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Haug

Dr. med. Johannes Fleckenstein...Dr. med. Johannes Fleckenstein studierte Medizin an der Universität Regensburg. Erste Berührung und Begeisterung mit der Chinesischen Heilkunst entwickelte

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  • Haug

  • Dr. med. Johannes Fleckenstein studierte Medizin an der Universität Regensburg. Erste Berührung und Begeisterung mit der Chinesischen Heilkunst entwickelte sich, als er als Student an der Organisation des Wahlfaches Aku punktur beteiligt war. Nach dem Studium begann er seine berufliche Laufbahn 2007 in der Klinik für Anästhesiologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seine Schwerpunkte in Wissenschaft und Lehre setzte er in der angegliederten Inter-disziplinären Schmerzambulanz im Themenbereich Akupunktur und Schmerztherapie. Zudem ist er als Gastdozent an weiteren deutschen Universitäten in der Lehre des Wahlfachs Akupunktur beteiligt. Er ist Tutor der Deutschen Ärztegesellschaft für Aku-punktur (DÄGfA). Er hat an der Konzeption und Durchführung der DÄGfA Summer School of Acupuncture, einer Sommerakademie zum Thema Akupunktur für Studenten, mitgewirkt.

    Dr. med. Klaus Trinczekist Facharzt für Allgemeinmedizin, Akupunktur, Chirotherapie und Naturheilverfahren. Er ist seit 1986 mit mehreren Kolleginnen in einer fachübergreifenden Praxis für Kinderheilkunde, Jugend-medizin und Allgemeinmedizin in Erlangen niedergelassen. Sein besonderes Engagement gilt der studentischen Ausbildung in Akupunktur, Chinesischer Medizin und komplementärmedizi-nischen Therapieverfahren (Lehrtätigkeit für das Fach Akupunktur an der Universität Erlangen-Nürnberg). Er ist Mitglied des Aus-bildungsteams der Deutschen Ärztegesellschaft für Akupunktur (DÄGfA) und Mitbegründer/Dozent der DÄGfA Summer School of Acupuncture, einer Sommerakademie zum Thema Akupunktur für Studenten.

    Beide Autoren sind Preisträger des Jochen-Gleditsch-Preises für Akupunktur. Der Jochen-Gleditsch-Preis für Akupunktur wird für hervorragende und innovative Arbeiten sowie Initiativen zur Forschung und Lehre auf dem Gebiet der Akupunktur, der Chine-sischen Medizin und verwandter Techniken vergeben.

  • Johannes Fleckenstein, Klaus Trinczek

    QuickStart Akupunktur

    136 Abbildungen 67 Tabellen

    Karl F. Haug Verlag · Stuttgart

  • Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    Anschrift der Autoren:

    Dr. med. Johannes FleckensteinKlinik für AnästhesiologieInterdisziplinäre SchmerzambulanzKlinikum der Univ. München, InnenstadtPettenkoferstr. 8 a80336 München

    Dr. med. Klaus TrinczekPraxis für Kinderheilkunde, Jugend- und AllgemeinmedizinLachnerstr. 2191058 Erlangen

    © 2012 Karl F. Haug Verlag inMVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KGOswald-Hesse-Str. 50, 70469 Stuttgart

    Unsere Homepage: www.haug-verlag.de

    Printed in Germany

    Zeichnungen: Pjotr Gusta, Champigny sur Marne; Andrea Schnitzler, InnsbruckUmschlaggestaltung: Thieme VerlagsgruppeUmschlagfoto: Christine Lackner, Ittlingen; PhotoDisc Inc.Satz: stm | media GmbH, KöthenSatzsystem: Adobe InDesign CS 5.5Druck: Grafisches Centrum Cuno, Calbe

    ISBN 978-3-8304-7449-4 1 2 3 4 5 6

    Auch erhältlich als E-Book:eISBN (PDF) 978-3-8304-7512-5

    Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, ins-besondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht.

    Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwen-deten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen.

    Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

    Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrecht-lich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektro-nischen Systemen.

  • V

    Danksagung

    Wir möchten uns bei unseren Familien, Freunden und Lehrern bedanken, die uns in der Erstellung dieses Buches tatkräftig unterstützt haben. Ohne sie hätte die erfolgreiche Durchführung dieses Projektes sehr gelitten.

    Es war uns eine Freude, diesem besonderen Thema Akupunktur einen neuen Anstrich in Form

    eines innovativen Buchkonzeptes geben zu kön-nen, nicht zuletzt dank der großartigen Zusam-menarbeit mit Frau Ulrike Marquardt und Frau Monika Grübener vom Haug Verlag.

    Wir wünschen viel Spaß in der theoretischen Lektüre und noch viel mehr in der praktischen Umsetzung!

  • VI

    Man könnte fragen: Noch ein Akupunkturbuch? Es gibt doch schon so viele!

    Die beiden Autoren des hier vorliegenden Werkes, Klaus Trinczek und Johannes Flecken-stein, beide Vertreter der jüngeren Ärztegenera-tion, haben sich aufgrund ihrer eigenen Begeis-terung wie auch ihrer kritischen Art, wie sie sich mit dem Wissensgut der Chinesischen Medizin auseinandergesetzt haben, an die Arbeit gemacht. Es ist ihnen gelungen, die Akupunktur und die Chinesische Medizin auf eine Weise darzustellen, die dem westlichen Denken und Verstehen ent-gegenkommt, und das tradierte Wissens- und Er-fahrungsgut in eine Sprache zu kleiden, die dem heutigen Verständnis Rechnung trägt.

    Akupunktur-Einsteiger haben nämlich – nach meiner Beobachtung – weniger das Problem, die vielen neuen Regeln zu lernen, als den inneren Widerstand zu überwinden gegen all das Fremde, mystisch Erscheinende. Die die Akupunktur kenn-zeichnende Bedeutung von Phänomenologie und Analogien, von mikro- und makrokosmischen Vernetzungen und Wechselwirkungen sind für den westlichen Arzt anfangs eine Herausforde-rung. Doch wird diese Sichtweise für die meisten Therapeuten bald zu einer Bereicherung für jede Art von Medizin.

    Die Autoren führen in diesen ganz anderen Zu-gang zum Menschen als Individuum und seinem Kranksein auf eine sehr behutsame und zugleich verständliche Weise ein.

    Das gut gewählte Bildmaterial und die über-sichtlichen Tabellen sind Erinnerungsstützen

    bzw. dienen als Nachschlagewerk. Therapiebei-spiele veranschaulichen die Umsetzung der Lehre in den Praxisalltag.

    Bei dem umfangreichen Stoff, den die Aku-punktur bietet, gilt es, eine sinnvolle Auswahl zu treffen, d. h. Nicht-Bewährtes, Nicht-Nachvoll-ziehbares wegzulassen, hingegen das inzwischen im Westen Etablierte und in Studien Belegte herauszuheben. Diese Art des Umgangs mit der traditionellen Lehre entspricht dem Bedürfnis der nachrückenden Ärztegeneration. Die Ära des unkritischen Übernehmens der von den chinesi-schen Gremien vorgegebenen Lehreinheit dient nicht der Integration. Die Chinesische Medizin wird im Westen ihren Stellenwert immer mehr behaupten, wenn sie in der Praxis wie auch in der Forschung vielfache Bestätigung erfährt. Die Triggerpunkttherapie gleichberechtigt neben tradi tionelle Erkenntnisse zu stellen, wie es die Autoren hier vollzogen haben, ist aus diesem Blickwinkel berechtigt.

    Mit Freude kann ich sagen, dass dieses Buch eine Innovation darstellt. Möge dadurch ein wei-terer Anstoß für die Integration der Chinesischen Medizin in unsere westliche Medizin erfolgen. Es vereint in sich den Respekt vor einer Jahrtau sende alten Medizinerfahrung wie auch den Mut zur kritischen Neubewertung tradierter Erkenntnisse. So wünsche ich dem Werk eine breite Akzeptanz und reichen Nutzen für den Leser.

    Wien, im September 2011Jochen Gleditsch

    Geleitwort

  • VII

    Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VGeleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI

    1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1 Der Aufbau dieses Buches. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Warum überhaupt Akupunktur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Kurzer historischer Abriss: Akupunktur – eine Säule der Chinesischen Medizin . . . . . . . . . 2

    2 Chinesische und westliche Grundlagen der Akupunktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.1 Die Grundlagen Chinesischer Medizin: Philosophie, Naturbetrachtung und Systematisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.1.1 Yin und Yang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52.1.2 Qi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92.1.3 Xue (Blut). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122.1.4 Qi und Blut – ihr Verhältnis zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122.1.5 Das System der Leitbahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132.1.6 Äußere pathogene Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172.1.7 Die Funktionskreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202.1.8 Die Fünf Wandlungsphasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312.1.9 Diagnostisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342.2 Westliche Konzepte der Akupunktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442.2.1 Physiologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442.2.2 Mit den Händen Sehen lernen – Palpation und Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472.2.3 Das Achsenkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492.2.4 Erweiterte Interpretation des Achsenkonzepts nach Gleditsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512.2.5 Triggerpunktakupunktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532.2.6 Mikro-Aku-Punkt-Systeme (MAPS). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 842.2.7 Segmentanatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

    3 Das integrative praktische Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1043.1 Integrative Anamnesetechnik nach Ots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1043.2 Differenzierung von Außen-/Innen- und Leitbahn- Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1053.3 Das pragmatische Therapie konzept für Leitbahn- Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1063.3.1 Behandlung über die Leitbahnachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1073.3.2 Behandlung über Mikrosysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1123.3.3 Behandlung über Trigger punkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1143.4 Erweiterte Sichtweise bei Innen-Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1153.4.1 Das Eisbergmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1163.4.2 Sprachbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

    Inhaltsverzeichnis

  • VIII Inhaltsverzeichnis

    4 Wichtige Akupunkturpunkte und ihre Zuordnung zum Leitbahnsystem . . . . . 1214.1 Systematik der Akupunkturpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1214.1.1 Lokalisieren und Auffinden von Akupunkturpunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1224.1.2 Kategorien von Punkten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1244.1.3 De Qi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1244.2 Die Leitbahnen und ihre Akupunkturpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1264.2.1 1. Umlauf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1264.2.1 2. Umlauf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1364.2.3 3. Umlauf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1484.2.4 Außerordentliche Leitbahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

    5 Techniken der Akupunktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1605.1 Nadeltechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1605.1.1 Wahl der Akupunkturnadel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1605.1.2 Halten der Akupunkturnadel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1615.1.3 Der Einstich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1615.1.4 Verweildauer der Nadel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1615.1.5 Nadelstimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1625.1.6 Stufenschema für die Akupunkturbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1625.2 Triggerpunktakupunktur (Dry Needling) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1635.2.1 Direktes Dry Needling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1635.2.2 Dry Needling der muskulären Faszie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1645.2.3 Oberflächliches Dry Needling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1655.3 Moxibustion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1655.4 Schröpftechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1665.5 Weitere Stimulationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1665.5.1 ESA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1665.5.2 TENS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1675.5.3 Akupressur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1675.5.4 Laserakupunktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1675.5.5 Sonstige Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

    6 Der Schritt vom Punkt in die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1696.1 Vom Befund zur Diagnose der Chinesischen Medizin – Ein Leitfaden. . . . . . . . . . . . . . . . . . 1696.1.1 Außen-/Innen- oder Leitbahn-Erkrankung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1706.1.2 Wege zur Diagnose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1726.1.3 Vertrauen in das eigene Vermögen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1726.2 Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1726.2.1 Fallbeispiel 1: Akutes Schulter-Arm-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1726.2.2 Fallbeispiel 2: Gestörte Greiffunktion des Daumens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1736.2.3 Fallbeispiel 3: Komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS; früher: Sudeck-Syndrom) . . . 1746.2.4 Fallbeispiel 4: Gonarthrose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1766.2.5 Fallbeispiel 5: Sinusitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1786.2.6 Fallbeispiel 6: Okzipitaler Kopfschmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1796.2.7 Fallbeispiel 7: Migräne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1826.2.8 Fallbeispiel 8: Akuter Lenden-Becken-Hüft-Schmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1856.2.9 Fallbeispiel 9: Lumboischialgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

  • IXInhaltsverzeichnis

    7 Indikationen, Kontraindikationen, Nebenwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1907.1 Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1907.2 Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1927.3 Nebenwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1927.3.1 Endogene Nebenwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1927.3.2 Iatrogene Nebenwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

    8 Akupunktur und Wissenschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1948.1 Grundlagenarbeiten zur Akupunktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1948.2 Klinische Studien zur Akupunktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1958.2.1 Modellvorhaben zur Akupunktur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1968.2.2 Übersicht über die GERAC- Studien (German acupuncture clinical trials) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1988.2.3 Acupuncture Randomized Trials (ART) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1998.3 Übersichtsarbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

    9 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20210 Abbildungsnachweis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20611 Sachverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

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    1 Einleitung

    Den Autoren dieses Werkes ist die Akupunktur eine Herzensangelegenheit und mit dem vorliegenden Buch besteht nun die Gelegenheit, die Freude an der Akupunktur zu vermitteln. Dabei sehen sie die Akupunktur nicht als losgelöstes Therapieverfah-ren, sondern in Verbund mit unseren westlichen Fä-higkeiten und Methoden als integrativen Bestand-teil einer umfassenden medizinischen Versorgung.In diesem Buch sollen die verschiedenen Sachverhal-te aus Wahrnehmung und Intuition sowie wissen-schaftlicher Akkuranz miteinander dargestellt wer-

    den. Akupunktur soll Spaß machen, als praktischer und theoretischer Bestandteil, in der Praxis und Theorie zweier hoch entwickelter Medizinsysteme. Akupunktur und das damit verbundene Denken eig-net sich hervorragend, um Zusammenhänge zu ver-stehen, die sonst verborgen geblieben wären. Um einen unkonventionellen Schnelleinstieg in diese Kombination zweier verschiedener Denkweisen zu ermöglichen, musste auch der gewohnte Aufbau dieses Buches einer offenen Herangehensweise weichen.

    1.1 Der Aufbau dieses BuchesIm ersten Teil sind die nötigen Grundlagen im Ver-ständnis westlicher und chinesischer Akupunkt-urkonzepte beschrieben. Eine Einführung in die jeweiligen philosophischen und methodischen Gedankengänge ersetzt kein ethnologisches Stu-dium, ist aber ausreichend, um eigene Anamnese- und Behandlungswege zu entwickeln.

    Der zweite Teil des Buches widmet sich der praktischen Umsetzung dieser Fülle an Konzepten in ein individuelles Therapieschema. Der Reiz steckt dabei in der Kombination aus westlicher und östlicher Schule in einem gemeinsamen inte-grativen Behandlungsansatz, unter Verwendung einer Auswahl an Akupunkturpunkten sowie zahlreicher beschriebener Techniken, die im Rah-men einer Akupunkturbehandlung möglich sind.

    Der dritte Teil des Buches beinhaltet zum einen neun verschiedene Fallbeispiele, die nach der integrativen Methode besprochen werden. Zum anderen schließt sich ein Kapitel mit einem wissenschaftlichen Ausblick an, in welchem ei-nige, für die Autoren erwähnenswerte grund-lagenwissenschaftliche und klinische Studien zur Akupunktur besprochen werden.

    1.2 Warum überhaupt Akupunktur?Ein wesentlicher Gewinn der Akupunktur ist der besondere therapeutische Zugangsweg, den sie ermöglicht. Studierende, die mit Akupunktur in Kontakt kommen, erfahren beispielsweise ihren eigenen Worten nach erstmals in ihrer Aus-bildung am eigenen Körper, was es bedeutet, die ärztliche Tätigkeit des Behandelns auszuüben (Fleckenstein, Trinczek et al. 2009). Sie erfahren dies zum einen in ihrer Rolle als ärztliche Thera-peuten und Behandler, zum anderen aber auch in der Rolle des Behandelten, des Patienten, wenn sie sich zu Übungszwecken gegenseitig nadeln. Die Auseinandersetzung mit Akupunktur, Körper-wahrnehmung und dem eigenen Selbst ist eine intensive Selbsterfahrung. Die Studenten erfah-ren Medizin als eine „menschliche“ Behandlung, die in der apparativen und technikorientierten universitären Ausbildung abhanden gekommen ist. Dies ist vergleichbar mit einer Untersuchung, die zeigte, dass amerikanische Studenten auf der einen Seite mehr biophysiologisch-basierte Therapien als komplementärmedizinische Maß-nahmen kennen. Auf der anderen Seite besteht gleichzeitig ein sehr großes Interesse der Stu-dierenden an komplementärmedizinischen Ver-fahren.

  • 21 Einleitung

    Der Gewinn in der transkulturellen Begeg-nung mit der Chinesischen Medizin liegt in deren besonderem Erkenntnisweg. Während dieser Weg in der westlichen Medizin überwiegend kausal-analytisch geprägt ist, versucht die Chinesische Medizin einen phänomenologi-schen Zugang zu finden. Darunter versteht man eine ganzheitliche Wahrnehmung des äußeren und inneren Erscheinungsbildes des Patienten. Entgegen unseren Vorstellungen wird dabei der Schwerpunkt der Beobachtung nicht auf wis-senschaftlich messbare, objektivierbare Fakten gelegt. Mittelpunkt des Erkenntnisweges ist die intuitive Erfassung der subjektiven Befindlich-keit des Patienten im Zusammenhang mit seiner Umgebung (▶Tab. 1.1). Im Gegensatz zu dem uns bekannten westlichen, präzisen Medizinsystem, ist diese Herangehensweise eine zunächst un-scharfe und unvollständige Darstellung der Dy-namik zwischen Patient, seinen Symptomen und seinem Umfeld. Es ist die Kombination aus beiden Sichtweisen, die einen erweiterten Blickwinkel auf den Patienten mit seiner Krankheit und somit auf ein adäquates therapeutisches Vorgehen er-möglicht.

    Akupunktur ist mehr als einfaches Nadelste-chen. Die Besonderheit liegt in der Betrachtung der Dinge, die Kunst in der Integration in die west-liche Medizin.

    1.3 Kurzer historischer Abriss: Akupunktur – eine Säule der Chinesischen MedizinDie aus China stammende Akupunktur erfährt seit Jahrzehnten auch im Westen Anwendung. Akupunktur ist in Deutschland ein etabliertes Therapieverfahren. Etwa 30 000 unterschied-lichst ausgebildete Therapeuten wenden Aku-punktur zumindest gelegentlich an (Stör und Irnich 2009).

    Chinesische Quellen datieren das Alter der Akupunktur auf mehrere 1000 Jahre zurück. Auf-zeichnungen über Akupunktur liegen aus der frühen Han-Dynastie vor, die Akupunktur wurde zum ersten Mal systematisch in dem medizi-nischen Werk Huangdi Neijing (Der Gelbe Kaiser) beschrieben. Viele philosophische Konzepte der Akupunktur entspringen dem sozialen, politi-schen und philosophischen Spannungsfeld aus dem naturwissenschaftlich-rationalen Denken des Konfuzianismus und dem religiös verspielten Weltbild des Taoismus. Mit der Einigung zu einem chinesischen Zentralstaat um 200 v. Chr. wurde daraus ein in sich weitgehend geschlossenes Konzept dessen, was heute noch als Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) Gültigkeit hat.

    Akupunktur ist nur ein Bestandteil der Chine-sischen Medizin, die zudem ernährungstherapeu-tische, bewegungstherapeutische (z. B. Qi Gong), kräutermedizinische (z. B. chinesische Arzneimit-teltherapie) und physikalische Maßnahmen (z. B. Tuina) beinhaltet.

    Der chinesische Begriff für Akupunktur „zhen jiu“ bedeutet „brennen und stechen“. Akupunk-

    ▶ Tab. 1.1 Unterschiede im Erkenntnisweg Chinesischer und Westlicher Medizin.

    Chinesische Medizin Westliche Medizin

    Erkenntnisgewinn phänomenologisch wissenschaftlich-experimentell

    Methodik intuitiv kausal-analytisch

    Diagnose stützt sich auf subjektive Befindlichkeit plus Befund messbare objektivierbare Fakten

    Blickrichtung größere Zusammenhänge (Umwelt, Gesellschaft, Emotionen)

    Details (Molekularbiologie, Anatomie, Biologie)

    therapeutische Philosophie Harmonie wieder herstellen Krankheit erkennen, verstehen und beseitigen

  • 31.3 Kurzer historischer Abriss: Akupunktur – eine Säule der Chinesischen Medizin

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    tur bezeichnet wörtlich das Stechen definierter Punkte der Körperoberfläche mit Nadeln. Dies dürfte sich vor der Erfindung von Stahlnadeln – wenn überhaupt zutreffend – auf die Verlet-zung der Haut mit spitzen Gegenständen, lokale Wärmeapplikation an definierten Körperregio-nen oder kleinen „chirurgischen“ Anwendungen wie Aderlass beziehen (Stör und Irnich 2009; ▶Abb. 1.1).

    Heutzutage versteht man unter klassischer Akupunktur das Nadeln an anatomisch fest-gelegten Körperstellen (Akupunkturpunkte) oder in sensiblen Arealen (Ah-Shi Punkte). Alternativ kann am Akupunkturpunkt mittels Moxibus tion, d. h. Erwärmung oder Erhitzung der Haut an Aku-punkturpunkten durch die Verbrennung von Bei-fußkraut (Artemisia vulgaris), stimuliert werden. Akupunktur beinhaltet verschiedene weitere Sti-mulationstechniken, wie wiederholtes Zupfen, Stechen, Drehen oder Elektrostimulation der Nadel, denen der Theorie nach unterschiedliche Behandlungseffekte zugeordnet werden.

    Seit den letzten Jahrzehnten versteht man die Akupunktur nicht mehr nur als Bestandteil der Chinesischen Medizin: Neben der klassischen Chinesischen Akupunktur gibt es weitere Formen der Körperakupunktur sowohl östlicher Herkunft (z. B. die koreanische oder die japanische Aku-punktur) als auch westlicher Herkunft (z. B. Trig-gerpunktakupunktur). In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurden mehrere Mikrosys-teme der Akupunktur beschrieben. Die bekann-teste und am meisten auf ihre Wirksamkeit hin untersuchte Form ist die Ohrakupunktur. Wei-tere Systeme finden sich zum Beispiel am Schädel (▶ S. 84 f.).

    Verschiedene Akupunktur-bezogene Tech-niken wie Schröpfen, Laserakupunktur, Injektio-nen an Akupunkturpunkten, Akupressur sowie ein breites Spektrum an manuellen Verfahren orientiert sich derzeit am theoretischen Konzept der Akupunktur.

    Unter Berücksichtigung westlicher wissen-schaftlicher und medizinischer Grundlagen wird versucht, die komplexen, mittlerweile weit über die chinesischen Wurzeln hinausragenden Kon-zepte auf ihre Wirksamkeit hin zu untersuchen. Einige Akupunkturpunkte konnten in ihrer Wirk-samkeit belegt werden. Viele Fragen, vor allem in Bezug auf das komplexe philosophische Verständ-nis und die daraus abgeleiteten Behandlungskon-zepte, bleiben ungeklärt.

    Das in diesem Buch beschriebene Verständ-nis der Akupunktur reicht daher von einfachem Nadelstechen an einzelnen hochwirksamen Punkten bis hin zur Anwendung eines komplexen Diag nose- und Therapiegebäudes.

    ▶ Abb. 1.1 Historisches Akupunkturzubehör.

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    2 Chinesische und westliche Grundlagen der Akupunktur

    Die chinesischen Grundlagen der Akupunktur um-fassen energetische Konzepte wie die von Yin und Yang, Vorstellungen von der Wirksamkeit von Grundsubstanzen wie der von Qi und Blut, und Anschauungen von krankheitsverursachenden Faktoren. Akupunktur basiert auf dem Wissen der Leitbahnsystematik und der Lehre der Funk-tionkreise und Wandlungsphasen. Westliche Kon-zepte bauen zum einen auf diesen Grundlagen auf, verändern und erweitern diese aber wie im Ach-senkonzept und deren phänomenologischer Inter-pretation. Wesentliche Mikro-Aku-Punkt-Systeme

    (Mikrosysteme) wurden im Westen entdeckt und zu eigenen Therapiesystemen ausgebaut. Die Be-rührungspunkte zwischen der im Westen entstan-denen Triggerpunktbehandlung und dem östlichen Therapiesystem Akupunktur ist bei allen Unter-schieden des theoretischen Konzeptes in vielerlei Hinsicht auffallend. Westliches Denken versucht, die energetischen Konzepte Chinesischer Medizin um strukturell-anatomische Erklärungsmodelle zur Wirksamkeit der Akupunktur zu erweitern, wie z. B. in Forschungen zur Segmentanatomie.

    2.1 Die Grundlagen Chinesischer Medizin: Philosophie, Naturbetrachtung und SystematisierungDie Chinesische Medizin stellt ein eigenes Me-dizinsystem dar. Wenn wir uns ihr in diesem Kapitel nähern, ist es unerlässlich, sich der Quel-len bewusst zu werden, aus denen dieses System schöpft. Nur so können die Kernpunkte dieses medizinischen Konzeptes in ihrem Stellenwert erkannt und beurteilt werden.

    Das Gebäude der Chinesischen Medizin fußt auf den Grundlagen

    ● der taoistischen Philosophie, ● der Fähigkeit zu exakter Naturbetrachtung

    und ● dem ausgeprägten Streben nach Systematisie-

    rung.

    Auf alle diese Grundlagen wird in diesem Kapitel eingegangen. Es ist wichtig, sich von Anfang an klar zu machen, dass die philosophischen Begriffe von Yin und Yang und Qi und Blut primär Instru-mente der Interpretation sind. Yin und Yang und Qi sind im Alltag der chinesischen Gesellschaft so

    präsent, dass sie als Realität erlebt werden und nicht mehr nur als philosophische Begriffe.

    Gerade für uns im Westen ist es aber wichtig klarzulegen, dass diese Instrumente philoso-phischer Beschreibungen keine eigenständigen Entitäten darstellen. Sie dienen der Deutung von Wahrnehmungen, Beobachtungen und Erfahrun-gen. Philosophie bemüht sich, Universum und Mensch verständlicher, verstehbarer, greifbarer und durchschaubarer zu machen.

    * Merke: Am Anfang steht Beobachtung. Theorie dient dem Verstehen! – Der Chine-sischen Medizin liegt klinische Beobach-tung zugrunde. Chinesische Medizin ist Beobachtung und unmittelbares Erfahren!

    Wenn wir beginnen, Chinesische Medizin an-zuwenden, geht es also nicht darum, Theorie in der Wirklichkeit zu suchen, sondern Wahrneh-mungen mithilfe von Theorie zu interpretieren. Das klingt banal, stellt aber eine große Heraus-forderung für die tägliche therapeutische Arbeit dar! Denn es ist die Aufforderung zur unvorein-genommenen Betrachtung unserer Patienten. Es beinhaltet die Aufforderung an uns Therapeuten, den Mut aufzubringen, wie ein unbeschriebenes Blatt vor unsere Patienten zu treten und sie unbe-lastet ohne Schemata, Leitlinien oder philosophi-

  • 52.1 Die Grundlagen Chinesischer Medizin: Philosophie, Naturbetrachtung und Systematisierung

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    sche Kontexte zu erleben! Erst im zweiten Schritt sind Interpretationen vorzunehmen und Diagno-sen zu formen.

    Das in der Chinesischen Medizin so wichtige dynamische Konzept von Yin und Yang entstammt der dualistischen Weltsicht der taoistischen Phi-losophie, ebenso die Vorstellungen von Qi als einer omnipotenten Kraft, die untrennbar mit der Manifestation aller sichtbaren und unsichtbaren Erscheinungen verbunden ist.

    Ohne Zweifel kann man sagen, dass eine der Grundlagen Chinesischer Medizin die herausra-gend ausgebildete Fähigkeit zu exakter Naturbe-obachtung ist. Ohne die Fähigkeit, Phänomene der außermenschlichen Natur und des menschlichen Körpers in Einzelheiten und in durchschauender Art zu beschreiben und miteinander in Beziehung zu setzen, wäre die Darstellung dessen, was als Funktionskreise (▶ S. 20) und als pathogene Faktoren (▶ S. 17) bekannt ist, nicht möglich.

    Der Drang nach Systematisierung entspringt dem Bedürfnis, Ordnung und Übersicht in eine Welt zu bekommen, die im ersten Erleben zu-sammenhanglos erscheint. Das Bedürfnis nach Systematisierung kommt in dem dynamischen Entsprechungssystem der Fünf Wandlungsphasen am deutlichsten zum Ausdruck (▶ S. 31).

    Der menschliche Organismus wird in der Chinesischen Medizin zum einen in seinen funk-tionellen Beziehungen zu der Welt beschrieben, in die er hineingestellt ist (Makrokosmos), zum anderen in dem Zusammenspiel und der Interak-tion von Dynamiken und Funktionen des mensch-lichen Leibes selbst (Mikrokosmos). Der Mensch in seiner physischen, leiblichen, seelischen und geistigen Erscheinung wird als Ausdruck kos-mischer Wirksamkeiten verstanden. Die Gesetz-mäßigkeiten der im gesamten Kosmos wirksamen Energien finden sich auch im menschlichen Orga-nismus wieder. Die menschliche Gestalt ist quasi „geronnener“ Ausdruck kosmischer Energien und Dynamiken.

    * Merke: Gesundheit besteht, wenn die inneren und äußeren universell gültigen Kräfte im Gleichgewicht stehen. Krank wird der Mensch, wenn diese Kräfte in Disharmonie geraten.

    Lao-zi gilt als Begründer des Taoisimus oder Dao-ismus. Der vermutlich in der Zeit um das 5. Jahr-hundert v. Chr. lebende Philosoph beschreibt eine Welt ohne Gottesbegriff. Es ist die Vorstellung eines Universums, das nicht erschaffen wurde, sondern aufgrund seines inneren Spannungs-zustandes existiert. Eine Schöpfung ohne Schöp-fer. – Der britische Sinologe Joseph Needham hat diese Vorstellungen als ein vernetztes Gewebe von Phänomenen skizziert, das von niemandem gewebt wurde: „The Web That has no Weaver“ („Das Gewebe ohne Weber“).

    Lao-zi benennt den mit den Fähigkeiten des menschlichen Geistes nicht fassbaren und mit Worten nicht benennbaren Urgrund alles Seins mit Dao. Dao steht am Anfang und am Ende. Es beinhaltet alle Möglichkeiten. Dao umfasst alles Sein.

    Lao-zi schreibt in Kapitel 42 des Tao de King (oder auch Dao De Jing):

    Dao erzeugt die Einheit (eins) Die Einheit erzeugt zwei Zwei erzeugt drei Drei erzeugt die zehntausend Dinge (alle Geschöpfe)

    2.1.1 Yin und YangDao erzeugt die Einheit Die Einheit erzeugt zwei

    Tao de King, Kapitel 42

    Die Zweiheit von Yin und Yang: Aus der Ein-heit entsteht die polare Welt der Dualität. In der chinesischen Philosophie werden diese Gegen-sätzlichkeiten mit Yin und Yang bezeichnet. Beide Aspekte zusammen bilden eine Einheit, Yin kann nicht ohne Yang und Yang nicht ohne Yin gedacht werden. Yin und Yang stellen zwei Seiten des gleichen Phänomens dar, sie ergänzen sich und erklären sich gegenseitig.

    Yin und Yang sind ein Konzept zur Beschrei-bung der gegenseitigen Beziehung von Erschei-nungen. Alle denkbaren Phänomene können in ih-rem Verhältnis zueinander dynamisch dargestellt und verstanden werden. Die Beschreibung von Yin und Yang entzieht sich einer Definition, wie wir sie aus der exakten Formulierung physika-