgang mit den Atomrückstellungen finden soll, haben die Konzerne Eon und RWE den Kommissionsmitgliedern ein Gutachten der Wirt- schaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer zugeschickt. Das Gutachten setzt sich überaus kritisch mit den vorliegenden Vorschlägen zum Umgang mit den Rückstel- lungen auseinander.“ Verortung v. a. in den Themenbereichen „Energiepolitik“ und „Rahmenbedingungen der Energiewirtschaft“ 1. Erschließen Sie sich den Stand der Diskussion über die Finanzrückstellungen für den Rückbau deutscher Atomkraftwerke. 2. Ermitteln Sie die Zusammensetzung sowie die Aufgaben der Atomkommission in diesem Zusammenhang. 3. Arbeiten Sie die derzeit diesbezüglich auftretenden Interessenkonflikte heraus. Benennen Sie die im Wesentlichen an der Diskussion beteiligten bzw. von ihr betroffenen Akteure. 4. Erläutern Sie Inhalt und Zielsetzung des von der Atomindustrie in Auftrag ge- gebenen Gutachtens. 5. Geben Sie die diesbezüglichen Bewertungen von politischer Seite wieder. 2. Artikel: Zweifel am Nutzen intelligenter Stromzähler (17.11.2015) „Die von der Bundesregierung geplante Einführung von digitalen Stromzählern stößt auf Kritik bei Verbraucherschützern und Stadtwerken. Die Verbraucherzentrale Bun- desverband (vzbv) kritisiert, dass die sogenannten ,Smart Meter‘ zu teuer seien. ,Ein Nutzen ist aufgrund fehlender variabler Tarife nicht gesichert‘, sagt der Leiter des Geschäftsbereichs Verbraucherpolitik beim vzbv, Ingmar Streese. Auch bei den Stromverbrauchern gibt es Vorbehalte.“ Verortung v. a. in den Themenbereichen „Energiepolitik“ und „Energiesparen“

Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

1

Dossier „Ökonomie mit Energie“

Ausgabe 129, 2015

1. Artikel/Grafik: Atomkonzerne preschen vor (16.11.2015)

„Die Atomkonzerne starten in der Debatte um die Rückstellungen einen Gegenangriff.

Pünktlich zur nächsten Sitzung der von der Bundesregierung eingesetzten Kommissi-

on, die Lösungen für den Umgang mit den Atomrückstellungen finden soll, haben die

Konzerne Eon und RWE den Kommissionsmitgliedern ein Gutachten der Wirt-

schaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer zugeschickt. Das Gutachten setzt sich

überaus kritisch mit den vorliegenden Vorschlägen zum Umgang mit den Rückstel-

lungen auseinander.“

� Verortung v. a. in den Themenbereichen „Energiepolitik“ und

„Rahmenbedingungen der Energiewirtschaft“

1. Erschließen Sie sich den Stand der Diskussion über die Finanzrückstellungen für den Rückbau deutscher Atomkraftwerke.

2. Ermitteln Sie die Zusammensetzung sowie die Aufgaben der Atomkommission in diesem Zusammenhang.

3. Arbeiten Sie die derzeit diesbezüglich auftretenden Interessenkonflikte heraus. Benennen Sie die im Wesentlichen an der Diskussion beteiligten bzw. von ihr betroffenen Akteure.

4. Erläutern Sie Inhalt und Zielsetzung des von der Atomindustrie in Auftrag ge-gebenen Gutachtens.

5. Geben Sie die diesbezüglichen Bewertungen von politischer Seite wieder.

2. Artikel: Zweifel am Nutzen intelligenter Stromzähler (17.11.2015)

„Die von der Bundesregierung geplante Einführung von digitalen Stromzählern stößt

auf Kritik bei Verbraucherschützern und Stadtwerken. Die Verbraucherzentrale Bun-

desverband (vzbv) kritisiert, dass die sogenannten ,Smart Meter‘ zu teuer seien. ,Ein

Nutzen ist aufgrund fehlender variabler Tarife nicht gesichert‘, sagt der Leiter des

Geschäftsbereichs Verbraucherpolitik beim vzbv, Ingmar Streese. Auch bei den

Stromverbrauchern gibt es Vorbehalte.“

� Verortung v. a. in den Themenbereichen „Energiepolitik“ und „Energiesparen“

Page 2: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

2

1. Beschreiben Sie die Funktionsweise digitaler Stromzähler (Smart Meter).

2. Geben Sie die politischen Pläne hinsichtlich deren Einführung in Deutschland und Europa wieder. Erläutern Sie die hiermit verfolgten Zielsetzungen.

3. Überprüfen Sie, inwieweit nach Experteneinschätzung die Einführung der Ge-räte einem Nullsummenspiel gleicht.

4. Arbeiten Sie die wesentlichen Kritikpunkte an der Einführung der neuen Geräte heraus. Benennen Sie die Kritikergruppen.

5. Nehmen Sie begründet Stellung in der Diskussion.

3. Interview: Kumi Naidoo (Greenpeace): „Es fehlt politischer Wille“ (17.11.2015) 4. Interview: Miguel Arias Canete (EU-Kommission): „Die Chancen sind groß wie nie“ (18.11.2015) 5. Artikel: Klimakonferenzen: Viel Hoffnung, wenig Erfolg (18.11.2015) 6. Grafiksammlung: Kampf uns Klima (18.11.2015) 7. Artikel: Wie der Klimawandel die Gesundheit belastet (25.11.2015)

Im Vorfeld der Klimakonferenz von Paris kritisiert der Greenpeace-Vorsitzende den

fehlenden umweltpolitischen Willen der meisten Regierungen, während EU-

Kommissar Canete Hoffnung verbreitet. Der Blick auf die vergangenen Gipfeltreffen

und ihre Ergebnisse weckt dabei Skepsis, während gleichzeitig aktuelle Statistiken die

Notwendigkeit globaler Vereinbarungen unterstreichen.

� Verortung v. a. in den Themenbereichen „Energiepolitik“, „Perspektiven der

Weltenergieversorgung“, „Umweltschutz“ und „Energiemix der Zukunft“

1. Geben Sie die Ergebnisse der vom Bundesumweltministerium und den 16 zu-ständigen Landesministerien durchgeführten Vulnerabilitätsanalyse wieder. Beschreiben Sie (exemplarisch für Deutschland) die langfristig prognostizier-ten Folgen eines fortschreitenden Klimawandels.

2. Ermitteln Sie mit Hilfe der Grafiksammlung die größten CO2-Verursacher im globalen Kontext.

3. Erläutern Sie auf dieser Grundlage die Notwendigkeit globaler Klimaschutzab-kommen. Bewerten Sie dabei die Wirkungen nationaler Alleingänge.

4. Fassen Sie die Ergebnisse der vergangenen Klimakonferenzen zusammen. Be-werten Sie diese hinsichtlich ihrer nachhaltigen Wirkungen.

Page 3: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

3

5. Analysieren Sie die den Verhandlungen grundsätzlich zugrunde liegende Di-lemmastruktur, indem Sie sich mit den Konflikten zwischen den gemeinschaftli-chen und nationalstaatlichen Zielsetzungen auseinandersetzen.

6. Geben Sie die Einschätzungen des Greenpeace-Vorsitzenden Naidoo hinsicht-lich der Selbstverpflichtungen der Staaten sowie der Aussichten des Klimagip-fels wieder. Benennen Sie die nach seiner Einschätzung größten Hindernisse in der Klimaschutzpolitik.

7. Beschreiben Sie die von ihm vorgeschlagenen Maßnahmen, und bewerten Sie deren Realisierungschancen. Begründen Sie Ihre Einschätzungen.

8. Stellen Sie diesen die Einschätzungen und Maßnahmenvorschläge des EU-Kommissars Canete entgegen. Ermitteln Sie dessen grundlegende Intentionen.

8. Artikel/Grafiken: Energiewende: Das große Experiment (18.11.2015)

Deutschland beweist, dass eine große Volkswirtschaft auf erneuerbare Energien

umstellen kann. Hiermit gehen allerdings umfassende Herausforderungen und Kosten

einher, wie der ausführliche Artikel zeigt.

� Verortung v. a. in den Themenbereichen „Energiepolitik“,

„Rahmenbedingungen der Energiewirtschaft“, „Energie und

Makroökonomie“, „Energiemix der Zukunft“ und „Umweltschutz“

1. Beschreiben Sie die wesentlichen Eckpunkte und Zielsetzungen der deutschen Energiewende.

2. Überprüfen Sie, inwieweit es sich hierbei um ein global einzigartiges Vorgehen handelt.

3. Nehmen Sie begründet Stellung zu folgender Aussage: „Bei der Energiewende handelt es sich um eine gesellschaftliche Generationenaufgabe.“

4. Ermitteln Sie den Status der Umsetzung der Energiewende.

5. Arbeiten Sie wesentliche Hindernisse und Herausforderungen heraus.

6. Analysieren Sie die Auswirkungen der politischen Entscheidungen für die gro-ßen Energieversorgungsunternehmen in Deutschland.

Page 4: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

4

9. Artikel/Grafik: Ein Relikt aus der alten Energiewelt (20.11.2015)

„[Das jüngst in Hamburg ans Netz angeschlossene Kraftwerk] Moorburg ist neben

den Kohlekraftwerken Hamm und Datteln das prominenteste Beispiel einer ganzen

Reihe von umstrittenen Großprojekten, die in einer anderen Ära geplant wurden - und

heute, im Licht der Energiewende, wie völlig aus der Zeit gefallen wirken. Mit dem

Boom von Solar- und Windenergie gilt gerade Kohlekraft wegen des hohen

Schadstoffausstoßes als Auslaufmodell.

� Verortung v. a. in den Themenbereichen „Wertschöpfung“,

„Rahmenbedingungen der Energiewirtschaft“ und „Energiemix der Zukunft“

1. Geben Sie die Eckdaten zum Kohlekraftwerk Moorburg wieder.

2. Erläutern Sie, inwieweit dieses als nicht mehr zeitgemäß gilt. Arbeiten Sie hier-zu die Veränderungen der Rahmenbedingungen von der Planung bis zur Reali-sierung heraus.

3. Analysieren Sie die Zukunftsaussichten vergleichbarer Projekte in Deutsch-land.

10. Artikel/Grafiken: Klimawandel unter Anlegern (24.11.2015) 11. Artikel/Grafik: Vorreiter im Minus (24.11.2015)

„Der Kampf gegen die globale Erwärmung hat dramatische Folgen für die Firmen, die

fossile Ressourcen fördern - und damit für Investoren. Die Klimapolitik birgt ein

schweres Risiko für die Weltfinanzmärkte. Um den Treibhauseffekt zu stoppen,

müsste der größte Teil der Kohle-, Öl- und Gasreserven im Boden bleiben. Darauf

haben Mark Carney, Chef der Bank von England, und Weltbankpräsident Jim Yong

Kim hingewiesen. In der Finanzszene hat sich der Begriff ,stranded assets‘

breitgemacht. Diese Vorräte sind nutzlos, gestrandet wie ein Wal. Für die betroffenen

Manager bedeutet das: weniger förderbare Ressourcen, weniger Einnahmen. […]

Wenn die Schätzungen realistisch sind, müssten die Kurse der Klimakiller abstürzen:

,Die Investoren beginnen nachzudenken‘, so Kehr. Deutschlands größter Versicherer

gehört dazu. ,Die Allianz steigt aus der Kohle aus‘, sagt Chefinvestor Andreas Gruber

dem ZDF-Magazin ,Frontal 21‘. ,Wir wollen damit die Verhandlungen auf dem

Klimagipfel in Paris im Dezember unterstützen, aber auch ein Zeichen setzen an

unsere Branche und an die Kapitalmärkte.‘“

� Verortung v. a. in den Themenbereichen „Wertschöpfung“,

„Rahmenbedingungen der Energiewirtschaft“, „Umweltschutz“ und

„Energiemix der Zukunft“

Page 5: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

5

1. Erschließen Sie sich die ökologischen Charakteristika der fossilen Energieträ-ger. Ermitteln Sie deren Anteil an den gesamten CO2-Emissionen.

2. Arbeiten Sie die hieraus ggf. resultierenden Langzeitfolgen für Unternehmen der Öl- und Kohleindustrie heraus. Analysieren Sie dazu auch die Veränderung der energie- und umweltpolitischen Debatten in den vergangenen Jahrzehnten.

3. Erläutern Sie die Reaktionen der Kapitalanleger auf diese Entwicklungen so-wie die hieraus resultierenden Folgen für die Unternehmen.

4. Setzen Sie sich exemplarisch mit dem Strategiewechsel des Norwegischen Staatsfonds auseinander.

12. Artikel/Grafik: Deutschlands trügerische CO2-Bilanz (25.11.2015) 13. Artikel: Ringen um die Reform (25.11.2015)

„Deutschland nimmt seine Vorbildrolle im Klimaschutz sehr ernst. Regelmäßig gehen

deutsche Delegationen mit Vorleistungen in internationale

Klimaschutzverhandlungen. Auch beim Klimagipfel, der am 30. November in Paris

beginnt, wollen die Deutschen gemeinsam mit ihren europäischen Partnern als

Musterschüler auftreten, ihre Bilanz soll makellos sein. Doch das ist teuer erkauft: Ein

Teil der CO2-Einsparungen hierzulande ist allein auf Produktionsverlagerungen ins

Ausland zurückzuführen. Die CO2-Emissionen werden also nur exportiert, etwa in

Länder wie China. […] Derzeit wird in Brüssel über eine Reform des

Emissionshandels debattiert. Das Bundeswirtschaftsministerium sicherte der Industrie

zu, sich für ihre Belange einzusetzen.“

� Verortung v. a. in den Themenbereichen „Rahmenbedingungen der

Energiewirtschaft“, „Energie und Makroökonomie“ und „Umweltschutz“

1. Beschreiben Sie die Funktionsweise des europäischen Zertifikatehandels. Be-nennen Sie die wesentlichen mit ihm verfolgten Zielsetzungen.

2. Ermitteln Sie die Industriebranchen, die im Wesentlichen vom Zertifikatehandel betroffen sind.

3. Erläutern Sie den Zusammenhang zwischen den EU-Vorgaben und den zu be-obachtenden Verlagerungen von Standorten in den energieintensiven Indust-rien. Erschließen Sie sich die Kosten-Nutzen-Kalkulationen der Unternehmens-leitungen.

4. Diskutieren Sie, inwieweit die Standortverlagerungen die klimapolitischen Ziel-setzungen des Emissionshandels unterlaufen. Setzen Sie sich in diesem Zusam-menhang mit der Notwendigkeit internationaler Abkommen auseinander.

Page 6: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

6

5. Fassen Sie die aktuell diskutierten EU-Reformpläne des Zertifikatehandels zu-sammen.

6. Geben Sie die Interessen der Industrievertreter hinsichtlich der Verhandlungs-ergebnisse wieder. Stellen Sie diesen die Argumente der Befürworter stärkerer klimaschutzpolitischer Vorgaben gegenüber, und gehen Sie hierbei u. a. auf die langfristigen Folgen des Klimawandels ein.

7. Analysieren Sie weitere politische Verhandlungs- und Entscheidungsprozesse, in denen es zu Konflikten zwischen ökonomischen und ökologischen Zielsetzun-gen kommt.

14. Artikel: Moskau dreht Kiew das Gas ab (26.11.2015)

„Russland hat die Gaslieferungen in die Ukraine eingestellt. Der ukrainische Konzern

Naftogas habe die gesamte Gasmenge, die Kiew bezahlt habe, aus dem

Pipelinesystem entnommen, sagte Gazprom-Chef Alexej Miller - und erklärte den

Stopp mit einer angeblich ausgebliebenen Vorauszahlung: ,Daher werden die

Lieferungen bis zum Eintreffen neuer Zahlungen vonseiten des ukrainischen Konzerns

eingestellt.‘ […] In Kiew wird wie üblich anders gerechnet als in Moskau: Der

Pipelinebetreiber Ukrtransgas, Tochter von Naftogas, habe noch nicht alles

bekommen, was bezahlt worden sei, teilte der Pressechef des Konzerns Maxim

Beljawski mit. Neue Zahlungen wird es nicht geben. Hatte Energieminister Wladimir

Demtschischin Anfang der Woche noch erklärt, Kiew wolle bis Jahresende auf den

Zukauf russischen Gases verzichten und solange von den Speicherreserven zehren, so

wurde Ministerpräsident Arseni Jazenjuk noch kategorischer. Er erklärte am

Mittwoch, die Regierung habe Naftogas ,verboten‘, weiter russisches Gas zu

importieren. Die Russen ,haben das verwechselt: Nicht sie haben aufgehört, uns Gas

zu liefern, sondern wir haben aufgehört, welches zu kaufen‘, sagte Jazenjuk.“

� Verortung v. a. in den Themenbereichen „Energiepolitik“ und „Perspektiven

der Weltenergieversorgung“

1. Fassen Sie den aktuellen Konflikt zwischen der Ukraine und Russland hinsicht-lich der Lieferung von Gas zusammen.

2. Arbeiten Sie heraus, in welcher Form es in der Vergangenheit bereits zu ver-gleichbaren Auseinandersetzungen gekommen ist.

3. Überprüfen Sie, inwieweit neben energiepolitische auch andere Aspekte in die-sem Konflikt eine Rolle spielen. Erörtern Sie hierzu, inwieweit die Rohstoffver-sorgung als geo- und machtpolitisches Instrument zum Einsatz kommt.

Page 7: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

7

15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015)

„Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen zu sein, hatte bisher einen

Haken: Er war nicht zu hundert Prozent zu realisieren. Wer sich eine Solaranlage aufs

Dach schraubte und einen Batteriespeicher in den Keller stellte, konnte zwar teils gut

80 Prozent seines Strombedarfs selbst decken. Aber in den Herbst- und

Wintermonaten, wenn die Sonne weniger lang und kräftig scheint, mussten viele

Ökoidealisten einen Teil ihres Stroms weiter von den verhassten Energieversorgern

beziehen. Ein Ärgernis, das Schröder mit seiner ,Sonnen-Community‘ beenden will.

Die unverhohlene Kampfansage an die strauchelnden Stromriesen: ,In zehn Jahren

wollen wir mehr Kunden haben als Eon heute.‘ Das klingt weniger ambitioniert als

vielmehr verrückt. […] Manuel Frondel, Energieexperte am Rheinisch-Westfälischen

Institut für Wirtschaftsforschung in Essen, attestiert dem Geschäftsmodell von

Sonnenbatterie zwar ,durchaus Potenzial‘. Aber es sei ,völlig illusorisch‘ zu glauben,

damit ließe sich auch der hohe Strombedarf der Industrie abdecken.“

� Verortung v. a. in den Themenbereichen „Wertschöpfung“,

„Wettbewerbsstrukturen“, „Rahmenbedingungen der Energiewirtschaft“

und „Energiemix der Zukunft“

1. Erklären Sie, was unter einer dezentralen Energieversorgung verstanden wird.

2. Beschreiben Sie das Geschäftsmodell des Unternehmens „Sonnenbatterie“. Legen Sie dar, inwieweit sich dieses von bisherigen Ansätzen der Energiever-sorgung unterscheidet.

3. Geben Sie die mittel- und langfristigen Zielsetzungen des Unternehmens wie-der. Stellen Sie diesen die Einschätzungen des im Artikel genannten Experten gegenüber.

4. Ermitteln Sie in diesem Zusammenhang die wesentlichen Rahmenbedingungen, die Einfluss auf den Erfolg des Unternehmens haben können.

Page 8: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

8

Atomkonzerne preschen vor Unternehmen versenden eigenes Gutachten an Kommissionsmitglieder. Die Atomkonzerne starten in der Debatte um die Rückstellungen einen Gegenangriff. 5

Pünktlich zur nächsten Sitzung der von der Bundesregierung eingesetzten Kommissi-on, die Lösungen für den Umgang mit den Atomrückstellungen finden soll, haben die Konzerne Eon und RWE den Kommissionsmitgliedern ein Gutachten der Wirt-schaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer zugeschickt. Das Gutachten setzt sich überaus kritisch mit den vorliegenden Vorschlägen zum Umgang mit den Rückstel-10

lungen auseinander. Die Kommission tagt an diesem Montag. Auf der Tagesordnung steht die Anhörung der Gutachter, die in der Frage der Atomrückstellungen bereits für das Wirtschaftsmi-nisterium tätig waren. Das sind einerseits die Wirtschaftsprüfer von Warth & Klein 15

Grant Thornton. Sie hatten Anfang Oktober einen „Stresstest“ vorgelegt, der zu dem Ergebnis kommt, dass die Rückstellungen der vier Kernkraftwerksbetreiber in Höhe von rund 39 Milliarden Euro für den Rückbau der Kernkraftwerke und die Lagerung des Mülls angemessen sind. 20

Ein zweites Gutachten für das Bundeswirtschaftsministerium stammt von der Kanzlei Becker Büttner Held (BBH) und befasst sich mit der Frage, wie sichergestellt werden kann, dass die Rückstellungen im Ernstfall auch tatsächlich verfügbar sind. Die BBH-Gutachter wollen die Rückstellungen nicht bei den Betreibern belassen, damit sie vor Konkurs und gesellschaftsrechtlichen Umgestaltungen geschützt sind. Sie kommen zu 25

dem Schluss, dass zumindest für einen Teil der Rückstellungen eine „externe Fondslö-sung ein besser geeignetes Mittel zur Zweckerreichung“ sei. Empfohlen wird ein öf-fentlich-rechtlicher Fonds zur Aufnahme eines Teils der Rückstellungen. Das Geld könnte „schrittweise oder auch direkt komplett“ eingelegt werden. 30

Die Freshfields-Gutachter kritisieren, BBH male „das düstere Bild einer angeblich unzureichenden Rechtslage und nicht ausreichender Vorsorgeleistungen“. Schon die Annahme der BBH-Gutachter, die Betreiber seien aufgrund des Verursacherprinzips nach gegenwärtiger Rechtslage für Stilllegung, Rückbau und Entsorgung allein ver-antwortlich, sei unzutreffend. Die historische Entwicklung und die geltende Rechtsla-35

ge zeigten, dass die Verantwortung „zwischen Betreibern und Staat aufgeteilt ist“. Die BBH-Vorschläge liefen darauf hinaus, „den vollständigen Rückzug des Staates aus seiner Verantwortung vorzubereiten und sämtliche, auch sicherheitstechnisch nicht notwendigen Kosten im Entsorgungsbereich auf die Kernenergiewirtschaft überzu-wälzen“. Das BBH-Gutachten solle legitimieren, „die finanziellen Folgen staatlich 40

verursachter Risiken zu privatisieren“. Das von BBH verzerrte Bild müsse „vom Kopf auf die Füße gestellt werden“. „Aus dem Freshfields-Gutachten trieft der Angstschweiß der Kernkraftwerksbetrei-ber“, sagt ein Kommissionsmitglied. Tatsächlich ist die Wortwahl ungewöhnlich deut-45

lich und entfernt sich in weiten Teilen von der sachlich-nüchternen Diktion juristi-scher Stellungnahmen.

Page 9: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

9

Die Kernkraftwerksbetreiber fühlen sich in der Debatte über den Umgang mit den Rückstellungen unter Druck gesetzt. Der Kommission, die Lösungen für den Umgang 50

mit den Rückstellungen finden soll, gehören die Betreiber nicht an. In Auftrag gegeben wurde das Freshfields-Gutachten von Eon und RWE. Das geht jedoch nicht aus dem Gutachten selbst hervor, sondern lediglich aus der E-Mail an die Kommissionsmitglieder, der das Gutachten als PDF-Datei anhing. 55

Die Freshfields-Gutachter plädieren am Ende ihrer Arbeit dafür, auf gesetzgeberische Maßnahmen zu verzichten und stattdessen „verfassungsrechtlich unproblematische und politisch befriedende konsensuale Lösungen“ mit den Betreibern zu suchen. 60

Atomkommission Die Kommission hat drei Vorsitzende: Ole von Beust (CDU), Matthias Platzeck (SPD) und Jürgen Trittin (Grüne). 65

Sie soll bis Februar kommenden Jahres klären, wie sich die Finanzierung des Rück-baus der Atomkraftwerke und die Lagerung des Atommülls sicherstellen lassen. Weitere Mitglieder der Kommission sind Michael Fuchs, Hartmut Gaßner, Monika Griefahn, Ulrich Grillo, Regine Günther, Gerald Hennenhöfer, Reiner Hoffmann, Ka-70

rin Holm-Müller, Bischof Ralf Meister, Georg Milbradt, Georg Nüßlein, Simone Probst, Werner Schnappauf, Ute Vogt, Hedda von Wedel und Ines Zenke. Quelle: Stratmann, K., Handelsblatt, Nr. 221, 16.11.2015, 18

Page 10: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

10

Page 11: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

11

Zweifel am Nutzen intelligenter Stromzähler Verbraucherschützer sorgen sich um Datenschutz. Stadtwerke verlangen Änderungen am geplanten Gesetz. 5

Die von der Bundesregierung geplante Einführung von digitalen Stromzählern stößt auf Kritik bei Verbraucherschützern und Stadtwerken. Die Verbraucherzentrale Bun-desverband (vzbv) kritisiert, dass die sogenannten „Smart Meter“ zu teuer seien. „Ein Nutzen ist aufgrund fehlender variabler Tarife nicht gesichert“, sagt der Leiter des Geschäftsbereichs Verbraucherpolitik beim vzbv, Ingmar Streese. 10

Auch bei den Stromverbrauchern gibt es Vorbehalte. Wie aus einer Umfrage des Mei-nungsforschungsinstituts TNS Emnid im Auftrag der vzbv hervorgeht, lehnen 70 Pro-zent die Einführung ab, 38 Prozent der Befragten sorgen sich, dass durch die Umstel-lung Zusatzkosten auf sie zukommen. 15

Tatsächlich gleicht die Einführung der Smart Meter fast einem Nullsummenspiel. Nach den Berechnungen des Bundeswirtschaftsministerium dürfte die Verbraucher der Einbau des Zählers zwischen 23 Euro bis 60 Euro kosten. Dem steht allerdings ein geringer Nutzer gegenüber. So kann laut Ministerium ein Durchschnittshaushalt mit 20

dem digitalen Strommesser lediglich zehn bis 20 Euro pro Jahr sparen. Auch beim Datenschutz gibt es Bedenken. So könnten sich etwa Hacker Zugang zu den Verbrauchsdaten verschaffen. Verbraucherschützer kritisieren auch, dass zu viele Akteure Zugang zu den Daten bekämen. So sei es fraglich, warum ein Netzbetreiber 25

Zugang zu den einzelnen Daten eines Haushalts bekäme, sagt vzbv-Energieexpertin Johanna Kardel. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) muss nach EU-Vorgaben den Ein-bau intelligenter Messsysteme vorantreiben. Das Anfang November vom Bundeskabi-30

nett beschlossene „Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende“ sieht vor, dass ab 2017 zunächst Großverbraucher, die mehr als 10 000 Kilowattstunden verbrauchen, mit modernen Stromzählern aufrüsten müssen. Ab 2020 sollen Haushalte folgen, die mehr als 6 000 Kilowattstunden verbrauchen. 35

Smart Meter messen den Verbrauch, aufgeschlüsselt nach Tag und Uhrzeit, übermit-teln die Daten an Netzbetreiber und Stromversorger und können zudem Haushaltsge-räte steuern. Aus den Daten lassen sich neue Geschäftsmodelle entwickeln. Man könnte Kunden etwa Vorschläge zur Effizienzsteigerung oder zum Austausch von Geräten machen. Darauf setzen die Stadtwerke. Auch sie sehen den Entwurf kritisch. 40

Sie kritisieren, dass sie Messdaten an die Netzbetreiber liefern müssen und nur in ag-gregierter Forum zurückbekommen: „Wir liefern Puzzlesteine und erhalten einen Klumpen Knete. Damit lässt sich nichts anfangen“, hatte Katherina Reiche vom Ver-band Kommunaler Unternehmen kürzlich gesagt. 45

Quelle: Stehle, A., Handelsblatt, Nr. 222, 17.11.2015, 8

Page 12: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

12

Kumi Naidoo (Greenpeace): „Es fehlt politischer Wille“ Der Greenpeace-Chef kritisiert die Selbstverpflichtungen der Länder für den Klimaschutzgipfel in Paris. 5

Der Gipfel ist der letzte Auftritt von Kumi Naidoo, bevor er Greenpeace verlässt. Es wird kein krönender Abschluss werden - seine Erwartungen an die Beschlüsse dort sind gering. Herr Naidoo, haben Sie nach den Terroranschlägen Angst, nach Paris zu fahren? 10

Die menschenverachtende Brutalität der Anschläge lässt sich nicht in Worte fassen. Persönlich habe ich weit mehr Angst vor den Auswirkungen, die das ungebremste Verbrennen von Kohle, Öl und Gas haben wird, als davor, nach Paris zu fahren. Terroristen dürfen uns nicht daran hindern zu versuchen, die Welt in eine sichere Zukunft mit erneuerbaren Energien zu führen. 15

Klimaschützer hatten zum Ende des Gipfels eine Demo angekündigt. Auch wenn die Veranstaltung jetzt vielleicht entfällt - das klingt pessimistisch. Ja, aber auch realistisch. Schauen Sie sich doch die bislang vorliegenden Klimaschutzzusagen der Länder an: Das ist weit weniger, als nötig wäre, um den 20

Temperaturanstieg tatsächlich unter zwei Grad zu halten. Bislang fehlt der politische Wille. Schon in Kopenhagen haben sich unsere Regierungen nicht gegen die starke Lobby der Öl-, Gas- und Kohlehersteller gestellt. Was wäre ein positives Ergebnis? 25

Zwei zentrale Punkte müssen beschlossen werden: Die Länder müssen sich verpflichten, ihre für Paris gegebenen Versprechen alle fünf Jahre zu überprüfen und zu verstärken. Wenn die vorliegenden Vorschläge zehn oder 15 Jahre lang gelten, wird sich das Klima so gut wie sicher um drei Grad erwärmen. 30

Und der zweite Punkt? Bis 2050 müssen und können wir die Energieversorgung komplett auf erneuerbare Energien umstellen und entsprechend aus Kohle, Öl und Gas, aber auch aus der Atomkraft aussteigen. Ein solches Ziel zu verankern ist wichtig, weil uns die Zeit wegläuft. Und schließlich würden alle von der Umstellung profitieren. 35

Inwiefern? Erneuerbare Energien können nicht nur die 1,6 Milliarden Menschen, die heute keinerlei Zugang zu Elektrizität haben, mit Strom versorgen, sondern den ganzen Planeten. Das würde nicht nur die nötige CO2-Reduktion sicherstellen. Die 40

eingesparten Rohstoffe würden auch die Kosten des Ausbaus der Erneuerbaren mehr als kompensieren. Und nebenbei würden weltweit noch einige Millionen neue Jobs entstehen. Aber es hakt an den Kosten: Erneuerbare Energien sind teuer ... 45

Wir vergessen immer, dass allein die fossilen Energieerzeuger 5,3 Billionen Dollar an Subventionen jedes Jahr erhalten. Daneben sind die Hilfen für erneuerbare Energien verschwindend gering. Bei den Kosten vergessen wir immer die langfristige

Page 13: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

13

Rechnung: Auf der Stromrechnung erscheinen keine Gesundheitskosten, obwohl die Abgase aus Kohlekraftwerken krank machen. Es erscheinen auch kaum Kosten für 50

den Wasserhaushalt, obwohl die Kohlewirtschaft extrem viel Wasser verbraucht und verschmutzt. Helfen Emissionshandel und ein verbindlicher Preis für CO2? Wir glauben immer noch, dass der Verschmutzer zahlen muss. Aber ist es nicht 55

seltsam, dass auch Energiekonzerne von einem CO2-Preis begeistert sind? Wir glauben, das Instrument ist korrumpiert worden. Wieso? Wenn der Preis hoch genug ist, fließen die Investitionen schließlich in andere Energieträger. 60

Theoretisch ja. Aber schauen Sie sich an, was zehn Jahre nach Einführung des Emissionshandels in Europa los ist: Der Preis für eine Tonne CO2 ist lächerlich niedrig. Er schafft keinen Anreiz dafür, Investitionen hin zu neuen Technologien zu verlagern. Nach konservativen Berechnungen muss der Preis einer Tonne CO2 bei mindestens 80 Euro liegen, doch realistisch wohl eher bei 100 oder 120. Tatsächlich 65

aber liegt er in Europa heute nicht einmal bei zehn Euro. Was ist die Alternative? So, wie Deutschland den Atomausstieg beschlossen hat, brauchen wir Gesetze, die das Ende fossiler Energien festschreiben, und zwar zuerst von Kohle, dann Öl und später 70

Gas. Ist Deutschland Musterbeispiel? Die deutsche Energiewende ist inspirierend. Trotzdem gibt es einen Widerspruch zwischen dem, was Merkel international sagt, und dem, was sie in Deutschland tut. 75

Und der wäre? Merkel hat ohne Zweifel hart dafür verhandelt, dass Paris ein Erfolg wird. Aber in Deutschland selbst stagnieren die CO2-Emissionen, weil die Bundeskanzlerin den Kohleausstieg verschleppt. Statt die Dekarbonisierung voranzutreiben, die sie beim 80

G7-Gipfel in Elmau versprochen hat, schont sie Kohlekonzerne beim Klimaschutz - und steckt ihnen, wie gerade bei der Braunkohlereserve, sogar noch Millionen für ihre zu schwachen Anstrengungen zu. Einige argumentieren, es gebe keine Beweise für den Klimawandel ... 85

Deutlich mehr als 90 Prozent der wissenschaftlichen Studien kommen zu dem Ergebnis, dass er existiert und durch Menschen verursacht wurde. Die Effekte sehen wir längst an der rasant steigenden Zahl von Extremwetterlagen. Es wundert mich, dass kaum jemand in Europa auf die Idee kommt, dass dies die aktuelle Flüchtlingskrise verstärkt. 90

Inwiefern? In den vergangenen Jahren hat Syrien 40 Prozent seiner bewohnbaren Fläche verloren - als Folge von Wasserknappheit und Verdörrung.

Page 14: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

14

Sollen arme Länder sich auch auf Klimaziele verpflichten? 95

Ja. Die erfolgreichen Länder der Zukunft werden die sein, die das Rennen um grüne Technologien gewinnen. Wenn die Entwicklungsländer da nicht mitmachen, werden sie immer abhängig bleiben von der Dominanz der Industrienationen in der Energiesicherheit. 100

Im Schwellenland Indien stößt Ihre Forderung auf wenig Gegenliebe. Die indische Regierung investiert massiv in Atom und Kohle. Wir haben zahlreiche Kampagnen dagegen und für Erneuerbare gefahren. Daraufhin hat die Regierung Konten eingefroren und Greenpeace Indien zuletzt sogar die Zulassung als NGO entzogen. 105

Vita Kumi Naidoo Der Greenpeace-Chef Seit November 2009 ist Naidoo Chef von Greenpeace und 110

damit der erste Afrikaner an der Spitze der Umweltschutzorganisation. 1965 in Südafrika als Spross einer indischstämmigen Familie geboren, protestierte er bereits mit 15 Jahren erstmals gegen die Apartheid. Während seines Studiums in Durban in Südafrika wurde er mehrfach verhaftet und floh 1987 ins Exil nach Oxford in England, wo er in Politik promovierte. Als Nelson Mandela 1990 115

freigelassen wurde, kehrte Naidoo nach Südafrika zurück und engagierte sich in zahlreichen Bürgerbewegungen für den Kampf gegen Armut und für Bürgerrechte. Der Aktivist Ende des Jahres hört er bei Greenpeace auf und geht zurück nach Südafrika, um dort für erneuerbare Energien und Stromversorgung für alle zu kämpfen. Zudem plant er ein Projekt, das er „Folge dem Geld“ nennt: eine 120

Kampagne, die Zentralbanken und Finanzinstitute dazu bringen will, keine konventionellen Energieprojekte mehr zu finanzieren. Naidoo will sich entweder einer NGO anschließen oder einen der Lehraufträge annehmen, die Universitäten ihm angeboten hätten, sagt er. Mit Freunden will er zudem auf einer 140 Hektar großen Farm eine Schule für Aktivisten betreiben. 125

Quelle: Louven, S., Handelsblatt, Nr. 222, 17.11.2015, 10

Page 15: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

15

Miguel Arias Canete (EU-Kommission): „Die Chancen sind groß wie nie“ Der EU-Kommissar für Klimaschutz und Energie will in Paris für harte und verbindliche Klimaziele kämpfen. Im Gespräch mit Jürgen Flauger und Thomas Ludwig erklärt er, wieso er optimistisch ist und warum er den Fall Volkswagen ernst 5

nimmt. Er müsse sich nur mal eben frisch machen, sagt Miguel Arias Canete, als er seine Gäste im Büro der EU-Kommission in Brüssel begrüßt. Der Kommissar für Klima und Energie ist in den vergangenen Wochen rund um den Globus gereist, um für seine 10

Klimapolitik zu werben. In knapp zwei Wochen erwarten ihn in Paris auf der größten Klimakonferenz aller Zeiten harte Verhandlungen - und jetzt befindet sich die französische Hauptstadt wegen des Terroranschlags auch noch im Ausnahmezustand. Herr Arias Cañete, trotz der Terroranschläge hält Frankreichs Regierung an der 15

Ausrichtung des Weltklimagipfels COP21 fest. Fahren Sie mit einem mulmigen Gefühl nach Paris? Nein, wir haben volles Vertrauen in die Fähigkeiten Frankreichs als Gastgeber. Kommt dem Treffen nach den Anschlägen eine Bedeutung zu, die über das Thema 20

Klimaschutz hinausgeht? Das Treffen ist nun wichtiger denn je. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir unterschiedliche Sichtweisen respektieren, Kompromisse finden und als weltweite Gemeinschaft zusammenhalten. So kommen wir auch zu einer erfolgreichen Klimaübereinkunft. 25

Sie halten ein Scheitern trotz hoher Erwartungen also für ausgeschlossen? Wir streben ein sehr ambitioniertes Abkommen mit bindenden Vereinbarungen an. Das wird zweifelsohne schwierig, und ich erwarte Verhandlungen bis zur letzten Minute. Aber die Chancen sind groß wie nie, denn die Entwicklung ist dramatisch. Es 30

werden 160 Länder teilnehmen, die für 93,5 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich sind. In Kyoto waren es nur 35 Länder, die für zwölf Prozent der Emissionen verantwortlich waren. Alle sind bereit, sich zu bewegen, haben sich Ziele gesetzt und zum Teil auch schon politische Maßnahmen ergriffen. Der Druck, endlich eine Lösung hinzubekommen, ist enorm. Das haben auch die USA, China und Indien 35

verstanden. Dennoch hat US-Außenminister John Kerry erst jüngst wieder klargemacht, dass es kein verpflichtendes Abkommen geben kann. Ich denke, da gibt es ein kleines Missverständnis. Ein Protokoll, in dem sich Parteien 40

auf nichts verpflichten, macht keinen Sinn. Wenn Ziele definiert werden, müssen auch alle sie umsetzen. Wenn die USA das nicht wollen, müssen sie Alternativen aufzeigen und klarmachen, wie sie Vertrauen herstellen wollen. Worauf werden Sie hinwirken? 45

Wir brauchen ein langfristiges Klimaziel. Es reicht aber nicht, nur rein zu schreiben, dass wir den Temperaturanstieg bis 2100 auf zwei Grad begrenzen wollen. Wir müssen auch mittelfristige Ziele festhalten, um die Emissionen schrittweise zu

Page 16: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

16

verringern. 2020 sollte weltweit der Höhepunkt des Ausstoßes erreicht sein. Die Position der EU ist, dass die globalen Emissionen vor 2050 um 50 Prozent niedriger 50

liegen müssen als 1990. Für die Industrieländer muss dieses Ziel sogar bei 80 bis 95 Prozent liegen. Um das nachzuhalten, benötigen wir mehr Transparenz und Klarheit bei der Bilanzierung der CO2-Emissionen. Wie kann das aussehen? 55

Alle fünf Jahre sollten die teilnehmenden Staaten eine Bilanz über die globalen Fortschritte ziehen, um dann stufenweise ihre Ambitionen zu erhöhen und auf dem Weg zum langfristigen Ziel voranzukommen. Denn einige Staaten sind zweifellos in der Lage, mehr zu tun. Was zählt, ist, dass wir alle fünf Jahre unser Handeln überprüfen und anpassen, ohne immer wieder neue Verabredungen ratifizieren zu 60

müssen. Um gravierende Katastrophen zu verhindern, muss der Anstieg der globalen Erwärmung auf zwei Grad Celsius gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung begrenzt werden. Gelingt das mit COP 21? 65

Nein, die auf dem Tisch liegenden Vorschläge, genügen nicht. Sie reichen gerade mal dazu aus, die Erderwärmung auf drei Grad zu beschränken. Wir haben es noch nicht geschafft, aber substanzielle Fortschritte gemacht. Deswegen ist das Fünf-Jahres-Update so wichtig. 70

Die Dynamik träfe auch die EU. Heißt das, dass das aktuelle Ziel, die CO2-Emissionen bis 2030 verglichen mit 1990 um 40 Prozent zu senken, sogar noch angehoben werden könnte? Ja, wir haben gesagt, dass wir das mindestens erreichen wollen. Wenn wir in einigen Jahren feststellen, dass wir das Ziel schon früher erreichen werden, könnten wir das 75

Ziel erhöhen. Wir sind bereit voranzugehen. Noch ist Europa aber der drittgrößte CO2-Emittent... Wir haben uns verpflichtet, bis 2020 die Emissionen um 20 Prozent zu senken, und wir haben sogar schon 23 Prozent geschafft. Wir sind aber nur für 8,79 Prozent der 80

Emissionen verantwortlich. China stößt 23 Prozent des weltweiten CO2 aus. Die USA haben 11,85 Prozent. Indien und Brasilien liegen mit 5,61 beziehungsweise 5,59 Prozent dicht hinter uns. Wir Europäer können das Klima nicht allein retten, das müssen alle zusammen machen. Noch steigen die weltweiten Emissionen an. 85

Jetzt kam heraus, dass China falsche Emissionsdaten gemeldet hat. Hat Sie das überrascht? Nein, es ist doch eine der größten Herausforderungen, überhaupt verlässliche Daten zusammenzutragen. Andere Länder haben noch viel größere Probleme, eine korrekte Statistik aufzustellen. Wir müssen den Entwicklungs- und Schwellenländern hier 90

dringend helfen. Die neuen Emissionsdaten ändern nichts an der Tatsache, dass China einer der größten Emittenten ist und seine Verantwortung wahrnehmen muss. Glauben Sie, dass bewusst betrogen wurde? Nein. China will zwar weiterwachsen, hat sich aber klar zum Klimaschutz bekannt. 95

[…]

Page 17: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

17

Zeigt der Fall Volkswagen nicht auch, dass wir beim Klimaschutz in Europa der Industrie einfach zu ambitionierte Vorgaben machen? Nein, wir überlegen uns schon gut, welche Ziele wir formulieren, und orientieren uns dabei am technisch Machbaren. Das sehen sie doch daran, dass die anderen 100

Autohersteller das alle auch geschafft haben. Lassen wir doch den Markt sich entfalten. Dann kommen auch die Innovationen. Die Juncker-Kommission ist angetreten, Klima- und Wachstumspolitik miteinander zu versöhnen. Gelingt das? 105

Das ist doch kein echter Gegensatz. Seit 1990 haben wir Europäer unsere Emissionen um 23 Prozent gesenkt, gleichzeitig ist unser Bruttoinlandsprodukt um 46 Prozent gestiegen. Mit der richtigen Technologie bleiben wir international wettbewerbsfähig. Und noch etwas: Europa ist bei grünen Technologien vorn. Ein ambitioniertes weltweites Klimaabkommen kann europäischen Unternehmen also auch helfen, neue 110

Märkte zu erschließen. Speziell die energieintensiven Branchen beklagen sich aber über Nachteile im internationalen Wettbewerb. Haben Sie dafür Verständnis? Im Industriesektor haben wir darauf geachtet, dass die Unternehmen, die im 115

internationalen Wettbewerb stehen, gut mit CO2-Zertifikaten ausgestattet sind. Es gibt genügend Ausnahmeregelungen, um Nachteile im globalen Wettbewerb zu verhindern. Das sehen viele deutsche Unternehmen anders. Sie fürchten durch die Reform des 120

Emissionshandels zusätzliche Belastungen. Zu Unrecht? Natürlich werden wir die internationale Wettbewerbsfähigkeit im Blick behalten. Wir müssen aber schon auch Anreize setzen, dass in klimaeffiziente Technologien investiert wird. Wenn wir das 40-Prozent-Ziel erreichen wollen, können wir nicht nur die erneuerbaren Energien ausbauen, sondern müssen auch die Energieeffizienz 125

verbessern. Das müssen wir den Bürgern und den Unternehmen klar signalisieren. Ich bin aber überzeugt, dass der Emissionshandel sehr intelligent werden wird. In den vergangenen Jahren dümpelte der Preis für CO2 bei rund fünf Euro je Tonne. Was ist Ihrer Meinung nach ein angemessener Preis? 130

Wir werden die Zahl der allgemeinen Verschmutzungszertifikate jedes Jahr um 1,7 Prozent senken und ab 2020 sogar um 2,2 Prozent verringern. Es ist klar, dass dann der Preis steigt. Ein spezielles Preisziel geben wir aber nicht aus. Ein höherer CO2-Preis ist ja auch kein Selbstzweck. Es geht darum, die Emissionen zu senken. 135

Bisher beschränkt sich der Emissionshandel auf die Energiewirtschaft und die Industrie. Wichtige Sektoren wie Verkehr oder Landwirtschaft sind nicht dabei. Ist das nicht ungerecht? Wir werden diese Sektoren stärker in die Pflicht nehmen. Nächstes Jahr werden wir einen Vorschlag machen, in dem Emissionsreduktionen in Landwirtschaft und 140

Verkehr einbezogen sind. Das gilt auch für den Gebäudesektor. […]

Page 18: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

18

Vita: Miguel Arias Cañete Der Spanier Der 65-jährige Jurist gehört zum spanischen Establishment. In seiner 145

Heimat war er zunächst Staatsanwalt, danach hatte der Konservative verschiedene politische Ämter inne, wurde ins Europaparlament gewählt und unter Premier Aznar Agrarminister. Der Europäer Seine Nominierung für die EU-Kommission im Herbst 2014 löste 150

Wirbel aus. Die Deutsche Umweltstiftung nannte ihn einen „Lobbyisten der Erdölindustrie“. Canete war lange Anteilseigner zweier Erdölunternehmen. Als EU-Kommissar für Klima- und Energiefragen hat sich der Spanier zum Ziel gesetzt, die Europäische Energieunion zu realisieren. 155

Der Privatmann In seiner Freizeit liest der Vater dreier Kinder gern Krimis, vor allem von John Le Carré und Andrea Camilleri. Quelle: Flauger, J./Ludwig, T., Handelsblatt, Nr. 223, 18.11.2015, 48

Page 19: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

19

Klimakonferenzen: Viel Hoffnung, wenig Erfolg Mit der Uno-Konferenz 1992 in Rio de Janeiro begann die internationale Klimadiplomatie - der große Durchbruch ist bislang ausgeblieben. Von Silke Kersting 5

Kein Abkommen ist keine Option. Auf der Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Paris will die Staatengemeinschaft ein neues internationales Klimaabkommen beschließen, das das wenig ambitionierte Kyoto-Protokoll ablöst. Ziel ist es, den globalen Temperaturanstieg auf zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. „Es geht darum, angesichts der unabsehbaren Risiken eines ungebremsten 10

Klimawandels den laufenden Wohlstandsmotor der Welt auszutauschen, der bisher von fossilen Energieträgern angetrieben wurde“, sagt Christoph Bals, Geschäftsführer der Umweltorganisation Germanwatch. Gute Absichten sind zweifellos vorhanden. „Klimawandel ist eine der größten 15

Herausforderungen unserer Zeit“, war sich die G20 am Wochenende sicher. 161 Länder haben den Vereinten Nationen bislang gemeldet, was sie gegen den Klimawandel unternehmen wollen. Doch wird es in Paris wirklich den großen Wurf geben? Zweifel bleiben. Die nunmehr 20

23-jährige Geschichte der internationalen Klimadiplomatie ist gekennzeichnet von einem ständigen Auf und Ab, mit einigen Fortschritten, aber auch vielen Rückschlägen. Der Tiefpunkt war Kopenhagen 2009. „Es war ein steiniger Prozess mit vielen Um- und Holzwegen“, fasst Regine Günther, Klimaexpertin beim WWF, zusammen. „Oft getrieben von Nebeninteressen“, weniger vom Wunsch, das 25

Klimaproblem zu lösen. Infolgedessen, so Günther, hätten sich die Erwartungen im Zeitverlauf zunehmend den politischen Realitäten angepasst. „Fortschritte in Wellenbewegungen“, sagt Bals. Als Auftakt gilt die Uno-Klimakonferenz 1992 in Rio de Janeiro. Davor war das 30

Thema Klimawandel etwas für Spezialisten und Exoten. „Es waren harte Zeiten mit Überzeugungskämpfen zu bestehen“, erinnert sich Peter Höppe, Leiter der Georisikoforschung bei Munich Re. Das international bekannte Kyoto-Protokoll wurde im Dezember 1997 verabschiedet und legte erstmals völkerrechtlich verbindliche Zielwerte für den Ausstoß von Treibhausgasen fest. Einer der 35

Hauptverursacher von CO2-Emissionen, die USA, trat dem Abkommen jedoch nie bei, Kanada stieg wieder aus. Eine große Zahl von Klimagipfeln war zudem dadurch geprägt, dass Entwicklungs- und Schwellenländer, darunter vor allem China, sich jedweder Verhandlung über eigene Verpflichtungen oder Ziele strikt verweigerten, so Klimaexpertin Günther. 40

Karen Pittel vom Münchner Ifo Institut wundert das nicht. Bei einer solch großen Zahl beteiligter Staaten, die zudem noch sehr unterschiedliche Entwicklungsstände und Betroffenheiten aufwiesen, wäre es eher überraschend, wenn es zu einem globalen Abkommen käme, das substanziell zur Reduktion der Emissionen beiträgt, meint die 45

Ökonomin. Ein Bekenntnis zur Reduktion von Treibhausgasemissionen werde immer noch vielfach als Verzicht auf Wachstums- und Entwicklungschanchen

Page 20: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

20

wahrgenommen. Ein Abkommen im Rahmen einer kleineren Gruppe von Staaten erscheint ihr realistischer. 50

2009 dann der Tiefpunkt in Kopenhagen - anders als erwartet gab es keine international verbindlichen Ziele, weil Arm und Reich zu keinen echten Kompromissen bereit waren. Für die Grünen steht Kopenhagen symbolisch für ein verschenktes Jahrzehnt in Sachen Klimaschutz. Andere sehen den Gipfel weniger kritisch: „Kopenhagen hat konstruktive Verhandlungen angestoßen“, ist Frauke Röser, 55

Beraterin und Mitgründerin des Newclimate Institute, überzeugt. Inzwischen „herrscht zunehmend Konsens darüber, dass Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer ein gemeinsames Problem haben, das sie auch nur gemeinsam lösen können“. Am Ende sei es doch auch erstaunlich und positiv, dass die internationale Klimadiplomatie trotz aller Schwierigkeiten und Rückschläge seit 23 60

Jahren das zunächst umstrittene Thema Klimaschutz beharrlich vorangebracht hat. Die destruktive Haltung hat sich in den vergangenen zwei Jahren grundlegend geändert. Inzwischen erkennen nahezu alle Staaten die Notwendigkeit eigener Bemühungen um das Klima an. „Mitte des Jahrhunderts werden wir auf das fossile 65

Zeitalter wie auf die Epoche der Sklaverei zurückschauen - als eine überwundene Epoche“, prophezeit Umweltexperte Bals von Germanwatch. Die Aussichten gelten als nicht so schlecht. „Die Erwartungen an Paris sind diesmal realistischer - das könnte den Erfolg von Paris ausmachen“, vermutet Grünen-70

Umweltexpertin Bärbel Höhn. „Es wird ein Abkommen geben, aber sicherlich nicht den ganz großen Durchbruch.“ Dank der erneuerbaren Energien gebe es mittlerweile eine preiswerte Alternative zur klimaschädlichen Kohle. „Die Lösung für den Klimawandel wird also eher von Akteuren in den Regionen umgesetzt.“ 75

Quelle: Kersting, S., Handelsblatt, Nr. 223, 18.11.2015, 51

Page 21: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

21

Kampf ums Klima

Page 22: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

22

Page 23: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

23

Page 24: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

24

Page 25: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

25

Wie der Klimawandel die Gesundheit belastet Das Schadenspotenzial für Gesellschaft, Wirtschaft und Natur steigt - das beweist eine deutschlandweite Studie der Bundesregierung. 5

Die Folgen des Klimawandels werden sich künftig in Deutschland verstärkt bemerkbar machen. Stürme, starker Regen und Hochwasser, aber auch Trockenheit oder Hitzewellen nehmen zu - was die Schäden für Gesellschaft, Wirtschaft und Natur in die Höhe treibt. Das zeigt eine Vulnerabilitätsanalyse, die das Bundesumweltministerium gemeinsam mit 16 Bundesbehörden und - institutionen 10

sektorübergreifend erstellt hat. Vulnerabilität meint die mögliche Verwundbarkeit Deutschlands durch den Klimawandel. Die Zunahme der Anzahl heißer Tage ist das deutlichste Klimasignal, so die Botschaft der Studie. Mit möglicherweise erheblichen Auswirkungen für das deutsche 15

Gesundheitssystem, weil die Hitzebelastung auf eine alternde Gesellschaft trifft. „Da rasen zwei Züge aufeinander zu“, sagte Paul Becker, Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes, in Berlin: „der Klimawandel und der demografische Wandel.“ Infrastrukturen, die sehr große Sachwerte darstellen, können vor allem durch 20

Extremwetterereignisse wie das Elbhochwasser 2013 schwer beschädigt werden. Erwartet wird auch eine Zunahme hitzebedingter Schäden an Straßen und Schieneninfrastruktur. Weitere Folgen sind Ernteausfälle oder eine erhöhte Waldbrandgefahr. Das zeige, dass „wir bis 2050 nicht nur die Dekarbonisierung erreichen müssen“, also die Abkehr von fossilen Rohstoffen, sagte die 25

parlamentarische Staatssekretärin im Umweltministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter, „sondern Deutschland auch klimasicher machen müssen“. Die Erkenntnisse der Studie will die Regierung nutzen, mögliche Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel zu entwickeln. Umweltministerin Barbara Hendricks 30

(SPD) betonte im Bundestag abermals die Notwendigkeit, beim Weltklimagipfel in Paris, der am kommenden Montag beginnt, zu einem erfolgreichen Abschluss zu kommen. Klimapolitik ist Friedenspolitik, sagte sie. Die Konferenz werde zeigen, dass die Staatengemeinschaft entschlossen sei, den Klimawandel zu begrenzen und „unsere Welt als einen lebenswerten Ort für künftige Generationen zu gestalten.“ 35

Geht der Klimawandel nämlich ungebremst voran, wird die Zahl der Klimaflüchtlinge weiter steigen. „Die zunehmende Anzahl von Extremereignissen wie Dürren oder Überflutungen, aber auch die extreme Luftverschmutzung in vielen dicht besiedelten Regionen führt dazu, dass sich Menschen auf den Weg in andere, klimabegünstigte 40

Regionen machen“, sagte der Agrarökonom Joachim von Braun dem Handelsblatt. Von Braun sitzt dem sogenannten Bioökonomierat vor, der die Bundesregierung über die nachhaltige Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen und ihren Beitrag im Kampf gegen Klimawandel, Hunger und Armut berät. Am Mittwoch findet in Berlin der erste Weltkongress Bioökonomie statt, mit mehr als 900 Vertretern aus 80 45

Ländern.

Page 26: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

26

Von Braun hält die Bioökonomie für ein Kernelement auf dem Weg zu einer dekarbonisierten Gesellschaft. „Ohne Bioökonomie wird es nicht gelingen, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen.“ Der Zusammenhang zwischen 50

Klimawandel und Terror erscheine ihm nicht konstruiert. Wenn sich die Lebensverhältnisse von Hunderttausenden Menschen verschlechterten, „ist das geradezu eine Brutstätte für Ideologen, die dann den Terror möglicherweise auch in Europa verbreiten“. 55

Quelle: Kersting, S., Handelsblatt, Nr. 228, 25.11.2015, 8

Page 27: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

27

Energiewende: Das große Experiment Deutschland macht Mut: Der Umstieg auf grüne Energie ist machbar. Aber er ist teuer und anspruchsvoll. 5

Der 25. Juli 2015 war nicht für alle Deutschen ein schöner Sommertag. Im Süden schien die Sonne, im Norden tobte der Orkan Zeljko. Für die Energiewende in Deutschland aber war es ein Tag zum Jubeln: 78 Prozent des deutschen Strombedarfs deckten an diesem Tag erneuerbare Energiequellen - so viel wie noch nie. Im Norden brachte der Orkan die Windräder an der Küste auf Touren, im Süden ließ die Sonne 10

die Solarzellen glühen. In der Spitze kamen die erneuerbaren Energien auf eine Leistung von knapp 48 Gigawatt. Das schaffen selbst 50 Kohlekraftwerke nur mit Mühe. Die deutsche Energiewende vollzieht sich unaufhaltsam. Einen knappen Monat zuvor, 15

in der Nacht vom 27. auf den 28. Juni, ging um exakt 23.59 Uhr das Atomkraftwerk im bayerischen Grafenrheinfeld vom Netz. Für immer. 33 Jahre war der Reaktor in Betrieb - und rein technisch hätte Grafenrheinfeld noch zwei Jahrzehnte lang Strom produzieren können. Aber die Anlage war die nächste, die dem politischen Beschluss der Regierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel, komplett aus der Atomkraft 20

auszusteigen, zum Opfer fiel. „Seit Jahrzehnten fordern wir den Ausstieg aus der tödlichen Atomtechnologie. Die endgültige Abschaltung von Grafenrheinfeld ist ein Erfolg und Grund zur Freude“, jubelte Hubert Weiger, der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland. 25

Deutschland beweist, dass auch eine der größten Volkswirtschaften der Welt den Umstieg auf erneuerbare Energien meistern kann. Das Beispiel Deutschland zeigt aber auch, wie kompliziert und komplex die Energiewende ist: Die Kosten laufen aus dem Ruder, und die Netze kommen an die Belastungsgrenze. 30

Wind und Solar, Biomasse und Wasserkraft: Im vorigen Jahr deckte Deutschland schon 28 Prozent des Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen. 2015 dürfte der Wert noch deutlich steigen. Das Ziel der Bundesregierung, den Anteil der „Erneuerbaren“ bis zum Jahr 2020 auf 35 Prozent zu steigern, rückt somit in greifbare Nähe. Im Jahr 2000, als das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eingeführt und die Energiewende 35

gestartet wurde, waren es nicht einmal sieben Prozent. Das EEG ließ Wind- und Solarenergie boomen, denn es garantiert jedem, der in alternative Stromerzeugung investiert, für jede Kilowattstunde grünen Strom eine feste Vergütung, die die Kosten mehr als decken soll. Stromversorger bauten im großen Stil Windräder, und Hunderttausende Privathaushalte installierten Solaranlagen. 40

Noch kann Deutschland den Boom von Wind- und Solarenergie bewältigen. Rechnet man lokale Stromausfälle auf alle Stromverbraucher um, lag die durchschnittliche Unterbrechungsdauer 2014 bei gerade einmal 12,28 Minuten. „Nach wie vor liegt die Zuverlässigkeit der Stromversorgung in Deutschland auch im Vergleich zu anderen 45

europäischen Ländern auf sehr hohem Niveau“, betont Jochen Homann, der Präsident der für die Energienetze zuständigen Bundesnetzagentur. Zum Vergleich: In

Page 28: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

28

Großbritannien sind es im Schnitt mehr als 80 Minuten, in Frankreich mehr als 100 und in Italien sogar mehr als 150. 50

Dabei war die Furcht vor Blackouts groß, als Deutschland im Jahr 2011 nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima die Energiewende beschleunigte und von den verbliebenen 17 Atomreaktoren acht Anlagen unmittelbar vom Netz nahm. Bundeskanzlerin Merkel warnt aber mittlerweile: „Wir sind im Augenblick in einer kritischen Phase, in der der Anteil der erneuerbaren Energien aus der Nische heraus 55

zur Hauptsäule unserer Energieversorgung geworden ist.“ Vor allem eines macht ihr Sorgen: die steigenden Energiekosten. Deutschland lässt sich die Energiewende einiges kosten und muss einen enormen Aufwand betreiben, um das Stromnetz stabil zu halten. Das zahlen die 60

Stromverbraucher. Die Differenz zwischen den hohen Vergütungen für grünen Strom und dem Strompreis, der sich im Großhandel bildet, wird von den Netzbetreibern auf die Stromverbraucher umgelegt. Und mit dem rasanten Zubau an Anlagen hat sich diese EEG-Umlage aufgestaut: Jeder Stromkunde muss inzwischen für jede Kilowattstunde, die er verbraucht, 6,17 Cent an EEG-Umlage überweisen - das ist 65

mehr als ein Viertel des gesamten Strompreises. Über alle Stromverbraucher hinweg summiert sich die EEG-Umlage in diesem Jahr auf 21,8 Milliarden Euro. Im kommenden Jahr wird die Umlage erneut steigen. Die Betreiber konventioneller Kraftwerke stellt der rasante Ausbau von Wind- und 70

Sonnenenergie vor enorme Probleme. Der Boom der Windräder und Photovoltaikanlagen drängt fossile Kraftwerke aus dem Markt. Immer häufiger fluten Wind- und Sonnenstrom die Strombörse, die Börsenpreise für Strom fallen ins Bodenlose, der Betrieb von Kohle- und Gaskraftwerken lohnt sich oft nicht mehr. Große Energiekonzerne wie RWE und Eon, einst stolz und wertvoll, sind in 75

wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Der Ausbau von Wind- und Solarenergie bereitet auch den Netzbetreibern Kopfzerbrechen. In Spitzenzeiten mögen erneuerbare Energien schon mehr als 70 Prozent des Bedarfs decken, wie an jenem 25. Juli. An trüben Wintertagen, wenn der 80

Himmel verhangen ist und der Wind kaum bläst, fällt die Leistung aber rapide auf gerade noch eine Handvoll Prozent. Und je mehr das Stromangebot witterungsbedingt schwankt, umso schwieriger wird es, Stromausfälle zu vermeiden. Gleichzeitig müssen die Netzbetreiber den Strom neu verteilen. Während im Süden Deutschlands, wo die Industrie viel Strom verbraucht, Atomkraftwerke vom Netz gehen, entstehen 85

im Norden an der Küste Offshore-Windparks. Insgesamt 4 000 Kilometer an neuen Hochspannungsleitungen sollen in den kommenden zehn Jahren gebaut werden. Gut 20 Milliarden Euro sind dafür nötig. Um den Strom überregional zu verteilen, sind drei große Trassen geplant. Die größte, 90

Suedlink, durchkreuzt Deutschland vom Norden bis zum Süden über 800 Kilometer Länge. Planung und Bau nehmen fast ein Jahrzehnt in Anspruch. Doch der Netzausbau stockt: Lokale Bürgerinitiativen wehren sich gegen Trassen in ihrer Nachbarschaft.

Page 29: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

29

Um trotz der Widerstände in der Bevölkerung voranzukommen, will die 95

Bundesregierung nun verstärkt darauf setzen, die großen Stromtrassen unterirdisch zu verlegen. Die Kosten werden dadurch noch weiter in die Höhe getrieben. „2015 wird ein entscheidendes Jahr für den Erfolg der Energiewende“, warnt Hans-Jürgen Brick, Geschäftsführer des großen Netzbetreibers Amprion. „Wenn der Netzausbau jetzt nicht Fahrt aufnimmt, dann kommt die Energiewende zum Erliegen.“ 100

Die Bundesregierung hat Mühe, das Projekt Energiewende zum Erfolg zu führen. Mit immer neuen Gesetzen und Verordnungen versucht sie, den Energiemarkt neu auszutarieren. Im vergangenen Jahr wurde das Erneuerbare-Energien-Gesetz reformiert. Mit dem EEG 2.0 werden die Vergütungen gesenkt, soll der ungezügelte 105

Ausbau der erneuerbaren Energien gelenkt werden. Ein Strommarktgesetz, das sich derzeit in der parlamentarischen Beratung befindet, soll sicherstellen, dass der Markt ausreichend Investitionsanreize für den Bau von Kraftwerken bietet. Parallel müssen Reservekapazitäten definiert werden, damit sichergestellt ist, dass die Stromversorgung auch in Zeiten von Wind- und Sonnenflauten stabil bleibt. 110

Und dann gibt es noch ein besonders großes Problem zu klären: Wie werden der Rückbau und die sichere Entsorgung der Atomkraftwerke geregelt? Die Energiewende in Deutschland ist auf einem guten Weg, geschafft aber ist sie noch 115

lange nicht. Quelle: Flauger, J./Stratmann, K., Handelsblatt, Nr. 223, 18.11.2015, 44

Page 30: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

30

Page 31: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

31

Ein Relikt aus der alten Energiewelt Vattenfall nimmt in Hamburg das modernste Steinkohlekraftwerk Europas in Betrieb. Drinnen verbreitete ein Quintett mit Ziehharmonika und Kontrabass gute Laune. 5

Draußen peitschte den Demonstranten eisiger Wind ins Gesicht. Besser hätte Vattenfall die Einweihung des Kohlekraftwerks in Hamburg-Moorburg nicht inszenieren können. Doch Magnus Hall, der extra am Morgen aus Stockholm angereiste Chef des schwedischen Energiekonzerns, hatte trotzdem nur wenig Grund zur Freude. Ausgerechnet am Eröffnungstag produzierte das Ungetüm im Hamburger 10

Hafen zunächst keinen Strom. Wegen des stürmischen Wetters in Norddeutschland deckten Solar- und Windkraft den Strombedarf der Millionenmetropole Hamburg auch locker allein ab. Der modernste Kohlemeiler Europas war ziemlich überflüssig. Ein Relikt aus der alten 15

Energiewelt. Brandneu und doch schon eine Investitionsruine. Moorburg ist neben den Kohlekraftwerken Hamm und Datteln das prominenteste Beispiel einer ganzen Reihe von umstrittenen Großprojekten, die in einer anderen Ära geplant wurden - und heute, im Licht der Energiewende, wie völlig aus der Zeit 20

gefallen wirken. Mit dem Boom von Solar- und Windenergie gilt gerade Kohlekraft wegen des hohen Schadstoffausstoßes als Auslaufmodell. Bis 2050 will die Bundesregierung 80 Prozent des Stromverbrauchs über erneuerbare Energien abdecken. Alte Kohlekraftwerke sollen nur noch vorübergehend als 25

Notreserve dienen. Olaf Scholz, Hamburgs Bürgermeister, betonte deshalb bei seiner Ansprache vor den rund 500 geladenen Gästen, dass hier „eine der letzten Anlagen dieser Art“ ans Netz gehe. Selbst Vattenfall-Chef Hall räumte ein, „heute wäre es schwierig“, den Baubeschluss erneut zu treffen. 30

Im Grunde war Moorburg für den schwedischen Staatskonzern von Anfang an ein einziges Ärgernis. Ursprünglich sollte das Kraftwerk deutlich kleiner ausfallen und nur 700 Millionen Euro kosten. Letztlich stieg der Preis aber auf rund 3,1 Milliarden an. Mit einer Leistung von 1 640 Megawatt ist der Meiler derart überdimensioniert, dass er die Hansestadt im Alleingang mit Strom versorgen könnte. 35

Wegen Klagen, Protesten von Bürgerinitiativen und mehreren Haarrissen an Schweißnähten bei Dampfkesseln musste die Inbetriebnahme mehrfach verschoben werden. Die Bauzeit zog sich insgesamt auf elf Jahre hin. Und die Pannenserie hält weiter an. Aktuell steht Block Bstill. Denn bei einer Revision der Turbinen wurden 40

Schäden bei zwei Turbinenschaufeln festgestellt. Erst in einigen Wochen dürften alle drei Blöcke störungsfrei laufen. Vattenfall leidet wie Eon oder RWE unter dem Verfall der Großhandelspreise für Strom. Die großen Kraftwerke werfen kaum noch Gewinne ab. Der hierzulande 45

drittgrößte Energieversorger schichtet deshalb sein Portfolio weiter um - von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien.

Page 32: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

32

Moorburg widerspreche dieser Strategie nicht zwangsläufig, sagte CEO Magnus Hall. Denn die Energiewende benötige stabile Netze. Bei den Schwankungen von Wind- 50

und Solarkraft helfe Moorburg, dass sich die „Wirtschaft in Hamburg keine Sorgen um eine sichere Energieversorgung machen“ muss. Ob sich die Investitionen der Schweden in das Kraftwerk im Hafen der Hansestadt aber jemals amortisieren werden, ist unklar. Vattenfall betont zwar stets „positive 55

Cashflows“ mit Moorburg zu generieren, nennt aber keine konkreten Zahlen. Fest steht dagegen: Bis jetzt hat der schwedische Energiekonzern auf sein Drei-Milliarden-Kraftwerk mehr als 1,4 Milliarden Euro abgeschrieben. Ungemach droht Vattenfall und Hamburg zudem von der EU-Kommission. Die 60

Brüsseler Behörde verklagt Deutschland gerade wegen Moorburg. Der Grund: Es bestehe die Gefahr, dass das Projekt sich negativ auf geschützte Arten wie Lachs, Flussneunauge oder Meerneunauge auswirken könnte. Umweltschützer bemängeln, dass der Meiler mit Elbwasser gekühlt wird. 65

Quelle: Hubik, F., Handelsblatt, Nr. 225, 20.11.2015, 29

Page 33: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

33

Page 34: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

34

Klimawandel unter Anlegern Raus aus Kohle und Öl: Weltweit pochen Investoren auf mehr Klimaschutz. In Deutschland steht der Allianz-Konzern noch weitgehend alleine da. 5

Im August 1979 stach die „Esso Atlantic“ in See. Mit modernster Messtechnik ausgestattet, sammelten Wissenschaftler des Ölkonzerns Exxon an Bord des Supertankers Proben, untersuchten den CO2-Gehalt in Luft und Meer. Die Studie „Der CO2-Treibhaus-Effekt“ datiert vom 12. November 1982 und ist versehen mit dem ausdrücklichen Hinweis, die Ergebnisse nicht an die Öffentlichkeit zu geben. 10

Die Exxon-Experten schlussfolgerten schon damals, dass eine Erwärmung der Erdatmosphäre drohe und eine „erhebliche Reduktion der Verbrennung von fossiler Ressourcen erforderlich sein würde“. Falls nichts unternommen werde, müssten „potenziell katastrophale Folgeereignisse in Betracht gezogen werden“, heißt es in 15

dem Dokument, das kürzlich von einem Recherchekonsortium um die „Los Angeles Times“ ausgegraben wurde. Das Management zog sich zur Beratung zurück - und entschied, genug gehört zu haben. Es erkannte, dass der Treibhauseffekt nicht nur das Klima bedrohte, sondern 20

auch die eigene Geschäftsgrundlage. Statt auf Basis der eigenen Studie nach alternativen Energiequellen zu suchen, verlegte sich Exxon auf eine Desinformationskampagne. Es finanzierte Denkfabriken, die Zweifel an der Erderwärmung säten. Seine Aktionäre ließ der Konzern im Dunkeln. 25

Doch 30 Jahre später ist nicht mehr zu leugnen, was sich damals noch verschleiern ließ. Der Kampf gegen die globale Erwärmung hat dramatische Folgen für die Firmen, die fossile Ressourcen fördern - und damit für Investoren. Die Klimapolitik birgt ein schweres Risiko für die Weltfinanzmärkte. Um den Treibhauseffekt zu stoppen, müsste der größte Teil der Kohle-, Öl- und Gasreserven im Boden bleiben. Darauf 30

haben Mark Carney, Chef der Bank von England, und Weltbankpräsident Jim Yong Kim hingewiesen. In der Finanzszene hat sich der Begriff „stranded assets“ breitgemacht. Diese Vorräte sind nutzlos, gestrandet wie ein Wal. Für die betroffenen Manager bedeutet das: weniger förderbare Ressourcen, weniger Einnahmen. 35

„Das Thema betrifft jeden, der langfristig Geld anlegt“, sagt Carl-Heinrich Kehr, Kapitalmarktexperte bei Mercer, einem Beratungsunternehmen für Großinvestoren. Mercer hat geschätzt, was es bedeute, wenn ein Teil der Brennstoffreserven nicht mehr gefördert werden könne. Basis der Schätzung sind die Börsenbewertungen heute und deren Projektion bis 2050. Der größte Leidtragende wäre der Ölsektor. Hier 40

könnten die Börsenbewertungen um satte zwei Drittel schrumpfen, von rund 2,2 Billionen Euro auf etwa 700 Milliarden Euro. Gemessen am Wert ist der Kohlesektor deutlich kleiner, würde aber relativ betrachtet noch stärker leiden und um mehr als drei Viertel auf 36 Milliarden Euro fallen. Wenn die Schätzungen realistisch sind, müssten die Kurse der Klimakiller abstürzen: „Die Investoren beginnen 45

nachzudenken“, so Kehr.

Page 35: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

35

Deutschlands größter Versicherer gehört dazu. „Die Allianz steigt aus der Kohle aus“, sagt Chefinvestor Andreas Gruber dem ZDF-Magazin „Frontal 21“. „Wir wollen damit die Verhandlungen auf dem Klimagipfel in Paris im Dezember unterstützen, 50

aber auch ein Zeichen setzen an unsere Branche und an die Kapitalmärkte.“ […] International läuft die Bewegung schon länger. Unter der Führung des größten europäischen Fondsmanagers Amundi und des schwedischen Pensionsfonds AP4 haben sich Großinvestoren zur „Portfolio Decarbonization Coalition“ 55

zusammengeschlossen. 94 Milliarden Dollar wollen sie aus CO2-intensiven Branchen abziehen. Amundi-Anlagestratege Frédéric Samama sagt: „Es geht nicht darum, den Planeten zu retten, es geht um Risikomanagement.“ Selbst der Rockefeller-Clan, aus dessen Familienimperium der Exxon-Konzern 60

hervorgegangen ist, spricht inzwischen von einer „moralischen Verpflichtung“, den Kampf gegen den Klimawandel zu führen. Die Rockefeller-Stiftung zieht sich aus besonders umweltschädlichen Projekten zurück. Vorreiter der Klimabewegung in Europa ist ausgerechnet der norwegische Ölfonds - 65

mit einem Kapital von rund 800 Milliarden Euro eine Größe an den Finanzmärkten. Norwegen hat beschlossen, dass der Fonds Anteile an Bergbauunternehmen verkauft, wenn das Kohlegeschäft mehr als 30 Prozent des Umsatzes ausmacht. Und vor einem Monat stellte ABP die Weichen. Der große niederländische Pensionsfonds mit 356 Milliarden Euro Kapital wird seine Anlagen neu ausrichten. „Die werden keine 70

Firmen mit hohem Kohlendioxidausstoß mehr kaufen“, meint Rob Bauer, Professor für institutionelle Kapitalanlagen an der Universität Maastricht. Im Gegenzug will ABP jene Anlagen, die auf eine saubere Zukunft zielen, auf 58 Milliarden Euro verdoppeln. 75

Auch der französische Versicherungsriese Axa ist dabei. Im Mai hatte Konzernchef Henri de Castries erklärt: „Es ist unsere Verantwortung als langfristiger Investor, Kohlendioxid als Risiko anzusehen.“ Risiko heißt für ihn: Raus aus der Kohle. Der US-Initiative Fossil Free zufolge haben inzwischen fast 500 Großanleger mit einem Gesamtvermögen von immerhin rund 2,6 Billionen Dollar ambitionierte Divestment-80

Pläne vorgelegt. In Deutschland ist die Allianz dagegen weitgehend alleine. „Wir haben keine Pläne für einen Ausstieg“, heißt es vom Fondsanbieter Deka-Investment der Sparkassen. Auch Deutsche Asset & Wealth Management (Deutsche Bank) lässt verlauten: „Wir steigen nicht generell aus.“ 85

„Wer verkauft, der beraubt sich seines Einflusses“, gibt Wissenschaftler Bauer zu bedenken. Er plädiert für einen anderen Weg: In Gesprächen sollen die Chefs der Konzerne zur Änderung bewegt werden, und auf Hauptversammlungen seien die Stimmrechte für eigene Vorstellungen zu nutzen. So geht Union Investment vor, die Fondsfirma der Volks- und Raiffeisenbanken. Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und 90

Engagement bei Union: „Es ist unsere Überzeugung, dass eine aktive Einflussnahme nicht durch ein generelles Divestment ersetzt werden kann.“ Exxon „nimmt die Risiken des Klimawandels ernst“, heißt es inzwischen. Doch eine Verschleierungskampagne, die diesem Sinneswandel vorausging, hat ein juristisches 95

Page 36: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

36

Nachspiel. Der New Yorker Generalstaatsanwalt Eric Schneiderman hat Exxon unter Strafandrohung aufgefordert, interne Klima-Dokumente zu übergeben. Exxon habe absichtlich verschwiegen, welch dramatische Folgen der CO2-Ausstoß für die Atmosphäre hätte - und eine globale Klimapolitik fürs Geschäftsmodell. 100

Quelle: Koch, M./Narat, I./Slodczyk, K., Handelsblatt, Nr. 227, 24.11.2015, 4

Page 37: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

37

Page 38: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

38

Vorreiter im Minus Norwegens Staatsfonds gibt der Kohleindustrie kein Geld mehr. Doch das Management kämpft mit der Rendite. 5

Als der größte Staatsfonds der Welt, der norwegische Ölfonds, im Frühjahr ankündigte, seine Investitionen in die Kohleindustrie zu stoppen, ging ein Raunen durch die Branche der professionellen Geldanleger. Denn mit einem Verwaltungskapital von rund 7 324 Milliarden norwegischen Kronen (787 Milliarden Euro) ist er einer der mächtigsten Anleger weltweit. Die Entscheidung, nicht mehr in 10

Unternehmen der Kohleindustrie zu investieren, kam auf Druck des norwegischen Parlaments und seines Finanzausschusses zustande. Die Abgeordneten sind die Aufseher des mächtigen Pensionsfonds. „Investitionen in Kohle können ein Risiko für das Klima und ein zukünftiges 15

finanzielles Risiko bedeuten“, erklärte damals Svein Flatten, Abgeordneter der regierenden Konservativen Partei. Da die Kohleverstromung als Klimakiller gilt, hat der Fonds, der strengen ethischen Regeln zu folgen hat, seine Investitionen in diesem Bereich zurückgefahren. Es war ein deutliches Signal, das da aus Oslo kam. 20

In Deutschland war vor allem der Energieriese RWE von der Osloer Entscheidung betroffen. Denn der Fonds war zum Zeitpunkt der Bekanntgabe mit 2,1 Prozent an dem deutschen Unternehmen beteiligt. Mittlerweile ist dieser Anteil auf 1,7 Prozent heruntergefahren worden. Weitere Aktienverkäufe stehen in jedem Fall an. 25

Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace und Urgewald hatten den Staatsfonds seit längerem wegen seines Engagements im Kohlegeschäft scharf kritisiert. Sie begrüßten die vom Finanzausschuss verlangte Beschränkung bei der Anlage und sprachen von einem richtigen Schritt. In den vergangenen Monaten hat der Staatsfonds, der Anteile an 219 deutschen Unternehmen im Wert von 27 Milliarden 30

Euro hält und mit einem Gesamtanteil von 4,1 Prozent der größte Investor in Dax-Unternehmen ist, immer stärkeren Druck auf Unternehmen der Kohleindustrie ausgeübt. Auch auf dem Pariser Klima-Gipfel Anfang Dezember ist der Fonds vertreten und 35

wird versuchen, seinen Einfluss auf die Unternehmen geltend zu machen. In den vergangenen Jahren hat der offiziell „Statens Pensjonsfond Utland“ genannte Fonds wegen seiner ethischen Anlagestrategie immer wieder für internationale Schlagzeilen gesorgt. 40

Rüstungsunternehmen und Tabakkonzerne sind als Anlageobjekte bereits seit vielen Jahren tabu. Selbst Siemens geriet in den Fokus des Fonds, nachdem dort Korruptionsskandale bekannt geworden waren. Und die Macht der Norweger geht weiter, denn andere Fondsgesellschaften beobachten die Anlagestrategie des Fonds sehr genau und nehmen sich seine Entscheidungen zum Vorbild. 45

Page 39: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

39

Insofern gehen ethische Investmententscheidungen weit über den eigenen Anlagehorizont hinaus. Der neue Fokus auf mehr Nachhaltigkeit fällt allerdings in eine problematische Phase. Denn der Fonds hat erstmals seit langer Zeit mit Renditeproblemen zu kämpfen. Im dritten Quartal dieses Jahres verzeichnete der 50

Fonds einen Verlust von umgerechnet 29 Milliarden Euro. Damit lag die Rendite bei minus 4,9 Prozent. Schon im zweiten Quartal hatte der Fonds ein Minus von acht Milliarden Euro gemacht. Verantwortlich für die roten Zahlen seien nicht Investmentfehler gewesen, 55

sondern „Marktschwankungen“, wie es Fondschef Yngve Slyngstad ausdrückte. Vor allen Dingen der schwache chinesische Markt habe das Ergebnis belastet, so der oberste Fondsmanager. Ganze 21 Prozent betrug das Minus, dass der Fonds mit chinesischen Aktien im abgelaufenen Quartal machte. 60

In den Fonds fließen seit 1996 die staatlichen Einnahmen aus dem norwegischen Ölgeschäft. Er war einst eingerichtet worden, um den Wohlfahrtsstaat auch nach dem Versiegen der Öl- und Gasquellen noch finanzieren zu können. Der Ölfonds dient aber nicht nur der großzügig dimensionierten sozialen Vorsorge, sondern soll auch den Staatshaushalt in der Balance halten. Bislang wurden reale Erträge von vier Prozent 65

im Haushalt eingeplant. Einnahmen, die darüber hinausgehen, werden wieder angelegt. Die norwegische Regierung hat aber wegen der durch den Ölpreisfall ausgelösten Wirtschaftskrise angekündigt, in diesem Jahr mehr Mittel für den Haushalt aus dem Fonds abziehen zu 70

wollen. Quelle: Steuer, H., Handelsblatt, Nr. 227, 24.11.2015, 6

Page 40: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

40

Page 41: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

41

Deutschlands trügerische CO2-Bilanz Die hohen Kosten für den Klimaschutz vertreiben die Industrieproduktion aus Deutschland - die Emissionen treten anderswo auf. 5

Deutschland nimmt seine Vorbildrolle im Klimaschutz sehr ernst. Regelmäßig gehen deutsche Delegationen mit Vorleistungen in internationale Klimaschutzverhandlungen. Auch beim Klimagipfel, der am 30. November in Paris beginnt, wollen die Deutschen gemeinsam mit ihren europäischen Partnern als Musterschüler auftreten, ihre Bilanz soll makellos sein. Doch das ist teuer erkauft: Ein 10

Teil der CO2-Einsparungen hierzulande ist allein auf Produktionsverlagerungen ins Ausland zurückzuführen. Die CO2-Emissionen werden also nur exportiert, etwa in Länder wie China. Eine dem Handelsblatt vorliegende Studie von ewi Energy Research & Scenarios 15

kommt zu dem Ergebnis, dass allein durch Aluminium, das nach Deutschland importiert wird, in anderen Ländern CO2-Emissionen von 4,5 Millionen Tonnen pro Jahr entstehen. Auslöser sind Produktionsverlagerungen von Deutschland in Länder außerhalb Europas. Sie sind im Wesentlichen begründet durch die Klimaschutzbemühungen: Als Folge höherer Kosten, etwa aufgrund des Europäischen 20

Emissionshandelssystems, werde „ein Teil der Emissionsreduktion in andere, nicht dem EU-Emissionshandelssystem unterliegende Länder verlagert“, heißt es in der Studie. Betroffen sind grundsätzlich alle dem Emissionshandel unterworfenen 25

Industriebranchen, also etwa Raffinerien, Stahl, Aluminium und Papier. Die Studie untersucht die Verlagerungseffekte allein für drei Produkte: Aluminium, Kupfer und Zink. Der gesamte Verlagerungseffekt dürfte also erheblich größer sein. Für Aluminium fällt er mit 4,5 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr mit Abstand am größten aus. Es folgen Kupfer mit 261 000 Tonnen und Zink mit 34 000 Tonnen. In Auftrag 30

gegeben hat die Studie die Wirtschaftsvereinigung Metalle. Dass es die in der Studie beschriebenen Verlagerungseffekte gibt, ist unbestritten. Mit der Studie werden sie erstmals für einzelne Produkte quantifiziert. Die Verlagerung von Produktionsprozessen ist Bestandteil eines Deindustrialisierungsprozesses. Er 35

schlägt sich in Zahlen des Statistischen Bundesamtes nieder: Energieintensive Branchen investieren weniger, als sie abschreiben, zehren also ihre Substanz auf (s. Grafik). Der Emissionshandel ist eines der wichtigsten Instrumente der EU zur Reduktion von 40

Treibhausgasen. Die zur Teilnahme verpflichteten Anlagen müssen für jede emittierte Tonne CO2 ein Emissionszertifikat nachweisen. Dadurch entsteht ein Anreiz, in effizientere Anlagen zu investieren.

Page 42: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

42

Unternehmen, die mit ihren Branchen im internationalen Wettbewerb stehen, erhalten 45

Zertifikate zwar kostenlos zugeteilt, jedoch nicht komplett. Sie müssen Zertifikate nachkaufen. Neben diesen direkten Kosten stehen die indirekten Kosten, die im Falle der Aluminiumindustrie noch höher sind als die direkten: Auch die Betreiber fossiler Kraftwerke sind zur Teilnahme am Emissionshandel verpflichtet. Das erhöht für große Stromverbraucher wie Aluminiumhütten die Stromkosten erheblich. 50

Derzeit wird in Brüssel über eine Reform des Emissionshandels debattiert. Das Bundeswirtschaftsministerium sicherte der Industrie zu, sich für ihre Belange einzusetzen. Durch den Emissionshandel entstehen Zusatzkosten, die die außereuropäische Konkurrenz nicht kennt. Weiterreichen an ihre Kunden können 55

Hersteller von Aluminium oder Stahl diese Zusatzkosten nicht: Für ihre Produkte zählt allein der Weltmarktpreis, der an einer weltweiten Börse wie etwa der London Metal Exchange (LME) ermittelt wird. Der Verlagerungseffekt offenbart eine der Schwächen des Emissionshandels: „Die 60

Studie zeigt, dass wir keine Emissionen einsparen, wenn wir energieintensive Unternehmen in Deutschland die Wettbewerbsfähigkeit nehmen und dann die Produkte importieren. Damit wird zwar unsere Klimabilanz poliert, dem Klima aber nicht geholfen“, sagt Hubertus Bardt vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW). 65

Quelle: Stratmann, K., Handelsblatt, Nr. 228, 25.11.2015, 8

Page 43: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

43

Page 44: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

44

Ringen um die Reform Industrie setzt auf Hilfe aus dem Wirtschaftsministerium. Als Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, kürzlich bei 5

der Tagung des Industrieverbandes VIK seine Vorstellungen von der anstehenden Reform des Europäischen Emissionshandels skizzierte, wurde den Anwesenden warm ums Herz: Es müsse gelingen, „unangemessene Kostenbelastungen für die effizientesten Anlagen zu vermeiden“, sagte Machnig. Und eine Zuteilung von Emissionsrechten, die kein Produktionswachstum berücksichtige, sei mit den 10

Grundsatzbeschlüssen des Europäischen Rates nicht vereinbar. „Das muss die Linie sein für die Debatten, die wir vor uns haben“, sagte Machnig. Die Industrie verfolgt die anstehende Reform des Emissionshandels mit Sorge. Sie soll im kommenden Jahr abgeschlossen werden und 2020 in Kraft treten. Die 15

Vorschläge der EU-Kommission liegen seit Monaten vor. Sollten sie Wirklichkeit werden, würden die Belastungen durch den Emissionshandel steigen, befürchten Industrievertreter. Nach den Vorstellungen der Kommission soll die Zuteilung kostenfreier 20

Emissionszertifikate für Branchen, die im internationalen Wettbewerb stehen, deutlich restriktiver als bisher gehandhabt werden. So sollen die Benchmarks, an denen sich die Zuteilung der Zertifikate bemisst, deutlich verschärft werden. Die knapp 60 Benchmarks - individuell zugeschnitten auf bestimmte Produktionsverfahren und Produkte - sind aber schon heute zum Teil so bemessen, dass sie europaweit auch von 25

der modernsten und effizientesten Anlage nicht erreicht werden können. Die Benchmarks sollen jährlich mit einem „universellen Kürzungsfaktor“ verschärft werden. Hinzu kommt, dass die Gesamtmenge der Zertifikate jährlich künftig nicht mehr nur um 1,7 Prozent, sondern um 2,2 Prozent gekürzt werden soll. 30

Aus Sicht der Industrie ist das eine explosive Mischung. Sie könnte die Zusatzkosten, die der Klimaschutz verursacht, erheblich erhöhen - und die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Branchen weiter schmälern. Die Unternehmen setzen daher auf die Hilfe des Bundeswirtschaftsministeriums. Die Leute um Sigmar Gabriel sollen bei den anstehenden Verhandlungen in Brüssel das Schlimmste verhindern. Allerdings hat 35

Gabriel eine regierungsinterne Widersacherin: Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat bereits deutlich gemacht, dass die Unternehmen ihrer Ansicht nach komfortabel mit Emissionszertifikaten ausgestattet sind. Sie lässt sich mit dem Satz zitieren, das „Stöhnen der Industrie“ sei „nicht ganz verständlich“. 40

Quelle: Stratmann, K., Handelsblatt, Nr. 228, 25.11.2015, 9

Page 45: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

45

Moskau dreht Kiew das Gas ab Neuer Zwist zwischen Russland und der Ukraine könnte der EU Probleme bereiten. Russland hat die Gaslieferungen in die Ukraine eingestellt. Der ukrainische Konzern 5

Naftogas habe die gesamte Gasmenge, die Kiew bezahlt habe, aus dem Pipelinesystem entnommen, sagte Gazprom-Chef Alexej Miller - und erklärte den Stopp mit einer angeblich ausgebliebenen Vorauszahlung: „Daher werden die Lieferungen bis zum Eintreffen neuer Zahlungen vonseiten des ukrainischen Konzerns eingestellt.“ 10

Beide Seiten hatten sich erst im September auf Vermittlung der EU auf Umfang und Preis der Lieferungen für den Winter geeinigt. Demnach muss die Ukraine für 1 000 Kubikmeter russischen Gases 227,40 US-Dollar zahlen. Insgesamt hat Russland für 454 Millionen Dollar rund zwei Milliarden Kubikmeter geliefert. Ende Oktober 15

wurden in der Ukraine die Heizungen angestellt. Das in den Speichern gelagerte Gas hatte sich in der Zwischenzeit auf 16,48 Milliarden Kubikmeter verringert. Laut Miller braucht die Ukraine mindestens 19 Milliarden Kubikmeter in den Speichern, um durch den Winter zu kommen und den Transit russischen Gases nach Europa sicherstellen zu können. Im Winter 2006 hatte es nach einem ukrainisch-russischen 20

Gasstreit kurzzeitig auch Versorgungsprobleme in Europa gegeben. In Kiew wird wie üblich anders gerechnet als in Moskau: Der Pipelinebetreiber Ukrtransgas, Tochter von Naftogas, habe noch nicht alles bekommen, was bezahlt worden sei, teilte der Pressechef des Konzerns Maxim Beljawski mit. Neue Zahlungen 25

wird es nicht geben. Hatte Energieminister Wladimir Demtschischin Anfang der Woche noch erklärt, Kiew wolle bis Jahresende auf den Zukauf russischen Gases verzichten und solange von den Speicherreserven zehren, so wurde Ministerpräsident Arseni Jazenjuk noch kategorischer. Er erklärte am Mittwoch, die Regierung habe Naftogas „verboten“, weiter russisches Gas zu importieren. Die Russen „haben das 30

verwechselt: Nicht sie haben aufgehört, uns Gas zu liefern, sondern wir haben aufgehört, welches zu kaufen“, sagte Jazenjuk. Der Premier begründete das Verbot mit niedrigeren Gaspreisen westlicher Anbieter. Zudem sei der Gasverbrauch in der Ukraine um 20 Prozent zurückgegangen. 35

„Der Rückgang beim Gasverbrauch hängt weniger mit Energiesparmaßnahmen zusammen als damit, dass die Wirtschaftsleistung der Ukraine eingebrochen ist“, sagte Sergey Rozhenko, Moskauer Energieexperte des Ingenieurbüros Arup, dem Handelsblatt. Zudem sehe sich Kiew nicht mehr in der Verantwortung, den Gasverbrauch in den von Rebellen beherrschten Regionen Donezk und Luhansk zu 40

finanzieren. Die erklärte Unabhängigkeit der Ukraine von russischer Energie ist laut Rozhenko trotzdem nur ein Taschenspielertrick. „Die Ukraine bezieht russisches Gas einfach über den Umweg aus Europa.“ Tatsächlich hatten in den vergangenen Jahren schon die Reverslieferungen aus der Slowakei und Ungarn deutlich zugenommen. 45

Quelle: Ballin, A., Handelsblatt, Nr. 229, 26.11.2015, 11

Page 46: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

46

Sonnenstrom im Schatten der Giganten Mit seinem Energienetzwerk will der Neuling Sonnenbatterie Konzerne wie Eon und RWE attackieren. 5

Philipp Schröder pfeift auf Bescheidenheit. Der 32-jährige Manager will die Energiewirtschaft revolutionieren. Drunter macht er's nicht. Sein Ziel? Eine Stromversorgung völlig ohne konventionelle Energiekonzerne und Großkraftwerke. RWE, Eon und Co. stehen in seiner Welt auf verlorenem Posten. Spätestens in zehn Jahren, so seine These, sind sie endgültig überflüssig. 10

Schröder war bis vor kurzem Deutschland-Chef von Tesla. Die großspurigen Ansagen hat er von Elon Musk abgekupfert, dem Chef des US-Elektroautoherstellers. Mittlerweile macht er seinem Idol aber Konkurrenz. Denn Schröder führt nun die Geschäfte der Sonnenbatterie GmbH, Europas führendem Anbieter von 15

Batteriespeichern. Anders als Tesla stellt der Mittelständler aus dem Allgäu seine Akkuzellen aber nicht selbst her, sondern setzt vorwiegend auf Software. Und die soll nun das Ende der Energieversorger einläuten. Schröders Schlachtplan: Alle Eigenheimbesitzer mit Solaranlage auf dem Dach und 20

Energiespeicher im Keller sollen sich auf einer Plattform, die Sonnenbatterie am Mittwoch vorgestellt hat, vernetzen und gegenseitig mit Elektrizität versorgen. Der überschüssige Strom des einen wird online mit einem anderen Nutzer, der gerade Strom benötigt, geteilt. Der Clou dabei: Die sonst übliche Handelsmarge entfällt. Der Strompreis, bezogen auf die einzelne Kilowattstunde, sei damit „wesentlich günstiger 25

als beim Versorger“, so Schröder zum Handelsblatt. „Wir brauchen die Eons und RWEs gar nicht mehr.“ Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen zu sein, hatte bisher einen Haken: Er war nicht zu hundert Prozent zu realisieren. Wer sich eine Solaranlage aufs 30

Dach schraubte und einen Batteriespeicher in den Keller stellte, konnte zwar teils gut 80 Prozent seines Strombedarfs selbst decken. Aber in den Herbst- und Wintermonaten, wenn die Sonne weniger lang und kräftig scheint, mussten viele Ökoidealisten einen Teil ihres Stroms weiter von den verhassten Energieversorgern beziehen. 35

Ein Ärgernis, das Schröder mit seiner „Sonnen-Community“ beenden will. Die unverhohlene Kampfansage an die strauchelnden Stromriesen: „In zehn Jahren wollen wir mehr Kunden haben als Eon heute.“ Das klingt weniger ambitioniert als vielmehr verrückt. 40

Zwar wächst Sonnenbatterie rasant, weil es angesichts stetig steigender Strompreise immer öfter Sinn macht, Solarstrom vom Dach zu speichern und selbst zu verbrauchen. Aber mit 150 Mitarbeitern, einem Jahresumsatz von 30 Millionen Euro und gerade einmal 8 500 Kunden spielen die Bayern in der Kreisliga. Eon, 45

Deutschlands größter Versorger, agiert dagegen immer noch in der Champions League mit 58 000 Mitarbeitern, einem Jahresumsatz von 112 Milliarden Euro und gut 33 Millionen Kunden weltweit.

Page 47: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

47

Manuel Frondel, Energieexperte am Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen, attestiert dem Geschäftsmodell von Sonnenbatterie 50

zwar „durchaus Potenzial“. Aber es sei „völlig illusorisch“ zu glauben, damit ließe sich auch der hohe Strombedarf der Industrie abdecken. Der Erfolg des Konzepts hänge zudem davon ab, ob die Netznutzungsentgelte weiterhin per Kilowattstunde abgerechnet werden. Das ist aber fraglich. Weil immer mehr Deutsche ihren Strom selbst produzieren, sinkt die Anzahl der Personen, die das Stromnetz finanzieren. „An 55

einer Pauschale führt kein Weg vorbei“, glaubt Frondel. So grün das Modell von Sonnenbatterie jedoch sein mag, so manch Investor ist es nicht. Im Sommer beteiligte sich der tschechische Versorger CEZ an der Firma - ein Konzern, der auf Kohle schwört. 60

Quelle: Hubik, F., Handelsblatt, Nr. 229, 26.11.2015, 17

Page 48: Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2015. 12. 1. · 15. Artikel/Grafik: Sonnenstrom im Schatten der Giganten (26.11.2015) „Der Traum, unabhängig von den großen Stromkonzernen

Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 26.11.2015

48