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Duell der Mutanten

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Nr. 26Duell der MutantenDer Overhead läßt seine Maske fallen - er will die Weltmacht ...von Clark Darlton

Die ersten Angriffe des Overhead sind abgeschlagen, die Dritte Macht hat sich als festgefügt erwiesen.Aber noch besitzt der unheimliche Gegner seine Zentrale, aus der er immer wieder neue Angriffe gegen dieDritte Macht oder auch andere Staaten vortragen kann. Diese geheime Zentrale zu finden und dem Overheaddie Waffen aus der Hand zu schlagen, sind Perry Rhodans vordringlichste Aufgaben, wenn er ein Chaosverhindern will.Perry Rhodan schickt seine Mutanten aus, und sie treffen auf gleichwertige Gegner. Das DUELL DERMUTANTEN entbrennt!

Die Hautpersonen des Romans:Perry Rhodan - Der Chef der Dritten Macht.Reginald Bull - Der Sicherheitsminister der Dritten Macht.Clifford Monterny - Er nennt sich »Overhead«.Julian Tifflor und Klaus Eberhardt - Zwei Kadetten der Weltraumakademie.Tatjana Michalowna - Eine gefährliche junge Dame.Andre Noir, John Marshall, Betty Toufry - Drei wichtige Mitglieder des Mutantenkorps der Dritten Macht.Gucky - Ein Wesen vom Planeten Tramp.

1.

In knapp fünfhundert Meter Höhe raste dastorpedoförmige Schulraumschiff derRaum-Akademie über die roten Wüstenflächen desMars dahin und wich geschickt den vereinzeltenGipfeln des langgestreckten Randgebirges aus.Captain Hawk, einer der erfahrenstenPilotenausbilder, saß vor den Kontrollen und zeigteseinen beiden Schülern, wie man selbst mit einemgroßen Schiff behende allen Hindernissen aus demWeg gehen konnte.

Schulschiff Z-82 war etwa dreißig Meter lang undbarg Platz für nur drei Mann Besatzung. Es konnteLichtgeschwindigkeit erreichen. - Kadett KlausEberhardt saß links von dem Ausbilder undversuchte, die unzähligen Bedienungsgriffe in sichaufzunehmen und zu behalten. Nicht, daß er dummgewesen wäre, im Gegenteil. Aber er konnte selbstnicht leugnen, daß er eben ein bißchen langsambegriff. Nicht immer, beileibe nicht, aber meistensdann, wenn es darauf ankam. Und das war seineinziger Fehler.

Rechts vom Ausbilder saß ein zweiter Kadett. ImGegensatz zu Eberhardt war er schlank, groß und fasthager. Dunkelbraune Haare krönten die obere Hälfteseines ovalen Gesichtes, in dem zwei braune Augensanft und etwas verzagt lächelten. Kadett JulianTifflor, von seinen Freunden und Mitschülern einfachTiff genannt, verstand es unbewußt seine Umweltgewaltig zu täuschen. Hinter den träumerischenAugen verbarg sich die Energie einer winzigenAtombombe. Trotz seiner zwanzig Jahre war Tiff ein

mathematisches Genie und ein Musterbeispiel anTapferkeit und Entschlossenheit. Er war einer derbesten Schüler der Anstalt.

Captain Hawk zeigte schräg nach vorn.»Sie sehen dort den Berggipfel, meine Herren?

Gut. Ich steuere das Schiff so nahe wie möglich anihn heran, ehe ich abschwenke. Beachten Sie dabeidie Reaktionsfähigkeit von Z-82. Natürlich ist sie imfreien Raum nicht ganz so groß, weil wir inBodennähe außerdem noch die atmosphärischenWiderstände als Steuerhilfe benutzen können.«

»Aha«, machte Kadett Eberhardt und nickte Tiffzu, der seinerseits still lächelte und die Hände auf diePseudokontrollen legte, um zu versuchen, imgleichen Augenblick wie der Lehrer zu reagieren. Dieelektronischen Meßinstrumente würden jeden seinerHandgriffe genau registrieren und aufzeichnen.

Eberhardt folgte dem Beispiel seines Kameraden.Die Bergspitze raste heran. Es sah in der Tat so

aus, als würde der Zerstörer mit voller Wucht gegendie kahlen, rötlichen Felsen prallen, aberbuchstäblich in letzter Sekunde schoß er mit einerkaum merklichen Wendung daran vorbei und stiegdann schräg hinein in den dunkelblauen Himmel, andem bereits die ersten Sterne zu sehen waren.

»Das war aber knapp«, meinte Kadett Eberhardtund lehnte sich zurück. »Ich glaube nicht, daß ichderartiges versuchen würde, wenn es nicht unbedingtnotwendig wäre.«

»Man muß jeder Situation gewachsen sein«,belehrte ihn Captain Hawk und sah auf die Uhr. »Eswird Zeit, daß wir zur Erde zurückkehren.«

»Ja«, nickte Tiff versonnen. »Ich habe Nachturlaub

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eingereicht.«Hawk warf ihm einen strafenden Blick zu.»Sie sollten während der Dienstzeit nicht an Ihr

Vergnügen denken, Kadett Tifflor. Wir haben nocheinen harten Rückflug vor uns.«

»Die paar Kilometer«, erwiderte Tiff verächtlich.»Mit der Z-82 schaffen wir das in knapp einerStunde.«

»Ich habe nicht die Absicht, aufLichtgeschwindigkeit zu beschleunigen, obwohl dasmöglich wäre. In drei Stunden werden wir aufNevada Fields landen.«

Diesmal irrte sich Captain Hawk gewaltig, aberdas konnte er noch nicht wissen. Hätte er jedenfallsauf Tifflors Nachturlaub Rücksicht genommen, wärevielleicht alles anders gekommen, und die Ereignisseder folgenden Tage hätten ein anderes Gesichterhalten.

»Haben Sie die Berechnungen?« fragte Hawk.»Wir nehmen an, unser Navigationsroboter istausgefallen, und Sie müssen den schnellsten Kurs zurErde bestimmen. Ohne Geräte. Von dieser Stelle aus.Wie lange benötigen Sie dafür?«

Tiff seufzte und sah sich um. In der Sichtlukestand der inzwischen zusammengeschrumpfte Marsund wurde ständig kleiner. Man konnte schondeutlich das Netz der Kanäle erkennen, die aber inWirklichkeit keine Kanäle, sondern etwas tiefergelegene Täler mit kargem Pflanzenwuchs waren.Die Wurzeln erreichten hier das selteneGrundwasser.

Mitten in der Frontscheibe stand die grünblaueErde als kleiner Stern.

Sie war kaum zu erkennen. Kein Wunder, daß Tiffetwas verzagt seufzte und die Schultern zuckte.

»Natürlich ist die Berechnung des Kurses nicht soeinfach, aber sie ist zu schaffen. Doch ich halte diesfür überflüssig. Bei unseren Geschwindigkeitenkönnen wir ohne weiteres auf Sich steuern.«

Captain Hawk begann mit den Händen zu fuchteln.»Kadett Tifflor, Sie befinden sich in einem

Schulschiff! Ich weiß auch, daß wir auf Sicht steuernkönnen, aber darum geht es hier nicht. Ich willwissen, ob Sie sich ohne Instrumente auch in einemunbekannten Raum zurechtfinden. Also los,berechnen Sie.«

Tiff warf einen melancholischen Blick zumentschwindenden Mars und bemerkte plötzlich, wiesich das Bild auf der Sichtluke veränderte. Auch dieErde glitt seitlich aus dem Sichtbereich heraus. Hawkließ Z-82 »wild laufen«, damit die Aufgabe, die Tiffzu lösen hatte, Schwieriger wurde.

Auch das hätte er besser nicht tun sollen, aber werkennt schon die Zukunft? Captain Hawk jedenfallskannte sie nicht. Z-82 raste dahin und beschleunigteständig. Von einem Andruck war nichts zu spüren,

denn automatische Gravitationsfelder kompensiertenjede Veränderung der Flugrichtung oderBeschleunigung.

Eberhardt sah voller Mitleid zu, wie Tiff sichdaran machte. Zahlen auf ein Blatt Papier zu werfen,Captain Hawk lag gemütlich in seinem Sessel undließ das Schiff in den Raum hineinrasen, ohne sichum den Kurs zu kümmern. Es würde bald dieAufgabe seines Schülers sein, Z-82 wieder auf denrichtigen Kurs zu bringen und später sicher auf demFeld zu landen.

Niemand achtete auf die Instrumente.Außer Eberhardt. Leider war es aber gerade seine

Langsamkeit, die ihm immer wieder zu schaffenmachte. Im Vergleich zu einem normalenErdenbürger, das muß bei dieser Gelegenheitklargestellt werden, war er immer noch ziemlichschnell. Er war eben nur hinsichtlich der Qualitäteneines ordentlichen Raumfahrers zu langsam.

So dauerte es volle drei lebenswichtige Sekunden,bis er den Ausschlag des Tasters bemerkte. DieserTaster war ein Gerät, das ständig Radarstrahlen nachallen Richtungen ausschickte und eventuelle Reflexeregistrierte. Solche Reflexe im leeren Raum warenbei der verhältnismäßig geringen Reichweite desGerätes äußerst selten. Sie traten nur dann auf, wennAsteroiden oder größere Meteore nahe beim Schiffvorbeigingen - oder wenn eben ein Schiff in dieNachbarschaft geriet.

Kadett Eberhardt streckte den rechten Arm aus undzeigte auf den winzigen Bildschirm über derTasterskala.

»Da ist etwas«, sagte er verblüfft. »HübscherBrocken.«

Captain Hawk räkelte sich mühsam hoch undstarrte dann wie gebannt auf das Instrument. Auf demwinzigen Bildschirm schwebte ein fast runder Fleck,der sich schnell vergrößerte. Der fraglicheGegenstand näherte sich in ihrer Richtung.

Mit einem Ruck war Hawk hoch. Mit flinkenAugen las er die Daten auf der Skala ab undschüttelte dann den Kopf.

»Ein Zerstörer ...? Ganz unmöglich! Wir sind dereinzige Zerstörer zwischen Mars und Erde. Wenn wirdie Richtung nicht ändern, ist er in wenigenSekunden heran. Da, er verlangsamt. Merkwürdig!«

Jetzt wurde die schlanke Form desSchwesterschiffes auch mit freiem Auge sichtbar. Inweitem Bogen zog das Schiff eine Schleife undnäherte sich erneut von vorn.

»Vielleicht, hat die Dritte Macht ...«, begann Tiff,aber Captain Hawk schüttelte den Kopf.

»Die letzte Funkmeldung der Akademie besagt,daß Perry Rhodan keine Schiffe im Raum hat. Wirsind die einzigen. Wenn ich diesen Schiffstyp nichtso genau kennen würde ...«

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Aber er kam nicht mehr dazu, den anderen zuverraten, was dann wäre.

Vorn blitzte es grell auf. Ein orangefarbenerLichtstrahl verließ den Bug des anderen Zerstörersund eilte schneller, als das menschliche Auge ihm zufolgen vermochte, auf Z-82 zu.

Captain Hawk reagierte nicht schnell genug, undauch für Tiff kam der plötzliche Überfall zuüberraschend. Zwar beugte er sich nach links undhieb mit der Faust den Hebel in den Sockel, aber dieEnergieglocke legte sich um den Bruchteil einerSekunde zu spät um sie.

Zum Glück war der Pilot des anderen Schiffes einmiserabler Schütze. Zum Glück der Z-82, aber nichtmehr zum Glück von Captain Hawk.

Der feindliche Energiestrahl durchdrang nicht dieBughülle der Z-82, aber es war, als stieße das Schiffgegen eine solide Mauer. Da halfen auch dieAndruckneutralisatoren nicht mehr viel. Die Wuchtdes plötzlichen Aufpralls schleuderte Captain Hawkmit aller Kraft mit der Stirn voraus gegen dieKontrolltafel des Navigationsgehirns.

Tiff selbst wurde ebenfalls nach vorn gerissen,aber er konnte den Aufprall mit den schnellvorgestreckten Händen abfangen. Dabei verstauchteer sich beide Gelenke, was er jedoch im Augenblickkeineswegs bemerkte.

Kadett Eberhardt hatte mehr Glück als Verstand.Er war der einzige, der die sonst nie benutztenSicherheitsgurte angelegt und geschlossen hatte.Zwar hätten sie ihn fast in der Mitteauseinandergerissen, aber sie bewahrten ihnwenigstens davor, Hawks Schicksal zu teilen. Dennbis Eberhard auf den Gedanken gekommen wäre, dieHände nach vorn zu werfen und sich abzustützen,wären sicherlich noch anderthalb Sekundenvergangen. Und das wäre zu lange gewesen.

Tiff sah mit einem Blick, daß sein Ausbilder totwar. Die Instrumente der Schalttafel hatten seinenSchädel zertrümmert. Ihm blieb jedoch keine Zeit,sich jetzt um den Toten zu kümmern. Es gabWichtigeres zu tun - viel Wichtigeres.

Das andere Schiff war nach dem scheinbarvergeblichen Angriff umgeschwenkt und setzteerneut zum Frontalanflug an. Tiff war mit einem Satzin dem nun leeren Sessel des Ausbilders undübernahm die Kontrollen. In einer scharfenRechtskurve wich er aus, beschleunigte und griff nunseinerseits den Unbekannten an. Dabei schossen diewildesten Vermutungen durch seinen Kopf.

Wer war der Pilot des Zerstörers, der sie angriff?Es konnte niemand von der Raum-Akademie sein,das war völlig undenkbar. Und, daß ein Schiff derDritten Macht seine eigenen Schiffe abzuschießentrachtete, war ebenso unmöglich. Wer aber dann?Tiff wußte nichts davon, daß Perry Rhodans größter

Gegner drei Zerstörer gestohlen hatte und sie nun mitseinen willenlosen Werkzeugen bemannte, die denBefehl erhielten, auf alles zu schießen, was auf dieDritte Macht hinwies.

Wie gesagt, davon wußte Tiff natürlich nichts. Erwußte nur, daß ein Unbekannter ihn mit einem sehrbekannten Schiff angegriffen und fast erledigt hatte.Einfach zu fliehen war sinnlos, denn der Gegnerwürde die gleiche Geschwindigkeit wie die Z-82entwickeln können. Außerdem widerstrebte es TiffsNatur, wegzulaufen und ein ungelöstes Rätselstehenzulassen.

Das »gegnerische« Schiff reagierte nicht besondersschnell.

Tiff gelang es, in einer fast elegant wirkendenSchleife die Z-82 so zu setzen, daß der Bug genauauf das flammende Heck des Unbekannten zeigte.Hier, so wußte Tiff aus der Theorie, war die einzigeStelle der Zerstörer, die als verwundbar galt. DerSchutzschirm besaß hier eine Art Loch, um dieAntriebsstrahlen nicht zurückschlagen zulassen.

Tiffs Augen suchten und fanden den durch vieleFlugstunden fast berühmt gewordenen roten Hebelder Neutronenkanone. Noch niemals in seinem Lebenhatte er diesen roten Hebel berühren, geschweigedenn betätigen dürfen. Im Notfall, so hatte CaptainHawk immer betont, löse dieser Hebel einetodbringende Waffe aus, deren Wirkung ...

Der Notfall war eingetreten. Kadett Julian Tifflorfühlte sich an keine Vorschriften mehr gründen. Erhandelte in Notwehr.

Das Heck des anderen Zerstörers kam näher, alsdie Z-82 Geschwindigkeit aufnahm. Dann begann esseitwärts abzurutschen.

Tiff legte die Hand auf den roten Hebel und zogihn blitzschnell vor. Eine Sekunde. Zwei Sekunden.Der orangefarbene Energiefinger schoß aus dem Bugund durchbrach die flammenden Antriebsstrahlen desGegners. Er bohrte sich mit annähernderLichtgeschwindigkeit in die Düsen und fraß sich biszum Maschinenraum durch. Hier traf er denArkonidenreaktor.

Tiff ließ nach drei Sekunden den roten Hebel losund riß die Z-82 scharf herum. Mit rasenderGeschwindigkeit - aber es war so, als stunden beideSchiffe fast still schob sich dann der Zerstörer dichtan dem getroffenen Gegner vorbei.

Fasziniert beobachtete Tiff die Wirkung seinesBeschusses.

Zuerst war im Heck des anderen Zerstörers einLeck entstanden, das an den Rändern zu brennenbegann. Ein Feuerkranz entstand, der plötzlich durchdie Wucht einer lautlosen Explosion ausgelöschtwurde. Das Heck brach förmlich auseinander, unddie Trümmer wurden von einer unsichtbaren Kraft inalle Richtungen geschleudert. Das Innere des ganzen

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Schiffes schien herauszubrechen und bestrebt zu sein,sich selbständig zu machen. Dann riß die Seitenhülle.Die starke Metallwandung verbog sich, als bestündesie aus dünnem Blech.

Der Zerstörer brach in der Mitte auseinander.Der Gegner war so gut wie vernichtet.Tiff atmete auf. Dann erst fand er Zeit, sich um

den Ausbilder und seinen Kameraden zu kümmern.Captain Hawk lag zusammengekrümmt zwischen

Pilotensessel und Vorderwand. Daß er tot war, standeinwandfrei fest. Trotzdem untersuchte ihn Tiff, aberer fand seine Annahme nur bestätigt. KadettEberhardt, der stumm neben Tiff gesessen und nichtshatte tun können, erholte sich langsam von demSchock. Seine erste Bemerkung war typisch für ihn.

»Nun sind wir ohne Lehrer. Wie kommen wirzurück?« Tiff unterdrückte seinen Ärger. »Sieübersehen, Eberhardt, daß wir schon einigeFlugstunden absolvierten. Außerdem habe ich denKurs bereits errechnet. Wir landen in zwei Stundenauf der Erde. Aber nun helfen Sie mir, Captain Hawkin seine Kabine zu bringen.«

Sie legten ihren toten Ausbilder auf sein Bett unddeckten ihn za. In der Erde seines kleinenHeimatstädtchens würde er seine letzte Ruhestättefinden. Seine Schüler aber würden ihn niemalsvergessen, wenn sie später als die Kommandantenstolzer Schiffe durch die Weiten des Weltraumesstreiften, denn was sie waren und wußten, dasverdankten sie ihm - Captain Hawk.

Das steuerlose Fahrzeug hatte sich inzwischen nurein wenig seitwärts bewegt. Es würde später in denAsteroidengürtel hineintreiben.

Tiff betrachtete das Wrack mitzusammengekniffenen Augen.

Vorn am Bug war es unbeschädigt und wieskeinerlei Zerstörungen auf. Dafür glich die andereSeite einem Trümmerfeld. ZerschmolzeneKabinenteile und halbvergaste Hüllenplatten ragtenzwischen den ausgezackten Rändern hervor. Danebentrieben verbogene Einzelstücke, deren Zweck nichtmehr erkennbar war.

In diesen Trümmern aber mußte es eine nochintakte Kabine geben, in denen die unbekanntenGegner hilflos eingeschlossen waren. Vielleichtbesaßen sie Handwaffen, aber auch diese konnten sienur dann anwenden, wenn man zu ihnen ging.

Und genau das war es, was Tiff plante. Er sagte zuEberhardt:

»Wollen wir uns die Burschen einmal ansehen, dieuns in die Hölle schicken wollten?«

Und damit steuerte er die Z-82 an das Wrackheran. Er warf einen bezeichnenden Blick zumWandschrank, betrachtete die Fernkontrollen undmurmelte dann:

»Jemand müßte jetzt in einen Druckanzug steigen,

das Schiff durch die Schleuse verlassen und drübeneinmal nachsehen.«

»Ja«, nickte Eberhardt ernsthaft. »Das müßtewirklich jemand tun.«

Tiff wartete. Aber er wartete vergeblich. Mehrhatte Eberhardt zu diesem Thema nicht zu sagen.Und das war reichlich wenig gewesen. Er seufzte.Ihm blieb auch nichts erspart.

»Dieser Jemand werden Sie sein, KadettEberhardt. Los, schnappen Sie sich Ihren Anzug undsteigen Sie um. Nehmen Sie einen handlichenStrahler mit, falls drüben die Türen klemmen.«

»Ich ?« riß Eberhardt die Augen weit auf. »Ich sollallein aus dem Schiff gehen und eine Gangsterbandeausheben? Hören Sie, Kadett Tifflor, ich binRaumpilot, aber kein FBI-Mann.«

»Kommandant Tifflor, bitte«, berichtigte Tiff undsetzte ein dienstliches Gesicht auf. »Und nun beeilenSie sich. Ausnahmsweise.«

Eberhardt hob die Schultern, stand träge auf undnahm einen Impulsstrahler aus dem Waffenschrank.Alle Übungsschiffe der Akademie waren - mit dieserabsolut tödlich wirkenden Waffe arkonidischenPrinzips ausgerüstet. Er warf Tiff einen letzten undverzweifelten Blick zu, wartete vergebens auf einemitfühlende Reaktion, trat von einem Fuß auf denanderen und ging schließlich. An der Tür blieb erstehen.

»Ich werde die Bande umbringen und Hawkrächen«, sagte er triumphierend. »Ich allein. Und waswerden Sie tun, Tiff?«

»Ich werde dafür sorgen, daß Ihnen dabei nichtsBöses widerfährt«, versicherte Tiff seelenruhig undzeigte auf den roten Hebel des Neutronengeschützes.»Wenigstens werde ich es versuchen.«

Eberhardt schluckte krampfhaft und verließ ohneweiteren Kommentar die Kabine. Tiff wartete, bisdas grüne Kontrollicht aufleuchtete, ehe er denSchleusenprozeß, anlaufen ließ. Die Z-82 schwebtenun scheinbar bewegungslos knapp zehn Meterneben dem Wrack. Einmal vermeinte Tiff hinter einerder dunklen Sichtluken eine Bewegung gesehen zuhaben, aber das konnte auch eine Täuschung gewesensein. Aber nein, da war es wieder! Deutlich erkannteer die Umrisse einer menschlichen Gestalt. Einschwaches Licht leuchtete auf. Natürlich, die dadrüben hatten keinen Strom mehr und mußten sichmit Batterievorräten begnügen. Wenn sie außerTaschenlampen welche besaßen. DieFunkeinrichtung war ebenfalls durch die Detonationzerstört worden.

Vor Tiff glühte ein rotes Licht auf. DieLuftschleuse war leergepumpt, und Eberhardt hattedie Außenluke geöffnet. Derartige Aussteigemanöverim Raum waren oft genug geübt worden, aberdiesmal handelte es sich um einen Ernstfall.

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Außerdem wußte niemand, was drüben im Wrack aufsie lauerte. Es konnte sein, daß die Piraten - alssolche sah Tiff die Unbekannten an - ihreDruckanzüge bei sich in der Kabine hatten.

Nun erschien Eberhardt im Sichtbereich. Erschwebte, an einer dünnen Leine befestigt, dicht vorTiff her und näherte sich in langsamem Flug demrotierenden Wrack. Der Schatten hinter der Luke desBugteils erstarrte. Er mußte den Näherkommendenebenfalls gesehen haben.

Eberhardt fing den leichten Stoß ab, als er auf derHülle des Wracks landete. Vorsichtig bewegte er sichvoran, bis er die Luke erreichte. Er sah genau in dasGesicht eines Mannes, der ihm aus weitaufgerissenen Augen entgegenstarrte.

Der Fremde trug einen Raumanzug, hatte denHelm jedoch nicht geschlossen. Seine dunkleHautfarbe ließ auf einen Mischling schließen, aberEberhardt war sich nicht sicher. Jedenfalls erfülltesihn mit tiefer Befriedigung in dem Gesicht desanderen deutlich Angst und Schrecken lesen zukönnen.

Er nickte dem Unbekannten grimmig zu, zeigteihm vorsichtshalber seinen Strahler und begann dann,vorsichtig auf den zerrissenen Teil des Bugszuzukriechen. Auf den ersten Blick stellte Eberhardtfest, daß er einen Teil des Ganges vor sich hatte, derzu den einzelnen Kabinen führte. Wie durch einWunder war die Tür zur Zentrale unbeschädigtgeblieben. Und nun?

Er wollte den Unbekannten natürlich lebendigfassen, denn niemand war damit geholfen, wenn ergetötet wurde. Man wollte ja schließlich wissen, mitwem man es zu tun hatte und wer hinter demunbegreiflichen Angriff steckte. Also nahmEberhardt seinen Handstrahler und klopfte mit demschweren Kolben gegen die Tür. Dreimal.

Er hörte natürlich nichts, denn es gab keine Luft,die den Schall geleitet hätte. Der da drinnen in derKabine jedoch würde die Schläge hören können.

Eberhardt legte seinen Helm gegen die Tür undlauschte. Wenn der Unbekannte zurückklopfte,würden sich die Schwingungen auf die im Helmbefindliche Luft übertragen. Es dauerte auch keinezehn Sekunden, da ertönte dreimaliges Klopfen. Aha,man war also zu Verhandlungen bereit.

Eberhardt dankte dem Schicksal, daß er imFunkunterricht gut aufgepaßt hatte. Er entsann sichder spöttischen Bemerkung, die sich viele derKadetten nicht hatten verkneifen können, als sie, dasMorsealphabet lernten. Wozu das Morsealphabet ineinem Zeitalter, da es Bildsprechverbindung überinterplanetarische Strecken hinweg gab?

Nun, er wußte plötzlich, wozu sie es gelernt hatten.Fast automatisch klopfte er zurück. »Schließen Sie

Ihren Helm und öffnen Sie die Tür einen Spalt.

Kommen Sie rückwärts heraus. Unbewaffnet. Ichwarte.«

Es erfolgte keine Antwort. Aber eine Minute späteröffnete sich die Tür. Die in den Raum entweichendeLuft hätte Eberhardt fast mitgerissen, aber er hieltsich an einer verbogenen Strebe fest. In der Rechtenhielt er seinen Impulsstrahler, entsichert, schußbereitund auf den Türspalt gerichtet.

Er sah zuerst einen Arm, der sich vorsichtig nachhinten tastete, dann erschien der Rücken einesRaumanzuges. Es war der gleiche Raumanzug, wieihn die Kadetten der Akademie trugen. Also mußte erauch ...

Eberhardt verfluchte sich, weil er nicht sofort aufden Gedanken gekommen war. Mit einem schnellenGriff schaltete er das Funksprechgerät ein. Vielleichtwar der andere längst auf Empfang. Er war.

»... es gut, wenn Sie mich zum Marszurückbrächten.«

Eberhardt horchte auf. Zum Mars wollte derMann? Er kam also vom Mars? Was ging auf demMars vor?

»Drehen Sie sich um und heben Sie die Hände.«Der Fremde gehorchte. Nun konnte Eberhardt sich

das Gesicht genauer ansehen. Er hatte sich nichtgetäuscht. Es gehörte einem Mischling. Er sprach eingutes Englisch.

»Wo sind die anderen Besatzungsmitglieder?«Zu Eberhardts Überraschung lautete die Antwort:

»Ich bin allein.« Der Mischling war waffenlos, dasließ sich auf den ersten Blick erkennen. Eberhardtwies ihn an, beiseite zu treten und zu warten. Dannging er in die Zentrale des Wracks und überzeugtesich davon, daß sie leer war. Tatsächlich, der Burschemußte das Schiff allein geflogen haben. Seltsam.Eberhardt verließ die Zentrale und stellte befriedigtfest, daß der andere sich nicht von der Stelle gerührthatte.

»Na, los schon! Schweben Sie voran. Sie sehen jadrüben die offene Luke. Steigen Sie ein, aberunterlassen Sie jeden Unsinn. Ich halte meine Waffeauf Sie gerichtet.«

Der Fremde gab keine Antwort, sondern stieß sichleicht ab. Schwerelos segelte er über denabgrundtiefen Spalt und landete etwas seitlich nebender Luke auf der Hülle der Z-82. Eine leichteBewegung, dann stand er abwartend in der Schleuse.

Eberhardt folgte ihm mit gemischten Gefühlen.Für seine Begriffe ging das alles zu reibungslos. Derandere mußte doch wissen, daß ihm wenigAngenehmes bevorstand. Warum ließ er alleswiderstandslos mit sich geschehen?

Tiff erwartete den Gefangenen in der Zentrale. Erwartete geduldig, bis der Mischling sich den Helmabgeschraubt hatte, und studierte dann dessenGesicht. Es machte einen überraschend ehrlichen

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Eindruck. In den Augen stand ein wenigVerwunderung, Angst und Unentschlossenheit. Nunkam auch noch ein wenig Trotz hinzu. Die Lippenwaren eng zusammengekniffen. Das energischvorgeschobene Kinn, verriet Tatkraft und Energie,aber es widersprach wiederum der Art, mit der derMann sich in sein Schicksal ergab.

»Sie sprechen Englisch?« fragte Tiff und gabEberhardt einen Wink, die Tür zum Gang zuschließen.

Der Mischling nickte, sagte aber kein Wort. »Wersind Sie?« Wieder keine Antwort. »Sie haben unsgrundlos angegriffen«, fuhr Tiff fort, während es inseinem Innern allmählich zu kochen begann. Erdachte an den toten Captain Hawk. »Ich will wissen,in wessen Auftrag Sie handelten und warum Sie estaten.«

»Ich darf nicht sprechen«, murmelte der Mischlingund schloß dann die Lippen, als wolle er verhindern,daß ihm ein unbedachtes Wort entschlüpfte.

»So, Sie dürfen nicht sprechen?« wunderte sichTiff, während seine Gedanken sich überschlugen.Vielleicht waren sie da durch puren Zufall auf eineganz große Sache gestoßen. Er hörte auf, an ganzgewöhnliche Piraterie zu glauben. Auf Schulschiffender Raum-Akademie konnte niemand Schätzevermuten.

»Auch gut. Dann werden andere Sie zum Sprechenbringen. Kadett Eberhardt, schließen Sie denGefangenen in der Zelle ein und nehmen Sie ihm denHelm ab. Pumpen Sie die Vorzelle luftleer, damitjeder Fluchtversuch illusorisch wird.«

Mit verengten Augen sah er zu, wie sich derGefangene abführen ließ, unbeteiligt, als ginge ihndas alles nun nichts mehr an. Er wartete, bisEberhardt zurückkehrte und bestätigte, daß der Piratgut aufgehoben sei.

»Kurs zur Erde«, beschloß Tiff dann. »NehmenSie Verbindung mit der Kommandozentrale auf undmelden Sie den Vorfall. Ich nehme an, man wird sichdafür interessieren.«

Und noch während die Z-82 mit irrsinnigerBeschleunigung in den Raum hineinschoß und dastreibende Wrack seinem Schicksal überließ, eilten dieFunkwellen dem Schiff voraus. Eberhardt schildertealle Einzelheiten des Überfalls, meldete dentragischen Tod Captain Hawks und war zutiefstüberrascht, als er plötzlich von einem besondersstarken Sender unterbrochen wurde. Eine etwasaufgeregte Stimme fragte:

»Wie sah das Schiff aus, das Sie angriff?«Eberhardt schaltete überraschend schnell. »Es war

ein Zerstörer gleichen Typs. Der Vorfall ist unsunerklärlich.«

»Und Sie machten einen Gefangenen?«»Ja. Wer sind Sie überhaupt?«

»Sicherheitszentrale der Dritten Macht, ReginaldBull.«

»Natürlich«, machte Eberhardt resigniert. »DieSicherheitszentrale. Sie hat überall ihre Ohren.«

»Gott sei Dank!« gab Reginald Bull zurück undfügte hinzu: »Bleiben Sie auf Empfang. Ich muß dieMeldung weiterleiten. Es ist möglich, daß PerryRhodan sich mit Ihnen in Verbindung setzt.«

Im Lautsprecher war ein Knacken, dann nur nochein Summen. Ein wenig verwundert wandte sichEberhardt an Tiff:

»Reginald Bull! Er hat überall seine Nase drin.«Tiff bewies, daß er ebenfalls schnell schalten

konnte. Mit einem letzten Blick auf dieInstrumentenreihe ließ er die Automatik einrasten,die den Zerstörer sicher auf Kurs halten würde. Erstand auf und kam zu Eberhardt.

»Ich übernehme«, sagte er lässig. »Wir werden jasehen, was sie von uns wollen. Beobachten Sie denTaster, damit wir nicht noch einmal überraschtwerden. Ich habe so das Gefühl, daß einiges nichtstimmt.«

Er ahnte keineswegs, wie recht er mit seinerVermutung hatte.

*

Als vor mehr zehn Jahren, genau am 19. Juni 1971,die erste bemannte Weltraumrakete zum Mondstartete und sicher dort landete, vermutete niemand,daß ein neuer Abschnitt der menschlichen Geschichtebegonnen hatte. Major Rhodan, der Kommandant derExpedition, traf auf dem Mond die Arkoniden, einemenschengleiche Art, die 32000 Lichtjahre entferntein Sternen-Imperium regierte. Er half dergescheiterten Expedition und erhielt zum Dank dafürdas umfangreiche Wissen einer Zivilisation, dieschon vor Jahrtausenden die Raumfahrt kannte. MitHilfe der Arkoniden errichtete Perry Rhodan dieDritte Macht auf der Erde, verhinderte denAtomkrieg und bemühte sich nun, die Welt endgültigzu einen.

Sein Hauptquartier war die Stadt Terrania, mittenin der Wüste Gobi. Terrania war die modernsteMetropole der Welt und barg in sich die Technik unddas Wissen von Jahrtausenden. Im Notfall konntendie Stadt und ihre Anlagen durch eine Energieglockevon der Außenwelt abgeschlossen werden. EineArmee von 10000 Soldaten und Robotern sorgte fürdie Sicherheit der Dritten Macht.

Der Sicherheitsminister Reginald Bull, einer jenerMänner, die damals mit Perry Rhodan auf dem Mondlandeten, wartete geduldig, bis der mannshoheBildschirm an der Wand aufleuchtete. EinSchreibtisch wurde sichtbar. Dahinter saß ein Mann.Er war fast hager zu nennen, hatte glatt nach hinten

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gekämmtes, dunkelblondes Haar und schmale,stahlgraue Augen, in denen ein stetes Feuer leuchtete.Obwohl schon vierundvierzig Jahre alt, sah PerryRhodan immer noch wie achtunddreißig aus. Und erwürde immer so aussehen, denn das unbegreiflicheWissen einer längst entschwundenen Kultur hatte ihnbeinahe unsterblich gemacht. Alle sechs Jahrzehntemußte er den Planeten des ewigen Lebens aufsuchen,wo jene geheimnisvolle Zelldusche stand, die ihm fürweitere sechs Jahrzehnte Jugend verlieh.

Auch Reginald Bull war auf dem Planeten»Wanderer« gewesen und hatte, gleich Rhodan, dieZellkonservierung erhalten.

»Einer der gestohlenen Zerstörer ist aufgetaucht,Perry«, sagte Bully.

Seine Augen funkelten vor verhaltener Erregung.»Er hat ein Schulschiff der Akademie angegriffen!«

Perry Rhodan zog die Augenbrauen hoch. »Wo?«»In der Nähe des Mars. Zum Glück war einer der

Kadetten geistesgegenwärtig genug, den Angreifer zuvernichten, nachdem der Ausbilder getötet wurde. Ermachte einen Gefangenen.«

Perry sah plötzlich sehr interessiert aus. »EinenGefangenen?«

»Deshalb habe ich dich verständigt. Ich dachte, duwürdest dir den Burschen gern einmal ansehen.«

»Du sicher auch, was? Also gut, wo steckt derGefangene?«

»Vorläufig noch in einer Zelle von SchulschiffZ-82. Warte, ich stelle die Verbindung mit demZerstörer her, du kannst dich dann selbst mit demKadetten unterhalten. Das Schiff ist auf dem Weg zurErde.«

Sekunden später meldete sich Kadett JulianTifflor. Er schilderte noch einmal in knapper, aberklarer Form die Ereignisse und wartete. PerryRhodan überdachte das Gehörte und sagte: »Wie warIhr Name?«

»Kadett Julian Tifflor, Sir.«»Gut. Sie werden auf dem Raumhafen von

Terrania landen und mir persönlich Bericht erstatten.Ihre vorgesetzte Dienststelle wird von mirunterrichtet. Achten Sie auf den Gefangenen. Er istäußerst wichtig. Die Leiche von Captain Hawk wirdin seine Heimat überführt. Wann darf ich mit Ihnenrechnen?«

»In achtzig Minuten, Sir.« In der Stimme Tiffs warRespekt und Hochachtung. Für ihn war Perry Rhodanzwar der oberste Chef der Raum-Akademie, aber vielmehr noch eine entrückte Sagengestalt. Wo stündedie Erde heute im August 1981, wenn es PerryRhodan nicht gelungen wäre, die Macht derArkoniden nutzbar zu machen? Vielleicht hatten dieMenschen sich schon längst gegenseitig vernichtet.Vielleicht gäbe es keine Erde mehr.

»Gut, Kadett Tifflor, ich erwarte Sie.«

Bully unterbrach die Verbindung und gab denmilitärischen Dienststellen Anweisung, den ZerstörerZ-82 in etwa achtzig Minuten ungehindert landenund die Besatzung sofort nach Terrania in dasVerteidigungsministerium bringen zu lassen. Dannwandte er sich an Perry, dessen lebensechtes Bildimmer noch an der Wand stand. »Nun, was meinstdu?«

»Ohne Zweifel einer der drei Zerstörer, die vondiesem Overhead gestohlen wurden.«

»Overhead, ich höre immer Overhead«, murmelteBully erschrocken. »Wenn wir nur wüßten, werhinter dieser Bezeichnung steckt. Overhead - derÜberkopf! Vielleicht hat er einen Wasserkopf.«

»Das glaube ich nicht«, sagte Rhodan. »DieserOverhead ist vielmehr ein sehr kluger Kopf, der sichvorgenommen hat, die vierte Macht auf unserer Erdezu werden. Es wird nicht einfach sein, ihn daran zuhindern. Bis heute ist es uns nicht gelungen, dieIdentität des großen Unbekannten festzustellen, wirwissen nur, daß wir es mit einem außergewöhnlichklugen und skrupellosen Gegner zu tun haben, derauch vor Mord nicht zurückschreckt.«

»Den Gefangenen werden wir so ausfragen, daßwir alles über diesen Unbekannten erfahren. Unddann soll er mich kennenlernen.«

»Wenn der Gefangene aussagt«, warf Rhodan einund legte die Betonung auf das erste Wort. Bullylachte kalt.

»Ich dachte weniger an seinen eigenenWiderstand«, sagte Rhodan. »Aber vielleicht hatdieser Overhead dafür gesorgt, daß er nicht aussagenkann, selbst nicht unter hypnotischem Zwang.«

»Wir werden ja sehen«, meinte Bully undverscheuchte damit seine eigenen Bedenken.

*

Für Tiff war es ein großer Augenblick, als er zumerstenmal Perry Rhodan gegenübertrat. Das also warer, der Retter der Menschheit und der Held dermodernen Jugend, der sagenhafte Perry Rhodan, derdie Invasion der Individual-Verformer und derTopsider abgeschlagen und die Menschheit vor demUntergang bewahrt hatte. Und er lächelte.

Für Tiff war das wohl die größte Überraschungseines Lebens, und er gestand sich später ein, daßdieses Lächeln ihn im ersten Augenblick vielleichtsogar ein wenig enttäuschte.

Neben Rhodan stand ein zweiter Mann, den er vonvielen Fotos und Telefilmen her kannte: ReginaldBull, Sicherheitsminister der Dritten Macht undbester Freund Rhodans. Auch Bully lächelte, aber eswar ein ungeduldiges und forderndes Lächeln.

Tiff nahm Haltung an. »Kadett Tifflor und KadettEberhardt vom Schulungsflug zurück. Besondere

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Vorkommnisse: Angriff eines Zerstörers, CaptainHawk gefallen, Gegner vernichtet, ein Gefangenereingebracht.«

Rhodan lächelte plötzlich nicht mehr, als er aufTiff zutrat und ihm die Hand reichte.

»Ich danke Ihnen für Ihre entschlossene Haltung,Kadett Tifflor. Sie haben Captain Hawk gerächt unduns außerdem einen großen Dienst erwiesen. OhneSie wüßten wir nicht, wer mit unseren gestohlenenSchiffen den Weltraum unsicher macht. Ist das derGefangene?«

Eberhardt und der Mischling standen etwas hinterTiff. Abgesehen von der Hautfarbe unterschieden siesich nicht, denn sie trugen beide noch den leichtenDruckanzug, wenn auch ohne Helm. Und in derAkademie der Raumfahrer gab es keineRassenunterschiede.

So war es kein Wunder, daß Rhodan auf Eberhardtzeigte, der mit etwas verlegenem Gesicht neben demGefangenen stand. Tiff bemühte sich, ein heftigesGrinsen zu unterdrücken.

»Verzeihung, Sir, das ist Kadett Eberhardt, der denÜberlebenden gefangennahm.«

Rhodan gab auch Eberhardt die Hand. »Also, dasist er dann?« sagte er und betrachtete aufmerksamden Mischling. Er trat auf ihn zu. »Wer sind Sie? Inwessen Auftrag handeln Sie?« Keine Antwort. Bully,der ebenfalls die beiden Kadetten begrüßt hatte,runzelte unwillig die Stirn.

»Wozu das Theater?« erkundigte er sich. »Wozuhaben wir unsere Mutanten? John Marshall wird baldwissen, was mit ihm los ist. Seine Gedanken wird erkaum abschirmen können.« Rhodan nicktezustimmend. »Kümmere dich darum, Bully. Ichunterhalte mich inzwischen mit unseren Gästen.Sobald er zu sprechen beginnt, unterrichte mich.«

Bully ging auf den Gefangenen zu, starrte ihm indie ausdruckslosen Augen, schüttelte fassungslos denKopf und hakte ihn dann ein. Arm in Arm, wie zweigute Freunde, verließen die beiden Männer denRaum. Rhodan blickte ihnen nachdenklich nach undwandte sich dann wieder an Tiff. »Und nun berichtenSie mir ganz ausführlich, was geschehen ist. Ichmöchte die Einzelheiten wissen, auch wenn sie Ihnenbedeutungslos erscheinen mögen. Es muß sich einHinweis finden lassen.« Und Tiff begann zuerzählen.

*

Die ab 1945 in der Erdatmosphäre vorhandeneradioaktive Strahlung hatte schneller gewirkt, als dieWissenschaftler es zuerst vermuteten. Fast täglichwar ein Mutant geboren worden, ohne, daß jemandetwas von dieser allmählichen Veränderung bemerkthätte. Erst gegen 1971 wurden außergewöhnliche

Fähigkeiten bei scheinbar normalen Menschenentdeckt. Es gab plötzlich Telepathen undTelekineten. In Afrika verschwand ein Mann undtauchte zur gleichen Sekunde zweitausend Kilometerentfernt wieder auf; er hatte sich selbst über dieseStrecke hinwegteleportiert. Jemand anders empfingRadiosendungen, ohne ein Gerät zu benutzen. Dasmenschliche Gehirn zeigte auf einmal Fähigkeiten,die es niemals zuvor besessen hatte. Überall auf derErde gab es Mutanten, wenn auch nur wenige mitpositiven Veränderungen. Einzeln bildeten sie keineGefahr, aber straff organisiert konnten sie zu einerbeachtlichen Streitmacht werden.

Rhodan hatte das früh genug erkannt. Er hatte einspezielles Suchkommando in alle Teile der Welt,besonders nach Japan, geschickt. Nur wenige Monatedauerte es, bis das Mutantenkorps entstand. DiesesKorps war das Rückgrat von Perry Rhodans Armee.

John Marshall war einer dieser Mutanten. Seinetelepathische Begabung ermöglichte es ihm, jedennoch so komplizierten Lügendetektor unnötig zumachen. Kein Gedanke blieb ihm verborgen, und dieErfahrung hatte bewiesen, daß Marshall sich sogarmit außerirdischen Wesen verständigen konnte.

Der Gefangene aber war ein ganz normalerMensch - wenigstens schien es im ersten Augenblickso. Als John Marshall in seine Gedanken eindrang,stellte sich ihm kein Hindernis entgegen. Und dochwaren es nur die Oberflächengedanken, die Marshallerkennen konnte.

»Wer gab Ihnen den Befehl, das Schulschiff Z-82anzugreifen?« fragte John Marshall und sah demMischling in die Augen. Bully stand dicht danebenund versuchte, seinem Gesicht einen besondersgrimmigen Ausdruck zu geben. Aber der Gefangeneschien das gar nicht zu bemerken. Er setzte zumSprechen an, schwieg aber dann doch. Irgend etwashinderte ihn daran, eine Antwort zu geben. Vielleichtwollte er, aber offensichtlich konnte er nicht.

Ishi Matsu, die, japanische Telepathin, hatte sichmehr konzentriert, weil sie Schwierigkeiten ahnenmochte.

»Er hat einen Hypnoblock«, flüsterte sie. »SeineErinnerungen liegen gleichsam eingebettet in einemhypnotischen Energiefeld. Wir können es nichtdurchdringen.«

»Wie wäre es mit einem Gegenblock?« schlugBully vor.

Ishi schüttelte den Kopf. »Das wird kaum etwasnützen, aber wir können es versuchen. Andre Noirwäre der rechte Mann dafür.«

Noir, ein in Japan geborene Franzose, betratwenige Minuten später den Raum und blieb dichtneben der Tür stehen. Unauffällig betrachtete er denschweigenden Gefangenen. Er war der sogenannte.»Hypno« des Mutantenkorps. Ohne Schwierigkeiten

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vermochte er in das Bewußtsein jedes Lebewesenseinzudringen und es unter seinen Willen zu zwingen.Man hätte es dem dicklichen und sehr gemütlichwirkenden Mann nicht zugetraut, daß er derunfehlbarste Hypnotiseur der Welt war.

Andre Noir kam langsam näher. Seine Augenwaren sinnend auf den Gefangenen gerichtet. OhneMarshall oder Bully anzusehen, sagte er:

»Sie dürfen Ihren Namen ruhig nennen, denn Siebefinden sich unter Freunden. Nennen Sie auch denIhres Auftraggebers. Ich weiß, daß Sie unter einemZwang stehen, aber Sie müssen mir helfen, sonstwerden Sie niemals mehr ein freier Mensch sein.«

»Lieber unter Zwang leben, als überhaupt nichtleben«, sagte der Mischling zögernd, und jederfühlte, daß ihm ein anderer diese Worte in den Mundgelegt hatte.

»Frei leben ist besser«, sagte Noir eindringlich.Der Gefangene reagierte nicht darauf.Noir setzte seine ungeheuren Geisteskräfte ein, um

den Ring zu sprengen, den ein Unbekannter um dasBewußtsein des Gefangenen gelegt hatte. Stumm undabwartend standen John Marshall und Bully dabei.Die kleine, zierliche Japanerin hatte das Gesicht einerMaske; sie konnte dem Vorgang bis in alleEinzelheiten folgen.

Fast unbemerkt hatte noch jemand das halbdunkleZimmer betreten und blieb dicht neben der Türstehen. Perry Rhodan. Und dann war der Banngebrochen. Der Gefangene machte die Augenplötzlich weit auf, starrte sein Gegenüber fassungslosan und öffnete den Mund. Unverständliche Wortequollen daraus hervor, hastig und wie in furchtbarerAngst hervorgestoßen, so als müsse er sich beeilen.

Und dann sprach er plötzlich Englisch:»... alles angreifen und vernichten ... Haß,

schrecklicher Haß ... Weltherrschaft ... Mutanten ...ich auch ... der Overhead ...«

»Wer ist der Overhead?« rief Perry Rhodan vonder Tür her. Er kam näher und sah dem Gefangenenin die Augen. Noir schüttelte verzweifelt den Kopfund machte eine Bewegung, als wolle er Rhodanzurückhalten.

»Overhead ...«, stammelte der Gefangene. »DerOverhead, es ist ...«

Sein Gesicht veränderte sich in schreckhafterSchnelle. Es war, als sehe der Gefangene plötzlichetwas Grauenhaftes und Unfaßbares. Schmerz schiendurch seine? Körper zu rasen. Die Beine knicktenlangsam ein. Rhodan sprang hinzu und fing denFallenden auf. Marshall kam zu Hilfe. Andre Noir tatnichts dergleichen, sondern trat einige Schrittezurück.

»Es ist zu spät«, murmelte er. »Der Hypnoblockwar viel zu stark. Aber es war nicht der Hypnoblock,der ihn tötete. Es war ein übermächtiger hypnotischer

Befehl.«Sie legten den reglosen Mischling auf eine Couch.

John Marshall beugte sich zu ihm hinab unduntersuchte ihn.

»Ein hypnotischer Befehl?« fragte Rhodan und sahNoir an. »Wer gab ihm einen Befehl?«

»Das weiß ich nicht. Wahrscheinlich dieserOverhead.«

»Und welchen Befehl erteilte er unseremGefangenen?«

»Zu sterben! Er befahl ihm einfach, zu sterben.Und unser Gefangener starb.«

»Und das ist möglich?« Der Franzose nickte ernst.»Ich glaube«, sagte er düster, »ich habe meinenMeister gefunden.«

Und ohne eine Entgegnung abzuwarten, verließ erden Raum. Bully, der vollkommen passiv nahe derWand gestanden hatte, ging zu Rhodan. »Wieder derOverhead. Jetzt haben wir den Beweis. In den letztenzwei Stunden hat er zwei Menschen ermordet.Captain Hawk, und hier seinen eigenen Mann.«

»Er gebietet über Mutanten, die er beherrscht«,sagte Marshall von der Couch her. »Als unserGefangener starb, konnte ich für eine Sekunde in ihneindringen. Er war ein schwacher Mutant und besaßein fotografisches Gedächtnis. Daher warmer auch inder Lage, allein den Zerstörer zu fliegen. Sicher hätteer uns etwas Interessantes erzählen können.«

»Sicher«, nickte Rhodan. »Darum mußte er auchsterben.« Er runzelte die Stirn und sah Marshall an.»Sie konnten auch nicht feststellen, aus welcherRichtung die Beeinflussung kam?«

»Aus welcher Richtung? Wie meinen Sie das?«»Nun, ganz einfach. Wenn dieser Overhead

unseren Gefangenen telepathisch überwachte,müssen auch seine Hypnoimpulse aus der gleichenRichtung gekommen sein. Ich hoffte, Sie könnten esmir sagen.«

»Noir dachte daran, als er den Raum verließ. Erwunderte sich darüber, daß die Impulse aus zweiRichtungen kamen. Genau aus Westen und Osten.«

Rhodan verharrte in seiner Bewegung.»Gleichzeitig aus zwei Richtungen?« rief er

erstaunt. »Seltsam. Oder auch wieder nicht, dennschließlich ist die Erde ja rund. Aber ich hätte fastwetten mögen, sie wären nur aus einer Richtunggekommen. Von oben. Oder steht der Mars nochunter dem Horizont?«

John Marshall sah ihm stumm nach, als er dasZimmer verließe Bully zeigte auf den regungslosenGefangenen. »Der ist also tot?«

»Ja«, nickte Marshall.

2.

Leutnant Becker befehligte den Grenzposten Ost.

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Es handelte sich um zehn in geringem Abstandvoneinander gelegene Gefechtsstände, die mitarkonidischen Neutronengeschützen ausgerüstetwaren. Die Posten waren ständig besetzt.

Die Wachkompanie lag etwas abseits in einemflachen Gelände. Ein kleines Kino, eine Bar und einSwimming Pool waren die einzige Abwechslung fürdie Männer, falls diese es nicht vorzogen, mit demregelmäßig verkehrenden Bus in die Stadt zu fahren,wo es genug Gelegenheit gab, sich nachindividuellem Geschmack zu amüsieren.

Sergeant Harras hatte seinen Zug eben bei Beckerzurückgemeldet und die Leute in die Quartieregeschickt. Vor ihnen lagen nun acht freie Stunden. Eswürde Nacht sein, ehe man erneut auf Wache zog.

Vom Himmel herab brannte eine heiße Sonne.Kein Wölkchen war zu sehen. Harras konnte sichnichts Besseres vorstellen, als so schnell wie möglichdie verschwitzte Uniform auszuziehen und sich miteinem Satz in das Schwimmbecken zu stürzen. Dortwürde er so lange bleiben, bis der Hunger ihn zurKantine trieb.

Nur mit der Badehose angetan, verließ er seinZimmer, das er mit zwei anderen Sergeanten teilte,schlenderte quer über die spärlichen Grasflächen undblieb vor dem Rand des Beckens stehen. Er atmeteden belebenden Geruch des Wassers, in dem sichetwa dreißig Männer fröhlich tummelten und zuvergessen haben schienen, daß sie sich mitten in derWüste aufhielten. Sie riefen sich gegenseitigScherzworte zu und verschonten auch Harras nicht.

»Hast du Angst?« grölte jemand ganz in der Näheund schlug mit der flachen Hand so geschickt gegendie Wellen, daß Harras von einer Fontäne angespritztwurde. »Herein, wenn du kein Frosch bist.«

Sergeant Harras zögerte plötzlich. Vor einerSekunde noch hatte er sich darauf gefreut, mit einemSatz in das kühle Naß springen zu können, und nunhielt ihn irgendetwas davon ab. Aber sein Wunschnach Erfrischung war stärker als alle dunklenAhnungen. Er tat einen Schritt und ließ seine kräftigeGestalt in das Wasser fallen.

»Das Bassin läuft über!« schrie jemand inkomischem Entsetzen auf.

Harras konnte es nicht hören. Er ließ sich auf denGrund des Beckens sinken und war froh, keineStimmen mehr zu Vernähmen. Für einen Augenblickwar er dem Schicksal für die kurze Einsamkeitdankbar.

Seltsame Gedanken und Wünsche ergriffen vonihm Besitz und schalteten sein normales Ich aus.Irgendwo im Kopf war ein merkwürdiger Druck. Erspürte Herzbeklemmungen. Vielleicht hielt er dieLuft zu lange an.

Er stieß sich vom Grund ab und durchbrach mitdem Kopf die Oberfläche. Was er sah, schien seine

dunklen und unbegreiflichen Ahnungen zubestätigen. Seine Kameraden strebten alle eiligst demBeckenrand zu und kletterten an Land. Niemandsprach ein Wort, und es war, als hätten sie in derkurzen Zeit, da er unter Wasser geweilt hatte, einenBefehl erhalten. Den Befehl nämlich, das Bad sofortabzubrechen.

Drüben am Ausgang des Gebäudes erschienLeutnant Becker. Er winkte mit beiden Armen undrief etwas. Harras konnte es nicht verstehen.

Und doch wußte er, was Becker gerufen hatte:»Alarm! Sofort alles antreten. Kampfausrüstung!«Sergeant Harras lief in sein Zimmer, zog die noch

warme Uniform wieder an, schnallte sich denHandstrahler um und rannte auf den Appellplatz. DieHälfte der Kompanie stand bereits. Aus der Richtungder Grenzposten kamen die Raupenfahrzeuge. MitErstaunen registrierte Harras die Tatsache, daß mandie Neutronenstrahler aus den Ständen geholt und aufdie Fahrzeuge montiert hatte. Nun war die Grenzeohne Schutz. Vielleicht würden die Arkonidenroboterdie Wache übernehmen.

Leutnant Becker kümmerte sich nicht darum, daßdie Kompanie nicht vollzählig angetreten war. Erschien von einer erregenden Unrast erfüllt zu seinund trieb seine Unteroffiziere zur Eile an. Kaumhatten sich die zehn Geschützwagen formiert, da gaber auch schon den Befehl zum Abmarsch.

Sergeant Harras spürte, daß etwas nicht stimmte,aber er konnte sich nicht dazu aufraffen, über dasGeschehen konzentriert nachzudenken. Der Druck imKopf hatte nicht nachgelassen, war im Gegenteilstärker geworden. Irgend etwas zwang ihn, sichmechanisch in Bewegung zu setzen.

Leutnant Becker nahm Richtung auf die kaumzwei Kilometer entfernten Werftanlagen der DrittenMacht, die sich innerhalb der eigentlichen Sperrzoneerhoben. Mit gesenkten Rohren fuhren dieNeutronenstrahler voran. Feuerbereit hockten dieSchützen hinter den Kontrollen.

Für einen Augenblick kam Harras der Gedanke,seinen Nebenmann zu fragen, was überhauptgeschehen sei, aber als er die zusammengekniffenenLippen sah, verzichtete er darauf. Es mußte etwasSchreckliches passiert sein. Aber das war dochUnsinn ... Seine Aufmerksamkeit wurde abgelenkt.Von den Werftanlagen her näherten sich dreiFahrzeuge, die eine dichte Staubwolke hinter sichherzogen. Als sie anhielten, entstiegen ihnenKampfroboter der Arkoniden.

Verstärkung, dachte Harras erleichtert und dochvoller Unruhe. Wie alle anderen hatte er sichinzwischen daran gewohnt, in diesen vollkommenenMaschinenwesen Verbündete und Freunde zu sehen.Gemeinsam schützten sie die Dritte Macht gegenjeden eventuellen Angreifer.

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Leutnant Becker tat etwas völlig Unverständliches.Er gab seinen Leuten den Befehl, die Roboter zuvernichten. Die Fahrzeuge mit den Kanonenformierten sich zu einem Halbkreis, in dessenBrennpunkt nun die Roboter standen.

Harras brachte es nicht fertig, seine Handwaffe zuziehen. Er wußte, daß Becker einen völlig sinnlosenBefehl gegeben hatte; aber er besaß nicht die Kraft,ihm entgegenzutreten. Er blieb passiv, das war alles,was er zu tun vermochte. Aus den Augenwinkelnheraus konnte er sehen, daß es einigen der Soldatenähnlich erging. Sie zögerten, Beckers Befehlauszuführen.

Das war glatte Meuterei, dachte Sergeant Harrasentsetzt. Meuterei gegen Perry Rhodan und dieArkoniden. Meuterei gegen die allmächtigeRoboterarmee.

Das erste Geschütz spie einen Strahl konzentrierterEnergie gegen die ahnungslosen Roboter aus underöffnete damit die sinnlose Schlacht. Von deninsgesamt neun Maschinenmenschen sanken vierhalbzerschmolzen in den brodelnden Wüstensandund blieben reglos liegen. Die anderen reagiertenblitzschnell, denn bei positronischem Denken gab eskeine Schrecksekunde.

Sie wurden angegriffen und es spielte dabei keineRolle, von wem. Ihre linken Arme kamen hoch undgingen in waagerechte Stellung. In ihrem Innernklackte ein Relais und gab die Notschaltung frei, dieihnen die Erlaubnis gab, auf Menschen zu feuern.Der linke Arm verwandelte sich in eineMiniaturstrahlkanone.

Noch ehe Beckers Geschütze die zweite Salveabgeben konnten, wurden sie von denEnergieschauern der Roboter getroffen. Zwei derRohre verbogen sich, als seien sie plötzlich zuweichem Wachs geworden, während ein drittes ineinem Funkenregen zusammenschmolz.

Die übrigen befanden sich außerhalb derVernichtungszone. Die Roboter hatten trotz ihrerschnellen Reaktion keine Chance. Sie wurdenvernichtet, ehe sie herumschwenken konnten.

Leutnant Becker hatte seinen eigenen Strahlergezogen und war zu den drei wartenden Wagengegangen. Die drei Fahrer erwarteten ihn mitausdruckslosen Gesichtern und machten keineAnstalten, ihren Robotern zu Hilfe zu eilen.

»Sie unterstehen meinem Kommando«, herrschteBecker sie an. Die drei Fahrer nahmen sitzendHaltung an und salutierten wie ein Mann.

Sergeant Harras stand im Hintergrund. Er hattevon dem Vorgefallenen nicht viel begriffen, aber erwußte, daß etwas Schreckliches im Gange war.Becker mußte plötzlich verrückt geworden sein. Aber- war er selbst es nicht auch? Warum befolgte ervöllig sinnlose Befehle? Was zwang ihn dazu?

Diese Kopfschmerzen! Sie ließen nicht nach.Vielleicht war es die unerträgliche Hitze. Die Sonnestand fast senkrecht und brannte auf die Wüste herab.Die nahen Werftanlagen flimmerten in der erhitztenLuft.

Und dann war es, als tasteten sanfte Finger nachseinem Gehirn und sondierten es. Ganz plötzlich aberwaren die unsichtbaren Finger nicht mehr sanft,sondern fordernd und befehlend. Sie wischten seinenWillen beiseite und schalteten das normale Denkenaus.

Wie alle anderen setzte er sich erneut inBewegung, vorbei an den reglos im Sand liegendenRobotern und den drei zerschossenenGeschützwagen.

Drüben an den Werftanlagen sah er eineBewegung. Männer liefen dort aus ihren Bunkern,Waffen in den Händen. Von rechts raste einTurbowagen heran und hielt dicht neben einemGebäude. Männer stiegen aus. Einer von ihnen trugetwas in der Hand, einen kleinen, rechteckigenKasten.

Leutnant Becker hob seine Hand.»Ausschwärmen! Wir greifen die Werft an!«Automatisch und ohne zu zögern, zog SergeantHarras seine Waffe.

*

Perry Rhodan sah auf, als jemand die Tür zuseinem Zimmer aufstieß und in den Raum stürzte.

Es war Bully. Aber ein Bully, wie Rhodan ihnnicht kannte. Die Haare waren durcheinander, unddas sonst immer rötliche Gesicht zeigte eine fahleBlässe. In den Augen flackerte es unruhig, undRhodan konnte bemerken, daß die Hände seinesFreundes zitterten.

»Bist du dem Teufel begegnet?« fragte er erstaunt.»Er wird bald hier sein«, gab Bully zurück und

schnaufte. »Die Hölle ist los. Die Wachkompanie desLeutnant Becker greift die Werftanlagen an.«

»Was ist los?« fragte Rhodan und betrachteteBully aufmerksam, als fürchte er um dessenVerstand. »Becker greift die Werft an? Ich finde, dasist ein übertriebener Scherz. Mit mir kann man jaallerhand machen, Bully, aber ...«

»Aber es ist doch wahr. Die Leute sind verrücktgeworden! Da steckt bestimmt wieder dieserOverhead dahinter.«

»Der Overhead?« murmelte Rhodan und standlangsam auf. »Wieso? Was ist geschehen?«

»Ich erhielt vor wenigen Sekunden eineAlarmmeldung von Sektor sieben. Becker marschiertmit seinen Leuten auf die Werft zu und bat neunKampfroboter vernichtet. Die Verteidigungspostensind in Stellung gegangen. Sie erwarten weitere

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Befehle. Was sollen sie tun, wenn Becker tatsächlichangreift? Er muß verrückt geworden sein.«

Rhodan sah plötzlich den sterbenden Mischlingnoch einmal vor sich, der auf den Befehl des großenund unbekannten Gegners gestorben war. Wenn derOverhead das vermochte, dann konnte er auch einerganzen Kompanie den Befehl erteilen, sich selbst zuvernichten.

Ein heißer Schreck durchfuhr ihn. Ihm kamplötzlich zu Bewußtsein, was alles geschehen konnte,wenn dieser Overhead in der Tat über unbegreiflicheKräfte verfügte, gegen die selbst die Eigenschaftender Mutanten lächerliche Spielereien sein mußten.Rhodan wußte mit eiskalter Klarheit, daß er einemgleichstarken Feind gegenüberstand, einem Gegner,der ihn vernichten konnte, wenn er klug genug war.

»Wir dürfen keine Zeit verlieren«, unterbrachBully seine Überlegungen. »Die Leute erwartenunsere Anweisungen. Es ist nicht leicht, auf verrücktgewordene Freunde zu schießen.«

»Wir fahren selbst«, erwiderte Rhodanentschlossen. »Besorge einen Psychostrahler und denkleinen Gravitationsneutralisator. Beeile dich. Icherwarte dich draußen bei meinem Wagen.«

Bully fragte nicht viel. Er drehte sich um undsetzte sich in Bewegung. Als Rhodan zwei Minutenspäter seinen Wagen erreichte, erwartete ihn Bullybereits. In der linken Hand hielt er einen kleinenMetallkasten, der nicht besonders schwer zu seinschien. In der rechten hatte er einen silbernen Stab.

»Nehmen wir sonst niemand mit?«»Wenn wir es allein nicht schaffen, schafft es

niemand«, verneinte Rhodan und nahm Platz. DieTurbinen heulten auf, und dann schoß der kleineWagen mit rasender Beschleunigung über die glatteBetonfläche dahin und nahm Kurs auf dieRaumschiffswerft, fünf Kilometer außerhalb derZentralanlage in Terrania.

Um diese Zeit war hier nicht viel Betrieb, nur abund zu blieb ein einsamer Passant stehen und sahhinter dem wildgewordenen Fahrer her, der denVerstand verloren haben mußte. Bully schnapptenach Luft. »Was meinst du, was passiert ist?«

»Hypnotische Beeinflussung, was sonst? DerOverhead hat die Kompanie Becker übernommenund unter seinen Befehl gestellt. Wir müssenversuchen, diesen Befehl mit dem Psychostrahler zukompensieren,« Der Psychostrahler war eine Waffeder Arkoniden. Mit seiner Hilfe ließ sich der Willeeines anderen Menschen übernehmen und lenken.Man konnte ihm damit sogar posthypnotischeBefehle erteilen. Es war schon lange her, daß Rhodanihn zuletzt eingesetzt hatte.

»Und was ist mit uns?« wunderte sich Bully.»Kann der Overhead nicht auch uns unter seinenWillen zwingen?«

»Wir wissen, daß er es einmal mit Crest, demArkoniden versuchte. Ohne Erfolg. Daher nehme ichan, auf ein arkonidisches Gehirn hat seine Kraftkeinen Einfluß. Nun, wir sind durch die arkonidischeHypnoschulung gegangen, Bully. Vielleicht hat dasabgefärbt. Ich hoffe es wenigstens.«

»Ich auch«, nickte Bully und holte wieder Luft.Sie rasten nun durch die Wüste. Die Betonpiste

war zehn Meter breit und spiegelglatt. Über ihr standdie flimmernde Luft wie emporsteigendes Gas.Weiter vorn erhoben sich die langgestrecktenWerfthallen, in denen täglich neue Raumschiffe vomTyp der Zerstörer entstanden. Rhodan konnteerkennen, daß Gestalten hin- und herliefen, großeTore geschlossen wurden und einige Panzer inStellung gingen.

Weiter links in der Wüste schwebte eineStaubwolke. Darunter marschierten Soldaten.Becker!

Rhodan verstand nicht ganz, wieso der unbekannteGegner der Dritten Macht seine Fähigkeiten nichterfolgversprechender einsetzte. Wenn es schon inseiner Kraft stand, ganze Kompanien unter seinenEinfluß zu bringen, warum befahl er dann nichteinfach den Piloten von Rhodans Schiffen,aufzusteigen und Terrania anzugreifen? Warumbegnügte er sich mit einer verhältnismäßig harmlosenKampfaktion, von der er wissen mußte, wie sinnlossie sein würde?

Wollte er Rhodan nervös machen? Nun, mit Bullyhatte er es anscheinend geschafft. DerSicherheitsminister der Dritten Macht war einMusterbeispiel an Unsicherheit geworden. JohnMarshall hätte ihn, wäre er dabei gewesen, sicherlichjetzt den »Unsicherheitsminister« getauft. Erfuchtelte aufgeregt mit den Händen an demPsychostrahler herum und rutschte unruhig aufseinem Sitz hin und her.

»Hast du kein Sitzfleisch?« wollte Rhodan wissen.»Denke nur nicht, der Overhead wird sich mit dieserVersuchsaktion begnügen. Es ist erst der Anfang.«

»Der Anfang?« stöhnte Bully entsetzt. »Unsereeigenen Leute schießen auf uns - und das nennst dueinen Anfang?«

Rhodan gab keine Antwort. Er kannte seinenFreund gut genug, um zu wissen, daß Bully nuräußerlich ratlos war. Er passierte die erstenWachroboter und glitt an aufgefahrenenStrahlgeschützen vorbei. Dann hielt er neben einemBunker, vor dem einige Offiziere in der Uniform derWachdivision standen. Sie kamen herbeigelaufen, alssie Rhodan erkannten.

Bully ließ sie nicht zu Worte kommen.»Platz da!« schrie er ihnen entgegen. Er sprang aus

dem Wagen und hielt den silbernen Psychostrahler indie Höhe. »Jetzt sollen Sie mal sehen, wie man eine

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Armee kommandiert.«Rhodan nahm ihm den kleinen Metallkasten ab

und setzte ihn vor sich zu Boden. Er schien derWirkung des hypnotisierenden Strahlers auf einmalkein Vertrauen mehr zu schenken. Er nickte Bully zu:

»Du kannst es versuchen. Gib ihnen den Befehl,sofort zu schwenken und in die Quartierezurückzukehren.« Dann kümmerte er sich um dieratlosen Offiziere. »Halten Sie Ihre Leute bereit.Aber warten Sie mit einem Feuerbefehl, bis ich Ihnendie Erlaubnis dazu erteile. Wir wollen unsere eigenenLeute nicht töten.«

»Sie haben neun Roboter vernichtet«, sagte einCaptain.

»Sehr bedauerlich, aber Roboter sind keineMenschen. Außerdem taten sie es gegen ihrenWillen.«

»Gegen ihren Willen?« dehnte der Captain, stellteaber keine weiteren Fragen. Er wäre auch nicht mehrdazu gekommen, denn nun trat Bully in Aktion.

Die Reichweite des Psychostrahlers war natürlichbeschränkt, aber inzwischen war Leutnant BeckersStreitmacht nahe genug herangekommen. Es warunerklärlich, warum er überhaupt so nahe Stellungbezog. Mit seinen Geschützen hätte er die Werftenaus zwei Kilometer Entfernung unter Feuer nehmenkönnen. Statt dessen ließ er fünfhundert Meter vorden Linien des Bewachungskommandos anhalten unddie Geschützwagen vorziehen.

Bully kniete sich umständlich nieder und richteteden silbernen Stab auf den unfreiwilligen Gegner.Dann drückte er auf den Aktionsknopf. Laut unddeutlich sagte er:

»Leutnant Becker, ich befehle Ihnen und IhrenLeuten, sofort umzukehren und in Ihre Quartierezurückzumarschieren. Alle eventuellen anderenGegenbefehle sind ungültig.«

Die Offiziere - inzwischen waren es fünf geworden- betrachteten Bully wie ein Wundertier. Sie wußten,daß die Arkoniden sagenhafte Waffen besaßen, abersie hatten sie noch niemals in Aktion gesehen.Wenigstens nicht den Psychostrahler. Leider hattensie auch heute nicht das Glück.

Denn Leutnant Becker kümmerte sich nicht umBullys Befehle.

Der erste Schuß fegte dicht über die Gruppehinweg und zerschmolz in einiger Entfernung einenahnungslos daherspazierenden Wachroboter.

»Die Macht des Overhead ist größer als die unsererPsychostrahler«, sagte Rhodan gelassen. Er hatteinzwischen seine Vorbereitungen beendet und hockteeinsatzbereit neben der Bunkerkante, hinter der erjederzeit verschwinden konnte, wenn er das fürnotwendig hielt. Die fünf Offiziere waren hinter demBunker in Deckung gegangen. Mit einem Funkgerätgaben sie ihren verstreuten Männern die Anweisung,

weitere Anordnungen abzuwarten und auf keinen Falldas Feuer gegen die Meuterer zu eröffnen.

Bully selbst richtete den Hypnostrahl noch einmalgegen die Leute Beckers und gab einen zweitenBefehl, der genauso wenig beachtet wurde wie dererste. Im Gegenteil. Drei der Geschütze eröffnetennun das Neutronenfeuer gegen die nächstenWerkshallen.

Da sah Rhodan ein, daß er rein psychisch gegendie Macht des Overhead nichts ausrichten konnte.Hier half nur nackte Gewalt. Er richtete das Objektivdes Schwerkraftneutralisators gegen die TruppenBeckers und betätigte den Auslöser.

Das Wirkungsfeld hatte die Form eines Fächers,das dicht vor dem Metallkasten begann, sich inRichtung des Gegners verbreitete und auch anWirkung abnahm. Immerhin genügte die von Rhodanvorgenommene Einstellung, Becker und seine Leutesamt Ausrüstung gewichtslos werden zu lassen.

Sergeant Harras machte gerade einen rechtwiderwilligen Schritt nach vorn, von dem er selbstnicht wußte, warum er ihn tat, als er plötzlich denBoden unter den Füßen verlor. Er entschwebte sanftnach oben und drehte sich dabei langsam um sichselbst. Vor Schreck ließ er seinen Strahler los, aberdas Ding fiel nicht etwa nach unten, sondern bliebauf gleicher Höhe.

So wie Harras erging es allen anderen. LeutnantBecker, der sich mit einem kräftigen Satz zu einemder Geschütze begeben wollte, wurde am stärkstenvon der plötzlichen Schwerelosigkeit betroffen. Wieeine menschliche Granate schoß er schräg hinauf inden klaren Wüstenhimmel, ruderte verzweifelt mitArmen und Beinen und versuchte, sich an der Luftfestzuhalten. Leider war Rhodan nicht in der Lage,seinen Flug weiter zu verfolgen, so, daß derunglückliche Leutnant sehr bald aus demWirkungsbereich des Neutralisators geriet und wieein Stein zu Boden stürzte.

Er wurde das einzige Opfer des aufgezwungenenAngriffs, wenn man von den drei Fahrern und dreiSchützen der von den Robotern vernichtetenRaupenwagen absah.

Fast die gesamte Streitmacht Leutnant Beckersbefand sich nun in der Luft. Die Erde hatte sie nichtmehr halten können, und es hatte von der jeweiligenBewegung des einzelnen abgehangen, welche Lageer nun einnahm. Immerhin war die Reichweite desarkonidischen Gerätes nicht unbegrenzt. Wenn keinegrößeren Verluste eintreten sollten, mußte jetztgehandelt werden. Rhodan wandte sich an dieOffiziere, die dem Vorgang staunend gefolgt waren.

»Ich verringere jetzt die Intensität desNeutralisators. Schicken Sie Ihre Leute aus, dielandende Kompanie aufzufangen. Sie sollen sichvorsichtig bewegen. In dem bestrichenen Sektor

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herrscht nur ein Zehntel normaler Schwerkraft.Achten Sie auf die Kampfwagen Beckers. Notfallssind die Schützen unschädlich zu machen.«

Es war erstaunlich, wie schnell sich die Offizierevon ihrem Schreck erholt hatten. Nur wenigeMinuten dauerte es, bis sie ihre Leute mobilisierthatten. Dann bewegten sich die Soldaten mitmerkwürdig schleichenden Schritten auf die langsamabsinkenden Gestalten zu, die hilflos in der Luftherumruderten und versuchten, ihrer ÜberraschungHerr zu werden. Die meisten hatten ihre Waffeneinfach losgelassen und konnten keinen Schadenmehr anrichten.

Rhodan ließ allmählich normaleSchwereverhältnisse eintreten und wartete ab, bis diemeuternde Kompanie überwältigt war. Er hatteinzwischen Bully den Psychostrahler abgenommenund schirmte die Soldaten gegen weitereHypnobefehle des Overhead ab. Er ahnte, daß dieAbschirmung durchaus möglich war, während einspäterer Durchbruch durch den einmal gelegtenBlock unmöglich sein mußte.

Knapp fünf Minuten später zog sich der Overheadzurück.

Sergeant Harras spürte plötzlich, wie der Druck imKopf nachließ. Er begriff im ersten Augenblick nicht,wo er war; er dachte, er läge noch auf dem Grund desSchwimmbassins und wunderte sich sehr, indrohende Gewehrmündungen zu sehen. Rhodanselbst erklärte ihm und seinen Kameraden dasUnbegreifliche und machte sie darauf aufmerksam,daß der Vorfall sich jederzeit wiederholen könne. Daim Augenblick kein bewaffneter Angriff von draußenzu befürchten war, sollte die Bewaffnung derWachkompanie auf ein Mindestmaß beschränktwerden.

Nicht weit entfernt lag unter einer Decke diereglose Gestalt Leutnant Beckers. Bully warf einenBlick in seine Richtung und murmelte düster:

»Heute schon das neunte Opfer, Perry. Es wirdZeit, daß wir etwas Entscheidendes unternehmen.«

Rhodan gab keine Antwort. Schweigend fuhren sienach Terrania zurück, wo sie eine neueHiobsbotschaft erwartete. Oberst Freyt selbst hattedie Meldung aus New York erhalten, wo derFinanzmann der Dritten Macht, Homer G. Adams,sein Hauptquartier hatte. Von hier aus spann derMutant mit dem fotografischen Gedächtnis seineFäden und beherrschte die Wirtschaft der Erde.Homer schien unfehlbar und faßte niemals falscheEntschlüsse. Wenigstens so lange nicht, wie eskeinen Overhead gab. Die ersten Angriffe desUnheimlichen hatten abgefangen werden können,und zum Schutz seines Finanzgenies hatte Rhodandie Mutantin Betty Toufry nach New York geschickt.Betty war die stärkste Telepathin und gleichzeitig

Telekinetin des Mutantenkorps.Sie war es auch, die nun Alarm gegeben hatte.Wie schon einmal, schien Homer G. Adams unter

den unheilvollen Einfluß des Overhead geraten zusein. Seine letzten Anordnungen widersprachen demgesunden Menschenverstand und hätten die GeneralCosmic Company an den Rand des finanziellenRuins gebracht Es war Betty im letzten Augenblickgelungen, die Anordnungen mit Hilfe einesPsychostrahlers rückgängig zu machen. Solange siein der Nähe Adams weilte, konnte nichts geschehen,aber schließlich konnte sie ihn nicht auf Schritt undTritt verfolgen.

Rhodan stellte sofort die Verbindung mit der GCCher. Auf dem Bildschirm erschien das verlegeneGesicht des etwas klein geratenen Adams. Seineschütteren Haare waren ungepflegt, und er sah aus,als habe er einige Nächte nicht geschlafen. ImHintergrund saß Betty Toufry und machte einenübernächtigten Eindruck.

»Hallo, Adams«, sagte Rhodan, als sei New Yorknur einige Kilometer entfernt und läge nicht auf deranderen Seite der Erdkugel. »Ich höre. Sie habenwieder Schwierigkeiten.« Adams wollte etwas sagen,aber Rhodan ließ sich nicht unterbrechen. »Siebrauchen sich nicht zu entschuldigen, Mr. Adams.Wir haben hier die gleichen Schwierigkeiten. DieMacht unseres unheimlichen Gegners reicht um dieganze Welt. Sagen Sie mir nur, ob es nicht möglichfür Sie ist, den beginnenden Einfluß des Overhead zuspüren?«

Adams nickte zögernd. »Es macht sich ein Druckim Gehirn bemerkbar, aber dann ist es bereits zu spät.Wäre Betty nicht in meiner Nähe gewesen, ich weißwirklich nicht, was geschehen wäre. Es tut mir leid,Mr. Rhodan, aber Sie können sich nicht mehr aufmich verlassen.«

»Unsinn, Adams, das dürfen Sie nicht sagen.Verhalten Sie sich passiv, bis Sie weitereAnweisungen erhalten. Vermeiden Sie in dennächsten Tagen größere Aktionen. Einmal wird derGegner sich eine Blöße geben, und dann schlagen wirzu.«

»Hoffentlich geschieht das bald. Es ist nichtangenehm, ständig damit rechnen zu müssen, daßman nicht mehr Herr seiner fünf Sinne ist.«

Rhodan lächelte beruhigend und unterbrach dieVerbindung.

Als Adams Bild verschwand, erlosch auch seinLächeln.

*

Fellmer Lloyd war rein äußerlich gesehen ein ganznormaler Alltagstyp, wenn man seine etwas dunkleHautfarbe nicht in Betracht zog und sich von seinen

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phlegmatischen Gewohnheiten täuschen ließ. Vorvielen Jahren arbeitete er in einem amerikanischenAtomkraftwerk als Assistent des leitendenWissenschaftlers, aber dann hatten ihn die LeutePerry Rhodans aufgespürt.

Denn Fellmer Lloyd war ein natürlicher Mutant.Man konnte ihn nicht als direkten Telepathen

bezeichnen, aber seine Fähigkeiten waren eng mitdenen eines solchen verwandt. Ein Teil seinesGehirns hatte sich dank der radioaktiven Bestrahlung,der seine Eltern ausgesetzt gewesen waren, derartverändert, daß er jederzeit in der Lage war, dieGehirnwellenmuster seiner Mitmenschenaufzunehmen, sie zu sortieren und zu analysieren.Die Gedanken konnte er nicht erfassen, wohl aber diegrundsätzlichen Gefühle des anderen, und damit auchseine ungefähren Absichten. Wenn er mit jemandsprach, so wußte er sofort, ob der andere ihmfeindlich oder freundlich gesonnen war. SeineFähigkeit machte ihn zum sogenannten Orter desMutantenkorps.

Fellmer Lloyd stand recht unauffällig an derBarriere des Moskauer Flughafens und beobachtetedie aus- und einsteigenden Passagiere derplanmäßigen Düsenmaschine. Das Flugzeug war eineder regelmäßig verkehrenden Passagiermaschinen,die im Auftrag der Dritten Macht die Verbindungzwischen den Kontinenten herstellten.

In den vergangenen Wochen waren zwei dieserMaschinen durch Sabotage in der Luft vernichtetworden. Das Sicherheitsministerium der DrittenMacht hatte die dafür in Frage kommenden Mutanteneingesetzt, derartige Vorfälle in Zukunft zuverhindern.

So also kam es, daß Fellmer Lloyd von Kontinentzu Kontinent flog, überall die Passagiere abtasteteund darauf achtete, daß sich kein Saboteur an Bordschlich.

Er wußte noch nicht recht, ob er schon mit dieserMaschine die Hauptstadt des Ostblocks wiederverlassen sollte. Moskau gefiel ihm gut, und er hattenette Bekanntschaften gemacht. Überhaupt kamenihm die Leute hier sehr freundlich undzuvorkommend vor, so, daß ihm ein plötzlicherAbschied schwerfiel.

Fast oberflächlich nur überprüfte er das elegantePaar, das soeben die Sperre passierte und quer überden Betonstreifen zur Maschine schritt. Sicher einfrischgebackenes Ehepaar auf der Hochzeitsreise.Auf jeden Fall gefahrlos.

Im Hintergrund schimmerten die Dächer der Stadtim Schein der untergehenden Sonne. GewaltigeWolkenkratzer ragten in den klaren Himmel undbemühten sich, auch die letzten Strahlen dersinkenden Sonne auf sich zu vereinigen. Die breiteZubringerstraße vom Flughafen zur Stadt war hell

angestrahlt und konnte den Verkehr kaumbewältigen.

Fellmer Lloyd zuckte plötzlich zusammen. Vonirgendwoher drang etwas Böses und gar nicht indiese friedliche Umgebung Passendes auf ihn ein.Jemand dachte an Gewalt und Vorsicht, an Mord undTod.

Die Reichweite seiner Fähigkeit war nicht sehrgroß, nur einige hundert Meter. Aber die Stärke derauf ihn einströmenden Gehirnwellen war so groß, daßder Betreffende sich in unmittelbarer Nahe befindenmußte.

Hastig blickte er sich um. Menschen standen inGruppen umher und unterhielten sich. Einige nahmenAbschied voneinander, trennten sich, winkten sichnoch einmal zu. Eine junge Dame mit ausnehmendhübschen Beinen schritt zielbewußt durch die Sperreauf die wartende Maschine zu. In der Hand trug sieihre große, braune Ledertasche. Weiter links erblickteLloyd die Gestalt eines Polizisten, der mitaufmerksamen Augen die Passanten beobachtete.

Lloyds Blicke kehrten zu der jungen Dame zurück.In seinem Gehirn verstärkten sich die Eindrücke.

Ja, wahrhaftig. Die gewaltigen Gedanken kamenvon ihr, kein Zweifel. Für einen Augenblick glaubteder Mutant sich getäuscht zu haben, aber er konntesich auf seinen Orientierungssinn verlassen.

Vorsichtig setzte er seinen muskulösen Körper inBewegung und ging hinter der Dame her. Sie trug einmodernes Kostüm und erweckte den Eindruck, als obsie viel Sport triebe. Ihr Gang war elastisch und fastweich.

Noch drei Minuten bis zum Start. Als er dieGangway emporstieg; zeigte die junge Dame ihrenFlugschein mit der Platznummer vor, wechselteeinige Worte mit der Stewardeß und begab sich dannin das Innere der Maschine. Lloyd folgte ihr. SeinAusweis genügte. Er erhielt den Platz schräggegenüber.

Die Gedanken an etwas Schreckliches schwächtensich nun ein wenig ab und machten Beruhigung undvorläufiger Sicherheit Platz. Lloyd wußte mitBestimmtheit, daß im Augenblick keine Gefahr,drohte. Aber er wußte auch, daß er diese, wie er nunsah, hübsche Frau nicht aus den Augen lassen durfte,solange sie in der Maschine weilte.

Sie mochte etwa fünfundzwanzig Jahre alt sein,war schlank und hatte dunkelbraune Haare. Ihreetwas schmalen Augen verliehen ihrem ovalenGesicht einen ungewöhnlichen Reiz, und Lloydkonnte sich nicht gut vorstellen, daß sie eine Agentindes unbekannten Overhead sein sollte. Vielleicht wardas alles nur ein purer Zufall.

Die Maschine startete und glitt bald hinter deruntergehenden Sonne her. Ihre Geschwindigkeit warso groß, daß die Sonne noch in gleicher Höhe über

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dem Horizont stand, als sie in Berlin-Tegel landete.Lloyd spürte die plötzliche Welle der Erregung

über sich hinwegspülen, als das junge Mädchenaufstand und zur Tür ging. Die Maschine warausgerollt und stand dicht vor den Hallen derZollabfertigung.

Der Mutant erhob sich ebenfalls und beeilte sich,sein Opfer nicht aus den Augen zu lassen. DessenGehirnwellenmuster waren nun so intensiv, daßLloyd sich ihrer kaum noch zu erwehren wußte. Fastschmerzhaft drangen sie in sein Bewußtsein ein underweckten in ihm das Gefühl einer unmittelbarenBedrohung.

Sie war ausgestiegen und schritt nun schnell undohne zu zögern auf die Sperre zu. In der Hand hieltsie ihren Flugschein. Gepäck besaß sie anscheinendnicht. Kein Gepäck? Es war Lloyd, als habe ihmjemand einen Kübel heißes Wasser über den Rückengeschüttet. Gepäck?

Mit einem Ruck erkannte er die Wahrheit. DieDame trug nichts in der Hand. Sie hatte ihreLedertasche im Flugzeug zurückgelassen.

Lloyd machte auf dem Absatz kehrt, jagte mitHöchstgeschwindigkeit zur Maschine zurück, drängtesich an den aussteigenden Passagieren vorbei, achtetenicht auf die wütenden Proteste und war mit einemSatz an dem Platz, auf dem die Verdächtige gesessenhatte.

Die Ledertasche stand harmlos unter demLiegesessel.

Mit einem Griff nahm er sie hoch und raste denkleinen Weg zurück. Für einen Augenblick glaubteer, die Besitzerin der Tasche verloren zu haben, aberdann sah er sie drüben beim Ausgang. Sie bemühtesich, ein Taxi aufzutreiben. Lloyd empfing ihrewirren Gedankenmuster, in die sich erneutUnsicherheit gemischt hatte. War sie nicht von demüberzeugt, was sie getan hatte?

Er kam gerade zurecht, sie in ein Taxi steigen zusehen. Mit einigen erstaunlichen Sätzen holte er dasanfahrende Auto ein, öffnete den Schlag und sprangin das Innere. Er sah direkt in die vor Entsetzen weitaufgerissenen Augen der jungen Dame, die jedochnicht ihn, sondern die Ledertasche anstarrten, die erachtlos unter den Arm geklemmt hatte.

»Mein Gott«, stöhnte Lloyd erschöpft, »haben Siees aber eilig. Sie vergaßen Ihre Tasche im Flugzeug.«

Die Fremde betrachtete ihn forschend, dannhuschte Erschrecken über ihre Züge. Ihre Hand fuhrin die Kostümtasche und kam mit einem zierlichenRevolver wieder zum Vorschein. Aber Lloyd wardurch ein entsprechendes Empfindungsmuster desanderen Gehirns gewarnt worden. Mit einemschnellen Griff nahm er dem Mädchen die Waffe ab.»Aber nicht doch, meine hübsche Freundin«, warnteer sanft. »Ich meine es doch gut mit Ihnen ...«

»Sie lügen«, schüttelte sie den Kopf. Sie sprach einetwas hartes Englisch mit russischem Akzent. »SeitMoskau verfolgen Sie mich. Meinen Sie, ich hättedas nicht bemerkt?«

»Sie sind Gedankenleserin?« Sie zögerte eineSekunde, dann nickte sie. »Ja, ich bin Telepathin.«Im ersten Moment war Lloyd enttäuscht und sogarerschrocken. Wie sollte er mit jemand fertig werden,der seine geheimsten Gedanken erriet? Dann zuckteer die Schultern.

»Gut, dann können wir ja offen miteinander reden.Sie hatten von Overhead den Auftrag, dieLuftfahrtlinien der Dritten Macht zu sabotieren. Indieser Tasche tickt eine Sprengladung. Sie stelltenden Zeitzünder ein und ließen die Bombe in derMaschine. Zwischen hier und London wäre sie dannexplodiert. Nun, habe ich richtig geraten?«

Sie maß ihn mit einem abschätzenden Blick.»Und wenn es so gewesen wäre?«»Dann wäre Perry Rhodan sehr daran interessiert,

sich mit Ihnen zu unterhalten.«Über ihr hübsches Gesicht huschte ein Schatten.»Ich habe kein Interesse daran, mich mit einem

Verräter der Menschheit zu unterhalten. Das könnenSie ihm bestellen. Im übrigen würde ich an IhrerStelle dafür sorgen, daß ich die Tasche dort loswürde.Die Sprengladung ist stark genug, uns beide bis in dieWolken zu befördern. Nur ich kenne den Zeitpunktder Zündung.«

»Solange Sie bei mir sind und keine Unruhezeigen, kann mir nichts passieren«, konterte Lloydvoller Logik. Er beugte sich vor und schob diegläserne Trennscheibe zurück. »Chauffeur, bringenSie uns zum Flughafen zurück.« Er schloß dieScheibe wieder und wandte sich an seine Gefangene.»Es wäre nett, wenn wir uns vorstellen würden.Meinen Namen kennen Sie ja bereits. Wie darf ichSie nennen?«

»Tatjana Michalowna«, antwortete sie trotzig. Erfühlte, daß sie nicht log. »Aber mehr erfahren Sie aufkeinen Fall.«

»Perry Rhodan und seine Mutanten schon«,versprach er seelenruhig und stellte zu seinerGenugtuung fest, daß sie erschrak. »Ich habe einenschnellen Flitzer auf dem Flughafen. In wenigenStunden können wir in Terrania sein.«

Sie gab keine Antwort. Ihr Blick lag nachdenklichauf der Ledertasche, die neben Lloyd stand. Erbemerkte es und lächelte.

»Keine Sorge, Madam, irgendwo in Sibirienschadet eine kleine Explosion niemand. Früherfanden dort größere statt.« Sie schwieg verbissen.

*

Das geistige Duell zwischen John Marshall und

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Tatjana Michalowna war nur von geringer Dauer,dann wußte die Russin, daß Leugnen zwecklos war.Außerdem kam noch etwas anderes hinzu, mit demsie nicht gerechnet hatte: Perry Rhodan.

Zögernd begann sie zu sprechen. »Wie alleMenschen stand ich der Dritten Macht skeptischgegenüber. Für mich waren Sie, Mr. Rhodan einVerräter, denn Sie verbündeten sich mitaußerirdischen Lebewesen und strebten dieWeltherrschaft an. Zugegeben, Sie verhinderten denAtomkrieg zwischen Ost und West, aber das gabIhnen nicht das Recht, uns in eine Entwicklung zudrängen, die zu schnell fortschreitet und uns aus dervorgeschriebenen Bahn wirft. Wir hätten die Weltauch ohne Sie geeint.«

»Davon bin ich überzeugt«, gab Rhodan lächelndzu und zwinkerte verständnisvoll. »Auf Ihre Art,natürlich. Ich tat es eben auf meine Art. Was istdagegen einzuwenden?«

»Einiges. Jedenfalls begegnete ich eines Tageseinem Mann, in dessen Gedanken ichÜbereinstimmung mit den meinen feststellte. Auch erverdammt die Dritte Macht und wünscht Frieden.Unseren Frieden ich nahm Verbindung mit ihm auf,und weil er von meiner telepathischen Begabungnichts ahnte, erfuhr ich alles. Eine Vierte Macht warund ist im Entstehen, eine rein menschliche Macht,die nichts mit Arkoniden und Völkern derMilchstraße zu tun hat. Der Overhead betreibtirdische, aber keine galaktische Politik.«

»Sehr engstirnig«, nickte Rhodan. »Aber weiter,Miß Michalowna.«

»Ich schloß mich dem Overhead und seinenLeuten an«, sagte sie einfach. »Der Kampf desOverhead ist gerecht, denn er richtet sich gegenetwas, das uns wesensfremd bleiben muß.«

»Auch die kleinen Nationen Europas hielten dieKulturen ihrer Nachbarn einst für wesensfremd«,warf Rhodan ein. »Heute bilden sie eine Einheit.«

»Eine natürliche Entwicklung, keine künstliche ...«»Sagen Sie das nicht, Madam. Man hat

nachgeholfen.«»Trotzdem ...«»Ich sehe keinen Unterschied. Die Menschheit

mußte feststellen, daß sie nicht die einzigeintelligente Art im Universum ist. Sollte sie sichisoliert halten, um eines Tages das Opfer einesräuberischen Überfalls zu werden? Oder ist es nichtbesser, sich seiner Umgebung anzupassen? Mehr tunwir nicht! Nur eine geeinte Erde in starker Hand wirdden Anschluß an die galaktische Zivilisation nichtverpassen. Noch vor zehn Jahren lag eine solcheEntwicklung in fernster Zukunft und schien wie derphantastische Traum eines Schwärmers. Heute ist siereale Wirklichkeit. Wir haben uns zu entscheiden -und viele haben es bereits getan. Daran kann auch ein

Overhead nichts ändern.«»Er will es auch nicht, aber er ist gegen Ihre

Alleinherrschaft.«Rhodan lächelte und warf John Marshall einen

schnellen Blick zu.»Wenn ich die Alleinherrschaft wollte, hätte ich

sie längst errichten können. Das müssen Sie dochzugeben.« Sie zögerte.

»Ja, das stimmt. Warum taten Sie es nicht?«»Weil ich keinen Wert darauf lege. Die Polizei soll

für Ordnung sorgen, aber sie soll niemals herrschen.«»Sie betrachten sich als Weltpolizei?«»Vielleicht, aber man soll es nicht so wörtlich

nehmen. Betrachten Sie mich besser alsWegbereiter.«

Sie gab keine Antwort, aber man konnte ihremGesicht ansehen, daß sie angestrengt nachdachte.John Marshall, der Telepath, sagte plötzlich:

»Wie kommt es, Miß Michalowna, daß ich nichtalle Ihre Gedanken klar empfangen kann? Ich binnoch nie einem Menschen begegnet, der seineGedanken vor mir verbergen konnte.«

»Dann sind Sie es jetzt«, lächelte Tatjanaüberlegen. »Ich beherrsche außer der Telepathie eineweitere Fähigkeit, die allem Anschein nach nicht soselbstverständlich zu sein scheint, wie ich bisherannahm. Ich kann einen Willensblock gegen fremdeBeeinflussung errichten; vielleicht schirmt dergleichzeitig auch meine Gedanken ab, so, daß einanderer Telepath sie nicht empfangen Wann.«

»Sie können sich gegen fremde Beeinflussungabsichern?« fragte Rhodan interessiert. »Ist dasnotwendig?

Es gibt nur wenige Menschen, die Hypnos sind.«»Der Overhead ist ein Hypno«, sagte Tatjana

betont.Rhodan sah sie lange an, ehe er langsam nickte.»Und Sie sind in der Lage, seinen hypnotischen

Fernzwang abzuwehren?« Er wartete, bis dasMädchen genickt hatte, dann fuhr er fort: »Siekönnen also jetzt in diesem Augenblick gegen seinenWillen handeln?« Wieder nickte sie. »Wissen Sieauch, daß er seinen Mitarbeitern den Befehl gibt, zusterben, sobald wir sie gefangengenommen haben?«Sie wurde bleich. »Und?« fragte sie erschrocken.»Sie sterben auf Befehl«, sagte Rhodan brutal.»Darum sorgen Sie dafür, daß Ihr Block hält. Sie sindwahrscheinlich der einzige Mensch, über den derOverhead keine Gewalt hat, außer uns natürlich.Denn unsere Gehirnwellenmuster kennt er nicht. Eingewisser Einfluß ist möglich, aber nicht der Befehlan unser Herz, die Tätigkeit einzustellen.«

»Das ist ungeheuerlich!« rief sie. Tatjana wurdenicht mit der Tatsache fertig, daß ihr Gebieter einskrupelloser Mensch war. Rhodan nutzte dieSituation.

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»Der Overhead ließ eine meiner Kompanienmeutern und auf die eigenen Freunde schießen. ZumGlück konnten wir das Schlimmste verhindern.«

Tatjana schlug die Hände vor das Gesicht.»Und ich war so verblendet, daß ich fast hundert

unschuldige Menschen ermordet hätte. DieSprengbombe ...«

»Denken Sie nicht mehr daran«, sagte Rhodanleise und eindringlich. »Menschen haben in gutemGlauben schon Schlimmeres getan. Sie handeltennach Ihrer Überzeugung. Wenn Sie sich von IhremSchreck erholt haben, wird Lloyd Sie nach Moskauzurückbringen. Niemand zwingt Sie, bei uns zubleiben.« Sie sah ihn erstaunt an. »Sie lassen michfrei?«

»Warum sollte ich Sie halten? Ich glaube kaum,daß Sie noch einmal die Dummheit begehen werden,sich von Parolen irreleiten zu lassen. Der Overheadist nicht nur ein engstirniger Nationalist, sonderndazu noch ein machthungriger Verbrecher. EinesTages werde ich wissen, wer sich hinter der Maskedes Overhead verbirgt.«

Tatjana hob den Kopf und sah Rhodan ein wenigverblüfft an. Dann lächelte sie plötzlich.

»Sie wissen nicht, wer der Overhead ist?« fragtesie forschend.

Rhodan schüttelte den Kopf, aber seinestahlgrauen Augen wurden plötzlich kalt undhellwach. Er beugte sich vor. »Sie etwa?«

Tatjana nickte genußvoll und kostete ihreÜberlegenheit aus. »Ich kenne ihn sogar persönlich.«

3.

Ganz in der Nähe von Alamogardo, wo 1945 dieerste Atombombe der Welt gezündet wurde, gingEnde des Jahres 1944 ein Versuchsreaktor durch. Diefreiwerdende Strahlung tötete viele Wissenschaftlerund Arbeiter, aber genauso viele kamen mit demLeben davon.

Einer von ihnen war der Physiker Monterny, derkurz darauf heiratete und eine kurze, aber glücklicheEhe führte. Im Jahre 1945 gebar ihm seine Frau einenSohn, Clifford Monterny. Clifford war ein Mutantersten Grades, ein Hypno von unwahrscheinlicherStärke.

Er studierte, wie sein Vater, Physik. Seineaußergewöhnliche Intelligenz verschaffte ihmeinflußreiche Stellen und ein beachtliches Vermögen,aber er wurde ziemlich alt, ehe er seine abnormalenFähigkeiten an sich entdeckte. Er konnte fremdenMenschen ohne Schwierigkeit seinen Willenaufzwingen. Zwei Jahre dauerte es, bis er herausfand,daß sein Einfluß keinerlei entfernungsmäßigerBeschränkung unterlag. Einen Menschen, den ereinmal in seinem Leben gesehen hatte, konnte er auf

der anderen Seite der Welt aufspüren undbeeinflussen.

Clifford Monterny war dick, aufgeschwemmt undsah nicht sehr anziehend aus. Frauen mieden ihn, wasvielleicht nicht ohne Einfluß auf seineCharakterbildung blieb. Seine kleinen undtiefliegenden Augen blickten stets mißtrauisch undneidisch. Bereits mit zweiunddreißig Jahren besaß erkeine Haare mehr auf dem Kopf und trug fast immereinen Hut. Seine ungewöhnliche Intelligenz stand imkrassen Gegensatz zu seiner unerfreulichenErscheinung.

Aufmerksam verfolgte er das Entstehen der DrittenMacht und den Erfolgsweg Perry Rhodans. Erbeobachtete die Aufstellung des Mutantenkorps undwar mehr als einmal entschlossen, sich Rhodan zurVerfügung zu stellen. Aber er tat es niemals.

War er nicht selbst ein Mutant? Konnte er nicht,wenn er wollte, die Geschicke der Menschheit leiten?Konnte er nicht mehr Macht an sich reißen, als je einMensch vor ihm in den Händen hielt? Konnte ernicht selbst ein Mutantenkorps aufstellen?

Und so begann Clifford Monterny in allerHeimlichkeit, eine eigene Mutantengruppe um sichzu sammeln.

Clifford Monterny wurde der Overhead, ein Mann,den kaum jemand kannte und der überall zu seinschien - und nirgends. Sein Vermögen erlaubte esihm, sich im Felsengebirge von Utah eine regelrechteBurg zu errichten. Knapp hundert Kilometer östlichdes großen Salzsees, am Fuße des 4090 hohenEmmons Peak, lag seine Farm mit neunQuadratkilometer Fläche. Das auf diesem Grunderbaute Haus glich einer Festung, die alsuneinnehmbar bezeichnet werden konnte. Alletechnischen Einrichtungen der Neuzeit sorgten fürrechtzeitige Meldung und Überwachung jedenBesuchers, und sie würden auch jeden Angreifererfolgreich abwehren können.

Als er fünfunddreißig Jahre alt war, war seinetelepathische Begabung ebenfalls ausgereift. InVerbindung mit seiner Hypnoeigenschaft beherrschteer nun jeden Menschen, dem er einmal begegnet warund dessen Schwingungsmuster er könnte. Es gabkein Entrinnen, denn er fand jeden wieder, wo immerer sich auch befand.

In aller Stille war im Felsengebirge von Utah dasHauptquartier einer Macht entstanden, die sogarPerry Rhodan gefährlich zu werden drohte. Der ersteAngriff wirtschaftlicher Art gegen die Dritte Machtkonnte von Rhodan abgewehrt werden, aber nunverlegte sich der Overhead auf direkte Methoden.

In diesem Stadium der Entwicklung lernte PerryRhodan die Identität des bis dahin Unbekanntenkennen.

19

*

Alle Geheimdienste der Welt hatten sich zurTerranischen Abwehr-Föderation, der TAF,zusammengeschlossen. Generalsekretär diesereinflußreichen Organisation war Allan D. Mercant.

Mercant ordnete etwas verwirrt seinen dünnenblonden Haarkranz, als ihm sein Besucher gemeldetwurde.

»Rhodan selbst?« vergewisserte er sich, als könneer es nicht glauben.

Wie lange war es her, daß er mit Rhodangesprochen hatte? »Was stehen Sie denn so herum?Lassen Sie ihn eintreten!«

Der jüngere Offizier wäre bei der Kehrtwendungfast gestolpert und hätte Rhodan beinahe umgerannt,der lächelnd ins Zimmer trat und Mercant herzlichbegrüßte.

»Wie geht es, alter Herr? Immer noch gesund undmunter?«

»Wie ein älterer Fisch«, knurrte Mercant bitter undglättete die Haare an den Schläfen. Sie waren grauergeworden, aber das Blond im Haarkranz hielt sichhartnäckige dachte Rhodan mit einem plötzlichenVerdacht. »Was verschafft mir die Ehre Ihres hohenBesuches?«

»Nichts Erfreuliches«, versprach Rhodan undnahm Platz. »Ich benötige Ihre Hilfe.«

»Hilfe?« machte Mercant und bekam rundeAugen. »Ich soll Ihnen helfen?«

»Diesmal ja«, lächelte Rhodan. »Ausnahmsweise.Ich möchte keine politischen Schwierigkeiten. Siewissen ja, wie empfindlich man da heutzutage seinkann.«

»Allerdings«, nickte Mercant mitfühlend.»Schließlich haben wir j? auch noch keineWeltregierung.«

Rhodan beugte sich vor und sah Mercantforschend an. »Kennen Sie Clifford Monterny?« Aufdem Gesicht seines Gegenübers zeigte sichernsthaftes Nachdenken, dann kam ein zögerndesNicken.

»Unbekannt ist er mir nicht, wenn ich den Mannauch nicht persönlich kenne.«

»Ihr Glück«, warf Rhodan ein. Mercant achtetenicht darauf.

»Es gab einen bekannten Physiker mit NamenMonterny, aber der kam bei einer Explosion umsLeben. Ist schon länger her.«

»Das war der Vater. Ich meine den Sohn Clifford.«»Ist er nicht auch Physiker?« Als Rhodan nickte,

fuhr er fort: »Hat einige Erfindungen gemacht, abernoch niemals die Aufmerksamkeit der TAF auf sichgelenkt. Muß eine Menge Geld haben. Irgendwo imWesten besitzt er ein Landgut oder so etwas

Ähnliches. Aber, zum Teufel, was fragen Sie mich?Bin ich das Einwohnermeldeamt?«

»Ich möchte von Ihnen die Erlaubnis erhalten, miteinem Geschwader meiner Raum-Zerstörer in dieUSA einzufliegen und dieses Landgut Monternysdem Erdboden gleichzumachen. Sie sehen dochsicherlich ein, daß dazu eine Art Genehmigungvorhanden sein muß.«

»Was wollen Sie? Ich glaube ...«, rief Mercanterregt.

»Glauben Sie nichts, Mercant. Clifford Monternyist der geheimnisvolle Overhead, falls Sie dasinteressieren sollte. Er ist dabei, die Ordnung derWelt zu erschüttern. Er ist ein Hypno und kann jedenStaatsmann der Welt noch heute dazu veranlassen,die Atombombenvorräte seines Landes, sofern essolche hat, auf das Gebiet seines Nachbarn zuwerfen. Clifford Monterny ist Weltfeind Nummereins, wenn es jemals einen solchen gab. Nur seineVernichtung kann uns alle vor größerem, Unheilbewahren. Darum kam ich zu Ihnen.«

Mercant sprach bereits in ein Tischmikrofon undforderte über das FBI alle Unterlagen über die PersonMonternys an. Dann sah er auf.

»Sie können mit meiner vollsten Unterstützungrechnen, Rhodan. Die Verbindung mit demPräsidenten der USA ist eine Sache von Minuten.Nur eine Frage: wo haben Sie jetzt Ihre Zerstörer?«

Rhodan lächelte sanft. »Sie stehen in dreißigKilometer Höhe über diesem Punkt, Mercant.Überrascht Sie das?«

*

Kadett Julian Tifflor sah weit vor sich dieabgerundete Scheibe der Erde. Im gleichen Bogenspannte sich darüber die milchige Schicht derdichteren Atmosphäre, dann ging der Himmellangsam über Violett in Schwarz über. Die größerenSterne schimmerten, ohne zu funkeln, obwohl dieSonne schien.

Ohne besondere Formalitäten war er von PerryRhodan in die Flotte der Dritten flacht übernommenworden. Man hatte ihm das Kommando über einenZerstörer anvertraut. Zusammen mit Ray Gall undPete Maros stand er nun mit der Z-35 in dreißigKilometer Höhe über dem Hauptquartier der TAF,wo Rhodan gerade mit Mercant verhandelte.

Acht weitere Zerstörer schwebten dicht daneben,von ihren Schwerkraftneutralisatoren gehalten.Weiter oben, für ihre Augen unsichtbar, stand dasgewaltige Raumschiff STARDUST II im Raum.Bully selbst fungierte als Kommandant, währendRhodan auf der Erde weilte. Die Dritte Macht warzum Angriff gegen den Overhead übergegangen.

Mercant hatte die notwendigen Anordnungen

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erlassen, und niemand wäre es eingefallen, die neunKreuzer zu belästigen, die über amerikanischemHoheitsgebiet warteten. Gegen die achthundert Metergroße Raumkugel STARDUST II gab es ohnehinkeine Waffe.

Tiff atmete erleichtert auf, als der Bildschirm vorihm aufleuchtete und darauf das wohlbekannteGesicht Bullys erschien. Er wußte, daß gleichzeitigauch die Kommandanten der anderen acht SchiffeVerbindung mit der STARDUST erhielten.»Achtung, an alle Zerstörer! Rhodan wird in wenigenMinuten mit dem Beiboot auf der STARDUSTeintreffen. Die geplante Aktion wird durchgeführt.Sie haben sich nur an die permanenten Anweisungenzu halten. Ende.«

Der Schirm blieb hell, wenn auch Bullys Gesichtseitlich verschwand. Die akustische Verbindungwurde unterbrochen. Dieser Zustand dauerte zehnMinuten, dann kam eine Kursanweisung. Bullysruhige Stimme leitete die neun Zerstörer in ihr Ziel.

*

Tief unter der Erde lag Clifford MonternysKampfzentrale.

Umgeben von zahllosen Bildschirmen und anderenNachrichtengeräten hockte der Overhead in dieserZentrale wie eine Spinne in ihrem gewaltigen Netz.Hier liefen alle Fäden zusammen, und von hier ausleitete das Monster seine fast unbemerkt bleibendenSchlachten.

Einer der Bildschirme leuchtete auf. Das Gesichteines Asiaten erschien darauf. Das Bild flimmerteund verbarg die Einzelheiten. Die Sendung mußteüber viele Relaisstationen gehen. »Was gibt es, S-7?«fragte Clifford. »Im Rahmen seiner neuen Versuchewurde das Werk Syntak in der vergangenen Nachtzerstört. Es liegt in Australien und gehört mitfünfundsechzig Prozent seines Aktienkapitals derGCC.«

»Danke, S-7. Ich werde einen entsprechendenScheck überweisen.«

Das Bild erlosch. Ein anderes Gesicht auf einemanderen Bildschirm flammte auf. Ein Neger.

»Hier spricht M-3, Herr. Der Gouverneur vonSirapolis fiel heute früh einem Verkehrsunfall zumOpfer. Der Fahrer des Unfallwagens ist unerkanntentkommen.«

»Danke, M-3. Sie kennen Ihre nächste Aufgabe?«»Ich erhielt Anweisungen durch ...«»Schon gut, M-3. Ich warte auf Vollzugsmeldung.

Ende.« Ein dritter Schirm. »Hallo, Chef. Hier sprichtSp-6. Ungewöhnliche Flugtätigkeit im Raum derTAF. Kugelschiff beobachtet. Das FBI wurde umAngaben über die Person des Clifford Monternygebeten.«

»Was sagen Sie?« Clifford beugte sich vor. »Übermich?«

»Die Information ist absolut sicher, Chef. Ich weißnur nicht, wer die Sache angefordert hat.«

»Verdammt, das ist doch unmöglich! Niemandweiß, wer ich bin. Oder sollte ...?«

Wie eine Vision tauchte vor ihm plötzlich dasovale Gesicht einer hübschen Frau auf, mit der er seiteinigen Tagen keine Verbindung mehr hatte. TatjanaMichalowna! Er hatte sie verloren, als sie ihrenletzten Auftrag nicht ausführte. Tatjana, das wußte er,war starke Telepathin, genau wie er. Aber sieverfügte außerdem über die Gabe, ihr Gehirn nachaußen abzuschirmen und sich somit jederBeeinflussung zu entziehen. Auch der seinen.

Sollte Tatjana es gewagt haben, ihn zu verraten?Und warum? War sie nicht eine seinerüberzeugtesten Anhängerinnen gewesen? Er hattesich stets zusammennehmen müssen, wenn er sie inder Nähe wußte, damit er nichts Falsches dachte.

»Es muß jemand von unseren eigenen Leutengewesen sein«, hörte er jetzt den Agenten Sp-6sagen. »Sobald ich erfahren habe, wer dieInformationen vom FBI anforderte, melde ich mich.Ende.«

Clifford unterbrach den Empfang für einigeMinuten und dachte angestrengt nach. SeinSupergehirn griff aus und suchte in allen Teilen derWelt nach seinen Leuten. Das war nicht immer soeinfach, darum unterhielt er auch fürRoutinemeldungen seinen Nachrichtenapparat.Immerhin konnte er seine Agenten notfalls auch ohneGeräte überwachen.

Dreizehn Mutanten standen unter seinemKommando. Der eine, große, konnte sich nichtmelden, da er nicht auf der Erde weilte. Elf meldetensich und erhielten den Befehl, sofort zurückzukehren.Nur ein einziger Mutant beantwortete Cliffords Rufnicht: Tatjana Michalowna.

Der Overhead überlegte nicht lange. Er gabVorsorgealarm. Die ersten Mutanten trafen ein. DieFestung wurde in den Verteidigungszustand versetzt.

Auf dem unübersichtlichen Gelände der Farmlandeten die winzigen Raketenflugzeuge undbrachten die Hauptakteure, die Mutanten. Sie hattenihre Posten verlassen und eilten ins Hauptquartierzurück, um neue und direkte Anweisungen zuerhalten. In den unterirdischen Stollen derehemaligen Erzminen begann eine fieberhafteTätigkeit. Moderne Geschütze glitten in Fahrstühlenbis dicht unter die Oberfläche und bezogenAbwehrstellung. Alles erfolgte völlig automatischund wurde elektronisch gesteuert.

Der Overhead saß in seiner Zentrale undkontrollierte die Vorgänge. Bildschirme zeigten dieUmgebung des Farmhauses in allen Einzelheiten,

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aber so sehr er sich auch bemühte, er konnte nichtsVerdächtiges feststellen. Von einem eventuellenAngreifer war weder etwas zu sehen noch zu hören.

Vielleicht hatte Agent Sp-6 sich getäuscht und eshandelte sich bei der Anfrage beim FBI nur um eineRoutinesache; aber man konnte in seiner Positionnicht vorsichtig genug sein. Wenn sich wenigstenssein Mann in Terrania melden würde.

Clifford Monterny wußte nicht, daß dieser Mannsich nie mehr melden würde und nie mehr meldenkonnte. So sehr sein forschender Geist ihn auchsuchen würde, ein totes Gehirn vermochte er nichtaufzuspüren. Tatjana hatte dafür gesorgt, daß Verratvon dieser Seite aus unmöglich wurde. Bei seinerVerhaftung war der Agent in Notwehr erschossenworden.

Wie gesagt das wußte Overhead nicht. Er wartetevergeblich auf eine Meldung aus Terrania. Und sowußte er auch nicht mit Sicherheit, ob vielleichtPerry Rhodan von seiner Identität erfahren hatte.Vorläufig blieb alles ruhig. Aber beim geringstenAnzeichen eines Angriffes würde sich die harmloseFarm des großherzigen Clifford Monterny in einefeuerspeiende Festung verwandeln. Der Overheadwar gerüstet.

*

Perry Rhodan und Bully ließen sich Zeit.Die STARDUST und die neun Zerstörer waren bis

an den Rand der Atmosphäre gestiegen, um jedeEntdeckung durch die Radaranlagen des Overheadunmöglich zu machen. Hier hielten sie den letztenKriegsrat.

»Die Mutanten haben ganze Arbeit geleistet«,berichtete Bully und warf dem in der Eckehockenden Gucky einen warnenden Blick zu. »Eskonnten weitere Agenten des Overhead unschädlichgemacht werden. Von seinen Mutanten erwischtenwir niemand. Tatjana behauptete, außer ihr habe ernoch zwölf gehabt. Elf kennt sie, den zwölften nicht.Es muß sich um ein besonders fähigesMusterexemplar handeln«

»Fähiger als ich?« fragte Gucky von der Ecke her.Das allerdings konnte man sich kaum vorstellen.

Zumindest was das Aussehen anbetraf, konnte Guckyvon keinem Menschen übertroffen werden, dennGucky war kein Mensch. Als Rhodan einst anläßlichder Suche nach dem Unsterblichen von Wanderer aufdem einsamen Planeten Tramp zwischenlandete,hatte der Mausbiber sich an Bord der STARDUSTgeschlichen und war von da an nicht mehr vonRhodans und Bullys Seite gewichen. Gucky hatterötlichbraunes Fell den Kopf einer Maus und denKörper eines Bibers. Sein ganzer Stolz warmerbreitflächige Schwanz, auf de er sich beim

Aufrechtgehen zu stützen pflegte. Seineaußerordentliche Intelligenz hatte es ihm ermöglicht,die Sprache der »Zweibeiner« schnell zu erlernen.Hinzu kamen seine perfekte Beherrschung derTelekinese und der Teleportation. Es war schonvorgekommen, daß er eine ganze Flotte von kleinerenRaumbooten nach Belieben exerzieren ließ, obwohlsich die Piloten energisch gegen dieseBevormundung gesträubt hatten.

Dieser Gucky also, Bullys spezieller Freund,hockte in der Ecke der Zentrale und spielte denHarmlosen, wie er es immer tat, wenn sich großeDinge anbahnten. Er gehörte dem Mutantenkorps alsvollwertiges Mitglied an Bully betrachtete ihnabwägend. »In gewisser Beziehung ist er vielleichtfähiger als du, Gucky, aber das wissen wir nicht.Aber nun störe uns nicht, wir haben wichtigeEntscheidungen zu treffen.« Er schnaubte aufgeregtund sah Rhodan an. »Wo war ich stehengeblieben?«

»Bei den Mutanten«, lächelte Rhodan. »Sie habenbereits Tuchfühlung genommen.«

»Stimmt. Der Peiler Tanaka Seiko konnte dieGedankenbotschaft des Overhead auffangen undspäter seine Bildfunksendung. Er stellte diejeweiligen Stationen fest und zeichnete ein Schema.Hier ist es.« Rhodan nahm das Blatt und betrachtetedie Zeichnung. Sie erinnerte an ein Spinnennetz. Inder Mitte saß der Overhead als Zentralpunkt. Vonihm aus gingen die Fäden in alle Welt. Die jeweiligenEndpunkte bezeichneten den Standort desbetreffenden Agenten, zu denen bereits die LeuteRhodans unterwegs waren.

»Ausgezeichnet«, lobte er. »Damit dürfte derOverhead so ziemlich isoliert werden. Er kann nichtmehr auf Hilfe von außen rechnen.«

»Ich glaube nicht, daß ihm das viel ausmachenwird. Vergiß nicht, was Tifflor berichtete. SeinGefangener sprach vom Mars. Ich fürchte, derOverhead hat sich auf dem Mars einen Stützpunktzugelegt.«

»Vorläufig sitzt er noch auf der Erde, und dawerden wir ihn auch erledigen. Noch niemals war ichso entschlossen, einen Gegner restlos zu vernichtenwie diesmal.« Rhodans Stimme hatte einenstählernen Unterton erhalten. »Der Overhead ist derFeind der gesamten Menschheit. Er will auch dieEinheit der Erde, allerdings unter seinem Zepter. Derperfekte Weltdiktator, würde ich sagen.«

»Die Suppe wird ihm versalzen«, nickte Bully undsah auf die Uhr. »Inzwischen dürften unsereStoßtruppen bis in die Nähe der Farm gelangt sein.Warum sind noch keine Meldungen eingetroffen?«

»Vielleicht haben sie Schwierigkeiten? Jedenfallswarten wir nun nicht mehr lange, sondern leiten dieAktion ein. Wenn möglich, möchte ich den Overheadlebendig haben.«

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Bully riß seine Augen weit auf. »Wozu? Um ihneinzusperren? Dann entkommt er uns wieder, und dieJagd beginnt von neuem. Nein, wenn schon, dann binich für seine Vernichtung.«

»Ich denke an seine Mutanten«, gab Rhodan zubedenken. »Ich bin davon überzeugt, daß sie von demschändlichen Treiben ihres Herrn genauso wenigwissen wie Tatjana.«

»Aber verüben sie denn nicht selbst Verbrechen?«»Unter Zwang, Bully. Und in der Meinung, einer

guten Sache zu dienen. Nun, wir werden es ja baldwissen ...«

Die Tür zur Zentrale ging auf. »Meldung ausUtah«, berichtete der Funker vom Dienst erregt.»Man will mit Ihnen sprechen, Mr. Rhodan.«

Bully war noch eher in der Funkzentrale alsRhodan. Langsam kam Gucky hinter den beidenMännern hergewatschelt.

»Hier Wuriu Sengu«, kam eine Stimme aus demLautsprecher, als Rhodan das Erkennungszeichengegeben hatte. Sengu war der japanische »Späher«des Mutantenkorps. Er konnte durch feste Materiesehen und jeden gesuchten Gegenstand auch hinterStahlwänden entdecken. »Ich liege drei Kilometervor dem Haus Monternys. Konnte unbemerkt landenund mich anschleichen. Im Haus selbst ist alles ruhig,ich kann keinen Menschen entdecken. Aber unter derErde ist allerhand los. Ein unglaubliches System vonVerteidigungsanlagen. Lange Korridore mitSeitengängen und unzähligen Kammern. Vorräte,Aufenthaltsräume, Waffenlager. Dazu Aufzüge fürSchnellfeuergeschütze. Der Overhead sitzt in einerArt Zentrale und bereitet die Verteidigung seinesReiches vor. Er muß gewarnt worden sein.«

»Von wem?«»Vielleicht kann Seiko es uns sagen. Er hört die

Gespräche ab, aber ich habe keine Verbindung mitihm.«

Rhodan überlegte einige Sekunden.»Gut, Sengu. Beobachten Sie weiter. Versuchen

Sie, Kontakt mit den anderen Mutanten zu erhalten,besonders mit Seiko. Berichten Sie, wenn etwasNeues geschieht. Wir werden in genau dreißigMinuten angreifen. Halten Sie sich im Hintergrundund greifen Sie erst dann ein, wenn die Hauptgefahrvorüber ist. Verstanden?«

»Verstanden, Sir.« Rhodan richtete sich auf. »Ichwerde den Angriff von dem Beiboot GOOD HOPE Vaus leiten.«

Bully zog die Augenbrauen erstaunt hoch.»Von der Kaulquappe aus?« wunderte er sich.

»Und was soll ich mit der STARDUST?«»Aufpassen, damit nichts schiefgeht, mein

Lieber«, tröstete ihn Rhodan. »Du hältst dich abseitsund sorgst dafür, daß uns der Schurke nichtentwischt. Vergiß nicht, daß er mindestens noch zwei

lichtschnelle Zerstörer besitzt. Drei hat er gestohlen,einer wurde vernichtet. Einer wird ich vielleicht aufdem Mars aufhalten. Bleibt einer übrig. Und auf denmußt du achten.«

»Ich auch?« machte Gucky mit seiner Zirpstimme.Er sah gar nicht zufrieden aus.

»Du auch!« nickte Rhodan ihm zu und klopfteBully auf die Schulter. »Ich bin recht froh, daß wirheute die Arkoniden nicht dabei haben. Für Thoraund Crest sind kriegerische Handlungen nichts. Siebetrachten sie als einen barbarischen Akt derGewalt.«

»Sie haben nicht unrecht.« Rhodan zuckte dieSchultern. »Hast du in diesem Fall eine bessereLösung?«

Bully machte Rhodans Bewegung nach und gabkeine Antwort. Die beiden Männer kehrten, vonGucky getreulich begleitet, in die Zentrale zurück.Hier übernahm Bully das Kommando über dieSTARDUST, während Rhodan mit dem Antigravliftzu den großen Hangars eilte, um die GOOD HOPE Veinsatzbereit zu machen.

Fünf Minuten später verließ das immerhin sechzigMeter durchmessende Kugelschiff die riesigeSTARDUST und sank schnell in die Atmosphäre derErde hinab. Die neun Zerstörer folgten inmilitärischer Formation.

Der Angriff auf das Hauptquartier des Overheadbegann.

4.

Kaum registrierten die Ortungsgeräte CliffordMonternys das Kugelschiff und gaben Alarm, da warRhodan auch schon gelandet, im letzten Augenblickerst wurde den rasende Fall abgestoppt. Die GOODHOPE V stand noch vibrierend auf ihrenTeleskopstützen, keine zweihundert Meter von demflachen Farmgebäude entfernt, als der Overhead auchschon das Feuer eröffnete.

Aus mehr als zwanzig Röhren schlugen meterlangeFlammen und wurden tödliche Sprenggeschossegespien. Die Projektile schossen in gestreckterFlugbahn auf die GOOD HOPE V zu und detoniertenin dem inzwischen errichteten Schutzschirm, derseine Energie aus den unerschöpflichenArkonidenreaktoren erhielt. Es war ein Feuerwerk,wie es diese ruhige Gegend der Felsengebirge nochnie erlebt hatte, solange es Menschen gab. Unberührtvon allem stand die Kugel hinter dem Energieschirmund wartete.

Die automatisch gesteuerte Verteidigungsanlagedes Overhead versandte an die fünfhundertGeschosse, ehe das Elektronensystem einsehenmochte, wie sinnlos dieses Vorgehen war. Die Artdes Beschusses änderte sich. Die mechanische

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Förderanlage wechselte die Sprengköpfe derProjektile aus. Das Elektronensystem des Overheadhatte sich entschlossen, Atomwaffen einzusetzen.

Rhodan hatte damit gerechnet. Er wußte, daß derSchirm auch diese Belastung aushalten undneutralisieren würde. Aber Atombeschuß war dasZeichen dafür, daß dem Overhead keine anderenMittel mehr zur Verfügung standen. Er bedeutete denAnfang vom Ende.

Rhodan wartete drei oder vier Minuten, bis einekurze Feuerpause eintrat. Er hatte in derZwischenzeit genug Gelegenheit gehabt, die Positionder zwanzig Geschütze festzustellen. Ihre Rohrekamen direkt aus dem gewachsenen Felsen undwürden in kürzester Zeit unter der Erdeverschwinden können, wo sie unangreifbar waren.Wenn er die Geschütze unbrauchbar machen wollte,mußte er schnell handeln.

Die Kampfroboter standen bereit. Die Soldaten derDritten Macht, geschultes Abwehrpersonal, wartetenvoller Spannung in der großen Lastenschleuse derGOOD HOPE V. Der Rest des Mutantenkorpsfieberte dem Einsatz entgegen. Die Mutanten alleinahnten, daß der Endkampf nur auf rein geistigerBasis ausgefochten werden konnte. Mutanten gegenMutanten! Alle verfügbaren Desintegratorgeschützedes Schiffes richteten sich gegen die erkannten Zieleund warteten ebenfalls. In der gleichen Sekunde, inder Rhodan den Energieschirm zusammenfallen ließ,würden sie ihre verderbenbringende Flut allesvergasender Strahlen aussenden und das Zielvernichten. Jede kristalline Struktur würde sichrestlos auflösen und nicht mehr existieren.

Rhodan hatte auf die kurze Feuerpause gewartet.Es war der Nachteil einer mechanisch gesteuertenAnlage, daß die einzelnen Geschütze nichtindividuell behandelt wurden. Wenn sie alleschwiegen oder Geschoßwechsel vorgenommenwurden, blieb nicht eines von ihnen feuerbereit.

Der schützende Energieschirm der GOOD HOPEV brach zusammen.

In der gleichen Sekunde schossen zehn kaumerkennbare Strahlenfinger aus der konkaven Hülleund fanden ihr Ziel. Erde und Felsen verwandeltensich im Bruchteil eines Augenblicks in einebrodelnde und verdampfende Masse, in der diestählernen Geschütze wie Butter schwammen undschmolzen.

Schon schwenkten die Strahlenbündel weiter underfaßten die nächsten Ziele. Bevor das elektronischeSystem der Verteidigungsanlage des Overhead dasUnglück registrieren konnte, waren bereits alleGeschütze, bis auf zwei, kampfunfähig gemachtworden. Die restlichen beiden versanken in denSchächten. Aber das bewahrte sie lediglich vor derVernichtung. Die Energiestrahler der GOOD HOPE

V zerschmolzen die Schächte an ihremOberflächenausgang derart, daß eine glasharte Glasursie luftdicht verschloß. Somit gab es kein Geschützmehr, das gegen Rhodan eingesetzt werden konnte.Darauf hatte man gewartet. Der Alarm schrillte durchdas Schiff. Luken öffneten sich. Aus der einen schobsich eine breite Rampe schräg dem Erdbodenentgegen. Sekunden später marschierten zwanzigarkonidische Kampfroboter auf das ruhig zwischenvereinzelten Bäumen daliegende Haus zu, in demsich der Eingang zur unterirdischen Festung desOverhead befinden mußte. Ihre linken Arme warenangewinkelt. Die Hand fehlte; an ihrer Stelle saß einesich konisch verjüngende Mündung.

Ihnen folgten die Soldaten, bewaffnet mithandlichen Impulsstrahlern und Schnellfeuerwaffen.An den Gürteln baumelten die Gasgranaten.

Rhodan war in der Zentrale geblieben undbeobachtete über den Bildschirm hinweg dieGeschehnisse des Angriffs. Vorerst wagte er es nochnicht, seine Mutanten voll einzusetzen. Sie bildetengewissermaßen seine Reserve.

Die Bildschirme waren so koordiniert, daß Rhodanwie in einem Glashaus saß. Nichts konnte ihm vonhier aus entgehen. Und so erkannte er auch als ersterdie Gegenmaßnahmen des Overhead, die sich ineinem verheerenden Ausmaß bemerkbar machten.

*

Clifford Monterny starrte in verzweifelter Wut aufdie Kontrollen seiner automatisch gesteuertenGeschütze. Der Computer reagierte nicht mehr. DieSkalen standen auf Null. Die Geschütze warenausgefallen.

Aber wenn Rhodan meinte, damit sei die Schlachtgewonnen, so hatte er sich geirrt Zugegeben, Cliffordhatte damit gerechnet, seinen Angreifer imSchnellfeuer der zwanzig Geschütze auf Anhieb zuerledigen, aber er hatte auch gegenteiligeMöglichkeiten einkalkuliert. Nicht umsonst hatte ersich eine kleine Mutantenarmee zugelegt, die ihmblind ergeben war.

Seine Hände drehten an einem Knopf. EinBildschirm flammte auf. Der Kopf eines Manneserschien. Die kurzgeschnittenen Haare ließen aufeinen Amerikaner schließen.

»Roster Deegan«, sagte der Overhead, »setzen SieIhre Leute ein. Insbesondere die Telekineten. Rhodangreift mit Robotern an. Sie dürfen das Haus aufkeinen Fall erreichen. Sie kommen zu mir in dieZentrale und leiten unseren Gegenangriff.«

Zwei Minuten später setzten MonternysTelekineten an.

*

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Unbeirrt marschierten die Roboter, gefolgt von denSoldaten. Sie mochten etwa die Hälfte derzweihundert Meter messenden Strecke zurückgelegthaben. Bis zum Haus mochten es noch knapp hundertMeter sein, vertrocknete Wiesen mit einzelnenBäumen. Dazwischen lag ein Haufen ordentlichaufgeschichteter Steine, daneben ein Stapel Holz.Alles machte den Eindruck einer friedlichenLandwirtschaft.

Vielleicht war der Eindruck ein wenig zu betont.In der Zentrale der GOOD HOPE V saß Rhodan

hinter den Kontrollen und wartete darauf, daß etwasgeschah. Wenn auch die Abwehrgeschütze desOverhead ausgefallen waren, so war er dadurch nochlange nicht erledigt. Ein Mann, der die Welt erobernwill, begnügt sich nicht mit einer einzigen Chance; ergeht auf Nummer Sicher.

Fragte sich nur, was er als nächstes einsetzte. Nun,Rhodan sollte es schnell erfahren.

Die vordere Reihe der Kampfroboter bliebplötzlich stehen, als sei sie gegen eine unsichtbareMauer geprallt. Einer taumelte sogar, verlor dasGleichgewicht und stürzte rücklings zu Boden, wo erliegenblieb. Die anderen - Rhodan traute kaum seinenAugen - wurden vom Boden abgehoben und stiegenzögernd und unregelmäßig in die Höhe. Dortbegannen sie dann, um sich selbst zu wirbeln undseitwärts abzutreiben.

Einige fingen an, sinnlos zu schießen, und derRückstoß der Impulsstrahler gab ihnen eineentgegengesetzte Flugrichtung. Wie Feuerräderdrehten sie sich, tödliche Energiefinger versendend,zur Erde zurück und wurden teilweise im Nahkampfvon den Soldaten unschädlich gemacht.

Die zweite Reihe der Roboter fiel einem bereitsgeübteren Angriff zum Opfer. Die Mutanten desOverhead lernten schnell. Die fünf elektronischenKunstwerke wurden von einer unheimlichen Kraftdurch die Luft geschleudert und rammten mit vollerWucht gegen den schnell aktivierten Schutzschirmder GOOD HOPE V. Kraftlos fielen sie dann zuBoden und regten sich nicht mehr. Ihreempfindlichen Eingeweide waren dieser brutalenBeanspruchung nicht gewachsen.

Noch ehe die dritte Reihe ebenso außer Gefechtgesetzt werden konnte, geschah etwas anderes, mitdem Rhodan heimlich gerechnet hatte.

Die Soldaten seiner kleinen Armee begannen, sichsehr merkwürdig zu verhalten. Einige der Männersetzten sich einfach in das Gras, legten ihregefährlichen Strahlwaffen neben sich und begannen,ihre Notverpflegung auszupacken. Anscheinendbeabsichtigten sie, ein Picknick einzulegen, bevor siezum Angriff antraten.

Telekineten und Hypnos, dachte Rhodan mitgelinder Verzweiflung. Immerhin bewiesen

Monternys Mutanten eine Spur von Humor, sonsthätten sie seinen Soldaten befohlen, sich gegenseitigumzubringen.

Rhodans Gegenschlag erfolgte sofort. Der Erfolgwürde davon abhängen, ob der Overhead selbst inAktion getreten war oder nur seine Mutanten. Nachbisherigen Erfahrungen war Monterny der einzigeüberhaupt lebende Mutant, der sich gegen dieWirkung eines Psychostrahlers durchsetzen konnte.

Der Telepath John Marshall gab Tatjana einenWink. Die junge Russin, von dem Eifer erfüllt, diebegangenen Fehler wiedergutzumachen, sprang ausder Luke der GOOD HOPE V und lief, so schnell siekonnte, die Schräge hinab. In ihrer Hand hielt sieeinen silbernen Stab, den sie nun in eine Richtunghielt, die einwandfrei bewies, daß sie die Lage desunterirdischen Hauptquartiers genau kannte. Der Stabzeigte flach zur Erde, auf einen Punkt links vor demHaus. Rhodan hatte Tatjana im Bildschirm. Ervergrößerte und las ihr fast die Gedanken von derStirn ab. John Marshall würde verfolgen können, wieihre gedanklichen Befehle aussahen.

Der Erfolg ihrer Bemühungen trat nach etwa einerMinute ein und war in der Tat verblüffend zu nennen.

Die noch in der Luft schwebenden Roboterverloren ihren unsichtbaren Halt und fielen zur Erdeherab. Wenige nur stürzten so, daß sie sich gleichwieder erheben konnten. Als sei nichts geschehen,setzten sie ihren Vormarsch auf das Haus fort, dabeiaus allen Armen schießend und das Farmgebäude ineinen vergasenden Trümmerhaufen verwandelnd.

Die so angenehm frühstückenden Soldatenunterbrachen jäh ihre Tätigkeit, starrten für denBruchteil einer Sekunde verwundert auf diegeöffneten Konservendosen und die gezücktenBrotmesser, ließen alles fallen, griffen zu den Waffenund rannten hinter den Robotern her.

Tatjana blieb stehen und sorgte dafür, daßMonternys Mutanten keinen Einfluß mehr ausübenkonnten. Sie wußte aber auch, daß die schwierigsteAufgabe noch bevorstand. Natürlich kannte sie nichtalle Einzelheiten des Hauptquartiers, und sie wußtenicht, wieviel Menschen insgesamt hier tief unter derErde in den Felsengängen hausten, aber sie ahnte,daß der Overhead noch weitere Überraschungen fürseine Angreifer bereithielt.

Es mußte ihr gelingen, einen der Mutanten dazu zuüberreden, den zweiten Eingang zu öffnen. Mit Hilfedes Psychostrahlers sollte das möglich sein.

Roboter und Soldaten machten vor den rauchendenTrümmern des Hauses halt. Hier gab es nichts mehrfür sie zu tun. Wenn sich der Eingang zu demunterirdischen Labyrinth im Haus befunden hatte, 90war er nun unbrauchbar geworden. Niemand konntehier ein- oder aussteigen.

Tatjana lockerte den Abschirmblock um ihr Gehirn

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ein wenig, um fremde Gedanken in sich aufnehmenzu können. Sie konzentrierte sich auf das ihrbekannte Wellenmuster des Overhead und versuchte,Verbindung mit ihm zu erhalten. Dabei achtete siedarauf, daß der Psychostrahler stets in, Richtung derZentrale zeigte und war jeden Augenblick bereit, denAbschirmblock erneut zu schließen.

Und dann war die Stimme des Overhead, durch dieSperre geschwächt, plötzlich in ihrem Gehirn.

»Tatjana, Sie haben sich gegen meine Befehlegestellt und unsere gute Sache verraten. Sie sind zudem Verräter der Menschheit übergegangen und ...«

»Genug der Phrasen!« dachte Tatjana konzentriertzurück und fühlte sich durch die Gewißheit gestärkt,daß John Marshall sie »hören« konnte und dieUnterhaltung direkt an Rhodan weiterleitete. »Ihrganzes Werk besteht aus Phrasen und damit getarnterGewalt. Ich habe Sie durchschaut, CliffordMonterny. Sie haben meinen Idealismusmißbraucht.«

»Reden Sie keinen Unsinn!« gab der Overheadzurück, ohne zu versuchen, Tatjana suggestivbeeinflussen zu wollen. Er kannte ihre Fähigkeiten.»Sie haben gegen meine Mutanten keine Chance.«

»Rhodans Waffen sind die besseren, Monterny. Erhat mehr und fähigere Mutanten. Geben Sie auf!«

Lautloses Hohngelächter durchraste Tatjanas undMarshalls Gehirn.

»Aufgeben?« spottete der Overhead. »Wenn ichaufgebe, geht die Welt mit mir unter. Wenn Rhodanschon herrschen soll, dann über eine entvölkerteErde.«

»Danke«, dächte Tatjana ruhig. »Sie haben sichselbst das Todesurteil gesprochen. Versuchen Sienur, Ihren Mutanten einen Befehl zu geben. Wirwerden sehen, wer stärker ist - Sie oder wir.«

»Warten Sie noch«, bat der Overhead hämisch.»Es ist Ihr eigener Vorteil, wenn Sie warten.Vielleicht gelingt es Ihnen, meine Mutanten zubeeinflussen. Über mich jedoch hat auch IhrPsychostrahler keine Macht. Niemand wird michdaran hindern, jetzt in diesem Augenblick meinen inaller Welt wartenden Agenten den Auftrag zu geben,ihre lang vorbereiteten Aktionen durchzuführen.«

»Mag sein«, gab Tatjana zu, »nur wird es Ihnenkaum noch etwas nützen, diese Befehle zu erteilen,denn Sie erhalten keinen Kontakt mehr mit IhrenLeuten. Sie wurden bereits vom Sicherheitsdienst derDritten Macht festgenommen oder unschädlichgemacht. Sie vergessen, daß Rhodan ebenfalls überein Mutantenkorps verfügt.«

Der gedachte Fluch des Overhead warschrecklicher als jeder gesprochene. Er verriet seineOhnmacht. Rhodan wußte im gleichen Augenblick,daß die Macht seines Gegners gebrochen war. Wennes jetzt gelang, in die unterirdische Festung

einzudringen ... Tatjana verlor nicht viel Zeit. Ihretastenden Gedanken suchten und fanden die vonRoster Deegan. Unterstützt durch den Psychostrahler,gab sie ihm den eindringlichen Befehl:

»Roster, öffnen Sie den Notausgang!«

*

Der Overhead spürte, wie Tatjana sich von ihmabwandte und Verbindung mit seinem Telekinetenaufnahm. Er ahnte, was sie von ihm wollte, und erbeschloß, die gute Gelegenheit zu nutzen, eine Probeaufs Exempel zu machen.

Als Telepath verstand er den gedanklichen Befehl,den sie ihm gab. Aber er war ja nicht nur Telepath,sondern auch Hypno. Er gab also den Gegenbefehl.

Unschlüssig verharrte Roster mitten in seinerBewegung; langsam setzte er sich wieder. DerOverhead war stärker als der Psychostrahler. Schontriumphierte Monterny, da begann sich Roster wiederzu erheben. Er schritt langsam zur Tür und ging aufden Gang.

Für einen Augenblick starrte der Overhead ihmverblüfft nach, ehe er einen Fluch ausstieß und seinehypnotische Gabe erneut und verstärkt einsetzte.Aber er spürte sofort, daß sich ihm ein intensiverWiderstand entgegenstemmte, gegen den er nichtankam. Er wußte nicht, daß sich inzwischen AndreNoir, Rhodans Hypno, eingeschaltet hatte.Gemeinsam mit Tatjanas Psychostrahler war erstärker als der Overhead.

Die Tatsache seiner Niederlage wirkteniederschmetternd auf Clifford Monterny. Daß errein technisch gegen Rhodan versagt hatte, berührteseinen Stolz nicht in besonderem Maß, aber, daß erauch der geistig Unterlegenere sein sollte, wollte ihmnicht in den Kopf.

Er hätte Roster töten können, aber er tat es nicht.Im gleichen Augenblick würden sich alle seineMutanten gleichzeitig gegen ihn stellen, und daskonnte in Anbetracht der Situation gefährlichwerden. Vielleicht gelang es ihm, sie allein in Schachzu halten, aber von Rhodans Mutanten geistigunterstützt, waren sie stärker als er. Flucht?

Der Overhead kniff die Lippen zu einem schmalenStrich zusammen. Natürlich hatte er auch an dieseMöglichkeit gedacht und nichts außer acht gelassen,was damit zusammenhing. In seinem unterirdischenHangar stand wartend sein dritter Zerstörer. Das nurdreißig Meter lange Schiff konnte von ihm alleingesteuert werden. An Bord lagerten Lebensmittel fürviele Jahre. Die Bewaffnung war ausreichend. Erkonnte mit dem Zerstörer Lichtgeschwindigkeiterreichen. Und auf dem Mars wartete sein letzter undschrecklichster Mutant auf seinen Einsatz.

Warum sollte er warten, bis sie ihn endgültig in die

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Enge getrieben hatten und ihm kein Ausweg mehrblieb?

Noch einmal versuchte Clifford Monterny, seinenEinfluß auf Roster Deegan zurückzugewinnen, aberer mußte bald die Erfolglosigkeit seines Bemühenseinsehen. Trotzdem gab er nicht auf. Er wollte esRhodan so schwer wie möglich machen.

Noch während Roster den Notausstieg der Festungöffnete und sich die Aufmerksamkeit Tatjanas auf dieneue Aufgabe konzentrierte, gab der Overhead seinenMutanten posthypnotische Befehle und blockierteihre Gehirne mit Psychoblocks. Er wußte, daß es nureine Frage der Zeit war, bis auch diese Blocks wiederzusammenbrachen, aber sein Vorsprung würde sichdadurch vergrößern. Und er brauchte diesenVorsprung. Dann aber zögerte er nicht länger. Erschloß sich gedanklich von der Außenwelt ab undsorgte dafür, daß kein Telepath seine Spur verfolgenkonnte. Zwar verlor er selbst damit jede geistigeOrientierung, aber was weiterhin in seinemverlorenen Reich geschah, interessierte ihn nichtmehr. Vor ihm lag eine größere Aufgabe.

Mit eiligen Schritten verließ er die Zentrale undlief den Hauptkorridor entlang. Hinter sich hörte ervereinzelte Rufe und Schreie. Schüsse peitschtendurch Gänge, und jemand brüllte Kommandos.Dazwischen klang das rhythmische Marschierenarkonidischer Kampfroboter. Rhodans Streitmachtwar in die Festung des Overhead eingedrungen.

Clifford Monterny ballte in verzweifelter Wut dieFäuste, stieß abermals einen Fluch aus und eilteweiter. Er bog in einen unscheinbaren Nebengang einund vergrößerte sein Tempo. Hätte er wenigstens aneine unterirdische Transportmöglichkeit gedacht; weraber rechnete schon damit, daß sein uneinnehmbarerSchlupfwinkel einem ersten Angriff zum Opfer fallenwürde. Der Overhead mußte einsehen, daß er seinenGegner Rhodan nach anfänglichen Erfolgenunterschätzt hatte.

Der Gang erstreckte sich endlos. Wie alle anderenwar er durch in regelmäßigen Abständen angebrachteDeckenleuchten dämmrig erhellt. Es gab Dutzendesolcher Gänge, und Rhodans Leute würden langebenötigen, bis sie diesen hier entdeckten.

Eine Biegung. Noch eine. Dann ging es wiedergeradeaus.

Der Overhead war klug genug gewesen, seinenHangar weit genug von der Zentrale entferntanzulegen. Falls diese im Verlauf einerKampfhandlung zerstört wurde, blieb der Hangarunbeschädigt. Außerdem würde niemand vermuten,daß sich sein Notausgang mehr als zwei Kilometervom regulären Eingang entfernt befand.

Der Lärm hinter ihm war längst verstummt. DerOverhead verlangsamte seine Schritte. DickeSchweißtropfen glänzten auf seinem kahlen Schädel.

Die verzerrten Züge in dem aufgeschwemmten undhäßlichen Gesicht glätteten sich. In die gehetztenAugen trat wieder der bekannte eisige Schimmer vonÜberlegenheit. Trotzdem war Monterny froh, daß ihnjetzt niemand sah. Er, der große Unbekannte undallen Sterblichen Überlegene, befand sich auf derFlucht!

Der Gang endete vor einer glatten Mauer.Mit immer noch zitternden Fingern tastete der

Overhead die Wand ab und fand eine winzigeErhöhung. Ein leichter Druck, und dann glitt dieWand nach oben und gab den Zutritt frei. Er gingweiter. Hinter ihm schloß sich die Wand wieder.

Er befand sich in einer nicht sehr großen aberhohen Halle. Fast erinnerte sie an einen Schacht. DieWände bestanden aus rohem Fels, dessen Vorsprüngeflüchtig beseitigt worden waren. Die Felsendecke inetwa hundert Meter Höhe schien den Hangarabzuschließen.

Auf seinen Teleskopstützen stand mitten in demriesigen Schacht der gestohlene Zerstörer ausRhodans Flotte.

Clifford Monterny atmete erleichtert auf. Nunwürde ihn selbst Rhodan nicht mehr an einer Fluchthindern können. Wenn er nach dem Start sofort aufHöchstgeschwindigkeit beschleunigte, holte ihnkeiner mehr ein.

Flüchtig dachte er an die entführtenWissenschaftler, die nun von Rhodan gefunden undbefreit werden würden. Ihm konnte es gleich sein,denn er besaß längst ihr Wissen. Ihnen hatte er auchdie völlige Beherrschung des vor ihm stehendenRaumschiffs zu verdanken.

Mit wenigen Schritten erreichte er dieTeleskopstützen und betätigte den Kontrollknopf derEinstiegschleuse. Sofort öffnete sich viele Meter überihm die Außenluke, und die Leiter glitt in die Tiefe.Noch während das geschah, lief er zurück zu derSchachtwand und drückte auf einen anderen Knopf,der in den Felsen eingelassen war. Gespannt sah ernach oben.

Die massive Felswand hoch oben begann sich zubewegen. Sie verschob sich seitlich und gab denFluchtweg frei. Helles Tageslicht fiel in den Hangarund ließ die Lichter dort verblassen.

Clifford Monterny verlor keine kostbarenSekunden mehr.

Mit wenigen Sätzen war er bei der inzwischenausgefahrenen Leiter und kletterte an ihr empor, umSekunden später in dem Schiff zu verschwinden. DieLuke schloß sich mit einem dumpfen Laut. Wiedervergingen lange Sekunden. Sie wurden zu Minuten.Im Maschinenteil des Schiffes begannen dieEnergieerzeuger und Umformer zu dröhnen.Hochverdichtete Partikelströme schossen durchmannsdicke Feldleiter, wurden in den Triebwerken

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noch mehr komprimiert, beschleunigt - und verließendie flimmernden Felddüsen im Heck alslichtschneller ultraheller Impuls.

Der Fels unter dem Zerstörer kochte, und währenddie Teleskopstützen eingezogen wurden, schoß dasSchiff empor. Die mit ungeheurem Druck nach allenSeiten ausweichende Energie traf die Wände desHangars und ließ sie schmelzen. Die geheime Türwurde zerstört.

Es war offensichtlich, daß der Overheadbeabsichtigt hatte, diesen Fluchtweg nur ein einzigesMal zu benutzen.

Mit wahnwitziger Beschleunigung schoß dasSchiff senkrecht nach oben und verließ wie einriesiges Geschoß seinen einhundert Meter langenLauf, um in Sekundenschnelle im Blau deswartenden Himmels einzutauchen und zuverschwinden.

5.

Rhodan verließ die GOOD HOPE V - oder auchkurz K-5 genannt - in dem Augenblick, als RosterDeegan an der Oberfläche erschien und mitausdruckslosen Augen Tatjana entgegensah, die aufihn zuging und behutsam versuchte, ihm seineneigenen Willen stückweise zurückzugeben.

Das Mutantenkorps löste die Roboter und Soldatenab und übernahm die Sicherung. Der Telepath JohnMarshall hielt sich neben Rhodan.

»Tatjana teilt mit, daß noch zehn Mutanten außerDeegan in der Festung weilen. Ein posthypnotischerBefehl zwingt sie, die Anordnungen des Overhead zubefolgen. Sie müssen einzeln von dem WillenMonternys befreit werden.«

»Was ist mit den Gefangenen des Overhead? HatTatjana nichts in Erfahrung bringen können?«

»Doch, aber nicht eindeutig. Sie glaubt, daß siesich in der Festung aufhalten.«

»Gut.« Rhodan sah sich um. »Dann kann derKampf der Mutanten beginnen. Ich werde mich selbstum Monterny kümmern.«

Er nahm seinen Psychostrahler und schritt aufTatjana und Deegan zu, die sich im schweigsamenDuell gegenüberstanden. Dicht daneben lag derEingang zu dem Labyrinth frei. Stufen führten in dieTiefe.

»Ich komme mit Ihnen«, sagte Marshall dichtneben Rhodan. »Ebenfalls Sengu, Anne Sloane undBetty Toufry. Sengu kann uns vor jeder Gefahrwarnen, während die beiden Telekinetinnen jedenAngreifer solange festhalten können, bis wir denHypnoblock sprengen.«

Gerade das geschah in diesem Augenblick beiRoster Deegan.

Der Amerikaner schüttelte den Kopf, als sei er aus

tiefem Wasser an die Oberfläche emporgetaucht undfühle sich auf einmal frei von dem Druck der Tiefe.Er nahm Tatjanas Hand.

»Ich verstehe zwar noch nicht alles, aber ichbeginne zu ahnen, was geschah. Zählen Sie auf mich.Befreien Sie auch die anderen.« Rhodan trat hinzu.

»Kommen Sie, Tatjana. Wir dürfen keine Zeitverlieren. Niemand weiß, welche Teufelei derOverhead vorbereitet.«

Roster betrachtete Rhodan forschend, sah ihmlange in die Augen und streckte ihm dann die Handentgegen.

»Sie sind Rhodan; ich kenne Sie von Bildern. Eswird Ihnen sehr daran gelegen sein, IhrMutantenkorps zu vergrößern. Wenn das so ist,warten unten in der Festung noch zehn Menschendarauf, sich Ihre Freunde nennen zu dürfen. Aber -sie sind noch nicht frei.«

Tatjana zeigte auf ihren und RhodansPsychostrahler. »Aber bald.«

Sie begegneten auf dem Gang zur Zentrale demersten Telekineten.

Rhodan fühlte sich plötzlich zur Seite geschleudertund konnte nur mit schnell vorgestreckten Händenverhindern, daß er mit dem Kopf gegen die Felswandprallte. Er ließ sich zu Boden rutschen, um vorerstder Aufmerksamkeit des Verteidigers der Festung zuentgehen. In aller Ruhe richtete er dann seinenStrahler gegen die schattenhafte Gestalt, die sich nurundeutlich gegen das Ganglicht abhob. Eindringlichhämmerte er seine Befehle gegen den Hypnoblock,der keinerlei Anstalten machte, dem plötzlichenWiderstand zu weichen. Erst als der inzwischenherbeigeeilte Andre Noir seinerseits mit hypnotischerGewalt die bestehende Sperrmauer durchbrach undseine Gegenbefehle in das Gehirn des Mutantenpflanzte, zersplitterte die Macht des Overhead.

Rhodan war vorsichtig genug, ihm einenposthypnotischen Befehl mit Hilfe desPsychostrahlers zu geben. Jetzt war keine Zeit fürlange Erklärungen.

Schritt für Schritt drangen sie weiter in das vomOverhead verlassene Reich vor. Verbissenverteidigten es die von ihm noch beherrschtenMutanten, aber nach und nach brach auch dieserWiderstand.

Mit Roster Deegan waren es zehn Mutanten, dieihren Herrn gewechselt hatten. Es hätten jedoch elfsein müssen.

Wo war dieser elfte? Wo war der Overhead?Rhodan sah sich um. »Ras Tschubai?«

Die mächtige Gestalt des riesigen Afrikaners schobsich heran. »Sir?«

»Haben Sie alle Räume, untersucht?«Der Teleporter hob in einer unsicheren Geste die

Hand.

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»Ich weiß es nicht. Es gibt in diesem Fuchsbau soviele Korridore, Gänge und Kammern, daß manniemals sicher sein kann, ob man überall gewesen ist.Die Zentrale jedenfalls habe ich gefunden. Sie istleer. Von dem Kahlkopf keine Spur.«

»Und die Wissenschaftler?« Ehe Ras antwortenkonnte, sagte Sengu, der Späher:

»Sind in einem Verlies eingesperrt - ein ganzerKomplex mit regelrechten Wohnkammern. Es führtein Lift hinab zu ihnen.« Der Japaner blickte schrägnach unten auf den Boden. Wenn man sich vorstellte,daß er ungehindert durch die Felsmassenhindurchsah, konnte man sich eines leichtenFröstelns nicht erwehren. »Jemand muß sie gefundenhaben, denn ich kann eine Gestalt sehen, die sich ander Tür zu dem Gefangenenkomplex zu schaffenmacht. Ich kann sie nicht erkennen.«

Betty Toufry, Telepathin und Telekinetin zugleich,drängte sich heran.

»Ich empfange die Gedanken eines Mannes«,flüsterte sie und blickte unsicher in die gleicheRichtung, in die auch Sengu sah. »Sie sind starkgeschwächt und wirr. Er will töten.«

Ras Tschubai wandte sich an Sengu.»Beschreiben Sie mir die Lage des Gefängnisses,

damit ich den Mann abfangen kann, ehe er Unheilanrichtet. Schnell, beeilen Sie sich.«

Rhodan stand hilflos dabei und ließ seinenMutanten freie Hand. Er sah nichts, er hörte nichts, erfühlte nichts. Er war kein Mutant, sondern nur einganz normaler Mensch - von gewissen Eigenschaftenabgesehen, die jedoch nichts mit veränderterGehirnstruktur zu tun hatten.

Ras Tschubai lauschte den kurzenPositionsangaben Sengus, dann nickte er - undverschwand.

Die Zurückbleibenden verspürten den leichtenLuftzug, der dadurch entstand, daß die Luft in dasplötzliche Vakuum nachströmte, das von demTeleporter nach seiner Entmaterialisierunghinterlassen wurde. Jetzt, in dieser gleichen Sekunde,erhielt Ras Tschubai an der gewünschten Stelle seinewirkliche Gestalt zurück und materialisierte.

Rhodan wollte die zwangsläufig entstehende Pauseausnützen.

»Tatjana und Marshall, Sie begleiten mich. Wirmüssen wissen, wo der Overhead geblieben ist. Ichkann mir nicht vorstellen, daß er sich in einen Winkelverkriecht und tatenlos abwartet, bis wir ihn finden.«

»Die Festung hat Dutzende von Gängen, dieniemand von uns alle gesehen hat«, gab die Russin zubedenken. »Ich weiß nur, daß einer von ihnen zueinem im Felsen angelegten Hangar führt, in demeiner der gestohlenen Zerstörer steht. Vielleicht ist er...«

»Was sonst?« verlor Rhodan ein wenig die

Geduld. »Das hätten Sie mir früher sagen sollen. Ichbin davon überzeugt, der Overhead ist klug genug,eine Niederlage im rechten Moment zu erkennen.Was sagten Sie! Der Hangar ist in den Felsen?«

»Ja.«»Also westlich von hier. Es dürfte nicht schwer

sein, den richtigen Korridor zu entdecken. KommenSie mit.«

Die Beleuchtung funktionierte immer noch.Rhodan eilte voran durch die leeren Gänge,unmittelbar gefolgt von Tatjana und Marshall.Dumpf und hohl klangen ihre Schritte von denFelswänden wider.

Sie kamen zu einem Punkt, an dem der Korridorsich teilte. Rhodan warf einen kurzen Blick aufseinen Uhrenkompaß und wählte den äußersten aufder linken Seite.

»Der führt genau nach Westen vielleicht ist er es.«Er wartete keine Antwort ab, sondern lief weiter.Weiter vorn war plötzlich ein dumpfes Vibrieren

in den Felsen. Unter ihren Füßen erzitterte derBoden, als streife ihn der Ausläufer eines fernenErdbebens.

Rhodan war erschrocken stehengeblieben undMarshall plötzlich blaß geworden. Tatjana ließ dieHand mit dem Psychostrahler sinken.

»Was war das?« hauchte sie kaum vernehmlich.Rhodan ballte die Faust. »Der Zerstörer - immerhinwissen wir, daß wir den richtigen Gang wählten. Wirsind zu spät gekommen. Vielleicht passen meineLeute oben über der Erde besser auf. Sehen wir unsdie Bescherung wenigstens an.«

Bereits zehn Meter vor dem jähen Ende desGanges schlug ihnen eine trockene Hitzewelleentgegen, die sie am Weitergehen hinderte. ImSchein der trüben Deckenleuchte sah Rhodan amBoden erstarrte Tropfsteingebilde geschmolzener undwieder erkalteter Felsen. Wie ein Blitz durchzuckteihn die Erkenntnis: Hinter der abschließenden Wandwar der Hangar. »Die Starthitze des Zerstörers fandkeine Ausbreitungsmöglichkeit und zerschmolz dieWände. Ich glaube kaum, daß wir von hier aus in denHangar gelangen können.« Er überlegte einigeSekunden und fügte resignierend hinzu: »Es würdeuns auch nichts helfen. Der Overhead rast bereitsdurch den Weltraum. Wir können nur hoffen, daßjemand seine Flucht bemerkte.«

»Wir sollten die STARDUST benachrichtigen«,schlug Marshall vor.

Rhodan lächelte bitter. »Auch das wäre zu spät,Marshall. Doch seien Sie beruhigt. Auf lange Sichtgesehen kann uns der Overhead nicht entkommen.Wir besitzen immerhin einige Hinweise.«

Und vor Rhodans Augen entstand das Bild dertrostlosen Einsamkeit einer rötlichen Wüste, die vonbreiten Grünstreifen durchzogen und von einer fernen

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Sonne nur spärlich erwärmt wurde.

6.

Was Pete Maros von seinen mexikanischenVorfahren geerbt hatte, war sein überschäumendesTemperament, das im krassen Gegensatz zu derBärenruhe des Engländers Ray Gall stand. Rayfungierte in erster Linie als Funker des ZerstörersZ-82, der nach seiner Reparatur von Rhodanübernommen worden war.

Kommandant des Schiffes war Julian Tifflor,vorerst immer noch Kadett der Raum-Akademie.

Die Gruppe der neun Zerstörer warauseinandergezogen worden und stand in knappdreißig Kilometer Höhe über dem Staat Utah.Fünfzig Kilometer höher tröstete Bully sich mit derTatsache, daß er in gewissem Sinne dasHauptquartier Perry Rhodans war und nicht mit derSTARDUST in Gefahr geraten durfte.

Tiff hatte ähnliche Gedanken wie Bully.»Da hängen wir hoch über den Wolken und

können nicht zuschauen, was dort unten geschieht.Sogar die Funkverbindung ist unterbrochen worden -oder können Sie etwas hören, Pete?«

Der Mechaniker zeigte zur Tür der Funkkabine.»Ray macht Dauerdienst. Ich kann ja einmal

nachsehen.«Der Engländer saß bewegungslos vor seinen

stummen Geräten und döste vor sich hin. DerBildschirm, der den direkten Kontakt mit derSTARDUST herstellte, war erloschen.

»Alles ruhig?« fragte Pete völlig überflüssig. Rayhob den Kopf.

»Ich melde mich schon, wenn es etwas Neuesgibt«, grunzte Ray und schloß wieder die Augen.

Pete stellte erleichtert fest, daß er wenigstens dieOhren geöffnet ließ, und kehrte in die Zentralezurück.

Tiff hatte inzwischen die Vergrößerung desBildtasters eingeschaltet und richtete die Kamera zurErdoberfläche hinab. Keine Wolken behinderten dieSicht, so, daß Tiff Sekunden später den Staat Utahwie eine Landkarte vor sich auf dem Schirm hatte.Die Vergrößerung begann, sich automatisch zusteigern. Die Karte verschwamm, und als sie wiederdeutlich wurde, zeigte sie einen kleineren Ausschnittin gleicher Dimension. Das Spiel wiederholte sichsolange, bis der runde Fleck der gelandeten K-5deutlich neben dem zerstörten Farmhaus zu sehenwar.

Tiff entsann sich der Anweisung Rhodans. Siesollten sich nicht um die Geschehnisse bei der K-5kümmern, sondern mehr auf die Umgebung und denLuftraum über Utah achten.

Tiff seufzte. Na gut, was blieb ihm anderes übrig,

obwohl niemand kontrollieren konnte, was er tat.Immerhin.

Er ließ das Objektiv des Bildtasters wandern;westlich dem Gebirge zu. Es war in der Tat eineunerfreuliche Landschaft, die sich da seinen Blickenbot. Hier würde kein vernünftiger Mensch auf denGedanken kommen, sich häuslich niederzulassen.Scharfe Felsgrate ragten aus Buschwäldern hervor.Dazwischen zerrissen steile und tiefe Schluchten daswildromantische Gelände.

Die Regelmäßigkeit des Berges fiel Tiff sofort auf.Auf einem verhältnismäßig flach gelegenen

Plateau, das von niedrigen Büschen bewachsen war,lag ein kleiner und einsamer Berg. Er sah so aus, alssei er nur zufällig hierher geraten. Obwohl zumgrößten Teil aus losem Geröll bestehend, zeigte erauch reichlich Spuren fruchtbarer Muttererde.Trotzdem wuchs kein einziger Baum auf ihm.Lediglich dünne Grasspuren zeugten davon, daßüberhaupt etwas auf ihm wachsen konnte.

Der Fuß des Berges glich einem Halbmond,während die entgegengesetzte, Seite nach innengewölbt schien.

Irgendwie sah der Berg künstlich aus, vielleichtwie eine aufgeschüttete Halde.

Tiff war plötzlich hellwach geworden und hattevergessen, was Langeweile und Enttäuschung waren.In der Lagebesprechung vor dem Angriff hatteRhodan behauptet, das Gebiet um die Farm desOverhead sei völlig unbewohnt. Und nun entdeckteer, Tiff, knapp zwei Kilometer von dem zerstörtenHaus entfernt eine frisch aufgeschüttete Halde.

Pete war herbeigekommen und sah ihm über dieSchulter.

»Da hat jemand nach Erz gebuddelt«, stellte erfest.

»Und den Dreck aus der Erde geholt?« fragte Tiffinteressiert.

»Natürlich. Ich nehme an, es handelt sich um einenNebenschacht des alten Bergwerks, das hier einstgewesen sein muß.«

»Wann war das?«»Zuletzt haben sie hier vor zwei Jahrzehnten

gegraben«, erinnerte sich Pete genau an dieInstruktionsstunde in Terrania. »Aber es warunrentabel, und man gab es auf.«

»Aha«, nickte Tiff triumphierend. Er fand seineVermutung bestätigt. »Und wie erklären Sie es sich,daß in diesen zwei Jahrzehnten keine Büsche auf derHalde wuchsen?«

Pete schwieg verdutzt und betrachtete denBildschirm genauer. Dann nickte er. »Das allerdingsist merkwürdig.«

»Finden Sie? Ich auch. Ganz bestimmt wurde hiererst vor kurzer Zeit ein neuer ...«

Er verstummte jäh. Er hatte bei seinen Worten die

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merkwürdige Halde nicht aus den Augen gelassen.Wie zufällig war sein Blick dabei auf dasbenachbarte Plateau gefallen und hatte eineVeränderung registriert.

»Dort sehen Sir nur! An der Innenseite desBerges!«

Dicht neben der verdächtigen Halde bewegte sichder gewachsene Fels. Es war ein genau kreisförmigesStück von etwa dreißig Metern Durchmesser, dassich langsam beiseite schob. Darunter wurde einedunkle Öffnung sichtbar, in deren Tiefe einschwaches Licht schimmerte.

Ein Raumschiff! Ein Zerstörer des gleichen Typs,wie der seine - und wie jener, der ihn beim Marsangegriffen hatte.

Die Beschleunigung war derart, daß das Schiff inwenigen Sekunden auf gleicher Hohe war und dannrasend schnell im dunkelvioletten Himmelverschwand. Aber Tiff hatte endlich geschaltet.»Ray, nehmen Sie Verbindung mit der STARDUSTauf und informieren Sie Reginald Bull. Wir verfolgendas unbekannte Schiff.« Er hieb den Fahrthebel nachvorn auf vollste Beschleunigung. Automatischschalteten sich die Schwerkraftfelder ein undneutralisierten den plötzlichen Andruck. »Pete, andas Neutronengeschütz. Ray soll vorsichtshalber dasHeckgeschütz besetzen, sobald er seine Meldunglosgebracht hat.«

Das flüchtige Schiff war zwischen den Sternenuntergetaucht, und Tiff mußte fast fünf Minuten mitdem Fernrohr suchen, ehe er es wieder entdeckte. Daes der gleiche Typ wie Z-82 war, konnte derVorsprung kaum aufgeholt werden, aber es wardurchaus möglich, es zu verfolgen und den Abstandzu halten sobald beide SchiffeHöchstgeschwindigkeit erreicht hatten.

Schnell sank die Erde zurück und wurde zu einemgrünblauen Globus. Ray kam aus dem Funkraum indie Zentrale und ließ sich neben Tiff auf dem Sesseldes zweiten Piloten nieder.

»Das war aber eine Überraschung«, stieß erhervor. »Reginald Bull hat schrecklich geflucht. Erwies an, wir sollen das Ziel des unbekannten Schiffesfeststellen. Es handele sich vielleicht um dengeflohenen Overhead. Sobald er seinen Verdacht vonRhodan bestätigt erhält, folgt er uns. Ich soll aufEmpfang bleiben.«

Tiff nahm den Blick nicht von dem Bildschirm.Der Fleck darauf behielt jetzt seine Größe. Die

Zahlen unter dem Schirm gaben an, daß der Flüchtigeknapp zweitausend Kilometer vor der Z-82 stand,weiter beschleunigte und bald ein Viertel derLichtgeschwindigkeit erreichen würde.

Tiff sah durch die Sichtluke. Vor ihm lag wiedereinmal die Unendlichkeit des Weltalls mit ihrenvielen Wundern und Gefahren. Und dort vor ihm,

unter den vielen tausend Sternen, wanderte einkleiner Lichtpunkt mit irrsinniger Geschwindigkeiteinem unbekannten und fernen Ziel entgegen.

Es war wie ein Schock, als er wieder auf denBildschirm blickte. Der Fleck hatte sich vergrößert.Das andere Schiff war nun nur noch fünfhundertKilometer entfernt.

Es hatte die Beschleunigung herabgesetzt.

*

Ras Tschubai materialisierte knapp einen Meterneben dem fremden Mutanten, der erschrockenherumfuhr und den plötzlich Erscheinenden wie einGespenst anstarrte.

Es war ein Japaner, wie Ras auf den ersten Blickfeststellte, ein stämmiger und noch junger Mann,dessen Finger der rechten Hand den Lauf einerMaschinenpistole umklammerten. Aber die rechteHand hing schlaff herab und machte keine Anstalten,von der Waffe Gebrauch zu machen.

Ras ahnte, daß der Mann vor ihm auf neue Befehlewartete, die jedoch nicht kamen. Er stand unter einemhypnotischen Einfluß, der ihm die individuelleBewegungs- und Entschlußfreiheit nahm.

Zwei Meter weiter befand sich eine Tür, die durchMagnetschlösser gesichert war. Dahinter lag, sowußte Ras, das Wohnquartier der gefangenenWissenschaftler.

Mit zwei schnellen Schritten war Ras bei demJapaner und nahm ihm die Waffe ab. Nur diemaßlose Überraschung des anderen ersparte ihmdabei die Anwendung von Gewalt.

Ras nahm die Maschinenpistole an sich und schobsie zwischen Gürtel und Uniform.

»Öffnen Sie die Tür zum Quartier derWissenschaftler!« trug er dem Japaner auf.

In diesem Augenblick ertönte hinter ihm einGeräusch. Schritte erklangen, und Stimmen wurdenhörbar. Er wandte sich um und erkannte im trübenLicht der Lampen Rhodan und Tatjana. Sie mußteninzwischen den Lift gefunden und benutzt haben.

Ras atmete erleichtert auf. Erhob den Arm undwinkte den beiden zu. In genau dieser Sekundeüberwand der posthypnotische Befehl des Overheadden sich ihm entgegenstemmenden Widerstand. Rassah, wie Rhodan und Tatjana im gleichen Augenblickihre Psychostrahler erhoben und auf ihn richteten. Ererhielt den völlig sinnlosen Befehl, Ras Tschubai -also sich selbst - nicht anzugreifen.

Dieser Befehl galt natürlich dem japanischenMutanten, der eben im Begriff stand, sich auf denAmerikaner zu stürzen. Mitten in seiner Bewegunghielt er inne, griff sich bestürzt an den Kopf - undsank dann, von der Überbeanspruchung desgemarterten Gehirns bewußtlos geworden, langsam

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in sich zusammen.Als der Druck aus Ras Tschubais Kopf

verschwand und er sich umdrehte, sah er den Japanerreglos am Boden liegen. Rhodan und Tatjana kamenherbei.

»Zwei Psychostrahler auf einmal sind ein bißchenviel«, erklärte Rhodan sachlich. »Vielleicht hättenwir eher auf die Idee kommen sollen, dann wäre unsder Overhead nicht entkommen. Wo sind dieGefangenen?«

Ras zeigte auf die schwere Eisentür. »Dort.«Und - er verschwand. Es dauerte keine zehn

Sekunden, bis er wieder auftauchte. Er lächelte undmachte einen verwirrten Eindruck. Rhodan sah ihmgespannt entgegen und fragte besorgt:

»Was ist, Ras? Sind die Gefangenen ...?«»Sie sind da«, beruhigte ihn der Afrikaner und

schüttelte den Kopf. »Aber diese Wissenschaftlersind merkwürdige Geschöpfe. Ich materialisierte imLabor eines Physikers. Glauben Sie, der Burschewäre erschrocken, als ich wie ein Geist neben ihmauftauchte? Keine Spur. Er sah kaum hoch, als ich soplötzlich neben ihm stand und ihm zusah, wie erseine Pläne studierte. Er machte nur eineHandbewegung, als wolle er mich wegscheuchen,und murmelte, ich solle in zehn Minutenwiederkommen.«

Rhodan grinste und wandte sich an Tatjana.»Ich möchte wetten, das war Glenner, der

weltberühmte Professor Glenner.« Er nickte Ras zu.»Öffnen Sie die Tür. Wir haben keine Zeit jetzt, aufGlenner zu warten. Er kann in Terraniaweiterarbeiten.« Ras schritt zur Tür.

*

Zerstörer Z-82 näherte sich verhältnismäßigschnell dem flüchtigen Raumschiff. Die Entfernungzur Erde betrug bereits mehr als dreizehn MillionenKilometer und wuchs ständig weiter. DieGeschwindigkeit war konstant. Ein Funkspruch vonBully besagte, daß die STARDUST den Befehlerhalten habe, ebenfalls die Verfolgungaufzunehmen. Zumindest sollte festgestellt werden,wohin der Overhead zu fliehen gedachte.

Pete machte ein nachdenkliches Gesicht.»Wenn wir dieses Monster allein erledigen wollen,

müssen wir uns beeilen, damit Bully uns nichtzuvorkommt und den ganzen Ruhm für sicheinheimst. Ich kenne ihn doch.«

Tiff bedachte den Mexikaner mit einem strafendenBlick.

»Ich würde mich an Ihrer Stelle schämen, derartigeGedanken überhaupt zu erwägen. Der Overhead istder Feind der Welt, und es ist völlig gleichgültig, werihn erledigt - die Hauptsache ist, er wird erledigt,

Ray, versuchen Sie, Verbindung mit dem Schiff voruns aufzunehmen.«

»Es besteht Direktschaltung zum Funkraum. Siekönnen es selbst versuchen.«

Tiff nickte befriedigt und nahm die notwendigenSchaltungen vor. Er rief den Overhead auf derüblichen Telekomwelle und ging dann aufIntensivempfang. Kaum zehn Sekunden spätererschien auf dem leuchtenden Bildschirm das Gesichtdes Weltfeindes. Der kahle Kopf glänzte fett undzufrieden. Die eingepolsterten Augen schimmertentückisch und drohend. Mit sichtlichem Interesse saher seine Verfolger an und musterte sie seelenruhigder Reihe nach, als wolle er sich ihre Gesichter füralle Zeiten einprägen.

Tiff spürte, wie ihm unter dem eiskalten Blick einSchauder den Rücken herablief, und er ahnte, daß esseinen beiden Kameraden nicht viel anders erging.

»Was wünschen Sie von mir?« fragte derOverhead mit unheimlicher Ruhe, die nichts davonverriet, daß er sich geschlagen gab. Tiff raffte sichzusammen. »Geben Sie den Kampf auf, CliffordMonterny«, sagte er. »Ihre Festung in Utah istgefallen, und Ihre Mutanten befinden sich in derHand Rhodans. Sie haben keine Chance mehr. DasSchlachtschiff der Dritten Macht kann jedenAugenblick auftauchen.«

Die eiskalten Augen lächelten drohend.»Sie sind ein Narr, junger Freund. Glauben Sie, ich

habe Sie deshalb herankommen lassen, um mir einePredigt halten zu lassen? Nehmen Sie wirklich imErnst an, ich würde mich Ihnen stellen? Sieunterschätzen mich und meine Absichten, meinFreund. Vielleicht wissen Sie es noch nicht, aber ichwill Ihnen ein Geheimnis verraten. Es ist mirdurchaus möglich, an Hand unserer BildverbindungIhr genaues Gehirnwellenmuster festzustellen. Sieheißen Julian Tifflor, nicht wahr? Ihre beidenBegleiter sind Pete Maros und Ray Gall. Nun, Siewerden bereits ahnen, was nun geschieht. Sie werdendas tun, was ich Ihnen auftrage. Ich benötige nureinen kleinen Vorsprung. Inzwischen werden SieRhodans Schlachtschiff ein wenig aufhalten. Daswird genügen, mir im Sonnensystem ein Versteck zusuchen. Aber bestellen Sie Rhodan, daß ich einesTages zurückkehren werde. Nicht allein!«

Tiffs Hand schnellte vor. Der Bildschirm erloschjäh.

Dann starrte er in die erbleichenden Gesichterseiner Gefährten.

Im gleichen Augenblick schien eine Faust seinBewußtsein zu zertrümmern.

*

Bully und Major Nyssen, Kommandant der an

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Bord der STARDUST befindlichen Raumjäger,saßen in der Zentrale der riesigen Raumkugel undstarrten gespannt auf den vergrößertenFrontbildschirm.

Nyssen sagte mit krächzender Stimme:»Merkwürdiger Kerl, dieser Tifflor. Warum

verlangsamt er?«Bully nahm seine Augen keine Sekunde von dem

Bildschirm, auf dem sich wahrhaft seltsameVorgänge abzuzeichnen begannen. Das Schiff desflüchtigen Overhead nahm erneut Beschleunigungauf und raste in den Raum hinaus. Der Bug zeigte inRichtung des Asteroidengürtels und ignorierte denweit rechts stehenden Mars.

Zerstörer Z-82 hingegen bremste weiter ab undkehrte in weitem Bogen auf entgegengesetzten Kurszurück. Der Bug zeigte nun auf die von der Erdekommende STARDUST.

»Tifflor hat aufgegeben?« murmelte Bullyverwundert und kniff die Augen zusammen. »Daspaßt so gar nicht zu dem Bild, das ich mir von ihmmachte. Und der Overhead kann auch nichtdahinterstecken. Er kennt weder Tifflor noch einender beiden Männer, die sich an Bord der Z-82aufhalten.«

Die STARDUST hätte ohne besondereSchwierigkeiten einen kleinen Raumsprung einholenkönnen, aber auf kurze Strecken war eine absolutekorrekte Einhaltung der geplanten Entfernungunmöglich. Und im normalen Raum erreichte auchdas Schlachtschiff der Arkoniden nurLichtgeschwindigkeit und nicht mehr. Bully glaubtejedoch zu wissen, wohin der Overhead fliehen würde,und das beruhigte ihn ein wenig.

Seine erste Sorge galt vorerst der Z-8 und ihrerBesatzung.

Der Zerstörer raste der STARDUST unheimlichschnell entgegen und eröffnete bereits aus fünfzigKilometer Entfernung das Feuer aus demImpulsgeschütz. Bully hatte inzwischen dieGeschwindigkeit seines Schiffes herabgesetzt, umbesser manövrieren zu können. Der Energieschirmwar eingeschaltet worden.

Die Impulsstrahlen des Zerstörers trafen auf diesenSchirm und flossen seitlich ab, um unschädlich, inden Raum hinauszuschießen. Dabei wurden sie imgleichen Winkel reflektiert, in dem sie auftraten.Kurz vor der STARDUST zog Z-82 hoch und kehrtenach weiterer Schleife zurück, um das völlig sinnloseManöver zu wiederholen!

Bully schüttelte den Kopf und sagte zu MajorNyssen:

»Wir müssen ihn natürlich unschädlich machen,sonst gibt er keine Ruhe. Wie es dem Overheadgelungen ist, ihn unter seine Kontrolle zu bringen,wird mir ewig ein Rätsel bleiben, aber, daß es ihm

tatsächlich gelungen ist, daran besteht wohl keinZweifel. Und solange Tifflor nicht durch einenSchock von dem Bann befreit wird, bedeutet er eineständige Gefahr. Er würde zur Erde fliegen und jedesunserer Schiffe angreifen. Jemand könnte nichtsBöses ahnen und Pech haben. Damit hat derOverhead gerechnet. Er weiß, daß wir Tiff nicht imStich lassen und ihm, Monterny, so Gelegenheitgeben, sich in Sicherheit zu bringen. Soweit, so gut.Ich frage mich nur, wie bringen wir diesen Tiff zurVernunft?«

»Psychostrahler«, knurrte Nyssen. »Versuchen Siees damit.«

»Ziemlich aussichtslos, lieber Nyssen. Selbstdirekt und auf kürzester Entfernung ist es schwer,jemand von einem Hypnoblock zu lösen. Hiermüßten die Strahlen zweimal durch starkeRaumschiffwände und außerdem durch zweiEnergiefelder. Es ist witzlos, glauben Sie mir.«

»Wie wäre es«, schlug Nyssen vor, »wenn wir ihmdas Heck zerschießen? Solange er in der Zentralebleibt, passiert ihm nichts. Aber wenigstens fehlt ihmdann die Energiequelle, uns weiter anzugreifen.«Bully nickte langsam. »Für den Notfall kein dummerAusweg«, gab er zu und überlegte krampfhaft, obihm keine bessere Lösung einfiel. Sicher, derTotalverlust eines Zerstörers war zu verschmerzenund wog das Leben von drei Menschen leicht auf,aber besser wäre es eben doch, er ließe sichvermeiden. Bully kratzte sich am Kopf. »Wann wirstdu endlich auf die Idee kommen, mich um Hilfe zubitten?« fragte eine fast kläglich anmutende,piepsende Stimme.

Der Mausbiber saß auf den Hinterbeinen undstützte sich mit dem Schwanz ab. In den treuenAugen des Tieres lag soviel Erwartung undHilfsbereitschaft, daß Bully sich am liebsten gebücktund den kleinen Kerl gestreichelt hätte. Aber erbeherrschte sich.

Er setzte eine strenge Dienstmiene auf und fragte:»Welche Hilfe, zum Beispiel?« Gucky schütteltebedauernd den Kopf und grinste.

»Ich könnte wieder einmal spielen.«Bully wußte, was Gucky unter »spielen« verstand.

Der Mausbiber war Telekinet, und wenn er seineübernatürlichen Fähigkeiten einsetzte, nannte er das»spielen«. Zu Beginn ihrer Bekanntschaft hatte daszu manchen Irrtümern geführt, und einmal, soentsann sich Bully blitzartig, waren sogar dieSteuerkontrollen der STARDUST das Opfer vonGuckys Spielleidenschaft geworden, und das Schiffwar über Lichtjahre hinweg durch den Hyperraumgeschleudert worden.

»Spielen?« brummte Bully nachdenklich. Inseinem Gehirn formte sich bereits ein vager Plan.»Wenn du dich genau an die Spielregeln hältst, ließe

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sich darüber reden. Du weißt ja, daß Rhodan dirverboten hat, ohne ausdrückliche Erlaubnis ...«

»Ich weiß!« Gucky hob mit dramatischer Gebärdedie Pfoten. »Aber ich bin nun der einzige Mutant anBord des Schiffes - und auch noch Telekinet undTeleporter zugleich. Und nur ich kann den Zerstörerunschädlich machen, ohne ihn zu vernichten.«Nyssen nickte eifrig. »Gucky hat unbedingt recht«,kam er dem Mausbiber zu Hilfe. »Er müßte denReaktor lahmlegen.«

»Also gut«, sagte Bully »Gucky, laß dir also vonMajor Nyssen erklären, wie man einen Reaktorausschaltet.«

»Es ist im Grunde genommen sehr einfach«, nickteder Kommandant der Raumjäger eifrig. »Wir müssenlediglich die isolierende Trennwand zwischen diebeiden Treibelemente schieben. Von der Zentrale ausläßt sich dieser Vorgang steuern und nach Beliebenregulieren. Es wird uns also kaum weiterhelfen, wennwir die Verbindung zwischen Reaktor und Zentralenur unterbrechen. Tifflor ist intelligent genug, denFehler sehr schnell wieder zu beheben. Wenn wirjedoch im Reaktor selbst eine Veränderungvornehmen, die sich von außen nicht beeinflussenläßt, ist er hilflos. Der Zerstörer ist dann, ohneEnergienachschub. Das Schiff ist manövrierunfähig.«

»Die Notbatterien?« warf Bully ein.»Reichen gerade für Beleuchtung und Normalfunk.

Damit kann er also nicht viel anfangen.«Gucky kam näher und betrachtete durch die Luke

den erneut heranschießenden Zerstörer, dem dietödlichen Impulsstrahlen voraneilten. Er schüttelteseinen kleinen Kopf mit einer fast menschlichanmutenden Gebärde.

»Ich benötige die genaue Lage des Reaktors«,piepste er.

Nyssen nahm Papier und Schreibstift und entwarfeine Zeichnung. Aus ihr war zu ersehen, daß sich derReaktor im letzten Drittel des Schiffes befand. Aufeinem zweiten Blatt erläuterte der Major den Reaktorund seinen Aufbau.

»In dieser Kammer lagern die beiden Elemente,Gucky. Hier ist die Trennwand. Sie wird durchkleine, aber sehr intensive Magnetfelder gehalten.Wenn deine Kräfte ausreichen, kannst du sie gegendiese Felder schließen. Dann ist nichts weiter mehrnotwendig, als einen der Pole zu verbiegen oderabzubrechen. Keine Macht der Welt kann danach dieTrennwand wieder anheben und den Reaktor inBetrieb setzen.« Gucky zeigte seinen Nagezahn.»Außer mir«, zirpte er siegessicher und fügte dannhinzu: »Ich werde es schon schaffen. Laßt mir Zeit,mich entsprechend zu konzentrieren. Niemand darfmich stören.«

Bully verkniff sich eine Entgegnung und starrtewie gebannt auf den Bildschirm, auf dem sich Z-82

in entsprechender Vergrößerung abhob.Tiff setzte gerade zu einem neuen Angriff an und

näherte sich mit rasender Geschwindigkeit.

*

Diese achthundert Meter durchmessendeRiesenkugel, so hämmerte es in Tiffs Gehirn, warsein Gegner. Er mußte diese Kugel immer und immerwieder angreifen; er mußte sie solange aufhalten, bisder Overhead in Sicherheit war.

Tiff vermochte klar zu denken und grübeltewahrhaftig zeitweise darüber nach, warum Rhodanplötzlich sein Feind geworden war. Aber er fandkeine Antwort - und griff weiter an.

Folgsam wie Maschinen bedienten Pete und Raydie Bordwaffen und schleuderten Desintegrator- undImpulsstrahlen gegen die ruhig im Raum verharrendeSTARDUST. Sie waren sich der Tatsache nichtbewußt, daß ein einziger Energiestoß desRiesenschiffes ihre Schutzschirme zerbrechen und sieselbst vernichten konnte. Der zwanzigste Angriff.Z-82 hatte gewendet und raste mit gleichbleibenderGeschwindigkeit auf den Gegner zu. Oben im Turmdrückte Pete auf die Feuerknöpfe der Geschütze. Raysaß am Heckstrahler und wartete, bis der Zerstörerzum Rückflug herumschwenkte.

Aber diesmal geschah nichts. Zerstörer Z-82 hielt,schnurgerade auf die STARDUST zu, ohne dieKanonen in Aktion treten zu lassen.

Tiff bemerkte die Veränderung nicht sofort, denner konzentrierte sich darauf, so nahe wie möglich anden Kugelraumer heranzukommen, um die Wirkungder Todesstrahlen zu erhöhen. Erst im letztenAugenblick ließ er die Steuerdüsen in Aktion treten,um knapp an der STARDUST vorbeizuschießen undso Ray Gelegenheit zu geben, ebenfalls einenFeuerstoß auf den Gegner abzugeben.

Er schob den Steuerhebel nach rechts, aber Z-82blieb auf Kurs.

Das schlanke Schiff raste genau in denSchutzschirm des Raumers, traf in einem sehrstumpfen Winkel auf und wurde fast ohneKursänderung weitergeleitet. Der Stoß gab ihm eineleichte Drehung. Sich langsam überschlagend, glittdie Z-82 hinein in den Raum zwischen Mars undErde.

Jegliche Energiezufuhr war ausgefallen. DieSchwerefelder zur Neutralisation von Andrückenfielen aus. Tiff wurde durch den Anprall auf dasEnergiefeld aus dem Sitz geschleudert, segelte querdurch die Zentrale und konnte nicht verhindern, daßer mit dem Kopf gegen eine Strebe schlug. Für einenAugenblick verlor er die Besinnung, aber er konntenoch mit Erstaunen feststellen, daß er gewichtslosgeworden war.

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Pete und Ray erging es kaum anders. DerMexikaner hing plötzlich unter der Decke, mit demKopf nach unten, und versuchte vergeblich, wiederan den Drücker der Kanone zu gelangen, um densinnlosen Beschuß fortzusetzen. Ray hatte wenigerGlück. Er kippte seitlich aus dem Sessel und schlugmit dem Kopf gegen die Kontrollen seinesNeutronenstrahlers. Er verlor sofort das Bewußtsein.

*

Bully sah Tifflors abtreibendem Schiff nach, dannwandte er sich an den Mausbiber, der unterdessenzurückgekehrt war.

Man sah Gucky die Anstrengung nicht an, obwohler doch eben erst in den Reaktorraum von Z-82teleportiert war und sich zudem noch telekinetischbetätigt hatte.

Der Mausbiber fuhr sich mit dem Handrücken überdie Nase und gähnte. Plötzlich stieß er einenpfeifenden Laut aus, grinste selbstzufrieden undentblößte dabei seinen einzigen Nagezahn.

»Es war ziemlich schwer. Möchte wissen, werdiese Trennvorrichtung erfunden hat. Ich konnte siekaum bewegen.«

»Aber du hast es geschafft!« triumphierte Bullyund bückte sich, um seinem kleinen Freund sachteüber das Fell zu streichen. »Kollege Tiff hat keineEnergie mehr. Wenn wir ihn nicht auffischen,besucht er den Pluto.«

Major Nyssen zeigte besorgt auf den Bildschirm.»Es wird aber auch höchste Zeit.«

»Wir verankern das Schiff, holen die armen Teufelheraus und lassen sie von Doc Manoli behandeln.Der wird ihnen schon beibringen, wer ihr Freund undMeister ist.«

Mit starker Beschleunigung jagte der Kugelraumerhinter dem steuerlosen Zerstörer her.

7.

Allan D. Mercant verließ nur ungern seinHauptquartier, aber Rhodans Einladung nachTerrania klang sehr offiziell und dringlich. Auchschien es, daß man ihn nicht allein eingeladen hatte,eine Vermutung, die sich später bestätigte.

Die Düsenmaschine brachte ihn in wenigenStunden nach Asien. Als er auf dem Flughafen vonTerrania mit steifen Beinen aus der Kabine kletterteund die Strecke bis zur Absperrung zu Fußzurücklegte, landete eine andere Maschine. FünfMinuten später erkannte er in dem einsamen Fahrgastden Präsidenten der Asiatischen Föderation. Auch erwar nicht durch eine Delegation empfangen undabgeholt worden, sondern schritt allein und mit etwasverwundertem Gesicht auf Mercant zu.

»Sie?« murmelte er, während seine Verwunderungstieg. Dann kniff er die Augen zusammen undstreckte dem Chef derTerranischen-Abwehr-Föderation die Hand entgegen.»Sie erhielten ebenfalls eine Einladung?«

»Wäre ich sonst hier?« gab Mercant zurück undnahm die Hand des anderen. »Die wichtigenEnthüllungen Rhodans wollte ich mir nicht entgehenlassen.«

Der Präsident der AF, ein stämmiger undhochgewachsener Chinese mit intelligentenGesichtszügen, schüttelte den Kopf.

»Man hat uns nicht einmal abholen lassen. Sollenwir vielleicht den ganzen Weg bis Terrania zu Fußlaufen?«

»Draußen gibt es genug Taxis«; machte Mercantihn auf einen Umstand aufmerksam, den er sich vonseinem letzten Besuch in der Hauptstadt der DrittenMacht her gemerkt hatte. »Vielleicht möchte Rhodanjegliches Aufsehen vermeiden.«

Der Chinese zuckte die Schultern, klemmte dieschmale Diplomatentasche fester unter den Arm undsetzte sich in Richtung Ausgang in Bewegung.

»Dann kommen Sie. Hoffentlich habe ich genugKleingeld bei mir, um ein Taxi bezahlen zu können.«

»Die sind hier kostenlos«, beruhigte ihn Mercantund lächelte nachsichtig. »Was mich ein wenigverwundert, ist die Tatsache, daß der Betrieb auf demFlugplatz gegen sonst einen recht eingeschlafenenEindruck macht. Es ist kaum jemand zu sehen.«

An der Sperre saß ein arkonidischer Dienstroboterund ließ sie ohne Kontrolle passieren. Mercant ahnte,daß ihre Gehirnwellenmuster in seinemPositronengehirn verankert waren. Ihr Empfang waralso bis in alle Einzelheiten vorbereitet.

Warum aber dann keine Empfangsdelegation, wiedas bei einem Staatsbesuch üblich war?

Er beschloß, nicht weiter darüber nachzudenken.Rhodan tat nichts ohne Grund. Für sein Verhaltenmußte es schwerwiegende Motive geben. Währendsie über den freien Vorplatz auf die wartendenFlugtaxis zuschritten, rief er sich noch einmal denText der Einladung ins Gedächtnis zurück. Kurz undknapp hatte es geheißen:

»Allan D. Mercant, Chef der TAF. Sie werdenhiermit gebeten, an einer außerordentlichen Sitzungder Dritten Macht und der übrigen irdischenMachtblöcke teilzunehmen. Es handelt sich um dieKlärung für alle Teile lebenswichtiger Fragen. PerryRhodan Präsident der Dritten Macht.«

Ein Afrikaner öffnete ihnen den Schlag des Taxis,wartete, bis sie eingestiegen waren und brachte siedann auf schnellstem Weg in die moderne Metropole.Mercants Versuch, ein Gespräch mit ihm zubeginnen, scheiterte an der chronischenSchweigsamkeit des Fahrers. Er tat außerdem ganz

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so, als wüßte er nicht, welche prominenten Fahrgästeer beförderte.

Mercant vergaß bald seine Probleme. Unter ihnenlag jetzt die modernste Stadt der Welt mit ihrenhimmelragenden Wolkenkratzern, den breitenBandstraßen und den riesigen Grünanlagen. Ingeringer Höhe überquerte das Flugtaxi denbetonierten Zentralplatz im Zentrum der Stadt, dervon den offiziellen Regierungsbauten der DrittenMacht eingeschlossen wurde. Heute war der Platznicht leer. Zu seinem maßlosen Erstaunen mußteMercant feststellen, daß auf ihm eine regelrechteArmee aufmarschiert war. Viel konnte er von obennicht erkennen, aber soviel sah er: Dort untenparadierten nicht allein Soldaten, sondern schwereGeschütze auf entsprechenden Fahrzeugen.Dazwischen rollten Panzer mit undurchdringlicherArkonitverkleidung.

Mit engen Augen betrachtete der Präsident der AFdas militärische Schauspiel, räusperte sich und sagtezu Mercant:

»Ob das mit unserer Sitzung zusammenhängt?«Mercant zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht, abervielleicht wird Rhodan so freundlich sein, uns denZweck der Vorführung zu erläutern. Vielleicht ist esaber auch nur die Siegesparade zu Ehren jenerMänner, die den Overhead schlugen.«

Die Mundwinkel des Chinesen zogen sich etwasherab.

»Soweit ich mich erinnern kann, entfloh dieserOverhead. Lediglich sein Schlupfwinkel konnte vonRhodan eingenommen werden.«

Mercant spürte Ärger in sich emporsteigen.»Was heißt hier lediglich? Immerhin gelang es

Rhodan, zwölf Mutanten aus der Macht desUnheimlichen zu befreien. Fast fürchte ich. Sie ahnendie Größe der Gefahr nicht, in der wir uns allebefunden haben. Wir haben Rhodan viel zuverdanken, daß er die Macht des Overhead brechenkonnte.«

»In der Hauptsache war dieser Overhead dochwohl Rhodans Feind, nicht der unsere«, gab derPräsident der AF zu bedenken. Mercant bemerkte,daß das Taxi sich senkte und zur Landung ansetzte.Er beschloß, das Thema zu wechseln.

»Vielleicht werden wir bald mehr darübererfahren. Sehen Sie, wir landen auf demHeliflugplatz der Regierung. Ein sicheres Zeichendafür, daß unser Pilot genau weiß, wen er befördert.Lassen wir uns überraschen.«

Sie landeten auf einem kleinen kreisrunden Platzmit weißem Kies. Hier wurde es zum erstenmalersichtlich, daß man sie erwartete. Von zwei hohenOffizieren begleitet, schritt Reginald Bull ihnen fastfeierlich entgegen, begrüßte zuerst den Präsidentender AF, dann - mit einem um Verständnis flehenden

Blick - Mercant.»Sie kommen spät, meine Herren. Die anderen

Gäste erwarten Sie bereits ungeduldig. Darf ich Siebitten, mir zu folgen.«

Das war keine Frage, sondern eine Aufforderung.Ehe Mercant etwas sagen konnte, drehte Bully sichbereits um und schritt voran. Die beiden Offizierenahmen ihr Gäste in die Mitte und folgten ihremSicherheitsminister.

Mercant versäumte es nicht, den aufmarschiertenTruppen auf dem Zentralplatz einen schnellen Blickzuzuwerfen. Die Demonstration der Macht war auchkaum zu übersehen.

Mit einem merklichen Schock erkannte erplötzlich, daß die unbeweglich verharrenden Soldatenkeine eigentlichen Soldaten waren. Es warenblitzende Roboter, jeder mit einem überschwerenImpuls-Handstrahler bewaffnet. Auch die fahrbarenGeschütze waren mit Robotern bemannt. Keineinziger Mensch war zu sehen.

Die unheimliche Stille und Bewegungslosigkeitder unüberwindlichen Armee beeindruckte Mercantderart, daß er mit einem unbeschreiblichen Gefühlder Hilflosigkeit den Voranschreitenden folgte. Erhoffte nur, daß auch der Präsident der AF dieunausgesprochene Drohung hinter dem Geschehenenfühlte.

Aber er verbesserte sich sofort und dachte:Warnung.

*

Es war ein kleiner und nüchterner Raum, desseneine Wand aus einem überdimensionalen Bildschirmbestand, der jedoch nicht in Betrieb war. An einemhalbrunden Tisch saßen vier Männer: Mercant, diePräsidenten des Westblocks, des Ostblocks und derAsiatischen Föderation.

Ihnen gegenüber, etwas erhöht, saßen fünfPersonen. In der Mitte Perry Rhodan, rechts von ihmsein Stellvertreter Oberst Freyt und außen Bully.Links präsentierten sich mit unbewegter Miene diebeiden Arkoniden Crest und Thora. Letztere saß ganzlinks. Ihre roten Augen blickten ausdruckslos auf diemächtigsten Männer der Erde.

Rhodans Hände lagen auf einem kleinen Kästchen,auf dem zehn rote Knöpfe zu sehen waren. Danebenbefanden sich kleine Schilder, auf denen etwasgeschrieben stand.

Er hob den Kopf und sah die erwartungsvoll zuihm emporschauenden Männer an. In seinen Augenstand ein feines und kaum merkliches Lächeln, abergleichzeitig auch ein kaltes Leuchten, das zu warnenschien.

»Meine Herren«, begann Perry Rhodan mit einerFreundlichkeit, die im krassen Gegensatz zu der

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Atmosphäre stand, die ihn umgab. »Sie werden sichüber die Einladung zu einer Besprechung in Terraniagewundert haben. Sie haben allen Grund dazu. Aberich werde Sie nicht sehr lange im Ungewissen lassen.Bevor ich Ihnen meine Forderungen stelle, lassen Siemich einige Erklärungen abgeben.«

Der Präsident der AF beugte sich vor.»Forderung?« sagte er erstaunt und ungläubig.Bully grinste ihn von der Seite her freundlich an.

Rhodan nickte, ohne dabei eine Miene zu verziehen.»Forderung - Sie haben richtig vernommen, Herr

Präsident. Doch belasten Sie sich jetzt noch nichtdamit. Es gibt andere Dinge, die Sie weitaus mehrinteressieren dürften - Sie alle übrigens.«

Er sah auf seinen Kasten und drückte auf einenKnopf.

Der große Bildschirm war von allen gleichzeitig zusehen und wirkte wie eine Filmleinwand. In demZimmer war es nicht so hell, so, daß die farbigen undplastischen Bilder lebendig und echt wirkten.

Die Zuschauer gaben Zeichen der Verblüffung vonsich, als sie erkannten, was Rhodan ihnenvorzuführen gedachte. Es waren Filmberichte, die siebereits kannten. Zum Teil hatten sich die Ergebnissein ihren eigenen Machtbereichen abgespielt undwaren meist noch in frischer Erinnerung.

Streik der Maschinenarbeiter in Detroit, USA.Revolution in Brasilien. Attentat auf denChefdelegierten des Ostblocks anläßlich seinesBesuches in London und daraus resultierendediplomatische Verwicklungen. Aufstand der Arbeiterin Sibirien. Rassenverfolgungen in den USA.Erhöhung der Kriminalität in Japan.

Hungersnot in China infolge Versagens derErnährungspolitiker.

Pausenlos liefen die Geschehnisse auf demBildschirm ab, ohne Kommentar und Ton. DerEindruck wurde dadurch vollkommener.

Dann erlosch der Schirm. Die vier Männer starrtenRhodan fragend an.

Endlich räusperte sich der Präsident desWestblocks.

»Was soll das bedeuten? Wir kennen dieseBerichte der Wochenschauen. Ich bin sicher, deshalbließen Sie uns nicht die weite Reise unternehmen.«

»Richtig!« nickte Rhodan und legte denZeigefinger auf den nächsten Knopf. »Sehen Sieweiter.«

Was nun folgte, waren ältere Filmaufnahmen ausden Kriegen 1914 bis 1918, 1939 bis 1945 und demkurzen Atomkrieg im Jahre 1971, der durch dasEingreifen Rhodans im Keime erstickt wurde. Auchdiese Szenen liefen ohne jeden Kommentar ab.

Rhodan nahm die Hand von dem Kasten, als derBildschirm dunkel wurde. Er sah den vier Männernwieder ins Gesicht.

»Sie haben soeben Ursache und Wirkungbeobachten können. Kriege haben stets ihreUrsachen. Wenn wir heute glauben, sie überwundenzu haben, so befinden wir uns im Irrtum, wie diefilmische Aufzeichnung der Ursachen eindeutigbewiesen haben dürfte. Es gibt immer nochRevolutionen, Streiks, Unzufriedenheiten undhandgreifliche Auseinandersetzungen. Es gibt immernoch Mißtrauen zwischen den Angehörigen einerZivilisation, die bereits die Schwelle zu einem neuenZeitalter überschritten hat. Doch das alles wissen Sieselbst - aber Sie wissen noch nicht, daß ein einzigerMann für einen großen Teil dieser ursächlichenGeschehnisse verantwortlich ist. Ich spreche vomOverhead.«

Durch die Zuhörer ging Bewegung. Mercant lehntesich vor und sah Rhodan in die Augen. Auf seinerStirn stand eine steile Falte, aber der schon geöffneteMund blieb stumm.

»Der Overhead?« fragte der Präsident desOstblocks ungläubig.

»Für einen großen Teil wenigstens«, nickteRhodan ihm kaltlächelnd zu. »Der andere Teil istIhre Schuld. Jawohl, Ihre Schuld, meine Herren. Esfällt Ihnen schwer, die Vergangenheit zu überwinden.Immerhin hat das Beispiel des Overhead gelehrt, daßeine ungeeinte Welt stets der Willkür eines einzelnenausgeliefert sein kann, wenn dieser einzelne ein zwarpositiver Mutant, aber einer mit negativenCharakterzügen ist. Gut, ich habe die Zentrale desOverhead zerschlagen, aber glauben Sie nur nicht,daß damit die Gefahr beseitigt ist. Selbst wenn derOverhead tot wäre, könnte davon keine Rede sein. Eswird immer wieder Overheads geben, immer undimmer wieder.«

Er drückte auf einen weiteren Knopf, und auf demBildschirm erschien plötzlich eine naturgetreueWiedergabe des Weltalls. Im ersten Augenblickkonnten die Anwesenden nicht genau feststellen,welchen Teil des Universums sie darstellen sollte,aber dann erkannten sie eine hellflammende Nova.

»Das«, sagte Rhodan mit schreckeinflößenderRuhe, »war ein Sonnensystem wie das unsere. Auchin ihm gab es nur einen bewohnten Planeten. Es wareine intelligente und strebsame Spezies, aber auchehrgeizig und engstirnig im kosmischen Sinne. Siekonstruierten die besten Waffen, mit denen sie sichgegenseitig bedrohten. Und als dann eines Tages dieTopsider, eine echsenartige Intelligenz, das Systemfanden, griffen sie es an und vernichteten es. Sietrafen auf keine Abwehr, denn die Bewohner hattengenug damit zu tun, sich gegenseitig das Lebenschwerzumachen. Nun, sie wurden ihre Sorgen miteinem Schlag los.« Rhodan zeigte auf die flammendeNova. »Das ist alles, was von ihrer Sonne und den elfPlaneten übrigblieb.«

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Das Bild erlosch. In dem Raum herrschte atemloseStille.

Rhodan räusperte sich. »Ich sehe, daß Sie den Sinnmeiner Worte begriffen haben. Gut, dann fragte ichSie: Wollen Sie, daß unsere Sonne eines Tagesebenfalls eine aufflammende Nova wird, entzündetvon den furchtbaren Kräften einer außerirdischenIntelligenz?«

»Wir sind stark genug, jeden Angriffabzuwehren«, warf der Präsident der AF ein.

»Sie haben Waffen«, nickte Rhodan spöttisch undtauschte einen schnellen Blick des Einverständnissesmit Mercant, von dem er wußte, daß er auf seinerSeite stand. »Aber warum haben Sie Waffen? UmIhre AF zu verteidigen! Erst dann, wenn Sie dieseWaffen nur zur Verteidigung der Erde bauen,erhalten sie einen Sinn. Aber zurück zum Overhead.Ich weiß von seinen Mutanten, daß er die Uneinigkeitder Menschheit schürte, Revolten anzettelte, Streiksverursachte und Kriege vorbereitete. Er ist einHypno, meine Herren. Er übernahm den Willeneinflußreicher Politiker und lenkte sie nach seinemGutdünken. Er hat vielleicht sogar Sie beeinflußt. Ichgebe Ihnen den Rat, die nun entstandene Ruhepausezu nutzen. Überlegen Sie ernsthaft, wie man dieRegierungen der AF, des Ostblocks und desWestblocks zu einer einzigen zusammenschweißenkann. Das ist meine Forderung. Sie ist nicht neu, wieSie zugeben müssen. Neu ist lediglich, daß ich Ihnendiesmal eine Frist setze. Wenn in einem Jahr dieWeltregierung nicht eine Realität ist, werde ich siemit den Kräften, die mir zur Verfügung stehen, ohneIhre Einwilligung schaffen.«

Mercant betrachtete den leeren Bildschirm undverzog keine Miene. Die drei Präsidenten kamen halbaus ihren Sitzen hoch und starrten Rhodan an. Siebegegneten seinem kalten Blick und sanken zurück.Die Gesichter der Arkoniden blieben ausdruckslos.Oberst Freyt und Bully bemühten sich, nicht zugrinsen.

»Wir könnten einleitende Gespräche führen«,ächzte der Präsident des Westblocks mühsam. Erwarf seinen beiden Kollegen einen hilflosen Blick zu.»Die Organisation einer Weltregierung ...«

»Ist nicht so schwierig«, unterbrach ihn Rhodan.»Bilden Sie sich einfach ein, der Erde drohe eineriesige Gefahr. Sie werden sich wundern, wie schnellSie eine Lösung gefunden haben. Im übrigen kannich Ihnen versichern, daß diese Gefahr nicht nur inder Einbildung existiert. Noch lebt der Overhead undgibt sich nicht geschlagen.«

»Wir werden es uns überlegen«, sagte derPräsident des Ostblocks. Rhodan schüttelte den Kopf.»Überlegen Sie nicht, handeln Sie!« forderte er. »Dasgilt für Sie alle. Machen Sie sich mit dem Gedankenvertraut, lieber eines Tages mit Echsen und Spinnen -

oder wie immer die Intelligenzen des Kosmos auchaussehen mögen - in gutem Einvernehmenzusammenzuleben. Meine Herren, die letzteEntscheidung, wie und in welchem Sinne dieWeltregierung entsteht, liegt bei Ihnen allein. DieEntscheidung, ob sie entsteht, wird bei mir liegen.«Zum erstenmal lächelte Rhodan wieder. »Und Siedürfen mir glauben, daß diese Entscheidung bereitsgefallen ist.« Er nickte Bully zu. DerSicherheitsminister der Dritten Macht erhob sich.

»Die Sitzung ist geschlossen, meine Herren. Ichdarf Sie noch zu einer kleinen Truppenparadeeinladen, die zu Ihren Ehren stattfindet. Danach istein Empfang bei unserem diplomatischen Korpsgeplant. In dieser Nacht noch werden Sie dann vonunseren Maschinen in Ihr Land zurückgebracht. Darfich Sie nun bitten, mir zu folgen.« Schweigendschritten die Präsidenten hinter ihm her. Keiner vonihnen schien zu bemerken, daß Allan D. Mercantzurückblieb und von Rhodan in ein Nebenzimmergeleitet wurde.

*

»... und somit ist es unerläßlich, daß wir nicht eherruhen und rasten dürfen, bis der Overhead endgültigunschädlich gemacht ist, Mercant. Ich selbst werdeauf der Erde bleiben, aber Bully nimmt dieVerfolgung des Geflohenen auf. Wir haben bereitseine kleine Flotte zusammengestellt.«

Der Chef der zusammengefaßten irdischenGeheimdienste nickte beifällig, verbarg aber seineSkepsis keineswegs.

»Das Sonnensystem ist groß, Rhodan. Wie wollenSie in ihm einen einzelnen Menschen finden? Siehaben keinerlei Spur, die Sie verfolgen können.Keinen Hinweis, nichts.«

»Doch«, lächelte Rhodan und sah auf, als Bullyeintrat. »Wir haben einen Hinweis. Außerdem wirdsich auch in diesem Fall die alte Regel bestätigen,daß jeder Verbrecher einen Fehler macht. DerOverhead ist nicht der Mann, der sich tatenloszurückzieht, wenn er noch einen Trumpf hat.«

»Einen Trumpf?« Mercant hob den Kopf und sahRhodan fragend an.

»Ja, er hat noch einen Trumpf - einen unsunbekannten Mutanten mit ebenfalls unbekanntenFähigkeiten. Soviel konnten wir von den Befreitenerfahren. Niemand weiß, worum es sich handelt, aberes muß etwas Schreckliches sein. Ich bin davonüberzeugt, daß der Overhead seinen Trumpf sehr baldausspielen wird. Das ist unsere Chance - wenn wirGlück haben.«

Bully verzog das Gesicht und setzte sich zu denbeiden Männern.

»Und ich bin wieder einmal das

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Versuchskaninchen. Wann starte ich?«»In einer Woche«, sagte Rhodan. »Nun, was meinendeine Präsidenten zu der Ehrenparade?«»Sie sind tief beeindruckt«, kicherte Bully zufrieden.»Ich denke, sie werden den Vorschlag machen, schonnächste Woche mit den Verhandlungen zu beginnen.Dann hättest du auch etwas zu tun, während ich imSonnensystem nach dem Knallkopf suche.«»Knallkopf?« machte Mercant verständnislos.»Overhead - Überkopf!« klärte Rhodan ihn auf.»Bully hat es mit den Spitznamen. Sie zum Beispielpflegt er ständig ...«»Nicht verraten!« bat Bully und stand auf. Er zogsich bis zur Tür zurück, öffnete sie halb und meintedann, schon zur Hälfte in Sicherheit: »Jetzt kannst dues ihm meinetwegen sagen.«Dann schloß sich die Tür. Mercant zwinkerte Rhodanzu. »Nun?«»Er nennt Sie den >Terranischen Sherlock Holmes<,wenn ich nicht irre.«Mercant strahlte und schüttelte lächelnd den Kopf.»Nun, deshalb brauchte er aber nicht wegzulaufen.Ich finde den Spitznamen recht schmeichelhaft.«

Perry Rhodan betrachtete angelegentlich seineFingernägel.»Die Sache hat einen Haken, lieber Mercant. Fürmanche Personen hat Bully eben zwei Spitznamen,weil einer ihm nicht ausreichend erscheint.«»Zwei Spitznamen?« fragte Mercant ahnungsvoll undstrich sich sinnend über die von dem blondenHaarkranz eingerahmte Glatze. »Ist das möglich?Und ich habe auch zwei?«Rhodan nickte und bemühte sich, ernst zu bleiben.»Welchen denn noch?« drängte Mercant wißbegierig.»Mondscheinlichtung.«Allan D. Mercant sah aus, als habe man einen KübelWasser über ihm entleert, warf einen kurzen Blick zuder nun wieder geschlossenen Tür, seufzte ergebenund sagte:»Reden wir lieber über wichtigere Dinge.«Zwei Minuten später hatten sie Bully vergessen ...

E N D E

Das Duell der Mutanten ist entschieden! Die Menschen, die der Overhead unter seinen hypnotischen Banngezwungen hatte, sind zum größten Teil befreit und dürften nach ihrer völligen Reorientierung gute Mitstreiterfür die Dritte Macht abgeben. Der Overhead selbst wurde jedoch nicht gefaßt, und das ist das gefährlichedaran, denn solange andere noch IM BANNE DES HYPNO sind, bleibt die Bedrohung bestehen ...

IM BANNE DES HYPNO

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